Urteil vom Landgericht Kaiserslautern (1. Zivilkammer) - 1 S 52/08

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 20.03.2008 (2 C 2032/07) abgeändert und neu gefasst wie folgt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.714,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Dezember 2006 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 192,90 Euro zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.714,72 Euro.

Tatbestand

I.

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Von Ausführungen nach Maßgabe des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen (vgl. hierzu auch Musielak, ZPO, 6. Auflage 2008, § 540 Rdz. 9).

Entscheidungsgründe

II.

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Die Berufung ist zulässig und auch in der Sache begründet.

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Die Beklagte, die gemeinsam mit ihrem Ehemann (dem zwischenzeitlich verstorbenen und von ihr allein beerbten vormaligen Beklagten zu 1.) den streitgegenständlichen Kaufvertrag mit der Klägerin geschlossen hat, ist zur Bezahlung der nach Grund und Höhe unstreitigen restlichen Kaufpreisforderung verpflichtet (§ 433 Abs. 2 BGB).

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Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) ist noch nicht eingetreten. Eine Geldschuld, die (wie hier) durch eine Banküberweisung getilgt werden soll, erlischt regelmäßig erst in dem Augenblick, in dem der geschuldete Betrag durch die Empfängerbank dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben wird (so schon BGH, Urteil vom 15.05.1952, Az.: IV ZR 157/51, BGHZ 6, 121). Unstreitig ist eine abweichende Vereinbarung hier nicht getroffen worden. Indessen ist (ebenfalls unstreitig) schon keine Abbuchung von dem Konto der Beklagten bei deren Bank erfolgt. Vielmehr ist der streit-gegenständliche Überweisungsträger der Bank der Beklagten bislang nicht vorgelegt worden.

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Ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) gegenüber der (Rest-)Forderung der Klägerin steht der Beklagten nicht zu. Einen Anspruch darauf, von der Klägerin vor einer (aus dem "Verschwundensein" des streitgegenständlichen Überweisungsträgers resultierenden) Gefährdung ihres (der Beklagten) Vermögens geschützt zu werden, hat die Beklagte nicht. Ihre Befürchtung dass der absprachegemäß ausgehändigte, anschließend indessen (bislang unauffindbar) "verschwundene" (nach der Darstellung der Klägerin mutmaßlich auf dem Postweg zur Bank der Beklagten verloren gegangene) Überweisungsträger trotz einer seither verstrichenen Zeitspanne von mehr als 2 1/2 Jahren wieder "auftauchen", ihrer Bank vorgelegt und zu einer Gutschrift auf dem Konto der Klägerin führen könnte, ohne dass diese (wegen zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz) zu einer Rückerstattung des Betrages in der Lage sein könnte, vermag ein solches Recht nicht zu begründen. Vielmehr obliegt es der Beklagten, selbst zu ihrem bzw. ihres Vermögens Schutz tätig zu werden.

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Den eingetretenen Fall eines "Verschwindens" des erfüllungshalber überlassenen Überweisungsträgers hatten die Parteien bei Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages nicht bedacht. Dies führt dazu, dass eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen und hierbei zu fragen ist, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie den eingetretenen Fall in Betracht gezogen hätten (§ 157 BGB; Palandt, BGB, 67. Auflage, § 157 Rdz. 3 und 7). Deshalb ist davon auszugehen, dass die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts individual-vertraglich ausgeschlossen und es statt dessen der Beklagten auferlegt worden wäre (und ihr deshalb nach wie vor obliegt), zur Wahrung ihrer Vermögensinteressen gegenüber ihrer Bank einen ohne Weiteres möglichen Widerruf des in dem Überweisungsträger verkörperten Angebotes auf Abschluss eines Überweisungsvertrages zu erklären (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein solcher Widerruf (unter Angabe der auf dem Überweisungsträger gemachten und so seine Identifizierung im Fall einer Vorlage ohne Weiteres ermöglichenden Eintragungen) hätte (wie es auch in Fällen einer Kündigung gemäß § 676a Abs. 4 BGB geschieht) zur Veranlassung einer (in der Regel elektronisch, sonst anderweitig platzierbaren) "Buchungssperre" seitens der Bank der Beklagten geführt (bzw. wird zu einer solchen führen). Durch sie wäre die Beklagte bzw. ihr Vermögen hinreichend geschützt gewesen (bzw. wird es sein), während eine Vereinbarung des Inhalts, dass die Klägerin (im nunmehr eingetretenen Fall) eine (restliche) Bezahlung der Stühle nur Zug um Zug gegen eine Rückgabe des Überweisungsträgers (oder die Stellung einer Sicherheit, § 273 Abs. 3 BGB) verlangen könne, gleichbedeutend mit der Festschreibung eines auf unabsehbare Zeit andauernden Forderungsausfalls gewesen wäre.

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Die in Fällen einer Scheckzahlungsabrede ergangene Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa Urteile vom 12. Juli 2000 und 16. April 1996, Az.: VIII ZR 99/99 und XI ZR 222/95, NJW 2000, 3344 und NJW 1996, 1961) steht dieser Sichtweise nicht entgegen. Auch dann, wenn man sie auf Fälle der Begebung eines Überweisungsträgers für prinzipiell übertragbar erachten will, hat der BGH doch lediglich entschieden, dass "zur Vermeidung doppelter Inanspruchnahme aus den Kaufverträgen und aus den Schecks grundsätzlich das Recht" bestehe, "die Bezahlung der Kaufpreisforderungen bis zur Rückgabe der unversehrten, insbesondere unbezahlten Schecks zu verweigern" (BGH, Beschluss vom16. April 1996, Az.: XI ZR 222/95, NJW 1996, 1961). Dies schließt eine abweichende Betrachtung im Einzelfall nicht aus, und eine solche erscheint hier unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und des Umstandes, dass ein Zurückbehaltungsrecht seinem Zweck nach die Durchsetzung einer Forderung grundsätzlich nicht auf unabsehbare Zeit hindern soll, auch geboten.

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Ebenso vermag die Befürchtung der Beklagten, der (Original-)Überweisungsträger könne von einem Dritten als Vorlage zur Fertigung eines weiteren (gefälschten) Überweisungsträgers miss-braucht werden, eine nur nach Maßgabe des § 274 Abs. 1 BGB eingeschränkte Verurteilung nicht zu rechtfertigen. Scheidet ein Zurückbehaltungsrecht unter dem dargelegten Aspekt nicht auch aus anderen Gründen aus, so kommt es jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte gegen das geschilderte Risiko bereits wirksam geschützt ist. Im Überweisungsverkehr trifft grundsätzlich die Bank und nicht den Kunden das Risiko der Fälschung eines Überweisungsträgers. Kommt es aufgrund eines gefälschten Überweisungsträgers zu einer Belastungsbuchung, bewirkt diese keine materiellrechtliche Änderung des Forderungsbestandes im Rahmen des Rechtsverhältnisses zwischen der Bank und ihrem Kunden; vielmehr ist die Bank verpflichtet, die unrichtige Belastungsbuchung zu korrigieren (OLG München, Urteil vom 09. April 2003, Az.: 21 U 5943/01, OLGR 2003, 293; BGH, Urteil vom 31. Mai 1994, Az.: VI ZR 12/94, NJW 1994, 2357). Zwar kann sich das Fälschungsrisiko im Einzelfall verlagern, nämlich etwa dann, wenn der Kontoinhaber die Fälschung wegen Verletzung seiner Sorgfaltspflichten gegenüber dem Kreditinstitut selbst verschuldet hat und deshalb dem Kreditinstitut ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung zusteht (vgl. etwa OLG Koblenz, Urteil vom 09. Dezember 1983, Az.: 2 U 944/82, WM 1984, 206). Doch wäre die Bank im hier vorliegenden Fall nicht berechtigt, der Beklagten einen entsprechenden Vorwurf zu machen. Denn die girovertragliche Pflicht eines Kontoinhabers, die Gefahr der Fälschung eines Überweisungsauftrags soweit wie möglich auszuschalten, begründet grundsätzlich keine Verpflichtung, an dritte Personen (wie hier die Klägerin bzw. ihre Erfüllungsgehilfen) keine Angaben zur Kontoverbindung weiterzugeben; von der Kenntnis Dritter von solchen Informationen geht in aller Regel keine Gefahr für den Zahlungsverkehr aus (BGH, Urteil vom 17. Juli 2001, Az.: XI ZR 325/00, NJW 2001, 2968).

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Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Weiterhin stehen der Klägerin die eingeklagten vorgerichtlichen Anwaltskosten als Verzugsschaden zu.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.

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Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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Der Streitwertfestsetzung liegen die §§ 47 Abs. 1 und 2, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO zugrunde. Das Interesse am Wegfall der Einschränkung einer Verurteilung im Hinblick auf ein Zurückbehaltungsrecht ist (nach oben durch den Wert des Klageanspruchs begrenzt) nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessen (BGH, Beschluss vom 02. Oktober 2007, Az.: III ZR 131/07) und entspricht hier dem Wert der (restlichen) Kaufpreisforderung.

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