Urteil vom Landgericht Hamburg (19. Große Strafkammer) - 619 KLs 15/20

Tenor

Der Angeklagte W. wird

– unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg, Az.: 629 KLs 13/19, vom 17. Dezember 2019 und unter Auflösung der dortigen Gesamtstrafe –

wegen Bestechung in 10 Fällen zu einer

Gesamtfreiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren und 3 (drei Monaten)

verurteilt.

Die Angeklagte H. wird wegen Bestechlichkeit in 9 Fällen zu einer

Gesamtfreiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr und 6 (sechs) Monaten

verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Gegen die Angeklagte H. wird die Einziehung eines Geldbetrages von 500,- Euro angeordnet sowie die Einziehung des Mobiltelefons Samsung (...

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften:

Betreffend den Angeklagten W.: §§ 334 Abs. 1, 53, 55 Abs. 1 StGB

Betreffend die Angeklagte H.: §§ 332 Abs. 1, S. 1, 53, 56, 73, 73c, 74 StGB

Gründe

1

(abgekürzt gemäß § 467 Abs. 4 StPO)

I.

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1. Der nunmehr 65-jährige Angeklagte W. wurde... 1955 in L. geboren. Sein Vater war Sinti, seine Mutter Jüdin. Gemeinsam mit einem jüngeren Bruder wuchs er bei den Eltern auf, die damals in einem Lager lebten.

3

In den von ihm als richtig anerkannten Feststellungen zu seiner Person im Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. Dezember 2019 (Geschäftsnummer 629 KLs 13/19) heißt es:

4

„... Er bezeichnet sich selbst als Zigeuner und als Prinz von S.- H., weil er nach den Regeln seiner Volksgruppe, der Sinti und Roma, in Nachfolge seines Vaters den Platz eines „Zigeunerkönigs“ hätte einnehmen sollen, was ihm jedoch aufgrund seiner strafrechtlichen Vergangenheit mangels „weißer Weste“ nicht möglich sei. Der Angeklagte ist geschieden und war viermal verheiratet. Aus den Beziehungen sind vier inzwischen erwachsene Kinder hervorgegangen.

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Der Angeklagte leidet unter einer Lese- und Schreibschwäche, kann allerdings Zahlen lesen und auch rechnen. Er besuchte die Sonderschule und erhielt auch zeitweilig Unterricht von einem Privatlehrer. Insgesamt hat der Angeklagte nach seinen Angaben lediglich ein Jahr Schulausbildung genossen. Einen Beruf erlernte der Angeklagte nicht. Er arbeitete für einige Zeit bei seinem Vater, der im Antiquitätenhandel tätig war. Von seinem siebten Lebensjahr bis zu seinem 60. Geburtstag betrieb der Angeklagte aktiven Boxsport und boxte unter anderem in der ersten und zweiten Bundesliga. Große Teile seines Lebens verbrachte der Angeklagte im Gefängnis. Dort absolvierte er auch eine Lehre als Gebäudereiniger. Nach seiner Verurteilung im Jahr 2005 durch das Landgericht L. und Verbüßung/Erledigung der dort erkannten sechsjährigen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung bestritt der Angeklagte nach eigenen Angaben seinen Lebensunterhalt als Geldeintreiber und mit der Filmproduktion. Im Jahr 2013 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel „M. M1: ich hab sie alle abgezockt“.

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Ergänzend hat die Kammer festgestellt, dass sein Buch mittlerweile in der dritten Auflage erscheint. Von 2010 bis 2019 betrieb der Angeklagte als Selbstständiger ein Inkassounternehmen. In den Jahren 2013 bis 2015 verdiente er Geld, indem er in Dubai Boxunterricht erteilte. Seit drei Jahren ist der Angeklagte verlobt. Der Angeklagte gibt an, Filmverträge abgeschlossen zu haben, da beabsichtigt sei unter seiner Mitwirkung eine Serie über sein Leben zu drehen.

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Der Angeklagte ist vielfach und wegen verschiedenster Delikte vorbestraft. Er verbrachte schätzungsweise 28 Jahre seines Lebens im Gefängnis. Die Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 2. Februar 2021 weist die folgenden Eintragungen auf:

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- Am 21. Dezember 1971 verhängte das Amtsgericht L. wegen Diebstahls in vier Fällen zehn Tage Jugendarrest.

9

- Am 17. Januar 1973 verurteilte ihn das Amtsgericht L. wegen gemeinschaftlicher unbefugter Ingebrauchnahme eines Kraftfahrzeuges in Tateinheit mit Fahren ohne Führerschein mit einem nichtversicherten Kraftfahrzeug zu einer Freizeit Jugendarrest.

10

- Am 14. Dezember 1973 verurteilte ihn das Amtsgericht L. wegen fortgesetzten Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Tateinheit mit Zollhinterziehung zu sieben Monaten Jugendstrafe mit Bewährung. Die Jugendstrafe wurde erlassen und der Strafmakel beseitigt.

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- Am 16. Dezember 1976 verurteilte ihn das Amtsgericht L. wegen fortgesetzter Förderung der Prostitution in Tateinheit mit fortgesetzter Förderung sexueller Handlungen an Minderjährigen, ferner Diebstahl in zwei Fällen, davon einmal in einem besonders schweren Fall, zu zwei Jahren sechs Monaten Jugendstrafe.

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- Am 21. Juni 1977 verurteilte ihn das Amtsgericht L. wegen gemeinschaftlich versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu drei Jahren Jugendstrafe unter Einbeziehung der Entscheidung vom 16. Dezember 1976. Die Strafvollstreckung ist erledigt seit dem 24. Mai 1984.

13

- Am 4. November 1977 verurteilte ihn das Amtsgericht L. wegen Betruges in fünf Fällen zu neun Monaten Freiheitsstrafe. Der Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach Widerruf dieser Strafaussetzung ist die Strafvollstreckung erledigt seit dem 23. November 1982.

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- Am 11. März 1981 verurteilte ihn das Landgericht L. wegen Vergewaltigung zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

15

- Am 26. Juli 1983 verurteilte ihn das Landgericht L. wegen Betruges unter Einbeziehung der Strafe aus der Entscheidung vom 11. März 1981 zu drei Jahren sechs Monate Freiheitsstrafe. Außerdem wurde in diesem Urteil wegen Betruges in zwölf Fällen sowie Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen Schlagring auf eine weitere Freiheitsstrafe von drei Jahren erkannt. Die Strafvollstreckung ist erledigt seit dem 28. Mai 1998.

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- Am 13. März 1984 verurteilte ihn das Landgericht F. wegen Betruges zu drei Jahren sechs Monaten Freiheitsstrafe. Hierbei wurden einbezogen die Strafen aus dem Urteil vom 26. Juli 1983, die zur Bildung der Gesamtstrafe von drei Jahren geführt hatten. Die Strafvollstreckung ist erledigt seit dem 29. September 1989.

17

- Am 3. März 1989 verurteilte ihn das Landgericht L. wegen versuchten schweren Raubes, Betruges in vier Fällen und Beihilfe zum Betrug zu sieben Jahren sechs Monaten Freiheitsstrafe. Die Strafvollstreckung ist erledigt seit dem 30. November 2000.

18

- Am 14. Januar 1993 verurteilte ihn das Landgericht L. wegen Betruges zu zwei Jahren sechs Monate Freiheitsstrafe und ordnete mit Aussetzung zur Bewährung die Sicherungsverwahrung an. Die Strafe verbüßte der Angeklagte, die Strafvollstreckung ist erledigt seit dem 3. März 2011. Die Aussetzung der Sicherungsverwahrung wurde wegen neuer Straftaten widerrufen. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist erledigt seit dem 1. März 2011.

19

- Am 5. September 1994 verurteilte ihn das Amtsgericht H. wegen uneidlicher Falschaussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu zehn Monaten Freiheitsstrafe. Die Strafvollstreckung ist erledigt seit dem 28. März 1997.

20

- Am 2. November 2005 verurteilte ihn das Landgericht L. wegen Betruges in 15 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe, Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Hehlerei, Hehlerei und Urkundenfälschung in drei Fällen zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Die Strafvollstreckung ist insoweit erledigt seit dem 30. Oktober 2010. Erneut wurde die Sicherungsverwahrung angeordnet. Auch in dieser Sache ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erledigt seit dem 1. März 2011.

21

- Am 7. April 2014 verurteilte ihn das Amtsgericht H. wegen Verstoßes gegen das Markengesetz zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 30 €.

22

- Am 8. September 2014 verurteilte ihn das Amtsgericht H.- S.. G. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40 €.

23

- Am 18. Oktober 2017 verurteilte ihn das Amtsgericht W. (L.) wegen Unterschlagung in zwei Fällen, davon in einem Fall gemeinschaftlich handelnd, zu einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 20 €.

24

- Am 15. Dezember 2017 verurteilte ihn das Amtsgericht P. wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 20 €.

25

- Aus den beiden letztgenannten Verurteilungen bildete das Amtsgericht P. durch Beschluss vom 18. November 2018, rechtskräftig seit dem 27. November 2018, nachträglich eine Gesamtgeldstrafe von 190 Tagessätzen zu je 20 €. Diese Geldstrafe hat der Angeklagte mittlerweile, nachdem zwischenzeitig bereits Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden war, vollständig bezahlt.

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- Die letzte Verurteilung des Angeklagten erfolgte am 17. Dezember 2019. Wegen Betruges in zwei Fällen verurteilte ihn das am Landgericht H. zu drei Jahren sechs Monaten Freiheitsstrafe. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 17. Dezember 2019. Wegen jener Sache befindet sich der Angeklagte seit dem 16. Mai 2019 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Die Strafe ist noch nicht vollständig vollstreckt.

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Dieser Verurteilung lagen folgende Sachverhalte zu Grunde:

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„Tat 1:

29

Der in L. lebende Geschädigte L1 hatte zwischen 2003 bis 2014 verschiedene Investmentanlagen in Höhe von rund 350.000,- € mit hohen Renditevereinbarungen getätigt, die fehlgeschlagen waren. Einschließlich der versprochenen Gewinne errechnete sich der Geschädigte L1 einen Gesamtschaden von weit über 1 Million €.

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Ein Bekannter erzählte den Geschädigten L1, dass ein Mann namens M. W. das Geld „auf seine Weise“ wiederbeschaffen könne. Vermittelt durch den Bekannten des Geschädigten L1 nahm der Angeklagte W. Kontakt zu dem später geschädigten L1 auf. Er bot ihm an, gegen eine Provision in Höhe von 10 % der wieder beschafften Gelder entsprechende „Inkassotätigkeiten“ auszuführen. Darauf ließ sich der Geschädigte L1 mit dem Bemerken, es möge aber keine Gewalt angewendet werden, ein. Tatsächlich hatte der Angeklagte W. nicht die Absicht, irgendeine Tätigkeit zur Beschaffung des Geldes für den Geschädigten L1 zu entfalten, sondern wollte planmäßig möglichst viel Geld von den Geschädigten als Provision und Aufwandsentschädigung für seine angebliche Tätigkeit erlangen, um sich auf diese Weise eine Einnahmequelle einigen Umfangs und einiger Dauer zu verschaffen.

31

Bei dem ersten persönlichen Treffen mit dem Geschädigten L1 am 1. Juni 2018 auf der Autobahnraststätte Bundesautobahn 2 in G. gab der Angeklagte W. vor, dass er über 20 „Männer“ verfüge, die die Gelder für den Geschädigten L1 zurück beschaffen könnten. Hierfür habe der Geschädigte L1 aber vorab ein Entgelt für Reisekosten, Spesen und Aufwandsentschädigung dieser Männer zu entrichten. Der Geschädigte ging hierauf ein und beauftragte den Angeklagten W. mit der Rückbeschaffung von ihm aus seiner Sicht zustehenden Forderungen aus seinen fehlgeschlagenen Anlagegeschäften.

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Insgesamt kam es in der Zeit vom 1. Juni 2018 bis zum 25. Oktober 2018 zu sechs persönlichen Treffen zwischen dem Angeklagten W. und dem Geschädigten L1. In dieser Zeit übertrug der Geschädigte durch Übergabe von Bargeld und Gold sowie Überweisungen einen Vermögenswert von insgesamt 226.300 € als Provision und Aufwandsentschädigung für die vorgetäuschten „Inkassotätigkeiten“ an den Angeklagten W.. Zur vermeintlichen Absicherung schloss der Geschädigte L1 mit dem Angeklagten W. einen „Darlehensvertrag“ über die genannte Summe, wonach der Angeklagte W. den Betrag zurückerstatten sollte, falls er seine Verpflichtung aus dem „Inkassovertrag“ nicht bis zum 31. Dezember 2020 erfüllen sollte. Dabei hatte der Angeklagte W. nicht die Absicht, diesen „Darlehensvertrag“ zu erfüllen.

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Um die Täuschung hinsichtlich seiner – vorgeblich mittlerweile erfolgreichen – Inkassotätigkeit weiter aufrecht zu erhalten und den Geschädigten L1 durch die so veranlasste Täuschung zur Zahlung weiterer Gelder zu veranlassen, bezog der Angeklagte W. ab August 2018 auch den Angeklagten F. mit in seinen Tatplan ein, mit dem er fortan gemeinsam im bewussten und gewollten Zusammenwirken handelte.

34

Hierzu gab sich der Angeklagte F. am 30. und 31. August 2018 bei zwei Treffen im Lokal „D. A.“ in L. gegenüber dem Geschädigten L1 absprachegemäß als Rechtsanwalt Dr. W1 aus Z. aus. Er teilte dem Geschädigten L1 bei diesen Zusammenkünften mit, dass die durch den Angeklagten W. wieder beschafften Gelder aus den Anlagegeschäften des Geschädigten in Höhe von 1,3 Millionen € bei einem Rechtsanwalt N. in Z. verwaltet werden würden und er für die korrekte steuerrechtliche Abwicklung durch den Angeklagten W. einbezogen worden sei.

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Beide Angeklagten täuschten wahrheitswidrig vor, dass es nun allerdings Schwierigkeiten mit der Auszahlung gebe, weil Rechtsanwalt N. plötzlich verstorben sei und sich dessen unter Mordverdacht stehende Lebensgefährtin T. I. mit den 1,3 Millionen € nach Russland abgesetzt habe, wohin der Angeklagte F. in seiner Rolle als Rechtsanwalt Dr. W1 nun – gegen Bezahlung seiner Tätigkeit – reisen müsse, um das Geld für den Geschädigten L1 zu sichern, indem er dort unter anderem auch örtliche Anwälte beauftragt. Infolge dieser Täuschung übergab der Geschädigte L1 am 3. September 2018 in dem Lokal „D. A.“ in L. an den Angeklagten W. 29.000 € in bar und Gold im Wert von 21.000 €, in der irrtümlichen Annahme, dieser werde es an den angeblichen Rechtsanwalt Dr. W1 weiterleiten. Bei einem weiteren Treffen am 21. September 2018 verlangte der „Dr. W1“ weitere 70.000 € für seine Bemühungen in Russland. Der Geschädigte L1 erklärte, dass er allenfalls noch 25.000 € aufbringen könne. Daraufhin gerierte sich der Angeklagte W. scheinbar generös, indem er 45.000 € in 500er Scheinen – vermutlich Falschgeld – an den angeblichen Rechtsanwalt Dr. W1 mit der Erklärung übergab, er sei bereit, dem Geschädigten L1 diesen Betrag als Darlehen zu gewähren. Diese scheinbar generöse Geste veranlasste den Geschädigten L1 dazu, die von ihm noch geforderten restlichen 25.000 € bei seiner Hausbank abzuheben und dem angeblichen Rechtsanwalt Dr. W1 zu übergeben.

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Dem Geschädigten L1 entstand insgesamt ein Schaden von 301.300 €. Der Angeklagte F. erhielt aus der Beute insgesamt 12.000 €. Die übrigen betrogenen Vermögenswerte flossen dem Angeklagten W. zu.

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Tat 2:

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Aufgrund ihres erfolgreichen betrügerischen Vorgehens kamen die Angeklagten W. und F. überein, sich auf die gleiche Weise wie im Fall L1 betrügerisch Gelder zu verschaffen.

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Dem Angeklagten W. war bekannt geworden, dass auch der Geschädigte W2 in der Vergangenheit viele Investitionen in erheblichem Umfang getätigt hatte. Die gesamte Schadenssumme hatte W2 einschließlich der versprochenen Rendite auf rund 2,4 Millionen € berechnet. Auch dem Geschädigten W2 schlug der Angeklagte W. vor, diese Gelder zurückzuholen, ohne die Absicht zu haben, tatsächlich tätig zu werden. Täuschungsbedingt ließ sich der Geschädigte W2 darauf ein. Bei einem Treffen an der Wohnanschrift des Geschädigten im Dr. H.-Weg... in M. am 29. August 2019 einigten sich der Angeklagte W. und der Geschädigte darauf, dass der Angeklagte W. gegen eine Provision von 10 % Geld in Höhe von ca. 2 Millionen € aus den früheren Anlagegeschäften des Geschädigten wiederbeschaffen solle. Als Vorauszahlung auf dessen Provision für die versprochene Inkassotätigkeit übergab der Geschädigte W2 dem Angeklagten W. 10.000 € in bar. In den folgenden Tagen erklärte der Angeklagte W. gegenüber dem Geschädigten W2 telefonisch der Wahrheit zuwider, bereits Kontakt zu den Schuldnern aufgenommen und Druck auf diese Personen ausgeübt zu haben. Gemäß dem gemeinsamen Tatplan rief nun der Angeklagte F. am 8. Februar 2019 den Geschädigten W2 an und gab sich als Rechtsanwalt Dr. W1 aus Z. aus. Mit S.er Akzent behauptete er, der Rechtsanwalt der Schuldner zu sein und erklärte gegenüber W2, seine Mandantschaft sei aufgrund des ausgeübten Drucks bereit, 1,7 Millionen € zu zahlen, wobei zunächst ein Betrag von 800.000-850.000 € und der Rest zehn Tage später auf ein Konto eines Rechtsanwaltes B. aus Deutschland überwiesen werden würde. In weiteren Telefonaten mit dem Geschädigten W2 gab sich der Angeklagte F. – nun ohne S.er Akzent – als Rechtsanwalt B. aus H. aus, um den Geschädigten entsprechend der Täuschung über den angekündigten Geldfluss in Sicherheit zu wiegen. Daraufhin übergab der Geschädigte W2 dem Angeklagten W. am 14. Februar 2019 weitere 60.000 € als Provision, nachdem der Angeklagte W. ihn zuvor am selben Tag wiederum bei einem Treffen an der Wohnanschrift des W2 in M. durch Vorzeigen eines auf seinem Handy gespeicherten totalgefälschten Kontoauszuges davon überzeugt hatte, dass bereits 828.000 € auf einem Anderkonto des fiktiven Rechtsanwaltes B. eingegangen seien und er somit seinen Auftrag bereits teilweise erfüllt habe. Im Anschluss, ab dem 16. Februar 2019, zahlte W2 auf weitere Anforderung des Angeklagten W. als weitere Entlohnung für seine Tätigkeit 15.000 €. Der Geschädigte W2 kam dieser Forderung nach, indem er auf zwei verschiedene von dem Angeklagten W. benannte Auslandskonten jeweils 7500 € überwies, wo das Geld spätestens am 2. März 2019 auch einging.

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Die Angeklagten W. und F., letzterer in seiner Rolle als Rechtsanwalt B., bestellten den Geschädigten sodann zu einer angeblich geplanten Übergabe der gesamten 1,7 Millionen € durch den Rechtsanwalt der Schuldner, den angeblichen Rechtsanwalt Dr. W1, am 14. März 2019 in das Hotel A. in H.. Sie behaupteten dann aber, dieser könne mit dem Geld nicht erscheinen, weil er am Morgen auf dem Weg zum Flughafen einen schweren Verkehrsunfall gehabt habe und nun im Koma liege. Durch wiederholte Hinweise auf den schlechten Gesundheitszustand des Rechtsanwalts Dr. W1 hielten die Angeklagten den Geschädigten über Wochen in dem Irrglauben, dass die Zahlung weiterhin in Aussicht stünde. Schließlich gaben die Angeklagten vor, dass der angebliche Rechtsanwalt Dr. W1 nun aus dem Koma erwacht, jedoch nicht reisefähig sei, weshalb Rechtsanwalt B. nun selbst in die S. fliegen und sich persönlich um das Geld kümmern wolle. Für die Aufwandskosten des Rechtsanwalts B. ließ der Geschädigte W2, dessen finanzielle Mittel inzwischen erschöpft waren, von seiner Tochter weitere 6000 € auf das in Spanien geführte Konto einer Frau E. M. überweisen, bei der es sich um eine Bekannte des Angeklagten F. handelte.

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Dem Zeugen W2 entstand insgesamt ein Schaden von 91.000 €. Der Angeklagte F. erhielt für seine Tätigkeiten von dem Angeklagten W. insgesamt einen Geldbetrag in Höhe von 8000 €. Der übrige Taterlös floss dem Angeklagten W. zu.“

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Zur Strafzumessung hat das Landgericht damals ausgeführt:

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„Strafmildernd hat die Kammer zugunsten des Angeklagten W. berücksichtigt, dass er ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Trotz der guten Beweislage hat dieses Geständnis auch Gewicht, weil es zu einer deutlichen Verfahrensverkürzung beigetragen hat. Den Geschädigten ist dadurch eine – zumal aufgrund der hohen Medienpräsenz – für sie unangenehme Aussage vor der Kammer erspart geblieben. Die Kammer hat auch bedacht, dass dem Angeklagten die Taten aufgrund der Leichtgläubigkeit der Geschädigten sehr leicht gemacht wurden. Die zur Tatbegehung notwendige kriminelle Energie eher gering war, zumal im Fall eins der Geschädigte L1 um die kriminelle Vergangenheit des Angeklagten W. wusste und gleichwohl selber den Kontakt zu ihm suchte. Strafmildernd war auch in Ansatz zu bringen, dass der Angeklagte aufgrund seines Alters besonders haftempfindlich ist.

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Besonders strafschärfend fällt hingegen das negativ ausgeprägte strafrechtliche Vorleben des Angeklagten W. ins Gewicht. Der Angeklagte ist erheblich vorbestraft und hat einen beträchtlichen Teil seines Lebens in Strafhaft und sogar in Sicherungsverwahrung verbracht. Die Taten zeigen eine tief eingeschliffene kriminelle Energie des Angeklagten. Zudem waren die von ihm betrogenen Summen mit insgesamt knapp 400.000 € sehr hoch.“

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2. Die nunmehr 45jährige Angeklagte H. wurde... 1975 in B. geboren, wo sie auch aufwuchs. Nach dem Abitur trat sie in den Polizeidienst ein. Im Jahre 2005 wurde sie schwanger, der Vater wollte mit der Tochter jedoch nichts zu tun haben. Infolgedessen verschlechterte sich die finanzielle Situation der Angeklagten H., die alleinerziehend ein Elternjahr einlegen musste und in dieser Zeit von Leistungen nach SGB II lebte. In dieser Situation suchte sie Trost beim Glücksspiel im Internet, wo sie, auch nachdem sie ihren Dienst wieder angetreten hatte, ihr gesamtes Gehalt verspielte und Schulden anhäufte. Sie nahm Nebenjobs an, konnte aber dennoch im Jahre 2013/2014 ihre Kredite nicht mehr bedienen. Sie wurde erneut schwanger, dieses Mal von ihrem jetzigen Lebensgefährten, verlor das Kind jedoch. In dieser Situation lernte sie auch den Angeklagten W. kennen. Hierzu siehe unten unter Ziffer II. Aus ihrer schwierigen Situation befreite sich die Angeklagte H., indem sie 2014 ihre Situation bei ihrer Dienstherrin offenlegte, ein Privatinsolvenzverfahren durchführte und ihre Spielsucht (zunächst) erfolgreich therapierte. Sie wurde 2015 erneut schwanger von ihrem jetzigen Lebensgefährten. Nach Geburt ihres zweiten Kindes befand sie sich bis Anfang 2018 in Elternzeit. In dieser Zeit und bis zum Bekanntwerden der hiesigen Tatvorwürfe Mitte 2019 verspielte sie wiederum große Geldsummen im Internet, ohne allerdings dadurch neue Schulden anzuhäufen. Sie hatte damals monatlich 4.000,- Euro zur Verfügung, was sich aus Gehalt, Unterhalt und Kindergeld zusammensetzte. Im Zeitraum Anfang 2017 bis Mitte 2019 verspielte sie insgesamt ungefähr 50.000,- Euro. Sie trat ihren Dienst Anfang 2018 wieder an und wurde Anfang 2019 zur Polizeikommissarin befördert.

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Nach Bekanntwerden der hiesigen Vorwürfe Mitte 2019 wurde sie vom Dienst suspendiert und erhielt seither die Hälfte ihrer Bezüge. Diesen Schwebezustand beendete sie im Januar 2021, indem sie ihr Dienstverhältnis kündigte. Sie arbeitet derzeit 15 Stunden wöchentlich in einem Ein-Euro-Laden und hat ab dem 1. Juli 2021 eine Vollzeit-Stelle in einem Handwerksbetrieb als Bürokraft in Aussicht. Sie lebt nach wie vor gemeinsam mit ihrem jetzigen Lebensgefährten, ihrer 12jährigen Tochter und dem gemeinsamen 3jährigen Sohn in B.. Der Lebensgefährte hat Kenntnis vom hiesigen Verfahren und den Tatvorwürfen, kennt aber die Hintergründe betreffend den Angeklagten W. nicht.

47

Die Angeklagte H. ist nicht vorbestraft.

II.

48

Als die Angeklagte H. wie dargestellt ungefähr Anfang 2014 ihre durch Glücksspiel im Internet entstandenen Schulden nicht mehr zahlen konnte, schrieb sie über Facebook ungefähr 50 Personen, vornehmlich Prominente, an. In den Nachrichten stellte sie ihre Situation dar und bat um Hilfe. Als Grund für ihre Schulden gab sie allerdings wahrheitswidrig einen Beziehungsstreit an. Sie selbst sah dies als letzten verzweifelten Versuch nach Unterstützung an und rechnete nicht ernsthaft damit, Hilfe zu erhalten. Der Angeklagte W. glaubte die Geschichte der Angeklagten H. nicht, sagte aber ohne konkreten Plan Hilfe zu, weil er neugierig und belustigt war.

49

Von Anfang an logen die beiden Angeklagten einander also an. Zudem hatten die beiden Angeklagten von vornherein völlig unterschiedliche Einstellungen zu dem Geschehen, das sich entwickelte. Während der Angeklagten H. die ganze Angelegenheit extrem wichtig war und sie etwa das Hilfsangebot des Angeklagten W. als „Glücksmoment“ und letzte Hoffnung beschreibt, nahm der Angeklagte W. von vornherein die Angelegenheit nicht ganz ernst.

50

Die beiden vereinbarten ein Treffen in einem Hotel in B.. Der Angeklagte W. hatte einen Freund mitgebracht, den er der Angeklagten H. als seinen Anwalt vorstellte. Die Angeklagte H. wies durch Uniform und Dienstausweis nach, dass sie tatsächlich Polizeibeamtin war. Während die Angeklagte H., obwohl sie im Internet recherchiert hatte, dass der Angeklagte W. „Diamantenbetrüger“ sei, große Hoffnungen in ihn setzte, dachte der Angeklagte W. sich, er könne ja „das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden“, also Kontakt zu einer Polizeibeamtin halten und dabei Spaß haben. Er bot telefonisch über eine dritte Person der Angeklagten H. 100.000,- Euro für Sex, zahlbar im Nachhinein. Er war nicht gewillt zu zahlen, ging aber auch davon aus, das Angebot könne ohnehin niemand glauben. Die Angeklagte H. lehnte zunächst ab, ließ sich aber später dennoch auf ein entsprechendes Treffen in einem Hotel ein. Sie beschreibt dieses Treffen als „Vergewaltigung mit Zustimmung“, sie habe „so viel Stolz und Würde verloren“. Für den Angeklagten W. war auch dieses Treffen nicht weiter wichtig, er machte in der Folgezeit Ausflüchte, bot zwischendurch 40.000,- Euro als Vergleich, ohne dies ernst zu meinen, und lachte die Angeklagte H. schließlich aus, sie bekomme gar nichts. Zwischenzeitlich hatte der Angeklagte W. auch wiederholt vereinbarte Treffen nicht eingehalten, während die Angeklagte H. stundenlang am Treffpunkt wartete.

51

Nachdem die Angeklagte H. ab einem späteren Zeitpunkt im Jahre 2014 ihr Leben wieder in den Griff bekommen hatte, ebbte der Kontakt ab bis auf ungefähr monatliche Telefonate in den folgenden Jahren. Die Angeklagte H. war aber immer noch beeinflusst von dem Drang, wenigstens teilweise die versprochene Gegenleistung vom Angeklagten W. zu bekommen. Dieser Drang verstärkte sich, nachdem sie wieder begonnen hatte zu spielen. Sie entwickelte die Idee, dem Angeklagten W. Informationen aus ihr zugänglichen polizeilichen Auskunftssystemen zu verkaufen. Sie bot dies dem Angeklagten W. an und schilderte wahrheitswidrig eine in Wirklichkeit nicht bestehende finanzielle Notlage als Grund für ihr Angebot. Sie wollte durch regelmäßige Zahlungen des Angeklagten W. in der Folgezeit einen nicht unerheblichen Teil der „Forderungen“ gegen den Angeklagten W. in Höhe von 100.000,- Euro realisieren. Der Angeklagte W. ging auf das Angebot ein, vereinbart wurde ein Entgelt von 200,- Euro für Anfragen, die der Angeklagte W. in eigener Sache tätigte, bei Anfragen des Angeklagten W. für Dritte sollten 100,- Euro gezahlt werden. Wiederum war die Vereinbarung für die Angeklagte H. sehr wichtig, weil es ihr immer noch um die aus ihrer Sicht vereinbarte Zahlung wegen der Ereignissen im Hotel ging. Der Angeklagte W. hingegen maß der Vereinbarung nur geringe Bedeutung zu. Er nutzte die ihm gebotene Möglichkeit in der Folgezeit hauptsächlich dazu, um aus Bequemlichkeit Informationen in eigener Sache schneller zu erhalten, die er auch durch offizielle Anfragen bei Behörden hätte erhalten können, sowie um mit Informationen oder aber damit, dass er über Polizeikontakte verfügte, Bekannte zu beeindrucken.

52

Entsprechend drängte die Angeklagte H. in der Folgezeit häufig darauf, wieder neue Aufträge vom Angeklagten W. zu bekommen, der die Möglichkeit nur gelegentlich nutzte. Auch hielt er sich kaum an die Zahlungsvereinbarungen und zahlte insgesamt nur 500,- Euro. Die Angeklagte H. drängte hingegen oft auf weitere Zahlungen, der Angeklagte W. seinerseits sagte vereinbarte Treffen immer wieder ab.

53

Die Vereinbarung konnte, nachdem sie bereits in der Zeit davor entwickelt worden war, erst Anfang 2018 in die Tat umgesetzt werden, nachdem die Angeklagte H. nach ihrer Elternzeit wieder im Polizeidienst tätig war.

54

Im Einzelnen kam es zu folgenden Taten:

1.

55

Am 09.02.2018 beauftragte der W. die H. damit, die Person , B. S." in den polizeilichen Auskunftssystemen abzufragen. Hintergrund dieser Anfrage war, dass nach Auffassung des Angeklagten W. seine Lebensgefährtin B. S. aufgrund eines internationalen Umzugs Schwierigkeiten mit der Anerkennung ihres Führerscheins hatte und außerdem jemand eine anonyme Anzeige mit wahrheitswidrigen Anzeigen gegen sie erstattet hatte.

56

Die Angeklagte H. teilte dem Angeklagten W. daraufhin am 13.02.2018 mit, dass sie nachgeschaut habe und auch ein deutscher Führerschein für B. verzeichnet sei, allerdings mit einer abweichenden Schreibweise des Namens und einem anderen Geburtsort.

2.

57

Am 16.02.2018 beauftragte der Angeklagte W. die Angeklagte H. damit, seine eigene Person abzufragen, worauf diese die Person „P. W." am 19. und 20.02.2018 in den polizeilichen Auskunftssystemen überprüfte und dem W. am 20.02.2018 mitteilte, dass „alles sauber" sei. Hintergrund war, dass der Angeklagte W. vor einer Rückkehr aus dem Ausland sicherstellen wollte, dass er bereits alle gegen ihn eventuell bestehenden Bußgelder und/oder Geldstrafen bezahlt hatte, da er sonst peinliche Szenen bis hin zu einer Verhaftung am Flughafen fürchtete.

3.

58

Am 21.02.2018 beauftragte der Angeklagte W. die Angeklagte H. damit, das Geburtsdatum der Person „K.- H. R." zu ermitteln, woraufhin diese die Person am 02.03.2018 in den polizeilichen Auskunftssystemen abfragte und dem Angeklagten W. das Ergebnis ihrer Abfrage telefonisch mitteilte. Am selben Tag forderte die H. den W. dazu auf, sie für die vorangegangenen Abfragen vereinbarungsgemäß zu entlohnen, worauf dieser ihr am 07.03.2018 über das Konto seiner damaligen Lebensgefährtin B. S. 200 Euro überwies. Hintergrund der Tat war, dass der Angeklagte W. seinen Bekannten R., der jedes Jahr an seinem Geburtstag behauptete, 70 Jahre alt zu werden, mit überlegenem Wissen überraschen wollte.

4.

59

Am 14.03.2018 forderte der Angeklagte W. die Angeklagte H. erneut auf, die Person „B. S." abzufragen und ihm mitzuteilen, ob diese ihren Führerschein wieder abholen könne, woraufhin die Angeklagte H. eine entsprechende Abfrage noch am selben Tag vornahm und dem Angeklagten W. das Ergebnis anschließend mitteilte. Hintergrund war derselbe wie bei Fall 1.

5.

60

Am 07.05.2018 beauftragte der Angeklagte W. die H. damit, die Person „M. A. A1" in den polizeilichen Auskunftssystemen abzufragen und ihm mitzuteilen, ob dieser sich in Haft befinde, er brauche dessen Adresse. Die H. nahm eine entsprechende Abfrage am 08.05.2018 vor und teilte dem W. noch am selben Tag mit, dass dieser sich bis zum 25.04.2018 in T. in Untersuchungshaft wegen Betruges befunden habe, eine Entlassungsanschrift aber nicht vermerkt sei. Am 09.05.2018 forderte die H. den W. dazu auf, ihr für ihre Abfragen die vereinbarte Entlohnung zukommen zu lassen, woraufhin der W. am 15.05.2018 und 03.08.2018 Überweisungen von jeweils 100 Euro über das Konto der B. S. veranlasste. Den Hintergrund für diese Tat hat der Angeklagte W. vergessen, er vermutet, dass er nicht in eigener Sache angefragt hat.

6.

61

Am 21.10.2018 beauftragte der Angeklagte W. die Angeklagte H., die Person „T. G." dahingehend zu überprüfen, ob in den polizeilichen Auskunftssystemen diesen betreffend Vermerke existieren und ob dieser ausreisen darf. Am 02.11.2018 recherchierte die H. nach der Person „T. G." unter Verwendung verschiedener Schreibweisen des Namens und teilte ihre Erkenntnisse dem W. mit. Hintergrund dieser Tat war, dass der Angeklagte im Auftrag seines Bekannten G. nachfragte, ohne dass ein konkreter Anlass bestand.

7.

62

Am 17.01.2019 beauftragte der Angeklagte W. die Angeklagte H. damit, seine eigene Person dahingehend zu überprüfen, ob „alles sauber" ist, woraufhin die H. die Person „P. W." am 22.01 .2019 abfragte. Wiederum wollte der Angeklagte W. vor Ein- und Ausreisen offene staatliche Forderungen ermitteln.

8.

63

Am 06.02.2019 bat der Angeklagte W. die Angeklagte H. erneut darum, seine Person abzufragen, da er sich noch in der T. aufhalte und zeitnah wieder zurück nach Deutschland kommen wolle. Die H. fragte daraufhin am 07.02.2019 die Person „P. W." ab. Am 21.03.2019 überwies der W. der H. über das Konto seiner neuen Lebensgefährtin M. l. T. B. 100 Euro. Hintergrund dieser Anfrage war derselbe wie zuvor.

9.

64

Am 22.03.2019 beauftragte der Angeklagte W. die Angeklagte H. damit, zu überprüfen, ob sein Freund „N. de A." über eine Fahrerlaubnis verfügt oder ob eine Sperre vorliegt. Die H. teilte ihm mit, dass sie nichts weiter gefunden habe. Tatsächlich nahm sie eine Abfrage des ihr von dem W. übermittelten bürgerlichen Namens des Musikers, D. G. G1, nicht vor. Hintergrund der Anfrage war, dass der Angeklagte seinen Bekannten G1 beeindrucken wollte.

65

(Diesen Fall hat die Kammer betreffend die Angeklagte H. gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.)

10.

66

Am 23.04.2019 beauftragte der Angeklagte W. die Angeklagte H. damit, die Person „S. S1" dahingehend zu überprüfen, ob diese „sauber" ist und über einen Führerschein verfügt. Diese recherchierte am selben Tag in den polizeilichen Auskunftssystemen und teilte dem W. mit, dass gegen die „S. S1" polizeiliche Vorgänge wegen Betruges existieren würden und sie nicht über einen Führerschein verfüge. Hintergrund war, dass der Angeklagte W. eine Frau kennen gelernt hatte, die ihm „merkwürdig“ vorkam und er wissen wollte, woran er war.

III.

67

Dem Urteil liegt keine Verständigung, § 257c StPO, zu Grunde. Vor Beginn der Hauptverhandlung sind Verständigungsgespräche geführt worden, die nicht zu einem konkreten Ergebnis geführt haben. Die Angeklagten haben sich gleich zu Beginn der Hauptverhandlung vollumfänglich geständig eingelassen.

68

Sie haben sich glaubhaft in eigenen Worten wie festgestellt eingelassen und dabei Fragen beantwortet. Ihre Geständnisse werden durch weitere Beweismittel gestützt, insbesondere ist auf den Mobiltelefonen der Angeklagten Nachrichtenverkehr in Form von Text- und Sprachnachrichten gefunden worden, der die festgestellten Fälle im Detail dokumentiert.

IV.

69

Nach dem festgestellten Sachverhalt haben sich die Angeklagten wie tenoriert strafbar gemacht.

V.

70

1. Die Kammer hat hinsichtlich des Angeklagten W. den Strafrahmen des § 334 Abs. 1, S. 1 StGB zu Grunde gelegt. Einen minder schweren Fall, § 334 Abs. 1, S. 2 StGB, hat die Kammer verneint.

71

Im Einzelnen hat sich die Kammer sich hierbei und bei der Bestimmung der konkreten Einzelstrafen u. a. von folgenden Strafzumessungserwägungen leiten lassen:

72

Erheblich strafmildernd ist das vollumfängliche Geständnis des Angeklagten W. zu berücksichtigen gewesen. Zudem liegen die Taten bereits einige Zeit zurück. Ferner handelte es sich bei den verletzten Dienstpflichten um solche, die noch vergleichsweise wenig die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in diese beeinträchtigen, da es sich bei den erlangten Auskünften um solche handelt, deren Preisgabe vergleichsweise wenig Gefährdungspotential aufweist. Hinzu kommt, dass die Motive des Angeklagten W. nicht in der Schädigung Dritter, sondern vielmehr in Bequemlichkeit und/oder Angeberei lagen.

73

Erheblich strafschärfend sind demgegenüber die zahlreichen und schwerwiegenden Vorstrafen des Angeklagten W. zu berücksichtigen gewesen.

74

Die Kammer hat hiernach in allen Fällen jeweils auf eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten als tat- und schuldangemessen erkannt.

75

Aus diesen Einzelstrafen sowie aus den Einzelstrafen aus der Entscheidung des Landgerichts Hamburg, Az.: 629 KLs 13/19, vom 17. Dezember 2019, ist gemäß den §§ 53, 54, 55 StGB durch angemessene Erhöhung der höchsten verwirkten Einzelstrafe von 3 Jahren eine Gesamtstrafe zu bilden gewesen.

76

Die Kammer hat gemäß den §§ 53, 54 StGB nochmals alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte – auch aus dem Urteil vom 17. Dezember 2019 – gewürdigt und auf eine

77

Gesamtfreiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren und 3 (drei) Monaten

78

als insgesamt tat- und schuldangemessen erkannt.

2.

79

1. Die Kammer hat hinsichtlich der Angeklagten H. den Strafrahmen des § 332 Abs. 1, S. 1 StGB zu Grunde gelegt. Einen minder schweren Fall, § 332 Abs. 1, S. 2 StGB, hat die Kammer ebenso verneint wie – trotz Vorliegens des Regelbeispiels – einen besonders schweren Fall gemäß §§ 335 Abs. 1, Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 3, Alt. 1 StGB.

80

Im Einzelnen hat sich die Kammer sich hierbei und bei der Bestimmung der konkre-ten Einzelstrafen u. a. von folgenden Strafzumessungserwägungen leiten lassen:

81

Erheblich strafmildernd ist das vollumfängliche Geständnis der Angeklagten H. zu berücksichtigen gewesen. Diese hat die Taten aus einer für sie besonderen psychischen Drucksituation heraus begangen, wenngleich ihre objektive Notlage zum Tatzeitpunkt bereits nicht mehr bestand. Ein Motiv finanzieller Art lag zwar vor, war aber nur ein Nebenaspekt eines Motivs, das eigentlich im Wiedergutmachen einer empfundenen Kränkung durch den Mitangeklagten W. bestand. Vor allem hat die Angeklagte H. durch die Taten selbst erheblichen Schaden erlitten, der in dem Verlust der gesamten beruflichen Existenz einschließlich Altersversorgung besteht. Die Taten liegen bereits einige Zeit zurück. Auch handelte es sich bei den verletzten Dienstpflichten um solche, die noch vergleichsweise wenig die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in diese beeinträchtigen, da es sich bei den erlangten Auskünften um solche handelt, deren Preisgabe vergleichsweise wenig Gefährdungspotential aufweist.

82

Strafschärfend ist demgegenüber – mit der oben aufgeführten Einschränkung – das gewerbsmäßige Handeln der Angeklagten H. zu werten gewesen. Zudem hat sie die Pläne zur Begehung der Taten entwickelt, den Angeklagten W. hierfür gewonnen und mehrfach auf die Fortsetzung der Taten gedrängt.

83

Die Kammer hat hiernach auch hinsichtlich der Angeklagten H. in allen Fällen jeweils auf eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten als tat- und schuldangemessen erkannt.

84

Aus diesen Einzelstrafen gemäß den §§ 53, 54 StGB durch angemessene Erhöhung der höchsten verwirkten Einzelstrafe von 9 Monaten eine Gesamtstrafe zu bilden gewesen.

85

Die Kammer hat gemäß den §§ 53, 54 StGB nochmals alle für und gegen die An-geklagte sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte gewürdigt und auf eine

86

Gesamtfreiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr und 6 (sechs) Monaten

87

als insgesamt tat- und schuldangemessen erkannt.

88

Die Vollstreckung der Strafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden, § 56 Abs. 1 und 2 StGB. Die Kammer hat die Erwartung, dass die Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Sie hat sich durch ihr Geständnis von der Tat distanziert, lebt in geordneten sozialen Verhältnissen und ist bislang unbestraft. Besondere Umstände, § 56 Abs. 2 StGB, sieht die Kammer in dem Geständnis der Angeklagten und in dem Umstand, dass sie bislang nicht vorbestraft ist.

VI.

89

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 73, 73c, 74, 465 Abs. 1 StPO.

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