Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 11 S 1966/19

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Juni 2019 - 8 K 19641/17 - geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt ein Drittel und die Beklagte zwei Drittel der Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst zu tragen hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Seine Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart war dergestalt erfolgreich, dass die Beklagte verpflichtet wurde, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 25a Abs. 2 AufenthG zu erteilen. Die ebenfalls auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gerichtete Klage der Ehefrau des Klägers wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Mit der vom Verwaltungsgericht insoweit, als der Klage stattgegeben wurde, zugelassenen Berufung begehrt die Beklagte die Änderung dieses Urteils und die Abweisung der Klage.
Der am 17. April 1962 geborene Kläger und seine am 10. März 1963 geborene Ehefrau sind türkische Staatsangehörige. Die Ehefrau des Klägers reiste erstmals im Jahr 1978 in das Bundesgebiet ein. Der Kläger reiste im Dezember 1988 mit einem Visum nach Deutschland ein. Der Kläger beantragte am 18. Mai 1989 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung, nachdem er seine Ehefrau geheiratet hatte. In der Folgezeit erhielt der Kläger zunächst befristete Aufenthaltserlaubnisse. Ab Mai 1994 war er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, welche nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Niederlassungserlaubnis fortgalt. Der Kläger und seine Ehefrau haben drei gemeinsame, im Bundesgebiet geborene Kinder: die am xxx xxxx xxxx geborene Tochter xxxxxx, die am xx xxxxxx xxxx geborene Tochter xxxxx und den am xxx xxxxxxxxx xxxx geborenen Sohn xxxxxx. Während des Zeitraums von 1990 bis 2010 ging der Kläger verschiedenen Erwerbstätigkeiten nach. Zunächst arbeitete er von 1990 bis 1994 bei xxxxxxxxxxxx. Nach einer Arbeitslosigkeit von einem Jahr war er in den Jahren 1996 bis 2006 bei der xxxxxxx xx beschäftigt. Im Anschluss daran war der Kläger arbeitslos, bis er 2008 ein Restaurant eröffnete.
Der Kläger und seine Ehefrau veräußerten im Oktober 2010 ihre in Stuttgart befindliche Eigentumswohnung. Zum 31. Dezember 2010 meldete der Kläger sich in Stuttgart mit der Zieladresse „Türkei“ ab. Am 13. Januar 2011 verzog er mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern xxxxx und xxxxxx in die Türkei. Der Kläger, seine Ehefrau und die Kinder wurden am 6. Juni 2011 erneut in Stuttgart angemeldet. Die Ehefrau des Klägers und die beiden Kinder reisten am 23. November 2011 ohne Visum über den Flughafen Stuttgart in das Bundesgebiet ein. Der Kläger folgt ihnen am 30. November 2011 ebenfalls ohne Visum. Die Rückkehr erfolgte, da die Kinder dies wünschten und die Familie die Absicht hatte, zusammen zu bleiben.

Die Ehefrau des Klägers wurde anlässlich ihrer Einreise am Flughafen Stuttgart aufgrund zweier Vollstreckungshaftbefehle der Staatsanwaltschaft Stuttgart festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd eingeliefert. Sie war vor ihrem Wegzug in die Türkei im Bundesgebiet mehrfach strafrechtlich wegen verschiedener Delikte, wie beispielsweise Diebstahls und Leistungserschleichung, rechtskräftig zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt worden.
Nachdem die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Schreiben vom 7. Februar 2013 mitgeteilt hatte, dass ihre Aufenthaltstitel aufgrund der Ausreise in die Türkei gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG erloschen seien, erhoben diese Klagen beim Verwaltungsgericht Stuttgart - 5 K 576/13 - und begehrten die Feststellung, dass ihre Niederlassungserlaubnisse nicht erloschen seien. Das Verwaltungsgericht wies die Klagen mit Urteil vom 10. September 2013 ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Aufenthaltstitel aufgrund der Ausreise in die Türkei erloschen seien. Selbiges gelte für ein Aufenthaltsrecht aus dem Assoziationsratsbeschluss 1/80. Die Anträge auf Zulassung der Berufung lehnte der erkennende Senat mit Beschluss vom 13. Dezember 2013 - 11 S 2305/13 - ab.
Die Beklagte erteilte dem Kläger und seiner Ehefrau erstmals am 6. März 2014 befristete Duldungen gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus „sonstigen Gründen“, welche in der Folgezeit stets verlängert wurden. Im Zeitraum vom 5. bis 8. Dezember 2014 war der Kläger nicht geduldet.
Mit Schreiben vom 10. März 2014 beantragten der Kläger und seine Ehefrau Aufenthaltserlaubnisse gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK für sich und ihre beiden Kinder xxxxx und xxxxxx.
Der Kläger arbeitete ab dem 1. Dezember 2013 bei einem Unternehmen in xxx-xxxxxxxxx als Karosseriebauer. Er und seine Ehefrau sind seit dem 3. September 2012 bei der xxx xxxxxxxxxxxxxxxxx krankenversichert. Das Hauptzollamt Stuttgart teilte der Beklagten mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 mit, dass dem Kläger wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III rechtskräftig eine Geldbuße in Höhe von 335,- EUR wegen einer Beschäftigung ohne Arbeitserlaubnis auferlegt worden sei. In diesem Zuge hat der Kläger seine Tätigkeit für das Unternehmen zunächst eingestellt. Er, seine Ehefrau und die beiden Kinder bezogen ab dem 1. April 2014 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Nachdem die Bundesagentur für Arbeit am 6. März 2015 ihre Zustimmung zur Beschäftigung des Klägers bei dem Unternehmen in xxxxxxxxxxxx erteilt hatte, nahm der Kläger seine Beschäftigung dort zum 1. April 2015 wieder auf. Das Beschäftigungsverhältnis ist nach den arbeitsvertraglichen Regelungen unbefristet. Der Kläger verdient monatlich im Durchschnitt 3.293,- EUR brutto und zwischen 2.400,- EUR und 2.500,- EUR netto. Nachdem dem Kläger im Zuge der ihm erteilten Duldungen zunächst eine Beschäftigung bei dem Unternehmen im Zeitraum vom 12. März 2015 bis 11. März 2018 erlaubt wurde, ist dem Kläger seit dem 6. März 2018 die Beschäftigung uneingeschränkt erlaubt. Der Kläger und seine Familie bezogen ab Mai 2015 keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mehr. Die Ehefrau des Klägers ist nicht berufstätig und bezieht eine Rente in Höhe von 220,- EUR oder 230,- EUR aus der Türkei. Sie leidet an einer Depression und an Atemproblemen.
Die Beklagte erteilte den Kindern xxxxx und xxxxxx am 22. August 2016 jeweils eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG. Die Aufenthaltserlaubnisse waren bis zum 20. September 2017 befristet. Am 20. September 2017 wurden die Aufenthaltserlaubnisse bis zum 31. Juli 2018 verlängert. Im Anschluss daran wurde die Aufenthaltserlaubnis der Tochter xxxxx bis zum 30. Juli 2020 verlängert. Seit 4. Juni 2020 ist sie im Besitz einer Fiktionsbescheinigung. Unter dem Datum vom 27. Mai 2021 hat die Tochter des Klägers die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausbildung gemäß §§ 16 f. AufenthG beziehungsweise zur Erwerbstätigkeit gemäß §§ 18 ff. AufenthG beantragt. Dem Sohn xxxxxx wurde am 31. Juli 2018 zunächst eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG bis zum 25. Oktober 2018 erteilt. Nachdem er einen Ausbildungsvertrag vorgelegt hatte, wurde seine Aufenthaltserlaubnis am 25. Oktober 2018 bis zum 24. Oktober 2020 verlängert. Am 19. Mai 2020 wurde ihm schließlich eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG erteilt. Die beiden Kinder des Klägers haben zwischenzeitlich jeweils eine Berufsausbildung abgeschlossen. Die Tochter xxxxx arbeitet als xxxxxxxxxxxx-xxxx xxxxxxxxxxxxxxx bei einem xxxxxxxx in xxxxxxxxx und verdient etwa 1.600,- EUR netto, der Sohn xxxxxx arbeitet bei der xxxxxxx xx und verdient etwa 2.200,- EUR netto.
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Die Beklagte erbat mit Schreiben vom 2. September 2016 beim Regierungspräsidium Karlsruhe die Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG an den Kläger. Das Regierungspräsidium lehnte dies mit Schreiben vom 15. September 2016 ab. Zur Begründung führte es aus, dass für eine Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG neben den spezialgesetzlichen Regelungen des § 25a Abs. 2 und 3 AufenthG kein Raum sei.
11 
Mit Bescheiden vom 10. April 2017 lehnte die Beklagte die Anträge des Klägers und seiner Ehefrau auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ab. Zur Begründung führte sie im Falle des Klägers aus, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 AufenthG ein Versagungsgrund nach § 25a Abs. 3 AufenthG entgegenstehe. Dem Kläger seien die Straftaten seiner Ehefrau zuzurechnen. Die Vorschrift des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG stelle nicht auf den einzelnen Ehegatten ab, sondern auf die Eltern als Gemeinschaft. Ein Anspruch gemäß § 25b AufenthG scheide aus, da der Kläger den geforderten Mindestaufenthalt von sechs Jahren nicht erfülle. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG. Zum einen habe das Regierungspräsidium Karlsruhe die erforderliche Zustimmung nicht erteilt. Zum anderen bestehe für die Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG aufgrund der spezialgesetzlichen Regelungen in § 25a Abs. 2 und 3 AufenthG kein Raum mehr, wenn die Eltern eines integrierten Jugendlichen ihr Bleiberecht von diesem ableiten könnten.
12 
Die gegen die Bescheide vom 10. April 2017 erhobenen Widersprüche des Klägers und seiner Ehefrau wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2017 zurück.
13 
Der Kläger und seine Ehefrau erhoben hiergegen am 14. Dezember 2017 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart - 8 K 19641/17 -. Der Ausschlussgrund des § 25a Abs. 3 AufenthG sei ein individueller Versagungsgrund und dürfe nicht dem anderen straffreien Ehegatten angelastet werden. Er richte sich nur gegen den Ehegatten, bei welchem die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Dem Kläger und seiner Ehefrau stünden auch Ansprüche auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25b AufenthG zu. Sie seien seit ihrer Wiedereinreise in das Bundesgebiet seit November 2011 faktisch geduldet. Schließlich hätten der Kläger und seine Ehefrau ferner Ansprüche auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG.
14 
Mit Urteil vom 12. Juni 2019 - 8 K 19641/17 - hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2017 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. November 2017 aufgehoben, soweit sie den Kläger betreffen, und die Beklagte verpflichtet dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 AufenthG zu erteilen. Im Hinblick auf die Ehefrau des Klägers ist die Klage abgewiesen worden. Soweit der Klage stattgegeben worden ist, hat das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen. In Bezug auf den Kläger hat das Gericht in seinem Urteil im Wesentlichen ausgeführt, dass es für die Bejahung des Tatbestandmerkmals der Minderjährigkeit ausreiche, wenn das Kind, welches über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß   § 25a Abs. 1 AufenthG verfüge, zum Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis noch minderjährig ist. Weiterhin könne dem nicht straffällig gewordenen Ehegatten der Ausschlussgrund des § 25a Abs. 3 AufenthG nicht entgegengehalten werden. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG an den Kläger stehe auch nicht entgegen, dass er ohne das erforderliche nationale Visum nach Deutschland eingereist sei. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis setze gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zwar voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist. Im vorliegenden Fall sei allerdings das der Beklagten nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eingeräumte Ermessen auf null reduziert, da die Nachholung des Visumverfahrens nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche. Weiterhin liege aufgrund der Erfüllung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Beklagten. Auch insoweit sei allerdings von einer Ermessensreduzierung auf null auszugehen.
15 
Die Beklagte hat gegen das ihr am 24. Juni 2019 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts am 18. Juli 2019 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger der Ausschlussgrund des § 25a Abs. 3 AufenthG entgegen. Der Kläger müsse sich die Verurteilung seiner Ehefrau zurechnen lassen. Weiterhin sei der Sohn xxxxxx am 12. September 2017 volljährig geworden. Nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes sei die Erteilung der akzessorischen Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG an die Eltern ausgeschlossen. Im Hinblick auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lägen keinerlei Nachweise zu den erforderlichen Sprachkenntnissen des Klägers und zu seinen Grundkenntnissen der Rechts- und Gesellschaftsordnung vor. Entsprechende Prüfungstermine würden nach Kenntnis der Beklagten zwischenzeitlich auch wieder angeboten. Ferner sei nicht bekannt, wie der Kläger seinen Lebensunterhalt sichere. Weiterhin sei die letzte Einreise des Klägers in das Bundesgebiet am 30. November 2011 ohne das erforderliche Visum erfolgt.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Juni 2019 - 8 K 19641/17 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
18 
Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
20 
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Ausführungen in der Klagebegründung und auf das Urteil des Verwaltungsgerichts. Ergänzend führt der Kläger aus, dass sein Lebensunterhalt gesichert sei. Er verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von etwa 2.500,- EUR. Die monatliche Warmmiete für die angemietete Wohnung betrage 921,10 EUR. Die beiden im Haushalt des Klägers lebenden Kinder erzielten jeweils eigene Einkommen. Weiterhin verfüge der Kläger über Sprachkenntnisse des Niveaus A2 sowie über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung. Er sei bereit, diese Kenntnisse durch Bedienstete der Beklagten in einem persönlichen Gespräch prüfen zu lassen. Aufgrund der „Covid-19-Pandemie“ sei es ihm in den kommenden Wochen und Monaten aber nicht möglich, entsprechende Prüfungstermine zu vereinbaren.
21 
Der Beigeladene
22 
stellt keinen Antrag.
23 
Er ist der Auffassung, dass eine Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG vorliegend nicht in Betracht komme, da im Falle des Klägers die Regelung des § 25b AufenthG vorrangig sei. Soweit die Integrationsleistungen eines Ausländers bereits hinreichend im Rahmen des § 25b AufenthG abgebildet seien und damit den Schutzwirkungen des Art. 8 EMRK entsprochen werde, sei diese Regelung vorrangig im Verhältnis zu § 25 Abs. 5 AufenthG. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass etwaige Integrationsleistungen nicht hinreichend durch die Vorschrift des § 25b AufenthG abgebildet seien. Auch im Hinblick auf die Achtung des Privatlebens aus Art. 8 EMRK sei ein Rückgriff auf § 25 Abs. 5 AufenthG nicht geboten.
24 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart im Verfahren 8 K 19641/17 und 5 K 576/13, die Akten des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Verfahren 11 S 2305/13, die Behördenakten der Beklagten, die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf diese Akten und Unterlagen sowie die im Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

25 
Die zulässige Berufung ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I.
26 
Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Klägers zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Der Kläger hat nur einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 10. April 2017 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. November 2017 sind insoweit rechtswidrig. Sie verletzen den Kläger in seinen Rechten und sind daher aufzuheben, soweit sie ihn betreffen. Die Berufung der Beklagten hat im Übrigen Erfolg, weil dem Kläger kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zusteht (1.). Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen folgt auch nicht aus anderen Rechtsgrundlagen (2.). Die Klage ist demzufolge im Übrigen abzuweisen und die weitergehende Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
27 
1. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats in pflichtgemäßer Ausübung des ihr eröffneten Ermessens erneut entscheidet. Die Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis ist von dem Antrag des Klägers umfasst (a)), weiterhin liegen zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (b)) auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm vor (c)). Indes haben weder die Beklagte in ihrem Bescheid, noch das Regierungspräsidium Stuttgart in seinem Widerspruchsbescheid das ihnen im vorliegenden Verwaltungsverfahren eröffnete Ermessen ausgeübt. Die Sache ist insoweit noch nicht spruchreif (d)).
28 
a) Der Kläger hat vorliegend die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes beantragt und damit auch eine solche im Sinne des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
29 
Eine Aufenthaltserlaubnis darf nach § 81 Abs. 1 AufenthG nur auf Antrag und nicht von Amts wegen erteilt werden. Das Ziel eines solchen Antrags auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis (§§ 7, 8 AufenthG) wird durch die Aufenthaltszwecke und den Lebenssachverhalt, aus denen der Ausländer seinen Anspruch herleitet, bestimmt und begrenzt, weil das Aufenthaltsgesetz strikt zwischen den in den Abschnitten 3 bis 7 seines Kapitels 2 genannten Aufenthaltszwecken trennt. Die Entscheidung der Ausländerbehörde über diesen Antrag im Sinne der § 81 Abs. 3 und 4, § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist entsprechend beschränkt. Legt der Ausländer ohne weitere Eingrenzung einen Lebenssachverhalt dar, der einem oder mehreren in den Abschnitten 3 bis 7 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes genannten Aufenthaltszwecke zuzuordnen ist, ist sein Antrag nach jeder bei Würdigung des vorgetragenen Lebenssachverhalts in Betracht kommenden Vorschrift des betreffenden Abschnitts zu beurteilen. Bei der Auslegung eines - nicht formbedürftigen - Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 81 Abs. 1 AufenthG) sind die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen des Erklärenden, sondern darauf an, wie seine Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird. Es ist also darauf abzustellen, wie die Ausländerbehörde den Antrag unter Berücksichtigung aller ihr erkennbaren Umstände und der Mitwirkungspflicht des Ausländers (§ 82 Abs. 1 AufenthG) nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf die schriftlichen und mündlichen Erklärungen des Ausländers in ihrer Gesamtheit und das mit ihnen erkennbar verfolgte Ziel beziehen. Bei der Ermittlung des wirklichen Willens ist nach anerkannter Auslegungsregel zugunsten eines anwaltlich nicht vertretenen Ausländers davon auszugehen, dass er den Antrag stellen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und gestellt werden muss, um das erkennbar angestrebte Ziel zu erreichen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 16.07.2020 - 12 S 1432/20 -, juris Rn. 7, vom 03.08.2009 - 11 S 1056/09 -, juris Rn. 12 f., und vom 28.04.2008 - 11 S 683/08 -, juris Rn. 6). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bezieht sich ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen regelmäßig auf sämtliche in diesem Abschnitt aufgeführten Anspruchsgrundlagen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.05.2018 - 11 S 1810/16 -, juris Rn. 45, sowie Beschlüsse vom 05.09.2016 - 11 S 1512/16 -, juris Rn. 5, und vom 07.12.2015 - 11 S 1998/15 -, juris Rn. 3).
30 
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG beantragt hat. Durch seine Bezugnahme auf Art. 8 Abs. 1 EMRK wird deutlich, dass sich der Kläger auf die in dem genannten Abschnitt angeführten humanitären Gründe berufen möchte. Die dort genannten Vorschriften sind zumindest in Teilen, nämlich in § 25 Abs. 5, § 25a und in § 25b AufenthG, Ausfluss der konventionsrechtlichen Regelung des Art. 8 Abs. 1 EMRK. Nachdem der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht anwaltlich vertreten war und ohne weitere Eingrenzung eine Aufenthaltserlaubnis aus Art. 8 Abs. 1 EMRK beantragt hat, ist mangels näherer Konkretisierung des Lebenssachverhalts davon auszugehen, dass der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen begehrt. Insoweit führt er aus, dass seine Kinder durch eine anstehende Ausreise in ihrem Recht auf Achtung des Privatlebens beeinträchtigt würden. Dem Kläger geht es unter Berücksichtigung des maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts (§§ 133,157 BGB) demzufolge darum, dass ihm aufgrund des langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Wertungen des Art. 8 Abs. 1 EMRK eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Dieser Belang unterfällt Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes. Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 23. September 2021 auf Frage des Gerichts ausdrücklich klargestellt, dass lediglich über die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gestritten wird.
31 
Demzufolge erfasst der Antrag des Klägers sämtliche in Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Anspruchsgrundlagen.
32 
b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. zu diesem Grundsatz nur BVerwG, Urteile vom 27.04.2021 - 1 C 45.20 -, juris Rn. 11, vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 19, vom 17.12.2015 - 1 C 31.14 -, juris Rn. 9, vom 25.03.2015 - 1 C 16.14 -, Rn. 14, vom 14.05.2013 - 11 S 16.12 -, juris Rn. 14, und vom 07.04.2009 - 1 C 17.08 -, juris Rn. 10; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 20.09.2018 - 11 S 240/17 -, juris Rn. 38, und vom 18.05.2018 - 11 S 1810/16 -, juris Rn. 54, sowie Beschlüsse vom 20.08.2021 - 11 S 42/20 -, juris Rn. 27, vom 14.01.2020 - 11 S 2956/19 -, juris Rn. 11, und vom 07.12.2015 - 11 S 1998/15 -, juris Rn. 4). Dies gilt auch für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG.
33 
Demzufolge ist auch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen. Aus dem Wortlaut der Norm ergeben sich nämlich keinerlei Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang von dem allgemein geltenden Grundsatz, bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich auf diesen Zeitpunkt abzustellen, abweichen wollte.
34 
Etwas anderes gilt in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Minderjährigkeit der Bezugsperson, wenn der Ausländer den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 18. Lebensjahrs der Bezugsperson gestellt hat, diese aber zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bereits volljährig ist. In diesem Fall ist aufgrund der nachstehenden Erwägungen darauf abzustellen, ob sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahrs der Bezugsperson vorlagen (vgl. Röder in: BeckOK, MigR, § 25a AufenthG Rn. 48; Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 262; a.A. wohl OVG B.-Bbg, Beschluss vom 07.05.2014 - OVG 3 N 8.14 -, juris Rn. 3). Kann hiervon ausgegangen werden, steht der Umstand, dass die Bezugsperson nicht mehr minderjährig ist, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht entgegen (Besitzstandswahrung).
35 
Der Wortlaut der Vorschrift bezieht sich zwar auf die Minderjährigkeit des Antragstellers, was im Grundsatz dafür sprechen könnte, auch in diesem Zusammenhang auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen. Jedoch gebieten es eine systematische Betrachtung sowie der mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck, im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Minderjährigkeit darauf abzustellen, ob sämtliche Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres der Bezugsperson vorliegen.
36 
Diese Einschätzung lässt sich bei systematischer Betrachtung zunächst auf einen Vergleich des Wortlauts von § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit der gesetzlichen Regelung in § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG stützen. Danach ist für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer unter den weiteren in § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen ausreichend, wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird. Die Überschreitung der Altersgrenze führt nicht ohne Weiteres zum Ausschluss der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Vielmehr soll die rechtzeitige Antragstellung gerade geeignet sein, den Besitzstand des Ausländers zu wahren, wenn die betreffende Person darüber hinaus sämtliche in § 21 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen erfüllt. Die Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis soll letztlich nicht von der Länge des Verfahrens abhängen. Dieser Grundgedanke lässt sich auf die Regelung der von einem minderjährigen Ausländer abgeleiteten Aufenthaltserlaubnis aus § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG übertragen, da die Situation des Ausländers insofern keine andere ist.
37 
Des Weiteren gebieten es der Sinn und Zweck des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG darauf abzustellen, ob sämtliche Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Regelung unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres der Bezugsperson vorgelegen haben. Die Regelung des     § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG dient zwar grundsätzlich dem aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK folgenden Schutz der familiären Lebensgemeinschaft. Darüber hinaus bezweckt die Vorschrift aber auch, den Eltern einen Anreiz dafür zu schaffen, auf ihre Kinder einzuwirken, dass diese die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG erforderlichen Integrationsleistungen erbringen. Hierfür soll den Eltern die Möglichkeit eröffnet werden, auch selbst Aufenthaltserlaubnisse zu erlangen. Mit diesem Zweck wäre es nicht zu vereinbaren, im Hinblick auf die Altersgrenze des Eintritts der Volljährigkeit der stammberechtigten Bezugsperson strikt auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen. Denn in Fällen, in denen das Erreichen dieser Altersgrenze bereits absehbar ist und in denen mit einem bestandskräftigen Abschluss des Titelerteilungsverfahrens nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor diesem Zeitpunkt nicht gerechnet werden kann, würde § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG seine auf Integration ausgerichtete Anreizfunktion nicht entfalten können. Dies gilt umso mehr, als es einem Betroffenen nicht immer möglich ist, einer Verfahrensverzögerung effektiv entgegenzutreten. Einem Antragsteller steht es zwar grundsätzlich offen, eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zu erheben oder einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu stellen. Dies ist allerdings nicht immer geeignet, die Rechte des Betroffenen effektiv zu wahren, da auch im Falle einer Untätigkeitsklage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen wäre. Auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO würde nicht dazu führen, dass in einem sich später anschließenden Klageverfahren nicht auch auf diesen Zeitpunkt abzustellen wäre.
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Vor dem Hintergrund des soeben dargestellten Zwecks der Vorschrift des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG können außerdem die vom Bundesverwaltungsgericht zu § 32 Abs. 3 AufenthG a.F. entwickelten Grundsätze herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 26.08.2008 - 1 C 32.07 -, juris Rn. 17). Nach dieser Vorschrift war einem minderjährigen ledigen Kind, welches das 16. Lebensjahr vollendet hatte, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn es die deutsche Sprache beherrschte oder gewährleistet erschien, dass es sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen konnte, und beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besaßen. Das Gericht argumentierte in diesem Kontext, dass die rechtzeitige Antragstellung dann ausreichend sein sollte, wenn sämtliche Erteilungsvoraussetzungen vor Vollendung des 16. Lebensjahres vorlagen, da anderenfalls der mit der Regelung verfolgte Zweck, Kindern unter 16 Jahren die Herstellung der Familieneinheit im Bundesgebiet zu ermöglichen, vielfach aufgrund des Zeitablaufs entfiele. Der angesprochene Zweck von § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist mit den vom Bundesverwaltungsgericht zu § 32 Abs. 3 AufenthG a.F. angestellten Überlegungen vergleichbar.
39 
Dieser Auffassung steht auch nicht die zu § 36 Abs. 1 AufenthG ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar entschieden, dass der Anspruch auf Nachzug der Eltern nach § 36 Abs. 1 AufenthG nur bis zu dem Zeitpunkt besteht, zu dem das Kind volljährig wird (BVerwG, Urteil vom 18.04.2013 - 10 C 9.12 -, juris Rn. 17). Die hierbei zu § 36 Abs. 1 AufenthG entwickelten Grundsätze sind allerdings nicht auf die § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zugrundeliegende Konstellation übertragbar. § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG betrifft Fälle, in denen es um die Erhaltung einer bereits im Inland bestehenden familiären Lebensgemeinschaft und um die Würdigung bereits erbrachter sowie gegebenenfalls künftig noch zu erbringender Integrationsleistungen geht. Dies liegt der Regelung in § 36 Abs. 1 AufenthG gerade nicht zugrunde, da es sich hierbei um eine Nachzugsregelung handelt. Hinzu kommt, dass das oben angesprochene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund jüngerer Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als überholt anzusehen sein dürfte (EuGH Urteil vom 12.04.2018 - C-550/16 -, Rn. 57).
40 
Aufgrund der vorgenannten Erwägungen ist daher bei der Klärung der Frage, ob Eltern im Titelerteilungsverfahren nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG die im Laufe des Verfahrens eingetretene Volljährigkeit der stammberechtigten Bezugsperson entgegengehalten werden darf, darauf abzustellen, ob sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahrs der Bezugsperson vorgelegen haben. Allein die rechtzeitige Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis reicht dagegen in diesem Zusammenhang noch nicht aus (so aber Göbel-Zimmermann/Hupke in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 25a AufenthG Rn. 19; Hailbronner in: ders., AuslR, § 25a AufenthG Rn. 42; Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 25a AufenthG, Rn. 12). Die Stellung des Antrags sagt nämlich isoliert betrachtet nichts darüber aus, ob ein Ausländer die Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 und 3 sowie § 5 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt. Nachträgliche, also nach Eintritt der Volljährigkeit zu Gunsten des Ausländers eingetretene Umstände, sollen indes nicht dazu führen, dass er entsprechende Sachverhaltsänderungen geltend machen kann. Anderenfalls würde die in § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgesehene Altersgrenze von 18 Jahren umgangen. Das Abstellen auf den Zeitpunkt unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres soll lediglich einen erworbenen Besitzstand sichern und verhindern, dass die Eltern mögliche Ansprüche allein wegen der Dauer des Verfahrens durch Zeitablauf verlieren. Nicht bezweckt wird damit, Sachverhaltsänderungen zu Gunsten des Ausländers nach Eintritt der Volljährigkeit seines Kindes zu berücksichtigen, die bei rechtzeitiger Bescheidung nie zu einem Anspruch hätten führen können (vgl. Röder in: BeckOK, MigR, § 25a AufenthG Rn. 48; Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 25a AufenthG, Rn. 12; Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 262, zu § 32 Abs. 3 AufenthG a.F. BVerwG, Urteil vom 26.08.2008 - 1 C 32.07 -, juris Rn. 17). Darüber hinaus führt eine Besitzstandswahrung aber auch nicht dazu, dass nach Eintritt der Volljährigkeit und vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetretene Umstände zu Lasten eines Ausländers nicht zu berücksichtigten wären. Die aufgezeigte Argumentation bezieht sich allein auf die Titelerteilungsvoraussetzung der Minderjährigkeit der Bezugsperson in § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Sie bezweckt aber nicht, auch im Übrigen von den zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt notwendigen Erteilungsvoraussetzungen abzusehen. Insoweit verbleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen ist. Demnach müssen die Voraussetzungen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit Ausnahme der Minderjährigkeit des Kindes sowohl unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres, als auch im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegen.
41 
Die aufgezeigte Besitzstandswahrung ist weiterhin nicht dahingehend zu verstehen, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bei zwischenzeitlichem Eintritt der Volljährigkeit der Bezugsperson nur bis zum Ablauf der längst möglichen dreijährigen Erteilungsfrist ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG möglich wäre und eine darüber hinaus gehende Erteilung oder Verlängerung für die Eltern nicht mehr in Betracht käme. Hieran könnte gedacht werden, weil der Wortlaut der Norm an die Minderjährigkeit des Ausländers anknüpft und die Besitzstandswahrung daraus resultierend lediglich dem rechtzeitigen Vorliegen aller Erteilungsvoraussetzungen Rechnung tragen, nicht aber eine langfristige Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG weit über den Eintritt der Volljährigkeit des Kindes hinaus ermöglichen soll.
42 
Indes wird aus der Gesetzesbegründung deutlich, dass der Gesetzgeber eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auch im Falle der zwischenzeitlich eingetretenen Volljährigkeit des Kindes ermöglichen wollte (vgl. BT-Drs. 17/5093, Seite 16). Nach den entsprechenden Ausführungen ist das Tatbestandsmerkmal „Eltern eines minderjährigen Ausländers“ nach seinem Sinn und Zweck nur bei der erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, nicht aber bei deren Verlängerung anwendbar. Daraus folgt, dass der Rechtsgrund des Aufenthalts der Eltern gerade nicht mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Jugendlichen enden soll.
43 
In systematischer Hinsicht lässt sich dem auch nicht die Vorschrift des § 25b AufenthG entgegenhalten. Diese ermöglicht unter den dort genannten Voraussetzungen die Erteilung einer eigenständigen Aufenthaltserlaubnis für einen Ausländer, die weder an die Minderjährigkeit noch an das Bestehen einer Aufenthaltserlaubnis einer Bezugsperson geknüpft ist. Die Vorschrift des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist indes nicht so zu verstehen, dass nach Ablauf der längstens dreijährigen Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG nur noch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 25b AufenthG in Betracht käme. Vielmehr schafft die Vorschrift eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von Eltern minderjähriger Ausländer, die, wie ausgeführt, grundsätzlich dem sich aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK folgenden Schutz der familiären Lebensgemeinschaft dient und nicht wie § 25b Abs. 1 AufenthG an dort genannte besondere und eigenständig erbrachte Integrationsleistungen anknüpft. Etwaigen unbilligen Ergebnissen im Hinblick auf mögliche Verlängerungen von Aufenthaltserlaubnissen der Eltern gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG weit über den Eintritt der Volljährigkeit der Bezugsperson hinaus wird dadurch Rechnung getragen, dass es sich bei der Regelung um eine Ermessensvorschrift handelt.
44 
c) Im vorliegenden Fall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt ((1)). Der Erteilung steht der Ausschlussgrund des § 25a Abs. 3 AufenthG nicht entgegen ((2)). Es liegen auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG vor ((3)). Dagegen sind die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 AufenthG derzeit nicht erfüllt ((4)). Das den Ausländerbehörden nach § 5 Abs. 2 Satz 2, § 5 Abs. 3 Satz 2 und des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen wurde bislang nicht ausgeübt. Die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf null zugunsten des Klägers liegen nicht vor ((5)).
45 
(1) Nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann den Eltern oder einem personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung nicht aufgrund falscher Angaben oder aufgrund von Täuschungen über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder mangels Erfüllung zumutbarer Anforderungen an die Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert wird (Nr. 1) und der Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert ist (Nr. 2). Die Vorschrift ermöglicht die Erteilung einer akzessorischen Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige eines minderjährigen Ausländers, der über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG verfügt. Begünstigt sind dabei gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zunächst die Eltern des Minderjährigen. Die Vorschrift des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ermöglicht es diesen unter den dort genannten Voraussetzungen, ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.
46 
Der Kläger unterfällt als Vater seines Sohns xxxxxx dem Begriff der „Eltern eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt“ ((a)). Er erfüllt auch die in § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten Voraussetzungen ((b)).
47 
(a) Beim Kläger handelt es sich um einen Elternteil ((aa)) seines zum hier maßgeblichen Zeitpunkt minderjährigen Sohnes ((bb)). Die nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bestehende Akzessorietät zu einer Aufenthaltserlaubnis der Bezugsperson nach § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist erfüllt ((cc)).
48 
(aa) Die Eltern eines minderjährigen Ausländers sind dessen Mutter sowie dessen Vater im Sinne der §§ 1591 und 1592 BGB. Das Tatbestandsmerkmal der Eltern kann auch lediglich von einem Elternteil erfüllt werden. Dieses setzt nämlich lediglich voraus, dass beide Elternteile im Bundesgebiet leben (vgl. Röcker in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 25a AufenthG Rn. 27).
49 
Nachdem der Kläger und seine Ehefrau beide im Bundesgebiet leben, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt.
50 
(bb) Weiterhin war zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt auch das Tatbestandsmerkmal der Minderjährigkeit des Ausländers erfüllt.
51 
In Abweichung zu § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der eine erstmalige Titelerteilung auch an Heranwachsende ermöglicht, beschränkt die Vorschrift des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Erteilung akzessorischer Aufenthaltserlaubnisse auf die Eltern minderjähriger Ausländer. Maßgeblich für die Frage der Minderjährigkeit sind gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 AufenthG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Aus diesem Grund tritt die Volljährigkeit gemäß § 2 BGB mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs ein.
52 
Wie oben aufgezeigt, kommt es im Rahmen des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Minderjährigkeit der Bezugsperson darauf an, ob unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahrs der Bezugsperson sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgelegen hatten. Aufgrund der dann eingetretenen Besitzstandswahrung ist es unschädlich, wenn das Kind zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz bereits volljährig ist. Auch § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG steht, wie gezeigt, in einem solchen Fall der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht entgegen.
53 
In Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei dem Kläger als Vater seines Sohnes xxxxxx um einen Elternteil eines zum hier maßgeblichen Zeitpunkt minderjährigen Ausländers. Nicht abgestellt werden kann dagegen auf die Tochter des Klägers xxxxx. Denn sie war im Zeitpunkt der Erteilung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG bereits volljährig. Als Bezugsperson im Sinne des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG kommt sie daher nicht in Betracht.
54 
Für die Erfüllung des Tatbestands des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG spielt es auch keine Rolle, dass der Sohn des Klägers zwischenzeitlich volljährig geworden und die längst mögliche dreijährige Erteilungsfrist seiner vor Vollendung des 18. Lebensjahres am 22. August 2016 erteilten Aufenthaltserlaubnis zwischenzeitlich abgelaufen ist. Denn unmittelbar vor Vollendung seines 18. Lebensjahrs des Sohns lagen in der Person des Klägers sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor. Den nach § 81 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Titelerteilungsantrag hat der Kläger bei der Beklagten als zuständiger Ausländerbehörde rechtzeitig gestellt. Die materiellen Voraussetzungen der Titelerteilung liegen, wie nachfolgend ausgeführt wird, vor.
55 
(cc) Die von § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geforderte Akzessorietät zu einer Aufenthaltserlaubnis des Kindes nach § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegeben.
56 
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG setzt voraus, dass die Bezugsperson im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG ist. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn an die Stelle des Titels der Bezugsperson nach § 25a Abs. 1 AufenthG inzwischen eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG getreten ist. Der Wortlaut der Vorschrift deutet zwar darauf hin, dass die Bezugsperson über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG verfügen muss und das Innehaben eines anderen Aufenthaltstitels demzufolge gerade nicht ausreichend sein soll. Systematische und teleologische Erwägungen gebieten es jedoch, das Innehaben einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG jedenfalls dann als ausreichend anzusehen, wenn die Bezugsperson zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG gewesen ist.
57 
In systematischer Hinsicht spricht für diese Auffassung, dass die Erteilung einer entsprechenden Niederlassungserlaubnis das Innehaben einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes gerade voraussetzt, weshalb das stammberechtigte Kind zum Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Erteilung über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG verfügen muss.
58 
Beachtet werden muss weiterhin der Sinn und Zweck der Regelung des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Die Vorschrift des § 25a Abs. 1 AufenthG ermöglicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an Jugendliche und Heranwachsende bei einer erfolgreichen Integration. In diesem Fall kann den Eltern unter den Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Förderung der Integrationsleistung der Kinder durch die Eltern wird insoweit zumindest mittelbar honoriert. Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gem. § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG setzt unter anderem voraus, dass der Ausländer seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes ist (§ 26 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) und ist damit an einen noch höheren Integrationserfolg geknüpft. Demzufolge muss es für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der Eltern genügen, wenn der Wegfall der Aufenthaltserlaubnis der Bezugsperson nicht Ausdruck eines Integrationsrückschritts, sondern einer gelungenen Integration des stammberechtigten Kindes ist (vgl. Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 209). Aus diesem Grund kann den Eltern des Inhabers einer Niederlassungserlaubnis eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden, wenn die Niederlassungserlaubnis unmittelbar an die Stelle einer der Bezugsperson zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG getreten ist.
59 
In Anwendung dieses Maßstabs ist im vorliegenden Fall die von § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geforderte Akzessorietät sowohl unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes des Klägers xxxxxx als auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz als erfüllt anzusehen.
60 
Der am 12. September 1999 geborene Sohn des Klägers hat erstmals am 22. August 2016 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG erhalten, welche bis 20. September 2017 gültig war. Diese wurde anschließend am 14. September 2017 bis 31. Juli 2018 verlängert. Nachdem er am 31. Juli 2018 die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beantragt hat, erhielt er zunächst eine Fiktionsbescheinigung. Schließlich erteilte ihm die Beklagte am 25. Oktober 2018 erneut eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG, welche bis 24. Oktober 2020 befristet war. Seit 19. Mai 2020 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG.
61 
Demzufolge war der Sohn des Klägers unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz verfügte er über eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, welche aus dem Innehaben einer auf § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG beruhenden Aufenthaltserlaubnis resultierte. Aufgrund der vorgenannten Erwägungen steht daher die zwischenzeitlich erfolgte Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an die Bezugsperson der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG an den Kläger nicht entgegen.
62 
(b) Weiterhin sind die sich aus § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG ergebenden Anforderungen erfüllt.
63 
Die Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG liegen vor, da die Abschiebung des Klägers nicht aufgrund falscher Angaben oder aufgrund von Täuschungen über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder mangels Erfüllung zumutbarer Anforderungen an die Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert wird.
64 
Die Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sind ebenfalls erfüllt. Danach setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert ist. Die Vorschrift verdrängt die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Hierbei handelt es sich nach dem insoweit klaren Wortlaut der Vorschrift um eine zwingende Erteilungsvoraussetzung, von der auch nicht im Wege der Atypik oder des Ermessens abgesehen werden kann (BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 17.12 -, juris Rn. 21).
65 
Der Kläger hat vorliegend sowohl unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres seines Sohnes im September 2017 als auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz seinen Lebensunterhalt eigenständig durch seine Erwerbstätigkeit als Karosseriebauer bei einem Unternehmen in xxxxxxxxxxxx gesichert. Die hierzu durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats entwickelten Kriterien sind erfüllt (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 18.04.2013 - 10 C 10.12 -, juris Rn. 13, und vom 26.08.2008 - 1 C 32.07 -, juris Rn. 23; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 16.02.2021 - 11 S 1547/20 -, juris Rn. 31, vom 18.11.2020 - 11 S 2637/20 -, juris Rn. 16 ff., und vom 22.10.2020 - 11 S 1812/20 -, juris Rn. 22 ff.). Der Kläger legte der Ausländerbehörde bereits während des Verwaltungsverfahrens und vor Vollendung des 18. Lebensjahres seines Sohnes regelmäßig Lohnabrechnungen vor. Selbiges tat er auch im Zuge des Berufungsverfahrens gegenüber dem erkennenden Senat. Aufgrund des von ihm erzielten Einkommens konnte er den Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten. Weiterhin ist er seit dem 3. September 2012 bei der xxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxx krankenversichert (§ 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Auch ist nicht erkennbar, dass sich an seiner Beschäftigungssituation in absehbarerZeit etwas ändern könnte. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Lebensunterhalt des Klägers und der Bedarfsgemeinschaft, der er angehört, zu einem der hier maßgeblichen Zeitpunkte nicht gesichert gewesen sein könnte. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig.
66 
(2) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG an den Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht gemäß § 25a Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift darf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erteilt werden, wenn der Ausländer wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben.
67 
Bei der Anwendung von § 25a Abs. 3 AufenthG sind nur Straftaten des antragstellenden Ausländers zu berücksichtigen. Eine Zurechnung der Straftaten eines Ehegatten, mit der Folge, dass (auch) dem anderen Ehegatten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu versagen wäre, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zulässig. Gegen eine solche Zurechnung von Straftaten sprechen nach absolut herrschender Meinung, der sich der erkennende Senat anschließt, der Wortlaut des Gesetzes, der gesetzgeberische Wille und auch systematische Erwägungen (vgl. Röcker in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 25a AufenthG Rn. 32; Röder in: BeckOK, MigR, § 25a AufenthG Rn. 67; Göbel-Zimmermann/Hupke in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 25a AufenthG Rn. 27; Hailbronner in: ders., AuslR, § 25a AufenthG Rn. 58; Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 25a AufenthG, Rn. 18; Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 253; Hecker in: Kluth/Heusch, BeckOK, AuslR, § 25a AufenthG Rn. 17;a.A. Zühlcke in: HTK-AuslR, Stand: 27.08.2019, § 25a AufenthG, Rn. 8 f.; Deibel, ZAR 2011, 241).
68 
Das Gesetz spricht in § 25a Abs. 3 AufenthG nur von „dem Ausländer“. Anhaltspunkte, die auf die Zurechenbarkeit von Straftaten hindeuten, die von anderen begangen wurden, sind dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen (Röcker in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 25a AufenthG Rn. 32; Hailbronner in: ders., AuslR, § 25a AufenthG Rn. 58; Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 25a AufenthG, Rn. 18; Göbel-Zimmermann/Hupke in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 25a AufenthG Rn. 27).
69 
Auch den Gesetzesmaterialien zum „Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften“ lassen sich keine Argumente für eine Zurechenbarkeit der vom anderen Ehegatten begangenen Straftaten entnehmen. Der Gesetzgeber ist beim Erlass des Gesetzes mit Blick auf § 25a Abs. 3 AufenthG erkennbar davon ausgegangen, dass keine solche Zurechnung erfolgt. Die Gesetzesbegründung spricht insoweit nur von „Personen, die erhebliche Straftaten begangen haben, …“ (vgl. BT-Drs. 17/5093, Seite 16). Dies bezieht sich explizit auf den Straftäter und gerade nicht auf andere, in der Norm nicht genannte - dritte - Personen.
70 
Auch systematische Argumente sprechen gegen eine Mitverantwortung eines Ehegatten für vom anderen Ehegatten begangene Straftaten. Richtig ist zwar, dass „den Eltern“ eines minderjährigen Ausländers Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden können. Es könnte daher daran gedacht werden, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nur möglich ist, wenn beide Elternteile die Voraussetzungen der Norm erfüllen, falls auf diese als Gemeinschaft abzustellen wäre (so Zühlcke in: HTK-AuslR, Stand: 27.08.2019, § 25a AufenthG, Rn. 8). Das Tatbestandsmerkmal der „Eltern“ setzt jedochlediglich voraus, dass beide Elternteile im Bundesgebiet leben. Ein Erfordernis der Straffreiheit beider Elternteile lässt sich aus der gesetzlichen Regelung aber nicht ableiten. Soweit das Erfordernis einer Zurechnung in diesem Zusammenhang damit zu begründen versucht wird, dass der straffällig gewordene Ehegatte aus dem Schutzgedanken des Art. 6 GG nun über den anderen Ehegatten ein Aufenthaltsrecht ableiten könnte, mit der Folge, dass der Ausschlussgrund des § 25a Abs. 3 AufenthG praktisch leerliefe, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn in Bezug auf den straffällig gewordenen Ehegatten bleibt § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu beachten.
71 
Weiterhin sind entsprechende Zurechnungsregelungen dem Aufenthaltsgesetz nicht fremd. Solche finden sich in § 60d Abs. 1 Nr. 7 und 10 sowie in § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Eine Regelung dieser Art sieht das Gesetz in § 25a Abs. 3 AufenthG aber gerade nicht vor (Röcker in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 25a AufenthG Rn. 32; Röder in: BeckOK, MigR, § 25a AufenthG Rn. 67; Hailbronner in: ders., AuslR, § 25a AufenthG Rn. 58; Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 253; Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 25a AufenthG, Rn. 18; Göbel-Zimmermann/Hupke in: Huber/Mantel, AufenthG, 3. Auflage 2021, § 25a AufenthG Rn. 27; Hecker in: Kluth/Heusch, BeckOK, AuslR, § 25a AufenthG Rn. 17). Darüber hinaus mangelt es in § 25a AufenthG an einer mit § 104a Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG vergleichbaren Härtefallregelung, durch die unzumutbare Ergebnisse etwa wegen eigens erbrachter Integrationsleistungen des nicht straffälligen Ehegatten gerade vermieden werden sollen (vgl. hierzu Samel in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 104a AufenthG Rn. 32).
72 
In diesem Zusammenhang ist auch kein Raum für eine analoge Anwendung der Zurechnungsregelungen in § 60d Abs. 1 Nr. 7 und 10 sowie des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Einer Analogiebildung steht aufgrund des aufgezeigten gesetzgeberischen Willens bereits das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegen. Des Weiteren ist die Interessenlage mit den in § 60d AufenthG und § 104a AufenthG genannten Gründen nicht vergleichbar. Die in § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geregelten akzessorischen Aufenthaltsrechte setzen jeweils eine nach § 25a Abs. 1 AufenthG aufenthaltsberechtigte Bezugsperson voraus. Während der Dauer der Minderjährigkeit dieser Bezugsperson ist die Beendigung des Aufenthalts der in § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG genannten Angehörigen regelmäßig ausgeschlossen, selbst wenn diesen keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (§ 60a Abs. 2b AufenthG). Demgegenüber ermöglicht die Versagung des Bleiberechts in § 60d AufenthG und in § 104a AufenthG regelmäßig die Beendigung des Aufenthalts der gesamten Familie (vgl. Wittmann, in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a Rn. 254).
73 
Soweit in systematischer Hinsicht vertreten wird, dass sozialrechtliche Regelungen für eine Zurechenbarkeit von Straftaten sprächen (Deibel, ZAR 2011, 241), überzeugt dies ebenfalls nicht. Richtig ist zwar, dass es im Falle der Unzulässigkeit der Zurechnung von Straftaten zu unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Verhältnissen innerhalb einer Familie kommen kann. Dies kann zur Folge haben, dass einzelne Mitglieder der Familie, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG sind, Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs beanspruchen können, während nur geduldete Familienmitglieder in den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen. Dies ist allerdings keine Besonderheit im Anwendungsbereich des § 25a AufenthG. Vielmehr ist es auch in zahlreichen anderen Konstellationen möglich, dass Mitglieder eines Familienverbands - abhängig von ihrem jeweiligen aufenthaltsrechtlichen Status - in sozialrechtlicher Hinsicht unterschiedlich abgesichert sind. Unmittelbare Rückschlüsse auf die Auslegung der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes lassen sich aus dem Regelungssystem des Sozialrechts aber nicht ziehen. Anderes gälte allenfalls dann, wenn sich aus den Bestimmungen des Aufenthalts- oder Sozialrechts hinreichend deutlich ableiten ließe, dass ein Auseinanderfallen der sozialrechtlichen Absicherung der Mitglieder eines Familienverbands im Wege der Angleichung des aufenthaltsrechtlichen Status der Familienmitglieder vermieden werden soll. Mit Blick auf § 25a AufenthG lässt sich ein solcher Wille des Gesetzgebers aber weder aus dem Aufenthalts- noch dem Sozialrecht entnehmen (so auch Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 254).
74 
Danach ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger nicht gemäß § 25a Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen. Der Kläger hat keine Straftaten begangen, die zu einem der hier interessierenden Zeitpunkte eine Anwendung von § 25a Abs. 3 AufenthG ermöglichen würden (vgl. hierzu nachfolgend (3)). Die Straftaten seiner Ehefrau können ihm nicht zugerechnet werden.
75 
(3) Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a bis 4 AufenthG sind vorliegend sowohl vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes xxxxxx auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erfüllt.
76 
Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht auch die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht entgegen, da zu keinem der hier maßgeblichen Zeitpunkte ein Ausweisungsinteresse in Bezug auf den Kläger bestand. Ein solches ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Danach wiegt ein Ausweisungsinteresse schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Die Begehung von Straftaten stellt einen solchen Verstoß dar (vgl. nur Bauer in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 54 Rn. 93). Ein Ausweisungsinteresse gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt aber weiter voraus, dass der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt tatsächlich gefährdet (§ 53 Abs. 1 AufenthG). Demnach kommt ein Ausweisungsinteresse zum einen aus spezialpräventiven Gründen in Betracht (vgl. zum Erfordernis einer Wiederholungsgefahr im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG: VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 21.06.2021 - 11 S 19/21 -, juris Rn. 10 f., vom 08.06.2021 - 11 S 3759/20 -, juris Rn. 8, und vom 18.11.2020 - 11 S 2637/20 -, juris Rn. 41 ff.). Zum anderen kann ein Ausweisungsinteresse grundsätzlich auch allein auf Gründen der Generalprävention beruhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, juris Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 18.11.2020 - 11 S 2637/20 -, juris Rn. 45, vom 26.08.2020 - 11 S 2038/19 -, juris Rn. 30, vom 23.06.2020 - 11 S 990/19 -, juris Rn. 7, vom 21.01.2020 - 11 S 3477/19 -, juris Rn. 37, und vom 07.10.2019 - 11 S 1835/19 -, juris Rn. 9). Erforderlich ist aber insoweit, dass das Ausweisungsinteresse noch aktuell ist. Die zeitliche Begrenzung für ein generalpräventives Ausweisungsinteresse, das an ein strafrechtliches Handeln anknüpft, bilden dabei die Vorschriften der Strafverfolgungsverjährung nach den §§ 78 ff. StGB (BVerwG, Urteile vom 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, juris Rn. 19, und vom 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, juris Rn. 23). Demzufolge ist das an die Begehung einer Straftat anknüpfende generalpräventive Ausweisungsinteresse dann nicht mehr aktuell, wenn die Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist.
77 
Nach diesen Maßstäben kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger durch eine unerlaubte Einreise am 30. November 2011 und seinen späteren Aufenthalt im Bundesgebiet gegen die Strafvorschriften des § 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG verstoßen hat. Denn ein Ausweisungsinteresse lässt sich vorliegend weder aus spezialpräventiven noch aus generalpräventiven Gründen rechtfertigen.
78 
Die Annahme eines Ausweisungsinteresses aus spezialpräventiven Gründen kommt mangels Wiederholungsgefahr nicht in Betracht. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger künftig erneut entsprechende Verstöße begehen wird. Vielmehr liegt es nahe, dass der Verstoß lediglich einmalig im Kontext der damaligen besonderen Rückkehrsituation der Familie nach einem im Verhältnis zum zuvor bereits erfolgten langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und einem sich hieran anschließenden mehrmonatigen Aufenthalt in der Türkei begangen wurde. Der Kläger ging, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat glaubhaft ausgeführt hat, seinerzeit davon aus, dass seine ihm erteilte Niederlassungserlaubnis noch fortgelten würde. Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass sich eine derartige Situation wiederholen könnte.
79 
Es besteht auch kein Ausweisungsinteresse aus generalpräventiven Gründen, da sowohl im Hinblick auf den Straftatbestand der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG als auch auf den des unerlaubten Aufenthalts im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahrs seines Sohns die Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Der Kläger wurde auch nicht strafrechtlich verurteilt.
80 
Sowohl der Straftatbestand der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG als auch derjenige des unerlaubten Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterliegen gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB einer Verjährungsfrist von drei Jahren. Die absolute Verjährungsfrist beträgt demzufolge gemäß § 78c Abs. 3 Satz 2 AufenthG sechs Jahre. Die Verjährung beginnt dabei nach § 78a Satz 1 StGB, sobald die Tat beendet ist. Die Straftat des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wäre mit der unerlaubten Einreise am 30. November 2011 beendet (vgl. BGH, Beschluss vom 04.05.2016 - 3 StR 358/15 -, juris Rn. 33), weshalb die Verjährung zu diesem Zeitpunkt begonnen hat. Die Straftat des unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet wäre mit Erteilung der Duldung am 6. März 2014 beendet, da die Abschiebung des Klägers ab diesem Zeitpunkt ausgesetzt war (vgl. § 95 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c AufenthG). Mangels einer erkennbaren Unterbrechung der Verjährung war somit bereits deutlich vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes xxxxxx im September 2017 bereits die Strafverfolgungsverjährung in Bezug auf beide Straftaten eingetreten. Erst recht gilt dies daher für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz.
81 
(4) Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lag dagegen weder unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes des Klägers noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vor.
82 
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis setzt gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und die für die Erteilung des Visums maßgeblichen Angaben bereits im Visumsantrag gemacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).
83 
Ausländer bedürfen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder aufgrund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden dabei gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG unter anderem als Visum im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 (Schengen-Visum) und Abs. 3 (nationales Visum) AufenthG erteilt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 sowie Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 539/2001, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/850, bedürfen türkische Staatsangehörige für die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich der vorherigen Erteilung eines Visums. Welches Visum dabei im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 25.06.2019 - 1 C 40.18 -, juris Rn. 18, vom 11.01.2011 - 1 C 23.09 -, juris Rn. 20, und vom 30.03.2010 - 1 C 8.09 -, juris Rn. 16). Die Pflicht zur Einreise mit dem erforderlichen Visum besteht nicht, wenn einer der in §§ 15 ff. AufenthV geregelten Befreiungstatbestände vorliegt oder aber gemäß § 39 Satz 1 AufenthV der Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern kann.
84 
Das Visumserfordernis darf schließlich nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln des Art. 7 ARB 2/76 beziehungsweise des Art. 13 ARB 1/80 verstoßen. Danach dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen (letztere im Anwendungsbereich des Art. 13 ARB 1/80), deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Die genannten Stillhalteklauseln knüpfen an einen ordnungsgemäßen Aufenthalt an. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bedeutet der Begriff „ordnungsgemäß“ im Sinne von Art. 7 ARB 2/76 und Art. 13 ARB 1/80, dass der türkische Arbeitnehmer oder sein Familienangehöriger die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und gegebenenfalls die Beschäftigung beachtet haben muss, so dass seine Lage im Hoheitsgebiet dieses Staates rechtmäßig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, Rn. 35). Auf diese Stillhalteklausel kann sich ein türkischer Staatsangehöriger daher nur dann berufen, wenn er die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise beachtet hat und sich dementsprechend rechtmäßig im Hoheitsgebiet dieses Staates befindet (vgl. EuGH, Urteile vom 17.09.2009 - C-242/06 -, Rn. 53, und vom 21.10.2003 - C-317/01 -, Rn. 84). Der Arbeitnehmer muss eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats und damit ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht besitzen (EuGH, Urteil vom 08.11.2021 - C-268/11 -, Rn. 39). Eine Ausübung einer Beschäftigung im Rahmen einer Erlaubnis zum vorläufigen Aufenthalt, die nur bis zur endgültigen Entscheidung über das Aufenthaltsrecht gilt, ist nicht ordnungsgemäß (EuGH, Urteil vom 29.09.2011 <Ünal> - C-187/10 -, Rn. 47).
85 
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger nicht mit dem erforderlichen Visum in das Bundesgebiet eingereist.
86 
Der Kläger unterliegt als türkischer Staatsangehöriger der grundsätzlichen Visumspflicht. In der mündlichen Verhandlung hat er zu den Gründen seiner Rückkehr ausgeführt, dass seine Kinder wieder in Deutschland leben wollten und das man den Wunsch hatte, als Familie zusammenzubleiben. Der Kläger strebte daher von Anfang an einen längeren Aufenthalt im Bundesgebiet an. Das hierfür erforderliche nationale Visum (§ 6 Abs. 3 AufenthG) ist ihm aber nicht erteilt worden. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Befreiungstatbestand nach den §§ 15 ff., 39 AufenthV stützen.
87 
Ob die Visumspflicht für türkische Staatsangehörige gegen die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln des Art. 7 ARB 2/76 beziehungsweise des Art. 13 ARB 1/80 verstößt, kann im Falle des Klägers dahinstehen. Denn sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist nicht ordnungsgemäß im Sinne dieser Vorschriften. Der Kläger ist unerlaubt nach Deutschland eingereist, besitzt derzeit keine Aufenthaltserlaubnis und wird hier nur geduldet. Die vom Kläger ausgeübte Erwerbstätigkeit, die ihm im Zuge der erteilten Duldungen erlaubt wurde, ist daher nicht ordnungsgemäß im Sinne der assoziationsrechtlichen Bestimmungen. Der Kläger kann sich daher nicht auf die genannten Stillhalteklauseln berufen.
88 
(5) Die Frage, ob die Voraussetzungen, unter denen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vom Visumserfordernis abgesehen werden kann, zu den hier maßgeblichen Zeitpunkten erfüllt waren, bedarf im vorliegenden Berufungsverfahren keiner abschließenden Klärung. Denn wenn sie zu bejahen sein sollte, wäre durch die Ausländerbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden gewesen, ob nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG von der Titelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abgesehen wird. Ist die Frage hingegen zu verneinen, hätte die Ausländerbehörde das ihr nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen ausüben müssen. Die Beklagte hat aber weder in Bezug auf § 5 Abs. 2 Satz 2 oder § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG noch in Bezug auf § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG Ermessen ausgeübt. Die Ermessensausübung ist auch weder im Widerspruchsverfahren noch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt worden.
89 
Die behördliche Ermessensausübung war hier auch nicht mit Blick auf eine sogenannte Ermessensreduzierung auf null entbehrlich. Denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bietet der vorliegende Fall keine Ansatzpunkte für die Annahme einer solchen Ermessensreduzierung. So deutet nichts auf eine gefestigte einheitliche Entscheidungspraxis der Beklagten in vergleichbaren Fällen hin, die nach Art. 3 Abs. 1 GG zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen könnte. Die Annahme einer solchen Selbstbindung liegt zudem fern, da der hier zu beurteilende Fall durch mehrere Besonderheiten geprägt ist, denen bei der Ermessensausübung im Wege einer Würdigung und Abwägung der konkret berührten Interessen Rechnung zu tragen ist. Auch aus Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG, dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Art. 8 EMRK sowie sonstigen verfassungs- und konventionsrechtlichen Vorgaben lassen sich für den vorliegenden Fall keine Rückschlüsse ziehen, wonach nur Raum für eine einzige Entscheidung ist, die ermessensfehlerfrei getroffen werden könnte. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass das behördliche Ermessen in den Fällen des § 5 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 sowie § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG dergestalt in einer bestimmten Richtung intendiert wäre, dass grundsätzlich in einer bestimmten Weise und nur in atypischen Ausnahmefällen anders zu entscheiden wäre.
90 
Folglich leidet die streitgegenständliche Ablehnung des klägerischen Titelerteilungsantrags an einem nach § 114 VwGO relevanten Ermessensfehler in Gestalt eines Ermessensausfalls. Der Kläger hat damit zwar keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Er kann jedoch beanspruchen, dass über seinen Antrag auf Erteilung einer solchen Erlaubnis in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entschieden wird.
91 
2. Auch aus anderen Vorschriften im Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes kann der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis ableiten. Die Voraussetzungen der insoweit allein in Betracht kommenden Aufenthaltserlaubnisse nach § 25b Abs. 1 (a)) und des § 25 Abs. 5 AufenthG (b)) liegen nicht vor.
92 
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b Abs. 1 AufenthG.
93 
Nach dieser Vorschrift soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Ausländer sich seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat (Nr. 1), sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt (Nr. 2), seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG sichern wird (Nr. 3), über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt (Nr. 4) und bei Kindern im schulpflichtigen Alter deren tatsächlichen Schulbesuch nachweist (Nr. 5).
94 
Der Kläger verfügt zwar über eine rechtswirksame Duldung (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 24; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.06.2020 - 11 S 427/20 -, juris Rn. 20). Indes liegen im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG weder die Voraussetzungen der Nr. 1 ((1)) noch der Nr. 2 ((2)) vor. Offenbleiben kann, ob der Kläger über die gemäß § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AufenthG geforderten Sprachkenntnisse verfügt ((3)) vor. Denn der Fall des Klägers ist nicht insofern durch eine Atypik geprägt, die es zulässig wäre, ihm trotz Nichtvorliegens sämtlicher in § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG genannter Anforderungen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu erteilen ((4)).
95 
(1) Der Kläger erfüllt nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, da er sich zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht seit mindestens acht Jahren unterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat. Auch lebt er nicht seit mindestens sechs Jahren mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft.
96 
Entscheidend für die zu berücksichtigenden Zeiten des Voraufenthalts ist der Zeitraum der letzten acht beziehungsweise sechs Jahre; ein abgeschlossener Zeitraum in der Vergangenheit genügt aufgrund des Wortlauts der Regelung („seit“) nicht. Der Ausländer muss sich in dieser Zeit tatsächlich im Bundesgebiet aufgehalten und eine Duldung (§ 60a AufenthG), Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG) oder einen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 AufenthG besessen haben. Der Zeitraum kann sich aus Phasen geduldeten, gestatteten und erlaubten Aufenthalts zusammensetzen. Die Erteilungsvoraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG liegt nicht vor, wenn der Antragsteller den maßgeblichen Zeitraum - wenn auch nur um wenige Tage - nicht erfüllt (BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 34 ff.). Zeiten, in denen der Ausländer zwar keinen Aufenthaltstitel besessen, er aber einen Rechtsanspruch auf den Aufenthaltstitel gehabt hat, stehen den Zeiten des Titelbesitzes gleich. Ebenso sind Zeiten anzurechnen, in denen der Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hatte, unabhängig davon, ob fortlaufend förmliche Duldungen vorlagen (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.06.2020 - 11 S 427/20 -, juris Rn. 32). Eine Duldungslücke von wenigen Tagen ist wegen ihres Bagatellcharakters als unschädlich zu bewerten, ohne dass es auf deren nähere Umstände ankommt. Der geforderte geduldete, gestattete oder von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckte Voraufenthalt soll nämlich nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift als Grundlage für eine gelungene Integration dienen. Diese Eignung wird bei einem Ausländer, der sich seit mehreren Jahren geduldet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufgehalten hat, durch eine Unterbrechung von wenigen Tagen nicht in Frage gestellt. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gewährleistet einen am Gesetzeszweck orientierten, einzelfalladäquaten Gesetzesvollzug (vgl. hierzu ausführlich BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 48 ff., VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.07.2020 - 11 S 2426/19 -, juris Rn. 36).
97 
Ein sechsjähriger Aufenthalt ist dann ausreichend, wenn der Ausländer mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt. Auch insoweit ist im Hinblick auf die Besitzstandswahrung darauf abzustellen, ob sämtliche Erteilungsvoraussetzungen unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres vorliegen. Der zwischenzeitliche Eintritt der Volljährigkeit ist danach unschädlich. Dies kann allerdings nur dann gelten, wenn die häusliche Gemeinschaft und der ununterbrochen geduldete, gestattete oder mittels einer Aufenthaltserlaubnis erlaubte Aufenthalt im Bundesgebiet spätestens im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit des Kindes für sechs Jahre bestanden hat. Nachträglich zu Gunsten des Ausländers eingetretene Umstände können auch in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung finden.
98 
Nach diesen Maßstäben erfüllt der Kläger zunächst nicht den geforderten Aufenthalt von acht Jahren im Bundesgebiet.Der Kläger wird seit dem 6. März 2014 im Bundesgebiet gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus sonstigen Gründen geduldet. Diese Duldungsphase wurde seitdem nur einmal kurzzeitig unterbrochen. Die kurze Unterbrechung im Zeitraum vom 5. bis einschließlich 7. Dezember 2014, in dem der Kläger weder geduldet noch sein Aufenthalt gestattet oder erlaubt war, ist unschädlich. Diese Lücke umfasst einen Zeitraum von lediglich wenigen Tagen und stellt im Verhältnis zu der Gesamtdauer der erteilten Duldungen von mehr als sieben Jahren einen sehr kurzen Zeitraum dar, der nicht ins Gewicht fällt.
99 
Nachdem dem Kläger erstmals am 6. März 2014 eine Duldung erteilt wurde, ist ein Zeitraum von acht Jahren seit Beginn der Duldungsphase noch nicht erreicht. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass dem Kläger für den Zeitraum vor Erteilung der ersten Duldung am 6. März 2014 bereits ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung zugestanden haben könnte. Die Duldungen wurden dem Kläger lediglich mit dem Hinweis „Rechtsgrundlage: § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus sonstigen Gründen“ erteilt. Die genauen Gründe für die Erteilungen sind aus den dem Senat vorgelegten Akten nicht ersichtlich. Die Beklagte und der Beigeladene konnten solche auch im Berufungsverfahren trotz Rückfrage nicht nennen. Nicht miteinbezogen werden kann in die Frage des vom Gesetz geforderten achtjährigen Aufenthalts der erstmalige Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland von 1989 bis 2011. Der Kläger war zwar seit Mai 1994 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, welche nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fort galt. Diese Niederlassungserlaubnis ist aber mit der im Januar 2011 erfolgten Ausreise des Klägers in die Türkei gem. § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen (VG Stuttgart, Urteil vom 10.09.2013 - 5 K 576/13 -). Aufgrund des Erlöschens dieses Aufenthaltstitels ist eine Zäsur eingetreten, die dazu geführt hat, dass der ursprünglich rechtmäßige Aufenthalt gerade nicht mehr fortbesteht.
100 
Der Kläger kann auch keinen sechsjährigen Aufenthalt in häuslicher Gemeinschaft mit einem minderjährigen ledigen Kind vorweisen. Er befand sich bei Vollendung des 18. Lebensjahrs seines Sohns xxxxxx am 12. September 2017 noch nicht für eine Dauer von sechs Jahren im Bundesgebiet. Vielmehr ist er erst am 30. November 2011 eingereist. Danach erfüllte er unmittelbar vor Eintritt der Volljährigkeit seines Sohnes nicht die Voraussetzungen eines sechsjährigen Aufenthalts. Der Umstand, dass der Sohn des Klägers auch noch nach Vollendung seines 18. Lebensjahrs beim Kläger wohnt, spielt für die Anwendung von § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG keine Rolle. Der erstmalige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet kann aus den oben aufgeführten Gründen auch in diesem Kontext nicht berücksichtigt werden.
101 
(2) Weiterhin liegen derzeit auch nicht die Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG vor. Danach setzt die nachhaltige Integration regelmäßig voraus, dass der Ausländer sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt.
102 
Die Vorschrift verlangt dabei zum einen, dass sich ein Ausländer aktiv zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt. Dies erfordert bereits nach dem Wortlaut der Norm ein aktives Bekenntnis. Systematisch ergibt sich dies auch aus einem Vergleich mit der Vorschrift des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG, nach der lediglich keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen dürfen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt. Weiterhin muss ein Ausländer über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügen. Die gesetzliche Regelung sieht dabei keine bestimmte Nachweisform vor. Entsprechend der Regelungen zur Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AufenthG genügt zum Nachweis der Grundkenntnisse in jedem Fall die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs im Sinne der §§ 44 ff. AufenthG. Aufgrund der Tatsache, dass ein lediglich im Bundesgebiet geduldeter Ausländer keinen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs hat, sondern gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG im Rahmen verfügbarer Kursplätze zur Teilnahme zugelassen werden kann, ist der Besuch eines entsprechenden Kurses jedenfalls keine zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der Anforderungen aus § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG (vgl. Röder in: BeckOK, MigR, § 25a AufenthG Rn. 37). Ein entsprechender Nachweis kann regelmäßig auch durch das Bestehen des bundeseinheitlichen Tests zum Orientierungskurs („Leben in Deutschland“) erbracht werden (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 2 IntV). Den Ausländer trifft dabei die Obliegenheit, den entsprechenden Nachweis selbst zu erbringen. Dies resultiert aus der sich aus § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergebenden Mitwirkungspflicht. Nach dieser Regelung ist der Ausländer verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Ein Antragsteller kann dabei nicht verlangen, dass eine Prüfung der geforderten Grundkenntnisse durch die Ausländerbehörde selbst vorgenommen wird. Vielmehr darf die Ausländerbehörde ein solches Ansinnen ablehnen und den Ausländer auf das Erfordernis verweisen, eine geeignete Bescheinigung über das Bestehen der erforderlichen Kenntnisse vorzulegen. Die Erbringung eines solchen Nachweises ist dem Ausländer auch zuzumuten, da die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG erfolgreiche Integrationsleistungen honorieren will.
103 
Der Kläger hat bislang trotz Hinweises der Beklagten und des Senats im Berufungsverfahren entsprechende Nachweise nicht erbracht und bislang kein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgegeben. Er hat auch nicht belegt, dass er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt. Insbesondere hat der Kläger weder an einem Integrationskurs teilgenommen noch eine Bescheinigung über das Bestehen des Tests „Leben in Deutschland“ vorgelegt.
104 
(3) Nachdem der Kläger die sich aus § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AufenthG ergebenden Anforderungen nicht erfüllt, kann offen bleiben kann, ob er zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz über die von § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AufenthG geforderten hinreichenden mündlichen Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt. Der Senat merkt in diesem Kontext lediglich an, dass der Kläger nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung die geforderten Kenntnisse wohl besitzen dürfte. Die im Rahmen der Anhörung des Klägers an ihn in deutscher Sprache gerichteten Fragen konnte dieser verstehen und in weitgehend flüssigem Deutsch problemlos beantworten. Nur bei komplexeren Fragestellungen musste sich der Kläger gelegentlich der Hilfe des Dolmetschers bedienen.
105 
(4) Der Fall des Klägers ist auch nicht durch eine Atypik geprägt, die es ermöglicht, ihm trotz teilweiser Nichterfüllung der in § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG genannter Anforderungen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilten.
106 
Die in § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG genannten Voraussetzungen regeln die Anforderungen, die ein Ausländer regelmäßig erfüllen muss, damit ihm die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Die Formulierung „setzt regelmäßig voraus“ lässt es allerdings zu, dass besondere Integrationsleistungen von vergleichbarem Gewicht ebenfalls zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG führen können, auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 im Einzelfall nicht vollständig erfüllt sind; erforderlich ist insoweit eine Gesamtschau aller konkreten Umstände des Einzelfalls (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.05.2018 - 11 S 1810/16 -, juris Rn. 69; Nds. OVG, Urteil vom 08.02.2018 - 13 LB 43/17 -, juris Rn. 56; OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 07.12.2016 - 2 L 18/15 -, juris Rn. 32; Hmb. OVG, Urteil vom 25.08.2016 - 3 Bf 153/13 -, juris Rn. 50 und 62; OVG NRW, Beschluss vom 21.07.2015 - 18 B 486/14 -, juris Rn. 8 ff. (zur Entwurfsfassung); BT-Drs 18/4097, S. 42). Die Frage, ob ein atypischer Ausnahmefall vorliegt, bei dem der Verwaltung sodann ein Rechtsfolgenermessen eröffnet ist, unterliegt dabei in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung und ist insoweit eine rechtlich gebundene Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 17.12.2015 - 1 C 31.14 -, juris Rn. 21; Hmb. OVG, Beschluss vom 19.05.2017 - 1 Bs 207/16 -, juris Rn. 48).
107 
Nach diesen Maßstäben besteht kein atypischer Ausnahmefall. Besondere Integrationsleistungen von vergleichbarem Gewicht hat der Kläger nicht erbracht. Der Kläger erfüllt zum einen nicht die notwendigen Aufenthaltszeiten. Zum anderen hat er darüber hinaus wie ausgeführt weder nachgewiesen, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt, noch, dass er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt. Somit fehlen dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt jedenfalls drei der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Bereits dieser Umstand spricht gegen eine nachhaltige Integration des Klägers in die hiesigen Lebensverhältnisse. Der Kläger hat auch nichts vorgetragen, was das Fehlen der genannten Voraussetzungen nur annähernd aufwiegen könnte. Er kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm eine Teilnahme an einem Test zur Prüfung seiner Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet aufgrund der COVID 19-Pandemie nicht möglich gewesen sei. Der Kläger befindet sich bereits seit beinahe zehn Jahren wieder im Bundesgebiet. In dieser Zeit wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, sich zu entsprechenden Kursen und Prüfungen anzumelden, um das von § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG geforderte Integrationsniveau nachweisen zu können. Entsprechende Tests werden, wie auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt und vom Kläger nicht in Zweifel gezogen wurde, nach einer Recherche des Senats am Wohnort des Klägers auch angeboten. Dem Kläger war und ist es daher ohne weiteres möglich, diese zu absolvieren.
108 
Weiterhin kann der Kläger einen atypischen Sachverhalt aufgrund besonderer Integrationsleistungen auch nicht mit seinem früheren Aufenthalt im Bundesgebiet begründen. Richtig ist zwar insoweit, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise über 20 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat. Der Aufenthalt des Klägers war rechtmäßig, da der Kläger zunächst befristete Aufenthaltserlaubnisse und sodann eine Niederlassungserlaubnis besaß. Der Kläger konnte während dieses Zeitraums ferner eine weitgehend gelungene Erwerbsbiografie vorweisen, die lediglich durch zwei im Verhältnis zu seiner Berufstätigkeit kurze Phasen der Arbeitslosigkeit unterbrochen wurde. Indes hat der Kläger sich im Januar 2011 dazu entschlossen, das Bundesgebiet zu verlassen, mit der Folge, dass seine Niederlassungserlaubnis gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen ist. Der Kläger hat dadurch zu erkennen gegeben, dass er seinen Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben hat, um sich in der Türkei einen neuen Lebensmittelpunkt einzurichten. Damit hat er sich aktiv aus einer früher möglicherweise bestandenen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse gelöst.
109 
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.
110 
Danach kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
111 
Unabhängig davon, ob für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG neben den Vorschriften des § 25a AufenthG und des § 25b AufenthG überhaupt noch Raum ist (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.03.2019 - 11 S 459/19 -, juris Rn. 8; Wittmann in: GK-AufenthG, 114. EL, § 25 AufenthG, Rn. 365), liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht vor. Die Ausreise des Klägers ist vorliegend nämlich nicht aus rechtlichen ((1)) oder tatsächlichen Gründen ((2)) unmöglich.
112 
(1) Eine rechtliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn es einem Ausländer aus Rechtsgründen nicht zuzumuten ist, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Allgemeine Widrigkeiten oder Überlegungen humanitärer Art, die keine Abschiebungshindernisse zur Folge haben, bleiben dabei unberücksichtigt. Somit ist die Ausreise unzumutbar und damit unmöglich, wenn rechtliche Abschiebungshindernisse bestehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.12.2010 - 11 S 2359/10 -, juris Rn. 24). Zu den von der Beklagten zu prüfenden inlandsbezogenen Abschiebungsverboten zählen dabei auch die Verbote, die aus Verfassungsrecht (z.B. Art. 6 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind. Der Kläger kann sich vorliegend aber nicht auf solche inlandsbezogenen Abschiebungsverbote aus Art. 6 GG sowie aus Art. 8 EMRK berufen.
113 
(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 Abs. 1 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 06.05.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 12). Aus Art. 6 Abs. 1 GG - und aus Art. 8 Abs. 1 EMRK - ergeben sich allerdings aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerfG, Beschlüsse vom 22.05.2018 - 2 BvR 941/18 -, juris Rn. 5 ff., und vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, juris Rn. 17 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.05.2021 - 11 S 800/19 -, juris Rn. 163, Beschlüsse vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 30, und vom 28.03.2019 - 11 S 623/19 -, juris Rn. 13). Diese Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 Abs. 1 GG allerdings nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen; entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, Beschluss vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 -, juris Rn. 87). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (BVerfG, Beschluss vom 05.06.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.05.2021 - 11 S 800/19 -, juris Rn. 163, und Beschluss vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 30).
114 
Bei erwachsenen Familienmitgliedern ergeben sich aus Art. 6 Abs. 1 GG insbesondere dann aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, wenn ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft. Kann der Beistand nur in der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden, weil einem Familienmitglied das Verlassen des Bundesgebiets nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.05.2021 - 11 S 800/19 -, juris Rn. 165, Beschlüsse vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 31, und vom 28.03.2019 - 11 S 623/19 -, juris Rn. 14). Im Falle eine Beistandsgemeinschaft unter volljährigen Familienmitgliedern kommt es für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG auch nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.05.2021 - 11 S 800/19 -, juris Rn. 165, Beschlüsse vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 31, und vom 28.03.2019 - 11 S 623/19 -, juris Rn. 14 mit zahlreichen Nachweisen). Insoweit gebietet Art. 6 Abs. 1 GG, die auf Autonomie angelegte Entscheidungsbefugnis der Familie grundsätzlich zu respektieren.
115 
Ausgehend davon, besteht in Bezug auf den Kläger kein aus Art. 6 Abs. 1 GG folgendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Richtig ist zwar, dass der Kläger mit seinen Kindern xxxxx und xxxxxx in einer gemeinsamen Wohnung lebt und demzufolge auch von engen familiären Bindungen des Klägers zu seinen Kindern ausgegangen werden kann. Indes sind die beiden Kinder des Klägers zwischenzeitlich volljährig, haben jeweils eine abgeschlossene Berufsausbildung und ein gesichertes Erwerbseinkommen. Die Tochter des Klägers ist darüber hinaus auch verheiratet und beabsichtigt, künftig mit ihrem Ehemann in Deutschland zu leben. Weiterhin kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass sich seine Ehefrau ebenfalls im Bundesgebiet aufhält. Denn diese befindet sich lediglich im Status einer Duldung aus sonstigen Gründen gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde von der Beklagten abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage mit Urteil vom 12. Juni 2019 - 8 K 19641/17 - rechtskräftig abgewiesen. Für den Senat sind keine Gründe erkennbar, warum die Ehefrau des Klägers diesen im Falle einer Ausreise nicht in die Türkei begleiten könnte. Hieran ändern auch die bei ihr bestehenden Erkrankungen nichts. Der Kläger könnte seine Ehefrau nämlich auch dort unterstützen. Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass eines der erwachsenen Kinder des Klägers auf dessen Lebenshilfe angewiesen wäre oder dass der Kläger selbst Lebenshilfeleistungen seiner Kinder bedürfte.
116 
Dem Kläger ist daher auch unter Berücksichtigung der sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Schutzwirkungen ein Verlassen des Bundesgebiets zuzumuten.
117 
(b) Ein Ausreisehindernis folgt weiterhin nicht aus Art. 8 Abs. 1 EMRK. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Schutz des Privatlebens unter bestimmten Voraussetzungen ein rechtliches Hindernis für die zwangsweise Beendigung des Aufenthalts eines Ausländers im Bundesgebiet begründen kann. Dabei geht der Senat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie derjenigen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte davon aus, dass zur Herleitung eines Aufenthaltsrechts aus Art. 8 Abs. 1 EMRK unter dem Gesichtspunkt „faktischer Inländer“ ein durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiertes Privatleben erforderlich ist, das nur noch im Bundesgebiet geführt werden kann. Hierfür kommt es einerseits auf die Integration des Ausländers in Deutschland („Verwurzelung“) und andererseits auf die fehlende Möglichkeit zur (Re-)Integration im Staat der Staatsangehörigkeit („Entwurzelung“) an (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25.08.2020 - 2 BvR 640/20 -, juris Rn. 24, vom 29.01.2020 - 2 BvR 690/19 -, juris Rn. 20, und vom 19.10.2016 - 2 BvR 1943/16 -, juris Rn. 19 ff.; EGMR, Urteile vom 09.04.2019 - 23887/16 -, vom 20.12.2018 - 18706/16 - und vom 20.11.2018 - 16711/15 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.05.2021 - 11 S 800/19 -, juris Rn. 175, Beschlüsse vom 11.05.2021 - 11 S 2891/20 -, juris Rn. 45 ff., vom 03.03.2021 - 11 S 2721/20 -, juris Rn. 14, vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 24 f., vom 22.10.2020 - 11 S 1112/20 -, juris Rn. 50, vom 23.06.2020 - 11 S 990/19 -, juris Rn. 31 f., und vom 02.03.2020 - 11 S 2293/18 -, juris Rn. 29 ff.; OVG Bremen, Urteil vom 15.11.2019 - 2 B 243/19 -, juris Rn. 24 f.; vgl. ferner Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, Vor §§ 53-56 AufenthG Rn. 104 ff.; Groß, JZ 2019, S. 327 <329>).
118 
Im vorliegenden Fall ist bereits davon auszugehen, dass keine relevante Entwurzelung des Klägers aus den in der Türkei herrschenden Lebensverhältnissen vorliegt. Der 1962 geborene Kläger hat bis 1989 in der Türkei gelebt und damit seine prägenden Jugendjahre dort verbracht. Zudem ist er im Jahr 2011, wenn auch nur für einige Monate, in die Türkei ausgereist, um sich dort niederzulassen. Der Kläger hat nach eigenen Angaben damals beabsichtigt, gemeinsam mit seiner Familie seinen Lebensmittelpunkt erneut in die Türkei zu verlegen. Damit hat er zu erkennen gegeben, dass gerade keine Distanzierung von den Lebensverhältnissen in der Türkei vorliegt. Außerdem spricht er fließend die türkische Sprache. Umstände, die den Kläger nachhaltig daran hindern könnten, in der Türkei wieder Fuß zu fassen, sind nicht ersichtlich.
119 
Der Schutz des Privatlebens gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK steht einer Ausreise des Klägers folglich nicht entgegen.
120 
Nachdem auch ansonsten keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse vorliegen, ist die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich.
121 
(2) Die Ausreise des Klägers ist auch nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Der Kläger verfügt über einen gültigen türkischen Reisepass. Tatsächliche Hindernisse, die seiner Rückkehr in die Türkei entgegenstehen könnten, der Kläger nicht dargelegt. Das Vorliegen solcher Hindernisse ist auch ansonsten nicht ersichtlich.
122 
3. Da die Sache noch nicht spruchreif ist, war das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Die weitergehende Berufung der Beklagten war zurückzuweisen.
II.
123 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Der Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt und ist damit kein Kostenrisiko eingegangen (§ 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Daher entspricht es nicht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, ihn von seinen eigenen außergerichtlichen Kosten zu entlasten.
III.
124 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
125 
Beschluss vom 23. September 2021
126 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.
127 
Gründe
128 
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 63 Abs. 2 GKG. Die auf das Ziel der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ausgerichtete Verpflichtungsklage ist nach gefestigter Rechtsprechung der für Fragen des Aufenthaltsrechts zuständigen Senate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit dem Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen (vgl. nur VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 20.08.2021 - 11 S 41/20 -, juris Rn. 40, vom 05.03.2021 - 11 S 567/21 -, juris Rn. 7, und vom 19.07.2019 - 11 S 1812/19 -, juris Rn. 5).
129 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

25 
Die zulässige Berufung ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I.
26 
Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Klägers zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Der Kläger hat nur einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 10. April 2017 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. November 2017 sind insoweit rechtswidrig. Sie verletzen den Kläger in seinen Rechten und sind daher aufzuheben, soweit sie ihn betreffen. Die Berufung der Beklagten hat im Übrigen Erfolg, weil dem Kläger kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zusteht (1.). Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen folgt auch nicht aus anderen Rechtsgrundlagen (2.). Die Klage ist demzufolge im Übrigen abzuweisen und die weitergehende Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
27 
1. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats in pflichtgemäßer Ausübung des ihr eröffneten Ermessens erneut entscheidet. Die Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis ist von dem Antrag des Klägers umfasst (a)), weiterhin liegen zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (b)) auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm vor (c)). Indes haben weder die Beklagte in ihrem Bescheid, noch das Regierungspräsidium Stuttgart in seinem Widerspruchsbescheid das ihnen im vorliegenden Verwaltungsverfahren eröffnete Ermessen ausgeübt. Die Sache ist insoweit noch nicht spruchreif (d)).
28 
a) Der Kläger hat vorliegend die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes beantragt und damit auch eine solche im Sinne des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
29 
Eine Aufenthaltserlaubnis darf nach § 81 Abs. 1 AufenthG nur auf Antrag und nicht von Amts wegen erteilt werden. Das Ziel eines solchen Antrags auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis (§§ 7, 8 AufenthG) wird durch die Aufenthaltszwecke und den Lebenssachverhalt, aus denen der Ausländer seinen Anspruch herleitet, bestimmt und begrenzt, weil das Aufenthaltsgesetz strikt zwischen den in den Abschnitten 3 bis 7 seines Kapitels 2 genannten Aufenthaltszwecken trennt. Die Entscheidung der Ausländerbehörde über diesen Antrag im Sinne der § 81 Abs. 3 und 4, § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist entsprechend beschränkt. Legt der Ausländer ohne weitere Eingrenzung einen Lebenssachverhalt dar, der einem oder mehreren in den Abschnitten 3 bis 7 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes genannten Aufenthaltszwecke zuzuordnen ist, ist sein Antrag nach jeder bei Würdigung des vorgetragenen Lebenssachverhalts in Betracht kommenden Vorschrift des betreffenden Abschnitts zu beurteilen. Bei der Auslegung eines - nicht formbedürftigen - Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 81 Abs. 1 AufenthG) sind die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen des Erklärenden, sondern darauf an, wie seine Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird. Es ist also darauf abzustellen, wie die Ausländerbehörde den Antrag unter Berücksichtigung aller ihr erkennbaren Umstände und der Mitwirkungspflicht des Ausländers (§ 82 Abs. 1 AufenthG) nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf die schriftlichen und mündlichen Erklärungen des Ausländers in ihrer Gesamtheit und das mit ihnen erkennbar verfolgte Ziel beziehen. Bei der Ermittlung des wirklichen Willens ist nach anerkannter Auslegungsregel zugunsten eines anwaltlich nicht vertretenen Ausländers davon auszugehen, dass er den Antrag stellen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und gestellt werden muss, um das erkennbar angestrebte Ziel zu erreichen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 16.07.2020 - 12 S 1432/20 -, juris Rn. 7, vom 03.08.2009 - 11 S 1056/09 -, juris Rn. 12 f., und vom 28.04.2008 - 11 S 683/08 -, juris Rn. 6). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bezieht sich ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen regelmäßig auf sämtliche in diesem Abschnitt aufgeführten Anspruchsgrundlagen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.05.2018 - 11 S 1810/16 -, juris Rn. 45, sowie Beschlüsse vom 05.09.2016 - 11 S 1512/16 -, juris Rn. 5, und vom 07.12.2015 - 11 S 1998/15 -, juris Rn. 3).
30 
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG beantragt hat. Durch seine Bezugnahme auf Art. 8 Abs. 1 EMRK wird deutlich, dass sich der Kläger auf die in dem genannten Abschnitt angeführten humanitären Gründe berufen möchte. Die dort genannten Vorschriften sind zumindest in Teilen, nämlich in § 25 Abs. 5, § 25a und in § 25b AufenthG, Ausfluss der konventionsrechtlichen Regelung des Art. 8 Abs. 1 EMRK. Nachdem der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht anwaltlich vertreten war und ohne weitere Eingrenzung eine Aufenthaltserlaubnis aus Art. 8 Abs. 1 EMRK beantragt hat, ist mangels näherer Konkretisierung des Lebenssachverhalts davon auszugehen, dass der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen begehrt. Insoweit führt er aus, dass seine Kinder durch eine anstehende Ausreise in ihrem Recht auf Achtung des Privatlebens beeinträchtigt würden. Dem Kläger geht es unter Berücksichtigung des maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts (§§ 133,157 BGB) demzufolge darum, dass ihm aufgrund des langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Wertungen des Art. 8 Abs. 1 EMRK eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Dieser Belang unterfällt Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes. Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 23. September 2021 auf Frage des Gerichts ausdrücklich klargestellt, dass lediglich über die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gestritten wird.
31 
Demzufolge erfasst der Antrag des Klägers sämtliche in Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Anspruchsgrundlagen.
32 
b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. zu diesem Grundsatz nur BVerwG, Urteile vom 27.04.2021 - 1 C 45.20 -, juris Rn. 11, vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 19, vom 17.12.2015 - 1 C 31.14 -, juris Rn. 9, vom 25.03.2015 - 1 C 16.14 -, Rn. 14, vom 14.05.2013 - 11 S 16.12 -, juris Rn. 14, und vom 07.04.2009 - 1 C 17.08 -, juris Rn. 10; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 20.09.2018 - 11 S 240/17 -, juris Rn. 38, und vom 18.05.2018 - 11 S 1810/16 -, juris Rn. 54, sowie Beschlüsse vom 20.08.2021 - 11 S 42/20 -, juris Rn. 27, vom 14.01.2020 - 11 S 2956/19 -, juris Rn. 11, und vom 07.12.2015 - 11 S 1998/15 -, juris Rn. 4). Dies gilt auch für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG.
33 
Demzufolge ist auch im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen. Aus dem Wortlaut der Norm ergeben sich nämlich keinerlei Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang von dem allgemein geltenden Grundsatz, bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich auf diesen Zeitpunkt abzustellen, abweichen wollte.
34 
Etwas anderes gilt in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Minderjährigkeit der Bezugsperson, wenn der Ausländer den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 18. Lebensjahrs der Bezugsperson gestellt hat, diese aber zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bereits volljährig ist. In diesem Fall ist aufgrund der nachstehenden Erwägungen darauf abzustellen, ob sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahrs der Bezugsperson vorlagen (vgl. Röder in: BeckOK, MigR, § 25a AufenthG Rn. 48; Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 262; a.A. wohl OVG B.-Bbg, Beschluss vom 07.05.2014 - OVG 3 N 8.14 -, juris Rn. 3). Kann hiervon ausgegangen werden, steht der Umstand, dass die Bezugsperson nicht mehr minderjährig ist, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht entgegen (Besitzstandswahrung).
35 
Der Wortlaut der Vorschrift bezieht sich zwar auf die Minderjährigkeit des Antragstellers, was im Grundsatz dafür sprechen könnte, auch in diesem Zusammenhang auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen. Jedoch gebieten es eine systematische Betrachtung sowie der mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck, im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Minderjährigkeit darauf abzustellen, ob sämtliche Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres der Bezugsperson vorliegen.
36 
Diese Einschätzung lässt sich bei systematischer Betrachtung zunächst auf einen Vergleich des Wortlauts von § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit der gesetzlichen Regelung in § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG stützen. Danach ist für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer unter den weiteren in § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen ausreichend, wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird. Die Überschreitung der Altersgrenze führt nicht ohne Weiteres zum Ausschluss der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Vielmehr soll die rechtzeitige Antragstellung gerade geeignet sein, den Besitzstand des Ausländers zu wahren, wenn die betreffende Person darüber hinaus sämtliche in § 21 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen erfüllt. Die Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis soll letztlich nicht von der Länge des Verfahrens abhängen. Dieser Grundgedanke lässt sich auf die Regelung der von einem minderjährigen Ausländer abgeleiteten Aufenthaltserlaubnis aus § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG übertragen, da die Situation des Ausländers insofern keine andere ist.
37 
Des Weiteren gebieten es der Sinn und Zweck des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG darauf abzustellen, ob sämtliche Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Regelung unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres der Bezugsperson vorgelegen haben. Die Regelung des     § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG dient zwar grundsätzlich dem aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK folgenden Schutz der familiären Lebensgemeinschaft. Darüber hinaus bezweckt die Vorschrift aber auch, den Eltern einen Anreiz dafür zu schaffen, auf ihre Kinder einzuwirken, dass diese die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG erforderlichen Integrationsleistungen erbringen. Hierfür soll den Eltern die Möglichkeit eröffnet werden, auch selbst Aufenthaltserlaubnisse zu erlangen. Mit diesem Zweck wäre es nicht zu vereinbaren, im Hinblick auf die Altersgrenze des Eintritts der Volljährigkeit der stammberechtigten Bezugsperson strikt auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen. Denn in Fällen, in denen das Erreichen dieser Altersgrenze bereits absehbar ist und in denen mit einem bestandskräftigen Abschluss des Titelerteilungsverfahrens nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor diesem Zeitpunkt nicht gerechnet werden kann, würde § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG seine auf Integration ausgerichtete Anreizfunktion nicht entfalten können. Dies gilt umso mehr, als es einem Betroffenen nicht immer möglich ist, einer Verfahrensverzögerung effektiv entgegenzutreten. Einem Antragsteller steht es zwar grundsätzlich offen, eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zu erheben oder einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu stellen. Dies ist allerdings nicht immer geeignet, die Rechte des Betroffenen effektiv zu wahren, da auch im Falle einer Untätigkeitsklage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen wäre. Auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO würde nicht dazu führen, dass in einem sich später anschließenden Klageverfahren nicht auch auf diesen Zeitpunkt abzustellen wäre.
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Vor dem Hintergrund des soeben dargestellten Zwecks der Vorschrift des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG können außerdem die vom Bundesverwaltungsgericht zu § 32 Abs. 3 AufenthG a.F. entwickelten Grundsätze herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 26.08.2008 - 1 C 32.07 -, juris Rn. 17). Nach dieser Vorschrift war einem minderjährigen ledigen Kind, welches das 16. Lebensjahr vollendet hatte, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn es die deutsche Sprache beherrschte oder gewährleistet erschien, dass es sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen konnte, und beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besaßen. Das Gericht argumentierte in diesem Kontext, dass die rechtzeitige Antragstellung dann ausreichend sein sollte, wenn sämtliche Erteilungsvoraussetzungen vor Vollendung des 16. Lebensjahres vorlagen, da anderenfalls der mit der Regelung verfolgte Zweck, Kindern unter 16 Jahren die Herstellung der Familieneinheit im Bundesgebiet zu ermöglichen, vielfach aufgrund des Zeitablaufs entfiele. Der angesprochene Zweck von § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist mit den vom Bundesverwaltungsgericht zu § 32 Abs. 3 AufenthG a.F. angestellten Überlegungen vergleichbar.
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Dieser Auffassung steht auch nicht die zu § 36 Abs. 1 AufenthG ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar entschieden, dass der Anspruch auf Nachzug der Eltern nach § 36 Abs. 1 AufenthG nur bis zu dem Zeitpunkt besteht, zu dem das Kind volljährig wird (BVerwG, Urteil vom 18.04.2013 - 10 C 9.12 -, juris Rn. 17). Die hierbei zu § 36 Abs. 1 AufenthG entwickelten Grundsätze sind allerdings nicht auf die § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zugrundeliegende Konstellation übertragbar. § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG betrifft Fälle, in denen es um die Erhaltung einer bereits im Inland bestehenden familiären Lebensgemeinschaft und um die Würdigung bereits erbrachter sowie gegebenenfalls künftig noch zu erbringender Integrationsleistungen geht. Dies liegt der Regelung in § 36 Abs. 1 AufenthG gerade nicht zugrunde, da es sich hierbei um eine Nachzugsregelung handelt. Hinzu kommt, dass das oben angesprochene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund jüngerer Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als überholt anzusehen sein dürfte (EuGH Urteil vom 12.04.2018 - C-550/16 -, Rn. 57).
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Aufgrund der vorgenannten Erwägungen ist daher bei der Klärung der Frage, ob Eltern im Titelerteilungsverfahren nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG die im Laufe des Verfahrens eingetretene Volljährigkeit der stammberechtigten Bezugsperson entgegengehalten werden darf, darauf abzustellen, ob sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahrs der Bezugsperson vorgelegen haben. Allein die rechtzeitige Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis reicht dagegen in diesem Zusammenhang noch nicht aus (so aber Göbel-Zimmermann/Hupke in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 25a AufenthG Rn. 19; Hailbronner in: ders., AuslR, § 25a AufenthG Rn. 42; Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 25a AufenthG, Rn. 12). Die Stellung des Antrags sagt nämlich isoliert betrachtet nichts darüber aus, ob ein Ausländer die Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 und 3 sowie § 5 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt. Nachträgliche, also nach Eintritt der Volljährigkeit zu Gunsten des Ausländers eingetretene Umstände, sollen indes nicht dazu führen, dass er entsprechende Sachverhaltsänderungen geltend machen kann. Anderenfalls würde die in § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgesehene Altersgrenze von 18 Jahren umgangen. Das Abstellen auf den Zeitpunkt unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres soll lediglich einen erworbenen Besitzstand sichern und verhindern, dass die Eltern mögliche Ansprüche allein wegen der Dauer des Verfahrens durch Zeitablauf verlieren. Nicht bezweckt wird damit, Sachverhaltsänderungen zu Gunsten des Ausländers nach Eintritt der Volljährigkeit seines Kindes zu berücksichtigen, die bei rechtzeitiger Bescheidung nie zu einem Anspruch hätten führen können (vgl. Röder in: BeckOK, MigR, § 25a AufenthG Rn. 48; Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 25a AufenthG, Rn. 12; Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 262, zu § 32 Abs. 3 AufenthG a.F. BVerwG, Urteil vom 26.08.2008 - 1 C 32.07 -, juris Rn. 17). Darüber hinaus führt eine Besitzstandswahrung aber auch nicht dazu, dass nach Eintritt der Volljährigkeit und vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetretene Umstände zu Lasten eines Ausländers nicht zu berücksichtigten wären. Die aufgezeigte Argumentation bezieht sich allein auf die Titelerteilungsvoraussetzung der Minderjährigkeit der Bezugsperson in § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Sie bezweckt aber nicht, auch im Übrigen von den zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt notwendigen Erteilungsvoraussetzungen abzusehen. Insoweit verbleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen ist. Demnach müssen die Voraussetzungen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit Ausnahme der Minderjährigkeit des Kindes sowohl unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres, als auch im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegen.
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Die aufgezeigte Besitzstandswahrung ist weiterhin nicht dahingehend zu verstehen, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bei zwischenzeitlichem Eintritt der Volljährigkeit der Bezugsperson nur bis zum Ablauf der längst möglichen dreijährigen Erteilungsfrist ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG möglich wäre und eine darüber hinaus gehende Erteilung oder Verlängerung für die Eltern nicht mehr in Betracht käme. Hieran könnte gedacht werden, weil der Wortlaut der Norm an die Minderjährigkeit des Ausländers anknüpft und die Besitzstandswahrung daraus resultierend lediglich dem rechtzeitigen Vorliegen aller Erteilungsvoraussetzungen Rechnung tragen, nicht aber eine langfristige Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG weit über den Eintritt der Volljährigkeit des Kindes hinaus ermöglichen soll.
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Indes wird aus der Gesetzesbegründung deutlich, dass der Gesetzgeber eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auch im Falle der zwischenzeitlich eingetretenen Volljährigkeit des Kindes ermöglichen wollte (vgl. BT-Drs. 17/5093, Seite 16). Nach den entsprechenden Ausführungen ist das Tatbestandsmerkmal „Eltern eines minderjährigen Ausländers“ nach seinem Sinn und Zweck nur bei der erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, nicht aber bei deren Verlängerung anwendbar. Daraus folgt, dass der Rechtsgrund des Aufenthalts der Eltern gerade nicht mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Jugendlichen enden soll.
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In systematischer Hinsicht lässt sich dem auch nicht die Vorschrift des § 25b AufenthG entgegenhalten. Diese ermöglicht unter den dort genannten Voraussetzungen die Erteilung einer eigenständigen Aufenthaltserlaubnis für einen Ausländer, die weder an die Minderjährigkeit noch an das Bestehen einer Aufenthaltserlaubnis einer Bezugsperson geknüpft ist. Die Vorschrift des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist indes nicht so zu verstehen, dass nach Ablauf der längstens dreijährigen Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG nur noch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 25b AufenthG in Betracht käme. Vielmehr schafft die Vorschrift eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von Eltern minderjähriger Ausländer, die, wie ausgeführt, grundsätzlich dem sich aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK folgenden Schutz der familiären Lebensgemeinschaft dient und nicht wie § 25b Abs. 1 AufenthG an dort genannte besondere und eigenständig erbrachte Integrationsleistungen anknüpft. Etwaigen unbilligen Ergebnissen im Hinblick auf mögliche Verlängerungen von Aufenthaltserlaubnissen der Eltern gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG weit über den Eintritt der Volljährigkeit der Bezugsperson hinaus wird dadurch Rechnung getragen, dass es sich bei der Regelung um eine Ermessensvorschrift handelt.
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c) Im vorliegenden Fall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt ((1)). Der Erteilung steht der Ausschlussgrund des § 25a Abs. 3 AufenthG nicht entgegen ((2)). Es liegen auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG vor ((3)). Dagegen sind die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 AufenthG derzeit nicht erfüllt ((4)). Das den Ausländerbehörden nach § 5 Abs. 2 Satz 2, § 5 Abs. 3 Satz 2 und des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen wurde bislang nicht ausgeübt. Die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf null zugunsten des Klägers liegen nicht vor ((5)).
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(1) Nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann den Eltern oder einem personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung nicht aufgrund falscher Angaben oder aufgrund von Täuschungen über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder mangels Erfüllung zumutbarer Anforderungen an die Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert wird (Nr. 1) und der Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert ist (Nr. 2). Die Vorschrift ermöglicht die Erteilung einer akzessorischen Aufenthaltserlaubnis für Familienangehörige eines minderjährigen Ausländers, der über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG verfügt. Begünstigt sind dabei gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zunächst die Eltern des Minderjährigen. Die Vorschrift des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ermöglicht es diesen unter den dort genannten Voraussetzungen, ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.
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Der Kläger unterfällt als Vater seines Sohns xxxxxx dem Begriff der „Eltern eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt“ ((a)). Er erfüllt auch die in § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten Voraussetzungen ((b)).
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(a) Beim Kläger handelt es sich um einen Elternteil ((aa)) seines zum hier maßgeblichen Zeitpunkt minderjährigen Sohnes ((bb)). Die nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bestehende Akzessorietät zu einer Aufenthaltserlaubnis der Bezugsperson nach § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist erfüllt ((cc)).
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(aa) Die Eltern eines minderjährigen Ausländers sind dessen Mutter sowie dessen Vater im Sinne der §§ 1591 und 1592 BGB. Das Tatbestandsmerkmal der Eltern kann auch lediglich von einem Elternteil erfüllt werden. Dieses setzt nämlich lediglich voraus, dass beide Elternteile im Bundesgebiet leben (vgl. Röcker in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 25a AufenthG Rn. 27).
49 
Nachdem der Kläger und seine Ehefrau beide im Bundesgebiet leben, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt.
50 
(bb) Weiterhin war zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt auch das Tatbestandsmerkmal der Minderjährigkeit des Ausländers erfüllt.
51 
In Abweichung zu § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, der eine erstmalige Titelerteilung auch an Heranwachsende ermöglicht, beschränkt die Vorschrift des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Erteilung akzessorischer Aufenthaltserlaubnisse auf die Eltern minderjähriger Ausländer. Maßgeblich für die Frage der Minderjährigkeit sind gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 AufenthG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Aus diesem Grund tritt die Volljährigkeit gemäß § 2 BGB mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs ein.
52 
Wie oben aufgezeigt, kommt es im Rahmen des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Minderjährigkeit der Bezugsperson darauf an, ob unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahrs der Bezugsperson sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgelegen hatten. Aufgrund der dann eingetretenen Besitzstandswahrung ist es unschädlich, wenn das Kind zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz bereits volljährig ist. Auch § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG steht, wie gezeigt, in einem solchen Fall der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht entgegen.
53 
In Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei dem Kläger als Vater seines Sohnes xxxxxx um einen Elternteil eines zum hier maßgeblichen Zeitpunkt minderjährigen Ausländers. Nicht abgestellt werden kann dagegen auf die Tochter des Klägers xxxxx. Denn sie war im Zeitpunkt der Erteilung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG bereits volljährig. Als Bezugsperson im Sinne des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG kommt sie daher nicht in Betracht.
54 
Für die Erfüllung des Tatbestands des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG spielt es auch keine Rolle, dass der Sohn des Klägers zwischenzeitlich volljährig geworden und die längst mögliche dreijährige Erteilungsfrist seiner vor Vollendung des 18. Lebensjahres am 22. August 2016 erteilten Aufenthaltserlaubnis zwischenzeitlich abgelaufen ist. Denn unmittelbar vor Vollendung seines 18. Lebensjahrs des Sohns lagen in der Person des Klägers sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor. Den nach § 81 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Titelerteilungsantrag hat der Kläger bei der Beklagten als zuständiger Ausländerbehörde rechtzeitig gestellt. Die materiellen Voraussetzungen der Titelerteilung liegen, wie nachfolgend ausgeführt wird, vor.
55 
(cc) Die von § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geforderte Akzessorietät zu einer Aufenthaltserlaubnis des Kindes nach § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegeben.
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Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG setzt voraus, dass die Bezugsperson im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG ist. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn an die Stelle des Titels der Bezugsperson nach § 25a Abs. 1 AufenthG inzwischen eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG getreten ist. Der Wortlaut der Vorschrift deutet zwar darauf hin, dass die Bezugsperson über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG verfügen muss und das Innehaben eines anderen Aufenthaltstitels demzufolge gerade nicht ausreichend sein soll. Systematische und teleologische Erwägungen gebieten es jedoch, das Innehaben einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG jedenfalls dann als ausreichend anzusehen, wenn die Bezugsperson zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG gewesen ist.
57 
In systematischer Hinsicht spricht für diese Auffassung, dass die Erteilung einer entsprechenden Niederlassungserlaubnis das Innehaben einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes gerade voraussetzt, weshalb das stammberechtigte Kind zum Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Erteilung über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG verfügen muss.
58 
Beachtet werden muss weiterhin der Sinn und Zweck der Regelung des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Die Vorschrift des § 25a Abs. 1 AufenthG ermöglicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an Jugendliche und Heranwachsende bei einer erfolgreichen Integration. In diesem Fall kann den Eltern unter den Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Förderung der Integrationsleistung der Kinder durch die Eltern wird insoweit zumindest mittelbar honoriert. Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gem. § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG setzt unter anderem voraus, dass der Ausländer seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes ist (§ 26 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) und ist damit an einen noch höheren Integrationserfolg geknüpft. Demzufolge muss es für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der Eltern genügen, wenn der Wegfall der Aufenthaltserlaubnis der Bezugsperson nicht Ausdruck eines Integrationsrückschritts, sondern einer gelungenen Integration des stammberechtigten Kindes ist (vgl. Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 209). Aus diesem Grund kann den Eltern des Inhabers einer Niederlassungserlaubnis eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden, wenn die Niederlassungserlaubnis unmittelbar an die Stelle einer der Bezugsperson zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG getreten ist.
59 
In Anwendung dieses Maßstabs ist im vorliegenden Fall die von § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geforderte Akzessorietät sowohl unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes des Klägers xxxxxx als auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz als erfüllt anzusehen.
60 
Der am 12. September 1999 geborene Sohn des Klägers hat erstmals am 22. August 2016 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG erhalten, welche bis 20. September 2017 gültig war. Diese wurde anschließend am 14. September 2017 bis 31. Juli 2018 verlängert. Nachdem er am 31. Juli 2018 die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beantragt hat, erhielt er zunächst eine Fiktionsbescheinigung. Schließlich erteilte ihm die Beklagte am 25. Oktober 2018 erneut eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG, welche bis 24. Oktober 2020 befristet war. Seit 19. Mai 2020 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG.
61 
Demzufolge war der Sohn des Klägers unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz verfügte er über eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, welche aus dem Innehaben einer auf § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG beruhenden Aufenthaltserlaubnis resultierte. Aufgrund der vorgenannten Erwägungen steht daher die zwischenzeitlich erfolgte Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an die Bezugsperson der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG an den Kläger nicht entgegen.
62 
(b) Weiterhin sind die sich aus § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG ergebenden Anforderungen erfüllt.
63 
Die Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG liegen vor, da die Abschiebung des Klägers nicht aufgrund falscher Angaben oder aufgrund von Täuschungen über die Identität oder Staatsangehörigkeit oder mangels Erfüllung zumutbarer Anforderungen an die Beseitigung von Ausreisehindernissen verhindert oder verzögert wird.
64 
Die Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG sind ebenfalls erfüllt. Danach setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert ist. Die Vorschrift verdrängt die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Hierbei handelt es sich nach dem insoweit klaren Wortlaut der Vorschrift um eine zwingende Erteilungsvoraussetzung, von der auch nicht im Wege der Atypik oder des Ermessens abgesehen werden kann (BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 17.12 -, juris Rn. 21).
65 
Der Kläger hat vorliegend sowohl unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres seines Sohnes im September 2017 als auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz seinen Lebensunterhalt eigenständig durch seine Erwerbstätigkeit als Karosseriebauer bei einem Unternehmen in xxxxxxxxxxxx gesichert. Die hierzu durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats entwickelten Kriterien sind erfüllt (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 18.04.2013 - 10 C 10.12 -, juris Rn. 13, und vom 26.08.2008 - 1 C 32.07 -, juris Rn. 23; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 16.02.2021 - 11 S 1547/20 -, juris Rn. 31, vom 18.11.2020 - 11 S 2637/20 -, juris Rn. 16 ff., und vom 22.10.2020 - 11 S 1812/20 -, juris Rn. 22 ff.). Der Kläger legte der Ausländerbehörde bereits während des Verwaltungsverfahrens und vor Vollendung des 18. Lebensjahres seines Sohnes regelmäßig Lohnabrechnungen vor. Selbiges tat er auch im Zuge des Berufungsverfahrens gegenüber dem erkennenden Senat. Aufgrund des von ihm erzielten Einkommens konnte er den Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten. Weiterhin ist er seit dem 3. September 2012 bei der xxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxx krankenversichert (§ 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Auch ist nicht erkennbar, dass sich an seiner Beschäftigungssituation in absehbarerZeit etwas ändern könnte. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Lebensunterhalt des Klägers und der Bedarfsgemeinschaft, der er angehört, zu einem der hier maßgeblichen Zeitpunkte nicht gesichert gewesen sein könnte. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig.
66 
(2) Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG an den Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht gemäß § 25a Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift darf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erteilt werden, wenn der Ausländer wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben.
67 
Bei der Anwendung von § 25a Abs. 3 AufenthG sind nur Straftaten des antragstellenden Ausländers zu berücksichtigen. Eine Zurechnung der Straftaten eines Ehegatten, mit der Folge, dass (auch) dem anderen Ehegatten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu versagen wäre, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zulässig. Gegen eine solche Zurechnung von Straftaten sprechen nach absolut herrschender Meinung, der sich der erkennende Senat anschließt, der Wortlaut des Gesetzes, der gesetzgeberische Wille und auch systematische Erwägungen (vgl. Röcker in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 25a AufenthG Rn. 32; Röder in: BeckOK, MigR, § 25a AufenthG Rn. 67; Göbel-Zimmermann/Hupke in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 25a AufenthG Rn. 27; Hailbronner in: ders., AuslR, § 25a AufenthG Rn. 58; Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 25a AufenthG, Rn. 18; Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 253; Hecker in: Kluth/Heusch, BeckOK, AuslR, § 25a AufenthG Rn. 17;a.A. Zühlcke in: HTK-AuslR, Stand: 27.08.2019, § 25a AufenthG, Rn. 8 f.; Deibel, ZAR 2011, 241).
68 
Das Gesetz spricht in § 25a Abs. 3 AufenthG nur von „dem Ausländer“. Anhaltspunkte, die auf die Zurechenbarkeit von Straftaten hindeuten, die von anderen begangen wurden, sind dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen (Röcker in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 25a AufenthG Rn. 32; Hailbronner in: ders., AuslR, § 25a AufenthG Rn. 58; Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 25a AufenthG, Rn. 18; Göbel-Zimmermann/Hupke in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 25a AufenthG Rn. 27).
69 
Auch den Gesetzesmaterialien zum „Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften“ lassen sich keine Argumente für eine Zurechenbarkeit der vom anderen Ehegatten begangenen Straftaten entnehmen. Der Gesetzgeber ist beim Erlass des Gesetzes mit Blick auf § 25a Abs. 3 AufenthG erkennbar davon ausgegangen, dass keine solche Zurechnung erfolgt. Die Gesetzesbegründung spricht insoweit nur von „Personen, die erhebliche Straftaten begangen haben, …“ (vgl. BT-Drs. 17/5093, Seite 16). Dies bezieht sich explizit auf den Straftäter und gerade nicht auf andere, in der Norm nicht genannte - dritte - Personen.
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Auch systematische Argumente sprechen gegen eine Mitverantwortung eines Ehegatten für vom anderen Ehegatten begangene Straftaten. Richtig ist zwar, dass „den Eltern“ eines minderjährigen Ausländers Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden können. Es könnte daher daran gedacht werden, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nur möglich ist, wenn beide Elternteile die Voraussetzungen der Norm erfüllen, falls auf diese als Gemeinschaft abzustellen wäre (so Zühlcke in: HTK-AuslR, Stand: 27.08.2019, § 25a AufenthG, Rn. 8). Das Tatbestandsmerkmal der „Eltern“ setzt jedochlediglich voraus, dass beide Elternteile im Bundesgebiet leben. Ein Erfordernis der Straffreiheit beider Elternteile lässt sich aus der gesetzlichen Regelung aber nicht ableiten. Soweit das Erfordernis einer Zurechnung in diesem Zusammenhang damit zu begründen versucht wird, dass der straffällig gewordene Ehegatte aus dem Schutzgedanken des Art. 6 GG nun über den anderen Ehegatten ein Aufenthaltsrecht ableiten könnte, mit der Folge, dass der Ausschlussgrund des § 25a Abs. 3 AufenthG praktisch leerliefe, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn in Bezug auf den straffällig gewordenen Ehegatten bleibt § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu beachten.
71 
Weiterhin sind entsprechende Zurechnungsregelungen dem Aufenthaltsgesetz nicht fremd. Solche finden sich in § 60d Abs. 1 Nr. 7 und 10 sowie in § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Eine Regelung dieser Art sieht das Gesetz in § 25a Abs. 3 AufenthG aber gerade nicht vor (Röcker in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 25a AufenthG Rn. 32; Röder in: BeckOK, MigR, § 25a AufenthG Rn. 67; Hailbronner in: ders., AuslR, § 25a AufenthG Rn. 58; Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 253; Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, § 25a AufenthG, Rn. 18; Göbel-Zimmermann/Hupke in: Huber/Mantel, AufenthG, 3. Auflage 2021, § 25a AufenthG Rn. 27; Hecker in: Kluth/Heusch, BeckOK, AuslR, § 25a AufenthG Rn. 17). Darüber hinaus mangelt es in § 25a AufenthG an einer mit § 104a Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG vergleichbaren Härtefallregelung, durch die unzumutbare Ergebnisse etwa wegen eigens erbrachter Integrationsleistungen des nicht straffälligen Ehegatten gerade vermieden werden sollen (vgl. hierzu Samel in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 104a AufenthG Rn. 32).
72 
In diesem Zusammenhang ist auch kein Raum für eine analoge Anwendung der Zurechnungsregelungen in § 60d Abs. 1 Nr. 7 und 10 sowie des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Einer Analogiebildung steht aufgrund des aufgezeigten gesetzgeberischen Willens bereits das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegen. Des Weiteren ist die Interessenlage mit den in § 60d AufenthG und § 104a AufenthG genannten Gründen nicht vergleichbar. Die in § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geregelten akzessorischen Aufenthaltsrechte setzen jeweils eine nach § 25a Abs. 1 AufenthG aufenthaltsberechtigte Bezugsperson voraus. Während der Dauer der Minderjährigkeit dieser Bezugsperson ist die Beendigung des Aufenthalts der in § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG genannten Angehörigen regelmäßig ausgeschlossen, selbst wenn diesen keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (§ 60a Abs. 2b AufenthG). Demgegenüber ermöglicht die Versagung des Bleiberechts in § 60d AufenthG und in § 104a AufenthG regelmäßig die Beendigung des Aufenthalts der gesamten Familie (vgl. Wittmann, in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a Rn. 254).
73 
Soweit in systematischer Hinsicht vertreten wird, dass sozialrechtliche Regelungen für eine Zurechenbarkeit von Straftaten sprächen (Deibel, ZAR 2011, 241), überzeugt dies ebenfalls nicht. Richtig ist zwar, dass es im Falle der Unzulässigkeit der Zurechnung von Straftaten zu unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Verhältnissen innerhalb einer Familie kommen kann. Dies kann zur Folge haben, dass einzelne Mitglieder der Familie, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG sind, Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs beanspruchen können, während nur geduldete Familienmitglieder in den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen. Dies ist allerdings keine Besonderheit im Anwendungsbereich des § 25a AufenthG. Vielmehr ist es auch in zahlreichen anderen Konstellationen möglich, dass Mitglieder eines Familienverbands - abhängig von ihrem jeweiligen aufenthaltsrechtlichen Status - in sozialrechtlicher Hinsicht unterschiedlich abgesichert sind. Unmittelbare Rückschlüsse auf die Auslegung der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes lassen sich aus dem Regelungssystem des Sozialrechts aber nicht ziehen. Anderes gälte allenfalls dann, wenn sich aus den Bestimmungen des Aufenthalts- oder Sozialrechts hinreichend deutlich ableiten ließe, dass ein Auseinanderfallen der sozialrechtlichen Absicherung der Mitglieder eines Familienverbands im Wege der Angleichung des aufenthaltsrechtlichen Status der Familienmitglieder vermieden werden soll. Mit Blick auf § 25a AufenthG lässt sich ein solcher Wille des Gesetzgebers aber weder aus dem Aufenthalts- noch dem Sozialrecht entnehmen (so auch Wittmann in: GK-AufenthG, 117. EL , § 25a AufenthG Rn. 254).
74 
Danach ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger nicht gemäß § 25a Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen. Der Kläger hat keine Straftaten begangen, die zu einem der hier interessierenden Zeitpunkte eine Anwendung von § 25a Abs. 3 AufenthG ermöglichen würden (vgl. hierzu nachfolgend (3)). Die Straftaten seiner Ehefrau können ihm nicht zugerechnet werden.
75 
(3) Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a bis 4 AufenthG sind vorliegend sowohl vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes xxxxxx auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erfüllt.
76 
Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht auch die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht entgegen, da zu keinem der hier maßgeblichen Zeitpunkte ein Ausweisungsinteresse in Bezug auf den Kläger bestand. Ein solches ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Danach wiegt ein Ausweisungsinteresse schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Die Begehung von Straftaten stellt einen solchen Verstoß dar (vgl. nur Bauer in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Auflage 2020, § 54 Rn. 93). Ein Ausweisungsinteresse gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt aber weiter voraus, dass der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt tatsächlich gefährdet (§ 53 Abs. 1 AufenthG). Demnach kommt ein Ausweisungsinteresse zum einen aus spezialpräventiven Gründen in Betracht (vgl. zum Erfordernis einer Wiederholungsgefahr im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG: VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 21.06.2021 - 11 S 19/21 -, juris Rn. 10 f., vom 08.06.2021 - 11 S 3759/20 -, juris Rn. 8, und vom 18.11.2020 - 11 S 2637/20 -, juris Rn. 41 ff.). Zum anderen kann ein Ausweisungsinteresse grundsätzlich auch allein auf Gründen der Generalprävention beruhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, juris Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 18.11.2020 - 11 S 2637/20 -, juris Rn. 45, vom 26.08.2020 - 11 S 2038/19 -, juris Rn. 30, vom 23.06.2020 - 11 S 990/19 -, juris Rn. 7, vom 21.01.2020 - 11 S 3477/19 -, juris Rn. 37, und vom 07.10.2019 - 11 S 1835/19 -, juris Rn. 9). Erforderlich ist aber insoweit, dass das Ausweisungsinteresse noch aktuell ist. Die zeitliche Begrenzung für ein generalpräventives Ausweisungsinteresse, das an ein strafrechtliches Handeln anknüpft, bilden dabei die Vorschriften der Strafverfolgungsverjährung nach den §§ 78 ff. StGB (BVerwG, Urteile vom 09.05.2019 - 1 C 21.18 -, juris Rn. 19, und vom 12.07.2018 - 1 C 16.17 -, juris Rn. 23). Demzufolge ist das an die Begehung einer Straftat anknüpfende generalpräventive Ausweisungsinteresse dann nicht mehr aktuell, wenn die Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist.
77 
Nach diesen Maßstäben kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger durch eine unerlaubte Einreise am 30. November 2011 und seinen späteren Aufenthalt im Bundesgebiet gegen die Strafvorschriften des § 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG verstoßen hat. Denn ein Ausweisungsinteresse lässt sich vorliegend weder aus spezialpräventiven noch aus generalpräventiven Gründen rechtfertigen.
78 
Die Annahme eines Ausweisungsinteresses aus spezialpräventiven Gründen kommt mangels Wiederholungsgefahr nicht in Betracht. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger künftig erneut entsprechende Verstöße begehen wird. Vielmehr liegt es nahe, dass der Verstoß lediglich einmalig im Kontext der damaligen besonderen Rückkehrsituation der Familie nach einem im Verhältnis zum zuvor bereits erfolgten langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und einem sich hieran anschließenden mehrmonatigen Aufenthalt in der Türkei begangen wurde. Der Kläger ging, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat glaubhaft ausgeführt hat, seinerzeit davon aus, dass seine ihm erteilte Niederlassungserlaubnis noch fortgelten würde. Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass sich eine derartige Situation wiederholen könnte.
79 
Es besteht auch kein Ausweisungsinteresse aus generalpräventiven Gründen, da sowohl im Hinblick auf den Straftatbestand der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG als auch auf den des unerlaubten Aufenthalts im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahrs seines Sohns die Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Der Kläger wurde auch nicht strafrechtlich verurteilt.
80 
Sowohl der Straftatbestand der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG als auch derjenige des unerlaubten Aufenthalts gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterliegen gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB einer Verjährungsfrist von drei Jahren. Die absolute Verjährungsfrist beträgt demzufolge gemäß § 78c Abs. 3 Satz 2 AufenthG sechs Jahre. Die Verjährung beginnt dabei nach § 78a Satz 1 StGB, sobald die Tat beendet ist. Die Straftat des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wäre mit der unerlaubten Einreise am 30. November 2011 beendet (vgl. BGH, Beschluss vom 04.05.2016 - 3 StR 358/15 -, juris Rn. 33), weshalb die Verjährung zu diesem Zeitpunkt begonnen hat. Die Straftat des unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet wäre mit Erteilung der Duldung am 6. März 2014 beendet, da die Abschiebung des Klägers ab diesem Zeitpunkt ausgesetzt war (vgl. § 95 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c AufenthG). Mangels einer erkennbaren Unterbrechung der Verjährung war somit bereits deutlich vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes xxxxxx im September 2017 bereits die Strafverfolgungsverjährung in Bezug auf beide Straftaten eingetreten. Erst recht gilt dies daher für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz.
81 
(4) Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lag dagegen weder unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Sohnes des Klägers noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vor.
82 
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis setzt gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) und die für die Erteilung des Visums maßgeblichen Angaben bereits im Visumsantrag gemacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).
83 
Ausländer bedürfen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder aufgrund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden dabei gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG unter anderem als Visum im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 (Schengen-Visum) und Abs. 3 (nationales Visum) AufenthG erteilt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 sowie Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 539/2001, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/850, bedürfen türkische Staatsangehörige für die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich der vorherigen Erteilung eines Visums. Welches Visum dabei im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 25.06.2019 - 1 C 40.18 -, juris Rn. 18, vom 11.01.2011 - 1 C 23.09 -, juris Rn. 20, und vom 30.03.2010 - 1 C 8.09 -, juris Rn. 16). Die Pflicht zur Einreise mit dem erforderlichen Visum besteht nicht, wenn einer der in §§ 15 ff. AufenthV geregelten Befreiungstatbestände vorliegt oder aber gemäß § 39 Satz 1 AufenthV der Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern kann.
84 
Das Visumserfordernis darf schließlich nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln des Art. 7 ARB 2/76 beziehungsweise des Art. 13 ARB 1/80 verstoßen. Danach dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen (letztere im Anwendungsbereich des Art. 13 ARB 1/80), deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Die genannten Stillhalteklauseln knüpfen an einen ordnungsgemäßen Aufenthalt an. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bedeutet der Begriff „ordnungsgemäß“ im Sinne von Art. 7 ARB 2/76 und Art. 13 ARB 1/80, dass der türkische Arbeitnehmer oder sein Familienangehöriger die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und gegebenenfalls die Beschäftigung beachtet haben muss, so dass seine Lage im Hoheitsgebiet dieses Staates rechtmäßig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, Rn. 35). Auf diese Stillhalteklausel kann sich ein türkischer Staatsangehöriger daher nur dann berufen, wenn er die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise beachtet hat und sich dementsprechend rechtmäßig im Hoheitsgebiet dieses Staates befindet (vgl. EuGH, Urteile vom 17.09.2009 - C-242/06 -, Rn. 53, und vom 21.10.2003 - C-317/01 -, Rn. 84). Der Arbeitnehmer muss eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats und damit ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht besitzen (EuGH, Urteil vom 08.11.2021 - C-268/11 -, Rn. 39). Eine Ausübung einer Beschäftigung im Rahmen einer Erlaubnis zum vorläufigen Aufenthalt, die nur bis zur endgültigen Entscheidung über das Aufenthaltsrecht gilt, ist nicht ordnungsgemäß (EuGH, Urteil vom 29.09.2011 <Ünal> - C-187/10 -, Rn. 47).
85 
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger nicht mit dem erforderlichen Visum in das Bundesgebiet eingereist.
86 
Der Kläger unterliegt als türkischer Staatsangehöriger der grundsätzlichen Visumspflicht. In der mündlichen Verhandlung hat er zu den Gründen seiner Rückkehr ausgeführt, dass seine Kinder wieder in Deutschland leben wollten und das man den Wunsch hatte, als Familie zusammenzubleiben. Der Kläger strebte daher von Anfang an einen längeren Aufenthalt im Bundesgebiet an. Das hierfür erforderliche nationale Visum (§ 6 Abs. 3 AufenthG) ist ihm aber nicht erteilt worden. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Befreiungstatbestand nach den §§ 15 ff., 39 AufenthV stützen.
87 
Ob die Visumspflicht für türkische Staatsangehörige gegen die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln des Art. 7 ARB 2/76 beziehungsweise des Art. 13 ARB 1/80 verstößt, kann im Falle des Klägers dahinstehen. Denn sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist nicht ordnungsgemäß im Sinne dieser Vorschriften. Der Kläger ist unerlaubt nach Deutschland eingereist, besitzt derzeit keine Aufenthaltserlaubnis und wird hier nur geduldet. Die vom Kläger ausgeübte Erwerbstätigkeit, die ihm im Zuge der erteilten Duldungen erlaubt wurde, ist daher nicht ordnungsgemäß im Sinne der assoziationsrechtlichen Bestimmungen. Der Kläger kann sich daher nicht auf die genannten Stillhalteklauseln berufen.
88 
(5) Die Frage, ob die Voraussetzungen, unter denen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vom Visumserfordernis abgesehen werden kann, zu den hier maßgeblichen Zeitpunkten erfüllt waren, bedarf im vorliegenden Berufungsverfahren keiner abschließenden Klärung. Denn wenn sie zu bejahen sein sollte, wäre durch die Ausländerbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden gewesen, ob nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG von der Titelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abgesehen wird. Ist die Frage hingegen zu verneinen, hätte die Ausländerbehörde das ihr nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen ausüben müssen. Die Beklagte hat aber weder in Bezug auf § 5 Abs. 2 Satz 2 oder § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG noch in Bezug auf § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG Ermessen ausgeübt. Die Ermessensausübung ist auch weder im Widerspruchsverfahren noch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt worden.
89 
Die behördliche Ermessensausübung war hier auch nicht mit Blick auf eine sogenannte Ermessensreduzierung auf null entbehrlich. Denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bietet der vorliegende Fall keine Ansatzpunkte für die Annahme einer solchen Ermessensreduzierung. So deutet nichts auf eine gefestigte einheitliche Entscheidungspraxis der Beklagten in vergleichbaren Fällen hin, die nach Art. 3 Abs. 1 GG zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen könnte. Die Annahme einer solchen Selbstbindung liegt zudem fern, da der hier zu beurteilende Fall durch mehrere Besonderheiten geprägt ist, denen bei der Ermessensausübung im Wege einer Würdigung und Abwägung der konkret berührten Interessen Rechnung zu tragen ist. Auch aus Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG, dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Art. 8 EMRK sowie sonstigen verfassungs- und konventionsrechtlichen Vorgaben lassen sich für den vorliegenden Fall keine Rückschlüsse ziehen, wonach nur Raum für eine einzige Entscheidung ist, die ermessensfehlerfrei getroffen werden könnte. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass das behördliche Ermessen in den Fällen des § 5 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 sowie § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG dergestalt in einer bestimmten Richtung intendiert wäre, dass grundsätzlich in einer bestimmten Weise und nur in atypischen Ausnahmefällen anders zu entscheiden wäre.
90 
Folglich leidet die streitgegenständliche Ablehnung des klägerischen Titelerteilungsantrags an einem nach § 114 VwGO relevanten Ermessensfehler in Gestalt eines Ermessensausfalls. Der Kläger hat damit zwar keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Er kann jedoch beanspruchen, dass über seinen Antrag auf Erteilung einer solchen Erlaubnis in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entschieden wird.
91 
2. Auch aus anderen Vorschriften im Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes kann der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis ableiten. Die Voraussetzungen der insoweit allein in Betracht kommenden Aufenthaltserlaubnisse nach § 25b Abs. 1 (a)) und des § 25 Abs. 5 AufenthG (b)) liegen nicht vor.
92 
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b Abs. 1 AufenthG.
93 
Nach dieser Vorschrift soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Ausländer sich seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat (Nr. 1), sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt (Nr. 2), seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt im Sinne von § 2 Abs. 3 AufenthG sichern wird (Nr. 3), über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt (Nr. 4) und bei Kindern im schulpflichtigen Alter deren tatsächlichen Schulbesuch nachweist (Nr. 5).
94 
Der Kläger verfügt zwar über eine rechtswirksame Duldung (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 24; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.06.2020 - 11 S 427/20 -, juris Rn. 20). Indes liegen im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG weder die Voraussetzungen der Nr. 1 ((1)) noch der Nr. 2 ((2)) vor. Offenbleiben kann, ob der Kläger über die gemäß § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AufenthG geforderten Sprachkenntnisse verfügt ((3)) vor. Denn der Fall des Klägers ist nicht insofern durch eine Atypik geprägt, die es zulässig wäre, ihm trotz Nichtvorliegens sämtlicher in § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG genannter Anforderungen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu erteilen ((4)).
95 
(1) Der Kläger erfüllt nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, da er sich zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht seit mindestens acht Jahren unterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat. Auch lebt er nicht seit mindestens sechs Jahren mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft.
96 
Entscheidend für die zu berücksichtigenden Zeiten des Voraufenthalts ist der Zeitraum der letzten acht beziehungsweise sechs Jahre; ein abgeschlossener Zeitraum in der Vergangenheit genügt aufgrund des Wortlauts der Regelung („seit“) nicht. Der Ausländer muss sich in dieser Zeit tatsächlich im Bundesgebiet aufgehalten und eine Duldung (§ 60a AufenthG), Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG) oder einen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 AufenthG besessen haben. Der Zeitraum kann sich aus Phasen geduldeten, gestatteten und erlaubten Aufenthalts zusammensetzen. Die Erteilungsvoraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG liegt nicht vor, wenn der Antragsteller den maßgeblichen Zeitraum - wenn auch nur um wenige Tage - nicht erfüllt (BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 34 ff.). Zeiten, in denen der Ausländer zwar keinen Aufenthaltstitel besessen, er aber einen Rechtsanspruch auf den Aufenthaltstitel gehabt hat, stehen den Zeiten des Titelbesitzes gleich. Ebenso sind Zeiten anzurechnen, in denen der Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG hatte, unabhängig davon, ob fortlaufend förmliche Duldungen vorlagen (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.06.2020 - 11 S 427/20 -, juris Rn. 32). Eine Duldungslücke von wenigen Tagen ist wegen ihres Bagatellcharakters als unschädlich zu bewerten, ohne dass es auf deren nähere Umstände ankommt. Der geforderte geduldete, gestattete oder von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckte Voraufenthalt soll nämlich nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift als Grundlage für eine gelungene Integration dienen. Diese Eignung wird bei einem Ausländer, der sich seit mehreren Jahren geduldet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufgehalten hat, durch eine Unterbrechung von wenigen Tagen nicht in Frage gestellt. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gewährleistet einen am Gesetzeszweck orientierten, einzelfalladäquaten Gesetzesvollzug (vgl. hierzu ausführlich BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 -, juris Rn. 48 ff., VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.07.2020 - 11 S 2426/19 -, juris Rn. 36).
97 
Ein sechsjähriger Aufenthalt ist dann ausreichend, wenn der Ausländer mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt. Auch insoweit ist im Hinblick auf die Besitzstandswahrung darauf abzustellen, ob sämtliche Erteilungsvoraussetzungen unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres vorliegen. Der zwischenzeitliche Eintritt der Volljährigkeit ist danach unschädlich. Dies kann allerdings nur dann gelten, wenn die häusliche Gemeinschaft und der ununterbrochen geduldete, gestattete oder mittels einer Aufenthaltserlaubnis erlaubte Aufenthalt im Bundesgebiet spätestens im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit des Kindes für sechs Jahre bestanden hat. Nachträglich zu Gunsten des Ausländers eingetretene Umstände können auch in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung finden.
98 
Nach diesen Maßstäben erfüllt der Kläger zunächst nicht den geforderten Aufenthalt von acht Jahren im Bundesgebiet.Der Kläger wird seit dem 6. März 2014 im Bundesgebiet gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus sonstigen Gründen geduldet. Diese Duldungsphase wurde seitdem nur einmal kurzzeitig unterbrochen. Die kurze Unterbrechung im Zeitraum vom 5. bis einschließlich 7. Dezember 2014, in dem der Kläger weder geduldet noch sein Aufenthalt gestattet oder erlaubt war, ist unschädlich. Diese Lücke umfasst einen Zeitraum von lediglich wenigen Tagen und stellt im Verhältnis zu der Gesamtdauer der erteilten Duldungen von mehr als sieben Jahren einen sehr kurzen Zeitraum dar, der nicht ins Gewicht fällt.
99 
Nachdem dem Kläger erstmals am 6. März 2014 eine Duldung erteilt wurde, ist ein Zeitraum von acht Jahren seit Beginn der Duldungsphase noch nicht erreicht. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass dem Kläger für den Zeitraum vor Erteilung der ersten Duldung am 6. März 2014 bereits ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung zugestanden haben könnte. Die Duldungen wurden dem Kläger lediglich mit dem Hinweis „Rechtsgrundlage: § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus sonstigen Gründen“ erteilt. Die genauen Gründe für die Erteilungen sind aus den dem Senat vorgelegten Akten nicht ersichtlich. Die Beklagte und der Beigeladene konnten solche auch im Berufungsverfahren trotz Rückfrage nicht nennen. Nicht miteinbezogen werden kann in die Frage des vom Gesetz geforderten achtjährigen Aufenthalts der erstmalige Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland von 1989 bis 2011. Der Kläger war zwar seit Mai 1994 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, welche nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fort galt. Diese Niederlassungserlaubnis ist aber mit der im Januar 2011 erfolgten Ausreise des Klägers in die Türkei gem. § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen (VG Stuttgart, Urteil vom 10.09.2013 - 5 K 576/13 -). Aufgrund des Erlöschens dieses Aufenthaltstitels ist eine Zäsur eingetreten, die dazu geführt hat, dass der ursprünglich rechtmäßige Aufenthalt gerade nicht mehr fortbesteht.
100 
Der Kläger kann auch keinen sechsjährigen Aufenthalt in häuslicher Gemeinschaft mit einem minderjährigen ledigen Kind vorweisen. Er befand sich bei Vollendung des 18. Lebensjahrs seines Sohns xxxxxx am 12. September 2017 noch nicht für eine Dauer von sechs Jahren im Bundesgebiet. Vielmehr ist er erst am 30. November 2011 eingereist. Danach erfüllte er unmittelbar vor Eintritt der Volljährigkeit seines Sohnes nicht die Voraussetzungen eines sechsjährigen Aufenthalts. Der Umstand, dass der Sohn des Klägers auch noch nach Vollendung seines 18. Lebensjahrs beim Kläger wohnt, spielt für die Anwendung von § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG keine Rolle. Der erstmalige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet kann aus den oben aufgeführten Gründen auch in diesem Kontext nicht berücksichtigt werden.
101 
(2) Weiterhin liegen derzeit auch nicht die Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG vor. Danach setzt die nachhaltige Integration regelmäßig voraus, dass der Ausländer sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt.
102 
Die Vorschrift verlangt dabei zum einen, dass sich ein Ausländer aktiv zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt. Dies erfordert bereits nach dem Wortlaut der Norm ein aktives Bekenntnis. Systematisch ergibt sich dies auch aus einem Vergleich mit der Vorschrift des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG, nach der lediglich keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen dürfen, dass der Ausländer sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt. Weiterhin muss ein Ausländer über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügen. Die gesetzliche Regelung sieht dabei keine bestimmte Nachweisform vor. Entsprechend der Regelungen zur Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AufenthG genügt zum Nachweis der Grundkenntnisse in jedem Fall die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs im Sinne der §§ 44 ff. AufenthG. Aufgrund der Tatsache, dass ein lediglich im Bundesgebiet geduldeter Ausländer keinen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs hat, sondern gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG im Rahmen verfügbarer Kursplätze zur Teilnahme zugelassen werden kann, ist der Besuch eines entsprechenden Kurses jedenfalls keine zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der Anforderungen aus § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG (vgl. Röder in: BeckOK, MigR, § 25a AufenthG Rn. 37). Ein entsprechender Nachweis kann regelmäßig auch durch das Bestehen des bundeseinheitlichen Tests zum Orientierungskurs („Leben in Deutschland“) erbracht werden (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 2 IntV). Den Ausländer trifft dabei die Obliegenheit, den entsprechenden Nachweis selbst zu erbringen. Dies resultiert aus der sich aus § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergebenden Mitwirkungspflicht. Nach dieser Regelung ist der Ausländer verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Ein Antragsteller kann dabei nicht verlangen, dass eine Prüfung der geforderten Grundkenntnisse durch die Ausländerbehörde selbst vorgenommen wird. Vielmehr darf die Ausländerbehörde ein solches Ansinnen ablehnen und den Ausländer auf das Erfordernis verweisen, eine geeignete Bescheinigung über das Bestehen der erforderlichen Kenntnisse vorzulegen. Die Erbringung eines solchen Nachweises ist dem Ausländer auch zuzumuten, da die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 AufenthG erfolgreiche Integrationsleistungen honorieren will.
103 
Der Kläger hat bislang trotz Hinweises der Beklagten und des Senats im Berufungsverfahren entsprechende Nachweise nicht erbracht und bislang kein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgegeben. Er hat auch nicht belegt, dass er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt. Insbesondere hat der Kläger weder an einem Integrationskurs teilgenommen noch eine Bescheinigung über das Bestehen des Tests „Leben in Deutschland“ vorgelegt.
104 
(3) Nachdem der Kläger die sich aus § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AufenthG ergebenden Anforderungen nicht erfüllt, kann offen bleiben kann, ob er zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz über die von § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AufenthG geforderten hinreichenden mündlichen Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt. Der Senat merkt in diesem Kontext lediglich an, dass der Kläger nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung die geforderten Kenntnisse wohl besitzen dürfte. Die im Rahmen der Anhörung des Klägers an ihn in deutscher Sprache gerichteten Fragen konnte dieser verstehen und in weitgehend flüssigem Deutsch problemlos beantworten. Nur bei komplexeren Fragestellungen musste sich der Kläger gelegentlich der Hilfe des Dolmetschers bedienen.
105 
(4) Der Fall des Klägers ist auch nicht durch eine Atypik geprägt, die es ermöglicht, ihm trotz teilweiser Nichterfüllung der in § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG genannter Anforderungen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilten.
106 
Die in § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG genannten Voraussetzungen regeln die Anforderungen, die ein Ausländer regelmäßig erfüllen muss, damit ihm die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Die Formulierung „setzt regelmäßig voraus“ lässt es allerdings zu, dass besondere Integrationsleistungen von vergleichbarem Gewicht ebenfalls zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG führen können, auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 im Einzelfall nicht vollständig erfüllt sind; erforderlich ist insoweit eine Gesamtschau aller konkreten Umstände des Einzelfalls (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.05.2018 - 11 S 1810/16 -, juris Rn. 69; Nds. OVG, Urteil vom 08.02.2018 - 13 LB 43/17 -, juris Rn. 56; OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 07.12.2016 - 2 L 18/15 -, juris Rn. 32; Hmb. OVG, Urteil vom 25.08.2016 - 3 Bf 153/13 -, juris Rn. 50 und 62; OVG NRW, Beschluss vom 21.07.2015 - 18 B 486/14 -, juris Rn. 8 ff. (zur Entwurfsfassung); BT-Drs 18/4097, S. 42). Die Frage, ob ein atypischer Ausnahmefall vorliegt, bei dem der Verwaltung sodann ein Rechtsfolgenermessen eröffnet ist, unterliegt dabei in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung und ist insoweit eine rechtlich gebundene Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 17.12.2015 - 1 C 31.14 -, juris Rn. 21; Hmb. OVG, Beschluss vom 19.05.2017 - 1 Bs 207/16 -, juris Rn. 48).
107 
Nach diesen Maßstäben besteht kein atypischer Ausnahmefall. Besondere Integrationsleistungen von vergleichbarem Gewicht hat der Kläger nicht erbracht. Der Kläger erfüllt zum einen nicht die notwendigen Aufenthaltszeiten. Zum anderen hat er darüber hinaus wie ausgeführt weder nachgewiesen, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt, noch, dass er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt. Somit fehlen dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt jedenfalls drei der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Bereits dieser Umstand spricht gegen eine nachhaltige Integration des Klägers in die hiesigen Lebensverhältnisse. Der Kläger hat auch nichts vorgetragen, was das Fehlen der genannten Voraussetzungen nur annähernd aufwiegen könnte. Er kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm eine Teilnahme an einem Test zur Prüfung seiner Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet aufgrund der COVID 19-Pandemie nicht möglich gewesen sei. Der Kläger befindet sich bereits seit beinahe zehn Jahren wieder im Bundesgebiet. In dieser Zeit wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, sich zu entsprechenden Kursen und Prüfungen anzumelden, um das von § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG geforderte Integrationsniveau nachweisen zu können. Entsprechende Tests werden, wie auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt und vom Kläger nicht in Zweifel gezogen wurde, nach einer Recherche des Senats am Wohnort des Klägers auch angeboten. Dem Kläger war und ist es daher ohne weiteres möglich, diese zu absolvieren.
108 
Weiterhin kann der Kläger einen atypischen Sachverhalt aufgrund besonderer Integrationsleistungen auch nicht mit seinem früheren Aufenthalt im Bundesgebiet begründen. Richtig ist zwar insoweit, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise über 20 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat. Der Aufenthalt des Klägers war rechtmäßig, da der Kläger zunächst befristete Aufenthaltserlaubnisse und sodann eine Niederlassungserlaubnis besaß. Der Kläger konnte während dieses Zeitraums ferner eine weitgehend gelungene Erwerbsbiografie vorweisen, die lediglich durch zwei im Verhältnis zu seiner Berufstätigkeit kurze Phasen der Arbeitslosigkeit unterbrochen wurde. Indes hat der Kläger sich im Januar 2011 dazu entschlossen, das Bundesgebiet zu verlassen, mit der Folge, dass seine Niederlassungserlaubnis gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen ist. Der Kläger hat dadurch zu erkennen gegeben, dass er seinen Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben hat, um sich in der Türkei einen neuen Lebensmittelpunkt einzurichten. Damit hat er sich aktiv aus einer früher möglicherweise bestandenen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse gelöst.
109 
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG.
110 
Danach kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
111 
Unabhängig davon, ob für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG neben den Vorschriften des § 25a AufenthG und des § 25b AufenthG überhaupt noch Raum ist (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.03.2019 - 11 S 459/19 -, juris Rn. 8; Wittmann in: GK-AufenthG, 114. EL, § 25 AufenthG, Rn. 365), liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nicht vor. Die Ausreise des Klägers ist vorliegend nämlich nicht aus rechtlichen ((1)) oder tatsächlichen Gründen ((2)) unmöglich.
112 
(1) Eine rechtliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn es einem Ausländer aus Rechtsgründen nicht zuzumuten ist, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Allgemeine Widrigkeiten oder Überlegungen humanitärer Art, die keine Abschiebungshindernisse zur Folge haben, bleiben dabei unberücksichtigt. Somit ist die Ausreise unzumutbar und damit unmöglich, wenn rechtliche Abschiebungshindernisse bestehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.12.2010 - 11 S 2359/10 -, juris Rn. 24). Zu den von der Beklagten zu prüfenden inlandsbezogenen Abschiebungsverboten zählen dabei auch die Verbote, die aus Verfassungsrecht (z.B. Art. 6 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind. Der Kläger kann sich vorliegend aber nicht auf solche inlandsbezogenen Abschiebungsverbote aus Art. 6 GG sowie aus Art. 8 EMRK berufen.
113 
(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 Abs. 1 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 06.05.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 12). Aus Art. 6 Abs. 1 GG - und aus Art. 8 Abs. 1 EMRK - ergeben sich allerdings aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerfG, Beschlüsse vom 22.05.2018 - 2 BvR 941/18 -, juris Rn. 5 ff., und vom 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04 -, juris Rn. 17 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.05.2021 - 11 S 800/19 -, juris Rn. 163, Beschlüsse vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 30, und vom 28.03.2019 - 11 S 623/19 -, juris Rn. 13). Diese Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 Abs. 1 GG allerdings nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen; entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (BVerfG, Beschluss vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 -, juris Rn. 87). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (BVerfG, Beschluss vom 05.06.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 12; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.05.2021 - 11 S 800/19 -, juris Rn. 163, und Beschluss vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 30).
114 
Bei erwachsenen Familienmitgliedern ergeben sich aus Art. 6 Abs. 1 GG insbesondere dann aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, wenn ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft. Kann der Beistand nur in der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden, weil einem Familienmitglied das Verlassen des Bundesgebiets nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.05.2021 - 11 S 800/19 -, juris Rn. 165, Beschlüsse vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 31, und vom 28.03.2019 - 11 S 623/19 -, juris Rn. 14). Im Falle eine Beistandsgemeinschaft unter volljährigen Familienmitgliedern kommt es für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG auch nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe von anderen Personen erbracht werden kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.05.2021 - 11 S 800/19 -, juris Rn. 165, Beschlüsse vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 31, und vom 28.03.2019 - 11 S 623/19 -, juris Rn. 14 mit zahlreichen Nachweisen). Insoweit gebietet Art. 6 Abs. 1 GG, die auf Autonomie angelegte Entscheidungsbefugnis der Familie grundsätzlich zu respektieren.
115 
Ausgehend davon, besteht in Bezug auf den Kläger kein aus Art. 6 Abs. 1 GG folgendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Richtig ist zwar, dass der Kläger mit seinen Kindern xxxxx und xxxxxx in einer gemeinsamen Wohnung lebt und demzufolge auch von engen familiären Bindungen des Klägers zu seinen Kindern ausgegangen werden kann. Indes sind die beiden Kinder des Klägers zwischenzeitlich volljährig, haben jeweils eine abgeschlossene Berufsausbildung und ein gesichertes Erwerbseinkommen. Die Tochter des Klägers ist darüber hinaus auch verheiratet und beabsichtigt, künftig mit ihrem Ehemann in Deutschland zu leben. Weiterhin kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass sich seine Ehefrau ebenfalls im Bundesgebiet aufhält. Denn diese befindet sich lediglich im Status einer Duldung aus sonstigen Gründen gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde von der Beklagten abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage mit Urteil vom 12. Juni 2019 - 8 K 19641/17 - rechtskräftig abgewiesen. Für den Senat sind keine Gründe erkennbar, warum die Ehefrau des Klägers diesen im Falle einer Ausreise nicht in die Türkei begleiten könnte. Hieran ändern auch die bei ihr bestehenden Erkrankungen nichts. Der Kläger könnte seine Ehefrau nämlich auch dort unterstützen. Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass eines der erwachsenen Kinder des Klägers auf dessen Lebenshilfe angewiesen wäre oder dass der Kläger selbst Lebenshilfeleistungen seiner Kinder bedürfte.
116 
Dem Kläger ist daher auch unter Berücksichtigung der sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Schutzwirkungen ein Verlassen des Bundesgebiets zuzumuten.
117 
(b) Ein Ausreisehindernis folgt weiterhin nicht aus Art. 8 Abs. 1 EMRK. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Schutz des Privatlebens unter bestimmten Voraussetzungen ein rechtliches Hindernis für die zwangsweise Beendigung des Aufenthalts eines Ausländers im Bundesgebiet begründen kann. Dabei geht der Senat auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie derjenigen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte davon aus, dass zur Herleitung eines Aufenthaltsrechts aus Art. 8 Abs. 1 EMRK unter dem Gesichtspunkt „faktischer Inländer“ ein durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiertes Privatleben erforderlich ist, das nur noch im Bundesgebiet geführt werden kann. Hierfür kommt es einerseits auf die Integration des Ausländers in Deutschland („Verwurzelung“) und andererseits auf die fehlende Möglichkeit zur (Re-)Integration im Staat der Staatsangehörigkeit („Entwurzelung“) an (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25.08.2020 - 2 BvR 640/20 -, juris Rn. 24, vom 29.01.2020 - 2 BvR 690/19 -, juris Rn. 20, und vom 19.10.2016 - 2 BvR 1943/16 -, juris Rn. 19 ff.; EGMR, Urteile vom 09.04.2019 - 23887/16 -, vom 20.12.2018 - 18706/16 - und vom 20.11.2018 - 16711/15 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17.05.2021 - 11 S 800/19 -, juris Rn. 175, Beschlüsse vom 11.05.2021 - 11 S 2891/20 -, juris Rn. 45 ff., vom 03.03.2021 - 11 S 2721/20 -, juris Rn. 14, vom 23.11.2020 - 11 S 3717/20 -, juris Rn. 24 f., vom 22.10.2020 - 11 S 1112/20 -, juris Rn. 50, vom 23.06.2020 - 11 S 990/19 -, juris Rn. 31 f., und vom 02.03.2020 - 11 S 2293/18 -, juris Rn. 29 ff.; OVG Bremen, Urteil vom 15.11.2019 - 2 B 243/19 -, juris Rn. 24 f.; vgl. ferner Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, Vor §§ 53-56 AufenthG Rn. 104 ff.; Groß, JZ 2019, S. 327 <329>).
118 
Im vorliegenden Fall ist bereits davon auszugehen, dass keine relevante Entwurzelung des Klägers aus den in der Türkei herrschenden Lebensverhältnissen vorliegt. Der 1962 geborene Kläger hat bis 1989 in der Türkei gelebt und damit seine prägenden Jugendjahre dort verbracht. Zudem ist er im Jahr 2011, wenn auch nur für einige Monate, in die Türkei ausgereist, um sich dort niederzulassen. Der Kläger hat nach eigenen Angaben damals beabsichtigt, gemeinsam mit seiner Familie seinen Lebensmittelpunkt erneut in die Türkei zu verlegen. Damit hat er zu erkennen gegeben, dass gerade keine Distanzierung von den Lebensverhältnissen in der Türkei vorliegt. Außerdem spricht er fließend die türkische Sprache. Umstände, die den Kläger nachhaltig daran hindern könnten, in der Türkei wieder Fuß zu fassen, sind nicht ersichtlich.
119 
Der Schutz des Privatlebens gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK steht einer Ausreise des Klägers folglich nicht entgegen.
120 
Nachdem auch ansonsten keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse vorliegen, ist die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich.
121 
(2) Die Ausreise des Klägers ist auch nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Der Kläger verfügt über einen gültigen türkischen Reisepass. Tatsächliche Hindernisse, die seiner Rückkehr in die Türkei entgegenstehen könnten, der Kläger nicht dargelegt. Das Vorliegen solcher Hindernisse ist auch ansonsten nicht ersichtlich.
122 
3. Da die Sache noch nicht spruchreif ist, war das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Die weitergehende Berufung der Beklagten war zurückzuweisen.
II.
123 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Der Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt und ist damit kein Kostenrisiko eingegangen (§ 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Daher entspricht es nicht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, ihn von seinen eigenen außergerichtlichen Kosten zu entlasten.
III.
124 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
125 
Beschluss vom 23. September 2021
126 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.
127 
Gründe
128 
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 63 Abs. 2 GKG. Die auf das Ziel der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ausgerichtete Verpflichtungsklage ist nach gefestigter Rechtsprechung der für Fragen des Aufenthaltsrechts zuständigen Senate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit dem Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen (vgl. nur VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 20.08.2021 - 11 S 41/20 -, juris Rn. 40, vom 05.03.2021 - 11 S 567/21 -, juris Rn. 7, und vom 19.07.2019 - 11 S 1812/19 -, juris Rn. 5).
129 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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