Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (4. Kammer) - 4 A 204/18

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.960,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juni 2018 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahren – einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen – tragen der Beklagte und die Beigeladene je zu 1/2.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der Einleitung von Beton in die Schmutzwasserkanalisation.

2

Die Klägerin betreibt auf ihrem Gemeindegebiet u. a. die zentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigung. Entsprechend beschloss sie die Satzung über die Abwasserbeseitigung der Stadt N (Abwassersatzung) vom xxx, nachfolgend xxx genannt.

3

Der Beklagte ist seit Januar 2013 Eigentümer des Grundstücks xxx in A-Stadt (xxx). Der Schmutzwasserkanal und die Grundstücksanschlüsse in der Straße xxx sind im Jahr 1965 hergestellt worden. Auf dem Grundstück des Beklagten befand sich ein unbewohntes Altgebäude, welches über eine Grundstücksentwässerungsanlage über den Grundstücksanschlusskanal an den Schmutzwasserkanal angeschlossen war und Anfang September 2013 bis auf die Grundmauern niederbrannte.

4

Im Februar 2014 beantragte der Kläger die Baugenehmigung für den Neubau eines Wohnhauses mit Garage. In der Baubeschreibung zu den Angaben des Vorhabens heißt es im Hinblick auf die Entsorgung der häuslichen Abwässer: „wird an die vorh. Entsorgung angeschlossen“. Dem Bauantrag beigefügt war ein Antrag auf Anschluss an die öffentliche (Schmutz-)Kanalisation. Der eingereichte Entwässerungsplan enthält den Grünstempel geprüft, „Gültig nur für die Grundstücksentwässerung“, des Fachdienstes Gebäudewirtschaft, Tiefbau und Grünflächen vom 20. Februar 2014 (Beiakte B). Die Baugenehmigung wurde am 6. Juni 2014 erteilt.

5

Gemäß Anzeige des Baubeginns der baulichen Anlage des Beklagten vom 5. März 2015 sollte mit der Bauausführung am 9. März 2015 begonnen werden. Als Bauleiter war die Beigeladene benannt. Baubeginn der Grundstücksentwässerungsanlage war gemäß Bescheinigung vom 20. Februar 2014 September 2015.

6

Am 20. September 2015 meldeten sich die Bewohner des Grundstückes xxx bei der Klägerin und gaben an, dass ihr Abwasser nicht mehr ablaufe. Eine kurzfristig durchgeführte Spülung ergab, dass der Hauptkanal nicht frei war. Daraufhin führte die Klägerin am 21. September 2015 eine Kanaluntersuchung des Schmutzwasserhauptkanals in der Straße durch und stellte fest, dass an der Haltung xxx (Gesamtlänge 32,88 m) ab 2,3 m in Fließrichtung auf einer Länge von 5,20 m der Kanal mit ausgehärtetem Beton gefüllt und der Querschnitt um 90 % reduziert war (vgl. Haltungsbericht, Beiakte C, Bl. 6f.). Nach dem Lageplan befindet sich dieser Bereich vor dem Grundstücksanschluss des Beklagten und hinter dem (gegenüberliegenden) Grundstücksanschluss der Hausnr. x und vor dem Grundstücksanschluss der Hausnr. x.

7

Die Klägerin ließ den Betonschaden durch die Jahresvertragsfirma für Kanalunterhaltung xxx, xxx, beheben. Konkret betraf dies die Haltung in einer Länge von 5,20 m sowie den gesamten Grundstücksanschlusskanal und den Übergabeschacht, da diese zu 100 % mit Beton gefüllt waren. Lichtbilder wurden gefertigt (Beiakte C, Bl. 48 ff.). Hierfür wurde der Klägerin eine Rechnung in Höhe von 8.960,26 € gestellt.

8

Diese gab die Klägerin an den Beklagten am 26. Januar 2016 weiter (zzgl. 20,00 € Verwaltungskosten pauschal) und bat um Begleichung. Dort bezog sie sich auf Bautätigkeiten auf dem Grundstück xxx, bei denen Beton in die öffentliche Kanalisation eingeleitet worden sei. Der Beklagte zahlte nicht, so dass in der Nachfolge eine Mahnung folgte.

9

Vielmehr begründete der Beklagte schriftlich am 27. Juni 2016 einen „Widerspruch“ gegen „Ihren Bescheid sowie die Aufforderung zur Zahlung incl. Säumniszuschlägen und Mahngebühren“. Dem Bescheid über die Zahlung von 8.980,26 € sei keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen, weshalb die Widerspruchsfrist ein Jahr betrage. Es sei keine Rechtsgrundlage für seine Haftung erkennbar. Es lägen keine Beweise für sein Verschulden vor. Er habe keinen Beton eingeleitet, weshalb er nicht nachvollziehen könne, weshalb er für den Schaden aufkommen solle. Die Betonarbeiten habe die Beigeladene ausgeführt. Kontakt zu dieser sei aufgenommen worden. Ferner habe er bei Grabungsarbeiten festgestellt, dass der Beton beim Gießen des Streifenfundamentes in ein altes Abwasserrohr gelaufen sei und von dort demzufolge den Weg in die Kanalisation gefunden habe. Anstelle des Halters sei dem Verursacher des Schadens die Forderung zuzustellen.

10

Weitere Korrespondenz fand zwischen den Beteiligten statt, auch unter Einbeziehung der Haftpflichtversicherung der Beigeladenen. Letztere verweigerte die Schadensregulierung, da die Möglichkeit bestanden habe, dass durch eine unverschlossene Abwasserleitung nach dem vorherigen Gebäudeabriss durch einen anderen Unternehmer der Beton eingedrungen und damit der andere Unternehmer für den Schaden verantwortlich sei.

11

Die Klägerin hat am 1. Juni 2018 Klage erhoben.

12

Sie habe einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten aus einem öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis, welcher mittels Leistungsklage durchzusetzen sei. Der Anspruch folge aus § 280 Abs. 1 i. V. m. § 278 Satz 1 BGB analog. Die Abwassersatzung der Klägerin enthalte keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches durch Verwaltungsakt.

13

Aus dem öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis, auf welches die bürgerlich-rechtlichen Haftungsnormen anwendbar seien, folge die Pflicht, Störungen der Funktionsfähigkeit des Grundstücksanschlusses und der Kanalleitung zu vermeiden. Es bestünden Bedenken, ob das ursprüngliche Benutzungsverhältnis, welches unstreitig bis zum Brand des Gebäudes Anfang September 2013 bestanden habe, beendet worden sei. Gemäß der Abwassersatzung würden Grundstücke an den Abwasserkanal angeschlossen, nicht Gebäude. Entsprechend betreffe auch das Benutzungsverhältnis die Nutzung des Abwasseranschlusses durch das Grundstück, nicht die Nutzung durch die auf dem Grundstück stehenden Gebäude. Mit der Herstellung des öffentlichen Abwasserkanals inklusive des Grundstücksanschlusskanals bestehe das Benutzungsrecht nach § 7 Abs. 2 der Abwassersatzung, was gleichzeitig das Kanalbenutzungsverhältnis begründe. Der Anschluss- und Benutzungszwang nach § 10 der Abwassersatzung sei keine Voraussetzung für das Entstehen oder Bestehen des Kanalbenutzungsverhältnisses. Dieses führe lediglich dazu, dass beim Anfall von Abwasser auf dem Grundstück die Pflicht bestehe, ein Kanalbenutzungsverhältnis zu begründen. Sofern man annehmen wolle, dass das öffentlich-rechtliche Kanalbenutzungsverhältnis durch den Brand des ehemals vorhandenen Gebäudes beendet bzw. unterbrochen worden sei, ändere dies an der Haftung des Beklagten nichts. Es fänden nämlich nicht nur die Grundsätze der positiven Forderungsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) Anwendung, sondern auch diejenigen der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 BGB i. V. m. § 249 BGB) aus der tatsächlichen Nutzung der Entwässerungsanlage mit daraus resultierender öffentlich-rechtlicher Sonderverbindung. Auch vor dem tatsächlichen Anschluss treffe den Grundstückseigentümer die Nebenpflicht, die im gemeindlichen Eigentum stehende Entwässerungsanlagen als Teil der öffentlichen Einrichtung nicht zu beschädigen.

14

Es liege eine objektive Pflichtverletzung vor, denn ausweislich § 9 Abs. 3 a) und g) der Abwassersatzung sei die Einleitung von anfallenden Stoffen und explizit von Zement untersagt. Dadurch sei es zu einer Querschnittsreduzierung von 90 % gekommen. Unstreitig stehe fest, dass der Beton von der Anschlussleitung des Beklagten in den Schmutzwasserhauptkanal gelangt sei. Vor dem schädigenden Ereignis sei die Haltung sowie der Grundstücksanschlusskanal in einem einwandfreien Zustand gewesen. Die Baugenehmigung vom 6. Juni 2014 habe die Bedingung enthalten, vor der Aufnahme jeglicher Bauarbeiten die Entwässerungsanlagen hinsichtlich des Straßenanschlusses mit dem Fachdienst abzustimmen. Nach dem eingereichten Lageplan habe das Grundstück über einen vorhandenen (offenen) Grundstücksanschlusskanal verfügt; das Grundstück sei funktionstüchtig an die öffentlich-rechtliche Kanalisation angeschlossen gewesen, auch noch zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs durch den Beklagten. Im Übrigen verweise er auf § 28 der Abwassersatzung.

15

Dass der Beklagte bestreite, selbst den Beton in den Grundstücksanschluss gegossen zu haben, führe zu keiner anderen Bewertung. Er müsse sich die Pflichtverletzung seiner Erfüllungsgehilfen – entweder der Beigeladenen oder der damaligen Abbruchfirma – nach § 278 Satz 1 BGB analog zurechnen lassen. Es obliege dem jeweiligen Grundstückseigentümer sicherzustellen, dass keine Stoffe oder Materialien in die öffentliche Abwasseranlage gelangten, die zu einer Beschädigung führen könnten. Damit hätten die vom Beklagten beauftragten Baufirmen in der Erfüllung der Verpflichtung des Beklagten gehandelt, nicht die im Eigentum der Klägerin stehende Kanalisation zu beschädigen. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnisses seien im Übrigen Erfüllungsgehilfen alle Personen, denen der Schuldner die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf die benutzte Sache eröffne. Der Beklagte habe selbst in einem Telefongespräch am 5. Juli 2016 erklärt, dass beim Ausheben der Baugrube im Mai 2015 ein Tonrohr beschädigt worden sei, durch das der Beton in die Kanalisation habe gelangen können. Es handele sich vorliegend auch nicht um ein außergewöhnliches Schadensereignis.

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Diese Pflichtverletzung habe der Beklagte auch i. S. v. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB zu vertreten. Der Beklagte bzw. seine Erfüllungsgehilfen hätten jedenfalls fahrlässig gehandelt, da sie nicht sichergestellt hätten, dass kein Beton in den Grundstücksanschluss und den Schmutzwasserhauptkanal gelangen könne. Dies insbesondere nach dem vorprozessualen Vortrag, dass nicht unbemerkt geblieben sei, dass es zu einer Beschädigung eines Steinzeugrohres und einer Abwasserleitung auf dem Grundstück gekommen sei.

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Entgegen der Behauptung der Beigeladenen würden Verkehrssicherungspflichten keinen Haftungsausschlussgrund darstellen, sondern vielmehr einen Grund für die Haftung in Unterlassungsfällen. Es handele sich um einen haftungsbegründenden Umstand im Rahmen des Deliktsrechts, auf welches sie sich gerade nicht berufe. Darüber hinaus habe sie keine Gefahrenquelle eröffnet. Die Gefahrenquelle habe sich vielmehr im Verantwortungsbereich des Beklagten befunden. Diesem sei die Verantwortung für die Grundstücksentwässerungsanlage zuzuordnen, ihre lediglich diejenige für die Grundstücksanschlusskanäle. Vorliegend sei die Gefahr jedoch von den unverschlossenen Resten der Grundstücksentwässerungsanlage des abgebrannten Gebäudes ausgegangen.

18

Der festgestellte Schaden sei kausal durch die Zuführung von Beton vom Grundstück des Beklagten verursacht worden. Hieraus sei ihr durch die durchgeführten Instandsetzungsarbeiten an der Kanalleitung ein Schaden in Höhe von 8.960,26 € entstanden.

19

Die Lebenserwartung vergleichbarer Kanäle betrage 80-100 Jahre. Ein Abzug neu für alt sei nicht vorzunehmen. Dieser wäre nur anzunehmen, wenn durch die vorgenommene Sanierungsmaßnahme die Haltung länger genutzt, als sie ohne Schädigung werden könne und damit ein Vermögensvorteil entstünde. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da lediglich ein Abschnitt von 5,20 m der insgesamt 32,88 m langen Haltung ausgetauscht worden sei, mithin nur rund 16 %. Damit ergebe sich kein Vorteil für sie, weil nach Ende der Nutzungszeit die gesamte Haltung je nach ihrem Zustand renoviert (Inliner-Verfahren) oder erneuert (Neubau) werden müsse.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 8.960,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

24

Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Schadensersatz zu, jedenfalls nicht gegenüber dem Beklagten. Eine verschuldensunabhängige Haftungsnorm, die allein an die Eigenschaft als Grundstückseigentümer anknüpfe, gebe es nicht. Ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis dürfte zwischen den Beteiligten erst entstanden sein, als der Anschluss hergestellt, d. h. sein Grundstück an die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen und von diesem Grundstück Schmutzwasser zugeführt worden sei. Dies sei im September 2015 noch nicht der Fall gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei gerade einmal der Boden ausgehoben und ein Fundament gesetzt worden; ein Bauwerk sei auf dem Gelände noch nicht fertiggestellt gewesen. Ob das Grundstück und das darauf befindliche Gebäude in früheren Zeiten einmal an die Kanalisation angeschlossen gewesen sei, sei unerheblich. Seinem Bauantrag sei deshalb ein Antrag auf (Wieder-)Anschluss an die öffentliche Kanalisation beigefügt gewesen. Wäre schon ein Anschluss des Grundstücks an die Kanalisation vorhanden gewesen, hätte es eines solchen Antrages nicht bedurft. Der Anschluss an die Kanalisation sei erst im Februar 2016 durch die Firma B verlegt worden. Die Meinung der Klägerin, es würden Grundstücke an den Abwasserkanal angeschlossen, nicht Gebäude, sei zu kurz gedacht. Nach der Abwassersatzung (§ 10) komme es nämlich sehr wohl auf die bauliche Situation an und nicht bereits auf die Existenz eines Grundstücks. Das Verhältnis entstehe erst dann, wenn Abwasser auf dem Grundstück anfalle, das Grundstück also bebaut sei. Erst dann bestünde auch ein Anschluss- und Benutzungszwang. Insofern werde auch auf § 10 Abs. 3 der Abwassersatzung verwiesen. Der Argumentation der Klägerin zur Entstehung des Kanalbenutzungsverhältnisses könne nicht gefolgt werden, da dies zu einer uferlosen Haftung führen würde. Viele andere öffentliche Einrichtungen stünden einem Bürger allein durch ihre Existenz zur Benutzung zur Verfügung (z. B. Straße), ohne dass dadurch sofort ein öffentlich-rechtliches Sonderverhältnis begründet würde.

25

Im Übrigen lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des §§ 280 Abs. 1, 278 BGB schon deshalb nicht vor, weil die mit den Betonarbeiten vom ihm beauftragte Beigeladene nicht in Erfüllung einer ihm gegenüber der Klägerin obliegenden Verbindlichkeit gehandelt habe. Erst nach Ausführungen der Arbeiten der Beigeladenen (Ausheben der Fundamente, Herstellen der Streifenfundamente und der Sohle), die keine Verbindlichkeit seinerseits gegenüber der Klägerin darstellten, sei der Anschluss an die Kanalisation von einem anderen Unternehmen vorgenommen worden. Es handele sich vorliegend um ein außergewöhnliches Schadensereignis, welches ihm nicht über § 278 BGB zugerechnet werden könne. Im Übrigen werde bestritten, dass der Beton den Ausgang von seinem Grundstück gefunden habe; er habe auch durch einen Gully dem Hauptkanal zugeführt worden sein können.

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Die Klägerin verkenne den Unterschied zwischen den Haftungszurechnungsnormen § 278 BGB und § 831 BGB. Einzig käme vorliegend § 831 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Allerdings könne er sich gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB entlasten. Die erfahrene Bautechnikerin xy habe ihm die Beigeladene empfohlen. Ihn treffe somit kein Auswahlverschulden. Dass Mitarbeiter der Beigeladenen bei Herstellung des Fundaments Beton in ein vermutlich von ihnen selbst beschädigtes Tonrohr einleiten würden, habe er nicht voraussehen und auch nicht verhindern können. Wenn selbst ein Fachunternehmen das offene Rohr nicht erkenne, könne dies erst recht nicht er als Laie. Andere Betonarbeiten als diejenigen der Beigeladenen hätten auf dem Grundstück nicht stattgefunden.

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Mit Beschluss vom 21. August 2018 hat die Kammer die Firma F. gem. § 65 Abs. 1 VwGO beigeladen.

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Die Beigeladene beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie macht sich zunächst die Ausführungen des Beklagten zu eigen. Es sei von Klägerseite nicht nachgewiesen worden, wie der Beton durch ihre Arbeiten in den Schacht/Kanal gelangt sein soll, da keine direkte Verbindung zwischen den von ihr durchgeführten Bauarbeiten auf der Baustelle des Beklagten und der vermeintlichen Vorfallstelle bestehe. Es werde bestritten, dass beim Gießen des Fundaments Beton durch die Grundstücksentwässerungsanlage in den Grundstücksanschluss und den öffentlichen Schmutzwasserhauptkanal in der Straße gelangt sei und das Grundstück des Beklagten Ausgangspunkt der Betonzuführung gewesen sei. Es werde auch bestritten, dass der Beigeladene beim Ausheben die Grundstücksentwässerungsanlage beschädigt und anschließend trotz der Beschädigung das Fundament gegossen haben soll. Beweisbelastet sei die Klägerin. Es bestehe auch die Möglichkeit, dass durch eine unverschlossene Abwasserleitung nach dem vorherigen Gebäudeabriss durch einen anderen Unternehmer der Beton habe eindringen können. Es habe dem Beklagten als Bauherrn nach den maßgeblichen DIN-Vorschriften oblegen, nicht mehr benutzte Entwässerungsanlagen so zu sichern, dass Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen könnten. Bei Kenntnis des Bauherrn von der vermeintlichen Beschädigung durch sie, wäre der Beklagte im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht angehalten gewesen, sich von der ordnungsgemäßen Reparatur der Leitung zu überzeugen.

31

Im Übrigen bestünden bei einem unverschlossenen Abwasserrohr Verkehrssicherungspflichten der Klägerin, die zu einem Haftungsausschluss des Beklagten und ihrerseits führten.

32

Bestritten werde auch, dass der Grundstücksanschlusskanal in einem einwandfreien Zustand gewesen sei, sowie, dass die Lebenserwartung gleicher Kanäle 80-100 Jahre betrage. Die Klägerin müsse sich eine Verbesserung neu für alt anrechnen lassen. Die Klägerin dürfe bei dem Ersatz des Schadens nicht besser dastehen, als sie es ohne täte. Dabei gehe sie mindestens von der Hälfte der Klagesumme aus.

33

Die Kammer hat mit Beschluss vom 16. Januar 2019 wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges den Rechtsstreit an das Landgericht Kiel verwiesen. Auf die Beschwerde der Klägerin hob das OVG Schleswig-Holstein mit Beschluss vom 25. Februar 2019 den Beschluss der Kammer auf (2 O 1/19). Hierin wurde ausgeführt, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten durch die Abwassersatzung der Klägerin ein öffentlich-rechtliches Kanalbenutzungsverhältnis in Betracht komme, auf welches die bürgerlichen Vorschriften und Grund-sätze über Schadensersatzansprüche bei schuldrechtlichen Pflichtverletzungen entsprechend Anwendung fänden und Streitigkeiten hierüber öffentlich-rechtlicher Art seien. Weder das Nichtbestehen eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses zwischen den Beteiligten zur Zeit des schädigenden Ereignisses noch die Unmöglichkeit einer aus diesem öffentlich-rechtlichen Verhältnis resultierende Pflichtverletzung durch das Einleiten von Beton in die Kanalisation sei so offensichtlich, dass kein Bedürfnis dafür bestehe, die Klage insoweit mit Rechtskraftwirkung abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage ist zulässig.

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1. Der Verwaltungsrechtsweg ist gem. § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Das OVG Schleswig-Holstein hat mit unanfechtbarem Beschluss vom 25. Februar 2019 den Verweisungsbeschluss der Kammer an das Landgericht Kiel vom 16. Januar 2019 aufgehoben und den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärt. Dieser Beschluss ist für das Gericht bindend (vgl. § 173 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 1 GVG analog).

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2. Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die statthafte allgemeine Leistungsklage ist gegeben. Insbesondere fehlt der Klägerin nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil als einfacherer Weg für die Geltendmachung und Durchsetzung ihres Anspruches der Erlass eines Leistungsbescheides gegenüber dem Beklagten in Betracht gekommen wäre (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, Vorb. § 40 Rn. 48, 50, m. w. N.). Dafür wäre gemäß Art. 20 Abs. 3 GG eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder eine Über-/Unterordnung des Verwaltungsträgers über den Regelungsadressaten gerade auch in Bezug auf den Anspruch notwendig, der durch Verwaltungsakt geregelt werden soll (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Dezember 1989 – 10 S 2252/89 –, juris, m. w. N.). Eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches durch Verwaltungsakt ist vorliegend allerdings nicht gegeben. Insbesondere enthält die Abwassersatzung keine entsprechende Norm. Eine solche ergibt sich nicht aus § 29 Abs. 2 AAS, wonach u. a. der Grundstückseigentümer für alle Schäden und Nachteile, die der Stadt x durch den mangelhaften Zustand der Grundstücksentwässerungsanlage, ihr vorschriftswidriges Benutzen und ihr nicht sachgemäßes Bedienen entstehen, haftet. Unabhängig von der Reichweite dieser Regelung (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, a. a. O., Rn. 11) fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass mit einer solchen Bestimmung eine Ermächtigung eingeräumt werden sollte, die Haftung mittels Verwaltungsakt durchzusetzen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. März 2014 – 13 ME 21/14 – juris, Rn. 19).

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Die Klägerin hat darüber hinaus ihren Anspruch vor der gerichtlichen Geltendmachung gegenüber dem Beklagten erfolglos geltend gemacht.

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Im Übrigen kann ein Schadensersatzanspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis – dazu sogleich unter II. 2. – nach allgemeiner Meinung nicht mit Leistungsbescheid durchgesetzt werden, sondern nur durch eine Leistungsklage (BVerwG, Urteil vom 1. März 1995 – 8 C 36/92 –, juris; VGH Baden-Württemberg, a. a. O.; BayVGH, Urteil vom 4. August 2005 – 4 B 01.622 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Januar 2003 – 15 A 4115/01 –, juris; VG Schleswig, Urteil vom 29. März 2012 – 4 A 1326/09 –; VG Würzburg, Urteil vom 6. Dezember 2017 – W 2 K 17.1191 –, juris).

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II. Die Klage ist zudem begründet.

41

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des geltend gemachten Betrages aus §§ 280 Abs. 1, 278 BGB analog auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnisses.

42

1. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer Verletzung von Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis ein Schadensersatzanspruch in entsprechender Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Grundsätze über die positive Vertrags-/Forderungsverletzung aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 1995 – 8 C 36/92 –, NJW 1995, 2303; OVG NW, Urteil vom 14. Januar 2003 – 15 A 4115/01 –, DÖV 2003 914 (Leitsatz), juris; BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 – III ZR 303/05 –, NJW 2007, 1061; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 8/08 –).

43

Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt (Urteil vom 01. März 1995 – 8 C 36/92 –, juris, Rn. 10):

44

„Als fehlerfrei erweist sich der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, zwischen den Beteiligten bestehe ein vertragsähnliches öffentlich- rechtliches Kanalbenutzungsverhältnis, das Grundlage eines Schadensersatzanspruchs sein kann. Denn die Voraussetzungen eines Anspruchs aus analoger Anwendung der Grundsätze der positiven Forderungsverletzung (§§ 276, 278, 280, 286 BGB) liegen insoweit vor. Zwischen den Beteiligten besteht ein Kanalbenutzungsverhältnis mit "vertragsähnlich" ausgestalteten Rechten und Pflichten. Das Verwaltungsgericht, auf dessen Ausführungen sich das Berufungsgericht insoweit bezieht, hat diese Sonderverbindung zutreffend als vertragsähnliches verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis bezeichnet, das wegen der besonders engen Beziehung zwischen den Beteiligten ein Bedürfnis nach einer dem Vertragsrecht entsprechenden Regelung der Verantwortung und Haftung hervorruft (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1970 – III ZR 87/69 – NJW 1970, 2208 <2209>). Nicht zu beanstanden ist die daraus gezogene Folgerung des Berufungsgerichts, für die Regelung von Leistungsstörungen komme eine analoge Heranziehung der zum Zivilrecht entwickelten Grundsätze der positiven Vertragsverletzung in Betracht. Die Voraussetzung jeder Analogie, nämlich die Existenz einer ausfüllungsfähigen und -bedürftigen Regelungslücke, hat das Verwaltungsgericht – auf das sich das Berufungsgericht insoweit ersichtlich bezieht – unter Hinweis auf irrevisibles Landesrecht bejaht (VG-Urteil S. 6); die revisionsgerichtliche Prüfung hat deshalb davon auszugehen, daß die verschuldensunabhängige Haftungsregelung des § 32 Abs. 2 der Entwässerungssatzung der Klägerin mangels gesetzlicher Ermächtigung "als eigenständige Grundlage für einen Schadensersatzanspruch" ausscheidet und deshalb der Rückgriff auf die Regeln des allgemeinen Schuldrechts zulässig und sachgerecht ist.“

45

Auch vorliegend beinhaltet die Abwassersatzung der Klägerin keine auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruhenden Haftungsregelung darüber, wer bei Eintritt einer Leistungsstörung für die dadurch ausgelösten Folgekosten einzustehen hat. § 29 AAS kann dies nicht entnommen werden.

46

2. Nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Gläubiger Ersatz desjenigen Schadens verlangen, der auf der Verletzung einer Pflicht des Schuldners aus dem Schuldverhältnis beruht. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (Satz 2). Gem. § 276 Abs. 1 BGB hat der Schuldner dabei in der Regel Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Grundsätzlich trägt der Gläubiger die Beweislast in Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 78. Aufl., § 280, Rn. 35, 38). Der Schuldner muss dartun, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (vgl. Grüneberg in: Palandt, a. a. O., § 280, Rn. 40).

47

a) Zur Zeit des schädigenden Ereignisses um den/am 20. September 2015 als maßgeblichem Zeitpunkt bestand zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein öffentlich-rechtliches Kanalbenutzungsverhältnis.

48

Die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses an einer gemeindlichen öffentlichen Einrichtung obliegt der Gemeinde. Sie bestimmt, wer Benutzer sein darf und wie das Benutzungsverhältnis begründet wird (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 8/08; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Januar 2003 – 15 A 4115/01 –, juris, Rn. 8). Hier richtet sich das Benutzungsverhältnis nach der im Zeitpunkt der Schadensentstehung gültigen Abwassersatzung der Klägerin (Satzung über die Abwasserbeseitigung der Stadt x vom 14. Dezember 2010 – AAS).

49

Die Klägerin betreibt und unterhält als nach § 30 Abs. 1 LWG a. F. (seit dem 1. Januar 2020 § 44 Abs. 1 LWG) abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft in ihrem Gebiet die öffentliche Abwasserbeseitigung durch jeweils selbständige öffentliche Einrichtungen, u. a. zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung (§ 4 Abs. 1, 2 Nr. 1 AAS). Bestandteile der zentralen Abwassereinrichtungen sind insbesondere der Schmutzwasserkanal (§ 5 Abs. 1 S. 1 AAS) und zudem der Grundstücksanschlusskanal (§ 5 Abs. 4 AAS), bei dem es sich um den Kanal handelt, der vom öffentlichen Abwasserkanal (Hauptkanal) in der Straße bis zur Grundstücksgrenze des zu entwässernden Grundstücks verläuft (§ 6 Nr. 3 AAS). Aus § 7 Abs. 1 Satz 1, 2 AAS resultiert das Anschlussrecht der Grundstückseigentümer, die berechtigt sind – vorbehaltlich der Einschränkungen in der Satzung (§ 8) –, von der Klägerin zu verlangen, dass ihre Grundstücke im Gemeindegebiet an die bestehende öffentliche Abwassereinrichtung angeschlossen werden, wenn diese im Einzugsbereich eines betriebsfertigen Schmutzwasserkanals liegen. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 AAS hat der Grundstückseigentümer nach der betriebsfertigen Herstellung des öffentlichen Abwasserkanals (einschließlich Grundstücksanschlusskanal) für das Grundstück vorbehaltlich der Einschränkungen in dieser Satzung (§ 9) das Recht, dass auf seinem Grundstück anfallende Abwasser in die öffentliche Abwasseranlage einzuleiten bzw. dieser zuzuführen, wenn und soweit nicht andere Rechtsvorschriften die Einleitung oder Zuführung einschränken oder verbieten (Benutzungsrecht). Ist der Grundstückseigentümer nicht zum Anschluss seines Grundstücks berechtigt, kann die Stadt X durch Vereinbarung den Anschluss zulassen und ein Benutzungsverhältnis begründen (§ 7 Abs. 4 AAS). Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 AAS darf die zur zentralen oder dezentralen öffentlichen Abwasserbeseitigung bestimmte Abwasseranlage nur entsprechend ihrer Zweckbestimmung und nach den Vorschriften dieser Satzung benutzt werden. § 9 Abs. 2 AAS enthält insbesondere Vorgaben dazu, welche Abwässer eingeleitet werden dürfen, nämlich in ihrer Beschaffenheit nur solche, dass dadurch u. a. nicht die Anlage oder die angeschlossenen Grundstücke gefährdet oder beschädigt werden können (Buchst. a)). Nach Abs. 3 der Vorschrift ist ausgeschlossen insbesondere die Einleitung von Stoffen, die Leitungen verstopfen können (Buchst. a)), namentlich Zement (Buchst. g)). Der Anschluss- und Benutzungszwang ist in § 10 AAS geregelt, wonach jeder Eigentümer eines Grundstücks vorbehaltlich der Einschränkungen in dieser Satzung verpflichtet ist, sein Grundstück an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, sobald Abwasser auf dem Grundstück anfällt und das Grundstück durch eine Straße erschlossen ist, in der ein betriebsfertige Abwasserkanal vorhanden ist. Der Grundstückseigentümer hat für den Anschluss einen Antrag nach § 12 zu stellen. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1, 3, 4 AAS muss der Anschluss bei Neu- und Umbauten vor der Benutzung der baulichen Anlage hergestellt sein. Den Abbruch mit eines mit einem Anschluss versehenen Gebäudes hat der Grundstückseigentümer spätestens eine Woche vor der Außerbetriebnahme des Anschlusses der Stadt X mitzuteilen. Diese verschließt den Grundstücksanschluss auf Kosten des Grundstückseigentümers, wenn dies erforderlich ist. Nach § 28 Abs. 1 AAS hat der Grundstückseigentümer Altanlagen, die nicht Bestandteil einer angezeigten, angeschlossenen Grundstücksentwässerungsanlage sind, binnen 3 Monaten unnutzbar zu machen oder zu beseitigen.

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Aus der Gesamtschau der vorstehenden Vorschriften – mit Ausnahme der letztgenannten § 10 Abs. 3 und § 28 Abs. 1 AAS, die für die Frage des Benutzungsverhältnisses entgegen der Annahme der Beteiligten ohne Relevanz ist, da es sich insoweit um Vorschriften handelt, die ggf. ein (Mit-)Verschulden begründen können – ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass bereits aus dem Anschluss- und Benutzungsrecht ein Anschlussverhältnis und damit das öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis entsteht (vgl. in vergleichbarer Satzungskonstellation: OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 8/08 –; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Januar 2010 – 7 A 10941/09 –, juris, Rn. 29f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Januar 2003 – 15 A 4115/01 –). Einen solchen benutzungsberechtigten Teilnehmer (= Grundstückseigentümer) treffen entsprechend die Pflichten aus § 9 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2, Abs. 3 Buchst. a) und g) AAS (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 8/08 –).

51

Diese Ansicht wird insbesondere durch die Systematik der Satzung bestätigt, indem zunächst das Anschluss- und Benutzungsrecht ausgestaltet wird (§ 7 AAS), mit sich bereits daran anknüpfenden Pflichten (§ 9 AAS), und erst im Anschluss der Anschluss- und Benutzungszwang (§ 10 AAS). Letzterer korrespondiert zwar mit dem Anschluss- und Benutzungsrecht. Ein (Anschluss-/Benutzungs-)Recht entsteht aber bereits vor dem den Gemeinden aus „dringendem öffentlichen Bedürfnis“ (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 GO) zustehenden Anschluss- und Benutzungszwangs im Falle des Anfalls von Abwasser auf dem Grundstück (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 AAS), und zwar bereits dann, wenn ein betriebsfertiger öffentlicher Abwasserkanal einschließlich Grundstücksanschlusskanal vor dem Grundstück existiert (§ 7 Abs. 1, 2 AAS).

52

Deutlich wird die Entstehung eines Benutzungsverhältnisses bereits mit dem Anschluss- und Benutzungsrecht auch aus dem Wortlaut der Satzung, namentlich durch § 7 Abs. 4 AAS. Diese Vorschrift spricht die Begründung eines vereinbarten Anschlusses als Benutzungsverhältnis als Alternative für den Fall aus, dass ein Grundstückseigentümer nicht zum Anschluss seines Grundstücks berechtigt ist. In diesem Zusammenhang wird der Begriff Benutzungsverhältnis an das Anschlussrecht geknüpft. Soweit der Beklagte meint, diese Vorschrift würde genau das Gegenteil darlegen, nämlich dass das (Anschluss-)Benutzungsrecht gerade nicht vergleichbar mit dem Benutzungsverhältnis sei, da dieses ja gerade erst vereinbart werden müsse und zur Entstehung gelange, wenn kein Anschluss-/Benutzungsrecht bestehe, folgt die Kammer dem nicht. Denn die Vorschrift stellt das vereinbarte Benutzungsverhältnis an die Stelle des Anschluss-(und Benutzungs-)rechts und stellt damit ein Surrogat und kein aliud dar.

53

Bei dem Beklagten bestand auch tatsächlich dieses Anschluss- und Benutzungsrecht. Denn sein Grundstück verfügte über einen Grundstücksanschlusskanal mit Anschluss an den Hauptkanal in der Straße x. Dies ergibt sich für die Kammer aus den von der Klägerin eingereichten Unterlagen. Hierbei handelt es sich um Lagepläne der Kanalisation (Anlagen K 2 und K 19) und der bei Schadensbehebung gefertigten Lichtbilder (Fotodokumentation, insb. Bl. 9). Der Beklagte hat dies nicht substantiiert bestritten. Er gab lediglich an, dass das Altgebäude abgebrannt sei; zu den entsprechenden Auswirkungen auf den Grundstücksanschlusskanal verhält er sich in diesem Zusammenhang nicht; er hat insbesondere nichts dazu vorgetragen, dass diese aus dem Erdreich beseitigt worden ist. Aus der vorgerichtlichen Korrespondenz („Widerspruchsschreiben“ vom 27. Juni 2016) ergibt sich vielmehr seine Angabe, bei Grabungsarbeiten festgestellt zu haben, dass Beton beim Gießen des Streifenfundaments in ein altes Abwasserrohr gelaufen sei und von dort den Weg in die Kanalisation gefunden habe. Dies ist denklogisch nur möglich, wenn nicht nur der Grundstücksanschlusskanal sondern zudem noch die alten Hausanschlussleitungen vorhanden waren. Dies deckt sich mit der Stellungnahme der Abteilung Tiefbau und Technisches Betriebszentrum vom 19. Februar 2014/5. Juni 2014 (im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens), in der als „zurzeit vorhanden“ vermerkt waren: „KS-Schmutzwasserkanal“ und „Hausanschluss“. Dies wiederum steht im Einklang mit den Angaben des Beklagten in seinem Baugenehmigungsantrag – Gegenstand der Baugenehmigung vom 6. Juni 2014 –, in dem er in der Baubeschreibung zur Erschließung des Vorhabens „Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage“ angab „wird an die vorh. Leitung angeschlossen“. Daraus ergibt sich, dass der Grundstücksanschlusskanal zum Hauptkanal vorhanden war, an die das neue Bauvorhaben angeschlossen werden sollte. Soweit der Beklagte anführt, durch die Begrifflichkeit (Zeitform) „wird“ komme zum Ausdruck, dass ein Anschluss nicht bereits vorhanden sei, sondern noch hergestellt werden müsse, folgt die Kammer dem nicht. Zum einen nicht wegen des eindeutigen Begriffs „vorhanden“ und zum anderen, weil die Verwendung des Futurs in diesem Zusammenhang Sinn ergibt, da das konkrete Bauvorhaben (Neubau) und nicht – mehr – das Grundstück angeschlossen werden sollte, welches ja bereits angeschlossen war. Auch die Anlage A zur Baugenehmigung des Beklagten – Antrag auf Anschluss an die öffentliche Kanalisation des Beklagten vom 3. Februar 2014 – bestätigt dies. Der Genehmigungsgegenstand „Entwässerungsplan“ enthält den Grünstempel des Tiefbauamtes vom 20. Februar 2014, dass die Lage und Höhe des Grundstücksanschlusskanals vor dem Verlegen der Grundleitung zu überprüfen ist. Dies ergibt denklogisch nur Sinn, wenn ein Grundstücksanschlusskanal bereits vorhanden ist, an dem es sich (Lage und Höhe) in Bezug auf den neu zu erstellenden Hausanschluss (= Grundstücksentwässerungsanlage) zu orientieren gilt. Hier stimmen die Angaben des Fachdienstes Tiefbau jeweils überein. Eine Negativaussage dergestalt, dass keine Altanlage mehr vorhanden ist, geht damit nicht einher. Darüber hinaus bestand unstreitig ab Januar 2013 ein von den Stadtwerken Neumünster bestätigtes Anschlussverhältnis mit dem Beklagten.

54

Durch die vorgenannte Baubeschreibung der Grundstücksentwässerungsanlage zum Bauantrag ist der Beklagte zugleich seiner Antragspflicht im Rahmen des Anschluss- und Benutzungszwangs gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 i. V. m § 12 AAS nachgekommen. Die Genehmigung ist am 6. Juni 2014 – vor dem schädigenden Ereignis im September 2015 – erteilt worden. Baubeginn der Grundstücksentwässerungsanlage war ebenfalls September 2015. In diesem Zusammenhang ist die spätere Dichtheitsprüfung der Grundstücksentwässerungsanlage am 15. Februar 2016 irrelevant, da diese nichts über einen bereits bestehenden Haus- und Grundstücksanschlusskanal aussagt.

55

Soweit der Beklagte zur Untermauerung seiner Ansicht, dass sich das Benutzungsverhältnis erst mit dem Anschluss- und Benutzungszwang, also dem tatsächlichen Anfall von Abwasser auf dem Grundstück unter Bezugnahme auf § 10 Abs. 3 AAS entstehe, kann dies weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen durchgreifen. Denn diese Vorschrift stellt – wie bereits angeführt – eine solche dar, die ggf. ein (Mit-)Verschulden begründen könnte und enthält keinerlei Aussagekraft über die Begründung eines Benutzungsverhältnisses. Im Gegenteil: sie beschreibt allenfalls, wann ein Benutzungsverhältnis unterbrochen/beendet sein könnte, nämlich für den Fall, dass ein Grundstücksanschlusskanal verschlossen wird. Dies ist aber vorliegend bei dem Grundstücksanschlusskanal des Beklagten gerade nicht geschehen. Weder konnte er in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts Auskunft darüber geben, ob eine entsprechende Mitteilung gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 AAS von ihm an die Klägerin erfolgt ist noch war der Klägerin eine solche Anzeige bekannt. Beide hatten zudem keine positive Kenntnis über einen tatsächlichen Verschluss. Dieser liegt auch nach den obigen Ausführungen fern. Im Übrigen findet ein Verschluss nur bei einer Erforderlichkeit statt.

56

Ergänzend ist anzumerken – ohne das es darauf ankommt –, dass jedenfalls in Anknüpfung an das Kanalbenutzungsverhältnis die Haftung des Beklagten sich analog nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo richten würde. Dies ist ebenfalls in der Rechtsprechung anerkannt, insbesondere, dass die Nebenpflicht, die im gemeindlichen Eigentum stehende Entwässerungsanlage als Teil der öffentlichen Einrichtung nicht zu beschädigen, bereits im Zusammenhang mit der Anbahnungsphase zum Anschluss einer Hausanlage an den Grundstücksanschluss besteht (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 4. August 2005 – 4 B 01.622 –, juris, Rn. 52; VG Würzburg, Urteil vom 19. Dezember 2000 – W 2 K 98.1026 –, juris). Denn bereits vor der Begründung des Kanalbenutzungsverhältnisses besteht ein Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten, in dessen Rahmen Sorgfalts- und Aufklärungspflichten verletzt werden können (VG Würzburg, a. a. O., Rn. 57 m. w. N.). Eine Anwendung der Anspruchsgrundlage des § 280 BGB analog ergibt sich daher zumindest aus einer entsprechenden Anwendung des § 311 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB, da vorliegend durch die erteilte Entwässerungsgenehmigung als notwendige Vorbereitungshandlung für das Benutzungsverhältnis der vorquasivertragliche Bereich des Benutzungsverhältnisses berührt und dadurch die Anbahnung des vertragsähnlichen Kanalbenutzungsverhältnisses begründet wird (so auch zum Kanaltiefenschein VG Bremen, Urteil vom 23. November 2017 – 5 K 1673/16 –, juris, Rn. 26).

57

b) Es liegt eine objektive Pflichtverletzung des Beklagten aus diesem Schuldverhältnis vor. Denn von seinem Grundstück gelangte nach Überzeugung des Gerichts ein schädlicher Stoff – Beton als Zementgemisch – in die öffentliche Abwasseranlage, der den Grundstücksanschlusskanal sowie den Schmutzwasserkanal im Querschnitt um 90 % verstopfte. Hierbei handelt es sich um eine nach § 9 Abs. 3 Bucht. a), g) AAS ausgeschlossene Einleitung. Dieser Geschehensablauf entspricht seinem eigenen Vortrag: in seinem Widerspruchsbeschreiben vom 27. Juni 2016 hat der Beklagte angegeben, dass er bei Grabungsarbeiten festgestellt habe, dass der Beton beim Gießen des Streifenfundaments in ein altes Abwasserrohr gelaufen sei und von dort den Weg in die Kanalisation gefunden habe. Ein ähnlicher Inhalt ergibt sich auch aus einem Telefonat mit der Klägerin am 5. Juli 2016 gemäß eines im Verwaltungsvorgang befindlichen Vermerks, bezogen auf die Beschädigung eines Tonrohres. Diese Aussage hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert widerlegt, weshalb er daran festzuhalten ist.

58

Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1, 2 AAS haftet für Schäden, die durch die satzungswidrige Benutzung oder sonstiges satzungswidriges Handeln entstehen, der Verursacher. Dies gilt insbesondere, wenn entgegen dieser Satzung schädliches Abwasser oder sonstige Stoffe in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet werden. Nach § 29 Abs. 2 AAS haftet außerdem der Grundstückseigentümer für alle Schäden und Nachteile, die der Stadt x durch den mangelhaften Zustand der Grundstücksentwässerungsanlage, ihr vorschriftswidriges Benutzen und ihr nicht sachgemäßes Bedienen entstehen. Unabhängig davon, dass ggf. auch ein Verursacher nach Abs. 1 von der Klägerin hätte in Anspruch genommen werden können, ist der Beklagte vorliegend als Grundstückseigentümer gem. Abs. 2 der Vorschrift der zur Haftung Verpflichtete. Zwar ist der genaue Schadenshergang aufgrund des (allerdings unsubstantiierten) Bestreitens des Beigeladenen unklar. Fest steht für das erkennende Gericht jedoch, dass die Verstopfung der gemeindlichen Schmutzwasserkanalisation in dem Grundstück des Beklagten ihren Ausgang durch Einleiten von Beton gefunden hat. Denn nach den eingereichten Lageberichten und dem Haltungsbericht vom 21. September 2015 einschließlich Lichtbildern befand sich die Verstopfung auf 5,20 m Länge zwischen den Entfernungspunkten 2,30 m und 7,50 m, welche örtlich begrenzt unmittelbar um den Grundstücksanschluss des Beklagten in Fließrichtung liegen und sich erst südlich sowie nördlich daran die Grundstücksanschlüsse der Nachbargrundstücke Nr. x und Nr. x anschließen. In deren Bereichen konnten keine Betoneinträge festgestellt werden.

59

c) Durch diese Pflichtverletzung ist es (im Sinne einer haftungsbegründenden Kausalität) ursächlich zur Verstopfung des öffentlichen Abwasserkanals gekommen.

60

d) Die Pflichtverletzung ist auch schuldhaft erfolgt. Entsprechend den Regelungen des Schadensersatzes wegen Pflichtverletzung in einem Schuldverhältnis haftet der Beklagte als Schuldner nur für eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 1995, a. a. O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. August 2002 – 8 S 455/02 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. März 2009, a. a. O.; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008, a. a. O.), wobei er grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Hier liegt zumindest ein fahrlässiges Verhalten vor, indem nicht sichergestellt worden ist, dass keine Beschädigung des Eigentums der Klägerin erfolgen konnte. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Angaben des Beklagten über eine Beschädigung der Abwasserleitung und eines Tonrohres auf dem Grundstück durch die Beigeladene und dem dadurch erfolgten Eintrag von Beton (vgl. Ausführungen oben). Es wäre für die Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erforderlich gewesen, sich über das Vorhandensein und die Lage vorhandener Altanlagen Kenntnis zu verschaffen und diese an auf dem Grundstück tätige Dritte weiterzuleiten.

61

Vorliegend kann jedoch dahingestellt bleiben, ob dem Beklagten ein eigenes Verschulden zur Last fällt oder vielmehr nach seinem Vortrag der mit Betonarbeiten beauftragten Beigeladenen. Wenig plausibel ist nach Ansicht der Kammer, dass weitere Firmen als Bauunternehmen, z. B. die vom Beklagten mit dem Abriss des Altgebäudes oder die mit dem Hausanschluss beauftragten Firmen ein Verschulden treffen könnte, da allgemeinkundig ist, dass weder bei der einen Arbeit (Abbruch) noch bei einem Kanalanschluss Betonarbeiten anfallen. Dies deckt sich mit den Angaben des Beklagten, dass weitere Firmen mit Betonarbeiten nicht beauftragt waren.

62

Die Beigeladene war Erfüllungsgehilfe des Beklagten hinsichtlich der aus dem Kanalbenutzungsverhältnis entspringenden Pflichten. Für deren Pflichtverletzung haftet der Beklagte entsprechend § 278 BGB; er muss sich deren Verschulden zurechnen lassen (vgl. zur Anwendbarkeit des § 278 BGB im Rahmen von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten aus einem Kanalbenutzungsverhältnis OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 8/08 –). Danach hat der Schuldner ein Verschulden eines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist vorliegend eine solche ihm gegenüber der Klägerin bestehende Verbindlichkeit durch einen vom ihm beauftragten Bauunternehmer – die Beigeladene – verletzt worden. Der Ausdruck Verbindlichkeit erfasst dabei nicht nur Haupt- und Nebenleistungspflichten, sondern die gesamte Verpflichtung des Schuldners; er bezieht sich insbesondere – auch – auf die Verletzung von Verhaltens- und Schutzpflichten (vgl. Grüneberg, in: Palandt, a. a. O., § 278, Rn. 18; § 280, Rn.28; § 242, Rn. 35). Die aus dem Kanalbenutzungsverhältnis abzuleitende Pflicht, Teile der öffentlichen Abwasseranlage als gemeindliches Eigentum (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 AAS) nicht zu beschädigen, oblag primär dem Beklagten als Beteiligtem dieser Sonderverbindung. Welche Personen aus dem Geschäftskreis des Schuldners als seine Erfüllungsgehilfen anzusehen sind, richtet sich nach der Art des Schuldverhältnisses. Dabei sind etwa bei einem privatrechtlichen Benutzungsverhältnis, bei dem sich die Vertragsparteien in ähnlicher Weise gegenüberstehen wie die öffentliche Hand und der Bürger bei einem Kanalbenutzungsverhältnis, Erfüllungsgehilfen für die Schutzpflichten des Schuldners sämtliche Personen, denen der Schuldner die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf die benutzte Sache eröffnet (VG Würzburg, Urteil vom 19. Dezember 2000 – W 2 K 98.1026 –, juris, Rn. 73 m. w. N.). Bei den Bauarbeiten auf dem Grundstück (Ausheben der Fundamente, Herstellen der Streifenfundamente und der Sohle) war die Beigeladene unstreitig im Auftrag des Beklagten tätig. Ihr hat der Beklagte die Einwirkungsmöglichkeit auf die (noch vorhandene) Grundstücksentwässerungsanlage auf seinem Grundstück eröffnet. Diese Tätigkeiten standen in einem inneren Zusammenhang mit den genannten Schutzpflichten, insbesondere das Eigentum der Klägerin nicht zu beschädigen. Keineswegs fand diese Schädigung „nur bei Gelegenheit“ als außergewöhnliches Ereignis statt, wie in dem von ihm angeführten Beispiel des Arbeitnehmers, der Straftaten begeht. Indem bei diesen Tätigkeiten nach – den nachvollziehbaren – Angaben des Beklagten der Schaden eingetreten ist, hat die Beigeladene zumindest die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Einem mit Tiefbauarbeiten befassten Bauunternehmen ist dabei insbesondere die bereits genannte im Verkehr erforderliche Sorgfalt in Bezug auf vorhandene Altanlagen zuzuschreiben.

63

Dass (mit Nichtwissen) erfolgte Bestreiten der Beigeladenen im Hinblick auf den Schadenshergang und etwaiger „Tatbeiträge“ Dritter ist insoweit nicht von Relevanz, da dies nicht zu einer Entlastung des Beklagten führen würde. Dieser muss sich das schuldhafte Verhalten Dritter über § 278 BGB zurechnen lassen. Der Entlastungsbeweis nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB muss sich auch auf das Verschulden des Erfüllungsgehilfen beziehen. Einen solchen hat der Beklagte nicht angetreten, er hat vielmehr – wie bereits ausgeführt – der Beigeladenen die schädigende Handlung ausdrücklich zugeordnet, indem durch diese beim Aushub der Baugrube Abwasserrohre beschädigt und über die defekten Stellen Beton in die Kanalisation gelangt sein soll. Da zumindest der Beklagte nach den dargestellten Umständen davon ausgehen musste, dass noch Altleitungen mit einer offenen Verbindung zum Hauptkanal vorhanden waren, hätte eine besondere Obacht bei entsprechenden Bauarbeiten auf dem Grundstück an Grund und Boden nahegelegen, über die er auch die Beigeladene als ausführendes Unternehmen hätte informieren oder dieses sich hätte Kenntnis verschaffen können und müssen. Es ist nicht sichergestellt worden, dass kein Beton über den Hausanschluss über den Grundstücksanschlusskanal in den Hauptkanal gelangen konnte. Eine Exkulpation wie bei § 831 BGB findet bei Schuldverhältnissen nicht statt (vgl. Grüneberg in: Palandt, a. a. O., § 278, Rn. 1).

64

Nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins (prima-facie-Beweis) kommt jedenfalls als Haftender der Beklagte als Grundstückseigentümer und Anschlussnehmer durch Zurechnung des Verschuldens des Erfüllungsgehilfen in Betracht. Um eine durch Anscheinsbeweis erhärtete Vermutung dieser Art annehmen zu können, müssen die genannten festgestellten Tatsachen einen Sachverhalt als typischen Geschehensablauf darstellen, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist und es rechtfertigt, die besonderen Umstände des einzelnen Falles zurücktreten zu lassen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Juni 2005 – 15 A 4115/01 –, juris, Rn. 29 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 27.02. 2002 – 8 C 20.01 –, Buchholz 428 § 31 VermG Nr. 9, S. 15; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Januar 2010 – 7 A 10941/09 –, juris, Rn. 22). Hiervon ist nach den obigen Feststellungen auszugehen. Wie bereits ausgeführt und von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung noch einmal dargestellt, befanden sich Betonablagerungen bis zu 100 % in der alten Hausleitung des Grundstücks des Beklagten, weiterführend in den Hausschacht und anschließend in den Übergabeschacht, bevor die Verstopfung dann in der öffentlichen Schmutzwasserkanalisation in einem Bereich von 2,30 m bis 7,30 m zu einer Querschnittsreduzierung von 90 % führte, in die an dieser Stelle nur der – ebenfalls verstopfte – Grundstücksanschluss des Beklagten in den öffentlichen Kanal einmündet. Weitere Einleitungsstellen sind nicht vorhanden gewesen oder festgestellt worden. Dieser Vortrag wird durch die eingereichten Lichtbilder bestätigt. Die Gesamtschau dieser Fakten lässt nach allgemeiner Lebenserfahrung nur den Schluss auf eine Verursachung des Schadens durch den Beklagten als Anschlussnehmer bzw. durch die von ihm beauftrage Beigeladene zu. Für einen Eintrag durch einen Gully, wie von dem Beklagten erstmals in der mündlichen Verhandlung angeführt, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Mit den eingereichten Unterlagen der Klägerin steht für das Gericht zudem mit der hinreichenden Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO fest, dass der Abwasserkanal vor dem Ereignis im September 2015 in einem einwandfreien Zustand gewesen ist. Dies resultiert bereits aus dem Umstand, dass es zuvor keine Probleme bei der Abwasserbeseitigung auf dem Grundstück Nr. x gegeben hat, aber auch aus früher durchgeführten Inspektionen (Haltungsgrafik vom 30. November 2011: Anlage K 7 und Anschlussleitungsbericht vom 20. Februar 2012: Anlage K 14). Auch der Vortrag der Beigeladenen ist nicht geeignet, diese nach den Regeln des Anscheinsbeweises gewonnene Vermutung zu widerlegen. Denn dies setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, welche die ernstliche und naheliegende Möglichkeit eines vom typischen Sachverhalt abweichenden Geschehens- oder Ursachenverlaufs begründen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Juni 2005 – 15 A 4115/01 –, juris, Rn. 29 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 24.08 1999 – 8 C 24.98 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 305, S. 12; VG Minden, Urteil vom 05. August 2015 – 11 K 2256/14 –, juris, Rn. 27). Solche sind jedoch hier nicht vorgetragen worden. Die Beigeladene hat ebenfalls keinerlei substantiierten Vortrag dazu erbracht, dass die über den Verwaltungsvorgang nachgewiesenen Tatsachen tatsächlich nicht gegeben sind oder substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, dass der streitige Schaden durch weitere Einleiter verursacht worden sein könnte.

65

3) In der Rechtsfolge hat die Klägerin einen Anspruch Schadensersatz. Die Ersatzfähigkeit des Schadens folgt aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB analog.

66

Der Umfang der Schadensersatzpflicht erstreckt sich auf die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für die Behebung des kausalen Betonschadens an dem Grundstücksanschluss- und Hauptkanal durch die Firma Thomsen-Tiefbau. Diese entsprechen in der Höhe (8.960,26 €) der eingereichten Rechnung vom 2. Dezember 2015, gegen die – auch nach gemeinsamer Durchsicht in der mündlichen Verhandlung – nichts zu erinnern ist.

67

Entgegen der Auffassung des Beigeladenen ist kein Vorteilsausgleich (Abzug „neu für alt“) vorzunehmen. Eine Schadenersatzpflicht vermindert sich nach diesem Grundsatz dann, wenn eine gebrauchte Sache durch eine neue ersetzt wird oder durch den Einbau von Neuteilen repariert wird und dies zu einer Werterhöhung führt. Voraussetzung für den Vorteilsausgleich ist, dass eine messbare Vermögensvermehrung eingetreten ist, diese Werterhöhung sich für den Geschädigten günstig auswirkt und der Vorteilsausgleich für den Geschädigten zumutbar ist (Grüneberg in: Palandt, a. a. O., Vorb. v. § 249 Rn. 97ff.). Bei der Bemessung ist auf den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses abzustellen (BVerwG, Urteil vom 1. März 1995 – 8 C 36/92 –, juris, Rn. 24). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar hat der öffentliche Abwasserkanal mit dem Grundstücksanschlusskanal und dem Schmutzwasserkanal ungeachtet der Frage der tatsächlichen Lebenserwartung bereits einen erheblichen Teil der Lebensdauer seit dem Einbau 1965 absolviert. Gleichwohl erwächst der Klägerin durch die Sanierung kein messbarer Vorteil, der auszugleichen ist. Denn die Reparatur eines Teilstückes des öffentlichen Kanals bewirkt zur Überzeugung des Gerichts keinesfalls eine längere Lebenserwartung für diesen in seiner Gesamtheit. Die Klägerin hat insoweit – auch noch einmal in der mündlichen Verhandlung – nachvollziehbar geschildert, dass im Anschluss an die Lebenserwartung die vollständige Haltung samt der instandgesetzten Teile zu erneuern ist bzw. dass ein anderes Vorgehen nicht weniger kostenintensiv sein wird. Insbesondere macht das Teilstück der Haltung mit 5,2 m Länge lediglich einen Bruchteil der Gesamtlänge von 32,88 m (ca. 16 %) aus. Im Übrigen hat die Klägerin auch plausibel dargestellt, dass es wiederum durch die Reparatur zu Schwachstellen gekommen ist, weshalb ebenfalls nicht von einer Verlängerung der Lebensdauer auszugehen ist. Sie hat darüber hinaus angegeben, dass die öffentlich zugängliche Handlungsempfehlung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (xxx; www.xxx.de) bei einer solchen Reparatur von einer Haltbarkeit von 2 bis 15 Jahren ausgeht.

68

Letztlich hat auch keine Kürzung unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens der Klägerin nach § 254 BGB stattzufinden. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen trifft die Klägerin insbesondere keine Verkehrssicherungspflicht. Vielmehr haben der Beklagte als Grundstückseigentümer und Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und die Beigeladene als erfahrenes Bauunternehmen selbst dafür Sorge zu tragen, Beschädigungen an den Anschlüssen zu unterbinden. Dies gilt insbesondere dann, wenn entsprechende Arbeiten durchgeführt werden, denen derartige Risiken innewohnen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin eine Gefahrenquelle eröffnet hat; eine solche lag allein auf dem Grundstück des Beklagten. Dieser trägt die Verantwortung und die Einwirkungsmöglichkeit auf die Grundstücksentwässerungsanlage (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 2, § 16 Abs. 2 AAS), die vorliegend beschädigt oder ggf. nicht ausreichend verschlossen war. Für das Verschließen einer Altanlage war ebenfalls der Beklagte verantwortlich, vgl. § 28 Abs. 1 AAS.

69

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.


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