Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 7 U 147/20
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 06. Oktober 2020 (Az. 5 O 101/19) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung des vorliegenden und des angefochtenen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf bis 35.000,00 EUR festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Zahlung von Schmerzensgeld i. H. v. 30.000,00 EUR sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle und immaterielle Schäden, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind, wegen angeblicher Amtspflichtverletzungen bei einem Polizeieinsatz in der klägerischen Wohnung am 07.05.2018 in Anspruch.
4An dem besagten Tag erfolgte nach 22:00 Uhr ein Einsatz der Polizei in der Wohnung des Klägers. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich dort neben dem Kläger auch die Zeugin A, deren Kinder und die Tochter des Klägers, die Zeugin B. Im Rahmen der Durchsuchung kam es zur Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger. Der Anlass sowie die weiteren Umstände des Einsatzes sind zwischen den Parteien umstritten. Infolge dieses Vorfalls gab es strafrechtliche Ermittlungen gegen den Kläger, die in eine – noch nicht rechtskräftige – Verurteilung im Verfahren 523 Ds 319/19 AG Köln wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte mündeten.
5Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird im Übrigen auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 105-113 GA).
6Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A, F B sowie C und D E. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme erster Instanz wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2020 (Bl. 67 ff. GA) und 15.09.2020 (Bl. 102 ff GA) verwiesen.
7Mit Urteil vom 06.10.2020 hat das Landgericht sein die Klage abweisendes Versäumnisurteil vom 03.09.2019, Bl. 27 GA, aufrechterhalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe mit der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht beweisen können, dass die am Einsatz beteiligten Beamten ihre Amtspflichten verletzt hätten. Zwar seien unstreitig bei dem Einsatz Rechtsgüter des Klägers beeinträchtigt worden, weil er jedenfalls in Gewahrsam genommen worden sei. Nach der Beweisaufnahme habe die Kammer aber nicht feststellen können, dass die Beamten rechtswidrig handelten. Der Kläger habe den weiteren von ihm behaupteten Geschehensablauf und insbesondere die behaupteten Amtspflichtverletzungen nicht bewiesen. Ein Anspruch aus § 67 PolG NW i. V. m. § 39 OBG NW bestehe auch nicht, da der Kläger den von ihm behaupteten Geschehensablauf nicht bewiesen habe und damit eine rechtswidrige polizeiliche Maßnahme nicht vorliege.
8Mit der von ihm gegen das Urteil eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, bereits das zunächst vom Landgericht erlassene klageabweisende Versäumnisurteil sei zu Unrecht ergangen. Jedenfalls habe der Klage jedoch aufgrund des zulässigen Einspruchs des Klägers unter Aufhebung des Versäumnisurteils stattgegeben werden müssen. Der Kläger ist der Auffassung, das Landgericht habe es unterlassen, die Rechtmäßigkeit der Amtshandlungen eingehend zu prüfen. Zudem habe das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Aufgrund der Tatsache, dass das beklagte Land vorliegend in Grundrechte des Klägers eingegriffen habe, läge die Beweislast bei dem beklagten Land, nämlich dass die Handlungen ihrer Bediensteten vom Gesetz gedeckt gewesen seien. Diese Voraussetzungen seien jedoch vom Landgericht nicht geprüft worden.
9Der Kläger beantragt sinngemäß,
10unter Abänderung des am 06.10.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az. 5 O 101/19 sowie unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 03.09.2019, Az. 5 O 101/19
111. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 30.000,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
122. festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger anlässlich des Vorfalls vom 07.05.2018 noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf den Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen,
133. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i. H. v. 1.564,26 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14Das beklagte Land beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Es verteidigt das angefochtene Urteil aus den seiner Auffassung nach zutreffenden Gründen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Urkunden verwiesen.
18Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G, H, I, J, A, B und E. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 14.10.2021 (Bl. 183 ff. GA) und 10.02.2022 (Bl. 232 ff. GA) verwiesen. Ferner sind die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Köln, Az. 83 Js 272/18, 981 Js 1329/18, und 981 Js 1330/18 sowie die Akten 523 Ds 319/19 AG Köln beigezogen worden und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
19II.
20Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die nur teilweise zulässige Klage ist unbegründet.
211.
22Der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag zu 2) ist bereits unzulässig.
23Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage ist indes unzulässig, wenn es dem Kläger möglich und zumutbar ist, sogleich ein Urteil zu erwirken, aus dem auch vollstreckt werden kann, und wenn so dem Feststellungsinteresse genügt ist (Musielak/Voit/Foerste, 18. Aufl. 2021, ZPO § 256 Rn. 12). In Schadensfällen kommt es entscheidend darauf an, ob der Kläger die Schadenshöhe bereits insgesamt endgültig beziffern kann (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 54).
24Gemessen hieran fehlt dem Kläger das von § 256 Abs. 1 ZPO geforderte besondere Feststellungsinteresse. Er hat nicht dargetan, welche zukünftigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ihm aus dem Handeln der Polizeibeamten vor nahezu vier Jahren noch drohen sollten. Die Schadensentwicklung ist auch unter Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen, sich aus dem Attest ergebenden körperlichen Verletzungen (Bl. 43-44 GA) offensichtlich abgeschlossen, demnach ist sein Schaden bezifferbar. Soweit der Kläger sich auf S. 5 der Klageschrift (Bl. 5 GA) auf psychische Beeinträchtigungen stützt, ist dieses Vorbringen pauschal und mit keinerlei Tatsachenvortrag untermauert. Da der Feststellungsantrag mangels einer Haftung des beklagten Landes dem Grunde nach (s.u.) auch in der Sache keinen Erfolgt gehabt hätte, musste der Senat den Kläger auf seine Unzulässigkeit nicht gemäß § 139 ZPO hinweisen.
25Der teilweisen Abweisung als unzulässig in der Berufungsinstanz steht schließlich auch § 528 ZPO nicht entgegen. Das Berufungsgericht kann trotz der unterschiedlichen Rechtskraftwirkung eine in erster Instanz als unbegründet abgewiesen Klage als unzulässig abweisen und umgekehrt (Musielak/Voit/Ball, 18. Aufl. 2021, ZPO § 528 Rn. 18).
262.
27Die im Übrigen zulässige Klage ist insgesamt unbegründet. Im Ergebnis richtig hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen das beklagte Land auf Zahlung von Schmerzensgeld zu. Es besteht weder ein Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG, noch aus § 67 PolG NW i. V. m. § 39 OBG NW, noch aus § 831 bzw. §§ 823, 31, 89 BGB. Das Handeln der Polizeibeamten war von den Bestimmungen des Polizeirechts, nämlich §§ 41 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, 50 Abs. 1, 55 Abs. 1, 57 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 3, i. V. m. § 62 S. 1 Nr. 1, 61 Abs. 1 S. 2, 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NW gedeckt und somit rechtmäßig. Insbesondere haben die Polizeibeamten bei keiner der Einzelmaßnahmen und somit auch nicht bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen das Übermaßverbot verstoßen.
28a.
29aa.
30Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Auffassung des Landgerichts, die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtswidrigkeit des Handelns der Polizeibeamten obliege dem Kläger. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen.
31Grundsätzlich findet für den Amtshaftungsprozess die allgemeine Beweislastregel Anwendung, wonach den Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die rechtsbegründenden und den Anspruchsgegner diejenige für die rechtsvernichtenden, rechtshindernden oder rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale trifft (NK-BGB/Hans Steege/Christof Muthers, 4. Aufl. 2021, BGB § 839 Rn. 392).
32Anderes gilt allerdings bei einem Eingriff in die Schutzgüter des Art. 2 und des Art. 14 GG durch die handelnden Beamten. Da die nach dem allgemeinen Deliktsrecht (§§ 823 ff.) bestehenden Eingriffsverbote auch bei Ausübung öffentlicher Gewalt gelten, begründet jeder Eingriff in die vorgenannten Schutzgüter eine Amtspflichtverletzung, es sei denn, spezifisch verwaltungsrechtliche Rechtfertigungsnormen, wie etwa die Vorschriften über die Verwaltungsvollstreckung und über den unmittelbaren Zwang, stehen den Beamten zur Seite. In diesen Fällen trägt die beklagte Körperschaft die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Ausschlusses der Widerrechtlichkeit durch Notstandstatbestand oder Sonderrecht (Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, Teil C. Das Besondere Verwaltungsrecht in der anwaltlichen Praxis § 18 Das Mandat im Staatshaftungsrecht Rn. 141, beck-online; MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 255).
33Vorliegend haben die Polizeibeamten jedenfalls in die Schutzgüter des Klägers gemäß Art. 2 GG eingegriffen. Die Parteien haben übereinstimmend vorgetragen, dass die Polizeibeamten am 07.05.2018 die Wohnung des Klägers gegen dessen Willen durchsucht haben und die Beamten den Kläger aufforderten, ihnen Zutritt zu den weiteren Räumen nach dem Flur zu gewähren. Im Rahmen dieses Einsatzes haben die Polizeibeamten den Kläger unstreitig mit Körpereinsatz gegen die Wand des Wohnungsflures gedrückt, ihn dort fixiert, ihm anschließend den Einsatz von Pfefferspray angedroht (Klageerwiderung Bl. 22 GA), ihn sodann durch den Flur der Wohnung in das Wohnzimmer gedrängt, anschließend zu Boden gebracht und dort unter Einsatz von Körperkraft gegen seinen Willen fixiert sowie ihm Handfesseln angelegt. Ferner wurde der Kläger in Gewahrsam genommen und in das Polizeipräsidium nach K verbracht. Schließlich wurde dort ein Alkoholtest ohne Genehmigung des Klägers durchgeführt.
34Aufgrund dieser unstreitigen Eingriffe in die freie Willensbestimmung des Klägers war folglich das beklagte Land für eine Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe darlegungs- und beweisbelastet, nämlich für den Umstand, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchsuchung gemäß § 41 PolG NW, die Anwendung unmittelbaren Zwangs gemäß §§ 55 ff. PolG NW und die anschließende Ingewahrsamnahme nach § 35 PolG NW erfüllt waren.
35Gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 4 PolG NW kann die Polizei eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist. Während der Nachtzeit ist das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung nur in den Fällen des – hier nicht weiter zu untersuchenden – Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 und des Nr. 4 zulässig. Gefahr meint einen Zustand, bei dem geschützten Rechtsgütern der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung belastende Folgen drohen (BeckOK PolR NRW/Worms/Gusy, 20. Ed. 1.12.2021, PolG NRW § 8 Rn. 98). Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn eine Beeinträchtigung der geschützten Schutzgüter unmittelbar bevorsteht oder bereits begonnen hat. Die Gefahrenlage ist aus ex-ante Sicht zu beurteilen, sodass eine sog. Anscheinsgefahr ausreichend ist. Eine Anscheinsgefahr liegt vor, wenn der handelnde Beamte aus der ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefahr ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (BeckOK PolR NRW/Worms/Gusy, 20. Ed. 1.12.2021, PolG NRW § 8 Rn. 102).
36§ 41 ermächtigt unter den vorstehenden Voraussetzungen außer zum Betreten und Durchsuchen auch zum Erlass notwendiger Begleitverfügungen. Das sind Maßnahmen, um die ordnungsgemäße Durchführung der Maßnahme sicherzustellen, z. B. die Verfügung an den Wohnungsinhaber die Haustür zu öffnen (BeckOK PolR NRW/Braun, 20. Ed. 1.12.2021, PolG NRW § 41 Rn. 45). Eine solche Begleitverfügung steht hier in Frage, wie sie in der Aufforderung der Beamten an den Kläger zu erblicken ist, die Wohnungstür zu öffnen.
37Nach der in der zweiten Instanz wiederholten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass die Polizeibeamten aufgrund des Anrufs eines Melders tätig wurden und hinreichend Anlass zur Annahme hatten, in der Wohnung des Klägers befänden sich Personen in Gefahr. § 286 ZPO verlangt dabei zur Überzeugungsbildung ein Maß an persönlicher Gewissheit, welches Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 286 ZPO, Rn. 17 ff.).
38Die Überzeugung des Senats stützt sich auf die Aussagen der Zeugen G und H. Diese haben übereinstimmend bekundet, sie hätten über die Einsatzzentrale die Meldung bekommen, aus der klägerischen Wohnung sei lautes Geschrei und Möbelrücken zu hören gewesen. Insbesondere lautete die Ansage, eine weibliche Stimme habe „Papa hör auf“ gerufen. Dabei bekundete der Zeuge G, den Melder angetroffen zu haben, der nach seinem Eindruck in dem Haus lebte. Als die Beamten vor der Tür gestanden hätten, seien für ihn Weingeräusche wahrnehmbar gewesen (Bl. 186 GA). Die Zeugin H konnte sich zwar nicht konkret an einen Melder erinnern. Sie hat allerdings bekundet, damals vor Ort gewusst zu haben, um welche Wohnungstür es sich gehandelt habe, was nur dadurch erklärlich ist, dass entsprechende Angaben vorlagen. Sie hat ferner ebenfalls bestätigt, dass sie damals vor der Tür ein Schluchzen mit einer helleren Stimme gehört habe, wobei sie gemutmaßt habe, es handele sich aus diesem Grunde um ein Kind oder eine Frau (Bl. 188 GA).
39Der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Die Zeugen geben das Geschehen nachvollziehbar wieder, wobei angesichts des lange zurückliegenden Einsatzes bei beiden typische Erinnerungslücken eingetreten sind. Die Angaben der Zeugen zu dem im Zeitpunkt ihres Einsatzes aus der Wohnung dringenden Lärm fügen sich zudem zu der eigenen Einlassung des Klägers insoweit, als dieser selbst vorgetragen hat, er habe an diesem Abend gegen 23.00 h die Küche renoviert.
40Auch die selbst in der Wohnung befindliche Zeugin A hat zu der Situation in der Wohnung vor dem Einsatz bekundet, es sei vor dem Polizeieinsatz laut gewesen aufgrund einer Küchenreparatur (Bl. 237 GA). Die Familie habe wie immer laut gesprochen, die Familie sei, insbesondere wenn die Kinder dabei seien, von Natur aus laut. Sie konnte zwar nicht mehr sagen, ob die Zeugin F B, die während des Einsatzes nach Aussage der Zeugin A hysterisch reagierte, auch bereits vor dem Einsatz hysterisch geweint habe, schloss das jedoch auch nicht aus (Bl. 238 GA), sondern bestätigte auf Vorhalt ausdrücklich, dass die Zeugin F B durchaus vor dem Einsatz die Worte „ Papa hör auf“ gesagt haben könnte. Entsprechendes bekundete auch der Zeuge C E, auch wenn dieser meinte, die Zeugin könne dies aus Spaß zu ihrem Vater gesagt haben.
41Dem steht die Aussage der Zeugin F B nicht entgegen. Diese hat zwar bekundet, sie habe unmittelbar vor dem Polizeieinsatz im Wohnzimmer geschlafen und sei erst wach geworden, als es Krach im Flur gegeben habe, dann seien 2 Polizisten da gewesen. Auch die Zeugin B hat jedoch bestätigt, dass ihr Vater, der Kläger, zum maßgeblichen Zeitpunkt die Küche renoviert habe. Dass die Zeugin die Arbeiten ihres Vaters nicht als laut empfand und weitergeschlafen haben will, bedeutet nicht, dass tatsächlich kein Lärm aus der Wohnung drang. Zum einen hat die Zeugin nach eigener Bekundung unmittelbar zuvor geschlafen, was in Anbetracht des kindlichen Alters der Zeugin zum Vorfallszeitpunkt (8-9 Jahre) auch bei erheblichem Lärm denkbar erscheint. Zum anderen geht der Senat nach den Bekundungen der Zeugin A davon aus, dass die Zeugin B ebenso wie die Zeugin A einen nach den Bekundungen der Zeugin A stets lauten Umgang miteinander in der Familie als normal empfindet und deshalb die Geräuschkulisse als normal und nicht als laut bzw. Lärm empfand. Schließlich untermauern die Bekundungen der Zeugin A auch die von den Zeugen G und H beschriebenen Einsatzumstände insofern, als die Zeugin A wiederholte vorherige nachbarliche Beschwerden wegen Lärms in der Wohnung einräumt. Es habe in der klägerischen Wohnung mehrere Polizeieinsätze deshalb gegeben.
42Gestützt werden die Aussagen der Zeugen G und H zudem durch die vorherigen Angaben im Einsatzberichtes des Zeugen G, enthalten in den beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft, Az.: 981 Js 1329/18 und 1330/18. Die inhaltliche Richtigkeit der Ermittlungsakten unterlag der freien Beweiswürdigung des Senats gemäß § 286 Abs. 1 ZPO (Musielak/Voit/Huber, 18. Aufl. 2021, ZPO § 415 Rn. 10). In der mündlichen Verhandlung wiederholten die Zeugen G und H konsistent die dort gemachten Angaben, ohne dass sich Widersprüche ergaben.
43Die Aussagen der Zeugen B und E konnten die Überzeugungsbildung des Senats nicht erschüttern. Diese waren im Wesentlichen unergiebig. Die Zeugin B habe vor dem Einsatz geschlafen und nichts mitbekommen. Der Zeuge E habe ebenfalls geschlafen und habe nichts von dem Geschehen außerhalb seines Zimmers wahrgenommen. Entgegen der Auffassung des Klägers (Bl. 141 GA) ist diesen Aussagen nicht im Umkehrschluss zu entnehmen, vor dem Einsatz könne es in der klägerischen Wohnung nicht laut gewesen sein, anderenfalls hätten die Zeugen nicht schlafen können. Diese Schlussfolgerung ist, wie bereits ausgeführt, in Anbetracht des damaligen kindlichen Alters der Zeugen (8-9 und 9-10 Jahre) und vor allem vor dem Hintergrund des eigenen Vortrags des Klägers, er habe um 23.00 h abends noch die Küche renoviert, nicht überzeugend.
44Die vorgenannten Umstände begründeten jedenfalls eine gegenwärtige Anscheinsgefahr. Die Beamten durften aufgrund der Meldung und der aus der Wohnung vernehmbaren Geräusche (erheblicher Lärm, Möbelrücken) gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 PolG NW annehmen, in der Wohnung sei Leib oder Leben von Personen –möglicherweise eines Kindes – bedroht. Dabei ist nicht entscheidend, ob eine Person tatsächlich in der Wohnung schluchzte oder weinte oder der Satz „Papa, hör auf“, so geäußert wurde. Jedenfalls wurde den Einsatzkräften dies so vermittelt, weswegen sie im Zusammenwirken mit dem nach der Überzeugung des Senats herrschenden Lärm dazu berechtigt waren, anzunehmen, dass Gefahr für Leib und Leben einer Person bestehen könnte.
45Schließlich waren die formellen Voraussetzungen für die Durchsuchung gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 PolG NW erfüllt. Eine richterliche Anordnung war ausnahmsweise nicht erforderlich, weil aus ex-ante Sicht der Beamten eine Gefahr in Verzug vorlag. Gefahr im Verzug liegt vor, wenn der Erfolg der Durchsuchung durch die vorherige Einholung der richterlichen Durchsuchungsanordnung gefährdet würde (BeckOK PolR NRW/Braun, 20. Ed. 1.12.2021, PolG NRW § 42 Rn. 5). In Anbetracht der nächtlichen Uhrzeit und des gemeldeten Kindergeschreis war es den Beamten im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr nicht zumutbar, eine richterliche Durchsuchungsanordnung abzuwarten. Möglicherweise standen erhebliche Individualgüter auf dem Spiel. Des Weiteren haben die Beamten unstreitig in Gemäßheit des § 42 Abs. 3 PolG NW gegenüber dem Kläger angegeben, sie müssten aufgrund der gemeldeten Streitgeräusche die Wohnung betreten und sich umschauen, ob alles in Ordnung sei.
46Die Beamten waren ferner zur Anwendung unmittelbaren Zwangs berechtigt, §§ 50 ff. PolG NW. Gemäß § 50 Abs. 1 PolG NW setzt unmittelbarer Zwang einen auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichteten Verwaltungsakt voraus, wenn er unanfechtbar geworden ist oder wenn Rechtsmittel hiergegen keine aufschiebende Wirkung haben. Unmittelbaren Zwang darf die Polizei erst anwenden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind, § 55 Abs. 1 S. 1 PolG NW.
47Es ist unstreitig, dass die Beamten den Kläger aufgefordert haben, ihnen Zugang zur Wohnung zu gewähren. Rechtlich stellte diese Aufforderung einen gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbaren Verwaltungsakt dar. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht des Weiteren zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass der Kläger in seiner Wohnung Widerstand gegen die Polizeibeamten leistete, indem er ihnen den Zutritt verweigerte und anschließend versuchte, die Beamten wegzuschieben, womit auch die weiteren Voraussetzungen der §§ 55 ff. PolG NW erfüllt waren.
48Der Zeuge G hat insoweit bekundet, der Kläger habe die Tür nur einen Spalt geöffnet und sodann versucht, die Tür zu schließen. Als die Beamten den Fuß dazwischen gestellt hätten, habe der Kläger sie körperlich herausgeschoben. Die Zeugin H hat dazu übereinstimmend erklärt, der Kläger habe die Beamten berührt, um sie aus der Wohnung zu drängen. Daraufhin sei ein Tumult mit körperlichen Auseinandersetzungen entstanden (Bl. 185 ff. GA). Diese Angaben bekräftigen die Aussagen der zum Einsatzort hinzugezogenen Zeugen I und J. Der Zeuge I hat angegeben, beim Eintreffen vor der Wohnung eine Rangelei gesehen zu haben. Der Kläger habe sich heftig gewehrt und es sei schwierig für die Beamten gewesen, ihn zu fixieren. Soweit die Aussage des Zeugen J ergiebig war, – er war nämlich überwiegend in Auseinandersetzung mit der Zeugin A beschäftigt – bestätigte er den geschilderten chaotischen Zustand. Er habe zunächst einem geworfenen Tisch ausweichen müssen und dann wahrgenommen, wie der Kläger sich gegenüber den Kollegen gewehrt habe.
49Die vorstehenden Aussagen waren in sich schlüssig und gut nachvollziehbar, auch wenn teilweise mit – zu erwartenden – Erinnerungslücken behaftet. Die Zeugen G und H haben beide die Haltung des Klägers als aggressiv und abwehrend beschrieben. Die Zeugen I und J haben jeweils mehrere Details vom Randgeschehen wiedergegeben, wie etwa die Meldung ihrer Kollegen, die Dringlichkeit des Einsatzes, die Fahrt mit Blaulicht und den an jenem Abend vorausgegangenen Einsatz. Belastungstendenzen gegenüber dem Kläger waren nicht erkennbar. Die Zeugen blieben in ihren Schilderungen sachlich.
50Diesen Aussagen steht die Aussage der Zeugin A nicht maßgeblich entgegen, wonach es keine körperlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und dem Beamten gegeben habe, sondern es nur verbal und aggressiv war. Denn die Zeugin A konnte ihrem eigenen Bekunden nach das Geschehen im Flur nicht die ganze Zeit verfolgen, da sie erst später dazu gekommen war. Jedenfalls die aggressive Grundhaltung des Klägers und dessen Weigerung, den Beamten Zutritt zu gewähren, hat auch die Zeugin A bestätigt. Sie hat insoweit ausgesagt, der Kläger habe die Beamten überhaupt nicht reingelassen und zu ihnen feindlich gesprochen (Bl. 238 GA). Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Verhältnis der Zeugin zu dem Kläger sich ersichtlich verschlechtert hat, was sich aus ihren direkt an den Kläger gerichteten Vorwürfen im Rahmen der Beweisaufnahme ergab, er habe das Verfahren eskalieren lassen (Bl. 237 GA).
51Der Beweiswert der Aussagen der Zeugen G, H, I und J wird auch nicht durch die hierzu im Wesentlichen unergiebigen Aussagen der Zeugen B und E in Frage gestellt. Die Zeugin B hat lediglich die Fixierung des Klägers an die Wand und das Anlegen der Handschellen geschildert. Obwohl die Zeugin sich zunächst in denselben Zimmern wie die Zeugen G und H und der Kläger befand, wiederholte sie auf Nachfragen lediglich in standardisierter Weise, sie habe „das nicht mitbekommen“ bzw. „das nicht gesehen“, „daran keine Erinnerung“ oder wisse „das nicht“ (Bl. 240 GA). Ihrer Aussage lassen sich dementsprechend keine Anhaltspunkte für das Verhalten des Klägers entnehmen. Die Aussage des Zeugen E war auch unergiebig. Er konnte nichts zu den Einsatzumständen und dem Verhalten des Klägers sagen.
52In Anbetracht dieser Umstände war der Einsatz anderer Zwangsmittel nicht gleich erfolgversprechend bzw. zweckmäßig, § 55 PolG NW. Insbesondere war § 61 Abs. 1 S. 2 PolG NW einschlägig. Nach dieser Vorschrift kann von einer Androhung des unmittelbaren Zwangs abgesehen werden, wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Durch das aggressive Verhalten des Klägers bestand aus ex-ante Sicht der Beamten jedenfalls eine gegenwärtige (Anscheins)Gefahr für die geschriebene Rechtsordnung, nämlich dass der Kläger körperliche Gewalt gegenüber dritten, in der Wohnung anwesenden Personen ausüben und sich damit der Körperverletzung i.S.d § 223 StGB schuldig machen würde.
53Auch das Anlegen von Handschellen (Bl. 187 GA) war von § 58 Abs. 3 i. V. m. § 62 S. 1 Nr. 1 PolG NW gedeckt. Hiernach sind Hilfsmittel der körperlichen Gewalt wie Fesseln bei der Anwendung von unmittelbarem Zwang unter Beachtung des § 62 S. 1 Nr. 1 PolG NW zulässig (BeckOK PolR NRW/Thiel, 20. Ed. 1.12.2021, PolG NRW § 58 Rn. 8). § 62 S. 1 Nr. 1 Var. 1 und Var. 2 PolG NW ermöglicht das Fesseln einer Person, die festgehalten wird, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Polizeivollzugsbeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen von nicht geringem Wert beschädigen wird. Die „Fesselung“ nach § 62 dient dazu, eine Person zu fixieren, derer man bereits habhaft geworden ist, die jedoch aus tatsächlichen Gründen nicht ohne eine solche Fixierung weiter behandelt, etwa zur Wache verbracht werden kann (BeckOK PolR NRW/Thiel, 20. Ed. 1.12.2021, PolG NRW § 62 Rn. 22). Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt, insbesondere waren die Beamten aufgrund des bereits durch den Kläger geleisteten Widerstandes zur Annahme berechtigt, dieser würde weiterhin Widerstand gegen sie leisten. Auch war der Kläger unstreitig bereits auf den Boden gebracht und damit festgehalten worden, als ihm die Fessel angelegt worden sind.
54Zuletzt begegnet die Ingewahrsamnahme des Klägers keine rechtlichen Bedenken. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NW kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Dabei bezieht sich das Merkmal „erhebliche Bedeutung“ nur auf die Ordnungswidrigkeiten (BeckOK PolR NRW/Basteck, 20. Ed. 1.12.2021, PolG NRW § 35 Rn. 44). Aufgrund des heftigen Widerstands des Klägers (s.o.) bestand aus Sicht der Beamten die konkrete Gefahr einer Begehung bzw. Fortsetzung einer Straftat nach § 223 StGB.
55bb.
56Insoweit, als der Kläger die Unverhältnismäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen rügt (S. 6 der Berufungsbegründung, Bl. 143 GA), ist hingegen dieser darlegungs- und beweisbelastet. Ist die Polizei dem Grunde nach zur Ausübung unmittelbaren Zwangs in einer konkreten Einsatzsituation berechtigt und wird dadurch der Betroffene verletzt, so muss dieser beweisen, dass die Polizei bei der Anwendung des unmittelbaren Zwangs amtspflichtwidrig das von ihr unabhängig von §§ 57 ff. PolG NW zu beachtende Übermaßverbot verletzt hat. (OLG Schleswig Urt. v. 11.11.2021 – 11 U 29/20, BeckRS 2021, 34373, Rn. 24, beck-online; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 1995 – 11 U 118/94 –, Rn. 38 ff., juris). Dies gilt nicht nur in den Fällen, in denen die Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs unstreitig feststeht, sondern richtigerweise auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die beklagte öffentlich- rechtliche Körperschaft die Tatsachen bewiesen hat, aus denen sich ihre Eingriffsbefugnis in deliktisch geschützte Rechtsgüter ergibt. Selbst wenn man nämlich dem Grundsatz, wonach der Geschädigte das Vorliegen einer schuldhaften Amtspflichtverletzung darzulegen und zu beweisen hat, dort nur eingeschränkte Gültigkeit zuspricht, wo es um deliktische Eingriffe geht, kann gerade wegen des Ausnahmecharakters dieser für sie ungünstigen Beweislastverteilung die öffentlich- rechtliche Körperschaft nicht schlechter gestellt werden, als derjenige, der sich auf das Vorliegen der in § 227 BGB niedergelegten privatrechtlichen "Eingriffsbefugnis" beruft. Hier wie dort geht es um die Frage, ob eine grundsätzlich gerechtfertigte Handlung wegen besonderer Umstände des Einzelfalles sich als "übermäßig" darstellt (so auch OLG Hamm, Urteil vom 29. September 1995 – 11 U 118/94 –, Rn. 40, juris). Diesen ihm obliegenden Beweis konnte der Kläger indes nicht erbringen.
57Nach der Beweisaufnahme ist der Senat nicht davon überzeugt, die Polizeibeamten hätten sich bei der Fixierung des Klägers ohne durch dessen körperlichen Widerstand gerechtfertigten Grund derart massiv auf dessen Brustkorb gekniet, dass der Kläger keine Luft mehr bekam und ihn anschließend ins Gesicht geschlagen. Weder die Zeugin A, noch die Zeugen B und E konnten die von der Beklagtenseite bestrittenen Behauptungen des Klägers diesbezüglich bestätigen. Die Aussage der Zeugin A war insofern unergiebig. Sie gab an, keine Verletzungen an anderen Personen gesehen zu haben. Konkrete Details zu der Art und Weise der Fixierung des Klägers konnte sie nicht wiedergeben. Auch die Aussage der Zeugin B war unergiebig. Sie hat insofern nur bekundet, die Beamten hätten den Kläger an die Wand gedrückt, fixiert und auf den Boden geschmissen. Diese Schilderung bestätigt jedoch nur den unstreitigen Sachverhalt. Konkrete Verhaltensweisen der Beamten, die den Vortrag des Klägers untersetzen, enthält sie nicht. Auch konnte sie zu etwaigen Verletzungen ihres Vaters nichts vortragen. Ebenfalls unergiebig war die Aussage des Zeugen E, der die Situation im Wohnzimmer gar nicht mitbekommen hatte. Auch sonst sind keine Tatsachen ersichtlich, die die Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes begründen. Angesichts des erheblichen Widerstands des Klägers waren die Fixierung und die Fesselung auf dem Boden insbesondere erforderlich und angemessen.
58Zuletzt konnte das vom Kläger vorgelegte ärztliche Attest seinen Vortrag nicht belegen. Die von dem Kläger erlittenen Verletzungen – multiple Prellungen, Würgemale am Hals und Quetschung der Handgelenke – lassen sich als eher leicht einstufen (das Erleiden einer Commotio war laut Attest fraglich, Bl. 43 GA) und sind unter Zugrundelegung des nach der Überzeugung des Senats stattgefundenen Handgemenges – Tumult, heftige Abwehr durch den Kläger, Fixierung auf dem Boden und Anlegen von Handschellen – unausweichliche Folgen des unmittelbaren Zwangs.
59b.
60Schließlich scheidet eine Haftung des beklagten Landes aus §§ 67 PolG i. V. m. § 39 Abs. 1 b) OBG NW, 831 bzw. 823, 31, 89 BGB aus, denn es fehlt nach den vorstehenden Ausführungen an der Rechtswidrigkeit des Einsatzes. Im Übrigen kommt eine Haftung des Staates aus § 831 bzw. § 823 BGB neben dem – grundsätzlich abschließenden § 839 BGB – nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Ein derartiger Ausnahmefall ist hier unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich (vgl. NJW 1996, 3208, beck-online; Geigel Haftpflichtprozess, Kap. 20 Haftung für Amtspflichtverletzungen Rn. 243, beck-online; Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, Teil C. Das Besondere Verwaltungsrecht in der anwaltlichen Praxis § 18 Das Mandat im Staatshaftungsrecht Rn. 148, beck-online).
613.
62Die Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.
63III.
64Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
65Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat die Sache allein unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles entschieden.
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