Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 K 66/16

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für den ca. 4,8 km langen Abschnitt der Ortsumfahrung W. im Zuge des Neubaus der Bundesstraße B 71n zwischen der Anschlussstelle H. der geplanten Nordverlängerung der BAB 14 und dem Mittelzentrum H.. W. ist seit dem 02.05.1991 ein heute ca. 600 Einwohner zählender Ortsteil der Stadt H. südöstlich der Kernstadt.

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Mit Schreiben vom 05.08.2013 beantragte die Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt, Regionalbereich Mitte (nachfolgend: Vorhabenträgerin), bei dem Beklagten die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens gemäß §§ 17 ff. FStrG. Der Neubau der B 71n ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen (Anlage 1 zum Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen [FStrAbG]) unter der laufenden Nr. 1215 mit dem Bauziel "3-streifiger Neubau" als Vorhaben des "vordringlichen Bedarfs" aufgeführt. Der planfestgestellte Trassenabschnitt beginnt in der Ortslage H. bei Bau-km 0+000 (Netzknoten 37344053) und endet bei Bau-km 4+800,00 ca. 580 m nach dem geplanten Knotenpunkt B 71n / B 71alt. Zu den Neubaumaßnahmen gehört der verkehrsgerechte planfreie Neubau der Knotenpunkte B 71n / K 1181, B 71n / B 71alt sowie der plangleiche Ausbau der Knotenpunkte B 71n / B 245 und B 71n / Dammühlenweg / Jakob-Uffrecht-Straße.

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Im Erläuterungsbericht des Vorhabenträgers heißt es zur Notwendigkeit der Baumaßnahme, die Linienbestimmung für die Vorzugsvariante sei durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im April 2009 erfolgt. Die geplante Baumaßnahme resultiere aus der Verlängerung der A 14 und aus den seit geraumer Zeit unzureichenden Verkehrsverhältnissen auf der B 71 in der Ortslage W. sowie am Knotenpunkt B 71 / K 1158. Im Rahmen der Vorplanung habe das Ingenieurbüro (E.) GmbH 2007 zwei grundsätzliche Varianten erarbeitet. Die Variante 1 habe die Trassenführung im südlichen Raum des Planungsgebiets, die Variante 2 (10,869 km) im nördlichen Raum vorgesehen. Ausgehend von diesen zwei Hauptvarianten seien für die Trassenverläufe abschnittsweise Untervarianten untersucht worden. Die Variante 1.1 folge den in Richtung Ortslage H. und B 245 orientierten Hauptverkehrsrelationen. Variante 1.2 (12,040 km) begünstige die Führung der B 71n als durchgehender Verkehrszug bei gleichzeitiger Anbindung der Bestandstrasse der B 71 zur Bewältigung der in Richtung Ortslage H. und B 245 orientierenden Verkehrsströme. Des Weiteren sei die Hauptvariante im Abschnitt V. untergliedert worden in eine Variante 1.1A (10,474 km) mit einer nördlichen Umfahrung von V. und 1.1.B (9,474 km) mit einer südlichen Tangierung von V.. Aufgrund einer Gesamtschau der Bewertungskriterien sei die Variante 1.1A als Vorzugsvariante auszuweisen.

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Im landschaftspflegerischen Begleitplan (LBP) der Planungsgruppe Umwelt (PU) vom 07.03.2011 (Ordner 4/7) war als Ersatzmaßnahme EFCS 1.2 (Blatt 9) auf einer unmittelbar südlich der Ohre und ca. 500 m nordwestlich der Ortslage W. gelegenen Fläche von 3,82 ha, die bislang als intensives Ackerland (AIA) genutzt wird, Lerchenfenster (zeitlich beschränkt bis zur Umwandlung der umliegenden Flächen als Grünland, danach auch Grünland) vorgesehen. Das dem Kläger gehörende, 7.812 m² große Grundstück der Gemarkung (H.), Flur A, Flurstück 112/3, das er an einen Landwirt verpachtet hat, ist Teil dieser Fläche.

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Nach dem Maßnahmenblatt (Bl. 203 des LBP) ist Anlass der Maßnahme der im Bestand- und Konfliktplan dargestellte bau- und anlagebedingte Verlust bzw. die Zerschneidung von vor allem Acker- und Ackerbrachflächen als Lebensraum für Vogelarten des teilweise strukturreichen Offenlandes/Halboffenlandes (KT 3). Zur Beschreibung / Zielsetzung der Maßnahme heißt es: "Entwicklung von Lebensräumen und gesamträumliche Aufwertung vorhandener Ackerflächen als Ersatz für Lebensraumentwertungen insbesondere von Feldlerche und Rebhuhn" sowie "Erhaltungsmaßnahme / Artenschutzmaßnahme zur Sicherung des Erhaltungszustandes der Population". Weiter wird aufgeführt, die Maßnahmenfläche liege innerhalb des Ersatzflächenpools Ohreniederung der Stadt H.. Innerhalb der Maßnahmenplanung hierfür sei die Umwandlung von Acker in Extensivgrünland vorgesehen. Dies betreffe auch die südlich und östlich angrenzenden Flurstücke. Da unklar sei, wann dieser Bereich insgesamt in Grünland umgewandelt werde, werde für die Maßnahmenfläche zunächst auf die Entwicklung von Grünland verzichtet. Dies erfolge erst dann, wenn auch die angrenzenden Flurstücke umgewandelt werden (Vorgaben dann s. EFCS 1.1). Solange jedoch hier insgesamt Ackernutzung erfolge, würden zunächst auf der Fläche Lerchenfenster angelegt. Die Anlage erfolge in Wintergetreide, Raps und auch Mais (jedoch geringere bzw. noch in Prüfung befindlicher Wirksamkeit), somit sei die Nutzung der Fläche hierauf beschränkt. Als Hinweis für die Unterhaltungspflege war u.a. angegeben, dass die Einhaltung der Nutzungsbeschränkungen in regelmäßigen Abständen (mindestens jährlich) überprüft werde.

6

Im Maßnahmenblatt (Folgeblatt) (Bl. 204 des LBP) wird weiter ausgeführt, dass bei der Anlage der Fenster folgende Grundsätze zu beachten seien:

7
- pro Hektar sind 10 Fenster von mindestens 20 m² Größe anzulegen.
8
- mindestens 25 m Abstand vom Feldrand und 50 m von Straßen, Hecken und ggf. Greifvogelansitzen
9
- möglichst großer Abstand zu den Fahrgassen halten (diese werden z.B. von Katze oder Fuchs auf der Beutesuche genutzt)
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Ein Lerchenfenster sei hierbei im Prinzip eine Fehlstelle im Acker. Hierbei werde während der Einsaat die Sämaschine für ein paar Meter angehoben, um eine mind. 20 m² Fehlstelle zu erzeugen. Bei Bedarf könne diese Fehlstelle auch nach der Saat (z.B. durch grubbern oder fräsen) erzeugt werden. Nach der Anlage werde das Lerchenfenster wie der sonstige Ackerschlag bewirtschaftet.

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In der Zeit vom 06.11.2013 bis zum 05.12.2013 wurden die Planunterlagen in der Stadt H., in der Gemeinde Niedere Börde sowie in der Verbandsgemeinde Elbe-Heide zur allgemeinen Einsichtnahme ausgelegt.

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Am 19.11.2013 wandte der Kläger gegen die Planung Folgendes ein: Die Variantenprüfung für den Neubau der B 71n sei unvollständig. Es sollte geprüft werden, ob alternativ zur Ortsumfahrung W. entweder eine Tunnellösung oder ein Ausbau der B 71 im bestehenden Streckenverlauf unter Anpassung an das hohe Verkehrsaufkommen mit einer Umsiedlung besonders betroffener Einwohner von W. bzw. der Errichtung weiterer Lärmschutzmaßnahmen realisiert werden könne. Die demografische Entwicklung habe sich bezogen auf das im Jahr 2004 verabschiedete 5. FStrAbÄndG sowohl für H. als auch für W. eindeutig in Richtung einer in der Zahl deutlich abnehmenden und in ihrer Zusammensetzung deutlich älter werdenden Bevölkerung dargestellt. Auch die jetzigen Prognosen zeigten, dass sich diese Entwicklung so weiter fortsetze. Die Ortsumgehung W. wäre mit einem massiven Eingriff in die Natur verbunden und entziehe gleichzeitig landwirtschaftlichen Betrieben durch den Flächenentzug einen Teil ihrer Erwerbsgrundlage. Dieser Substanzverlust sei für die Natur und die Landwirte wegen seiner natürlichen Begrenzung kaum zu kompensieren. Zusätzlich habe sich seit 2004 ein enormer Wettbewerb um landwirtschaftliche Nutzflächen eingestellt, der durch den Flächenverbrauch einer Ortsumgehung noch weiter intensiviert würde.

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Am 15.01.2015 fand der Erörterungstermin statt, bei dem der Kläger die Notwendigkeit der Ortsumfahrung erneut in Frage stellte. In diesem Termin führte der Fachbereichsleiter Planung und Entwurf des Vorhabenträgers, Herr (B.), im Zusammenhang mit dem Anliegen eines betroffenen Landwirtes, einen Ausgleich in landwirtschaftlichen Flächen zu erhalten, aus, man habe beraten, inwieweit es sinnvoll sei, für die Ortsumfahrung W. ein Flurbereinigungsverfahren durchzuführen. Dies sei aber verworfen worden, weil durch die Parallellage zum Mittellandkanal die Zerschneidungswirkung relativ gering sei und durch Bebauungspläne und Flächennutzungspläne große Flächen als künftige Gewerbegebiete ausgewiesen worden seien. Zudem sei das Gebiet zwischen Ohre und Mittellandkanal zu klein, um ein solches Verfahren mit ausreichenden Tauschflächen durchführen zu können. Insofern würde es hier auf einen normalen Grunderwerb hinauslaufen, für den der Eigentümer entsprechend dem Verkehrswert der Grundstücke eine Entschädigung für die Inanspruchnahme des betroffenen Flächenanteils erhalte.

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Mit Schreiben vom 14.04.2015 übersandte der Vorhabenträger dem Beklagten geänderte Unterlagen zum LBP vom 01.03.2015. Die Änderungen betrafen auch das Maßnahmenblatt EFCS 1.2n (nunmehr Blatt 203a des LBP) und das zugehörige Maßnahmenfolgeblatt (nunmehr Blatt 204a des LBP). Im Maßnahmenblatt heißt es nunmehr unter der Überschrift "Lerchenfenster/Blühstreifen", die Maßnahmenfläche liege innerhalb des Ersatzflächenpools Ohreniederung der Stadt H., der die Umwandlung von Acker in Extensivgrünland vorsehe. Dies betreffe auch die südlich und östlich angrenzenden Flurstücke. Da unklar sei, wann dieser Bereich insgesamt in Grünland umgewandelt werde, werde für die Maßnahmenfläche auf die Entwicklung von Grünland verzichtet. Dies sei erst dann sinnvoll, wenn auch die angrenzenden Flurstücke umgewandelt werden und deshalb nicht vorhabenrelevant seien. Auf der Maßnahmen-Fläche würden Lerchenfenster und Blühstreifen angelegt. Die Anlage erfolge in Wintergetreide, Raps und auch Mais, somit sei die Nutzung der Fläche hierauf beschränkt.

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Im Maßnahmenblatt (Folgeblatt) (Bl. 204a des LBP) wird nunmehr ausgeführt, dass bei der Anlage der Fenster seien folgende Grundsätze zu beachten seien:

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- pro Hektar sind 10 Fenster von mindestens 20 m² Größe im Wintergetreide anzulegen, bei Rapsanbau werden die Fenster auf 5/ha reduziert, dafür auf 40 m² vergrößert. Maisanbau ist auf der Fläche nur ausnahmsweise zulässig (max. jedes 4. Jahr der Fruchtfolge).
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- mindestens 25 m Abstand vom Feldrand und 50 m von Straßen, Hecken und ggf. Greifvogelansitzen
18
- möglichst großer Abstand zu den Fahrgassen halten (diese werden z.B. von Katze oder Fuchs auf der Beutesuche genutzt)
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Ergänzt würden die Lerchenfenster aufgrund aktueller Erkenntnisse durch alternierende Blühstreifen. Es würden 1 bis 2 Streifen mit je mind. 10 m Breite und einer Gesamtfläche von mind. 0,3 ha vorgesehen, als selbstbegrünende Brache oder Ansaat mit reduzierter Aussaatstärke (max. 70 %). Die Anlage der Streifen erfolge im Spätsommer/Herbst, bei Ansaat erfolge diese spätestens bis 31.03. des Folgejahres. Keine Bewirtschaftung / Befahren der Streifen ab 01.04. bis 31.07., kein chem. Pflanzenschutz, keine Düngung. Der Aufwuchs der Flächen dürfe genutzt werden, einmalige Mahd ab dem 01.08. sei möglich, die Streifen seien bis zur Anlage neuer Streifen (d.h. Spätsommer / Herbst) stehen zu lassen.

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Bereits mit E-mail vom 26.01.2015 hatte der Vorhabenträger den Kläger unter Beifügung der entsprechenden Maßnahmenblätter darüber informiert, dass im Lauf der Anhörung mit den Naturschutzbehörden unwesentliche Änderungen/Ergänzungen der zukünftigen landwirtschaftlichen Nutzung abgestimmt worden seien. Diese seien in das Maßnahmenblatt mit Stand 16.10.2014 übernommen worden. Aus der Maßnahmenbeschreibung könne der Kläger entnehmen, dass weiterhin eine Ackernutzung vorgesehen sei. In die Ackernutzung seien Feldlerchenfenster und Blühstreifen zu integrieren. Die genaue Anordnung auf dem gesamten Maßnahmen-Ackerschlag werde in Abhängigkeit der Kultur jährlich mit dem Bewirtschafter und der Naturschutzbehörde abgestimmt. Der Ertragsausfall durch die Kultur-/ Behandlungsbeschränkungen werde gutachtlich ermittelt und dem Bewirtschafter entsprechend entschädigt. Die für das betroffene Grundstück in das Grundbuch einzutragende dauernde Nutzungsbeschränkung werde dem Eigentümer als Verkehrswertminderung einmalig entschädigt.

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Am 27.07.2015 übersandte der Vorhabenträger dem Beklagten einen Aktenvermerk zu einer Erweiterung einer geplanten Unternehmensflurbereinigung zur B 71n / A 14 – H., Ortsumfahrung V. um Flächen für die Ortsumfahrung W.. Darin heißt es u.a., aufgrund einer großen Anzahl von Einwendungen im Planfeststellungsverfahren zur Ortsumfahrung W. gegen die Inanspruchnahme von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken und Forderungen nach Durchführung einer Unternehmensflurbereinigung solle in Abstimmung mit dem ALFF Mitte das bereits vorgesehene, ca. 750 ha große Verfahrensgebiet zur Ortsumgehung V. um Flächen für die Ortsumgehung W. mit einer Größe von 125 ha erweitert werden. Da die Entwurfsplanung für die Ortsumgehung V. noch nicht abgeschlossen sei und deshalb die Voraussetzung für die Beantragung eines Flurbereinigungsverfahrens noch nicht geschaffen sei sowie vor dem Hintergrund, dass sich die Bürgerinitiative V. gegen die Planung wende, kämen das ALFF und die LSBB Mitte überein, zunächst die Flurbereinigung "OU W." zu veranlassen.

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Mit Schreiben vom 13.01.2016 vertiefte der Kläger seine Einwände, und mit weiterem Schreiben vom 02.03.2016 rügte er, dass ihm als durch die Änderung der Maßnahmenblätter EFCS 1.2 nunmehr stärker betroffenem Eigentümer vonseiten des Beklagten keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei. Zudem lehne er Mitarbeiter des Beklagten wegen Befangenheit ab. Er habe Äußerungen eines die zügige Herstellung der Ortsumgehung fordernden Rechtsanwalts in einer Stadtratssitzung am 18.02.2016 entnommen, dass unter dem Druck der Öffentlichkeit ein Zeitpunkt (Ende des 1. Quartals 2016) versprochen worden sei, zu dem der Planfeststellungsbeschluss erlassen werden solle, so dass er nicht mehr damit rechnen könne, dass seine im Schriftsatz vom 13.01.2016 dargelegten Einwendungen unvoreingenommen und ohne Zeitdruck erneut abgewogen werden.

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Mit Schreiben vom 04.04.2016 teilte die mit der Planfeststellung betraute Sachbearbeiterin dem Kläger mit, eine erstmalige oder stärkere Berührung des Grundeigentums des Klägers durch die Änderung der Maßnahme EFCS 1.2 liege nicht vor. Der vorgesehene Grunderwerb zur Umsetzung der artenschutzrechtlich erforderlichen Maßnahme werde durch die Umgestaltung der Maßnahme nicht berührt. Es sei weiterhin vorgesehen, das Grundstück des Klägers dauerhaft zu beschränken. Das Vorbringen des Klägers zur Befangenheit werde derzeit geprüft, der Befangenheitsantrag sei an den Behördenleiter mit der Bitte um Entscheidung weitergeleitet worden. Das Schreiben des Klägers vom 13.01.2016 habe sie an die Vorhabenträgerin mit der Bitte um Prüfung weitergeleitet, um nochmals sicherzustellen, dass auch die Vorhabenträgerin alle ggf. tangierten Belange in ihre Planung einstellen und ggf. darauf noch reagieren könne.

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Mit Schreiben vom 12.04.2016 teilte der vom Präsidenten des Beklagten beauftragte Leiter des Referats "Justitiariat, Stiftungen" dem Kläger mit, nach Prüfung des Befangenheitsantrages habe er festgestellt, dass die vom Kläger wiedergegebenen Äußerungen des Rechtsanwalts keinen Grund im Sinne von § 21 Abs. 1 VwVfG darstelle, der Zweifel an der unparteiischen Amtsausübung des Referatsleiters Planfeststellungsverfahren oder der zuständigen Sachbearbeiterin rechtfertigen könnte. Es gehöre zur Aufgabe einer Planfeststellungsbehörde, nicht nur den Kläger, sondern auch die Öffentlichkeit über den beabsichtigten Zeitpunkt für den Abschluss des Verfahrens und den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses zu informieren. Derartige Bekundungen hätten jedoch keinen verbindlichen Charakter und hätten keinerlei Auswirkungen auf die Arbeit der mit dem Verfahren befassten Bediensteten. Die Abwägung der betroffenen Belange werde unabhängig von in Aussicht gestellten Bearbeitungszeiten umfänglich gewährleistet.

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Mit Schreiben vom 13.04.2016 stellte der Kläger erneut einen Befangenheitsantrag gegen die Sachbearbeiterin. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass ihre Ausführungen im Schreiben vom 04.04.2016 zur Erforderlichkeit einer Anhörung nach der Planänderung unzutreffend seien.

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Mit Beschluss vom 19.04.2016 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der Maßnahme fest. Nach der Nebenbestimmung Nr. 4. 1) sind die Schutz-, Gestaltungs- und Kompensationsmaßnahmen (einschließlich der Artenschutzmaßnahmen) entsprechend den Maßnahmenblättern des LBP mit dem Stand vom März 2015 umzusetzen; Nr. 4. 5) bestimmt ferner, dass für die jeweiligen Gestaltungs- und Kompensationsmaßnahmen (einschließlich der Artenschutzmaßnahmen) im Grundbuch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zu Gunsten des Naturschutzes einzutragen ist. Nach Nr. 4. 8) sind die Funktionen der im LBP enthaltenen Maßnahmen des Arten- und Biotopschutzes erstmals spätestens 3 Jahre nach Fertigstellung der jeweiligen Maßnahme zu überprüfen; eine weitere Überprüfung ist jeweils nach 5 und dann nach 10 Jahren erforderlich; die Prüfungsergebnisse sind der unteren Naturschutzbehörde zu übermitteln.

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Die Einwände des Klägers wies der Beklagte zurück und führte dazu u.a. aus: Die Flächen des im Eigentum des Klägers stehenden Flurstücks 112/3 würden ausweislich des Grunderwerbsplans außerhalb des Trassenverlaufes nördlich der B 71n zur Umsetzung der Maßnahme EFCS 1.2 benötigt. Die darin vorgesehene dauerhafte Beschränkung sei zur Umsetzung der landschaftspflegerischen Maßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen, Würde das Flurstück aus der Planung herausgenommen, entstünden Maßnahmen-Splitterflächen, die dann nicht mehr sinnvoll in die Realisierung der Maßnahme eingebunden werden könnten. Die Planung des Gesamtkomplexes E 1 (Ohre/Beber nordwestlich W., Kompensationsflächenpool Ohre) sei mit dem Ziel erfolgt, durch konzentrierte Maßnahmenflächen eine größere gesamträumliche Wirkung mit zusammenhängender Nutzung bei moderaten Einschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzung zu erzielen sowie diesen bewusst in das Umfeld der vorhandenen Schutzgebiete bzw. schutzwürdigen Strukturen zu integrieren. Die Maßnahmenkomplexe seien insbesondere mit den zuständigen (Naturschutz-)Behörden in einem intensiven Prozess abgestimmt und geplant worden, um einen Konsens der verschiedenen Interessen zu erreichen und insbesondere die artenschutzrechtlichen Anforderungen zu berücksichtigen. Der Vorhabenträger habe zudem dargelegt, dass gleich geeignete Flächen, die vorrangig in Anspruch genommen werden könnten, auch nach intensiver Suche nicht zur Verfügung stünden. In die Betrachtung einbezogen worden seien Flächen der BVVG, der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt, des Bundesforsts und der Bundeswehr. Die Stadt H. sei hinsichtlich verfügbarer Flächen beteiligt worden. Maßnahmenvorschläge hätten teilweise wegen fehlender Eignung verworfen werden müssen. Fehler bei der Variantenprüfung seien nicht zu erkennen. Gerade weil die Trasse vorwiegend über landwirtschaftlich genutzte Flächen führen werde, sei sie so gewählt worden, dass sie gebündelt mit dem Mittellandkanal und der Bahnstrecke möglichst geringe Flächeninanspruchnahmen und -zerschneidungen mit sich bringe. Eine Tunnellösung habe der Vorhabenträger nicht in seine Variantenprüfung einstellen müssen. Aus immissionsschutzrechtlicher Sicht bestehe eine solche Notwendigkeit nicht. Ferner sei fraglich, ob ein Tunnel unterhalb der landwirtschaftlichen Flächen überhaupt technisch möglich sei. Zudem stünden die Kosten in keinerlei Verhältnis zu dem zu erreichenden Zweck. Die Zielrichtung der Ortsumfahrung sei die Entlastung der Ortslage W., die mit Schallschutzmaßnahmen nicht erreicht werden könne. Das Bestandsinteresse der Eigentümer sei angesichts der ausgeprägt personalen Funktion des Wohneigentums mit besonderem Gewicht in die planerische Abwägung einzustellen. Die vorgenommenen Untersuchungen kämen zu dem Ergebnis, dass die Einwohner W.s einer massiven Beeinträchtigung durch Lärm, Erschütterungen und Schadstoffe ausgesetzt seien. Dieser Umstand verliere auch angesichts des Bevölkerungsrückgangs nicht an Bedeutung; zumal W. durch die Ortsumfahrung in Zukunft an Attraktivität gewinne und die Ansiedlung in ruhiger Ortslage ermögliche.

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Am 09.06.2016 stellte der Beklagte dem Kläger den Planfeststellungsbeschluss zu.

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Mit Flurbereinigungsbeschluss vom 01.08.2016 ordnete der Beklagte – Obere Flurbereinigungsbehörde – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Flurbereinigungsverfahren OU W. B 71n an, das nach den §§ 87 ff FlurbG. vom Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (ALFF) Mitte als Flurbereinigungsbehörde durchgeführt werde. Das Verfahrensgebiet umfasst auch das Grundstück des Klägers. In der Begründung heißt es, die Enteignungsbehörde habe am 19.08.2015 beantragt, für das Unternehmen ein Flurbereinigungsverfahren gemäß § 87 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 FlurbG einzuleiten.

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Bereits am 01.07.2016 hat der Kläger beim erkennenden Gericht Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

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1. Er sei mit seinem gesamten Vorbringen nicht präkludiert. Er trage keine gänzlich neuen Einwendungen vor, sondern ergänze und präzisiere lediglich seine Einwände im Schreiben vom 19.12.2013, in dem er die betroffene Eigentumsfläche, die befürchtete Beeinträchtigung der Belange der Landwirtschaft (wie Flächenverbrauch) und des Naturhaushalts sowie den räumlichen Zusammenhang (Bau bzw. Betrieb der Ortsumgehung W.) bezeichnet habe. Auch hätten die ausgelegten Planunterlagen in Bezug auf die Ergänzung der Maßnahme EFCS 1.2 keine Anstoßfunktion entfalten können. Zudem seien allgemeine Ausführungen zu Bestimmungen, die den rechtlichen Rahmen der Planfeststellung absteckten, oder allgemeine Hinweise auf objektive Rechtsverstöße in diesem Sinne keine Einwendungen und unterlägen daher nicht der Präklusion. Schließlich verstoße die Präklusion nach § 74 Abs. 4 Satz 3 VwVfG bei UVP-pflichtigen Vorhaben wie dem streitigen nach der Rechtsprechung des EuGH gegen Art. 11 der UVP-Richtlinie.

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2. Die für die Kompensation vorgesehene Fläche EFCS 1.2n, zu dem sein Grundstück gehöre, sei nach dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag für die Schaffung von Lebensraum für die Zielart Feldlerche ungeeignet. Die Planunterlagen berücksichtigten zwar zum Teil vertikale Strukturen dem Grunde nach (mindestens 25 m Abstand von Hecken und ggf. Greifvogelansitzen). Eine Differenzierung nach der Art der vertikalen Strukturen, die längst Eingang in die landschaftspflegerische Praxis gefunden habe, finde aber nicht statt, insbesondere finde sich keine Regelung zum Mindestabstand von Gehölzen. Der Maßnahmenstandort für die Entwicklungsmaßnahme Lerchenfenster im Ackerland erfordere (nach OELKE, H. [1968]) offenes Gelände mit weitgehend freiem Horizont, d.h. wenige oder keine Gehölze. Bei Vorhandensein von Vertikalstrukturen müsse der Abstand zu Vertikalstrukturen > 50 m bei Einzelbäumen, > 120 m bei Baumreihen und Feldgehölzen von 1 bis 3 ha und > 160 m bei geschlossener Gehölzkulisse sein. Die in Rede stehende Fläche sei deshalb überwiegend bzw. vollständig ungeeignet, weil bereits die bestehende Vegetation unmittelbar am Flusslauf der Ohre sehr hohe Bäume aufweise. Die Baumreihe könne als Baumreihe bzw. in der näheren Entfernung je nach Vegetationsperiode als geschlossene Gehölzkulisse betrachtet werden.

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Die Fläche eigne sich auch nicht für die Schaffung von Lebensraum für die Zielart Rebhuhn. Die Anforderungen an den Maßnahmenstandort sähen bei dichten Vertikalkulissen einen Mindestabstand von über 120 m vor. Außerdem seien feuchte Standorte nicht geeignet, die Maßnahmenfläche sei aber ein Feuchtstandort, der zugleich nach der HQ100-Karte des Beklagten als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen sei. Die Aueböden im Niederungsbereich seien bis dicht unter der Oberfläche durch das Grundwasser gekennzeichnet. Gerade erst die häufigen Überschwemmungen hätten in der Vergangenheit dazu geführt, dass sich die Flächen heutzutage sehr gut für die landwirtschaftliche Nutzung eigneten. Bei den betroffenen Böden handele es sich um Tschernitza-Böden, die regelmäßig vor allem an älteren Auen mit ausgeprägtem Überschwemmungsbereich zu finden seien, wie hier im Überschwemmungsbereich der Beber. Selbst der LBP (S. 66) zeige, dass es sich um einen feuchten Standort handele.

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Soweit nach dem geänderten Maßnahmenblatt (S. 203a, 204a) ein Blühstreifen gefordert werde, sei dies zu unbestimmt. Es sei nicht erkennbar, worauf sich die 0,3 ha beziehen (Hektar, Flurstück oder Maßnahmenfläche). Ferner gestatte es die Planung des Vorhabenträgers durch die Instrumentalisierung des Adjektivs "mindestens", dass sein Grundstück vollständig in Grünland/Brache umgewandelt werde, was deutlich über das alleinige Anlegen von Lerchenfenstern hinausginge. Zwar sei keine flurstückscharfe Bestimmung der Lage der Blühstreifen erforderlich, das konkrete Ausmaß müsse aber abschätzbar sein. Produktionsintegrierte Maßnahmen dürften insbesondere nicht dazu führen, dass sich die Vorhabenträgerin auf Eigentumsflächen Dritter wie auf einer "Spielwiese" mit ihren Maßnahmen "austoben" könne. Vielmehr müsse sie den agrarstrukturellen Belangen Rechnung tragen. Dazu zähle die Planbarkeit des verbleibenden landwirtschaftlichen Nutzwerts einer Fläche.

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Die planfestgestellten LBP-Unterlagen seien zudem widersprüchlich. Der Vorhabenträger habe es versäumt, die Unterlagen vollständig im Hinblick auf das Planänderungsverfahren zu überarbeiten. Der Lageplan sehe zwar ein Lerchenfenster, aber keine Blühstreifen vor. Auch der Planfeststellungsbeschluss spreche an manchen Stellen von Lerchenfenstern und Blühstreifen (etwa auf S. 84), während an anderen Stellen (etwa auf S. 93) nur von Lerchenfenstern die Rede sei.

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Bei der Maßnahmenfläche EFCS 1.2 handele es sich um für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG. Eine Beschränkung auf landwirtschaftliche Flächen im näheren Vorhabenraum zur Umsetzung von FCS-Maßnahmen sei für die Sicherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der Feldlerche und des Rebhuhns nicht erforderlich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn in weiterer Entfernung vom Vorhabenraum die zu schützenden Arten überhaupt nicht auftreten und FCS-Maßnahmen infolgedessen keine Wirkung entfalten könnten. Dies sei hier aber nicht der Fall, da die Feldlerche der häufigste Offenlandvogel Mitteleuropas sei. Angesichts der typischerweise flächigen Verbreitung der Feldlerche sei zudem fraglich, ob sich die lokale Population dieser Art naturräumlich überhaupt abgrenzen lasse. Sogar im näheren Umfeld des Vorhabenraums stünden ausreichend landwirtschaftlich deutlich weniger bedeutsame Flächen zur Verfügung, um den Anforderungen des § 15 Abs. 3 BNatSchG gerecht werden zu können. Den von der EU-Kommission insoweit definierten Handlungsspielraum hätten der Beklagte und die Vorhabenträgerin weder erkannt noch ausreichend berücksichtigt.

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Soweit sich der Beklagte auf den zusammenfassenden Ergebnisbericht des Sächsischen Bodenbrüterprojekts berufe, sei dem entgegenzuhalten, dass die hier in Rede stehende Maßnahmenfläche EFCS 1.2 nicht annähernd die Fläche erreiche, die in diesem Projekt vorgegeben werde. Im Projekt "1.000 Äcker für Feldlerchen" gehe der Autor zudem nicht davon aus, dass ein Mindestabstand zu Vertikalstrukturen von 50 m ausreiche. In einem Projekt der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft "1.000 Fenster für die Lerche" aus dem Jahr 2011 sei die Abstandsregelung hinzugefügt worden, dass Lerchenfenster mindestens 150 m von geschlossenen Ortschaften und Baumbeständen anzulegen seien. Vergleichbare Anforderungen ließen sich dem Maßnahmenblatt des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen entnehmen. Dies betreffe auch die Anforderungen an den Maßnahmenstandort für das Rebhuhn.

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Zudem weise die LBP-Maßnahme keine ausreichende Pufferkapazität auf, da der einzuhaltende Mindestabstand von 150 m fast so groß sei wie die Nord-Süd-Ausdehnung seines Grundstücks von etwa 160 m. Hinzu komme, dass die Maßnahmenfläche an sich schon eine geringe Größe aufweise, die auf keine hohen Erfolgsaussichten zur Sicherung eines günstigen Erhaltungszustandes der Population der Feldlerche schließen lasse. Das Projekt "1.000 Äcker für die Feldlerche" sehe eine Mindestgröße von 5 ha je Maßnahmenfläche vor, das Sächsische Bodenbrüterprojekt sogar eine Mindestfläche von 10 ha je Maßnahmenfläche. Ähnliches ergebe sich aus dem SAFFIE-Projekt in Großbritannien. Auch alle übrigen Maßnahmen, die Lerchenfenster vorsehen (ACEF 2.3 bzw. EFCS 5.2), erreichten diese Mindestgrößen nicht. Der Abstand der Lerchenfenster betrage im Mittel mehr als 2 km, der deutlich über dem Aktionsradius der Feldlerche bei der Nahrungssuche von etwa 100 m hinausgehe. Nur die Maßnahmenfläche EFCS 1.1 (Extensivierung von Grünland) nördlich von W., die keine Lerchenfenster vorsehe, erreiche die Mindestgröße von 5 ha, aber auch dort werde die Wirkung der Maßnahme von Vertikalstrukturen, Infrastrukturen oder die Nähe zu Siedlungen beeinträchtigt. Insgesamt führten die Planunterlagen zur Sicherstellung des Erhaltungszustandes der Feldlerche 11 räumlich überwiegend getrennte Maßnahmenflächen mit einer Gesamtgröße von 32,1 ha auf. Durch die isolierte Lage werde die Populationsdynamik der FCS-Feldlerchen systematisch beschnitten. Weder die Teilsummen noch die Gesamtsumme stimmten mit den Planungsunterlagen überein. Die heterogenen zersplitterten Maßnahmenflächen unterlägen zudem weiteren kleinraumspezifischen Besonderheiten, die im Rahmen des Risikomanagements spezifische Anforderungen an die Zufütterung, Habitatpflege und Prädatorenmaßnahmen nach sich ziehen könnten. Aufgrund der Zersplitterung bestünden Bedenken hinsichtlich der Vollzugskontrolle bzw. eines Monitorings, insbesondere weil die einzelnen Maßnahmenflächen nur ein einziges Brutpaar aufnehmen könnten. Zur Ansiedlung von Feldlerchen geeignete größere Flächen stünden in nur moderat größerer Entfernung zum Vorhabenraum zur Verfügung. Allerdings würden nur die Maßnahmenfläche EFCS 5.1 und die nicht im Bestands- und Konfliktplan aufgeführte Maßnahmenfläche EFCS 5.2, die auf eine Sicherstellung des Erhaltungszustandes der Feldlerche abzielten, keine Einzelbäume innerhalb einer Entfernung von 50 m aufweisen. Für die Maßnahmenfläche ACEF 2.2b wirke zusätzlich das direkt angrenzende Gewerbegebiet limitierend.

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3. Nach Erhebung von Einwendungen und Durchführung des Erörterungstermins habe er zufällig davon erfahren, dass der Grunderwerb entgegen der Formulierung in den ursprünglich ausgelegten Planunterlagen nicht freihändig erfolgen solle, sondern der Vorhabenträger ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren durchführen wolle, bei dem der Eigentumsverlust auf einen größeren Kreis von Eigentümern verteilt werde. Ein solcher Rückgriff auf sein Eigentum sei nicht gerechtfertigt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Vorhabenträger keine Flächen aufgekauft habe, um sie beispielsweise Verfahrensbeteiligten zum Tausch anzubieten, um Kompensationsmaßnahmen umzusetzen oder um sie im Flurbereinigungsverfahren einbringen zu können, damit der Landverlust bei Privaten begrenzt werden könne. Selbst Ende 2015 hätte sich dem Vorhabenträger diese Möglichkeit geboten, da ganz in der Nähe des Vorhabens die BVVG in der Gemarkung H. Flächen angeboten habe. Die Begründung des Beklagten hinsichtlich der Verfügbarkeit von Alternativen sei nicht weitgehend genug. Er sei gehalten, konkret zu belegen, in welchem Umfang Sondierungsgespräche, Einsichtnahmen in das jeweils verfügbare Flächenportfolio sowie Erwerbsversuche stattgefunden hätten, hilfsweise sei die Vorhabenträgerin gehalten, die Dokumentation der Suche nach geeigneten Kompensationsflächen herauszugeben. Gerade für Vorhaben des vordringlichen Bedarfs wäre beispielsweise eine Reservierung von oder ein Vorkaufsrecht an bundeseigenen Grundstücken aufgrund des großen Flächenportfolios der BVVG bzw. der BvS angesichts der limitierten jährlichen Flächenveräußerungen trotz bzw. gerade wegen der Beachtung der haushalterischen Grundsätze durchaus möglich (gewesen).

40

Er habe mit dem Vorhabenträger klären wollen, ob dieser Tauschflächen, ggf. auch von anderen Landwirten abgelehnte Splitterflächen, anbieten könne. Deshalb habe er Anfang 2016 beim Beklagten um ein Zeitfenster von etwa 2 Wochen gebeten. Die zuständige Sachbearbeiterin habe ihm jedoch, anders als gegenüber anderen Personen, keine Information über den Verfahrensstand gegeben. Er habe zu Recht die Besorgnis der Befangenheit von Mitarbeitern des Beklagten in Erwägung gezogen. Die Ausführungen, mit denen sein Befangenheitsantrag abgelehnt worden sei, weise er zurück. Zudem hätte die Sachbearbeiterin vor einer Entscheidung über den Befangenheitsantrag nicht mit Schriftsatz vom 04.04.2016 zu seinen Einwänden Stellung nehmen dürfen. Es seien eine Reihe von Belangen und Hinweise nicht in die Abwägung einbezogen worden. Unzutreffend sei auch die Auffassung des Beklagten, es habe genügt, dass der Vorhabenträger ihn über die Änderung der Ersatzmaßnahmen auf dem Maßnahmenblatt informiert habe. Vielmehr hätte ihn der Beklagte nach § 73 Abs. 8 VwVfG dazu anhören müssen. Dass nicht so verfahren worden sei, bestätige seinen Verdacht der Befangenheit des Leiters der Planfeststellungsbehörde.

41

Der zweite Befangenheitsantrag vom 13.04.2016 habe entgegen der Auffassung des Beklagten nicht den gleichen Inhalt gehabt wie der erste. Er sei auch begründet, da die Planfeststellungsbehörde grundsätzlich Waffengleichheit zwischen dem Vorhabenträger und sonstigen Beteiligten herstellen müsse. Dies lasse sich durch einen Verzicht auf die Anhörung der vom Planfeststellungsverfahren Betroffenen nicht erreichen. Auch eine Ungleichbehandlung bei der Mitteilung von Verfahrensständen sei nicht hinnehmbar.

42

4. Der unteren Naturschutzbehörde sowie dem Bewirtschafter werde durch die Regelung auf S. 230 des Planfeststellungsbeschlusses, dass die genaue Lage der Lerchenfenster und Blühstreifen jährlich wechselnd mit der unteren Naturschutzbehörde und dem Bewirtschafter der von der Maßnahme EFCS 1.2 umfassten Flächen abgestimmt werde, kein wirksamer Gestaltungsspielraum bei der Anlage der Kompensationsmaßnahme eingeräumt. Eine derartige Abstimmung sei nie zwingender Bestandteil der LBP-Maßnahme EFCS 1.2 gewesen. Wenn die genaue Lage der Lerchenfenster und Blühstreifen jährlich abwechselnd mit den Bewirtschaftern und Naturschutzbehörden festgelegt werden solle, hätte der Beklagte dies zudem im Planfeststellungsbeschluss deutlicher, etwa in den Nebenbestimmungen oder im Maßnahmenblatt und nicht nur im Rahmen der Begründung bei der Abwägung seiner Belange, zum Ausdruck bringen müssen. Der Beklagte habe auch die Verschärfung, die mit dem Anlegen von Blühfenstern einhergehe, insbesondere die Einschränkungen beim Maisanbau, nicht hinreichend berücksichtigt.

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5. Vollzugsdefizite beim Artenschutz seien absehbar. Es sei nicht ersichtlich, wie der Beklagte seiner Überprüfungspflicht hinsichtlich der Einhaltung der Nebenbestimmungen in Abschnitt A.V. 4.8) nachzukommen gedenke. Mit der Regelung, dass die Funktionen der im LBP enthaltenen Maßnahmen des Arten- und Biotopschutzes erstmals spätestens nach 3 Jahren nach Fertigstellung der jeweiligen Maßnahme zu überprüfen seien und eine weitere Überprüfung jeweils nach 5 und dann nach 10 Jahren erforderlich sei, könne der Beklagte weder den Erhaltungszustand der Feldlerche und des Rebhuhns gewährleisten, noch werde er in die Lage versetzt, die Einhaltung dieser Nebenbestimmung zu kontrollieren. Mindestanforderungen an die Handlungsfähigkeit der Vorhabenträgerin (Kapazität und fachliche Qualifikation des Personals) würden nicht definiert. Eine Beteiligung des Beklagten oder der unteren Naturschutzbehörde an der Prüfung sei nicht vorgesehen. Der Planfeststellungsbeschluss gebe zudem keinen naturschutzfachlichen Bewertungsmaßstab oder formelle Mindestanforderungen an Prüfmaßstäbe zur Funktionskontrolle vor, ohne die sich der Beklagte über die Einhaltung des Verschlechterungsverbots nicht vergewissern könne. Der Begriff "Funktion" werde weder durch die Nebenbestimmung A.V.4.8) noch durch das Maßnahmenblatt EFCS 1.2 bestimmt. Auch bestehe ein Widerspruch bei den Prüfintervallen in der Nebenbestimmung A.V.4 8) einerseits und im artenschutzrechtlichen Fachbeitrag (S 183a). Die Prüfintervalle seien viel zu lang und starr und ließen einen zu großen Ermessensspielraum offen. Die Nebenbestimmung biete auch keine Handhabe, dass invasive, gebietsfremde bzw. nichtheimische Feldlerchen Lerchenfenster über einen unangemessen langen Zeitraum als Habitate nutzen und dabei gleichzeitig den Erhaltungszustand der heimischen Feldlerchen gefährde. Der Planfeststellungbeschluss sehe keine vorbehaltene Entscheidung vor für den Fall, dass sich selbst unter langfristigem und intensivem Einsatz wirksamer Instrumente wie Habitatpflege, Zufütterung und Prädatorenmanagement keine Zielarten im planfestgestellten Lebensraum ansiedeln. Gerade die unsorgfältige Auswahl der Flächen für die Maßnahmen EFSC 1.2 lasse eine solche Regelung sowie ein minimales Prüfintervall von 3 Jahren vernünftigerweise geboten erscheinen.

44

Dem betroffenen Eigentümer müsse im Falle der Duldung einer offensichtlich wirkungslosen produktionsintegrierten Kompensationsmaßnahme (PIK) über einen unverhältnismäßig langen Zeitraum zur Wahrung seines Eigentumsrechts mit dem Planfeststellungsbeschluss gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt werden, sich wirksam gegen eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme seines Grundstücks zu wehren. Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte die Durchführung einer Maßnahme auf unbegrenzte Zeit verfügt habe, könne die Zweckmäßigkeit einer FCS-Maßnahme mehr als eine lediglich überschlägige Prüfung erfordern, ob Anhaltspunkte für das Vorhandensein invasiver Arten (§ 40 Abs. 2 BNatSchG) vorliegen.

45

Er hege im Übrigen grundsätzlich Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahme EFCS 1.2. Nach dem NRW-Projekt "1.000 Fenster für die Lerche" habe ein überzufälliges Auftreten von Feldlerchenindividuen oder gar eine Verdreifachung der Bestände, wie die im Rahmen des SAFFIE-Projekts durchgeführte MORRIS-Studie nahelege, nicht durchgängig nachgewiesen werden können. Es sei zu vermuten, dass die Wirksamkeit der Maßnahme im Laufe der Zeit nachlasse und/oder auch ohne Erholung lokaler Feldlerchenbestände die Wirksamkeit der Maßnahme darin bestehe, dass auf derselben Maßnahmenfläche gleichzeitig sowohl vergleichsweise niedrige als auch vergleichsweise hohe Feldlerchenbestände gezählt werden könnten. Es bestünden zudem Zweifel an der Validität der MORRIS-Studie, deren Effekt etwa in Schweden auf ca. 30 ca. 12 ha großen Versuchsflächen oder auch beim Sächsischen Bodenbrüterprojekt nicht habe reproduziert werden können. Auch im Monitoring der Planungsgruppe Umwelt bei der Ortsumgehung Duderstadt habe die von diesem Gutachterbüro behauptete durchgehende Zunahme des Bruterfolgs um 50 % im untersuchten Zeitraum Mai bis Juli nicht bestätigt werden können. Nach der Oberwelland-Studie der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld sei der Brutbestand der Feldlerche dort trotz der Umsetzung von Maßnahmen innerhalb der letzten zwei Untersuchungsjahre um 20 % zurückgegangen. Je mehr Lerchenfenster angelegt worden seien, desto weniger Feldlerchen seien in den Maßnahmengebieten erfasst worden. Die stärkste Anziehungskraft hätten Lerchenfenster, gerade auch in Kombination mit Blühstreifen, auf Prädatoren bodenbrütender Arten entfaltet. So sei alleine die Hauskatze fast viermal so häufig wie die Feldlerche im angelegten Lerchenfenster registriert worden. Aber auch andere Säugetiere wie der Fuchs, der Dachs, das Hermelin, der Hund und der Steinmarder seien als Besucher der Lerchenfenster beobachtet worden. Daher bedürfe es einer Überarbeitung des Schutzkonzeptes und eines Prädatorenmanagements.

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6. Der Beklagte habe auch gegen das Gebot der Konfliktbewältigung verstoßen. Aufgrund der Unbestimmtheit der Lage der Fläche, mit der er im Unternehmensflurbereinigungsverfahren abgefunden werde, hätte der Planfeststellungsbeschluss zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen abschließende Schutzvorkehrungen oder Ergänzungsvorbehalte vorsehen müssen. Dies betreffe zunächst die betriebsbedingte Beeinträchtigung trassennaher landwirtschaftlich genutzter Flächen durch Schwermetalle und/oder organische Stoffe aus dem Straßenverkehr. Der Regelungsbereich der 39. BImSchV decke derartige Beeinträchtigungen weder einschlägig noch vollständig ab. Die Anwendung dieser Verordnung biete zudem keine Garantie dafür, dass Vorsorgewerte der BBodSchV mittel- bzw. langfristig tatsächlich dauerhaft unterschritten werden. Auch für betriebsbedingte Beeinträchtigungen trassennaher landwirtschaftlich genutzter Grundstücke durch Lärm und Erschütterungen seien keine Schutzvorkehrungen oder Ergänzungsvorbehalte vorgesehen.

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Der Umstand, dass sein Grundstück 1.300 m entfernt liege, sei unerheblich, da es um das Wohl der Allgemeinheit gehe und das Flurbereinigungsverfahren die Situation sehr leicht ändern könne, wenn er ein trassennahes Flurstück zugewiesen bekomme. Im Unternehmensflurbereinigungsverfahren könnte der Betroffenheit durch trassennahe Schadstoffeinträge nicht mit dem gleichen Erfolg abgeholfen werden wie im Planfeststellungsverfahren durch Schutzmaßnahmen nach § 74 Abs. 3 VwVfG. Der Beklagte habe die vom Vorhabenträger angestoßene Unternehmensflurbereinigung nicht in seine Abwägung eingestellt. Das von der Vorhabenträgerin gewählte Verfahrensgebiet umfasse ca. 1.078 ha und überdecke nicht ausschließlich homogene landwirtschaftliche Nutzflächen, sondern enthalte Siedlungsflächen und Infrastruktur. Das Unternehmensflurbereinigungsverfahren besitze einen Belange-Filter, auch könnten andere Belange übersehen werden. In solchen Fällen müsse die Planfeststellungsbehörde ohne Abwägungsfehler ausschließen, dass eine Lösung offen gehaltener Probleme durch die Planfeststellung in Frage gestellt werde. Der Beklagte hätte zur Konfliktvermeidung ein Planänderungsverfahren im Sinne von § 73 Abs. 8 VwVfG beantragen können, der auf den geänderten Grunderwerb abstelle.

48

7. Der Beklagte habe die Entlastungsfähigkeit der Ortsumgehung ungenügend bewertet und dem auch im Fachplanungsrecht geltenden Trennungsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung getragen. Bereits die Planunterlagen zeigten, dass der ungestörte Nachtschlaf gerade im schutzwürdigen Bereich von W. nicht garantiert sei. Orientierungswerte nach DIN 18005-1, die nicht nur bei der Ausweisung von Baugebieten sondern auch bei der Straßenplanung maßgebend seien, würden nachts bei keinem einzigen Messpunkt der schalltechnischen Untersuchung in den allgemeinen Wohngebieten Wiesenweg/Vor der Westerwiese eingehalten. Dies relativiere den Nutzen der Ortsumgehung bereits deutlich. Eine weitergehende Ermittlung der tatsächlichen Schutzwürdigkeit und -fähigkeit der Ortslage sowie des tatsächlichen Schutzpotenzials der Ortsumgehung habe nicht stattgefunden. Entsprechende Schutzvorkehrungen seien insbesondere auch nicht für den Fall vorgesehen, dass die Belastung die Schwelle der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeit oder die Schwelle der Gesundheitsbeeinträchtigung überschreite. Ein dem Trennungsgrundsatz genügender Variantenvergleich, in dem die Lärmbetroffenheit der schutzwürdigen Nutzungen jeweils einer separaten Bewertung unterzogen werde, finde sich in den Planunterlagen nicht.

49

8. Die Annahme des Beklagten, der Bau der Ortsumgehung W. sei als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs gerechtfertigt, treffe nicht zu. Die Aufnahme des Projekts in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) sehe weder konkret den Bau einer Ortsumgehung noch Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der Ortslage W. durch den Straßenverkehr vor. Der BVWP gebe lediglich vor, eine 3-spurige Verbindung zwischen der A 14 und H. herzustellen. Da W. in die Stadt H. eingemeindet worden sei, schrieben selbst die Ziele der Raumordnung den Bau einer Ortsumgehung für W. nicht zwingend vor. Auch der aktuelle Landesentwicklungsplan Sachsen-Anhalt sehe im Raum H. lediglich den Bau einer Ortsumgehung für den Ort Bebertal vor, für W. hingegen nicht. Die Ortsumgehung W. lasse sich erst aus der Linienbestimmung ableiten, die aber für die Beklagte nicht bindend sei. Der Planfeststellungsbehörde komme daher hinsichtlich der Ausgestaltung des Projekts ein weitreichender Ermessensspielraum zu.

50

Eine auch im Sinne von § 45 Abs. 7 BNatSchG zumutbare Alternative sei beispielsweise ein Ausbau der B 71 im bestehenden Verlauf mit einer Umsiedlung besonders betroffener Einwohner. Der Beklagte habe den demografischen Wandel nicht außer Acht lassen und Eigentümerinteressen nicht vorwegnehmen bzw. diese einseitig zugunsten der Vorzugsvariante gewichten dürfen. Bei nüchterner Betrachtung des Sachverhalts dürfte eine partielle Umsiedlung, etwa ins Pflege- oder Altenheim, für nicht wenige Lärmbetroffene zum natürlichen Lauf der Dinge gehören. In verschiedenen Städten in Sachsen-Anhalt seien bereits eine Vielzahl von Wohnungen abgerissen worden. U.a. sehe der Landesentwicklungsplan für Ordnungsräume im Ziel Z 2 vor, dass die Auswirkungen des demografischen Wandels bei allen Planungen und Maßnahmen zu beachten seien. Unzutreffend sei auch die Annahme des Beklagten, dass die Inanspruchnahme von Siedlungsflächen einschließlich Bebauung schwerer wiege als die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen, insbesondere unter Berücksichtigung der (künftig) anfallenden Kosten für die notwendige Sanierung älterer Bausubstanz. Von den Gebieten, die zwischen den geplanten Verkehrsknoten 3 und 4 entlang der bestehenden B 71 in der Ortslage W. liegen und durch rechtskräftige Bebauungspläne überdeckt werden, entfielen etwa 75 % der Fläche auf Industrie- und Gewerbegebiete und nur etwa 5 % auf Wohngebiete. Die schutzmindernde Vorbelastung durch die rechtlich zulässige Nutzung der Gewerbegebiete und den damit assoziierenden Durchgangs- und Binnenverkehr in der Ortslage W. habe der Beklagte nicht erkannt und sei auch in der UVP-Prüfung völlig unberücksichtigt geblieben. Dies wiege umso schwerer, weil sich durch die gesteigerte Leistungsfähigkeit der zukünftigen Verbindung zwischen der A 14 und H. der Durchgangs- und Binnenverkehr in der Ortslage W., der mit der Nutzung der Gewerbegebiete verbunden sei, erhöhen könne. Die schalltechnische Prognose sei veraltet, weil sie sich auf das Prognosejahr 2020 beziehe, die B 71n aber erst im Jahr 2021 in Betrieb genommen werden solle. Gerade wenn besonders schutzwürdige Nutzungen wie Wohngebiete dafür herhalten müssten, um weniger schutzwürdige Nutzungen wie Dorf- und Mischgebiete zu entlasten, könnten beim Neubau einer Ortsumgehung schutzwürdige Wohngebiete nicht mit den höheren Grenzwerten der 16. BImSchV abgefunden werden, während gleichzeitig Dorf- und Mischgebiete durch die Ortsumgehung nach den Maßstäben der DIN 18005 lärmsaniert würden. Ohne sachgerechte und angemessene Begründung liege darin ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Nur durch Ermittlung der Kosten je gelöster Schutzfälle könne eine sachgerechte Gesamtabwägung mit Belangen konkurrierender Schutzgüter gelingen. Bei der hier vorliegenden Planung, die in einem engen räumlichen Zusammenhang zum einen eine neue Lärmquelle schaffe und zum anderen eine vorhandene Lärmquelle wesentlich verändere mit der Folge, dass beide Lärmquellen gemeinsam auf die Nachbarschaft einwirken, könne eine separierende Lärmbetrachtung mit dem das Fachplanungsrecht prägenden Grundsatz der Problembewältigung nicht vereint werden. Die Entlastungsfunktion der Ortsumgehung müsse daher unter Berücksichtigung von Lärmgemengelagen ermittelt werden.

51

Die Planfeststellungsbehörde könne ungeachtet der Ausweisung eines Vorhabens im Bedarfsplan gemäß § 1 Abs. 2 FStrG aufgrund der Abwägung zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Vorhaben trotz seiner gesetzlichen Bedarfsfeststellung überhaupt nicht oder nur in anderer Dimensionierung durchzuführen sei. Verkehrliche Belange im Hinblick auf den Bedarf an einer leistungsfähigen Verbindung seien zwar mit dem Hinweis auf den BVWP, die Variantenprüfung sowie der Wiedergabe der Stellungnahme der Vorhabenträgerin ermittelt, aber keinem Abwägungsprozess unterzogen worden. Im Übrigen sei die Herstellung einer 3-spurigen Verbindung zwischen der A 14 und H., wie sie im Projekt vorgesehen sei, erst im BVWP 2030 enthalten, während im BVWP 2003 noch eine leistungsschwächere Verbindung mit der Herstellung einer 2-spurigen Verbindung vorgesehen sei, die dem status quo entspreche. Die Variante für die sich der Beklagte entschieden habe, löse nach dem Erläuterungsbericht der Vorhabenträgerin die höchste Betroffenheit der Wedringer Bürger aus.

52

9. Zweifel bestünden auch an der Planrechtfertigung. Die planerischen Zielstellungen der Raumordnung umfassten die Herstellung einer leistungsfähigen Anbindung der B 71, des Mittelzentrums H. und des Raumes H. an die geplante A 14, eine Verbesserung der Anbindung von H. und des Raumes H. an die Landeshauptstadt Magdeburg sowie eine Verbesserung der Verbindung zwischen Wolmirstedt und dem Mittelzentrum H.. Der Abschnitt der Ortsumgehung V. der B 71n und der Abschnitt zwischen der Anschlussstelle Dahlenwarsleben und der Anschlussstelle Wolmirstedt der A 14 seien bislang nicht planfestgestellt. Das Vorhaben könne weder für sich alleine genommen noch im Zusammenhang mit der Realisierung der Ortsumfahrung V. die Ziele der Raumordnung tatsächlich vollständig erfüllen. Die Ortsumgehung V. selbst ende auf einer grünen Wiese nördlich von Groß Ammensleben.

53

Mit Ausnahme des streitbefangenen Projekts seien alle anderen im BVWP enthaltenen Projekte des vordringlichen Bedarfs in Sachsen-Anhalt im Referentenentwurf 2030 so dargestellt, dass ein eindeutiger Knotenbezug für die jeweilige Relation erkennbar sei. Bei den konkreten Angaben zum Einzelprojekt "von" bzw. "bis" handele es sich insofern um bereits existierende Knoten. Die Herstellung der Verbindung von der A 14 nach H. setze indes voraus, dass die A 14 in Zukunft erschaffen werde oder zumindest unanfechtbar planfestgestellt sei. Bei funktional verbundenen Vorhaben des vordringlichen Bedarfs, die – wie hier – eine asymmetrische funktionale Projektinterdependenz ausweisen, bedürften die Ziele der Raumordnung einer weitergehenden Beachtung, und die Risiken, die mit einer Abschnittsbildung einhergingen, müssten auch im Hinblick auf das komplementäre Projekt beachtet werden. Der Beklagte sei insofern gehalten, sich im Rahmen der Abwägung mit den Auswirkungen auf die verkehrlichen Belange, die für das angefochtene Projekt streiten, auseinanderzusetzen, wenn die A 14 in ihrem Trassenverlauf beispielsweise deutlich weiter östlich planfestgestellt werden sollte und mit einer Verlängerung der Strecke bzw. der Reisezeit zwischen Magdeburg und H. einherginge.

54

10. Schließlich sei der Bau der Ortsumfahrungen W. und V. mit Beeinträchtigungen durch Baulärm verknüpft, für das die Planunterlagen kein Gutachten enthielten. Werde die Nordverlängerung der A 14 nicht planfestgestellt, dürfte das Projekt über einen nicht unerheblichen Zeitraum eine Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse wegen der Baustellen sowie der Beeinträchtigungen durch Baulärm nach sich ziehen.

55

Der Kläger beantragt,

56

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 19.04.2016 aufzuheben,

57

hilfsweise

58

festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 19.04.2016 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,

59

hilfsweise

60

den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um die Verpflichtung des Beklagten zu ergänzen, diejenigen Belange in einem Ergänzungsverfahren zu berücksichtigen, die sich durch das vom Vorhabenträger angestoßene Unternehmensflurbereinigungsverfahren ergeben, sofern diese Belange in einem mittelbaren Zusammenhang mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss stehen und in diesem Ergänzungsverfahren über die Anordnung nachträglicher Schutzvorkehrungen i.S.v. § 74 Abs. 3 VwVfG zu entscheiden,

61

hilfsweise

62

den Beklagten zu verpflichten, über die vorgenannten Änderungen bzw. Ergänzungen des Planfeststellungsbeschlusses vom 19.04.2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

63

Der Beklagte beantragt,

64

die Klage abzuweisen.

65

Er erwidert: Durch den Neubau der Trasse entstünden weitestgehend keine vermeidbaren Immissionsbelastungen gemäß § 50 BImSchG. Die schalltechnischen Untersuchungen seien vorschriftsmäßig erfolgt; Grenzwertüberschreitungen nach der maßgeblichen 16. BImSchV seien bis auf eine Ausnahme, bei der eine eingetretene Überschreitung von Immissionspegeln an einem Wohnhaus mit Maßnahmen des passiven Schallschutzes begegnet werde, nicht zu verzeichnen. Dass der Gesetzgeber weiterhin mit dieser Verkehrsverbindung plane, ergebe sich aus dem von der Bundesregierung verabschiedeten BVWP 2030 vom 03.08.2016, wo die Verbindung wieder im vordringlichen Bedarf aufgeführt werde. Allein der Umstand, dass bislang nur die Ortsumfahrung W. planerisch umgesetzt sei, bedeute nicht, dass nicht weitere Abschnitte folgen werden. Darüber hinaus wäre grundsätzlich auch eine nur teilweise Umsetzung des Gesamtvorhabens in Gestalt der Ortsumfahrung W. aufgrund der beschriebenen Entlastungswirkung für die Ortschaft erforderlich. Auch die Annahme des Klägers, dass die demografische Entwicklung in Sachsen-Anhalt eine solche Trassenplanung nicht rechtfertige, sei eine unbelegte Behauptung. Eine derartige infrastrukturelle Maßnahme diene gerade der wirtschaftlichen Entwicklung des Raums, solle darüber hinaus den überregionalen Verkehr aus den Ortslagen heraushalten und Anbindungen an übergeordnete Verkehrsadern schaffen. Hierzu sei vor der eigentlichen Fachplanung ein Raumordnungsverfahren durchgeführt worden, das am 22.01.2008 mit einer landesplanerischen Beurteilung abgeschlossen worden sei, die die Notwendigkeit des Projekts mit den Zielen der Raumordnung und der Landesentwicklungsplanung bestätigt habe. Die vom Kläger vorgeschlagene Umsiedlung betroffener Einwohner stehe in keinem Verhältnis zu den für den Kläger hinnehmbaren Einschränkungen auf seinem Grundstück.

66

Feldlerchenfenster und Blühstreifen seien auch grundsätzlich geeignet, um die Lebensräume für Offenlandarten erheblich aufzuwerten. Die Fläche, auf dem die Maßnahme EFCS 1.2 umgesetzt werden solle, entspreche dem typischen Lebensraum der Feldlerche. Es handele sich um eine Ackerfläche ohne Gehölzstrukturen. Das Umfeld bestehe aus Offenland (Acker, Grünland, Brachen) und weise einen geringen Anteil an vertikalen Strukturen (z.B. Baumreihe, Hecke) auf. Bei den Kartierungen zur geplanten Ortsumfahrung W. hätten dort mehrere Reviere der Feldlerche nachgewiesen werden können. Die Maßnahme EFCS 1.2 werde im Maßnahmenblatt auch hinreichend genau beschrieben. Der darin vorgesehene Abstand zwischen Lerchenfenstern und Gehölzen von 50 m sei auch nach Auffassung der oberen Naturschutzbehörde ausreichend, um sicherzustellen, dass die Fenster einen positiven Effekt auf die Feldlerche haben. Insoweit werde verwiesen auf aktuelle Erkenntnisse bei der umfangreichen Erprobung von Feldlerchenfenstern im Rahmen des Sächsischen Bodenbrüterprojekts sowie auf den Abschlussbericht für das Projekt "1.000 Äcker für die Feldlerche" des Naturschutzbundes Deutschland. Es sei keine aktuelle Fachmeinung bekannt, die den empfohlenen Mindestabstand in Frage stelle. Soweit sich der Kläger auf OELKE (1968) stütze, sei dem entgegen zu halten, dass nach dessen Meinung die Feldlerche zwar zu benachbarten Wald- oder Siedlungsgebieten einen Trennabstand einhalte, der in der norddeutschen Kulturlandschaft 160 m betrage; gegenüber hainartigen Baum- und Strauchgruppen, Einzelbäumen oder Einzelgebäuden wahre die Feldlerche nach OELKE aber keinen Sicherheitsabstand. Die hier in Rede stehende Maßnahmenfläche werde im Norden durch eine Bau-/Strauchreihe begrenzt, die nicht mit einer Waldfläche, wie OELKE sie meine, gleichgesetzt werden könne. Die Gehölzstrukturen entlang der Ohre seien hier galerieartig und lückenhaft.

67

Die Fläche EFCS 1.2 sei aufgrund ihrer naturräumlichen Ausstattung als Lebensraum auch für das Rebhuhn geeignet, das auch in offenen Acker- und Grünlandgebieten vorkomme. Eine Mindestausstattung mit Weg- und Feldsäumen, Hecken, Feldgehölzen, Gebüschen oder Brachen sei Voraussetzung für das Vorkommen der Art. Eine Meidung von Gehölzstrukturen sei nicht bekannt. Bei den Kartierungen zum Brutvogelatlas des Altkreises H. sei das Rebhuhn im Raum W. und auch nördlich, östlich und südlich davon als Brutvogel nachgewiesen worden. Es gebe ferner Beobachtungen aus dem Jahr 2014. Durch die Etablierung von Blühstreifen würden auf der Maßnahmenfläche Strukturen mit den Funktionen "Neststandort", "Sichtschutz vor Feinden" und "Nahrungshabitat" für das Rebhuhn geschaffen. Gegenüber der bisherigen Ackernutzung stellten diese Streifen eine erhebliche Aufwertung für das Rebhuhn dar. Durch Hochwasserschutz- und Meliorationsmaßnahmen sei die Maßnahmenfläche EFCS 1.2 trotz ihrer Lage nahe der Ohre kein feuchter Standort. Die vom Kläger herangezogene Karte verweise lediglich auf die Grenze des Bereichs, der statistisch alle 100 Jahre überflutet werde. Darüber hinaus werde der Standort offensichtlich langjährig als Acker genutzt, was voraussetze, dass eine Beeinflussung durch höher anstehendes Grundwasser oder Überschwemmungen vergleichsweise selten auftreten.

68

Dem Einwand des Klägers, es bahnten sich Vollzugsdefizite an, sei entgegen zu halten, dass Maßnahmen grundsätzlich so zu planen seien, dass sich das mit der Maßnahme verknüpfte Ziel auch einstellen könne. Für die Vorhabenträgerin ergebe sich daraus direkt die Notwendigkeit zur Durchführung von Herstellungs-, Pflege- und Funktionskontrollen, die bei allen landschaftspflegerischen Maßnahmen erforderlich seien. Die Planunterlagen seien im Planfeststellungsverfahren von der oberen und unteren Naturschutzbehörde geprüft und für ausreichend beschrieben und bestimmt erachtet worden, um die jeweiligen Zielstellungen zu erreichen. Auch die artenschutzrechtlich relevanten Begriffe in den LBP-Unterlagen seien hinreichend bestimmt; sie entsprächen den einschlägigen Vorgaben.

69

Zwischen dem Zeitintervall für die Unterhaltungspflege (jährliche Überprüfung der Einhaltung der Nutzungsbeschränkungen) und der Kontrolle der Maßnahme an sich bestehe kein Widerspruch, da die Kontrollen jeweils ein anderes Ziel verfolgten. Die zuerst genannte Kontrolle beziehe sich auf die Umsetzung der Maßnahme, die an zweiter Stelle genannte Kontrolle diene der Überprüfung des Erfolgseintritts. Da aus unterschiedlichen Untersuchungen hinreichend bekannt sei, dass die Maßnahmen eine gute Wirksamkeit aufweisen und zudem das zu erwartende Aufwertungspotenzial zurückhaltend (konservativ) eingeschätzt werde, seien ein jährliches Erfolgsmonitoring (mit Feldlerchenkartierung) und eine jährliche Funktionskontrolle nicht zwingend erforderlich. Da die Vorhabenträgerin jedoch selbst an einer zweifelsfreien Nachweisführung der Funktionsfähigkeit aller Artenschutzmaßnahmen interessiert sei, habe sie ein entsprechendes Monitoring veranlasst, wobei die Leistungen für 2016 bereits weitgehend erbracht und für 2017 schon vertraglich gebunden seien. Das Monitoring sehe zum einen eine Revierkartierung und zum anderen eine Ergebnis(risiko)bewertung vor. Es sei vorgesehen, das Monitoring vorerst jährlich zu verlängern, bis von einer sicheren Funktionsfähigkeit auszugehen sei. Sollten sich bei den Funktionskontrollen wider Erwarten Erfolgsdefizite ergeben, seien diese über ein dann erforderliches Risikomanagement zu beheben. Die Vorhabenträgerin sei entsprechend dem Aufgabenspektrum mit qualifiziertem Fachpersonal ausgestattet. Für Aufgabenbereiche, die fachspezifisch nicht hinreichend bedient werden könnten, würden entsprechend qualifizierte und erfahrene Auftragnehmer gebunden.

70

Ein Vorkommen der vom Kläger angeführten nichtheimischen orientalischen Feldlerche sei nicht zu erwarten. Die Art sei zwar in Deutschland schon gesichtet worden, werde aber in Deutschlands Vogelartenliste nicht aufgeführt. Ein Eindringen lokalpopulationsfremder Feldlerchen sei zwar nicht ausgeschlossen, dürfte aber die Ausnahme sein.

71

Der Kläger habe zur Änderung der Maßnahme EFCS 1.2 nicht angehört werden müssen, da sich an seiner Betroffenheit nichts Signifikantes geändert habe. Nach wie vor sei, vorgesehen, sein Grundeigentum mit einer Dienstbarkeit zugunsten der Vorhabenträgerin zu belasten. Die von ihm geschlossenen Pachtverträge blieben davon unberührt; er werde weiterhin den "normalen" Pachtzins erhalten. Die ökonomischen Interessen des Klägers würden durch die Umplanung nicht weitergehend beeinträchtigt. Auch unter Berücksichtigung der Blühstreifen stelle die Inanspruchnahme des Grundstücks keine unangemessene, für den Kläger unzumutbare Beeinträchtigung dar. Die Maßnahme EFCS 1.2 sei als produktionsintegrierte Maßnahme inhaltlich zwingend an die dauerhafte Bewirtschaftung als Ackerland gebunden, so dass ein Wertverlust des Ackerlandes nicht eintrete. Darüber hinaus werde der Kläger für alle entstehenden Bewirtschaftungserschwernisse und Ertragsausfälle durch die Vorhabenträgerin auf der Grundlage eines Gutachtens, das für jedes Bewirtschaftungsjahr neu erstellt werde, entschädigt. Im Übrigen sei das Interesse des Klägers, sein Grundstück bestmöglich zu Zwecken der Intensivlandwirtschaft zu verpachten und so eine optimale Grundrente zu erzielen, nicht bedingungslos schutzwürdig. Unabhängig davon würde ein aus einer unterblieben Anhörung resultierender Verfahrensfehler nicht zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen, da nicht die konkrete Möglichkeit bestanden habe, dass die Entscheidung anders ausgefallen wäre, wenn der Kläger die geänderten Pläne durch die Vorhabenträgern übermittelt bekommen habe. Zudem habe sich der Kläger unaufgefordert am Änderungsverfahren beteiligt, im Schreiben vom 13.04.2016 insbesondere auch zu den Blühstreifen.

72

Er habe keine Kenntnis davon, dass die Vorhabenträgerin mit Dritten über den Austausch von Flächen verhandelt und insoweit die von der Baumaßnahme Betroffenen ungleich behandle. Ihm sei nur bekannt, dass durch die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt auf Anfrage der Kirchengemeinde W. Tauschflächen vorgeschlagen worden seien. Ein Ankauf von Flächen durch die Vorhabenträgerin sei aus haushaltsrechtlichen Gründen ohne Planfeststellungsbeschluss und vorliegendem Baurecht nicht möglich. Zudem könne die Vorhabenträgerin nur Flächen ankaufen, die zur Erfüllung der Aufgaben als Baulastträger erforderlich seien; ein Aufkauf von Flächen "auf Vorrat" sei nicht zulässig.

73

Es sei auch der Nachweis geführt worden, dass die Inanspruchnahme privater Grundstücke erforderlich sei, weil die Suche nach geeigneten öffentlichen Flächen nicht erfolgreich gewesen sei.

74

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage ist zulässig.

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1. Sie ist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO innerhalb eines Monats, nachdem der Planfeststellungsbeschluss dem Kläger zugestellt war, erhoben und gemäß den Anforderungen des § 17e Abs. 5 Satz 1 FStrG innerhalb von sechs Wochen ab Klageerhebung begründet worden.

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2. Der Kläger ist als Eigentümer eines durch die Planfeststellung unmittelbar betroffenen Grundstücks auch klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO.

78

II. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig, soweit das Grundstück des Klägers für die Maßnahme EFCS 1.2 in Anspruch genommen wird. Dies rechtfertigt nicht die mit dem Hauptantrag verfolgte Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, aber die im ersten Hilfsantrag begehrte Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.

79

Der Kläger hat grundsätzlich Anspruch auf eine umfassende objektiv-rechtliche Planprüfung, d.h. er kann die Aufhebung oder die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses bereits dann verlangen, wenn dieser nicht „gesetzmäßig“, also rechtswidrig ist (sog. Vollüberprüfungsanspruch). Ein von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffener kann eine gerichtliche Überprüfung des Plans auf seine objektive Rechtmäßigkeit verlangen; für eine unmittelbare Betroffenheit eines Grundstückseigentümers genügt es, wenn das Grundstück (teilweise) mit einer Dienstbarkeit belastet werden soll (BVerwG, Urt. v. 28.04.2016 – BVerwG 9 A 14.15 –, juris, RdNr. 15; Beschl. v. 23.01.2015 – BVerwG 7 VR 6.14 –, NVwZ-RR 2015, 250 [251], RdNr. 11 in juris). Letzteres ist hier der Fall, da auf dem Grundstücks des Klägers naturschutzrechtliche Maßnahmen vorgesehen sind, die durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB) dinglich gesichert werden sollen. Bei der – ggf. erforderlichen – zwangsweisen Belastung des Eigentums an einem Grundstück mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit handelt es sich um eine Enteignung (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.10.2002 – BVerwG 4 C 7.01 –, BVerwGE 117, 138 [139], RdNr. 7 in juris, m.w.N.).

80

Der Anspruch des von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffenen unterliegt allerdings Einschränkungen. Nicht jeder objektiv-rechtliche Fehler, der einer Planung anhaftet, führt zur (vollständigen oder teilweisen) Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit. Diese Rechtsfolge scheidet vielmehr aus, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler für die Eigentumsbetroffenheit des Klägers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein als verletzt geltend gemachter öffentlicher Belang nur von örtlicher Bedeutung ist und auch die fehlerfreie Beachtung dieses Belangs nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks führen würde. Dem entspricht es, dass etwa ein behaupteter Verstoß gegen die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nur dann der Anfechtungsklage eines Eigentumsbetroffenen zum Erfolg verhelfen kann, wenn dieser Verstoß kausal gerade für seine Eigentumsinanspruchnahme ist. Schließlich können behauptete Verstöße gegen zwingende Vorschriften des nationalen oder unionsrechtlichen Naturschutzrechts dann nicht zu einem Erfolg eines Anfechtungsbegehrens führen, wenn die Planung lediglich an Mängeln leidet, die für die Sachentscheidung nicht von Einfluss gewesen oder durch eine schlichte Planergänzung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 23.01.2015, a.a.O., RdNr. 12, m.w.N.).

81

Der mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung planbetroffene Kläger ist im gerichtlichen Verfahren auch nicht an der Geltendmachung solcher Mängel gehindert, hinsichtlich deren § 17 Satz 3 FStrG i.V.m. § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG eine materielle Präklusion vorsieht. Die Präklusionsvorschrift des § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG findet hier keine Anwendung. Nach dem am 02.06.2017 in Kraft getretenen § 7 Abs. 4 UmwRG in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29.05.2017 (BGBl. I S. 1298), der der vollständigen Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15.10.2015 – C-137/14 – dient (BT.Drs. 18/9526, S. 43), findet § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG in Rechtsbehelfsverfahren gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG keine Anwendung. § 7 Abs. 4 UmwRG schließt die Anwendbarkeit der Präklusionsregelung des § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG auch in Fällen aus, in denen eine UVP-Pflicht bestehen kann, wenn eine Vorprüfung des Einzelfalls die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen ergibt (BVerwG, Beschl. v. 29.06.2017 – BVerwG 9 A 8.16 –, juris, RdNr. 5). Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten stellt eine solche Entscheidung dar. Es handelt sich um eine Entscheidung im Sinne von § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG über die Zulässigkeit eines Vorhabens, für das eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann. Für den Bau der Ortsumgehung der B 71n als "Bau einer sonstigen Bundesstraße" nach Nr. 14.6 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 1 Satz 1 UVPG besteht gemäß § 3c Satz 1 UVPG eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 zu berücksichtigen wären.

82

1. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss weist keine formellen Mängel auf, die dem Klagebegehren ganz oder teilweise zum Erfolg verhelfen.

83

1.1. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht deshalb aufzuheben oder für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, weil der Kläger zu Änderungen der Planunterlagen nach deren Auslegung nicht angehört wurde.

84

Soll ein ausgelegter Plan geändert werden und werden dadurch der Aufgabenbereich einer Behörde oder einer Vereinigung nach § 73 Abs. 4 Satz 5 oder Belange Dritter erstmals oder stärker als bisher berührt, so ist diesen die Änderung mitzuteilen und ihnen Gelegenheit zu Stellungnahmen und Einwendungen innerhalb von zwei Wochen zu geben (§§ 17 Satz 3, 17a FStrG i.V.m. § 73 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 VwVfG). Die Belange der Dritten müssen durch die unmittelbaren Folgen der Planänderung selbst berührt werden und nicht erst durch mittelbare weitere Folgen, die sich aufgrund der Verflochtenheit aller Belange in der Abwägung ergeben mögen (BVerwG, Beschl. v. 12.06.1990 – BVerwG 4 B 101.89 –, NVwZ 1990, 366; Neumann, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 73 RdNr. 137, Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 73 RdNr. 140). Umstritten ist allerdings, ob die nachteilige Änderung wesentlich (erheblich) sein muss, geringfügige Neubelastungen also nicht ausreichen (so Neumann, a.a.O.). Gegen diese Auffassung spricht allerdings neben dem Wortlaut, dass die Beteiligung gerade dazu dient, das Gewicht der zusätzlichen Betroffenheit zu ermitteln und für die Behörde der Grad der Betroffenheit ohne nähere Angaben häufig gar nicht feststellbar ist (vgl. Schink, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 10. Aufl., § 73 RdNr. 168; Kopp/Ramsauer, a.a.O.; Allesch/Häußler, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., § 78 RdNr. 154),

85

1.1.1. Unabhängig davon, welcher Meinung zu folgen ist, hätte hier wegen der Änderung des Maßnahmenblatts EFCS 1.2 eine Anhörung des Klägers nach § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG erfolgen müssen. Dieser Verfahrensmangel ist aber unbeachtlich.

86

a) Da der landschaftspflegerische Begleitplan (LBP) gemäß § 17 Abs. 4 Satz 5 BNatSchG Bestandteil des Fachplans ist, die beiden Pläne mithin eine rechtliche Einheit bilden (BVerwG, Beschl. v. 22.05.1995 – BVerwG 4 B 30.95 –, NVwZ-RR 1997, 217 [218]), RdNr. 7 in juris), führt auch eine Änderung des LBP dazu, dass die von einer darin vorgesehenen Maßnahme in ihrem Grundeigentum Betroffenen gemäß § 73 Abs. 8 VwVfG zu der Änderung angehört werden müssen, wenn für sie daraus eine stärkere (nicht nur unwesentliche) Betroffenheit folgt. Denn die rechtliche Schicksalsgemeinschaft von LBP und Fachplan bedeutet u.a., dass der LBP Teil der Antragsunterlagen ist und im Planfeststellungsverfahren wie der Fachplan öffentlich auszulegen und wie dieser Gegenstand der Bürgerbeteiligung ist (Meßerschmidt, BNatSchG, § 17 RdNr. 64, m.w.N.). Die Änderung des Maßnahmenblatts EFCS 1.2 des LBP war nicht nur unwesentlich. Durch diese Änderung, die zusätzlich zum Anlegen von Lerchenfenstern die Herstellung von Blühstreifen mit einer Gesamtfläche von mindestens 0,3 ha vorsieht, wird zwar kein zusätzliches Grundeigentum des Klägers in Anspruch genommen. Die auferlegte Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung wird dadurch aber nicht nur unwesentlich verstärkt. Die geforderten Blühstreifen auf eine Fläche von mindestens 0,3 ha beanspruchen immerhin fast 10 % der Gesamtfläche der FCS-Maßnahme von 3,82 ha.

87

Die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger die Änderung des Maßnahmenblatts EFCS 1.2 mitzuteilen, ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Vorhabenträgerin den Kläger bereits mit E-mail vom 26.01.2015 unter Beifügung der entsprechenden Maßnahmenblätter darüber informiert hatte, dass im Lauf der Anhörung mit den Naturschutzbehörden "unwesentliche Änderungen/Ergänzungen" der zukünftigen landwirtschaftlichen Nutzung abgestimmt worden seien. Eine solche Information seitens des Vorhabenträgers vermag die Mitteilung der Anhörungsbehörde nach § 73 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 VwVfG nicht zu ersetzen. Eine Anhörung bedarf der aktiven Handlung der Verwaltung, den Betroffenen auf die relevanten Umstände hinzuweisen, die als Voraussetzungen für eine Maßnahme gegeben sind, und ihn mit der beabsichtigten Maßnahme zu konfrontieren. Sodann muss die Behörde dem Betroffen zeitlich angemessen die Möglichkeit geben, Stellung zu allen relevanten Details im tatsächlichen wie rechtlichen Rahmen zu nehmen. Zudem muss die Behörde sicherstellen, dass eine Stellungnahme des Betroffenen sie auch rechtzeitig vor der zu treffenden Entscheidung erreichen kann und dass – abschließend – die Ausführungen von den zur Entscheidung berufenen Bediensteten auch tatsächlich zur Kenntnis genommen und im Entscheidungsprozess berücksichtigt werden (vgl. zu § 28 Abs. 1 HVwVfG: HessVGH, Urt. v. 27.02.2013 – 6 C 824/11.T –, juris, RdNr. 47). Ist der nach außen handelnden Behörde bekannt, dass die Betroffenen im Rahmen informaler Kontakte mit dem Vorhabenträger Gelegenheit hatten, sich auch zu der beabsichtigten Sachentscheidung zu äußern, kann dies zwar je nach den Umständen des Einzelfalls ein Grund sein, im Rahmen ihres Ermessens nach § 28 Abs. 2 VwVfG von einer Anhörung abzusehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2013 – BVerwG 7 B 18.13 –, DVBl 2014, 303, [303], RdNr. 12 in juris). So liegt es hier aber nicht. Der Beklagte hat nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 229) nicht wegen der Mitteilung der Vorhabenträgerin an den Kläger vom 26.01.2015 von einer Anhörung des Klägers nach § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG abgesehen, sondern allein deshalb, weil nach seiner Auffassung eine stärkere Berührung des Grundeigentums des Klägers durch die Anpassung der Maßnahme EFCS 1.2 nicht vorliege.

88

b) In der unterbliebenen Mitteilung der Änderung des Maßnahmenblatts EFCS 1.2 im LBP an den Kläger durch den Beklagten als dafür zuständige Anhörungsbehörde liegt aber nur ein gemäß § 17 Satz 3 FStrG i.V.m. §§ 72 Abs. 1 Satz 1, 46 VwVfG unbeachtlicher Mangel.

89

Gemäß § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Ergebnisrelevanz in diesem Sinne liegt vor, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre; eine nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genügt nicht (BVerwG, Urt. v. 31.07.2012 – BVerwG 4 A 7001/11 u.a. –, BVerwGE 144, 44 [55], RdNr. 34 in juris, m.w.N.). Bei Anhörungsfehlern bei Entscheidungen mit Beurteilungs- und/oder Ermessensspielräumen erfordert diese Prüfung eine hypothetische Betrachtung: Es ist zu prüfen, was der Betroffene bei fehlerfreier Anhörung vorgetragen hätte und ob dieser Vortrag objektiv geeignet gewesen wäre, die Sachentscheidung der Behörde zu beeinflussen (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2013 – BVerwG 7 B 18.13 –, a.a.O., RdNr. 24, m.w.N.). Diese Betrachtung ist auch bei Planungsentscheidungen geboten. Gelingt es dem Gericht, sich auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnismittel davon zu überzeugen, dass die Entscheidung auch ohne den festgestellten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre, führt der Fehler gemäß § 46 VwVfG weder zur Aufhebung noch zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Verwaltungsakts (BVerwG, Beschl. v. 21.06.2016 – BVerwG 9 B 65.15 –, juris, RdNr. 5, m.w.N.).

90

Gemessen daran ist der dem Beklagten unterlaufene Verfahrensfehler unbeachtlich. Es besteht nicht die konkrete Möglichkeit, dass der Beklagte eine andere Entscheidung insbesondere in Bezug auf die Maßnahme EFCS 1.2 getroffen hätte, wenn nach der Änderung des Maßnahmenblatts eine den Vorgaben des § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG entsprechende Mitteilung an den Kläger ergangen wäre.

91

Es ist bereits fraglich, ob der Kläger bei entsprechender Mitteilung durch den Beklagten überhaupt Einwände gegen die Änderung der Maßnahme EFCS 1.2 vorgetragen hätte. Die Vorhabenträgerin hatte den Kläger bereits mit E-mail vom 26.01.2015 (Beiakte A, Anlage A9) über die Änderung des LBP unter Beifügung der entsprechenden Maßnahmenblätter informiert. Nach dieser Mitteilung erhob der Kläger inhaltlich (zunächst) keine Einwände gegen diese Änderung, auch nicht in seinem Schreiben vom 13.01.2016 (vgl. Beiakte A, Anlage A2). Erst im Zusammenhang mit seinen in den Schriftsätzen vom 02.03.2016 (Beiakte A, Anlage A4) und 13.04.2016 (Beiakte A, Anlage A7) enthaltenen Befangenheitsanträgen rügte er, dass er nach § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG zu der ihn betreffenden Änderung des LBP hätte angehört werden müssen und der Beklagte die unterbliebene Mitteilung nicht mit dem Verweis auf eine nur unwesentliche Änderung rechtfertigen könne.

92

Selbst wenn eine Mitteilung der Anhörungsbehörde nach § 73 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 VwVfG den Kläger dazu veranlasst hätte, Einwendungen gegen die Planänderung zu erheben, ist davon auszugehen, dass diese Einwendungen, für die der Kläger nur zwei Wochen Zeit hatte, nicht den Umfang erreicht hätten, wie sie in der anwaltlich verfassten Klageschrift enthalten sind. In den beiden letzten Schreiben vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom 02.03.2016 und 13.04.2016 rügte der Kläger im Wesentlichen nur die verfahrensfehlerhaft unterbliebene Mitteilung nach § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG, ohne sich inhaltlich mit der sein Grundstück betreffenden Änderung des LBP zu befassen. Im Schreiben vom 13.04.2016 trug er zu dieser Änderung inhaltlich nur so viel vor: Die mit der Planänderung einhergehende Wirkung der Maßnahme auf sein Flurstück besitze einen ganz anderen Charakter als die ursprüngliche Maßnahme, soweit zusätzlich auch 0,3 ha Fläche als Blühstreifen aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen werden sollen, wobei nicht nachvollziehbar dargelegt sei, worauf sich diese Größenangabe beziehen solle. Da der Vorhabenträger in seiner Stellungnahme vom 03.03.2016 angegeben habe, dass sein Grundstück mit dem 0,3 ha großen Blühstreifen "belastet" werden könne, umfasse der mögliche Eingriff in sein Eigentum im Sinne einer Änderung der landwirtschaftlichen Nutzung nunmehr etwa bis zu 38 % bzw. zusammen mit den Lerchenfenstern etwa bis zu 40 % seiner Gesamtfläche. Daraus ergäben sich erhebliche Auswirkungen auf den erzielbaren Pachtzins (ca. 430 € pro Jahr) bzw. den Grundstückswert. Ferner ergebe sich aus dem geänderten Text, dass Mais nur jedes vierte Jahr angebaut werden dürfe, was ebenfalls Auswirkungen auf Verpachtungsmöglichkeiten habe.

93

Legt man diese Ausführungen als hypothetischen Vortrag im Fall einer ordnungsgemäßen Anhörung zugrunde, wäre er jedenfalls objektiv nicht geeignet gewesen, die Sachentscheidung des Beklagten zu beeinflussen. Dies folgt aus dem Antwortschreiben vom 07.06.2016 (Beiakte A, Anlage A8), in welchem der Beklagte ausführte, die vom Kläger beschriebene Folge, dass sein Grundstück nunmehr zu 38 bis 40 % betroffen sei, sei weder nachvollziehbar noch zutreffend. Die Anordnung der Lerchenfenster und Blühstreifen werde im Rahmen der landschaftspflegerischen Ausführungsplanung in Absprache mit dem Bewirtschafter festgelegt. Zu den voraussichtlichen Nutzungseinschränkungen sei der Kläger bereits durch den Vorhabenträger mit E-mail vom 26.01.2015 und 03.03.2016 aufgeklärt worden. In der E-mail vom 03.03.2016 habe die Vorhabenträgerin dazu ausgeführt, die Blühstreifenfläche (0,3 ha) beziehe sich auf die gesamte Maßnahmenfläche EFCS 1.2. Die im Abstand von ca. 100 m anzulegenden, mindestens 10 m breiten Blüh-/Brachestreifen könnten periodisch wechseln und kämen damit nicht unbedingt auf dem jetzigen Flurstück 112/3 zu liegen.

94

1.1.2. Der Beklagte musste dem Kläger nicht gemäß § 73 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 VwVfG mitteilen, dass entgegen früherer Aussagen beabsichtigt war, ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren durchzuführen, und er als Enteignungsbehörde am 19.08.2015 einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Der Antrag der Enteignungsbehörde stellt keine Planänderung im Sinne dieser Regelung dar. Die Frage, ob zur Minderung der Auswirkungen eines Planvorhabens eine Unternehmensflurbereinigung in Betracht zu ziehen ist, ist grundsätzlich nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens, sondern eines ihm gemäß § 19 FStrG nachfolgenden Enteignungsverfahrens (BVerwG Urt. v. 14.04.2010 – BVerwG 9 A 13.08 –, BVerwGE 136, 332 [344], RdNr. 37 in juris). Eine Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens bereits nach Einleitung des Planfeststellungsverfahrens gemäß § 87 Abs. 2 FlurbG erfolgte hier ungeachtet eines entsprechenden Antrages der Enteignungsbehörde nicht. Selbst wenn eine solche Anordnung nach § 87 Abs. 2 FlurbG erfolgt, bleibt das Unternehmensflurbereinigungsverfahren ein eigenständiges Verfahren und stellt keine Planänderung im Sinne von § 73 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 VwVfG dar.

95

1.2. Die vom Kläger geltend gemachten Verstöße gegen Vorschriften zur Befangenheit liegen nicht vor.

96

Maßgeblich ist insoweit die nach § 17 Satz 3 FStrG i.V.m. § 72 VwVfG anzuwendende Bestimmung des § 21 Abs. 1 VwVfG. Ein Grund im Sinne dieser Regelung, der geeignet ist, Misstrauen gegen die unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, liegt vor, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden; die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht nicht aus (BVerwG, Urt. v. 16.06.2016 – BVerwG 9 A 4.15 –, juris, RdNr. 26, m.w.N.).

97

1.2.1. In seinem Schreiben vom 02.03.2016 stützte der Kläger sein Ablehnungsgesuch zunächst darauf, dass "die Planfeststellungsbehörde" nach Bekundungen eines Rechtsanwalts im Rahmen einer Sitzung des Stadtrates der Stadt H. am 18.02.2016 Zeitpunkte mit verbindlichem Charakter über die Fertigstellung des Planfeststellungsbeschlusses nach außen kommuniziert habe, die zweimal nicht eingehalten worden seien, worüber die Bürger in W. enttäuscht und wütend seien. Die Angabe eines verbindlichen Zeitpunktes sei aber weder sachgerecht noch rechtens. Durch die Nichteinhaltung früherer Zusagen hätten sich "die am Verfahren beteiligten Mitarbeiter" unglücklich in das Druckfeld einer nunmehr erzürnten Öffentlichkeit und fordernden Lokalpolitik manövriert. Unter diesen Umständen sehe er die Interessenneutralität "der am Verfahren beteiligten Mitarbeiter, wenn nicht gar die der Planfeststellungsbehörde" in einem unzumutbaren Ausmaß gefährdet, insbesondere weil sich "ein Mitarbeiter der Behörde" nun noch einmal aus dem Fenster zu lehnen scheine und nochmals einen neuen Fertigstellungstermin (Ende des 1. Quartals 2016) versprochen habe. Für einen erneuten, unbefangenen Abwägungsprozess bleibe nunmehr wenig Zeit, so dass der Beklagte Gefahr laufe, von einer einseitigen Festlegung nicht wieder abrücken zu können, selbst wenn sich die Sachlage z.B. infolge seiner Erläuterung vom 13.01.2016 erheblich anders darstelle und zu einem anderen Ergebnis oder Verfahrensablauf geführt hätte, z.B. dass der Beklagte der Vorhabenträgerin noch aufgebe, den Nutzen der Ortsumgehung genauer zu konkretisieren.

98

Soweit diesem Vortrag zu entnehmen sein sollte, der Kläger halte die Planfeststellungsbehörde insgesamt für voreingenommen, stellt dies schon deshalb keinen hinreichenden Ablehnungsgrund dar, weil die Rechtsordnung eine institutionelle Befangenheit einer Behörde nicht kennt; die Vorschriften der §§ 20 und 21 VwVfG regeln lediglich den Ausschluss und die persönliche Befangenheit von einzelnen Mitarbeitern (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.06.2016, a.a.O., RdNr. 29).

99

Aber auch in Bezug auf einzelne Mitarbeiter des Beklagten, insbesondere die im Planfeststellungsverfahren tätige Sachbearbeiterin und den Leiter der Planfeststellungsbehörde als deren Vorgesetzter, bestand bei objektiver Betrachtung nicht die Besorgnis, dass sie infolge der von Bürgern geforderten zeitnahen Entscheidung und ggf. früherer Angaben zum Entscheidungszeitpunkt bzw. -zeitraum ihr Amt nicht unparteiisch ausüben.

100

Dem vom Kläger vorgelegten Auszug aus einer Sitzung des Stadtrates der Stadt H. (Einwohnerfragestunde) lässt sich schon nicht mit Sicherheit entnehmen, dass Mitarbeiter des Beklagten zuvor mit hinreichender Verbindlichkeit einen Zeitpunkt oder Zeitraum nannten, zu dem bzw. innerhalb dessen der Planfeststellungsbeschluss erlassen werden sollte. Selbst wenn ein Zeitpunkt oder Zeitraum genannt worden sein sollte, ließe sich daraus nicht die Besorgnis ableiten, dass die mit dem Planfeststellungsverfahren betrauten Mitarbeiter über die mit Schreiben vom 13.01.2016 wiederholten und vertieften Einwände des Klägers nicht unparteiisch entscheiden würden. Etwaigen sachfremden politischen Einflussnahmen müssen sich die Amtsträger der für das Planfeststellungsverfahren zuständigen Behörde aufgrund ihrer Pflicht zur Unparteilichkeit und innerer Distanz gegenüber jedermann gegebenenfalls erwehren (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.12.1986 – BVerwG 4 C 13.85 –, BVerwGE 75, 214 [229 f.], RdNr. 67 in juris; VGH BW, Beschl. v. 26.07.2004 – 8 S 902/04 –, juris, RdNr. 39). Gleiches gilt für Versuche von Einflussnahmen vonseiten der Öffentlichkeit.

101

Auch das Verhalten von Mitarbeitern des Beklagten, insbesondere der vom Kläger bezeichneten Sachbearbeiterin nach Eingang des Schreibens des Klägers vom 13.01.2016 lässt keinen Schluss darauf zu, dass sie sich unter dem möglicherweise von außen an die Planfeststellungsbehörde herangetragenen Druck, den Planfeststellungsbeschluss zeitnah zu erlassen, nicht mehr unbefangen mit den Einwänden des Klägers auseinandersetzen würde. Mit Schreiben vom 10.02.2016 teilte sie dem Kläger mit, dass sie die Ergänzung seiner Einwendungen dem Vorhabenträger mit der Bitte um Prüfung übersandt habe und sie die darin gemachten Ausführungen, soweit sie keine neuen, der Präklusion unterfallenden Einwendungen enthielten sondern nur die bisherigen Einwände konkretisiert würden, berücksichtigen werde. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die Sachbearbeiterin in Wirklichkeit an einer Berücksichtigung der ergänzten Einwände des Klägers wegen früherer Angaben von Mitarbeitern des Beklagten zu Entscheidungsterminen gehindert sah, liegen nicht vor. Es lässt sich insbesondere nicht feststellen, dass Angaben zu einem (voraussichtlichen) Entscheidungstermin gemacht wurden, nachdem bereits das Schreiben des Klägers vom 13.01.2016 beim Beklagten eingegangen war.

102

Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 02.03.2016 wurde auch formal ordnungsgemäß behandelt. Gemäß § 21 Abs. 1 VwVfG wurde der Behördenleiter über den Befangenheitsantrag unterrichtet. Weder er noch der von ihm mit der Prüfung des Befangenheitsantrages betraute Mitarbeiter trafen eine Anordnung, dass sich einzelne Bedienstete, insbesondere die Sachbearbeiterin, der Mitwirkung im Planfeststellungsverfahren zu enthalten haben. Die Sachbearbeiterin war bis zur Entscheidung des durch den Behördenleiter beauftragten Mitarbeiters auch nicht daran gehindert, sich jeglicher weiterer Tätigkeit im Planfeststellungsverfahren zu enthalten. Insbesondere ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, dass sie mit Schreiben vom 04.04.2016 dem Kläger ihre Rechtsauffassung zur Entbehrlichkeit einer Anhörung nach § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG wegen der Änderung der Maßnahme EFCS 1.2 darlegte und dem Kläger mitteilte, dass sie sein Schreiben vom 13.01.2016 an die Vorhabenträgerin mit der Bitte um Prüfung weitergeleitet habe und ihm die beantragte Akteneinsicht nach dem IZG LSA im Zusammenhang mit dem Vorwurf der politischen Bindung gewährt werde. Ein Mitwirkungsverbot besteht erst aufgrund einer dienstlichen Anordnung des Behördenleiters oder des von ihm Beauftragten; erst von diesem Zeitpunkt an hat sich der Amtswalter jeglicher Beteiligung am Verfahren zu enthalten (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 21 RdNr. 21; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 21 RdNr. 21). Deshalb zwingt ein Befangenheitsantrag eines Beteiligten auch noch nicht zum Abbruch des Verfahrens, bis eine Entscheidung des Behördenleiters vorliegt (Ritges, in Knack/Hennecke. VwVfG, 10. Aufl., § 21 RdNr. 29). Insofern besteht ein wesentlicher verfahrensrechtlicher Unterschied zu § 47 ZPO, wonach ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen hat, die keinen Aufschub dulden.

103

1.2.2. Auch die im Schreiben des Klägers vom 13.04.2016 aufgeführten Gründe rechtfertigen nicht die Besorgnis der Befangenheit der mit der Planfeststellung betrauten Sachbearbeiterin. Darin tritt der Kläger der von ihr geäußerten Rechtsauffassung entgegen, dass aufgrund der Maßnahme EFCS 1.2 eine Anhörung des Klägers nicht erforderlich gewesen sei und rügt ferner, dass er vonseiten des Beklagten nicht über das nunmehr doch stattfindende Unternehmensflurbereinigungsverfahren unterrichtet worden sei. Zudem macht er geltend, dass er durch diese Verfahrensführung über das wahre Ausmaß seiner Beeinträchtigung getäuscht worden sei.

104

Für eine Besorgnis der Befangenheit nicht ausreichend ist regelmäßig, dass ein Amtsträger allgemein bestimmte Rechtsauffassungen vertritt oder im Verfahren äußert, es sei denn, es liegen zusätzliche Gründe vor, die zu Zweifeln an der Unparteilichkeit des Amtsträgers Anlass geben, wie bestimmte Äußerungen zu dem anhängigen oder zu erwartenden Fall, insbesondere bei stark unsachlichen, diskriminierenden Äußerungen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 21 RdNr. 14, m.w.N.). Dies gilt auch, soweit es um die Auslegung von Verfahrensvorschriften geht. Auch wenn ein Richter bei der rechtlichen Beurteilung – insbesondere bei prozessualen Fragen – eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, reicht dies – selbst wenn die Ansicht rechtsirrig wäre – regelmäßig nicht aus, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.12.2016 – BVerwG 5 C 10.15 D –, juris, RdNr. 10). Nichts anderes gilt für die bei einer Behörde beschäftigten Amtsträger. Deshalb lässt sich allein aus der fehlerhaften Anwendung des § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG auf die den Kläger betreffende Änderung des LBP nicht die Annahme der fehlenden Unparteilichkeit der mit der Planfeststellung befassten Sachbearbeiterin herleiten.

105

Auch die Nichtunterrichtung des Klägers durch die Sachbearbeiterin, dass die Durchführung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens beantragt ist, stellt keinen Grund dar, der die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt. Wie oben bereits dargelegt, ist das Flurbereinigungsverfahren nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens. Zwar kann für die Abwägung der Belange der Eigentümer, deren Grundstücke in Anspruch genommen werden sollen, von Bedeutung sein, ob deren Landverlust durch eine Unternehmensflurbereinigung nach den §§ 87 ff. FlurBG gemildert werden soll. So ist es zulässig, dass die Planfeststellungsbehörde einzelne Regelungen der Unternehmensflurbereinigung in ihre Abwägung einbezieht, die zwar noch nicht durch Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans förmlich angeordnet worden sind, die aber nach den Umständen des Einzelfalles bei vernünftiger Betrachtungsweise objektiv zu erwarten sind; diese Voraussetzungen werden im allgemeinen dann erfüllt sein, wenn die Flurbereinigung im Zeitpunkt der Planfeststellung bereits so weit fortgeschritten und verfestigt ist, dass an ihrer Verwirklichung und damit an der von ihr vorgesehenen Lösung der durch das Unternehmen aufgeworfenen Probleme sinnvoll nicht mehr zu zweifeln ist (BVerwG, Urt. v. 18.12.1987 – BVerwG 4 C 32.84 –, NVwZ 1989, 145 [146 f.], RdNr. 33 f. in juris) Eine solche Fallkonstellation lag hier aber nicht vor, da die Durchführung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens für die Ortsumgehung W. erst nach dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses angeordnet wurde. Dem entsprechend kann es auch nicht als verfahrensfehlerhaft angesehen werden, dass der Beklagte den Kläger im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens nicht über den bereits vor Ergehen des Planfeststellungsbeschlusses gestellten Antrag, ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren durchzuführen, informierte.

106

Auch in Bezug auf die Behandlung dieses zweiten Ablehnungsgesuchs vom 13.04.2016 liegt kein formeller Fehler vor, der zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen würde, auch wenn über dieses zweite Gesuch, in welchem der Kläger andere Ablehnungsgründe geltend machte als im ersten, nicht förmlich entschieden wurde. Da eine Anordnung des Behördenleiters, sich der Mitwirkung im Planfeststellungsverfahren zu enthalten, weiterhin nicht vorlag, durfte die Sachbearbeiterin an der Fertigstellung des Planfeststellungsbeschlusses ohne Rücksicht auf den weiteren Befangenheitsantrag des Klägers mitwirken.

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2. Der Planfeststellungsbeschluss ist aber in materieller Hinsicht fehlerhaft.

108

2.1. Das Planvorhaben ist allerdings von der erforderlichen Planrechtfertigung getragen, deren Überprüfung der Kläger beanspruchen kann.

109

2.1.1. Die Planrechtfertigung für einen 3-streifigen Neubau der B 71n zwischen der A 14 und H. folgt daraus, dass das Vorhaben in den Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zum Fernstraßenausbaugesetz in der Fassung vom 20.01.2005 (BGBl. I S. 201) – FStrAbG – als Vorhaben mit dringlichem Bedarf aufgenommen wurde (Nr. 1215 der Anlage 1 zum FStrAbG).

110

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG entsprechen die in den Bedarfsplan aufgenommenen Bauvorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Die Feststellung, dass ein Verkehrsbedarf besteht, ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG für die Planfeststellung nach § 17 Satz 1 FStrG verbindlich. Diese Bindung gilt auch für das gerichtliche Verfahren; danach ist das Vorbringen, für den planfestgestellten Abschnitt der Bundesstraße bestehe kein Verkehrsbedarf, durch die gesetzgeberische Entscheidung grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.2016 – BVerwG 9 A 9.15 –, juris, RdNr. 53, m.w.N.). Die Bindungswirkung der gesetzlichen Feststellung eines Verkehrsbedarfs durch den Bedarfsplan nach dem FStrAbG erstreckt sich auch auf die im Bedarfsplan vorgesehene Dimensionierung der Straße (BVerwG, Urt. v. 26.03.1998 – BVerwG 4 A 7.97 –, NuR 1998, 605 [606], RdNr. 12 in juris), hier also auf den dreispurigen Ausbau der B 71n zwischen der A 14 und H..

111

Anhaltspunkte dafür, dass die Bedarfsfeststellung, einschließlich der vorgesehenen Dimensionierung, fehlerhaft und verfassungswidrig sein könnte, bestehen nicht. Das wäre nur der Fall, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich wäre, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raumes an jeglicher Notwendigkeit fehlte oder sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt hätten, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden könnte. Die angeordnete Bindungswirkung der gesetzlichen Bedarfsfeststellung zielt darauf ab, das straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren und damit ebenso einen anschließenden Verwaltungsprozess von einem Gutachterstreit über die "richtigere" Verkehrsprognose zu entlasten. Dieser Zweck des § 1 Abs. 2 FStrAbG schließt es somit aus, den Abwägungsvorgang, den der Gesetzgeber auf dieser Stufe vollzogen hat, unter dem Blickwinkel fachlich zu überprüfen, ob eine andere Verkehrsprognose vorzugswürdig sein könnte. Entscheidend ist allein, ob das Ergebnis der Normsetzung den anzulegenden verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 28.04.2016, a.a.O., RdNr. 54 f., m.w.N.).

112

Das Vorbringen des Klägers vermag den vom Gesetzgeber festgestellten (vordringlichen) Bedarf für eine leistungsfähige Verbindung zwischen der künftigen Nordverlängerung der A 14 und dem Mittelzentrum H. nicht in Frage zu stellen. Er wendet sich im Wesentlichen auch nur gegen die konkrete Linienbestimmung bzw. Variantenwahl der B 71n mit der Ortsumgehung W., die in der Anlage zum FStrAbG so nicht (ausdrücklich) vorgegeben ist.

113

Dem Bedarf für die Verbindung zwischen der A 14 und dem Mittelzentrum H. und damit auch für die Planrechtfertigung kann auch nicht entgegengehalten werden, es sei fraglich, ob die Nordverlängerung der A 14 (Lückenschluss Magdeburg – Wittenberge – Schwerin) tatsächlich gebaut werde. Denn auch der Neubau der A 14 zwischen der Anschlussstelle Dahlenwarsleben und Wittenberge (Landesgrenze Sachsen-Anhalt – Brandenburg) ist im FStrAbG (Nr. 1197 der Anlage) weiterhin als Vorhaben mit vordringlichem Bedarf aufgenommen. Somit ist der Bedarf auch für dieses Vorhaben gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG für die Planfeststellung verbindlich (vgl. dazu BayVGH, Urt. v. 04.11.2008 – 8 A 07.40043 –, juris, RdNr. 24). Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden (vgl. Urt. 03.05.2013 – BVerwG 9 A 16.12 – BVerwGE 146, 254 [259 ff.], RdNr. 18 ff.in juris), dass der vierstreifige Bau der A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin aufgrund der Ausweisung als Vorhaben des dringlichen Bedarf vernünftigerweise geboten ist. Dass es durch Klagen von Naturschutzvereinigungen hinsichtlich einzelner Abschnitte zu Verzögerungen bei der Schaffung von Baurecht für die geplante Trasse der A 14 kommt, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, dass für den Abschnitt zwischen den Anschlussstellen Dahlenwarsleben und Wolmirstedt (VKE 1.1), in dem auch die künftige Anschlussstelle H. liegen soll, noch kein Planfeststellungsbeschluss vorliegt. Dass es aufgrund von Klagen betreffend diesen Abschnitt des Neubaus der A 14 zu einer Änderung des Trassenverlaufs kommt, der den Neubau der B 71n grundsätzlich in Frage stellt, ist nicht ersichtlich. Unabhängig davon lassen Änderungen der für die Bedarfsfeststellung maßgeblichen Grundlagen die Verbindlichkeit des Bedarfsplans grundsätzlich nicht entfallen, denn nach der Konzeption des Fernstraßenausbaugesetzes (vgl. § 4 FStrAbG) ist es Sache des Gesetzgebers, auf solche Änderungen zu reagieren; anderes gilt nur dann, wenn nachträgliche Veränderungen der Planungsgrundlage eingetreten und diese so gravierend sind, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd noch erreicht werden könnte (BVerwG, Urt. v. 26.10.2005 – BVerwG 9 A 33.04 –, juris, RdNr. 25). Dafür ist hier nichts ersichtlich.

114

2.1.2. Die Ausweisung der B 71n zwischen der künftigen Anschlussstelle H. und dem Mittelzentrum H. im Bedarfsplan nach dem FStrAbG und die daraus sich ergebende Planrechtfertigung für den Neubau dieser Strecke umfasst auch den Bau der hier streitigen Ortsumgehung, auch wenn im Bedarfsplan selbst (Nr. 1215 der Anlage) – anders als bei anderen Vorhaben (des dringlichen Bedarfs) – eine Ortsumgehung (für W.) nicht genannt ist. Die Frage, wie der im Bedarfsplan ausgewiesene 3-streifige Neubau der B 71n konkret ausgestaltet wird, ist eine Frage der Variantenwahl, die nicht die Frage der Planrechtfertigung sondern die planerische Abwägung betrifft. Der Gesetzgeber hat zwar im FStrAbG, insbesondere in der Anlage (Nr. 1215), der Planfeststellungsbehörde die Möglichkeit eröffnet, die im Bedarfsplan vorgesehene Verbindung zwischen der A 14 und dem Mittelzentrum H. ohne eine Ortsumgehung W. herzustellen. Die Herstellung der Neubaustrecke mit einer solchen Ortsumgehung ist aber gerade eine von mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten, dem Bedarfsplan gerecht zu werden und damit letztlich eine Frage, welche Trassenvariante, ggf. auch der Ausbau der vorhandenen Trasse, planerisch vorzugswürdig ist. Dies gilt auch für die Frage, ob ggf. eine "Nullplus-Variante" in Betracht kommt.

115

2.1.3. Selbst wenn der Bau der Ortsumgehung W. nicht von dem im FStrAbG festgestellten Bedarf umfasst sein sollte, wäre die erforderliche Planrechtfertigung für die Ortsumgehung gegeben.

116

Eine bindende negative Feststellung des Inhalts, dass für nicht im Bedarfsplan aufgenommene Vorhaben kein Bedarf besteht, ist § 1 Abs. 2 FStrAbG nicht zu entnehmen; der Nichtaufnahme eines Vorhabens in den Bedarfsplan kann nach den Umständen des Einzelfalles nur indizielle Bedeutung für die Bedarfsfrage zukommen (BVerwG, Urt. v. 15.07.2005 – BVerwG 9 VR 39.04 –, juris, RdNr. 5). Insoweit kommt es für die Planrechtfertigung darauf an, ob das planfestgestellte Vorhaben gemessen an den Zielen des FStrG vernünftigerweise geboten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.07.2016 – BVerwG 9 C 3.16 –, juris, RdNr. 23; Urt. d. Senats v. 16.10.2014 – 2 K 82/12 –, juris, RdNr. 36, m.w.N.). Auch wenn die Frage der Planrechtfertigung der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt, ist sie eine praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der Planungshoheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.07.2001 – BVerwG 11 C 14.00 –, BVerwGE 114, 364 [372], RdNr. 32 in juris). Nicht planerisch gerechtfertigt ist allerdings auch ein Vorhaben, wenn feststeht, dass ein Vorhaben "sinnvoll oder zweckmäßiger unterbleiben kann" (BVerwG, Urt. v. 03.05.1988 – BVerwG 4 C 26.84 –, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 74, RdNr. 12 in juris). Die streitige Ortsumgehung stellt indes weder einen planerischen Missgriff dar, noch steht fest, dass sich eine "Nullplus-Variante" als ebenso sinnvoll oder gar zweckmäßiger erweisen würde.

117

Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 FStrG haben die Träger der Straßenbaulast nach ihrer Leistungsfähigkeit die Bundesfernstraßen in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern; dabei sind die sonstigen öffentlichen Belange einschließlich des Umweltschutzes sowie behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung mit dem Ziel, möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, zu berücksichtigen. Die den Plan rechtfertigende Erforderlichkeit der Maßnahme für das Gemeinwohl ergibt sich im Allgemeinen aus dem konkreten Bedürfnis nach einer (leistungsfähigeren) Verkehrsverbindung, aber auch aus konkreten Sicherheitsanforderungen. Das Bedürfnis kann sich einmal aus der aktuellen Verkehrslage ergeben, etwa wenn eine Straße durch den gegenwärtig anfallenden Verkehr überlastet ist oder wenn vorhandene Siedlungen verkehrsmäßig nicht hinreichend erschlossen sind. Soweit die Erforderlichkeit der Maßnahme mit diesen Gesichtspunkten begründet wird, sind dazu tatsächliche Feststellungen (z.B. Verkehrszählungen) möglich und in angemessenem Umfang auch geboten. Soweit das Bedürfnis nach einer Verkehrseinrichtung indes – zulässigerweise – mit der Vorausschau auf künftige Entwicklungen begründet wird, fließen Einschätzungen und Prognosen in die Planung ein; das beeinflusst die an die Planrechtfertigung zu stellenden rechtlichen Anforderungen: Insofern hat das Gericht nicht aus Rechtsgründen seine Einschätzung an die Stelle derjenigen der Verwaltung zu setzen. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist insoweit, ob die der Planungsentscheidung zugrundeliegende Prognose den an sie rechtlich zu stellenden Anforderungen genügt, insbesondere ob sie in einer der jeweiligen Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 06.12.1985 – BVerwG 4 C 59,82 –, BVerwGE 72, 282 [286], RdNr. 17 in juris).

118

Gemessen daran lässt sich ein konkretes Bedürfnis für eine Ortsumgehung feststellen. Mit ihr soll die Ortslage W. vom Durchgangsverkehr entlastet und zugleich die Leistungsfähigkeit der Bundesstraße, der Verkehrsfluss und die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer und der Anwohner der alten Ortsdurchfahrt der Bundesstraße verbessert werden. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, aufgrund der demografischen Entwicklung bestehe in absehbarer Zeit kein Bedarf mehr für den Bau einer Ortsumgehung. Nicht nur der Umstand, dass die Ortsdurchfahrt aufgrund der Zahl der Kraftfahrzeuge einer Entlastung bedarf, sondern auch die Gesichtspunkte der Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Verbindung zwischen der A 14 und dem Mittelzentrum H. und der Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit rechtfertigen den Bau der Ortsumgehung. Insoweit kann auf die nachfolgenden Ausführungen zur Variantenwahl Bezug genommen werden.

119

2.2. Der Planfeststellungsbeschluss lässt auch keine beachtlichen Abwägungsmängel erkennen.

120

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG sind bei der Planfeststellung von Bundesfernstraßen die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 19.08.2004 – 4 A 9.04 –, juris, RdNr. 15) verlangt das Abwägungsgebot, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass – drittens – weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Abwägungsrahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr im Gegenteil ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob die Planfeststellungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie – auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials – die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat.

121

2.2.1. Gemessen daran weist der angefochtene Planfeststellungsbeschluss in Bezug auf die Variantenprüfung keinen Abwägungsmangel auf.

122

Als Betroffener kann der Kläger die Vorzugswürdigkeit einer seine Belange geringer beeinträchtigenden Alternative rügen (vgl. Urt. d. Senats v. 16.10.2014 – 2 K 82/12 –, juris, RdNr. 47, m.w.N.). Die Planfeststellungsbehörde muss Alternativlösungen als Teil des Abwägungsmaterials mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Varianten jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einbeziehen (BVerwG, Urt. v. 22.12.2004 – BVerwG 9 A 9.04 –, juris, RdNr. 22, m.w.N.). Das Abwägungsgebot bezieht sich auch auf ernsthaft in Betracht kommende Trassenalternativen; sie müssen untersucht und im Verhältnis zueinander gewichtet werden; die Bevorzugung einer bestimmten Lösung darf nicht auf einer Bewertung beruhen, die zur objektiven Gewichtigkeit der von den möglichen Alternativen betroffenen Belange außer Verhältnis steht (BVerwG, Urt. v. 09.04.2003 – BVerwG 9 A 37.02 –, NVwZ 2003, 1393, RdNr. 22 in juris, m.w.N.). Dabei braucht die Planfeststellungsbehörde den Sachverhalt in Bezug auf Planungsalternativen nur zu klären, soweit dies für eine sachgerechte Entscheidung notwendig ist. Sie ist insbesondere befugt, Alternativen, die ihr auf der Grundlage einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, schon in einem frühen Verfahrensstadium auszuscheiden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.01.2012 – BVerwG 7 VR 13.11 [7 A 22.11] –, DVBl 2012, 1102). Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten sind erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Urt. v. 09.06.2004 – BVerwG 9 A 11.03 –, juris, RdNr. 57, m.w.N.).

123

Die Pflicht zur Überprüfung des Variantenvergleichs kann so weit gehen, auch die Frage nach der "Null-Variante", also danach, ob auf das Vorhaben verzichtet werden kann, nicht auszusparen. Die Aufnahme des Vorhabens in den vordringlichen Bedarf steht einer solchen Prüfung nicht entgegen. Der Bedarfsplan ist als grobmaschiges Konzept von vornherein nicht detailgenau. Er belässt – entsprechend dieser Unbestimmtheit – den nachfolgenden Verfahren der Linienbestimmung und der Planfeststellung planerische Spielräume. Das bedeutet, dass es der Gesetzgeber sogar als möglich hinnimmt, dass sich die im Bedarfsplan vorgesehene Trasse im Planfeststellungsverfahren nicht als abwägungsgerecht durchsetzt. Auch die auf der nächsten Planungsstufe erfolgte Linienbestimmung schließt die Prüfung der Null-Variante nicht aus. Die Linienbestimmung ist weder eine formelle noch eine materielle Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Planfeststellung, sondern hat innerhalb des Planungsverlaufs den Charakter einer vorbereitenden Grundentscheidung mit allein verwaltungsinterner Bedeutung. Die Linienbestimmung entbindet die Planfeststellungsbehörde nicht von der Prüfung, ob das Vorhaben den rechtlichen Anforderungen genügt (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 24.11.2010 – BVerwG 9 A 13.09 –, BVerwGE 138, 226 [241], RdNr. 62 in juris, m.w.N.).

124

Wird die "Null-Varianten"-Problematik im Stadium der Planfeststellung nicht ausdrücklich behandelt, so ist dies allerdings nicht bereits für sich genommen ein Abwägungsdefizit. Die Planfeststellungsbehörde ist befugt, sich planerische Entscheidungen zu eigen zu machen, die unter diesem Blickwinkel auf vorgelagerten Planungsebenen (Raumordnungsverfahren, Linienbestimmungsverfahren) bereits getroffen worden sind. Kennzeichnend für die Fernstraßenplanung ist ein Planungsverbund, der aus verschiedenen Planungsstufen mit unterschiedlichem räumlichen Zuschnitt besteht. Der Planfeststellung vorgelagert ist die Linienbestimmung, die den Charakter einer die endgültige Planung vorbereitenden Grundentscheidung hat und als solche zwar weniger konkret und verbindlich ist, aber gleichwohl bereits ihrerseits in einem großflächigen Maßstab auf einen Ausgleich der verschiedenen Belange unter Einschluss der Umweltbelange gerichtet ist (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 10.04.1997 – BVerwG 4 C 5.96 –, BVerwGE 104, 236 [250], RdNr. 38 in juris). Etwaige Abwägungsmängel auf der Ebene der Linienbestimmung schlagen auf das nachfolgende Planfeststellungsverfahren durch. Die Planfeststellungsbehörde ist im Innenverhältnis grundsätzlich an die vom Bundesminister für Verkehr mit der Linienbestimmung getroffene Planungsentscheidung gebunden. Nach außen hat sie für deren Rechtmäßigkeit einzustehen. Denn die Bestimmung der Linienführung geht inhaltlich in die sich anschließende Planfeststellung ein und steht mit dieser zur gerichtlichen Überprüfung. Übernimmt die Planfeststellungsbehörde eine defizitäre Linienbestimmung, ohne darauf hinzuwirken, dass der Mangel behoben wird, so überträgt sie den Fehler in die nach außen verbindliche abschließende Planungsentscheidung (BVerwG, Urt. v. 10.04.1997, a.a.O., RdNr. 39 in juris).

125

Gemessen daran hält die Variantenauswahl des Beklagten der rechtlichen Prüfung stand.

126

2.2.1.1. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die vom Kläger ins Feld geführte Variante, auf den Bau einer Ortsumgehung für W. zu verzichten und stattdessen die B 71 in ihrem bisherigen Trassenverlauf durch die Ortslage W., anzupassen ("Nullplus-Variante"), nicht näher geprüft hat.

127

a) Bereits im vorausgegangenen Raumordnungsverfahren mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung für das Vorhaben "Neubau der Bundesstraße B 71n, A 14 - H." (Beiakte J, Unterlage 3), auf den im Planfeststellungsbeschluss (S. 49) Bezug genommen wird, heißt es in der landesplanerischen Beurteilung vom 22.01.2008 im Abschnitt 2.4 (Beschreibung des Vorhabens einschließlich Nullvariante): In Folge der hohen Verkehrsbelegung und des hohen Schwerlastanteils sei der Verkehrsablauf im Zuge der B 71 von einer geringen Verkehrsqualität und geringen Reisegeschwindigkeiten gekennzeichnet. Für die B 71 sei ein erhöhtes Unfallgeschehen zu konstatieren. Die eingeschränkte Verkehrssicherheit resultiere hierbei einerseits aus der hohen verkehrlichen Belegung des zweistreifigen Querschnitts bei gleichzeitig stark eingeschränkten Überholmöglichkeiten sowie andererseits aus der den Anforderungen nicht entsprechenden Trassierung mit einer unstetigen Trassenführung und teils geringen Kurvenradien. In der verkehrsplanerischen Untersuchung "B 71n, A 14 – H." des Ingenieurbüros (D.) von 08/2005 werde die im Nullfall (mit A 14, ohne B 71n) für das Jahr zu erwartende Verkehrsbelastung mit ca. 19.000 bis 23.000 KfZ/24h ausgewiesen. Die verkehrlichen Verhältnisse im Zuge der B 71n würden sich gegenüber dem Ist-Zustand somit nochmals dramatisch verschlechtern. Für den Prognosefall (mit A 14 und B 71n) werde die auf der B 71n zu erwartende Verkehrsbelastung für das Jahr 2015 varianten- und verknüpfungsabhängig mit ca. 14.000 bis 20.000 Kfz/24h prognostiziert. Gleichzeitig werde ein deutlicher Rückgang des Verkehrs auf der B 71alt auf ca. 5.000 bis 6.000 Kfz/24h (im Bereich der Ortsdurchfahrt W.) variantenabhängig nochmals deutlich geringer) erwartet. Die Entlastung der K 1162 nördlich der Ohre werde bei einer Verknüpfung der L 44 mit der B 71n mit ca. 2.200 Kfz/24h (Differenz Nullfall – Planfall ohne Verknüpfung) prognostiziert.

128

b) Auch im Rahmen der Linienbestimmung nach § 16 Abs. 1 FStrG durch Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 07.04.2009 (vgl. Beiakte J, Unterlagen 1 und 2), auf den im Planfeststellungsbeschluss (S. 50) ebenfalls Bezug genommen wird, wurde die Möglichkeit eines Ausbaus auf der Bestandstrasse der B 71 von vornherein ausgeschlossen, und zwar mit nicht zu beanstandenden Erwägungen. Im Abschnitt I.1. (Bestehende und zu erwartende Verkehrsverhältnisse) wird ausgeführt, dass der aus der hohen Verkehrsbelegung und geringen Verkehrsqualität sowie Reisegeschwindigkeit resultierende Überholdruck im Zuge der Bestandstrasse der B 71 nicht bzw. nur unzureichend abgebaut werden könne. Bezug nehmend auf die Unfallstatistiken der letzten Jahre sei für die B 71 ein erhöhtes Unfallgeschehen zu konstatieren. Die eingeschränkte Verkehrssicherheit resultiere hierbei einerseits aus der hohen verkehrlichen Belegung des zweistreifigen Querschnitts bei gleichzeitig stark eingeschränkten Überholmöglichkeiten sowie andererseits aus der den Anforderungen nicht entsprechenden Trassierung mit einer unstetigen Trassenführung und teils geringen Kurvenradien. In der verkehrsplanerischen Untersuchung "B 71n, A 14 – H." des Ingenieurbüros (D.) von 08/2005 werde die im Nullfall (mit A 14, ohne B 71n) für das Jahr zu erwartende Verkehrsbelastung mit ca. 19.000 bis 23.000 KfZ/24h ausgewiesen. Die verkehrlichen Verhältnisse im Zuge der B 71n würden sich gegenüber dem Ist-Zustand somit nochmals dramatisch verschlechtern.

129

Der Rechtmäßigkeit dieser Linienbestimmung dürfte nicht entgegengehalten werden können, dass nach § 16 Abs. 1 Satz 2 FStrG für den Bau von Ortsumgehungen eine Linienbestimmung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nicht stattfindet. Eine Befugnis des Bundesministeriums dürfte dadurch nicht ausgeschlossen sein, wenn der Neubau einer Bundesstraße vornehmlich der Schaffung einer leistungsfähigen und überörtlichen, durchgängigen Verbindung dient und nur daneben, aber nicht hauptsächlich die Beseitigung von Ortsdurchfahrten erreichen soll (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.01.2004 – BVerwG 9 VR 27.03 –, juris, RdNr. 7). Es spricht Vieles dafür, dass hier eine solche Fallkonstellation vorliegt, bedarf aber letztlich keiner abschließenden Bewertung, weil die Außenverantwortung für die Trassenwahl in jedem Falle letztlich beim Beklagten liegt, der die vom Bundesministerium im Rahmen der Linienbestimmung vorgesehene Trasse mit nicht zu beanstanden Gründen gerechtfertigt hat.

130

c) Die im Raumordnungs- und Linienbestimmungsverfahren dargestellten Gründe hat sich der Beklagte im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss zu eigen gemacht und die Umsetzung der vom Kläger favorisierten "Nullplus-Variante" mit nicht zu beanstandenden (weiteren) Erwägungen ausgeschlossen. Nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 229) hat der Beklagte das Schreiben des Klägers vom 13.01.2016 zum Anlass genommen, die Planung nochmals hinsichtlich der aufgezeigten Bedenken zu überprüfen und hinsichtlich der Einwände zum fehlenden Bedarf insbesondere auf die Ausführungen zur Erforderlichkeit der Trasse (Abschnitt C.IV.2, S. 58 ff.) verwiesen.

131

Dort wird unter Ziffer 2.1 (derzeitige, unzureichende Verkehrsverhältnisse) ausgeführt, auf der vorhandenen B 71 bestehe bereits ein sehr hohes Verkehrsaufkommen. Für das Jahr 2004 sei auf der B 71n eine Verkehrsbelastung von ca. 15.300 bis 18.300 Kfz/24h mit einem Schwerlastverkehrsanteil von bis zu 20,6 % ermittelt worden. Dieses Verkehrsaufkommen werde sich im Zuge des geplanten Neubaus der BAB A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin und dem Anschluss der B 71 an die Autobahn nochmals erhöhen. Der benötigte Ausbauzustand zur Bewältigung der wachsenden Verkehrsströme könne auf der bestehenden Trasse nicht mehr erreicht werden. Die derzeitige plangleiche Knotenpunktlösung am Knoten B 71/K 1158 und die vorhandene Querschnittsbreite der B 71 (keine Linksabbiegespuren im Knotenpunktbereich) belasteten die Leistungsfähigkeit des Straßenzuges. Durch die große Zahl von Gewerbeansiedlungen werde die Straße von einem großen Anteil an Schwerlastverkehr frequentiert. Diesen Verkehr bewältige die B 71 in ihrem derzeitigen Ausbauzustand nicht. Eine geringe Verkehrsqualität und Reisegeschwindigkeit sei die Folge. Daraus resultiere im Zuge der Bestandstrasse der Überholdruck, der im weiteren Streckenverlauf nicht oder nur unzureichend abgebaut werden könne. Insofern sei der B 71 ein erhöhtes Unfallrisiko zu bescheinigen. Die eingeschränkte Verkehrssicherheit resultiere hierbei auch aus der hohen verkehrlichen Belastung des zweistreifigen, einbahnigen Querschnitts bei einer Vielzahl von Nutzungsansprüchen entlang der vorhandenen Trasse.

132

Unter Ziffer 2.3 (verkehrliche Wirkung der Neubaumaßnahme) heißt es weiter, die geplante B 71n solle zukünftig eine Verkehrsbelastung von ca. 19.350 bis 19.700 Kfz/24h mit einem Schwerlastanteil von bis zu 19,0 % (Verkehrsprognose 2020) bewältigen. Durch die Wahl eines größeren Neubauquerschnittes erfolge bereits eine signifikante Erhöhung der Leistungsfähigkeit im Zuge der B 71n. Im Zusammenwirken mit dem geplanten benachbarten Planungsabschnitt der B 71n von V. bis zur BAB 14 komme es zu einer Verbesserung und Vereinheitlichung der Streckencharakteristik der B 71 von H. bis zur BAB 14. Aufgrund dieser verbesserten Streckencharakteristik und der Entlastung des bisherigen Streckenverlaufs der B 71 sei zugleich eine erhebliche Verbesserung der Verkehrssicherheit zu erwarten. Denn die derzeitige Unfallsituation auf der B 71, die überwiegend von Unfällen, die durch einen nicht ausreichenden Abstand, durch eine zu hohe Geschwindigkeit bzw. durch riskantes Überholen bei schlechten Sichtverhältnissen geprägt sei, werde durch den breiteren, besser einsehbaren Streckenverlauf entschärft. Für die Radfahrer, die derzeit auf den Fahrbahnen geführt würden, sei ebenfalls eine Erhöhung der Verkehrssicherheit zu erwarten. Dies resultiere aus der Querschnittsverbreiterung der B 71n, dem Wegfall des ab- und einbiegenden Verkehrs auf der B 71 am Knotenpunkt B 71/K 1158 sowie der Anordnung von Linksabbiegespuren auf der K 1158 und der Anordnung von straßenbegleitenden Radwegen. Durch den Neubau der B 71n werde zusätzlich dazu beigetragen, nennenswerte Zeit- und Betriebskosten der Straßennutzer einzusparen und vor allem den Verkehr der Gewerbegebiete zügig über die Anschlussstelle H. zur BAB 14 zu führen. Da es sich bei diesem Vorhaben um eine Neubaumaßnahme als Ortsumgehung handele, werde eine signifikante Entlastung des vorhandenen Straßennetzes im Bereich der Ortslage W. schon nach Fertigstellung des Bauabschnitts Ortsumgehung W. vom Durchgangsverkehr zu erwarten sein.

133

Unter Ziffer 2.4 (Verringerung bestehender Umweltbeeinträchtigungen) wird schließlich ausgeführt, die Verkehrsbelegung betrage in W. ca. 15.300 bis 17.800 Kfz/24h. Der Schwerlastverkehr sei mit 20,6 bis 18,7 % ausgewiesen. Aufgrund der hohen Verkehrsbelastung seien die Anwohner der Ortslage einer starken Schall- und Schadstoffbelastung ausgesetzt. Durch die Verlagerung des Durchgangsverkehrs aus der Ortschaft W. auf die geplante Umgehungsstraße würden die Anwohner W.s von diesen Umweltbeeinträchtigungen entlastet. Durch den nach dem Bau der Ortsumgehung zu erwartenden Verkehrsrückgang innerhalb der Ortschaft würden die Lärm- und Schadstoffimmissionen spürbar abnehmen. Zwar werde für die B 71n im Ausbauzustand insgesamt ein erhöhtes Verkehrsaufkommen und somit ein erhöhter Ausstoß von Schadstoff- und Lärmimmissionen prognostiziert, die Belastung der Straße werde zukünftig aber von einem gleichmäßig fließenden Verkehr geprägt sein. Emissionswirksame Vorgänge wie das Anfahren und Beschleunigen von Fahrzeugen würden im anbaufreien Bereich reduziert. Dies habe zur Folge, dass sich der Ausstoß von Schadstoff- und Lärmimmissionen trotz zunehmendem Verkehr zukünftig verringern werde.

134

d) Die vom Kläger gegen die Ausgestaltung der B 71n als Ortsumgehung erhobenen Einwände verfangen nicht.

135

Dabei ist zunächst in Rechnung zu stellen, dass im Bedarfsplan eine dreistreifige Verbindung zwischen der A 14 und H. vorgesehen ist. Auch im Rahmen der planerischen Abwägung, zu der die Variantenprüfung gehört, darf die Frage des Verkehrsbedarfs nicht abweichend von den gesetzgeberischen Vorgaben entschieden werden (BVerwG, Urt. v. 26.10.2005 – BVerwG 9 A 33.04 –, juris, RdNr. 30, m.w.N.).

136

aa) Ein wesentlicher Zweck der Ortsumgehung besteht in der Entlastung der Ortslage W. vom Durchgangsverkehr, um damit einen besseren Schutz der Einwohner, insbesondere der Anwohner der bisherigen Ortsdurchfahrt der B 71, vor Lärm- und Schadstoffimmissionen durch den Straßenverkehr zu erreichen. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Ortsumgehung komme keine wesentliche, die Inanspruchnahme neuer Flächen rechtfertigende Entlastungswirkung zu.

137

aaa) Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass der Beklagte nicht die genaue Zahl der mit einer Ortsumgehung "gelösten Schutzfälle" ermittelt hat. Eine Ermittlung der Zahl der Lärmbetroffenen bzw. der Schutzfälle ist zwar bei der Frage von Relevanz, bei welcher Relation zwischen Kosten und Nutzen die Unverhältnismäßigkeit des Aufwandes für aktiven Lärmschutz (§ 41 Abs. 2 BImSchG) anzunehmen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 – BVerwG 9 A 72.07 –, BVerwGE 134, 45 [56], RdNr. 64). Für die Abwägung, ob ein Ausbau auf der bestehenden Trasse einer Ortsdurchfahrt erfolgen oder eine Ortsumgehung gebaut werden soll, ist eine Ermittlung der genauen Zahl der bisher Lärmbetroffenen hingegen nicht erforderlich, jedenfalls wenn sich die Betroffenheit durch die Ortsdurchfahrt – wie hier – nicht auf bloße Einzelfälle beschränkt.

138

bbb) Nicht stichhaltig ist der Einwand des Klägers, von den Gebieten, die zwischen den geplanten Verkehrsknoten 3 und 4 entlang der bestehenden B 71 in der Ortslage W. lägen und durch rechtskräftige Bebauungspläne überdeckt werden, entfielen etwa 75 % der Fläche auf Industrie- und Gewerbegebiete und nur etwa 5 % auf Wohngebiete. Diese Flächenangabe bezieht sich hauptsächlich auf das Gewerbegebiet W.-Süd. Nach dem Lageplan der Lärmschutzmaßnahmen, (Ordner 3/7, Unterlagen 2 zu 11.2) und dem Übersichtsplan zur Ortsumgehung (Ordner 1/7, Unterlage 3a) befinden sich an der Ortsdurchfahrt W. der B 71 überwiegend Mischgebiete, aber auch ein Wohngebiet, die gemäß §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 BauNVO (auch) dem Wohnen dienen und in Bezug auf Lärm und Schadstoffe entsprechend schutzwürdig sind. Auch den Luftbildern von google maps lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass sich an der Ortsdurchfahrt überwiegend Gewerbebetriebe befinden, vielmehr ist darauf eine Vielzahl von Wohnhäusern zu erkennen. Ob diese Bebauung auf rechtskräftigen Bebauungsplänen beruht oder nicht, ist unerheblich. Unerheblich ist auch, ob die auf dem Gebiet der Ortschaft W. vorhandenen und ausgewiesenen Gewerbegebiete eine größere Fläche überdecken als die in der Ortslage W. vorhandenen Misch- und Wohngebiete, da dies an der Entlastungswirkung der Ortsumgehung für die Misch- und Wohngebiete nichts zu ändern vermag.

139

ccc) Die vom Kläger ins Feld geführte demografische Entwicklung, die nach seiner Auffassung einen (weiteren) Rückgang der Zahl der Einwohner W.s und damit auch der vom Durchgangsverkehr Betroffenen beinhaltet, lässt sich dem Bau der Ortsumgehung nicht entgegenhalten. Zwar mag es zutreffen, dass die Zahl der betroffenen Einwohner aufgrund der demografischen Entwicklung zurückgehen wird. Dies nimmt der vorhandenen Wohnbebauung aber nicht ihre Schutzwürdigkeit. Insbesondere kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, ein schwerwiegender Eingriff in das Eigentumsrecht der Anwohner der Ortdurchfahrt der B 71 sei nicht erkennbar, weil die meisten Gebäude ohnehin – insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes – in hohem Maß sanierungsbedürftig seien und deshalb der Verkehrswert ganz im Gegensatz zu landwirtschaftlichen Grundstücken in vielen Fällen gegen Null tendiere.

140

ddd) Nicht zu überzeugen vermag auch der Einwand des Klägers, durch die gesteigerte Leistungsfähigkeit der zukünftigen Verbindung zwischen der A 14 und H. könne sich der Durchgangs- und Binnenverkehr in der Ortslage W. erhöhen, der mit der Nutzung der Gewerbegebiete verbunden sei, und die schalltechnische Prognose sei veraltet. Nach der verkehrsplanerischen Untersuchung des Ingenieurbüros (D.) – Zusammenfassung vom Juni 2011 – (Ordner 7/7, Abschnitt 15.1 Unterlage 2, Netzbelegung 2025, Blatt 3) liegt die Verkehrsbelastung bei endgültigem Ausbauzustand (Fertigstellung der BAB 14 und der kompletten B 71n) bei 2.400 Kfz/24h im Abschnitt östlich der Einmündung der K 1106 und bei 3.150 KfZ/24h im Abschnitt westlich der Einmündung der K 1106. Die (künftigen) Gewerbegebiete in W. liegen nach dem Übersichtsplan zur Ortsumgehung (Ordner 1/7, Unterlage 3a) im östlichen Teil der Ortschaft südöstlich und nordöstlich der alten B 71. Sie können, insbesondere vom Schwerlastverkehr, aus Richtung A 14 kommend über den künftigen Knoten 4 (AS V.-West) und die künftig zur Landesstraße abgestufte alte Trasse der B 71 angefahren werden, ohne durch den Teil der Ortslage von W. fahren zu müssen, der auch durch Wohnbebauung (Misch- und teilweise Wohngebiete) geprägt ist. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angesprochene Möglichkeit, dass der Ziel- und Quellverkehr der Gewerbegebiete in beachtlichem Umfang einen Umweg über die Ortsdurchfahrt nehmen könnte, musste der Beklagte nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Zwar mag der aus Richtung H. kommende Verkehr weiterhin den von dort aus kürzeren Weg über die Ortsdurchfahrt zu den Gewerbegebieten nehmen. Dies vermag aber an der Entlastung der Ortsdurchfahrt von dem aus Richtung A 14 kommenden Verkehr, insbesondere Schwerlastverkehr, nichts zu ändern. Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung zudem darauf hingewiesen, dass eine Anbindung des Gewerbegebiets W.-Süd an den überörtlichen Verkehr künftig auch unmittelbar von der B 71n nach Herstellung eines weiteren Knotens denkbar ist.

141

eee) Der Kläger vermag auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, die Abwägung sei fehlerhaft, weil der Beklagte die von der Umgehungsstraße ausgehenden neuen Lärmbelastungen für die schutzwürdigen Wohnnutzungen nicht ermittelt bzw. ungenügend bewertet habe.

142

Eine Alternativenabwägung leidet nicht deshalb unter einem Ermittlungsdefizit, weil ihr keine Gesamtbilanzierung der mit dem Vorhaben verbundenen Be- und Entlastungen zugrunde liegt, wenn außer Zweifel steht, dass es durch das planfestgestellte Vorhaben zu einer Entlastung der Bebauung an einer bisher als Ortsdurchfahrt dienenden Bundesstraße kommen wird und eine relevante zusätzliche Belastung durch die geplante Trasse ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.04.2011 – BVerwG 9 VR 1.11 –, juris, RdNr. 18; Urt. v. 30.05.2012 – BVerwG 9 A 35.10 –, NVwZ 2013, 147 [150], RdNr. 31 in juris). Davon durfte der Beklagte hier auszugehen.

143

Nach der verkehrsplanerischen Untersuchung des Ingenieurbüros (D.) – Zusammenfassung vom Juni 2011 – (Ordner 7/7, Abschnitt 15.1 Unterlage 2, Netzbelegung 2025) liegt die Verkehrsbelastung in der Ortsdurchfahrt W. bei der gewählten Variante 1.1 und der "Zwischenlösung" (Fertigstellung der Ortsumgehung W.) bei 2.400 Kfz/24h im Abschnitt östlich der Einmündung der K 1106 und bei 5.750 KfZ/24h im Abschnitt westlich der Einmündung der K 1106. Bei Erreichen des endgültigen Ausbauzustandes (Fertigstellung der BAB 14 und der kompletten B 71n) liegt die Belastung bei ebenfalls 2.400 Kfz/24h im Abschnitt östlich der Einmündung der K 1106 und bei 3.150 KfZ/24h im Abschnitt westlich der Einmündung der K 1106. Der Verkehrsstrom auf der nach Norden führenden K 1106 beträgt nach Herstellung der "Zwischenlösung" 4.900 KfZ/24h und nach Herstellung des endgültigen Ausbauzustandes 3.300 KfZ/24h. Ohne die B 71n (Nullfall) beträgt der Verkehrsstrom in der Ortsdurchfahrt W. nach Fertigstellung der BAB 14 20.000 KfZ/24h im Abschnitt östlich der Einmündung der K 1106 und 22.750 KfZ/24h im Abschnitt westlich der Einmündung der K 1106; der Verkehrsstrom auf der K 1106 beträgt 5.000 KfZ/24h. Angesichts dieser deutlichen Reduzierung des Durchgangsverkehrs liegt auch eine deutliche Entlastung der Bebauung an der bisherigen Ortsdurchfahrt der B 71 durch Lärm- und Schadstoffimmissionen auf der Hand.

144

Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass durch den Neubau der Ortsumgehung eine relevante zusätzliche Belastung schutzwürdiger Siedlungsbereiche insbesondere durch Lärmimmissionen eintritt. Nach den immissionstechnischen Berechnungen (vgl. Ordner 3/7, Unterlage 11.1, Zusammenfassung im Erläuterungsbericht, S. 10) sind nur an einem Objekt, dem Wohngebäude Dammühle, an zwei Fassaden Überschreitungen des für die Nacht geltenden Immissionsgrenzwertes der 16. BImSchV zu verzeichnen, Überschreitungen des maßgeblichen Grenzwerts am Tag träten dort aber nicht auf. Für dieses Objekt bestehe Anspruch auf passiven Lärmschutz dem Grunde nach. Dazu ist zu bemerken, dass dieses am Rande der Ortslage H. gelegene Objekt nicht nur in der Nähe der neuen Trasse der B 71n liegt, sondern auch in der Nähe der alten B 71 (siehe Ordner 3/7, Unterlage 11.2 Blatt 2), so dass insoweit keine Verschlechterung im Vergleich zur bisherigen Belastung auftreten dürfte und die vom Kläger ins Feld geführte Nullplus-Variante insoweit keinen Vorteil für dieses Gebäude haben dürfte.

145

Vor diesem Hintergrund kann auch keine Rede davon sein, besonders schutzwürdige Nutzungen wie Wohngebiete müssten hier dafür herhalten, dass weniger schutzwürdige Nutzungen wie Dorf- und Mischgebiete entlastet werden und der Beklagte den Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG bei der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt habe.

146

Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass die Lärmberechnungen – und darauf aufbauend der angefochtene Planfeststellungsbeschluss – auf die Grenzwerte der 16. BImSchV und nicht auf die niedrigeren Werte der DIN 18005 (Schallschutz im Städtebau) abstellen. Nach § 41 BImSchG, zu dessen Ausfüllung die 16. BImSchV erlassen worden ist, ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen unbeschadet des § 50 BImSchG sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Die Planfeststellungsbehörde ist nicht gehalten, sich bei der Trassenführung an den Lärmschutzwerten der DIN 18005 zu orientieren, die im Städtebau bei der Bestimmung der zumutbaren Lärmbelastung als grober Anhalt herangezogen zu werden pflegen, nach Lage der Dinge im Rahmen des § 50 BImSchG aber durchaus überschritten werden dürfen (BVerwG, Urt. v. 11.01.2001 – BVerwG 4 A 13.99 –, juris, RdNr. 36).

147

Der Einwand des Klägers, die schalltechnische Untersuchung sei fehlerhaft, weil sie auf das Prognosejahr 2020 abstelle, die Ortsumgehung aber erst im Jahr 2021 in Betrieb gehen solle, greift nicht. Die der Planfeststellung zugrunde liegende schalltechnische Untersuchung (Ordner 3/7 Unterlage 11) stützt sich nach dem Erläuterungsbericht, S. 1 und 6) auf die Verkehrsprognose für das Jahr 2025 (siehe auch S. 163 des PFB). Zwar ist in der Tabelle auf Seite 5 in der Spalte DTV Mo – So die Zahl 2020 angegeben. Dabei dürfte es sich jedoch um einen redaktionellen Fehler handeln. Die Fahrzeugzahlen in dieser Spalte hinsichtlich der einzelnen Abschnitte zwischen den Knoten 1 bis 4 decken sich mit den in der Verkehrsprognose vom Juni 2011 (Ordner 7/7, Unterlage 15.1, Unterlagen 3.1 und 3.2) für 2025 angegebenen Daten.

148

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg rügen, es sei fraglich, ob das bestehende Lärmschutzsystem der 16. BImSchV einschlägig sei oder für die schutzwürdigen Wohnnutzungen in W. (WA-Gebiete) nicht vielmehr § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zur Anwendung kommen müsse. Der Kläger kann sich nicht auf fehlende Schutzvorkehrungen für schutzwürdige Wohnnutzungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG berufen, da ein Rechtsverstoß durch eine Planergänzung zugunsten der Betroffenen behoben werden könnte und an der Inanspruchnahme seines Grundstücks nichts ändern würde.

149

bb) Unabhängig davon dient der Neubau der B 71n aber nicht nur der Entlastung der Ortslage W.s und der Anwohner der alten B 71 vom Durchgangsverkehr, sondern auch der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, und zwar auch und gerade nach dem Lückenschluss der A 14 zwischen Magdeburg und Schwerin.

150

cc) Dem entsprechend ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Vorschlag des Klägers verworfen hat, vom Durchgangsverkehr in W. (besonderes) betroffene Einwohner umzusiedeln. Zu Recht hat der Beklagte auch darauf verwiesen, dass damit ein schwerwiegender Eingriff in das Eigentumsrecht der betroffenen Grundstückseigentümer verbunden wäre, das sich im Rahmen der Abwägung kaum rechtfertigen ließe.

151

e) Der durch die Ortsumgehung verursachte Verbrauch insbesondere landwirtschaftlicher Flächen, den der Beklagte bei der Abwägung gesehen, aber als hinnehmbar bewertet hat (vgl. S. 179 des PFB), steht auch nicht außer Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit des Interesses der Einwohner W.s an einer Entlastung der Ortsdurchfahrt der B 71 und den Belangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 20.12.1988 – BVerwG 4 B 211.88 –, BRS 48 Nr. 7, RdNr. 9 in juris, m.w.N.).

152

2.2.1.2. Auch die vom Kläger vorgeschlagene Tunnellösung durfte der Beklagte verwerfen. Zu Recht hat er diesen Einwand mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen, dass nicht ersichtlich sei, welche überwiegenden Vorteile eine solche Lösung mit sich bringen sollte, an welcher Stelle oder über welche Länge (nach Auffassung des Klägers) unter Schonung landwirtschaftlich genutzter Flächen eine solche Lösung realisiert werden könnte und dass die Kosten in keinerlei Verhältnis zu dem zu erreichenden Zweck (Verringerung der Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen) stehen würde.

153

2.2.1.3. Auch die vom Beklagten vorgenommene Auswahl zwischen den von ihm näher in Betracht gezogenen Varianten 1.1.A/B, 1.2 sowie 2, die jeweils einen Neubau der B 71n mit einer Umgehung der Ortslage W. zum Gegenstand haben, lässt keinen Fehler erkennen. Nach der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 173 ff.) sei zwar bei den Varianten 1.2 und 2 die Anbindung des Raumes nördlich von H. günstiger; auch wäre die Variante 2 am kostengünstigsten. Der Variante 1.1 A/B (eine Entscheidung zwischen den Varianten 1.1.A und 1.1.B werde vorliegend nicht getroffen) werde aber mit Blick auf die Verkehrsverhältnisse und die Umweltverträglichkeit der Vorzug gegeben. Zu Letzterem heißt es, zwar schnitten die Varianten hinsichtlich des Schutzgutes Mensch am zweitschlechtesten ab, allerdings vermieden nur diese Trassierungsvarianten die Neuzerschneidung und Fragmentierung der Landschaft und der hierin befindlichen Naturausstattung/Lebensräume weitestgehend.

154

Selbst wenn nicht der gewählten Variante 1.1.A/B, sondern einer anderen dieser Varianten der Vorzug zu geben wäre, erschiene zweifelhaft, ob der Kläger deshalb die Aufhebung oder die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses verlangen könnte. Da der durch die Planfeststellung einer Straße enteignend betroffene Eigentümer die Aufhebung oder Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht aus Gründen verlangen kann, die für die Inanspruchnahme seines Grundeigentums nicht kausal sind, würde eine Rechtswidrigkeitsfeststellung voraussetzen, dass eine alternative Trassenführung in Betracht komme, die die Beanspruchung des Eigentums des Klägers entfallen ließe (vgl. NdsOVG, Urt. v. 14.08.2015 – 7 KS 121/12 –, juris, RdNr. 99). Ein Fehler bei der Auswahl zwischen den vom Beklagten näher geprüften Varianten wäre indes nicht kausal für die Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es auch dann, wenn der Beklagte die Variante 1.2 oder 2 gewählt hätte, zu keiner Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers für FCS-Maßnahmen gekommen wäre. Bei der Variante 2, die nördlich der Ortslage W. verläuft, hätte sogar die Möglichkeit bestanden, dass das Grundstück des Klägers nicht nur für FCS-Maßnahmen, sondern für den Bau der Trasse selbst in Anspruch genommen worden wäre. Bei Verwirklichung der Variante 2 würde nach der Beschreibung im PFB (S. 176) die Ohre nordöstlich von H. gequert und die B 71n in ihrem weiteren Verlauf südlich der Ohre mit einer nördlichen Umfahrung der Ortslagen W. und V. geführt.

155

2.2.2. Der Kläger vermag auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, der Beklagte hätte den Baubeginn davon abhängig machen müssen, dass das projektübergreifende komplementäre Infrastrukturelement (Trasse der A 14) unanfechtbar oder sofort vollziehbar planfestgestellt ist, oder zumindest Ergänzungsvorbehalte in den Planfeststellungsbeschluss aufnehmen müssen für den Fall, dass dieses komplementäre Infrastrukturelement anders als in der bisher antizipierten Form (Vorzugstrasse) planfestgestellt wird. Wie oben im Rahmen der Planrechtfertigung bereits ausgeführt, liegen schon keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es bei der Planfeststellung betreffend den Neubau der A 14 im Abschnitt zwischen den Anschlussstellen Dahlenwarsleben und Wolmirstedt (VKE 1.1), etwa in Folge von Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss, zu einer wesentlichen Änderung des Trassenverlaufs kommt, der den Neubau der B 71n im Bereich W. grundsätzlich in Frage stellt. Im Übrigen ist auch in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich, inwieweit durch eine dennoch erforderliche Folgeänderung der Trasse der B 71n eine Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers entfallen würde, so dass der vom Kläger angeführte Mangel als kausal für die Inanspruchnahme seines Grundstücks anzusehen wäre.

156

2.2.3. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Planfeststellungsbeschluss verletze das (als Abwägungsdirektive zu beachtende) Gebot der Konfliktbewältigung, weil keine Maßnahmen zum Schutz trassennaher Grundstücke nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG (i.V.m. § 17 Satz 3 FStrG) vorgesehen wurden.

157

Der Kläger macht geltend, aufgrund der Unbestimmtheit der Lage der Fläche, mit der er im Unternehmensflurbereinigungsverfahren abgefunden werde, hätte der Planfeststellungsbeschluss zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen abschließende Schutzvorkehrungen (Untersuchung der Immissionen, Entwässerungsanlagen, Spritzschutzwände) oder Ergänzungsvorbehalte vorsehen müssen. Dies betreffe zunächst die betriebsbedingte Beeinträchtigung trassennaher landwirtschaftlich genutzter Flächen durch Schwermetalle und/oder organischer Stoffe aus dem Straßenverkehr.

158

a) Aus dem planungsrechtlichen Abwägungsgebot folgt, dass der Planungsträger grundsätzlich die durch die Planungsentscheidung geschaffenen oder ihr sonst zurechenbaren Konflikte zu bewältigen hat und sie hierzu – gegebenenfalls in Form von Vorkehrungen gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG – einer Lösung zuführen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.02.2005 – BVerwG 4 A 4.04 –, juris, RdNr. 31, m.w.N.). Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so hat der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld (§ 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG).

159

Von der Anordnung einer gebotenen Schutzanlage im Planfeststellungsbeschluss hängt dessen Rechtmäßigkeit ab. Dem Betroffenen steht es beim Fehlen einer zum Schutz seiner Belange gebotenen Auflage frei, entweder mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, soweit er ihn beschwert, oder mit der Verpflichtungsklage dessen Ergänzung durch Schutzmaßnahmen zu erstreben. Jeder Planfeststellungsbeschluss muss im Hinblick auf das der Planfeststellung materiell gesetzte Ziel, unter Bewältigung der mit ihr aufgeworfenen Probleme eine inhaltlich abgewogene Planung zu erreichen, unter der Voraussetzung des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG die notwendigen Schutzauflagen anordnen. Fehlt es daran, so bleibt ein von der Planung ausgelöster Interessenkonflikt offen. Das macht den Plan insoweit objektiv rechtswidrig. Zu einem Anspruch auf Aufhebung bzw. Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses kann ein solcher Mangel allerdings nur dann führen, wenn der Mangel für die Planungsentscheidung insgesamt von so großem Gewicht ist, dass dadurch nicht nur der einzelne Betroffene benachteiligt, sondern die Ausgewogenheit der Gesamtplanung bzw. eines abtrennbaren Planungsteils überhaupt in Frage gestellt wird. Ob das der Fall ist, hängt wesentlich von der Größe des Planvorhabens ab. Lässt sich eine im Planfeststellungsbeschluss nicht angeordnete Schutzauflage nachholen, ohne dass dadurch die Gesamtkonzeption der Planung in einem wesentlichen Punkt berührt und ohne dass in dem Interessengeflecht der Planung nunmehr andere Belange nachteilig betroffen werden, so korrespondiert der objektiven Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht ein subjektiver Anspruch des Betroffenen auf Planaufhebung, sondern allein ein Anspruch auf Planergänzung (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.07.1978 – BVerwG IV C 79.76 –, BVerwGE 56, 110 [133], RdNr. 94 f.in juris, m.w.N.).

160

b) Dies zugrunde gelegt, kann hier dahinstehen, ob der Planfeststellungsbeschluss an einem Abwägungsmangel leidet, weil er sich mit der Frage, in welchem Umfang trassennahe landwirtschaftlich genutzte Flächen von Schadstoffen durch den Straßenverkehr betroffen sind und der Vorhabenträgerin ggf. Schutzvorkehrungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG aufzuerlegen sind, nicht befasst. Der Kläger kann sich insoweit nicht auf einen möglichen Abwägungsmangel berufen.

161

Wie oben bereits dargelegt, führt auch bei einem Vollprüfungsanspruch des von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffenen nicht jeder objektiv-rechtliche Fehler, der einer Planung anhaftet, zur (vollständigen oder teilweisen) Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit. Dies scheidet vielmehr aus, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler für die Eigentumsbetroffenheit des Klägers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist, etwa wenn ein als verletzt geltend gemachter öffentlicher Belang nur von örtlicher Bedeutung ist und auch die fehlerfreie Beachtung dieses Belangs nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks führen würde, insbesondere wenn die Planung lediglich an Mängeln leidet, die durch eine schlichte Planergänzung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 23.01.2015, a.a.O., RdNr. 12, m.w.N.).

162

Genau dies ist hier der Fall. Ein etwaiger Mangel in Bezug auf die Betroffenheit trassennaher Grundstücke und ein mögliches Erfordernis zur Anordnung von Schutzvorkehrungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG wäre nicht von so großem Gewicht, dass dadurch nicht nur der einzelne betroffene Grundstückseigentümer benachteiligt wäre, sondern die Ausgewogenheit der Gesamtplanung bzw. eines abtrennbaren Planungsteils überhaupt in Frage gestellt würde. In Betracht kommende Schutzvorkehrungen, wie etwa die regelmäßige Untersuchung der Böden oder die Herstellung von Spritzschutzeinrichtungen, ließen sich nachholen, ohne dass dadurch die Gesamtkonzeption der Planung in einem wesentlichen Punkt berührt und ohne dass in dem Interessengeflecht der Planung nunmehr andere Belange nachteilig betroffen wären. Die Eigentümer der betroffenen landwirtschaftlich genutzten Flächen könnten zwar vom Beklagten ggf. verlangen, dass Schutzvorkehrungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG (im Wege der Planergänzung) getroffen werden. Der Kläger ist jedoch nicht Eigentümer der insoweit betroffenen Flächen. Die kürzeste Entfernung zwischen dem ihm gehörenden Grundstück und der Trasse der Ortsumgehung beträgt ca. 900 m.

163

Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, es bestehe die Möglichkeit, dass ihm im Rahmen des bereits eingeleiteten Unternehmensflurbereinigungsverfahrens trassennahe Flächen zugeteilt werden. Die Klagebefugnis gegen einen Planfeststellungsbeschluss vermitteln alle Rechtspositionen, die Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sind und von den enteignungsrechtlichen Vorwirkungen eines Planfeststellungs- oder sonstigen Beschlusses erfasst werden; darunter fällt etwa auch eine Auflassungsvormerkung (BVerwG, Urt. v. 14.11.2012 – BVerwG 9 A 14.11 –, BVerwGE 145, 96, RdNr. 17 in juris). Die bloße Möglichkeit, dass das Eigentum an einem von der Planfeststellung betroffenen Grundstück am Ende eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens auf eine Person übergeht, vermittelt dieser deshalb noch keine Klagebefugnis gegen den Planfeststellungsbeschluss. Dem entsprechend kann ein von der Planfeststellung anderweitig betroffener Grundstückseigentümer, auch wenn er grundsätzlich einen Vollüberprüfungsanspruch mit den oben dargestellten Einschränkungen hat, auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Planfeststellungsbeschluss beeinträchtige ein Grundstück, das er möglicherweise künftig zu Eigentum übertragen bekomme. Da sich hier noch nicht hinreichend sicher abschätzen lässt, ob der Kläger jemals durch eine Flächenzuteilung im Rahmen des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens, das eine Fläche von 1.076 ha umfasst, Eigentümer gerade trassennaher Flächen wird, kann er nicht mit Erfolg eine mangelhafte Abwägung schutzwürdiger Belange der derzeitigen Eigentümer trassennaher Grundstücke und eine fehlende Anordnung von Schutzvorkehrungen rügen.

164

2.2.4. Nicht durchzudringen vermag der Kläger auch mit seinem Vortrag, da der Landkreis Börde sich mit der Neufestsetzung eines Wasserschutzgebiets beschäftige, bestünden, solange die Grenzen der spezifischen Schutzzonen nicht endgültig festgesetzt seien, Zweifel, ob es sinnvoll sei, Infrastrukturmaßnahmen direkt an angrenzende Bereiche zu planen.

165

Der Landkreis Börde äußerte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens keinerlei Bedenken in dieser Hinsicht. Es ist nicht ersichtlich, dass vonseiten des Landkreises Börde konkrete Planungen vorliegen, die von der hier in Rede stehenden Trasse berührt werden könnten.

166

Im Übrigen hat grundsätzlich diejenige Planung Rücksicht auf die konkurrierende Planung zu nehmen, die den zeitlichen Vorsprung hat (sog. Prioritätsgrundsatz). Voraussetzung ist dafür eine hinreichende Verfestigung der Planung, die einen Vorrang beansprucht.Bezüglich eines Fachplanungsvorhabens markiert in der Regel erst die Auslegung der Planunterlagen den Zeitpunkt einer hinreichenden Verfestigung. Abweichendes gilt im Falle eines gestuften Planungsvorgangs mit verbindlichen Vorgaben, wie er bei der gesetzlichen Bedarfsfeststellung im Fernstraßenausbaugesetz vorliegt. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann hier schon vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens eine Verfestigung bestimmter fachplanerischer Ziele eintreten (vgl. zum Verhältnis der Fachplanung zur Bauleitplanung: BVerwG, Beschl. v. 05.11.2002 – BVerwG 9 VR 14.02 –, NVwZ 2003, 207). Übertragen auf das Verhältnis zwischen Straßenplanung und Wasserschutzgebietsfestsetzung bestünde eine Pflicht zur Berücksichtigung einer vom zuständigen Landkreis beabsichtigten Festsetzung eines neuen Wasserschutzgebiets erst dann, wenn das in § 73 Abs. 1 WG LSA beschriebene Anhörungsverfahren begonnen hätte. Dies war hier aber nicht der Fall.

167

2.2.5. Schließlich kann der Kläger nicht mit Erfolg rügen, der Bau der Ortsumfahrung sei mit Beeinträchtigungen durch Baulärm sowie Erschütterungen verknüpft, für die die Planunterlagen kein Gutachten führten.

168

Auch wenn der Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich des Schutzes der Anwohner vor Baulärm und Erschütterungen fehlerhaft bzw. unvollständig sein sollte, handelte es sich um keinen Mangel, der kausal für die Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks wäre. Bei Mängeln des Lärm- und Erschütterungsschutzkonzepts können Betroffene die Anordnung realer Schutzvorkehrungen oder die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs im Wege der Planergänzung, nicht aber die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses verlangen; ein Aufhebungsanspruch besteht nur, wenn aufgrund einer unbewältigten Lärm- oder Erschütterungsbelastung die fachplanerische Abwägung insgesamt keinen Bestand mehr haben könnte, weil sich eine konzeptionell andere Planung aufgedrängt hätte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.04.2016 – BVerwG 3 VR 2.15 –, NVwZ 2016, 1328). Für Letzteres sind hier keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

169

2.3. Der Planfeststellungsbeschluss ist jedoch rechtswidrig und nicht vollziehbar, weil die Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks nach der artenschutzrechtlichen Nebenbestimmung in Nr. 4 1) des Planfeststellungsbeschlusses i.V.m. dem Maßnahmenblatt EFCS 1.2 des LBP fehlerhaft ist.

170

2.3.1. Die im Maßnahmenblatt des LBP (S. 203a, 204a) getroffene Anordnung erfüllt allerdings entgegen der Auffassung des Klägers die Anforderungen des § 37 Abs. 1 VwVfG an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten.

171

Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.12.2003 – BVerwG 6 C 20.02 –, BVerwGE 119, 282 [284], RdNr. 17 in juris, m.w.N.). Diesen Anforderungen entsprechen können auch Verwaltungsakte, die zunächst nur das Ziel festlegen, das der Adressat durch eigene Maßnahmen erreichen muss, die ihm aber hinsichtlich der einzusetzenden Mittel Wahlfreiheit lassen (Kopp/Schenke, VwVfG, 17. Aufl., § 37 RdNr. 16, m.w.N.). Bei grundstücksbezogenen Regelungen muss das betroffene Grundstück genau bezeichnet werden (U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 37 RdNr. 36, m.w.N.). Die Regelung eines Verwaltungsakts kann auch dann hinreichend bestimmt sein, wenn zu ihrer Konkretisierung auf bestimmte, dem Betroffenen bekannte Dokumente (Pläne, Gutachten, Antragsunterlagen) verwiesen wird (U. Stelkens, a.a.O., RdNr. 37, m.w.N.). Soweit Dritte von einem Verwaltungsakt (begünstigend oder belastend) betroffen werden, muss der Verwaltungsakt auch ihnen gegenüber bestimmt sein (U. Stelkens, a.a.O., RdNr. 4).

172

Gemessen daran bestehen keine durchgreifenden Bedenken an der Bestimmtheit der das Grundstück des Klägers betreffenden Maßnahme EFCS 1.2. Welche Handlungen die Vorhabenträgerin als Inhaltsadressatin und zur Durchführung der Maßnahme Verpflichtete durchzuführen hat, ergibt sich aus dem LBP, der gemäß § 17 Abs. 4 Satz 5 BNatSchG Bestandteil des Fachplans ist und auf den die Nebenbestimmung 4. 1) ausdrücklich verweist.

173

Darstellungen in einem landespflegerischen Begleitplan müssen im Text (verbal) und Karte (zeichnerisch) erfolgen; dabei hat die kartografische Darstellung parzellenscharf zu erfolgen, da sie der Lokalisierung der Maßnahmen dient; andernfalls leiden die entsprechenden Anordnungen in einem Planfeststellungsbeschluss unter einem Bestimmtheitsmangel (vgl. Meßerschmidt, BNatSchG, § 17 RdNr. 60, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird der LBP in Bezug auf die Fläche für die in Rede stehende Maßnahme EFCS 1.2 gerecht. Aus der zeichnerischen Darstellung (Ordner 6/7, Unterlage 12.2, Blatt Nr. 9) ergibt sich mit hinreichender Klarheit, dass das dem Kläger gehörende Flurstück 112/3 sowie die Flurstücke 113/2, 111/3, 110/3, 109/2, 108/3 und 108/7 in Anspruch genommen werden und welche Teilflächen dieser Grundstücke davon ausgenommen sind. Aus den textlichen Angaben im LBP ergibt sich auch mit der erforderlichen Bestimmtheit, welche Maßnahmen auf den betroffenen Grundstücken vorzunehmen sind.

174

Die Regelung über die streitige Maßnahme EFCS 1.2 ist auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil die konkreten Flächen innerhalb der im LBP vorgesehenen 3,82 ha großen Gesamtfläche, auf denen die Lerchenfenster und die (alternierenden) Blühstreifen hergestellt werden sollen, nicht festgelegt werden. Für die Vorhabenträgerin als Inhaltsadressatin der Nebenbestimmung ist klar, in welchem Umfang sie Maßnahmen auf den bezeichneten Flächen durchzuführen hat. Dass der Beklagte ihr in Bezug auf die konkrete räumliche und zeitliche Anordnung der Lerchenfenster und der Blühstreifen einen Rahmen bzw. Spielraum belassen hat, innerhalb dessen das Ziel der Maßnahme, die Schaffung neuen Lebensraums für die Feldlerche und das Rebhuhn, erreicht werden kann, steht der Bestimmtheit der Nebenbestimmung nicht entgegen. Auch der Umstand, dass für den Kläger als von der Nebenbestimmung Drittbetroffenem nicht vorhersehbar ist, auf welchen konkreten Teilflächen in welchem Jahr kein Getreide angebaut wird, steht der hinreichenden Bestimmtheit nicht entgegen. Da nicht vorhersehbar ist, wie die im LBP bezeichneten Grundstücke in den einzelnen Jahren bewirtschaftet werden (davon hängt insbesondere auch die Größe der Lerchenfenster ab) ist es, worauf der Beklagte zutreffend verwiesen hat, sinnvoll, dass die Herstellung der Lerchenfenster und Blühstreifen in Absprache mit den Landwirten erfolgt. Dadurch kann die Maßnahme besser in die ackerbauliche Nutzung integriert werden. Wie der naturschutzfachliche Mitarbeiter der Vorhabenträgerin, Herr Dr. W, in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist die Anordnung der Lerchenfenster und Blühstreifen auf den Äckern bislang immer im Einvernehmen mit den Landwirten gelungen. Im Übrigen erfordert der auch bei der rechtsgeschäftlichen Einigung über eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1090 BGB zu beachtende Bestimmtheitsgrundsatz nicht, dass sich aus der Einigung ergibt, welche konkrete Teilfläche des Grundstücks der Berechtigte soll benutzen dürfen. Wie sich aus dem gemäß § 1090 Abs. 2 BGB entsprechend anzuwendenden § 1023 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt, steht es den Beteiligten vielmehr grundsätzlich frei, ob sie eine örtliche Ausübungsbeschränkung rechtsgeschäftlich festlegen oder dies der tatsächlichen Ausübung der Dienstbarkeit überlassen (vgl. BGH, Urt. v. 03.05.2002 – V ZR 17/01 –, NJW 2002, 3021 [3023], RdNr. 17 in juris, m.w.N.). Insoweit genügt es, dass für den Kläger als Grundstückseigentümer der Umfang der Nutzungsbeschränkung erkennbar ist.

175

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die getroffene Regelung auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil nach dem Maßnahmenblatt (S. 203a, 204a des LBP) ein bis zwei (alternierende) Blühstreifen mit je "mindestens" 10 m Breite und einer Gesamtfläche von "mindestens" 0,3 ha gefordert werden. Dem Beklagten ist zunächst darin beizupflichten, dass sich die Größenangabe 0,3 ha eindeutig auf die gesamte für die Maßnahme vorgesehene Fläche (von 3,82 ha) bezieht; denn sämtliche vorgesehenen Maßnahmen beziehen sich auf die Gesamtfläche und nicht auf Teilflächen wie etwa einzelne Flurstücke oder andere Größeneinheiten (wie z.B. ha). Die für den Kläger damit einhergehende Belastung bleibt für ihn trotz der Formulierung "mindestens" auch abschätzbar. Nach den Erläuterungen des naturschutzfachlichen Mitarbeiters der Vorhabenträgerin in der mündlichen Verhandlung werden solche Flächenvorgaben in der Praxis dergestalt gehandhabt, dass die Mindestgrößen im Einvernehmen mit den Landwirten nur in geringem Umfang überschritten werden. Eine darüber hinausgehende Nutzung der Äcker für Blühstreifen, die auch nicht im Interesse der Vorhabenträgerin liegt, muss der Kläger nicht befürchten, insbesondere kann sich die Vorhabenträgerin, wenn zu ihren Gunsten – ggf. im Wege der Enteignung – eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen worden ist, nicht – wie der Kläger es formuliert hat – "wie auf einer Spielwiese austoben". Gemäß § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1020 BGB ist der Berechtigte zur schonenden Ausübung der Dienstbarkeit verpflichtet. Eine in diesem Sinne übermäßige Nutzung braucht der Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht zu dulden (vgl. BGH, Urt. v. 19.09.2008 – V ZR 164/07 –, juris, RdNr. 20).

176

Es fehlt schließlich nicht deshalb an der erforderlichen Bestimmtheit der Nebenbestimmung, weil auf dem Lageplan der landschaftspflegerischen Maßnahmen (Ordner 6/7, Unterlage 12.2, Blatt 9) – anders als im Maßnahmenblatt – als Maßnahme EFCS 1.2 nur das Anlegen von Lerchenfenstern, nicht aber die Herstellung von Blühstreifen beschrieben sind. Besteht ein Widerspruch zwischen der zeichnerischen Darstellung und der textlichen Beschreibung, ist er unbeachtlich, wenn er sich durch eine ein Redaktionsversehen berichtigende Auslegung auflösen lässt (vgl. zum Bebauungsplan: BVerwG, Urt. v. 07.05.2014 – BVerwG 4 CN 5.13 –, BRS 82 Nr. 50, RdNr. 19 in juris, m.w.N.). Ein solches durch eine berichtigende Auslegung auflösbares Redaktionsversehen liegt hier vor. Offensichtlich wurde die in das Maßnahmenblatt aufgenommene Erweiterung der Maßnahmen um das Anlegen von Blühstreifen bei der Überarbeitung der Lagepläne vergessen.

177

2.3.2. Die Anordnung der Maßnahme EFCS 1.2 hält aber einer inhaltlichen Prüfung nicht stand. Es ist schon zweifelhaft, ob sie geeignet ist, den ihr vom Beklagten zugedachten Zweck zu erfüllen (dazu a). Es lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass sie auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (dazu b).

178

a) Rechtlicher Anknüpfungspunkt für FCS-Maßnahmen (FCS = Favourable Conservation Status) als spezielle kompensatorische Maßnahmen sind die artenschutzrechtlichen Bestimmungen der §§ 44 f. BNatSchG.

179

Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG ist es verboten, (1.) wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, (2.) wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert, und (3.) Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 Nummer 3 und im Hinblick auf damit verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen wild lebender Tiere auch gegen das Verbot des Absatzes 1 Nummer 1 nicht vor, soweit die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden (§ 44 Abs. 5 Sätze 2 und 3 BNatSchG). Gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG können die nach Landesrecht für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden aus den darin genannten Gründen von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen. Nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG darf eine Ausnahme nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält.

180

Die in § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG genannten "vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen" werden auch als CEF-Maßnahmen (CEF = Continuous Ecological Functionality) bezeichnet. Sie zielen als "aktiv biotopschaffende Maßnahmen" darauf, die ökologische Funktionsfähigkeit von Lebensstätten (streng) geschützter Arten zu wahren, die durch ein Vorhaben in Anspruch genommen werden (vgl. Fellenberg, Ewige Bindung?, Zur Dauer der Unterhaltungspflichten bei artenschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen, NuR 2016, 749 [750]). Daneben kennt das besondere Artenschutzrecht aber auch die gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten sog. populationsstützenden Maßnahmen, die auch als FCS-Maßnahmen firmieren und denen im Gegensatz zu CEF-Maßnahmen erst auf der Ebene der Ausnahmeprüfung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG Bedeutung zukommt (vgl. dazu Fellenberg, a.a.O., S., 749, 754; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23.04.2014 – BVerwG 9 A 25.12 –, juris, RdNr. 122; BayVGH, Urt. v. 19.02.2014 – 8 A 11.40040 u.a. –, juris, RdNr. 855). Die Festsetzung von FCS-Maßnahmen ist erforderlich, wenn der Erhaltungszustand sich ohne sie vorhabenbedingt verschlechtern würde (vgl. Hösch, UPR 2015, 81 [83]; Fellenberg, a.a.O.). Die artenschutzrechtlich relevanten CEF- und FCS-Maßnahmen sind zu unterscheiden von den in § 15 Abs. 2 BNatSchG geregelten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, mit denen der Verursacher eines Eingriffs nach § 14 BNatSchG verpflichtet wird, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen oder zu ersetzen.

181

Die Notwendigkeit der Berücksichtigung von FCS-Maßnahmen ergibt sich letztlich aus Verhältnismäßigkeitserwägungen, denn andernfalls könnte sich ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand als unüberwindliche Schranke für ein geplantes Vorhaben erweisen, obwohl geeignete Maßnahmen sicherstellen können, dass die Zielsetzung eines Erhalts der Arten (und ihrer Lebensstätten) nicht nachteilig berührt ist. Das Spektrum denkbarer Maßnahmen ist weiter als bei CEF-Maßnahmen. FCS-Maßnahmen müssen wegen des auf das natürliche Verbreitungsgebiet abstellenden Maßstabs der Ausnahmeprüfung anders als CEF-Maßnahmen nicht auf der Ebene der lokal betroffenen Population wirken. Ebenso ist es, anders als bei vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen, nicht zwingend erforderlich, dass die Maßnahmen bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung des Verbotstatbestandes wirksam sind. Gegenüber CEF-Maßnahmen ist der Bezug zu dem konkret betroffenen Bestand damit deutlich gelockert. Die Verbotsverwirklichung bildet den Anlass und Grund für die Durchführung von FCS-Maßnahmen, aber die von diesen Maßnahmen ausgehenden positiven Wirkungen müssen nicht den vorhabenbedingt betroffenen Exemplaren der geschützten Art zugutekommen (Fellenberg, a.a.O., m.w.N.).

182

Maßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustands der betroffenen Populationen sind zwar weder in der FFH-RL noch im BNatSchG explizit erwähnt und somit nicht verbindlich vorgeschrieben. Entsprechend den Empfehlungen der EU-Kommission (2007b: 69) sind sie jedoch zweckmäßig, um eine Ausnahme insbesondere hinsichtlich der Bewahrung eines guten Erhaltungszustands zu rechtfertigen. Die EU-Kommission nennt folgende Anforderungen für derartige FCS-Maßnahmen:

183
- Die Maßnahmen müssen die negativen Auswirkungen des Vorhabens den spezifischen Gegebenheiten entsprechend ausgleichen.
184
- Die Maßnahmen müssen eine hohe Erfolgschance / Wirksamkeit aufweisen und auf bewährten Fachpraktiken basieren.
185
- Sie müssen die Möglichkeit garantieren, dass eine Art einen guten Erhaltungszustand erreichen kann.
186
- Sie müssen möglichst schon vor oder spätestens zum Zeitpunkt der Zerstörung einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte Wirkung zeigen (Ob gewisse zeitliche Verzögerungen hingenommen werden können oder nicht, ist in Abhängigkeit von den betroffenen Arten und Habitaten zu beurteilen) (vgl. EU-KOMMISSION 2007b: 70ff.).
187

Aus Gründen der Praktikabilität und in Abgrenzung zu den „vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen“ wird in Abhängigkeit von den betroffenen Habitaten und Arten durchaus eine gewisse Verzögerung zwischen Eingriffszeitpunkt und voller Wirksamkeit einer FCS-Maßnahme akzeptiert werden können (vgl. auch EU-KOMMISSION 2007b: 70ff.). Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Erhaltungszustand einer Art nicht bereits derart schlecht ist und die Wiederherstellbarkeit der erforderlichen Habitatstrukturen derart ungünstig ist, dass vorübergehende Funktionsverminderungen eine irreversible Auswirkung auf den Erhaltungszustand der Art haben, d. h. in überschaubaren Zeiträumen, bzw. mit einer ausreichenden Sicherheit nicht wieder ausgeglichen werden können. Entsprechend dem EU-Guidance Document ist sowohl der Erhaltungszustand auf der Ebene der lokalen Population, als auch auf der Ebene der Population in der biogeografischen Region eines Mitgliedstaates zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund des föderalen Systems der BRD und der auf der Ebene der Bundesländer bezogenen Erfassungs- und Artenschutzprogramme, kann als weitere Zwischenebene die Population der biogeografischen Region des jeweiligen Bundeslandes berücksichtigt werden (vgl. die Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturvorhaben, Endbericht, Juni 2010, S. 33 f, https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/eingriffsregelung/FuE_CEF_Endbericht_RUNGE_01_pdf).

188

aa) Auf der Grundlage dieser rechtlichen Vorgaben, durfte der Beklagte Maßnahmen zur Stützung des Erhaltungszustandes der vom Vorhaben u.a. betroffenen Populationen der Feldlerche (Alauda arvensis) und des Rebhuhns (Perdix perdix) anordnen.

189

aaa) Keinen Bedenken begegnet zunächst die Feststellung des Beklagten, dass die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG in Bezug auf diese beiden Vogelarten verletzt sind, Verstöße gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG hingegen nicht zu erwarten sind (vgl. S. 106 ff. PFB). Bei der Prüfung, ob natur-, insbesondere auch artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt sind, steht der Planfeststellungsbehörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative sowohl bei der ökologischen Bestandsaufnahme als auch bei deren Bewertung zu, namentlich bei der Quantifizierung möglicher Betroffenheiten und bei der Beurteilung ihrer populationsbezogenen Wirkungen. Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob die Einschätzungen der Planfeststellungsbehörde im konkreten Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem unzulänglichen oder gar ungeeigneten Bewertungsverfahren beruhen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.04.2014 – BVerwG 9 A 25.12 –, a.a.O., RdNr. 90, m.w.N.). Die Einschätzung, die der Beklagte im Kern auf den artenschutzrechtlichen Fachbeitrag der Planungsgruppe Umwelt vom 16.02.2011 (Ordner 5/7, Unterlage 12.0) gestützt hat, hat der Kläger auch nicht (substantiiert) angegriffen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass in Bezug auf die nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 b] bb] BNatSchG besonders geschützten Vogelarten Feldlerche und Rebhuhn Mängel bei der Bestanderfassung und der Feststellung von Verstößen gegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG vorliegen.

190

bbb) Nicht zu beanstanden ist auch die Einschätzung des Beklagten, dass die danach erforderliche Ausnahme von den Verboten nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zugelassen werden kann, allerdings nur wenn in ausreichendem Umfang u.a. Ersatzmaßnahmen in Gestalt von FCS-Maßnahmen getroffen werden.

191

(1) Das Planvorhaben kann Ausnahmegründe nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG für sich in Anspruch nehmen, die Abweichungen von den Verboten des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG rechtfertigen.

192

Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG kann eine Ausnahme im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt zugelassen werden. Der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" ist unionsrechtlich nicht nur in Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 (ABl L 206) (FFH-RL), sondern auch in Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.11.2009 (Abl. L 20/7) (Vogelschutzrichtlinie – VRL) enthalten und bedarf einer weiten Auslegung; deshalb sind Verkehrsinfrastrukturprojekte, die öffentliche Zwecke erfüllen, einer Ausnahme auf dieser Grundlage zugänglich (OVG NW, Urt. v. 29.03.2017 – 11 D 70/09.AK –, juris, RdNr. 949 f., m.w.N.). Hinzu kommt, dass eine Ortsumgehung auch der Entlastung des Ortskerns vom Durchgangsverkehr dient, damit eine Verringerung der Belastung der Bevölkerung mit Luftschadstoffen und Lärm zur Folge hat; der Schutz der menschlichen Gesundheit ist als Abweichungsgrund in Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c FFH-RL und Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a VRL ebenfalls ausdrücklich benannt und von besonderem Gewicht (vgl. OVG NW, Urt. v. 29.03.2017, a.a.O., RdNr. 953).

193

Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG, der in Einklang jedenfalls mit Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c FFH-RL steht, kann eine Ausnahme auch aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art zugelassen werden. Voraussetzung dieses Ausnahmegrundes ist nicht, dass Sachzwänge vorliegen, denen niemand ausweichen kann; es reicht vielmehr ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.2011 – BVerwG 9 A 12.10 –, BVerwGE 140, 149 [174 f.], RdNr. 147 in juris, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dem öffentlichen Interesse an der Realisierung des Vorhabens kommt ein hoher Stellenwert zu. Das Vorhaben ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf eingestuft. Hinzu kommen die verkehrlichen Unzulänglichkeiten durch die bisher vorhandene Ortsdurchfahrt der B 71. Dem verkehrlichen Interesse der Allgemeinheit darf deshalb letztlich höheres Gewicht eingeräumt werden als den betroffenen Belangen des Artenschutzes. Dafür spricht, dass letztlich nur bei drei Vogelarten ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG festgestellt wurde und sich die schutzwürdigen Populationen nach der Einschätzung des Beklagten (S. 120 PFB) aufgrund geeigneter Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Erhaltungszustandes auch nach dem Eingriff nicht negativ verändern wird.

194

(2) Es bestehen auch keine "zumutbaren Alternativen" im Sinne von § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG, bei deren Verwirklichung der Kläger von einer Inanspruchnahme seines Grundstücks verschont bliebe.

195

Der Verweis auf zumutbare Alternativen greift das Kriterium "keine anderweitige zufriedenstellende Lösung" aus Art 16 Abs. 1 FFH-RL und das Kriterium "keine andere zufriedenstellende Lösung" aus Art. 9 Abs. 1 VRL auf. Art. 16 Abs. 1 FFH-RL ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen, bei der die Beweislast für das Vorliegen der für jede Abweichung erforderlichen Voraussetzungen die Stelle trifft, die über sie entscheidet (EuGH, Urt. v. 14.06.2007 – C-342/05 –, juris, RdNr. 25). Lässt sich das Planungsziel an einem nach dem Schutzkonzept der FFH-RL günstigeren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen, muss der Projektträger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Der Vorhabenträger darf von einer ihm technisch an sich möglichen Alternative erst Abstand nehmen, wenn diese ihm unverhältnismäßige Opfer abverlangt oder andere Gemeinwohlbelange erheblich beeinträchtigt werden. Standort- oder Ausführungsalternativen, die sich nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verwirklichen lassen, können außer Betracht bleiben. Das zumutbare Maß an Vermeidungsanstrengungen darf nicht außerhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu dem damit erzielbaren Gewinn für Natur und Umwelt stehen. In diesem Zusammenhang können auch finanzielle Erwägungen den Ausschlag geben (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.2000 – BVerwG 4 C 2.99 –, juris, RdNr. 30 f.). In Betracht zu ziehen sind zudem nur solche Alternativen, die die Identität des Vorhabens wahren. Von einer Alternative kann dann nicht mehr die Rede sein, wenn sie auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil die vom Vorhabenträger in zulässiger Weise verfolgten Ziele nicht mehr verwirklicht werden könnten. Zumutbar ist es nur, Abstriche vom Zielerfüllungsgrad in Kauf zu nehmen. Eine Variante, die nicht verwirklicht werden kann, ohne dass selbständige Teilziele, die mit dem Vorhaben verfolgt werden, aufgegeben werden müssen, braucht dagegen nicht berücksichtigt zu werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 09.07.2009 – BVerwG 4 C 12.07 –, juris, RdNr. 33). Bleibt aber das Ziel(-Bündel) als solches erreichbar, so sind Abstriche am Grad der Zielvollkommenheit als typische Folge des Gebots, Alternativen zu nutzen, hinnehmbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.05.2002 – BVerwG 4 A 28.01 –, juris, RdNr. 26). Diese zum Habitatschutz entwickelten Grund-sätze gelten für das Artenschutzrecht entsprechend (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.03.2008, a.a.O.).

196

Gemessen daran ist hier eine zumutbare Alternative im Sinne von § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG nicht gegeben. Neben einem völligen Verzicht auf das Ausbauvorhaben, auf den sich die Vorhabenträgerin nicht verweisen lassen muss, ließe sich ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG ggf. nur dadurch vermeiden, dass die B 71 auf der bestehenden Trasse unter Beibehaltung der Ortsdurchfahrt ausgebaut wird (Null-Plus-Variante). Diese Variante liefe aber letztlich auf ein anderes Vorhaben hinaus, bei dem wichtige Teilziele, nämlich die Schaffung einer leistungsfähigen Verbindung zwischen der künftigen Anschlussstelle der A 14 und dem Mittelzentrum H. sowie die Entlastung der Ortsdurchfahrt W. vom Durchgangsverkehr nicht verwirklicht werden könnten. Im Einzelnen kann dazu auf die oben zur Variantenwahl gemachten Ausführungen verwiesen werden.

197

(3) Es ist schließlich davon auszugehen, dass sich eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Feldlerchen- und der Rebhuhnpopulationen bei Durchführung geeigneter FCS- und CEF-Maßnahmen vermeiden lässt.

198

bb) Es bestehen aber Bedenken, ob sich eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Feldlerche und des Rebhuhns durch den Bau der Ortsumgehung mit der im LBP vorgesehenen Maßnahme EFCS 1.2 vermeiden lässt.

199

Als Erhaltungszustand einer Art bezeichnet Art. 1 Buchstabe i FFH-RL die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten in einem Gebiet auswirken können. Der Erhaltungszustand wird als günstig betrachtet, wenn aufgrund der Daten der Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Population dieser Art zu sichern. Anders als beim Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist im Rahmen der Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG nicht der Erhaltungszustand des von dem Vorhaben unmittelbar betroffenen lokalen Vorkommens maßgeblich, sondern eine gebietsbezogene Gesamtbetrachtung anzustellen, die auch die anderen (Teil-) Populationen der Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in den Blick nimmt; entscheidend ist, ob die Gesamtheit der Populationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, das über das Plan- bzw. Vorhabengebiet hinausreicht, als lebensfähiges Element erhalten bleibt (BVerwG, Urt. v. 06.11.2013 – BVerwG 9 A 14.12 –, juris, RdNr. 130). Das schließt freilich nicht aus, dass in die Beurteilung auch die Auswirkungen auf die örtliche Population mit einfließen. Dies kann im Rahmen einer zweistufigen Betrachtung geschehen, wie sie die EU-Kommission in ihrem "Guidance document on the strict protection of animal species of Community interest under the Habitats Directive 92/43/EEC", Februar 2007 (S. 60 f.), empfiehlt: Bleibt der Erhaltungszustand der betroffenen lokalen Population günstig, so steht damit zugleich fest, dass keine negativen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art in ihrem überörtlichen Verbreitungsgebiet zu besorgen sind. Lässt sich dem Vorhaben die Unbedenklichkeit für die lokale Population nicht attestieren, ist ergänzend eine weiträumigere Betrachtung geboten. Dann ist zu fragen, ob die Beeinträchtigung des lokalen Vorkommens sich auf die Stabilität der Art im überörtlichen Rahmen negativ auswirkt, was maßgeblich vom Erhaltungszustand der Art in ihrem regionalen oder sogar noch größeren Verbreitungsgebiet abhängt (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 12.03.2008 – BVerwG 9 A 3.06 –, BVerwGE 130, 299 [374], RdNr. 249 in juris). Insoweit ist der Behörde ein naturschutzfachlicher Einschätzungsspielraum eingeräumt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.2008 – BVerwG 9 VR 10.07 –, NuR 2008, 495 [501], RdNr. 47 in juris).

200

Im Falle eines ungünstigen Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Art sind Ausnahmen nach Art. 16 Abs. 1 FFH-RL (ausnahmsweise) zulässig, wenn sachgemäß bzw. hinreichend nachgewiesen ist, dass sie weder den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Population weiter verschlechtern noch die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes behindern; darüber hinaus müssen keine "außergewöhnlichen Umstände" vorliegen (BVerwG, Urt. v. 28.03.2013 – BVerwG 9 A 22.11 –, BVerwGE 146, 145 [175], RdNr. 135 in juris; Urt. v. 14.04.2009 – BVerwG 9 A 5.08 –, BVerwGE 136, 291 [328 f.], RdNr 141 in juris; EuGH, Urt. v. 14.06.2007, a.a.O., RdNr. 29).

201

Der Planfeststellungsbehörde steht auch bei der Bewertung der Kompensationswirkungen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, insbesondere was deren Quantifizierung betrifft, eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu; die Quantifizierungen sind vom Gericht hinzunehmen, sofern sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und auch nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (BVerwG, Urt. v. 06.11.2012 – BVerwG 9 A 17.11 –, BVerwGE 145, 40 [66], RdNr. 145 in juris, m.w.N.). Die gilt auch für die Bewertung von Maßnahmen, mit denen neue Habitatflächen für die betroffenen Arten zur Verfügung gestellt werden (BVerwG, Beschl. v. 09.09.2009 – BVerwG 4 BN 4.09 –, juris, RdNr. 11, m.w.N.).

202

Grund für die Zuerkennung einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative ist der Umstand, dass es im Bereich des Naturschutzes regelmäßig um ökologische Bewertungen und Einschätzungen geht, für die normkonkretisierende Maßstäbe fehlen. Die Rechtsanwendung ist daher auf die Erkenntnisse der ökologischen Wissenschaft und Praxis angewiesen, die sich aber nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erweist. Bei zahlreichen Fragestellungen steht – jeweils vertretbar – naturschutzfachliche Einschätzung gegen naturschutzfachliche Einschätzung, ohne dass sich eine gesicherte Erkenntnislage und anerkannte Standards herauskristallisiert hätten. Sind verschiedene Methoden wissenschaftlich vertretbar, bleibt die Wahl der Methode der Behörde überlassen. Eine naturschutzfachliche Meinung ist einer anderen Einschätzung nicht bereits deshalb überlegen oder ihr vorzugswürdig, weil sie umfangreichere oder aufwändigere Ermittlungen oder "strengere" Anforderungen für richtig hält. Das ist erst dann der Fall, wenn sich diese Auffassung als allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt hat und die gegenteilige Meinung als nicht (mehr) vertretbar angesehen wird. Die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative folgt nicht aus einer bestimmten Verfahrensart oder Entscheidungsform, sondern aus der Erkenntnis, dass das Artenschutzrecht außerrechtliche Fragestellungen aufwirft, zu denen es jedenfalls nach dem derzeitigen Erkenntnisstand keine eindeutigen Antworten gibt. Die Einräumung einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative führt zwar zu einer Rücknahme gerichtlicher Kontrolldichte. Das Gericht bleibt aber verpflichtet zu prüfen, ob im Gesamtergebnis die artenschutzrechtlichen Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu überprüfen (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 – BVerwG 4 C 1.12 –, BVerwGE 147, 118 [126 f.], RdNr. 15 f.in juris).

203

Dies zugrunde gelegt, bestehen Bedenken, ob die im Planfeststellungsbeschluss angeordnete Maßnahme EFCS 1.2, geeignet ist, den jeweiligen Erhaltungszustand der Feldlerchen- und Rebhuhnpopulation zu stützen.

204

aaa) Mängel in Bezug auf die Einschätzung des Erhaltungszustandes von Feldlerche und Rebhuhn sowie hinsichtlich der Auswirkungen des Vorhabens auf den Erhaltungszustand sind allerdings nicht erkennbar. Der Beklagte hat sich im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss mit dem lokalen und landesweiten Erhaltungszustand der von den Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG betroffenen Vogelarten auseinandergesetzt (S. 117 ff.). Bei der Feldlerche hat er ihn – lokal wie landesweit – als (noch) günstig und beim Rebhuhn als eher ungünstig eingeschätzt. Um den aktuellen Erhaltungszustand der Feldlerche zu erhalten, hat er Maßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustandes als erforderlich angesehen, da essentieller Nahrungsraum und/oder maßgebliche Wege zwischen Brutplatz und Nahrungsraum beschädigt oder zerstört werden. Diese aus dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag jeweils übernommenen Bewertungen lassen keinen Fehler erkennen. Als Kompensationsmaßnahmen sehen der artenschutzrechtliche Fachbeitrag und der LBP die Entwicklung von Lebensräumen und die gesamträumliche Aufwertung von ca. 54 ha für ca. neun bis zehn Brutpaare durch Saumstrukturen und Brachen vor. Um der Verschlechterung des Erhaltungszustandes des Rebhuhns entgegenzuwirken, sollen Lebensräume entwickelt und durch Saumstrukturen, Lerchenfenster und Brachen aufgewertet werden.

205

bbb) Die Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen widerspricht auch nicht den Vorgaben des § 15 Abs. 3 BNatSchG und § 7 Abs. 1 Nr. 1 NatSchG LSA.

206

Nach § 15 Abs. 3 BNatSchG ist bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen, insbesondere sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Es ist vorrangig zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 NatSchG LSA sind bei der Auswahl und Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen solche vorrangig, die keine zusätzlichen land- und forstwirtschaftlichen Flächen in Anspruch nehmen.

207

Es ist bereits fraglich, ob diese Vorschriften auf FCS-Maßnahmen überhaupt (entsprechende) Anwendung finden. Aber auch wenn dies der Fall sein sollte, ist ein Verstoß hiergegen nicht erkennbar. Der Planfeststellungsbeschluss nimmt auf die Belange der Landwirtschaft Rücksicht, indem er eine Zerschneidung landwirtschaftlich genutzter Flächen durch Ersatzmaßnahmen vermeidet. Dies gilt insbesondere auch für die Maßnahmefläche EFCS 1.2, die im Norden von der Ohre und im Westen von der Beber begrenzt wird. Für das Anlegen von Lerchenfenstern und alternierenden Blühstreifen kommt eine Entsiegelung von Flächen nicht in Betracht; diesen ist gerade immanent, dass sie in Getreidefeldern angelegt werden. Im Übrigen ist Inhalt der Maßnahme EFCS 1.2 gerade eine nach § 15 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG vorrangig zu prüfende Bewirtschaftungsmaßnahme, die auch der Aufwertung des Naturhaushalts dient und die landwirtschaftliche Nutzung in wesentlichem Umfang weiter zulässt.

208

ccc) Es bestehen jedoch Zweifel daran, ob die nach dem LBP anzulegenden Feldlerchenfenster und alternierenden Blühstreifen geeignet sind, die beabsichtigten positiven Effekte auf die Populationen der Feldlerche und des Rebhuhns herbeizuführen.

209

(1) Naturschutzfachlich vertretbar ist zwar die Annahme des Beklagten, dass Feldlerchenfenster in Kombination mit Blüh-/Brachstreifen einen positiven Effekt auf die Siedlungsdichte der Feldlerche und damit eine populationsunterstützende Wirkung haben können.

210

Im Abschlussbericht des NABU Deutschland e.V. zum Projekt "1.000 Äcker für die Feldlerche" für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt vom September 2011, die in Kooperation mit dem Deutschen Bauernverband erstellt wurde, werden Lerchenfenster wie folgt beschrieben (vgl. S. 6 ff.):

211

"Um eine effiziente Landwirtschaft bei gleichzeitigem Schutz der Feldlerche zu erreichen, wurde in Großbritannien vor einigen Jahren das Konzept der „undrilled patches“ oder „skylark plots“ entwickelt (Morris 2009). Dabei wird die Sämaschine bei der Aussaat (v.a. bei Wintergetreide) für einige Meter angehoben, so dass eine nicht eingesäte Fehlstelle entsteht, das sogenannte Feldlerchenfenster… Dieses Feldlerchenfenster kann im Rahmen der weiteren Bewirtschaftung wie der restliche Schlag bewirtschaftet, also z.B. gespritzt und gedüngt werden. Dabei entsteht entweder ein artenarmer Wildkrautbewuchs oder die Fläche bleibt offen. In jedem Fall wird die Strukturvielfalt des Schlages wesentlich erhöht. Neben der Anlage im Wintergetreide sollte im Rahmen dieses Projektes auch Feldlerchenfenster in anderen Kulturen wie Raps, Mais und Sommergetreide angelegt werden, um die Effekte in diesen Kulturen bewerten zu können.

212

Die Maßnahme „Feldlerchenfenster“ wurde ausgewählt, da sie leicht umzusetzen ist und der Ertragsausfall gemäß der im Projekt empfohlenen Größe und Dichte der Fenster bei nur etwa fünf Euro pro Hektar liegt. Auf Grund dieser Eigenschaften wird die Maßnahme nach den Erfahrungen aus anderen Projekten (s.o.) generell von Landwirten akzeptiert...

213

… Die Maßnahme ist aufgrund der Lebensraumansprüche der Feldlerche besonders auf Ackerflächen sinnvoll, die eine Mindestgröße von fünf Hektar aufweisen. Die Fenster sollten zudem mind. 50 Meter von Baumreihen, Gebäuden und Straßen entfernt sein, da diese Strukturen von Feldlerchen gemieden werden und in einem gewissen Abstand zum Feldrand sowie zu Fahrgassen liegen (jeweils mind. 25 Meter), um Brutverluste durch Beutegreifer zu vermeiden. Feldlerchenfenster sollten ferner gleichmäßig über die Ackerfläche verteilt sein und als Richtwert in einer Dichte von zwei Fenstern je Hektar angelegt werden. Weist der Acker Bodenerhebungen bzw. -senken auf, sollten die Fenster bevorzugt auf den trockeneren Kuppen und nicht in den feuchteren Senken angelegt werden.

214

Feldlerchen profitieren von den offenen Stellen im Getreidebestand, da die Art als ursprünglicher Steppenbewohner spärlich bewachsene Flächen bevorzugt. Durch die Anlage der Fenster stehen solche Strukturen auch in hoch aufwachsenden Ackerkulturen bis zum Ende der Brutzeit (Juli) zur Verfügung. Der konkrete Vorteil für den Bruterfolg liegt offenbar vor allem darin, dass die Tiere im Vergleich zu normalen Äckern einen höheren Anteil der Nahrung innerhalb des Ackers, in dem sie brüten, finden können (Fischer et al. 2009, Morris 2009). Dadurch sparen die Alttiere Energie und können ihre Gelege und Bruten vermutlich besser gegenüber Fressfeinden bewachen. Die ursprüngliche Erwartung, dass die Feldlerchenfenster oder ihre nähere Umgebung als Neststandorte genutzt werden würden, bestätigte sich in britischen Untersuchungen nicht (Morris et al. 2007), jedoch in Untersuchungen aus der Schweiz (Fischer et al. 2009).

215

Die bisherigen Untersuchungen zur Wirkung der Feldlerchenfenster deuten auf einen überwiegend positiven Einfluss auf den Feldlerchenbestand hin. In Großbritannien ergab eine höhere Revierdichte in Verbindung mit einem größeren Bruterfolg der Paare auf Flächen mit Feldlerchenfenstern eine um 49 % höhere Produktivität gegenüber Kontrollflächen ohne Fenster (Morris 2009). In einer eher kleinräumig strukturierten Landschaft der Schweiz fielen die Effekte der Feldlerchenfenster geringer als in Großbritannien aus, jedoch nahm auch hier die Revierdichte der Feldlerche in Flächen mit Fenstern im Laufe der Brutzeit weniger stark ab als in solchen ohne Fenster (Fischer et al. 2009). In einer Landschaft mit hohem Sommergetreideanteil in den Niederlanden wurde hingegen keine Wirkung von Feldlerchenfenstern auf die Revierdichte der Feldlerchen festgestellt (Teunissen et al. 2009). Modellversuche mit Feldlerchenfenstern in Deutschland (Bayern, Nordrhein-Westfalen) wiesen insgesamt auf einen positiven Einfluss auf den Feldlerchenbestand hin (Biologische Station Gütersloh/Bielefeld e.V. & Biologische Station Ravensberg im Kreis Herford e.V. 2007, Pille 2007, Joest 2009)…"

216

Positive Effekte der Lerchenfenster auf die Feldlerche werden auch im Abschnitt 5.3 des Projektberichts "1.000 Äcker für die Feldlerche" (Ergebnisse) beschrieben. Dort heißt es (S. 17 f.):

217

"Feldlerchen wurden pro Durchgang auf 50-60% der Flächen mit Feldlerchenfenstern sowie 41-53% der Kontrollflächen registriert…. Während der Anteil besetzter Flächen im Falle der Äcker mit Feldlerchenfenstern von April bis Juni nahezu konstant blieb, nahm dieser bei den Kontrollflächen kontinuierlich ab…

218

Bei Betrachtung der durchschnittlich pro Fläche registrierten Feldlerchenanzahl ergibt sich folgendes Bild: In allen Monaten wurden auf den Flächen mit Feldlerchenfenstern im Mittel mehr Feldlerchen registriert als auf den Kontrollflächen …, allerdings war dieser Unterschied nur für die Monate Mai und Juni statistisch signifikant... Hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs ergab sich ein ähnliches Muster wie bei den Anteilen besetzter Flächen: Während die Feldlerchenzahl auf den Flächen mit Feldlerchenfenstern von April bis Juni stabil blieb und erst im Juli abnahm, wurde auf den Kontrollflächen eine stetige Abnahme beobachtet."

219

Im Abschnitt 5.5 Schlussfolgerungen der wissenschaftlichen Begleituntersuchung (S. 24) ist unter der Überschrift "Weitere Maßnahmen notwendig" zu lesen:

220

Feldlerchenfenster sind sinnvoll, reichen aber allein nicht aus, um die Bestände der Feldlerche und anderer Feldvögel zu sichern. Denn zum einen entfalten sie ihre Wirkung nur während der Brutphase, zum anderen helfen Feldlerchenfenster ohne flankierende Maßnahmen nur den Arten, die inmitten der Felder brüten.

221

Zu der Vielzahl weiterer Maßnahmen, die bisher speziell im Ackerbau erprobt wurden, zählen das Stehenlassen von Winterstoppeln und der Anbau von Sommergetreide, der Verzicht bzw. die Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutz- und Düngemitteln in Form von Ackerrandstreifen, die Anlage von Streifen mit doppeltem Saatreihenabstand sowie Brache- und Blühstreifen. Um dem Rückgang der Feldlerche entgegen wirken zu können, sollten die Maßnahmen über spezifische Förderinstrumente auf geeigneten Flächen und mit ausreichendem Flächenumfang umgesetzt werden. Hierbei sind die Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit sowie die Schaffung von Anreizen für Maßnahmen mit höheren finanziellen Einbußen erforderlich.

222

Im Fazit des Abschlussberichts (S. 27) heißt es:

223

"Die wissenschaftliche Begleituntersuchung (Kap. 5) zeigte, dass sich die Anlage von Feldlerchenfenstern im Wintergetreide positiv auf die Nutzbarkeit der Flächen für die Feldlerche während der Hauptbrutzeit im Mai und Juni auswirkte. Viele Fragen, welche die Wirkung der Feldlerchenfenster auf Bestandesebene, auf andere Tierarten oder in anderen Kulturen betreffen, sind jedoch weiterhin ungeklärt. Zu den Schlussfolgerungen der wissenschaftlichen Begleituntersuchung zählte weiterhin, dass die richtige Standortwahl und Dichte der Feldlerchenfenster für deren Wirkung ausschlaggebend sind und dass weitere Maßnahmen sowie der Erhalt natürlicher Störstellen für den Schutz der Feldvögel unverzichtbar sind."

224

Der Beklagte stützt sich insbesondere auf das Sächsische Bodenbrüterprojekt 2009 – 2013 von J. Schmidt, M. Dämmig und W. Nachtigall, aus dem sich ebenfalls naturschutzfachlich vertretbar ableiten lässt, dass Lerchenfenster grundsätzlich einen solchen positiven Effekt auf die Feldlerche haben können. Nach diesem Projekt, in welchem 19 Siedlungsdichteuntersuchungen auf ca. 250 ha Probeflächen und mit Feldlerchenfenstern und ca. 370 ha schlaginternen Vergleichsflächen ohne Fenster durchgeführt wurden, war die durchschnittliche Siedlungsdichte der Feldlerche auf Probeflächen mit Fenstern in Winterweizen, -gerste und -raps während beider Brutzeiträume mindestens doppelt so hoch wie im Mittel der schlaginternen Vergleichsflächen ohne Fenster, während der relative Rückgang der Siedlungsdichte vom ersten zum zweiten Brutzeitraum auf Probe- und Vergleichsflächen etwa identisch war. Gemittelt über alle 19 Untersuchungsflächen ergab sich danach das Potenzial, durch breite Anwendung in verschiedenen Kulturarten die Siedlungsdichten um ein bis zwei Brutpaare / 10 ha zu steigern (vgl. S. 23 des zusammenfassenden Ergebnisberichts).

225

Selbst wenn sich – wie der Kläger unter Bezugnahme auf ein Monitoring der Planungsgruppe Umwelt in Nordrhein-Westfalen geltend macht – naturschutzfachlich die Erkenntnis durchgesetzt haben sollte, dass auf Flächen mit Lerchenfenstern im Vergleich zu Flächen ohne Lerchenfenster bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine erkennbare Verbesserung des Bruterfolges der Feldlerche eintritt, könnte die im LBP vorgesehene Maßnahme insgesamt (Lerchenfenster in Kombination mit Blüh- oder Brachestreifen) nicht als nach wissenschaftlichen Maßstäben ungeeignet betrachtet werden. Nach dem im LBP aktualisierten Maßnahmenblatt (S. 204a) beruht die Ergänzung der Lerchenfenster durch alternierende Blühstreifen auf "aktuellen Erkenntnissen". Blühstreifen bieten Nahrungs- und Lebensraum u.a. für die Feldlerche. Wie im Projekt "1.000 Äcker für die Feldlerche" beschrieben, gehört das Anlegen von Brache- und Blühstreifen zu den weiteren Maßnahmen, die die – wenn auch möglicherweise geringe – positive Wirkung von Lerchenfenstern auf den Bruterfolg von Feldlerchen ergänzen.

226

Nicht von der Hand zu weisen ist zwar der Einwand des Klägers, dass Prädatoren die Wirksamkeit der Lerchenfenster beeinträchtigen können. Nach dem vom Kläger vorgelegten Artenschutzprojekt "Blick in die Lerchenfenster" 2012 der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld e.V. (Anlage B 10, S. 4 ff.) konnten in mehreren Lerchenfenstern verschiedene Säugetierarten nachgewiesen werden, darunter Dachs, Fuchs, Hermelin, Steinmarder sowie die Haustiere Hauskatze und Hund. Bereits der SAFFIE-Projekt-Report vom Juni 2007 wies im Abschnitt 7.5.2.2. (Factors affecting nest predation) bereits auf das gesteigerte Prädatorenrisiko bei Lerchenfenstern, insbesondere bei solchen in Kombination mit Blühstreifen hin. Um zu vermeiden, dass etwa Füchse in die Fenster laufen, sieht der Abschlussbericht "1.000 Äcker für die Feldlerche" bei den Hinweisen zum Anlegen der Lerchenfenster aber vor, dass ein maximaler Abstand zu Fahrgassen gelassen werden soll. Diese Anforderung in deshalb auch im Maßnahmenblatt zum LBP (S. 204a) ausdrücklich genannt. Der Autor der Studie "1.000 Äcker für die Feldlerche", Herr Cimiotti, teilte dem Kläger auf Nachfrage mit, dass auch er angesichts der damals schwachen Datenbasis eher 100 Meter Abstand oder mehr bevorzugen würde, insbesondere auch um die Prädationsgefahr zu minimieren, man aber an die Landwirtschaft keine zu strengen Anforderungen habe stellen wollen (vgl. Anlage A 12). Deshalb erscheint die Anlage von Lerchenfenstern und Blüh- bzw. Brachestreifen auch in Anbetracht des Prädatorenrisikos nicht von vornherein ungeeignet, um positive Effekte auf die Feldlerchenpopulation zu erreichen. Vielmehr wird es für die Wirksamkeit von Lerchenfenstern in Kombination mit Blühstreifen maßgeblich darauf ankommen, dass ein ausreichender Abstand zu den Feldrändern gewahrt bleibt.

227

Auch die im Planfeststellungsverfahren beteiligten Naturschutzbehörden halten das Anlegen von Lerchenfenstern, verbunden mit flankierenden Maßnahmen wie Blühstreifen für grundsätzlich geeignet, um die Population der Feldlerche stabilisieren zu können. Die untere Naturschutzbehörde führte in ihrer Stellungnahme vom 20.01.2014 (Beiakte C, Bl. 112 f.) zusammenfassend aus, dass die Einrichtung von Lerchenfenstern in Ackerbauregionen zur Stabilisierung der Population beitragen könne, wenn die Maßnahme durch weitere unterstützende Maßnahmen flankiert sei. Die obere Naturschutzbehörde äußerte in ihrer Stellungnahme vom 03.02.2014 (Beiakte C, Bl. 22) keine grundsätzlichen Zweifel an diesen Maßnahmen.

228

(2) Naturschutzfachlich vertretbar ist auch die Annahme des Beklagten, dass die Lerchenfenster und die Blüh- bzw. Brachestreifen sich positiv auf den Erhaltungszustand des Rebhuhns auswirken. Nach der Anlage zum Projektbericht "1.000 Äcker für die Feldlerche" wirken sich die Lerchenfenster auch positiv auf viele andere Feldtiere wie etwa das Rebhuhn aus. Nach dem Sächsischen Bodenbrüterprojekt (S. 25) frequentierte u.a. das Rebhuhn die angelegten Feldlerchenstreifen auf der Nahrungssuche. Im Übrigen wird darin für das Rebhuhn u.a. die Anlage von (selbstbegrünten oder begrünten) Brachen und Brachstreifen (R 2a und b) mit einer Mindestfläche von 0,3 ha empfohlen. Das Rebhuhn scheint im Übrigen nicht in demselben Maß durch Prädatoren gefährdet zu sein wie die Feldlerche (vgl. den Bericht zum SAFFIE-Projekt).

229

(3) Es fehlt entgegen der Annahme des Klägers auch nicht deshalb an einem schlüssigen Konzept bezüglich der FCS-Maßnahmen, weil die Summe der einzelnen insoweit angeführten FCS-Maßnahmen (EFCS 1.1, 1.2, 3.1, 3.2, 3.4, 5.1 und 5.2) 25,07 ha beträgt und damit nicht die Größenordnung von 54 ha erreicht, die gesamträumlich als Lebensraum der Feldlerche aufgewertet werden sollen. Wie der Verfasser des Artenschutzbeitrages, Herr Dipl.-Ing. (G.), in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, deckt sich die Fläche, die eine gesamträumliche Aufwertung erfährt, nicht mit der Gesamtfläche der FCS- und ggf. CEF-Maßnahmen. Vielmehr besitzen insbesondere auch die FCS-Maßnahmen eine Ausstrahlungswirkung auf den Gesamtschlag.

230

(4) Auch unter Berücksichtigung der dem Beklagten zuzubilligenden naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative bleiben aber Bedenken, ob die im LBP für die Maßnahme EFCS 1.2 für das Anlegen von Lerchenfenstern und Blüh- bzw. Brachestreifen konkret ausgewählten Flächen geeignet sind, die Populationen der Feldlerche und des Rebhuhns zu stützen.

231

(4.1) Nach den vorliegenden Studien sollen die Ackerflächen, auf denen Lerchenfenster angelegt werden, eine bestimmte Mindestgröße aufweisen, die die 3,82 ha große Maßnahmenfläche EFCS 1.2 nicht erreicht. Im Projekt "1.000 Äcker für die Feldlerche" heißt es, die Maßnahme sei aufgrund der Lebensraumansprüche der Feldlerche "besonders auf Ackerflächen sinnvoll, die eine Mindestgröße von fünf Hektar aufweisen". Dem entsprechend sieht das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) Nordrhein-Westfalen bei Artenschutzmaßnahmen für die Feldlerche im Abschnitt 1 "Entwicklungsmaßnahmen im Ackerland" – im Unterabschnitt "Anforderungen an den Maßnahmenstandort" vor (Internet: http://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/voegel/massn/103035), dass Lerchenfenster "idealerweise" in Schlägen ab 5 ha Größe angelegt werden. Im Sächsischen Bodenbrüterprojekt 2009 – 2013 (S. 56, Anhang A.2 Leistungsbeschreibungen der Maßnahme), auf das sich der Beklagte maßgeblich gestützt hat, ist zum Erreichen des Ziels der Verbesserung der Zugänglichkeit dichter Winterungen zur Zeit der Zweitbrut der Feldlerche von Mitte Juni bis Ende Juli sogar von einer Mindestgröße des Teilschlags von 10 ha und des Gesamtschlags von 20 ha die Rede.

232

Der Verfasser des Artenschutzbeitrages, Herr Dipl.-Ing. (G.), hat zwar in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass insoweit nicht allein auf die Größe der Maßnahmenfläche abzustellen sei, sondern auf die Größe des gesamten Ackerschlages, in dem sich die Maßnahmenfläche mit den Lerchenfenstern und Blühstreifen befinde. Anhand des der Erläuterung zur Maßnahmenkonzeption vom 07.08.2017 beigefügten Luftbildes hat er dargelegt, dass sich zwischen der Ohre im Norden, der Beber im Westen, einem Feldweg im Süden sowie der Kreisstraße K 1106 im Osten ein einheitlich bewirtschafteter Ackerschlag befinde, der eine Größe von gut 20 ha aufweist. Es mag zutreffen, dass sich dort im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses ein solcher zusammenhängender, einheitlich bewirtschafteter Ackerschlag befunden hat und auch derzeit noch befindet. Dass auch künftig eine solche Bewirtschaftung erfolgt, die den Lebensraumansprüchen der Feldlerche und des Rebhuhns gerecht wird, ist aber rechtlich nicht gesichert, zumindest ist dies nicht dokumentiert.

233

(4.2) Naturschutzfachlich vertretbar ist hingegen die Annahme des Beklagten, dass die nördlich der Ackerfläche vorhandenen vertikalen Strukturen die Eignung der Maßnahmenfläche für Lerchenfenster nicht in Frage stellen.

234

Nach dem Projekt "1.000 Äcker für die Feldlerche" (S. 7) sollten die Lerchenfenster mindestens 50 Meter von Baumreihen, Gebäuden und Straßen entfernt sein, da diese Strukturen von Feldlerchen gemieden werden und in einem gewissen Abstand zum Feldrand sowie zu Fahrgassen liegen (jeweils mind. 25 Meter), um Brutverluste durch Beutegreifer zu vermeiden. Nach den o.g. Leistungsbeschreibungen der Maßnahme im Anhang des Sächsischen Bodenbrüterprojekts (S. 56) wird angegeben, dass die Lage der Fenster zwischen den Fahrgassen und mindestens 50 m von vertikalen Strukturen, wie Waldrändern, Baumreihen, Einzelbäumen, Freileitungen o.ä. entfernt sein muss bzw. soll.

235

Diesen Vorgaben kann auf der in Rede stehenden 3,82 ha großen Ackerfläche entsprochen werden. Die zwischen dem südlichen Ohreufer und dem nördlichen Feldrand laut Bestands- und Konfliktplan des LBP (Ordner 6/7, Unterlage 12.1, Blatt 1a) vorhandenen (drei) Einzelsträucher sind nach den Darstellungen in den beiden Feldlerchen- bzw. Bodenbrüterprojekten für die Wirksamkeit der Lerchenfenster offenbar nicht von Bedeutung. Allerdings befinden sich am nördlichen Ufer der Ohre ca. 15 bis 20 m nördlich des Feldrandes Baumreihen. Im Bestands- und Konfliktplan ist dies als Baumreihe aus überwiegend nichtheimischen Gehölzen (HRC) dargestellt. Da die für die FCS-Maßnahme 1.2 vorgesehenen Flächen in Nord-Süd-Richtung eine Ausdehnung von 120 bis 180 m haben, lässt sich ein Abstand von 50 m zu diesen Gehölzen einhalten.

236

Ob andere Studien – wie der Kläger geltend macht – einen größeren Abstand zu Gehölzen fordern, ist insoweit unerheblich. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich größere Abstände als allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt hätten mit der Folge, dass die im LBP übernommene gegenteilige Meinung insbesondere im Sächsischen Bodenbrüterprojekt oder im Projekt "1.000 Äcker für die Feldlerche" als nicht (mehr) vertretbar angesehen werden könnte.

237

(4.3) Bedenken bestehen wiederum hinsichtlich der Eignung der Fläche für das Rebhuhn. Vom Rebhuhn werden nach dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag (S. 80) als Lebensraum in Mitteleuropa vorwiegend Ackerland, Weiden und Heidegebiete mit trockenem Untergrund genutzt. Als Deckungsstruktur müssen Hecken, Büsche, Staudenfluren, Feld- und Wegraine vorhanden sein. Gerade Rebhuhnküken sind in ihrer Jugendphase sehr nässe- und kälteempfindlich; daher benötigen sie sonnige Bereiche, wo sie sich trocknen und staubbaden können (vgl. Wildtierportal Bayern, Rebhuhn, http://www.wildtierportal.bayern.de/wildtiere_bayern/102425/index.php). Auch der Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass das Rebhuhn einen (möglichst) trockenen Untergrund als Lebensraum benötigt bzw. bevorzugt. Es bestehen allerdings Zweifel, ob die im LBP ausgewählte Maßnahmenfläche EFCS 1.2 einen ausreichend trockenen Untergrund für das Rebhuhn bietet. Die Zweifel ergeben sich zwar nicht allein daraus, dass weite Teile der Maßnahmenfläche zu einem nach § 76 Abs. 2 WHG festgesetzten Überschwemmungsgebiet gehören. Der Ausschnitt aus der Bodenkarte der Umweltverträglichkeitsstudie (vgl. S. 66 des LBP) trifft aber die Aussage, dass es sich um einen feuchten Standort handele, der für Intensivweide und Ackerbau nur bedingt geeignet sei. Allein die Aussage des Verfassers des Artenschutzbeitrages, Dipl.-Ing. (G.), in der mündlichen Verhandlung, dass dort kein hoch stehendes Grundwasser vorzufinden sei, vermag diese Zweifel noch nicht zu entkräften.

238

b) Unabhängig von den vorgenannten Zweifeln an der Wirksamkeit der im LBP festgelegten Maßnahme EFCS 1.2 ist der angefochtene Planfeststellungsbeschluss jedenfalls deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte nicht hinreichend geprüft hat, ob die Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt.

239

Neben den naturschutzfachlichen Voraussetzungen muss eine planfestgestellte Ausgleichs- und/oder Ersatzmaßnahme wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung auch im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Wird für eine solche Maßnahme auf privates Grundeigentum zugegriffen, muss dies das mildeste Mittel zur Erfüllung der naturschutzrechtlichen Kompensationsverpflichtung darstellen. Daran fehlt es, sofern Kompensationsmaßnahmen – insbesondere Ersatzmaßnahmen – im Rahmen der naturschutzfachlichen Gesamtkonzeption an anderer Stelle ebenfalls (vergleichbaren) Erfolg versprechen, bei einer Gesamtschau aber den Vorteil bieten, dass den dort Betroffenen geringere Opfer abverlangt werden. Der Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) gebietet es, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorrangig auf einvernehmlich zur Verfügung gestellten Grundstücksflächen oder auf Grundstücken, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, zu verwirklichen, wenn diese naturschutzfachlich geeignet sind. Schließlich dürfen die mit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen verbundenen nachteiligen Folgen nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg stehen. Dabei ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Flächeninanspruchnahme für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht das Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens, sondern nur das Interesse an einem Ausgleich der zu kompensierenden Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft ins Verhältnis zu den Auswirkungen der Flächeninanspruchnahme für den Betroffenen zu setzen. Die gerichtliche Kontrolle der Einhaltung dieser Vorgaben ist durch die der Planfeststellungsbehörde im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zustehenden Einschätzungs- und planerischen Entscheidungsspielräume auf eine nachvollziehende Überprüfung beschränkt (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 24.03.2011 – BVerwG 7 A 3.10 –, BRS 80 Nr. 106, RdNr. 48 ff. in juris., m.w.N.).

240

aa) Gemessen daran ist zunächst nicht zu beanstanden, wenn die Suche nach einvernehmlich zur Verfügung gestellten Grundstücksflächen oder Grundstücken, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, für FCS-Maßnahmen auf den Raum der lokalen Population der betroffenen Arten beschränkt wird.

241

Soweit Eingriffe in Natur und Landschaft kompensiert werden sollen, ist der Vorhabenträger nach der Feststellung des Eingriffsumfangs und des Kompensationsbedarfs nicht verpflichtet, im nächsten Schritt mit Hilfe von Ausschreibungen/Inseraten in den einschlägigen Fachblättern oder durch Herantreten an alle Eigentümer von Flächen, die in dem für Kompensationsmaßnahmen grundsätzlich in Frage kommenden Umfeld des Vorhabens belegen sind, unter Zurückstellung naturschutzfachlicher Überlegungen auf Flächensuche zu gehen oder sich gar mit Flächen, etwa für einen späteren Flächentausch, zu bevorraten. Der Vorhabenträger kann davon in diesem frühen Verfahrensstadium jedenfalls in zulässiger Weise absehen. Denn nach der Festlegung des Kompensationsbedarfs steht bei der Planung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zunächst nicht die Schonung privaten Eigentums, sondern eine möglichst optimale Kompensation der mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft im Vordergrund. Die in der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung festgeschriebene Notwendigkeit eines räumlich-funktionalen Zusammenhangs oder zumindest räumlichen Bezugs zwischen Eingriffsort und Ausgleichs-/Ersatzmaßnahme liegt darin begründet, dass in "Natur" und "Landschaft" ein örtlicher Bezug immanent ist (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 24.03.2011, a.a.O., RdNr. 54).

242

Da FCS-Maßnahmen, wie oben bereits dargelegt, wegen des auf das natürliche Verbreitungsgebiet abstellenden Prüfungsmaßstabs – anders als etwa vorgezogene Ausgleichs(CEF)-Maßnahmen – nicht auf der Ebene der lokal betroffenen Population wirken müssen und die von diesen Maßnahmen ausgehenden positiven Wirkungen nicht den vorhabenbedingt betroffenen Exemplaren der geschützten Art zugutekommen müssen, können FCS-Maßnahmen auch auf Flächen außerhalb der lokalen Population der betroffenen Arten durchgeführt werden. Eine Verpflichtung, den Suchraum auf solche Flächen auszudehnen, ergibt sich aus naturschutzfachlicher Perspektive aber nicht, wenn im Bereich der lokalen Population in ausreichendem Umfang geeignete Flächen zur Verfügung stehen. Der Verfasser des Artenschutzbeitrags, Herr Dipl.-Ing. (G.), hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, es sei ein Ziel der landschaftspflegerischen Begleitplanung gewesen, die lokale Population insbesondere der Feldlerche und damit zugleich den Erhaltungszustand der Population in der biografischen Region zu stützen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bleibt der Erhaltungszustand der betroffenen lokalen Population günstig, so steht damit zugleich fest, dass keine negativen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art in ihrem überörtlichen Verbreitungsgebiet zu besorgen sind (BVerwG, Urt. v. 12.03.2008, a.a.O., RdNr. 249).

243

Herr Dipl.-Ing. (G.) hat in der mündlichen Verhandlung weiter erläutert, dass die lokale Population der Feldlerche wegen ihrer flächigen Verbreitung schwierig einzugrenzen sei. Als lokale Population sei das Vorkommen im Untersuchungsgebiet zugrunde gelegt worden, welches räumlich nach Süden durch den Mittellandkanal, nach Westen durch H., im Norden durch die Ohre und im Osten etwa durch die Grenze zur Gemeinde Niedere Börde begrenzt werde (vgl. auch die als Anlage 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 18.08.2017 eingereichte Erläuterung zu artenschutzrechtlichen Maßnahmentypen vom 04.08.2017, S. 7). Diese Abgrenzung ist naturschutzfachlich vertretbar.

244

Der Begriff der lokalen Population ist gesetzlich nicht definiert. § 7 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG bestimmt nur den Begriff der Population als eine biologisch oder geografisch abgegrenzte Zahl von Individuen einer Art. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des BNatSchG vom 25.04.2007 (BT-Drs. 16/5100, S. 11) umfasst eine lokale Population diejenigen (Teil-)Habitate und Aktivitätsbereiche der Individuen einer Art, die in einem für die Lebens(-raum)ansprüche der Art ausreichenden räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen. Der Unterarbeitskreis des Ständigen Ausschusses „Arten- und Biotopschutz“ der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz (LANA) hat in seinen Hinweisen zu den zentralen unbestimmten Rechtsbegriffen des Bundesnaturschutzgesetzes (https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/eingriffsregelung/lana_unbestimmte%20Rechtsbegriffe.pdf, S. 19 f.) die lokale Population im Zusammenhang mit dem Störungsverbot als Gruppe von Individuen einer Art, die eine Fortpflanzungs- oder Überdauerungsgemeinschaft bilden und einen zusammenhängenden Lebensraum gemeinsam bewohnen, definiert. Je nach Verteilungsmuster, Sozialstruktur, individuellem Raumanspruch und Mobilität der Arten ließen sich zwei verschiedene Typen von lokalen Populationen unterscheiden:

245
1. Lokale Population mit gut abgrenzbaren örtlichen Vorkommen: Bei Arten mit einer punktuellen oder zerstreuten Verbreitung oder solchen mit lokalen Dichtezentren sollte sich die Abgrenzung an eher kleinräumigen Landschaftseinheiten orientieren (z.B. Waldgebiete, Grünlandkomplexe, Bachläufe) oder auch auf klar abgegrenzte Schutzgebiete beziehen.
246
2. Lokale Population im Sinne einer flächigen Verbreitung: Bei Arten mit einer flächigen Verbreitung sowie bei revierbildenden Arten mit großen Aktionsräumen kann die lokale Population auf den Bereich einer naturräumlichen Landschaftseinheit bezogen werden. Wo dies nicht möglich ist, können planerische Grenzen (Kreise oder Gemeinden) zugrunde gelegt werden.
247

Auch der bei der Wahl naturschutzfachlich geeigneter Flächen zu beachtende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt grundsätzlich nicht, den Suchraum auf das regionale oder sogar ein noch größeres Verbreitungsgebiet einer Population auszudehnen. Denn maßgebend ist insoweit die naturschutzfachliche Gesamtkonzeption; erst nachdem ein (vorläufiges) Kompensationskonzept entwickelt worden und der örtliche Bereich oder auch die Bereiche, in denen Kompensationsmaßnahmen in Betracht kommen, näher umrissen sind, kommt zum Tragen, dass der Zugriff auf Privateigentum bei der Suche und Festsetzung naturschutzfachlich geeigneter Ausgleichs- und Ersatzflächen ausscheidet, wenn Kompensationsmaßnahmen im Rahmen der naturschutzfachlichen Gesamtkonzeption an anderer Stelle, insbesondere auf Flächen der öffentlichen Hand oder auf einvernehmlich zur Verfügung gestellten Flächen gleichen Erfolg versprechen (BVerwG, Urt. v. 24.03.2011, a.a.O. RdNr. 55).

248

bb) Im Planfeststellungsverfahren hat jedoch der Beklagte die Frage, ob innerhalb des Gebiets der lokalen Population der Feldlerche die Inanspruchnahme privater Grundstücke erforderlich ist, nicht näher geprüft.

249

Gemäß § 17 Satz 3 FStrG i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG stellt die Planfeststellungsbehörde den Plan fest. Sie darf die vorgelegten Planunterlagen daher nicht nur einfach "abstempeln", sondern ist an den Untersuchungsgrundsatz des § 24 VwVfG gebunden und muss die Planunterlagen einer eigenständigen rechtlichen Prüfung unterziehen sowie gegebenenfalls eigene Ermittlungen anstellen. Dabei verlangt die von der Planfeststellungsbehörde vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung u.a. eine eigenständige Prüfung der Frage, ob die Inanspruchnahme privater Grundstücke erforderlich ist. Dies setzt zwingend voraus, dass die Suche nach geeigneten Kompensationsflächen dokumentiert wird und die vollständige Dokumentation der Planfeststellungsbehörde zusammen mit den Planunterlagen vorgelegt wird, damit diese sich einen eigenen Eindruck davon verschaffen kann, ob der Vorhabenträger alles Erforderliche getan hat. Es ist zuvörderst Aufgabe der Planfeststellungsbehörde und nicht des Vorhabenträgers, etwaige Mängel der Planunterlagen bzw. Dokumentationsdefizite hinsichtlich entscheidungs- bzw. abwägungsrelevanter Tatsachen noch vor der Planfeststellung zu beheben bzw. – soweit möglich – im gerichtlichen Verfahren zu heilen (BVerwG, Urt. v. 24.03.2011, a.a.O., RdNr. 85). Diese vom Bundesverwaltungsgericht zu Kompensationsmaßnahmen bei naturschutzrechtlichen Eingriffen entwickelten Grundsätze gelten für FCS-Maßnahmen, die auf Flächen Privater durchgeführt werden sollen, entsprechend.

250

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Planfeststellungsbeschluss nicht gerecht. Darin wird im Zusammenhang mit den Einwänden des Klägers gegen die Inanspruchnahme seines Grundstücks (vgl. S. 227 f.) zwar ausgeführt, der Vorhabenträger habe dargelegt, dass gleich geeignete Flächen, die vorrangig in Anspruch genommen werden könnten, nicht zur Verfügung stehen. Andere Flächen, die sich etwa im Eigentum der öffentlichen Hand befinden und die gleiche Eignung aufweisen, stünden dem Vorhabenträger auch nach intensiver Suche nicht zur Verfügung. In die Betrachtung einbezogen worden seien Flächen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, der BVVG, der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt, des Bundesforsts und der Bundeswehr. Die Stadt H. sei hinsichtlich verfügbarer Flächen beteiligt worden. Die eingegangenen Flächenvorschläge seien überprüft und entsprechend ihrer Eignung für naturschutzfachliche Maßnahmen bewertet worden. Teilweise hätten Maßnahmenvorschläge wegen mangelnder Eignung für den Ausgleich bzw. der Geringfügigkeit für eine Ortsumfahrung verworfen werden müssen.

251

Eine Dokumentation der "intensiven Suche" der Vorhabenträgerin, anhand derer der Beklagte eine eigenständige Prüfung hätte vornehmen können, ist in den Verwaltungsvorgängen zum Planfeststellungsverfahren indes nicht enthalten. Die auf gerichtliche Anforderung mit Schriftsatz vom 10.08.2017 eingereichten Unterlagen haben dem Beklagten bei seiner Entscheidung offenbar nicht vorgelegen. Der E-mail der Vorhabenträgerin vom 07.08.2017 lässt sich entnehmen, dass verschiedene Unterlagen erstmals mit dieser E-mail an den Beklagten übersandt wurden.

252

Im Übrigen lassen die von der Vorhabenträgerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen nicht erkennen, dass sich die Vorhabenträgerin in dem erforderlichen Maß um die einvernehmliche Zurverfügungstellung landwirtschaftlicher Flächen für die hier in Rede stehenden FCS-Maßnahme in Gestalt einer produktionsintegrierten Kompensationsmaßnahme (Lerchenfenster und Blühstreifen) bemüht hat. In der E-mail vom 07.08.2017 heißt es lediglich, im beigefügten Anhang 5.3 würden Gespräche mit Landwirten dokumentiert, bei denen Möglichkeiten der Flächennutzung und zu A/E-Maßnahmen diskutiert worden seien, darunter auch mit dem Pächter des Grundstücks des Klägers. Aus den entsprechenden Unterlagen ergibt sich diesbezüglich aber nur Folgendes: Nach einer E-mail vom 17.03.2010 sollte in einer Beratung besprochen werden, wer die von Kompensationsmaßnahmen betroffenen Landwirte seien und auf welche Flächen die Landwirtschaft am ehesten verzichten könne. Nach zwei Aktenvermerken vom 26.03.2010 und 20.05.2010 nahm der Pächter des Klägers an Besprechungen an diesen beiden Tagen teil. Bei der Besprechung vom 26.03.2010 äußerte er sich lediglich dahingehend, dass in Verbindung mit den im Vorhabenraum realisierten Großvorhaben (Ausbau des Mittellandkanals, Gewerbeansiedlungen, Ortsumgehung H.…) in den letzten Jahren bereits ein hoher Entzug landwirtschaftlicher Flächen erfolgt sei und bei weiterem Flächenentzug Existenzgefährdungen zu erwarten seien. In der Besprechung vom 20.05.2010 wurde nach Ziffer 5 bis 7 des Aktenvermerks festgehalten, dass die Landwirtschaftsbetriebe aufgefordert seien, ihr Interesse an der (weiteren) Bewirtschaftung der A/E-Pflegeflächen im Rahmen des Planrechtsverfahrens zu bekunden, und das Kompensationskonzept unter Berücksichtigung bestimmter Veränderungen die Zustimmung der Vertreter der Landwirtschaft finde.

253

Den nachgereichten Unterlagen lässt sich insbesondere auch nicht entnehmen, dass – wie im Planfeststellungsbeschluss angegeben – auch bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nachgefragt wurde, ob sie über geeignete Flächen verfügt.

254

Zwar rechtfertigen Lücken in der Dokumentation nicht ohne Weiteres den Schluss auf die Rechtswidrigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses. Stellt sich aber im gerichtlichen Verfahren heraus, dass die Entscheidung auf der Grundlage eines nur unzureichend ermittelten Tatsachenmaterials stattgefunden hat, darf das Gericht daraus aber den Schluss auf die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses ziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.03.2011, a.a.O., RdNr. 84, m.w.N.). Letzteres ist hier der Fall. Aus den Planfeststellungsunterlagen und den nachgereichten Unterlagen ergibt sich, dass der Beklagte die Angaben der Vorhabenträgerin über die Nichtverfügbarkeit von Grundstücken, die einvernehmlich zur Verfügung gestellt werden können oder im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, nicht eigenständig anhand einer von der Vorhabenträgerin vorgelegten vollständigen Dokumentation der Bemühungen überprüft hat.

255

cc) Der aufgezeigte Mangel führt zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses.

256

aaa) Da der angefochtene Planfeststellungsbeschluss nicht an einem bloßen Begründungsmangel leidet, der Beklagte vielmehr seiner Pflicht zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks nicht in dem erforderlichen Umfang nachgekommen ist, liegt nicht lediglich ein Verfahrensfehler vor, der im gerichtlichen Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG hätte geheilt werden können oder nach § 46 VwVfG unbeachtlich wäre.

257

bbb) Es liegt auch kein unter den Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 VwVfG unbeachtlicher Abwägungsmangel vor. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besitzt neben dem Abwägungsgebot eine eigenständige Bedeutung, wenn im Rahmen einer Planfeststellung auf private Rechte auf der Grundlage einer gebundenen Entscheidung zurückgegriffen wird (Lieber, in Mann/Sennekamp/Uechtritz [Hrsg.], VwGO, § 75 RdNr. 39). Die Anordnung von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen wird nicht durch das planungsrechtliche Abwägungsgebot gesteuert; maßgebend sind vielmehr die Vorgaben der einschlägigen naturschutzrechtlichen Vorschriften (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.1997 – BVerwG 4 A 36.96 –, BVerwGE 105, 178 [185], RdNr. 40 in juris). Dies gilt auch für FCS-Maßnahmen, die zwar, anders als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 15 Abs. 2 BNatSchG, nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, mit denen aber die artenschutzrechtlich gebotenen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme von den Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG geschaffen werden sollen.

258

ccc) Gemäß § 17c FStrG i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG führen erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können; die §§ 45 und 46 bleiben unberührt. Die Vorschrift findet nicht nur auf Mängel bei der Abwägung, sondern auch auf sonstige materielle Fehler des Planfeststellungsverfahrens Anwendung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 75 RdNr. 30, 28, m.w.N.). Liegen Rechtsverstöße bei der Festlegung gebotener Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vor, haben solche Fehler regelmäßig nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zur Folge (BVerwG, Urt. v. 09.06.2004 – BVerwG 9 A 11.03 –, BVerwGE 121, 72 [80], RdNr. 110 in juris, m.w.N.; Urt. v. 24.03.2011, a.a.O., RdNr. 39 f., m.w.N.). Die Teilaufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses wegen nur teilweiser Rechtswidrigkeit hat zur Voraussetzung, dass sich die fehlerbehaftete Regelung von der Gesamtregelung abtrennen lässt; dies hängt davon ab, ob der Planfeststellungsbeschluss auch ohne den aufzuhebenden Teil eine selbständige und rechtmäßige, vom Träger des Vorhabens und der Planfeststellungsbehörde so gewollte Planung zum Inhalt hat (BVerwG, Beschl. v. 05.12.1991 – BVerwG 7 B 118.91 –, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 12). Können die unterlaufenen Rechtsverstöße (nur) in einem ergänzenden Verfahren "geheilt" werden, weil sie die Ausgewogenheit der Gesamtplanung betreffen oder ohne ihre vorherige Behebung mit Rücksicht auf die Belange Dritter die Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses im Übrigen nicht ins Werk gesetzt werden darf, ist die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen, wenn und soweit die konkrete Möglichkeit der Fehlerbehebung in dem ergänzenden Verfahren besteht (BVerwG, Urt. v. 09.06.2004, a.a.O., RdNr. 111, m.w.N.). Genügt zur Fehlerbehebung die Verpflichtung zur Planergänzung, weil der Fehler die Ausgewogenheit der Gesamtplanung nicht betrifft, seine isolierte Behebung durchsetzbar ist und mit der Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses bereits zuvor ohne Verletzung der Rechte Dritter begonnen werden kann, kommt kein ergänzendes Verfahren in Betracht und erst recht nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses (BVerwG, Urt. v. 09.06.2004, a.a.O., RdNr.112, m.w.N.).

259

Hiernach führt die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses in Bezug auf die Maßnahme EFCS 1.2 nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, da sich der Mangel durch ein ergänzendes Verfahren beheben lässt. Eine Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses kommt nicht in Frage, weil nach der der Planfeststellung zugrunde liegenden naturschutzfachlichen Konzeption die Durchführung artenschutzrechtlicher Kompensationsmaßnahmen, insbesondere auch von FCS-Maßnahmen, in ausreichender Größe und Zahl erforderlich ist, um die Voraussetzungen für die Zulassung der erforderlichen Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG und damit für eine rechtmäßige Planfeststellung zu schaffen. Bei bloßer Herausnahme der 3,82 ha großen Fläche EFCS 1.2 würde die Konzeption, den Erhaltungszustand der Feldlerche und des Rebhuhns durch das Vorhaben nicht zu verschlechtern, voraussichtlich verfehlt, was auch dem Planungswillen des Beklagten widersprechen würde.

260

Mit einer bloßen Verpflichtung des Beklagten zur Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses lässt sich der festgestellte Mangel nicht beheben. Zwar rechtfertigen Rechtsfehler bei der Erarbeitung des naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzkonzepts bei der Klage eines anerkannten Naturschutzvereins in aller Regel nicht die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit, sofern es sich um Einzelmängel handelt, die nicht das Gesamtkonzept in Frage stellen, und es keinen ernsthaften Zweifeln unterliegt, dass das erforderliche Ausgleichs- oder Ersatzpotential zur Behebung des Kompensationsdefizits für die Planergänzung im Grundsatz vorhanden ist (BVerwG, Urt. v. 09.06.2004, a.a.O., RdNr. 113 f.). Eine solche Planergänzung scheidet hingegen aus, wenn – wie hier – eine Kompensationsmaßnahme den Eigentümer eines Grundstücks in seinen Rechten verletzt.

261

3. Da bereits der erste Hilfsantrag des Klägers, den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären, Erfolg hat, ist über seine weiteren Hilfsanträge nicht mehr zu entscheiden.

262

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, den das Bundesverwaltungsgericht bei Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses und Abweisung des auf die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Hauptantrages regelmäßig anwendet (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.08.2016 – BVerwG 7 A 1.15 –, juris, RdNr. 175; Urt. v. 28.04.2016 – BVerwG 9 A 9.15 –, juris, RdNr. 182).

263

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

264

V. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


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