Urteil vom Verwaltungsgericht Düsseldorf - 35 K 8702/18.O
Tenor
Der Beklagte wird in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A 8) zurückgestuft.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 0.0.0000 in N geborene Beklagte trat am 0.00.0000 als Polizeimeisteranwärter in den mittleren Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen ein. Am 00.0.0000 wurde er zum Polizeiobermeister (Besoldungsgruppe A 8) ernannt. Am 00.0.0000 wurde er - unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit - zum Polizeihauptmeister ernannt (Besoldungsgruppe A 9). Seine Ernennung zum Polizeikommissar (ebenfalls Besoldungsgruppe A 9) erfolgte am 0.00.0000.
3Nach verschiedenen Verwendungen im Streifen- und Polizeigewahrsamsdienst bei der Kreispolizeibehörde N1 versah der Beklagte bis zu seiner Suspendierung Dienst beim Polizeipräsidium L. Zuletzt wurde er auf eigenen Wunsch in die PI1 als Wachdienstbeamter umgesetzt.
4Die letzte dienstliche Beurteilung des Beklagten aus dem Jahre 2015 endet mit dem Ergebnis, dass die Leistung und Befähigung „voll den Anforderungen entsprechen“.
5Der Beklagte ist unterhaltspflichtig für seinen im Jahre 0000 geborenen Sohn, der nicht in seinem Haushalt lebt. Seit dem 00.0.0000 ist er mit T F geb. N2 verheiratet.
6Er ist abgesehen von dem hier in Rede stehenden Vorwurf straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
7Mit Verfügung vom 00.0.2018 wurde gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Zeitgleich wurde ihm die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Unter dem 0.0.2018 wurde schließlich eine vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen.
8In der Einleitungsverfügung wurde ihm Folgendes zur Last gelegt:
">9class="absatzLinks">„Gegen Sie wurde von der Staatsanwaltschaft L unter dem Aktenzeichen 00 Js 000/00 ein Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung (gemeinschaftliche Ausübung zusammen mit PK K X) gef2;hrt. Mit Urteil des Amtsgerichtes L vom 12.03.2018 (Aktenzeichen 000 Ds 000/00) wurden Sie wegen gefährlicher Körperverletzung nach den §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4, 21, 25 Abs. 2, 47 StGB zu 150 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt.
10In dem Urteil heißt es:
11„Am 0.00.2016 zwischen 5.00 Uhr und 5.30 Uhr begab sich der Zeuge I, bei dem es sich ebenfalls um einen Polizeibeamten handelt, auf den Heimweg von einer Party der Polizeigewerkschaft, die im Bürgerhaus T1 stattgefunden hatte. Etwa 200 m von der Veranstaltungsörtlichkeit entfernt traf er auf die beiden Angeklagten und den Zeugen N3. Der Angeklagte F sagte zu dem Zeugen I: „Das wird dir eine Lehre sein“. Der Angeklagte X fixierte die Hände des Zeugen I hinter dessen Rücken. Währenddessen schlug der Angeklagte F dem Zeugen I – aufgrund eines wenigstens spontan mit dem Angeklagten X gefassten gemeinsamen Tatentschlusses – zweimal mit der Faust ins Gesicht. Der Zeuge I ging daraufhin zu Boden. Wenigstens einer der Angeklagten versetzte dem Zeugen I noch einige Tritte gegen den Kopf.
12Der Zeuge I erlitt eine Kieferprellung, eine Platzwunde an der Oberlippe, multiple Kopfprellungen, eine Prellung am Auge eine Schürfwunde am rechten Haaransatz und eine Halswirbeldistorsion. Zudem blutete er aus dem rechten Ohr. Er war bis zum 02.11.2016 dienstunfähig.“
13Das Urteil wurde am 20.03.2018 rechtskräftig.
14Ihr Verhalten begründet den Verdacht einer Verletzung Ihrer Wohlverhaltenspflicht aus § 34 S. 3 BeamtStG.“
15Die weiteren Gründe des gem. § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt gefassten und auf einer Verständigung im Sinne von § 257 c StPO beruhenden Urteils lauten:
16„Eine dem Angeklagten F um 10.30 Uhr entnommene Blutprobe wies eine BAK von 1,86 Promille auf, um 11.03 Uhr konnte noch eine BAK von 1,77 Promille festgestellt werden.
17Eine dem Angeklagten X um 9.53 Uhr entnommene Blutprobe wies eine BAK von 1,24 Promille auf, um 10.26 Uhr konnte noch eine BAK von 1,16 Promille festgestellt werden.
18Der Angeklagte F zahlte in der Folge ein Schmerzensgeld i.H.v. 1000,00 € und einen Betrag von 300,00 € als materiellen Schadensersatz an den Zeugen I.
19Der Tatnachweis folgt aus der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten F und der durchgeführten Beweisaufnahme.
20Die Angeklagten haben sich daher wie tenoriert strafbar gemacht.</p> 21
Beide Angeklagte handelten aufgrund Ihrer Alkoholisierung im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB.
ts">22class="absatzLinks">Das Gericht hat von der Möglichkeit der Strafrahmenmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht. Hiervon ausgehend sieht der Strafrahmen für die gefährliche Körperverletzung Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu sieben Jahre sechs Monate vor.
23Gemäß § 47 Abs. 1 StGB verhängt das Gericht eine Freiheitsstrafe unter 6 Monaten nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Droht das Gesetz- wie im vorliegenden Fall - keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht gem. § 47 Abs. 2 StGB eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerlässlich ist.
24Die Verhängung einer Freiheitsstrafe hielt das Gericht angesichts der fehlenden Vorstrafen der Angeklagten und des Umstandes, dass es von einem Augenblicksversagen bei den Angeklagten und nicht von einer Neigung zu gewalttätigen Handlungen ausgeht, nicht für erforderlich.
25Hiervon ausgehend hielt das Gericht für den Angeklagten F eine
26Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 50,00 EUR
27und für den Angeklagten X eine
28Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 50,00 EUR
29für tat- und schuldangemessen.
30Zu Gunsten beider Angeklagter sprach der Umstand, dass sie nicht vorbestraft sind und dass die Körperverletzung aus einer gruppendynamischen Situation heraus begangen worden ist. Zu Gunsten des Angeklagten F sprach ferner, dass er zur Entschuldigung bereit war und an den Geschädigten bereits ein Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz gezahlt hat. Strafschärfend wirkte sich insbesondere die Schwere der zugefügten Verletzungen aus und die vergleichsweise hohe kriminelle Energie, die trotz der verminderten Schuldfähigkeit in der Tat, die zulasten eines Kollegen begangen worden ist, zum Ausdruck kommt. Beim Angeklagten F fiel strafschärfend ferner ins Gewicht, dass von diesem die Initiative zu den Körperverletzungshandlungen ausging.“
31Die Staatsanwaltschaft L prüfte in der Folgezeit eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Im Zuge dieser Prüfung wurden mehrere Zeugen vernommen. Die zuständige Staatsanwältin X1 verfügte am 13. August 2018, dass die gewonnenen Ermittlungsergebnisse nicht ansatzweise eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 359 Nr. 1, Nr. 5 StPO rechtfertigen würden.
32Über seinen Prozessbevollmächtigten teilte der Beklagte im Disziplinarverfahren mit Schriftsatz vom 1. September 2018 mit, dass er einräume, den Kollegen U I mehrfach geschlagen zu haben, allerdings habe es sich dabei nicht um eine gefährliche Körperverletzung gehandelt. Denn der Kollege X habe den geschädigten Kollegen I nicht festgehalten und er habe den Kollegen I auch nicht ins Gesicht getreten. Insofern sei das Urteil des Amtsgerichts L unrichtig.
33Dem Bevollmächtigten des Beklagten wurde mit Schreiben vom 19. September 2018 das Ergebnis der Ermittlungen vom gleichen Tage übersandt und dem Beklagten Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
34In der schriftlichen Stellungnahme vom 16. Oktober 2018 wurde nochmals darauf hingewiesen, dass das amtsgerichtliche Urteil in Teilen falsch sei und der Sachverhalt noch nicht vollumfänglich aufgeklärt sei.
35Auf die Beteiligung des Personalrates wurde verzichtet.
36Der Kläger hat am 29. Oktober 2018 die vorliegende Disziplinarklage erhoben. Er wirft dem Beklagten unter Zugrundelegung des Urteils des Amtsgerichts L (Az.: 000 Ds 000/00) vor, eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben und dadurch schuldhaft gegen seine Pflicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen und damit ein schwerwiegendes Dienstvergehen i.S.d. § 47 BeamtStG begangen zu haben.
37Der Kläger beantragt,
38den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
39Dem ist der Beklagte mit dem Antrag,
40die Klage abzuweisen,p>
41 hilfsweise, auf eine Disziplinarmaßnahme unterhalb der Höchstmaßnahme zu erkennen, entgegengetreten. Hierzu hat er unter Wiederholung und Vertiefung der bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Gründe geltend gemacht, er habe den Geschädigten I am frühen Morgen des 0.00.2016 zwei Mal geschlagen - ohne jede Tatbeteiligung durch einen Dritten oder durch Fußtritte. Genau dies habe er im Strafverfahren vor dem Amtsgericht L auch gestanden und nur dieses Geständnis sei Grundlage der Verständigung nach § 257c Abs. 2 Satz 2 StPO gewesen. Ein Geständnis, das eine gefährliche Körperverletzung zum Inhalt habe, liege nicht vor. Im Gegenteil habe er dies jedes Mal vehement verneint und abgestritten. Dies sei auch immerzu von Herrn X bestätigt worden. Diese Umstände sowie die Alkoholisierung aller Beteiligten, die Höhe des Strafmaßes im Strafverfahren, und die sofortige Entschuldigung des Beklagten gegenüber dem Geschädigten müssten dazu führen, dass eine Maßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu verhängen sei. Der Beklagte ist in der mündlichen Verhandlung angehört worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der beigezogenen Personal- und Disziplinarakten sowie der Akten der Staatsanwaltschaft L zu Az. 00 Js 000/00 Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Disziplinarklage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Beklagte ist wegen eines außerdienstlichen Dienstvergehens in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A 8) zurückzustufen. In tatsächlicher Hinsicht legt die Disziplinarkammer für die disziplinarrechtliche Beurteilung die tatsächlichen Feststellungen des aufgrund der Hauptverhandlungen vom 22. Februar 2018 und 12. März 2018 ergangenen rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts L zugrunde, mit dem der Beklagte wegen gefährlicher Körperverletzung, begangen im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit, verurteilt wurde. Danach hat der Beklagte in stark betrunkenem Zustand am 0.00.2016 zwischen 5.00 Uhr und 5.30 Uhr den ebenfalls stark alkoholisierten Polizeibeamten I auf dem Heimweg von einer Party der Polizeigewerkschaft - etwa 200 m von der Veranstaltungsörtlichkeit entfernt - gemeinschaftlich mit dem gleichfalls unter Alkoholeinfluss stehenden Kollegen X so verletzt, dass dieser eine Kieferprellung, eine Platzwunde an der Oberlippe, multiple Kopfprellungen, eine Prellung am Auge, eine Schürfwunde am rechten Haaransatz und eine Halswirbeldistorsion erlitt. bsatzLi
Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - 2 B 59/17 -, juris, Rn. 18 m.w.N.
53Es steht der Bindungswirkung auch nicht entgegen, dass es sich bei dem Urteil um ein gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürztes Strafurteil handelt, denn an der gesetzlich vorgeschriebenen Bindungswirkung nehmen auch Strafurteile teil, die in abgekürzter Fassung abgesetzt worden sind.
absatzRechts">54>Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2012 - 2 WD 16/11 -, juris, Rn. 20; OVG NRW, Urteile vom 6. Dezember 2017 - 3d A 592/15.BDG -, juris, Rn. 66 und vom 26. April 2016 - 3d A 1785/14.O -, juris, Rn 57.
55Eine Bindungswirkung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Strafurteil, wie vorliegend, im Hinblick auf die Rechtsfolgen auf einer Verfahrensabsprache gemäß § 257c StPO beruht.
56Vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 2 B 84/13 -, juris, Rn. 9 m.w.N. und Bayrischer VGH, Urteil vom 11. Mai 2016 - 16a D 13.1540 -, juris, Rn. 53.
57Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW hat das Gericht jedoch die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind. Da die gesetzliche Bindungswirkung der oben beschriebenen Rechtssicherheit dient, muss dem auch bei der Auslegung des gesetzlichen Begriffs der offenkundigen Unrichtigkeit im Sinne von 7; 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW Rechnung getragen werden.
58Daher sind die Verwaltungsgerichte nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten "sehenden Auges" auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Hierunter fällt auch, dass das Strafurteil auf einer Urteilsabsprache beruht, die den rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Darüber hinaus entfällt die Bindungswirkung des § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW wenn Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 2017 - 2 B 34/17 -, juris, Rn. 13 m.w.N.
ts">60Wird im gerichtlichen Diszipinarverfahren das Vorbringen einer dieser Voraussetzungen geltend gemacht, so sind die Verwaltungsgerichte erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und schließlich über eine Lösung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist. Pauschale Behauptungen genügen nicht. Es müssen vielmehr tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW ergeben kann.
61Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. August 2010 - 2 B 43/10 -, juris, Rn. 4 ff. m.w.N.
62Aus dem Vortrag des Beklagten ergibt sich nicht, dass die aufgezeigten Voraussetzungen hier gegeben sind.
63Der Beklagte macht geltend, er habe den Geschädigten I am frühen Morgen des 0.00.2016 zwei Mal geschlagen - ohne jede Tatbeteiligung durch einen Dritten oder durch Fußtritte. Genau dies habe er im Strafverfahren vor dem Amtsgericht L auch gestanden und nur dieses Geständnis sei Grundlage der Verständigung nach § 257c Abs. 2 Satz 2 StPO gewesen. Ein Geständnis, das eine gef28;hrliche Kö;rperverletzung zum Inhalt habe, liege nicht vor. Im Gegenteil habe er dies jedes Mal vehement verneint und abgestritten. Dies sei auch immerzu von Herrn X bestätigt worden.
64Damit macht er zunächst nicht geltend, dass die strafgerichtlichen Feststellungen - im auf einer Verfahrensabsprache nach § 257c StPO beruhenden Urteil des Amtsgerichts L - in einem entscheidungserheblichen Punkt unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind.
65Dies ist auch sonst nicht ersichtlich: Ausweislich des Protokolls der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts L vom 12. März 2018 (BA Heft 4 Blatt 298 bis 309) wurden alle Verfahrensbeteiligten in den sog. „deal“ einbezogen. Anwesend waren neben der Staatsanwaltschaft insbesondere der Beklagte mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt B, und der Mitangeklagte im Strafverfahren X mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt X2.
66Soweit der Beklagte unzutreffende Feststellungen in dem Strafurteil rügt, wäre es im Übrigen seine Sache gewesen, gegen das Strafurteil vorzugehen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls ist eine Rechtsmittelbelehrung und eine Belehrung nach § 35a Satz 3 StPO erfolgt. Rechtsmittel wurden jedoch nicht eingelegt. Das Urteil erlangte am 20. März 2018 Rechtskraft.
67Außerdem ist dem Urteil auch an keiner Stelle zu entnehmen, dass der Beklagte ein Geständnis, das eine gefährliche Körperverletzung zum Inhalt gehabt hätte, abgegeben hätte - was der Beklagte als unzutreffend rügt und weiter aufgeklärt wissen will. Im Urteil heißt es lediglich: „Der Tatnachweis folgt aus der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten F und der durchgeführten Beweisaufnahme.“ Damit steht fest, dass das Gericht die tatsächlichen Feststellungen - offenbar auch - im Wege der Beweisw52;rdigung getroffen hat und diese gerade nicht ausschließlich auf der geständigen Einlassung des Beklagten beruhen. Die Beweiswürdigung, die das Gericht angestellt hat, ist in sich weder widersprüchlich, noch lückenhaft oder unklar. Die vom Beklagten behauptete - und nicht zu leugnende - Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs reicht für einen Lösungsbeschluss jedoch nicht aus.
68Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 7. Mai 2018 - 35 K 2791/14.O - m.w.N.
69Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begeht ein Beamter ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Zu den näher ausgestalteten Pflichten gehört u.a. die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Diese Pflicht hat der Beklagte verletzt, indem er die in Rede stehende Körperverletzung begangen hat.
70Das Fehlverhalten des Beklagten lag zwar außerhalb des Dienstes, weil es weder formell in das Amt des Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war.
71Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 C 9/14 – juris, Rn. 10 und vom 10. Dezember 2015 ‑ 2160;C 50/13 -, juris, Rn 29.
72Es erfüllt indes die Voraussetzungen, unter denen außerdienstliches Handeln eines Beamten eine Dienstpflichtverletzung darstellt. Das ist nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG der Fall, wenn das Verhalten des Beamten im Einzelfall in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
73Die beruflichen Erfordernisse, die eine Pflicht des Beamten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes begründen, sind inhaltlich im Einklang mit § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zu konkretisieren. Sie ergeben sich vor allem aus dem Amt des Beamten im statusrechtlichen Sinn, daneben aus der Notwendigkeit, das Ansehen des Beamtentums zu wahren, wenn dies nach heutigen Vorstellungen erforderlich erscheint. Danach verstöß;t ein außerdienstliches Verhalten des Beamten gegen die Wohlverhaltenspflicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG, wenn es geeignet ist, das Vertrauen zu beeinträchtigen, das sein Beruf erfordert. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn sein außerdienstliches Verhalten einen hinreichenden Bezug zu seinem Statusamt aufweist, so dass es nachteilige Rückschlüsse auf die Wahrnehmung seines Amtes zulässt, also Zweifel daran weckt, ob der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird. Zum anderen verstößt ein außerdienstliches Verhalten gegen berufliche Erfordernisse im Sinne von § 34 Satz 3 BeamtStG, wenn dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt werden kann. Letzteres ist jedenfalls dann der Fall, wenn es sich bei dem außerdienstlichen Fehlverhalten um eine vorsätzlich begangene Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht, und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt. Durch die Bewertung des Fehlverhaltens als strafbar hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er dieses Verhalten als in besonderem Maße verwerflich ansieht. Dies lässt ohne weiteres darauf schließen, dass entsprechendes Fehlverhalten das Ansehen des Beamtentums in einer Weise beschädigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionsfähigkeit nicht hingenommen werden kann.
74Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16/10 -, juris, Rn. 24 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9/14 -, juris, Rn. 15 f.; OVG NRW, Urteil vom 18. November 2015 - 3d A 105/12.BDG -, juris, Rn. 61.
75nks">Der Bekla
gte hat vorsätzlich eine schwerwiegende Straftat begangen. Die gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitstrafe bedroht. 76Die außerdienstlich begangene Straftat weist zudem einen Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit - vor allem auch für schutzbedürftige Personen - eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten begehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten gerade mit der Verfolgung solcher Delikte betraut war.
77Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50/13 -, juris, Rn. 35 f.
78<p class="absatzLinks">Die Schuldfähigkeit des Beklagten für die festgestellte Verfehlung ist ebenfalls gegeben. Schuldausschließungsgründe im Sinne von § 20 StGB sind hier nicht anzunehmen, insoweit ist die Kammer an die Feststellungen des Strafgerichtes gebunden. Die Bindungswirkung besteht hinsichtlich sämtlicher tatsächlicher Feststellungen, die den Strafausspruch gegen den Beklagten im Strafurteil tragen. 79Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. April 2016 - 3d A 1785/14.O -, juris, Rn.57.
80Vorliegend verstieß der Beklagte auch bei der ihm zuzugestehenden erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB mit seinen Handlungen gegen leicht einsehbare Grundpflichten eines jeden Polizeivollzugsbeamten. Die festgestellte alkoholbedingte erhebliche Beeinträchtigung seiner Steuerungsfähigkeit steht der disziplinarischen Ahndung seines Verhaltens daher nicht schon per se entgegen, weil die Steuerungsfähigkeit nicht vollständig aufgehoben war. Anhaltspunkte für die Annahme, seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln sei so erheblich eingeschränkt gewesen, dass ihm disziplinarisch überhaupt kein Schuldvorwurf mehr zu machen sei, bestehen ebenfalls nicht.
81Das vom Beklagten begangene Dienstvergehen führt nach sämtlicher zu berücksichtigender Umstände zur Zurückstufung des Beklagten gemäß § 9160;LDG NRW in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A 8).
82Die beantragte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommt nach dem Dafürhalten der Kammer nicht in Betracht. Eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt nach § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW voraus, dass der Beamte durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Danach ist das Beamtenverh8;ltnis auf Lebenszeit aufzulösen, wenn die Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW zu dem Ergebnis führt, dass der Beamte untragbar geworden ist. Dies ist anzunehmen, wenn der Beamte ein schweres Dienstvergehen begangen hat und die prognostische Gesamtwürdigung ergibt, er werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die von ihm zu verantwortende Ansehensschädigung sei bei einem Verbleib im Beamtenverhältnis nicht wieder gutzumachen. Je schwerer das Dienstvergehen wiegt, desto näher liegt eine derartige Prognose.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16/10 -, juris, Rn. 31; OVG NRW, Urteil vom 15. November 2016 - 3d A 1826/12.O -, juris, Rn. 43.
84Für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere der Höhe eines angerichteten Schadens. Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Pers246;nlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist.
85Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16/10 -, juris, Rn. 29; OVG NRW, Urteil vom 15. November 2016 - 3d A 1826/12.O -, juris, Rn. 44.
86Bei der disziplinaren Maßnahmebemessung ist bei einem außerdienstlichen Dienst-vergehen, das ein strafbares Verhalten zum Gegenstand hat, auf einer ersten Stufe auf den gesetzlichen Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Weist ein Dienstvergehen - wie hier - hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bereits für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Dies gilt erst recht für eine schwere Straftat wie die hier in Rede stehende gefährliche Körperverletzung, die das Gesetz in der hier maßgeblichen zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedrohte. Die disziplinarrechtliche Ahndung bis hin zur disziplinaren Höchstmaßnahme ist damit eröffnet.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50/13 -, juris, Rn. 15 und 22; Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 25/14 -, juris, Rn. 34.
88Die Ausschöpfung dieses maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt allerdings nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht.
89ss="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50/13 -, juris, Rn. 18 und vom 28. Juli 2011 ‑ 2 C 16/10 - , juris, Rn. 24.
90Dabei kann im Falle einer außerdienstlich begangenen Straftat auf einer zweiten Stufe zunächst indiziell auf die vom Strafgericht ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden. Dies folgt zunächst aus § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, der direkt und ausschließlich an den Strafausspruch der Strafgerichte anknüpft. Unterhalb der in dieser Vorschrift genannten Schwelle kommt der strafgerichtlichen Aburteilung zwar regelmäßig keine unmittelbare Verbindlichkeit für die disziplinarrechtliche Beurteilung zu. Auch bei weniger gravierenden Verurteilungen kann der Ausspruch der Strafverfolgungsorgane aber als Indiz für die Schwere einer außerdienstlich begangenen Straftat und für Abstufungen innerhalb des Orientierungsrahmens herangezogen werden. Unbeschadet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kommt in dem Strafausspruch die Schwere und Vorwerfbarkeit der begangenen Handlung zum Ausdruck, die auch für die disziplinarrechtliche Beurteilung von maßgeblicher Bedeutung ist.
91Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. März 2017 - 2 B 42/16 -, juris, Rn. 30; Urteile vom 10. Dezember 2015 - 2 C 50/13 -, juris, Rn. 18 m.w.N. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9/14 -, juris, Rn. 37 f.
92Ist von den Strafgerichten nur auf eine Geldstrafe erkannt oder das Strafverfahren eingestellt worden und sind die Strafverfolgungsorgane damit nicht von einer besonderen Schwere der individuellen Schuld ausgegangen, bedarf der Ausspruch einer statusberührenden Disziplinarmaßnahme daher einer besonderen Begründung der Disziplinargerichte zur Schwere der Verfehlung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommt hier nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht.
93ss="absatzLinks">Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9/14 -, juris, Rn. 37 f.; Beschluss vom 16. März 2017 ‑ 2 B 42/16 -, juris Rn. 30; OVG NRW, Urteile vom 21. März 2018 - 3d A 1043/14.O -, juris, Rn. 78 und vom 19. September 2018 - 3d A 963/ 16.O -, juris, Rn. 122.
94Der Beklagte wurde vom Amtsgericht L zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu 50,00 Euro verurteilt. Damit liegt das Strafmaß unterhalb von einem Jahr Freiheitsstrafe, bei der das Beamtenverhältnis im Falle einer vorsätzlichen Tat kraft Gesetzes beendet ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG).
95Allerdings hat der Beklagte gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten im Strafverfahren, X, einen jungen Polizeibeamten nach einer gemeinsamen Feier im Kollegenkreis in der Öffentlichkeit - ohne erkennbaren Anlass - erheblich verletzt. Der Kollege I erlitt eine Kieferprellung, eine Platzwunde an der Oberlippe, multiple Kopfprellungen, eine Prellung am Auge, eine Schürfwunde am rechten Haaransatz und eine Halswirbeldistorsion. Damit wiegt das Dienstvergehen bereits aufgrund disziplinarrechtlich bedeutsamer Gesichtspunkte so schwer, dass eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis angezeigt ist, obwohl das Strafgericht „nur“ eine Geldstrafe verhängt hat. Das folgt aus dem besonders engen Dienstbezug, der bei außerdienstlich begangener Körperverletzung, dessen sich der Beklagte als Polizeibeamter strafbar gemacht hat, vorliegt.
96Demzufolge ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung für das dem Beklagten zur Last gelegte Dienstvergehen.
97Ist aufgrund der Schwere des in Rede stehenden Dienstvergehens aber die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung, so kommt es für die Bestimmung der im konkreten Einzelfall zu verhängenden Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LDG NRW derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist.
98Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63/11 -, juris, Rn. 17 m.w.N.
99Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder ob es etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten davon abweicht. Ausnahmesituationen, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher nicht mehr vorausgesetzt werden kann, müssen daher berücksichtigt werden.
class="absatzRechts">100Vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte persönlichkeitsbezogene Milderungsgründe, die zum Absehen von der Höchstmaßnahme führen können, liegen vor:
101Der Beklagte hat das Dienstvergehen im Zustand einer im Sinne des § 21 StGB erheblich verminderten, regelmäßig einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entgegenstehenden, Schuldfähigkeit begangen.
102Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Februar 2016 - 2 B 84/14 -, juris, Rn. 21, vom 4. Juli 2013 ‑ 2 B 76/12 -, juris, Rn. 19 und vom 25. März 2010 - 2 C 83/08 -, juris, Rn. 34 sowie OVG NRW, Beschluss vom 2. Mai 2018 - 3d A 2630/16.BDG -, Seite 24 des Urteilsabdrucks.
103Zwar muss das Disziplinargericht selbst die hierzu erforderlichen Tatsachen feststellen und die erforderliche Rechtsentscheidung treffen, ob die Minderung der Schuldfähigkeit eine erhebliche ist. Es ist jedoch nicht gehindert, sich den entsprechenden Feststellungen im Strafurteil anzuschließen, wenn es die dort getroffene Würdigung dazu teilt. Insoweit geht die Kammer mit dem Strafgericht davon aus, dass die Schuldfähigkeit des Beklagten aufgrund der der noch um 10.30 Uhr am Tattag festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,86 Promille zum Tatzeitpunkt (zwischen 5.00 Uhr und 5.30 Uhr) entsprechend höher war und der Beklagte alkoholbedingt erheblich vermindert schuldfähig war. Dafür spricht neben der hohen Blutalkoholkonzentration auch der gesamte Geschehensablauf, der aus einer gruppendynamischen Situation heraus entstanden ist.
104Die verminderte Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit kann vorliegend auch mildernd berücksichtigt werden. Zwar sind nach der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenates des Bundesverwaltungsgerichts Soldaten verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie ihren Dienst ohne alkoholbedingte Einschränkungen antreten und ableisten können. Es obliegt ihnen auch, außerhalb des Dienstes von dem Genussmittel Alkohol verantwortlich Gebrauch zu machen, um keine Zweifel an ihrer dienstlichen Zuverlässigkeit in dieser Hinsicht aufzuwerfen. Kommt ein Soldat dieser Obliegenheit nicht nach, kann er sich nicht zur Milderung einer Maßnahme darauf berufen, dass sich das ihm bekannte Risiko einer Normüberschreitung durch die enthemmende Wirkung des Alkohols realisiert hat.
105BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2013 – 2 WD 36/12 -, juris, Rn. 46.
106Diese Rechtsprechung fußt allerdings auf spezifischen, für Soldaten geltende Vorschriften (Ziffer 403 der ZDv 10/5), die im Polizeidienst des Landes Nordrhein-Westfalen nicht gelten und ist damit auf das vorliegende Verfahren nicht übertragbar.
107Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem ebenfalls vom Kläger zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen.
108Vgl.VG Meiningen, Urteil vom 26. April 2010 - 6 D 60020/08 Me -, juris.
109Hier sah das Gericht nach einer strafrechtlichen Verurteilung des Beamten wegen Beleidigung sowie gefährlicher Körperverletzung - beide Taten begangen im Zustand der alkoholbedingten verminderten Schuldfähigkeit - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 11 Monaten (deren Vollstreckung zur Bewährung auf drei Jahre ausgesetzt wurde) und zur Zahlung von 3.000,- Euro an die minderjährige Geschädigte bei der Gesamtabwägung aller Umstände nur die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als einzig erforderliche und angemessene Maßnahme an. Hierbei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die in Abwägung der mildernden und erschwerenden Gesichtspunkte zu Ungunsten des dortigen Beklagten ausfiel und zu dessen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führte, für den vorliegenden Fall jedoch nicht präjudiziell ist.
110Die Tat war dem Beklagten auch wesensfremd. Er ist weder vor noch nach der Tat straffällig gewesen. Auch disziplinarrechtlich ist er unbescholten. Es handelt sich vielmehr um eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Polizisten. Eine entsprechende Milderung kommt in Betracht, wenn ein Beamter im Zuge einer plötzlich entstandenen Versuchssituation einmalig und persönlichkeitsfremd handelt. Die die Versuchung auslösende Situation muss geeignet sein, ein gewisses Maß an Kopflosigkeit, Spontanität und Unüberlegtheit herbeizuführen.
111Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. Februar 2018 - 2 B 51/17 -, juris, Rn. 7 und vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35/13 -, juris, Rn. 6 m.w.N.
112<p class="absatzLinks">Nach diesen Maßgaben liegt der Milderungsgrund der persönlichkeitsfremden Augenblickstat hier vor. Das ergibt sich aus Folgendem: Der Beklagte stand ebenso wie seine Kollegen nach einer durchzechten Nacht unter erheblichem Alkoholeinfluss. In dieser Verfassung kam es zunächst zu verbalen Auseinandersetzungen mit dem Kollegen I, die dann spontan und unüberlegt in Handgreiflichkeiten übergingen. 113Dass der Beklagte in dieser Nacht einmalig versagt hat und eine Wiederholung nicht zu befürchten steht, ergibt sich auch aus der formlosen Beurteilung des Polizeihauptkommissars S L1 vom 18. März 2018 (BA Heft 2 Seiten 74 bis 76). Die dort wiedergegebene Einschätzung zum Leistungs- und Persönlichkeitsbild ist vorbildlich: So gilt der Beklagte als kameradschaftlich und freundlich. Er sei im Kolleggenkreis beliebt und werde von den Vorgesetzten uneingeschränkt geschätzt.
114Zum Nachverhalten ist dort angegeben, dass der Beklagte nach dem Vorfall buchstäblich „am Boden zerstört“ gewesen sei. Ihm sei bewusst gewesen, dass er einen großen Fehler begangen habe. Mit der deutlichen Kritik seiner Vorgesetzten sei er sachlich umgegangen. Die dienstinternen Konsequenzen habe er vorbehaltlos akzeptiert. Ihm sei anzumerken gewesen, dass ihn sein Handeln nachhaltig belaste. Trotz alledem habe er seinen Dienst nach wie vor in vorbildlicher Art und Weise versehen. Er sei sichtlich bemüht gewesen, das zu seiner Person entstandene negative Bild zu korrigieren. Sein Umgang mit Alkohol sei vor und nach der Straftat verantwortungsbewusst und als nicht auffällig zu beobachten gewesen. Nach dem Vorfall habe er sich bei der Teilnahme an Feierlichkeiten im dienstlichen Kontext - wie Betriebsausflug und Weihnachtsfeier - beim Alkoholkonsum bewusst zurückgehalten.
115Weiter ist dem Beklagten zugute zu halten, dass er sich bei dem Kollegen I mehrfach entschuldigt hat und diesem bereits vor dem Strafausspruch 1.000 Euro Schmerzensgeld sowie 300 Euro materiellen Schadensersatz gezahlt hat.
116class="absatzLinks">Im Disziplinarverfahren verhielt er sich stets kooperativ und machte immer wieder deutlich, wie sehr er die Tat bedaure. Auch in der mündlichen Verhandlung hat er sich reuig gezeigt.
>117Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ gemäß § 13 Abs. 2 Satz 3 LDG NRW erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.
118Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 2 C 59/07 -, juris, Rn. 15 und vom 20. Oktober 2005 ‑ 2 C 12/04 -, juris, Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 18. April 2018 - 3d A 12/17.O -, Seite 23 des Urteilsabdrucks.
119Die Würdigung aller Umstände unter Beachtung auch dieses Kriteriums führt bei prognostischer Beurteilung zu der Bewertung, dass der Dienstherr und die Allgemeinheit dem Beklagten nach dem von ihm begangenen schweren Dienstvergehen noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen können. Der Beklagte hat durch sein außerdienstliches Verhalten das Vertrauen in seine pflichtgemäße Dienstausübung zwar tief erschüttert und das Ansehen des Berufsbeamtentums erheblich beschädigt. Unter Berücksichtigung der dargestellten Umstände ist eine Zurückstufung jedoch noch als die dem Schuld- und Unrechtsgehalt des Dienstvergehens als angemessene und ausreichende Maßnahme zu erachten. Zurückstufung ist die Versetzung in ein Amt derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt (§ 9 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass der Beklagte aus dem Amt eines Polizeikommissars (Besoldungsgruppe A 9 gD) in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A 8 mD) zurückzustufen ist. Gegen eine Zurückstufung spricht nach Ansicht des Gerichts nicht, dass Polizeivollzugsbeamte mittlerweile nicht mehr in den Laufbahnabschnitt I eingestellt werden, der als eine Laufbahn der Laufbahngruppe 1, Ämtergruppe des zweiten Einstiegsamtes gilt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 LVO Pol). Denn zum einen hat der Beklagte den Laufbahnabschnitt I (sog. Laufbahn des mittleren Dienstes) durchlaufen und zum anderen handelt es sich bei der Laufbahn der Polizeivollzugsbeamten um eine Einheitslaufbahn, wobei den Polizeivollzugsbeamten alle Ämter des Polizeivollzugsdienstes nach den Vorschriften der Laufbahnverordnung der Polizei offen stehen (§ 2 Abs. 6 LVO Pol).
120Vgl. VG Münster, Urteil vom 18. März 2014 – 13 K 3156/12.O –, juris , Rn. 43.
121Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 1 VwGO.
122Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 Abs. 1 LDG NRW, § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
123Rechtsmittelbelehrung:
124Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu.
125Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und zu begründen.
126Die Berufung kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingelegt und begründet werden.
127Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von der oder dem Vorsitzenden des zuständigen Senats für Disziplinarsachen verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Berufung unzulässig. Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).
128Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
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