Urteil vom Landgericht Bonn - 1 O 394/17
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 67.301,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2017 Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges der Marke Y Z Diesel mit der Fahrgestellnummer $$#$$$##$$$$##### zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte spätestens seit dem 03.01.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1.) bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.085,95 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2017 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht im Rahmen des von ihm so benannten „Abgasskandals“ Ansprüche gegen die Beklagte, eine Fahrzeughändlerin, geltend.
3Am 08.06.2016 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen PKW Typ Y Z Diesel zu einem Kaufpreis von 70.549,99 EUR. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um einen Neuwagen ohne Laufleistung zum Zeitpunkt der Übergabe, die ebenfalls am 08.06.2016 erfolgte (vgl. den als Anlage K1 zur Klageschrift vorgelegten Kaufvertrag vom 08.09.2016).
4Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem #,# Liter $# Dieselmotor des Typs GC ### XXX ausgestattet.
5Dem Kläger wurde ferner eine EU-Konformitätsbescheinigung ausgestellt, die angibt, dass das Fahrzeug den Bestimmungen nach Euro 6 entspricht. Hintergrund dessen ist, dass Hersteller von Fahrzeugen nach der VO (EG) Nr.715/2007 („Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge“) nachweisen müssen, dass die von ihnen produzierten (Neu-) Fahrzeuge über eine Typengenehmigung verfügen. Zur Erlangung dieser Typengenehmigung müssen die Fahrzeuge bestimmte, unter Laborbedingungen gemessene, Emissionsgrenzwerte einhalten. Diese Messung wird im sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchgeführt. Bei dem NEFZ handelt es sich um einen gesetzlich vorgegebenen Testlauf, der aus fünf synthetischen Fahrkurven besteht.
6Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.07.2017 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 24.08.2017 zur Nacherfüllung unterschiedlicher Sachmängel auf (vgl. Anlage K 4). Der Kläger argumentierte in dem Schreiben, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von dem von ihm so genannten „Abgasskandal“ betroffen sei und eine Reihe von Sachmängeln aufweise, insbesondere zu hohe Stickoxid- und CO2-Werte emittiere.
7Innerhalb der durch den Kläger gesetzten Frist erfolgte keine Reaktion der Beklagten.
8Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.08.2017 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, den Kaufpreis in Höhe von 70.549,99 EUR bis zum 12.11.2017 an ihn zu zahlen. Er bot der Beklagten ferner im Gegenzug das Fahrzeug zur Abholung an (vgl. Anlage K 4)
9Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.09.2017 (Anlage K 5) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Y an den Fahrzeugen vom Typ des klägerischen Fahrzeugs auf Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) eine Aktualisierung der Motorsoftware vornehme. Dies sei erforderlich, weil Y Unregelmäßigkeiten in der Motorsteuerungssoftware dieser Fahrzeuge im Hinblick auf die Aktivierung des sogenannten Warmlaufmodus‘ festgestellt habe und diese dem KBA gemeldet habe.
10Das Software-Update liege dem KBA zur Prüfung vor und stünde zeitnah zur Verfügung. Die Installation bei dem Kläger sei anschließend schnell und kostenlos möglich; man werde sich mit ihm in Verbindung setzen. Eine Rückabwicklung des Kaufvertrages sei nicht möglich.
11Ein entsprechendes Software-Update wurde durch das KBA am 18.10.2017 freigegeben und kann in Y-Zentren für weniger als 100 EUR in weniger als einer Stunde installiert werden.
12Am 22.01.2018 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) unter der Referenznummer #### einen Rückruf für Fahrzeuge des Typs „Y Z“, Baujahr 2014-2017 an. In dem Rückruf findet sich folgende Beschreibung (vgl. Bl. 121 d. A.): „Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung. Es sind nur Fahrzeuge mit #,#L $# RST Euro 6-Motor betroffen.“
13Die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten errechnet der Kläger bei einem angenommenen Gegenstandswert von 70.549,99 EUR aus einer 2,0 Geschäftsgebühr zuzüglich Pauschale und Umsatzsteuer.
14Zum Zeitpunkt 05.02.2019 wurde ein Km-Stand von 23.022 km mitgeteilt (Bl. 132R d. A.).
15Der Kläger behauptet, sein Fahrzeug sei von dem von ihm so benannten „Abgasskandal“ betroffen. Die in seinem Fahrzeug verbaute Software erkenne, wenn sich das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte und –klasse befinde. Nur durch die von dem Kläger so bezeichnete „Abschaltvorrichtung“ würden auf dem Rollenprüfstand CO2- und Stickoxidwerte erzielt, die sich innerhalb der gesetzlichen Grenzwerte hielten. Setze man die „Abschaltvorrichtung“ über die Betätigung des Servolenkungssensors außer Kraft, würde der Normalmodus des Fahrzeugs in Betrieb gesetzt, in dem sich Fahrzeug auch bei regulärem Betrieb auf der Straße befinde. In diesem Normalmodus würden die gesetzlichen Grenzwerte bei einer Überprüfung auf dem Rollenprüfstand überschritten. Bei Fahrzeugen der vorliegenden Art sei von einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km auszugehen.
16Der Kläger beantragt,
171. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 70.549,99 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2017 Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges der Marke Y Z Diesel mit der Fahrgestellnummer $$#$$$##$$$$##### abzüglich einer noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung zu zahlen;
182. festzustellen, dass sich die Beklagte spätestens seit dem 25.08.2017 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1.) bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet;
193. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 3.196,34 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2017 zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte behauptet, das Fahrzeug sei nicht von dem Kläger sogenannten „Abgasskandal“ betroffen. Aufrufe des KBA hätten sich nur auf ein Update des Warmlauf-Modus bezogen hätten. Das Fahrzeug halte alle relevanten Standards bzgl. Stickoxidemissionen, Kraftstoffverbrauch etc. entsprechend der Euro 6-Typengenehmigung ein, was auch durch das KBA bestätigt worden sei.
23Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einem Nutzungsersatzanspruch in Höhe von – zuletzt – 6.496,81 EUR (vgl. Bl. 132R d. A.; zuvor 3.863,32 EUR, vgl. Bl. 97 d. A.).
24Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 15.06.2018 (Bl. 91 f. d. A.) und 06.02.2019 (Bl. 132 ff. d. A.) verwiesen.
25Entscheidungsgründe:
26I.
27Der Klageantrag zu 3.) war dahin auszulegen (§ 133 BGB), dass der Kläger die Zahlung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung an sich begehrt.
28II.
29Die Klage ist in dieser Form zulässig und zum größten Teil begründet. Nur hinsichtlich der Nebenforderungen ist die Klage zum Teil unbegründet.
301.
31Der Kläger hat gegenüber der Beklagten gemäß §§ 346 Abs. 1, 433, 434, 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 70.549,99 EUR nebst Zinsen seit dem 25.08.2017 Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.248,40 EUR. Denn der Kläger ist von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag wirksam zurückgetreten.
32Der Käufer kann unter anderem dann von einem Kaufvertrag zurücktreten, wenn die gekaufte Sache bei Gefahrübergang mangelhaft war, der Mangel nicht unerheblich ist und er dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat.
33Diese Voraussetzungen liegen vor.
34Das streitgegenständliche Fahrzeug war bei Gefahrübergang mangelhaft i.S.d. § 434 BGB. Nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist der Kaufgegenstand frei von Sachmängeln, wenn er sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, welche bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Die Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs folgt daraus, dass in diesem die Abschaltvorrichtung mit der beschriebenen Funktionsweise verbaut ist.
35Dass das Fahrzeug des Klägers mit einer solchen Abschaltvorrichtung versehen ist, hat der Kläger schlüssig dargetan.
36Er hat dargestellt, dass die Abschaltvorrichtung auf dem NEFZ-Prüfstand über den Servolenkungssensor in Gang gesetzt wird, die Emissionswerte im Prüfmodus den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, das Fahrzeug abseits des Prüfstandes die Stickoxid-Grenzwerte jedoch „reißt“ (vgl. Bl. 120 d. A.). Der Kläger hat dabei in der mündlichen Verhandlung am 15.06.2018, in dem Schriftsatz vom 23.01.2019 und in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2019 insbesondere die Berichterstattung des Nachrichtenmagazins „A“ in Bezug genommen. Das insofern substantiiert in Bezug genommene und aus sich heraus verständlichen Video von „A“ (mit dem Titel „Y Z“ vom ##.##.####) stützt den Vortrag des Klägers. In dem Video ist zu sehen, dass sich das dort geprüfte Fahrzeug vom Typ „Y Z Diesel“ bei dem Start durch den Fahrer in dem sogenannten „X1-Modus“ befindet. Setzt der Fahrer das Fahrzeug in Bewegung, schaltet das Fahrzeug in den sogenannten „X2-Modus“ und verbleibt während der Fahrt in diesem. Bei einer in dem Video vorgenommene Überprüfung des Fahrzeug auf dem Prüfstand des TÜV Nord wurde sodann festgestellt, dass sich das Fahrzeug bei der Durchführung der Prüfung auf dem Prüfstand standardmäßig in dem „X1-Modus“ befindet und in diesem Stickoxid-Emissionswerte von 48.56 mg/km erreicht. Sodann wurde das Fahrzeug im Bereich der Vorderachse bei eingeschalteter Zündung aufgebockt. So würden laut der Berichterstattung Fahrbewegungen simuliert, wie sie auf der Straße vorkommen und das Auto erhalte das Signal, in den sogenannten „Schmutzmodus“ zu wechseln. Bei der anschließenden Überprüfung befand sich das Fahrzeug sodann in dem „X2-Modus“ und erreichte Stickoxid-Emissionswerte von 134 mg/km.
37Der Kläger hat ferner dargestellt, dass die Messungen des TÜV Nord durch das KBA überprüft und bestätigt wurden und es deshalb am 22.01.2018 zu einem Rückruf des KBA zur Referenznummer #### kam (vgl. die Darstellung auf Bl. 121 d. A.), der sich auf das Fahrzeug „Y Z“, Baujahr 2014-2017 bezog und folgende Beschreibung enthielt: „Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung. Es sind nur Fahrzeuge mit #,#L $# RST Euro 6-Motor betroffen“. Der Rückruf vom 22.01.2018 trifft auch auf das Fahrzeug des Klägers zu. Insbesondere handelt es sich bei diesem um ein Modell aus den Baujahren 2014-2017 und einen Euro 6-Motor (vgl. noch anders OLG Köln, Beschluss vom 09.01.2019 – 28 U 36/18; in dem Verfahren handelte es sich um einen Y Z mit #,# Liter-Sechszylinder-Motor, Euro 5).
38Diesen substantiierten Vortrag des Klägers hat die Beklagte nicht – was jedoch erforderlich gewesen wäre – substantiiert bestritten (§ 138 Abs. 2 ZPO), sodass die vom Kläger geschilderten Umstände als unstreitig zu behandeln sind (§ 138 Abs. 3 ZPO).
39Denn der Einwand der Beklagte geht erkennbar an der Darstellung der Abschaltvorrichtung und des Rückrufs durch das KBA am 22.01.2018 vorbei. Der Einwand der Beklagten, dass sich ein Aufruf bzw. Aufrufe des KBA nur auf ein Update des Warmlauf-Modus bezogen hätten, trifft nicht zu. Die Vorgänge zum Warmlauf-Modus lagen zeitlich vor dem klägerseits angeführten KBA-Rückruf. Nach dem Vortrag der Beklagten wurde ein Software-Update durch das KBA im Hinblick auf den Warmlauf-Modus bereits mit Bestätigung vom 18.10.2017 freigegeben (vgl. Bl. 36 d. A.), also etwa drei Monate vor dem Rückruf vom 22.01.2018, der vom Kläger zitiert wurde. Auch spricht der eindeutige Wortlaut des KBA-Rückrufs vom 22.01.2018, der sich auf die „Entfernung der unzulässigen Abschalteinreichung“ bezog, dafür, dass es sich dabei um etwas anderes handelt als um einen Rückruf wegen Problemen an dem (an sich zulässigen) Warmlauf-Modus.
40Diese im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaute Abschaltsoftware ist keine Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache auch erwarten kann. Denn der vernünftige Durchschnittskäufer muss, wenn er ein für den Betrieb im Straßenverkehr vorgesehenes Fahrzeug erwirbt, davon ausgehen, dass das betreffende Fahrzeug entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig ist. Dementsprechend muss er ferner nicht nur davon ausgehen, dass das Fahrzeug die technischen und die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt, sondern er muss auch annehmen, dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch eine Täuschung erwirkt hat (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2017 - 18 U 112/17).
41Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden. Die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs basiert vielmehr darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält (LG Münster, Urteil vom 14.03.2016, Az.: 11 O 341/15; LG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2016, Az.: 16 O 790/16). Auch eignet sich das Fahrzeug nicht zur gewöhnlichen Verwendung. Auch sofern der Kläger derzeit die Möglichkeit hat, das streitgegenständliche Fahrzeug uneingeschränkt nutzen zu können, muss das Fahrzeug umgerüstet werden, um mittelfristig keine Nachteile, wie Probleme bei der Einfahrt in Umweltzonen, steuerlichen Nachteile oder gar den Verlust der allgemeinen Betriebserlaubnis zu erleiden.
42Der Rücktritt des Klägers ist auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz. 2 BGB ausgeschlossen. Die Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung unerheblich i. S. d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13, juris Rn. 16 m. w. N.). Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vermag die Kammer eine Unerheblichkeit des Mangels vorliegend nicht zu erkennen. Zum Zeitpunkt des Rücktritts des Klägers war weder der zeitliche noch der sachliche Aufwand klar, den eine Nachbesserung erfordern würde. Auch in der Zeit nach dem Rücktritt wurde diese Unsicherheit nicht beseitigt. Zwar teilte die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 12.09.2017 mit, dass ein Software-Update dem KBA zur Prüfung vorliege und zeitnah zur Verfügung stünde. Dieses Software-Update bezog sich aber auf das von Y identifizierte Problem des Warmlaufmodus und nicht auf das vom Kläger gerügte Problem der Abschaltvorrichtung. Eine Lösung für das spezielle Problem des Klägers – auch hier etwa in Gestalt eines Software-Updates – wurde diesem durch die Beklagte zu keinem Zeitpunkt in Aussicht gestellt. Mit Rücksicht auf diese ganz erhebliche Ungewissheit kann von einem unerheblichen Sachmangel bei Gefahrübergang mit Blick auf die möglichen Folgen für den Kläger nicht die Rede sein und greift auch keine Vermutung zugunsten der Beklagten ein (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2017 - 18 U 112/17).
43Der Kläger hat auch gem. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1 i. V. m. 323 Abs. 1 BGB Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Diese war in ihrer Laufzeit von über sechs Wochen auch nicht unangemessen kurz. Mag bei der Fristbemessung zu berücksichtigen sein, dass die Beklagte selbst weder für den Sachmangel im Sinne eines Verschuldens verantwortlich war, noch über die für seine Behebung maßgebenden Kenntnisse und Fertigkeiten verfügte, so ist von ausschlaggebender Bedeutung, dass eine Nacherfüllungsfrist nicht so bemessen sein muss, dass der Schuldner das geschuldete Werk erst beginnen und auch vollenden kann, sondern er soll die begonnene Leistung vollenden können (vgl. BGH NJW 1982, 1280; OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2017 - 18 U 112/17). Im Hinblick auf diesen Grundsatz bedurfte es im vorliegenden Fall keiner längeren als der über sechswöchigen Frist. Der Kläger durfte bei der Bemessung der Frist sein eigenes Interesse an einer umgehenden Behebung des Mangels im Hinblick auf die mit einer längeren Frist verbundenen Unsicherheiten sowie mit Rücksicht auf die bis dahin eingeschränkte Veräußerbarkeit des Fahrzeugs zugrunde legen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2017 - 18 U 112/17).
44Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen sind von der Beklagten gemäß § 348 BGB nur Zug um Zug gegen eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.248,40 EUR zu erfüllen. Im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses hat die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der vom Kläger bis zum Tage der Rückgabe gezogenen Nutzungen in Form des Wertersatzes, §§ 346 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
45Zur Berechnung dieser Nutzungsentschädigung hat das Gericht im Rahmen seines insoweit entsprechend § 287 ZPO eingeräumten Ermessens die Gesamtlaufzeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf insgesamt 500.000 km geschätzt. Der Kläger geht von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 500.000 km aus und hat dazu unter Vorlage von Sucherergebnissen der Plattform mobile.de zu vergleichbaren Fahrzeugen substantiiert vorgetragen. Die Beklagte hat diesen Vortrag nicht erheblich bestritten. Dies wäre ihre jedoch ohne weiteres zumutbar gewesen. Als Händlerin für Fahrzeuge der Marke Y verfügt sie über Erfahrungswerte bezüglich der Gesamtlaufleistung, die Fahrzeuge der streitgegenständlichen Art im Regelfall erreichen. Die Kammer hat bei der entsprechenden Anwendung von § 287 ZPO bedacht, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um ein Dieselfahrzeug der Oberklasse handelt, dessen Gesamtlaufzeit regelmäßig höher als die eines Benzinmotors anzusetzen ist. Zudem hat die Kammer berücksichtigt, dass diese Laufleistung bei einer Jahreslaufleistung von 50.000 Kilometer nach zehn Jahren erreicht ist und regelmäßig davon auszugehen ist, dass ein Fahrzeug der streitgegenständlichen Art eine Lebenserwartung von über 10 Jahren haben dürfte. Die Kammer hat ebenfalls bedacht, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung für baukleinere Dieselmotoren (B §# #,# RST) bereits eine Gesamtlaufleistung von 500.000 km angenommen wurde (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2018 – 18 U 134/17).
46Da der Kläger zuletzt vorgetragen hat, das Fahrzeug habe inzwischen eine Laufleistung von 23.022 km und die Beklagte dem nicht entgegen getreten ist, folgt hieraus eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.248,40 EUR für 23.022 km, die der Kläger mit dem Fahrzeug zurückgelegt hat. Zieht man diesen Betrag von dem Kaufpreis in Höhe von 70.549,99 EUR ab, den der Kläger geleistet hat, ergibt sich der zugesprochene Betrag in Höhe von 67.301,59 EUR.
47Darüber hinaus ist der Anspruch des Klägers nicht im Wege der (Hilfs-) Aufrechnung der Beklagten erloschen (§ 389 BGB). Die Beklagte hat nicht dargetan, woraus sich ein Nutzungsersatzanspruch, der über den dargestellten hinausgehen soll, herleitet.
48Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Zinsen auf den zurück zu zahlenden Kaufpreis von 70.549,99 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 346 Abs. 4 BGB. Der Kläger hat der Beklagten mit seiner Rücktrittserklärung bis 24.08.2017 Frist gesetzt, den Betrag zurückzuzahlen, so dass mit dem Tag darauf Verzug eingetreten war.
492.
50Der mit dem Klageantrag zu 2.) geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs steht dem Kläger ebenfalls zu. Das gem. § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse folgt aus §§ 756, 765 ZPO. Die materiellen Voraussetzungen des Annahmeverzugs liegen seit Zustellung der Klageschrift am 02.01.2018 (vgl. Bl. 25R d. A.) vor, §§ 293ff. BGB. Das wörtliche Angebot des Klägers liegt in der auf Zug-um-Zug-Leistung gerichteten Klageerhebung (BGH, Urteil vom 15.11.1996 –V ZR 292/95). Der Kläger hat der Beklagten darin ein hinreichend konkretes wörtliches Angebot zur Zahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen Zug-um-Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs gemacht, §§ 295, 298 BGB.
51Eine frühere wirksame Inverzugsetzung liegt jedoch nicht vor. Im Schreiben von 10.07.2017 hat der Kläger lediglich eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt (Anlage K 4); unter dem 29.03.2017 (Anlage K 5) hat er zwar den Rücktritt erklärt, sich jedoch keinen Nutzungsersatz anrechnen lassen wollen.
523.
53Hinsichtlich des Klageantrags zu 3.) hat der Kläger gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 438 Abs. 2 BGB i. V. m §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
54Nach § 438 Abs. 2 BGB muss der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen tragen. Dabei enthält § 439 Abs. 2 a. E. BGB nur eine bespielhafte Aufzählung der Kosten, die erforderlich sind, was durch das Wort „insbesondere“ zum Ausdruck kommt. Als erforderliche Aufwendungen für die Nacherfüllung kommen daher grundsätzlich auch Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Sachverständigen in Betracht (Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. 2016, § 439 Rn. 3). Die Beauftragung eines Rechtsanwalts war im vorliegenden Fall deshalb erforderlich, weil der Kläger es im Zusammenhang mit dem vorliegenden Sachmangel mit einer für einen Verbraucher nur schwer durchschaubaren Tatsachen- und Rechtslage zu tun hatte. Dies ergibt sich schon daraus, dass für ihn nicht erkennbar sein konnte, ob sein Auto überhaupt mit einem (rechtlich erheblichen) Sachmangel behaftet war.
55Der Höhe nach war der Anspruch allerdings auf 2.085,95 EUR zu beschränken. Dieser Betrag errechnet sich ausgehend von einem Gegenstandswert von 67.301,59 EUR aus einer 1,3-Geschäftsgebühr zuzüglich Pauschale und Umsatzsteuer. Der Berechnung einer höheren als dieser aus § 14 RVG und Nr. 2300, 1008 VV RVG folgenden Regelgebühr bedurfte es zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche zur Auffassung der Kammer nicht. Die eingeklagten Ansprüche machen die Prozessbevollmächtigten des Klägers in einer Vielzahl von Verfahren unter Nutzung entsprechend angefertigter Textbausteine geltend. Bereits dieser Umstand spricht entscheidend dagegen, dass der Kläger eine höhere als die Regelgebühr von der Beklagten ersetzt verlangen kann. Es handelt es sich insoweit nicht um für die außergerichtliche Rechtsverfolgung notwendig gewordene Kosten.
56Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 346 Abs. 4 BGB. Der Kläger hat der Beklagten mit seiner Rücktrittserklärung bis 24.08.2017 Frist gesetzt, den Betrag zurückzuzahlen, so dass mit dem Tag darauf Verzug eingetreten war. Der vom Kläger beantragte frühere Zinsbeginn (31.03.2017) erschließt sich nicht. Der Kläger trägt dazu auch nicht näher vor. Ein gerichtlicher Hinweis war indes nicht erforderlich, da es sich um eine Nebenforderung handelt (§ 138 Abs. 2 S. 1 ZPO).
57II.
58Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
59Streitwert: bis 80.000 EUR
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