Urteil vom Landgericht Bielefeld - 6 O 399/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs eines von den Klägern abgeschlossenen Darlehensvertrages sowie eines vom Kläger abgeschlossenen Bausparvertrages.
3Mit Datum vom 30.06.2009 schloss der Kläger unter Vermittlung der Beklagten mit der M. in N. einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 211.000,00 €. Der Bausparvertrag wurde unbefristet geschlossen und enthielt im Feld „Beratungsangaben“ folgende Formulierung:
4„Bausparkonto als Tilgungsersatz für Sparkassedarlehen zum Erwerb 5-FH (Vermietung).“
5Die Kläger schlossen sodann gemeinsam einen Darlehensvertrag mit anfänglichem Festzins über einen Nennbetrag in Höhe von 211.000,00 € ab. Der Vertrag datiert auf den 08.07.2009, ist jedoch ausweislich des Unterzeichnungsfeldes erst am 20.07.2009, gemeinsam mit der zugehörigen Zusatzvereinbarung, unterzeichnet worden. Das Darlehen diente dem Erwerb einer vollfinanzierten Wohnimmobilie. Das Grundstück wurde zur Sicherung des Darlehens mit einer entsprechenden Grundschuld belastet. Nach dem Inhalt des Vertrags war das Darlehen mit 3,80 % zu verzinsen, wobei der Zinssatz bis zum 30.06.2014 unveränderlich festgeschrieben wurde. Das Darlehen ist am 30.07.2039 zurückzuzahlen. Als besondere Vereinbarung wurde in den Vertrag aufgenommen, dass die gesondert unterzeichnete Zusatzvereinbarung vom selben Tage fester Bestandteil des Vertrages sein sollte. Ausweislich der Zusatzvereinbarung sollte das Darlehen durch Zahlung aus dem Bausparvertrag bei der M. zurückgezahlt werden. Anstelle einer regelmäßigen Tilgungsleistung auf das Darlehen verpflichteten sich die Kläger, die Bausparrate in Höhe von mindestens 175,83 € monatlich zu leisten. Hintergrund der Vereinbarung ist, dass das Darlehen im Jahr 2039 durch den Bausparvertrag abgelöst werden und sich sodann die Rückzahlung des Darlehens aus dem Bausparvertrag selbst anschließen soll. Am 06.06.2011 schlossen die Parteien eine Anschlusszinsvereinbarung, nach welcher das Darlehen ab dem 01.07.2014 mit jährlich 4,75 % zu verzinsen ist. Der Sollzinssatz ist bis zum 30.06.2024 gebunden bei im Übrigen unveränderten Vertragsbedingungen.
6Auf den Darlehensvertrag zahlten die Kläger bis zum 30.06.2014 einen monatlichen Zinsbetrag in Höhe von 668,17 €. Ab dem 01.07.2014 zahlten sie monatlich einen Zinsbetrag in Höhe von 835,20 €. Tilgungsleistungen auf das Darlehen leisteten sie entsprechend der vertraglichen Vereinbarung, welche die Tilgung durch den Bausparvertrag im Jahre 2039 vorsieht, nicht.
7Der am 20.07.2009 unterzeichnete Darlehensvertrag enthält folgende Widerrufsbelehrung (Bl. 11R d. A.):
8„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: […] T. […]“
9Der durch den Kläger am 30.06.2009 abgeschlossene Bausparvertrag enthält ebenfalls eine Widerrufsbelehrung, welche wie folgt lautet (Bl. 15 d. A.):
10„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrages zur Verfügung gestellt worden ist. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an die M... […]“
11Mit Anwaltsschreiben vom 28.08.2014 an die Beklagte widerriefen die Kläger beide Verträge unter Berufung auf fehlerhafte Widerrufsbelehrungen zum 30.08.2014. Im selben Schreiben legten die Kläger die wechselseitig herauszugebenden Leistungen ihrer jeweiligen Summe nach dar und erklärten in Höhe ihrer Gegenforderung ausdrücklich die Aufrechnung. Weiterhin forderten die Kläger die Beklagte auf, den wirksamen Widerruf bis zum 12.09.2014 zu bestätigen. Die Beklagte reagierte hierauf mit Schreiben vom 01.10.2014, in welchem sie den erklärten Widerruf zurückwies.
12Die Kläger behaupten, Tilgungszahlungen vertragsgemäß nur auf den Bausparvertrag erbracht zu haben und zwar in Höhe von monatlich 175,83 €. Erstmals im Rahmen des Schriftsatzes vom 19.02.2015 behaupten die Kläger zudem, durch die Beklagte bei Abschluss der Verträge fehlerhaft beraten worden zu sein. Die Kombination der Verträge sei für jeden Darlehensnehmer wirtschaftlich äußerst ungünstig, was die versierten Sachbearbeiter der Banken wüssten. Insofern sei die Unerfahrenheit der Kläger ausgenutzt worden.
13Sie meinen, bei den beiden Verträgen handele es sich um ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 358 Abs. 3 BGB. Die verwendeten Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft gewesen. Sie entsprächen nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB, da die gewählte Formulierung nicht umfassend und zudem irreführend sei. Insoweit sei insbesondere die Formulierung „jedoch nicht bevor“ unzulässig, da sie den Fristbeginn nicht ohne weiteres erkennen lasse. Die gewählte Vertragsgestaltung bzw. die Kombination der geschlossenen Verträge sei auch sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB.
14Die Kläger haben ihre Anträge mit Schriftsatz vom 19.02.2015 neu gefasst, die Klage um einen weiteren Antrag erweitert (neuer Antrag zu 3) und beantragen nunmehr,
151. festzustellen, dass der mit der Beklagten geschlossene Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer 603004334 und der Bausparvertrag mit der Nr. 5372211317 mit Widerrufsschreiben vom 27.08.2014 wirksam widerrufen worden sind.
162. die Beklagte zu verurteilen, den widerrufenen Darlehensvertrag Nr. 603004334 ordnungsgemäß abzurechnen und den Klägern eine ordnungsgemäße Abrechnung zu erteilen.
173. die Beklagte zu verurteilen, den Klägern die Löschungsbewilligung zur Löschung der auf dem Grundstück der Kläger, im Grundbuch von H., Blatt xxx, zugunsten der Beklagten erstrangig eingetragenen Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung der noch offenen Darlehensforderung, zu erteilen.
184. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.856,55 € zuzüglich 5 % Punkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Die Beklagte bestreitet die von Klägerseite aufgestellte Abrechnung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Ebenso bestreitet die Beklagte die Erbringung von Tilgungsleistungen durch die Kläger sowie die Zahlung und Berechtigung der begehrten Rechtsanwaltskosten.
22Sie meint, die Klage sei mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Darüber hinaus sei sie auch unbegründet, da die Widerrufsfrist längst abgelaufen und die Widerrufsbelehrung nicht fehlerhaft sei. Der Widerruf zum Zwecke der Zinssenkung sei rechtsmissbräuchlich, das Widerrufsrecht kein Vehikel für Vertragsreue. Zur Annahme verbundener Verträge bedürfte es der Voraussetzung, dass das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages diene und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bildeten. Dies sei jedoch nicht der Fall.
23Entscheidungsgründe:
24Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
25I.
26Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegenüber der Beklagten – einer Bank – ausnahmsweise trotz erfolgter Bezifferung der wechselseitigen Ansprüche anzuerkennen. Grundsätzlich ist die Feststellungsklage gegenüber der rechtsschutzintensiveren Leistungsklage subsidiär (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 256 Rn. 7a). Wenn indes zu erwarten ist, dass bereits das Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führen wird, wie dies für Banken angenommen wird, wird das abstrakte Feststellungsinteresse ausnahmsweise bejaht (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 256 Rn. 8).
27II.
28In der Sache ist die Klage unbegründet.
291.
30Ein wirksamer Widerruf liegt weder im Hinblick auf den Darlehensvertrag, noch im Hinblick auf den Bausparvertrag vor.
31a)
32Eine Widerrufserklärung in Textform (§ 126 b BGB) im Sinne des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB liegt in Gestalt des Anwaltsschreibens der Kläger vom 27.08.2014, gerichtet an die Beklagte, vor.
33Demgegenüber ist ein Widerruf des Bausparvertrages gegenüber der Vertragspartnerin, der M. in N., als zutreffende Widerrufsgegnerin, bereits nicht dargelegt. Ein entsprechender Hinweis (§ 139 ZPO) der Kammer ist im Rahmen des Termins am 26.02.2015 erfolgt. Die Widerrufserklärung im Schreiben vom 27.08.2014 an die Beklagte entfaltet auch keine Wirksamkeit im Hinblick auf den Bausparvertrag. Die Verträge, geschlossen jeweils unstreitig durch die Kläger als Verbraucher (§ 13 BGB), sind keine verbundenen Verträge im Sinne des § 358 BGB. Gemäß § 358 Abs. 3 S. 1 BGB sind ein Vertrag über die Erbringung einer anderen Leistung als der Lieferung einer Ware – hier der Bausparvertrag – und ein Darlehensvertrag verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Zwar stehen die beiden Verträge vorliegend miteinander in Zusammenhang, was durch die in den Bausparvertrag aufgenommenen Beratungsangaben („Bausparkonto als Tilgungsersatz für Sparkassedarlehen […]“) dokumentiert ist. Jedoch stehen die Verträge in umgekehrter Beziehung zueinander. Vorliegend ist es nicht so, dass der Darlehensvertrag der Finanzierung des Bausparvertrages dient, sondern vielmehr so, dass der Bausparvertrag der Erbringung der Tilgungsleistungen hinsichtlich des Darlehensvertrages dienen sollte. Darüber hinaus ist bei dem finanzierten Erwerb eines Grundstücks die Wertung des § 358 Abs. 3 S. 3 BGB zu beachten, welcher eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zu verbundenen Verträgen im Bereich der Immobiliardarlehensverträge enthält und welcher aus seinem Umkehrschluss vorliegend gerade keine Verbindung der Verträge im Rechtssinne nahelegt. Die erforderlichen Voraussetzungen eines verbundenen Geschäfts sind nicht dargetan, insbesondere ist eine Verbindung der Beklagten zum Grundstücksverkäufer nicht ersichtlich. Die Kammer hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 26.02.2015 ausdrücklich darauf hingewiesen (§ 139 ZPO), vor diesem Hintergrund nicht von verbundenen Verträgen auszugehen. Bei dem Erwerb eines Grundstücks ist gemäß § 358 Abs. 3 S. 3 BGB von einer wirtschaftlichen Einheit der Verträge nur auszugehen, wenn der Darlehensgeber selbst das Grundstück verschafft oder wenn er über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus den Erwerb des Grundstücks durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer, mithin dem Grundstücksverkäufer, fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.
34b)
35Soweit der Widerruf gegenüber der Beklagten zutreffend erfolgt ist, wovon bereits nur hinsichtlich des Darlehensvertrages auszugehen ist, ist er nicht fristgerecht erklärt worden. Ausweislich der Widerrufsbelehrung konnten die Vertragserklärungen innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Belehrung in Textform, jedoch nicht bevor auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag der Kläger oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wurde, widerrufen werden.
36aa)
37Die zweiwöchige Widerrufsfrist war bei Erklärung des Widerrufs am 27.08.2014 jedenfalls abgelaufen. Aus den von Klägerseite vorgelegten Anlagen zur Klageschrift folgt, dass die Kläger die Vertragstexte nebst der zugehörigen Widerrufsbelehrung erhalten haben. Den entsprechend unstreitigen Erhalt haben die Kläger auch durch Unterzeichnung des Darlehensvertrags am 20.07.2009 bestätigt. Hinsichtlich des Bausparvertrages ist der Erhalt der von Klägerseite vorgelegten Vertragsurkunde nebst Widerrufsbelehrung bei Unterschrift am 30.06.2009 ebenfalls unstreitig.
38bb)
39Der Widerruf ist auch nicht deshalb als fristgerecht zu werten, weil die Widerrufsbelehrungen fehlerhaft erfolgten und daher das Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. bzw. gemäß § 355 Abs. 4 S. 3 BGB n.F. nicht erloschen ist. Beide Widerrufsbelehrungen entsprachen vielmehr der Rechtslage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
40Die verwendeten Widerrufsbelehrungen waren sowohl im Rahmen des Darlehens- als auch im Rahmen des Bausparvertrages gesetzeskonform. Insoweit hat der Bundesgerichtshof folgenden Maßstab definiert (BGH, Urt. v. 13.01.2009, Az.: IX ZR 118/08, zitiert bei juris Rn. 14):
41„Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren.“
42Weiter führt der BGH aus, dass die Belehrungen keine Erklärungen eigenen Inhalts aufweisen dürfen, die weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung von Bedeutung sind und deshalb von ihr ablenken oder den Verbraucher verwirren können. Ergänzungen, welche den Inhalt der Belehrung verdeutlichen, sind demgegenüber zulässig. Der BGH geht insoweit von einem sog. Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB aus (BGH, Urt. v. 28.06.2011, Az.: XI ZR 349/10, zitiert bei juris Rn. 30). Das OLG Hamm hat in Anknüpfung an eine Entscheidung der Kammer entschieden, dass die Verwendung des Wortes „frühestens“ nach der auch im hiesigen Streitfall geltenden Rechtslage im Zeitraum 08.12.2004 bis 10.06.2010 unzulässig ist, da die Formulierung nicht umfassend und irreführend ist. Für die Überzeugung des OLG Hamm maßgeblich war dabei, dass der Verbraucher im Streitfall im Unklaren darüber gelassen wurde, von welchen Umständen der tatsächliche Beginn des Fristlaufs abhängen sollte. Entsprechend § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. muss der Widerrufsbelehrung bei Schriftform des Vertrages eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung erfordert, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist. An dem entsprechenden Hinweis fehlte es jedoch im Streitfall (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2012, Az.: 31 U 97/12, zitiert bei juris Rn. 75, 76). Dies stellte eine Gemeinsamkeit zu den bereits zuvor zur hier maßgeblichen Rechtslage ergangenen Entscheidungen des BGH dar, in welchen der BGH den Formulierungszusatz „frühestens“ ebenfalls ausschließlich bei weiteren klarstellenden Zusätzen als ordnungsgemäß akzeptierte, im Übrigen jedoch nicht (vgl. BGH, Urt. v. 28.06.2011, Az.: XI ZR 349/10, zitiert bei juris Rn. 34, 35). Vorliegend enthalten die Belehrungen gerade keine „frühestens“-Formulierung. Die Belehrung erfolgt nach Auffassung der Kammer auch in hinreichend klarer und unmissverständlicher Weise dahingehend, dass die Widerrufsfrist nur dann mit Erhalt der Widerrufsbelehrung in Textform zu laufen beginnt, sofern dem Verbraucher entweder eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift eines dieser beiden Schriftstücke zur Verfügung gestellt worden ist. Sofern dies im Zeitpunkt des Erhalts der Widerrufsbelehrung in Textform indes (noch) nicht der Fall ist, beginnt die Frist demnach nach objektivem Empfängerhorizont aus der Sicht eines durchschnittlicher verständigen Dritten in Position des Verbrauchers (§§ 133, 157 BGB), sobald dem Verbraucher eines dieser Schriftstücke zur Verfügung gestellt, d.h. ausgehändigt wird. Einen Spielraum für Missverständnisse, Ablenkungen oder Irritationen des Verbrauchers kann die Kammer in der gewählten Formulierung nicht erkennen.
43Darüber hinaus folgt die Ordnungsgemäßheit der verwendeten Widerrufsbelehrungen auch aus dem Abgleich zur Musterwiderrufsbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F.. Gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. wird die Gesetzesgemäßheit der Belehrung fingiert, sofern sie dem Muster der Anlage 2 (in Textform) entspricht. Das OLG Hamm hat ausgeführt, dass sich ein Unternehmer nur auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. berufen könne, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet habe, welches dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspreche (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2012, Az.: 31 U 97/12, zitiert bei juris Rn. 78 m.w.N.). Sobald der Verwender den Text der Musterbelehrung nach BGB-InfoV einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterziehe, könne er sich schon deshalb nicht auf eine Schutzwirkung der Musterbelehrung berufen (a.a.O., Rn. 79). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, welcher ebenfalls davon ausgeht, dass ein Vertrauensschutz zu Gunsten des die Belehrung verwendenden Unternehmers nur berechtigt ist, sofern das Belehrungsformular dem Muster „sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht“. Entscheidend ist demnach allein, dass der vom Verordnungsgeber entworfene Text einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung nicht unterzogen werden darf (BGH, Urt. v. 28.06.2011, Az.: XI ZR 349/10, zitiert bei juris Rn. 37, 39). Der BGH hat zwischenzeitlich mit Urteil vom 15.08.2012 (Az.: VIII ZR 378/11, zitiert bei juris) ausdrücklich entschieden, dass der Unternehmer bei Verwendung des Belehrungsmusters nach Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. auf die Gesetzlichkeitsfiktion vertrauen darf, so dass die Belehrung zu seinen Gunsten als ordnungsgemäß gilt (a.a.O., Rn. 8, 10, 14). Die Gesetzlichkeitsfiktion nebst Musterbelehrung ist auf die Ermächtigungsgrundlage des Art. 245 Nr. 1 EGBGB a.F. gestützt. Im Hinblick auf die Verordnungsermächtigung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in Formulierung des gesetzgeberischen Willens ausgeführt, dass es „aus Gründen der Vereinfachung für die Geschäftspraxis der Unternehmer, aber auch der Rechtssicherheit und Entlastung der Rechtspflege zweckmäßig [sei], im Verordnungswege den gesetzlich erforderlichen Inhalt und die Gestaltung der Belehrung einheitlich festzulegen“ (BT-Drucks. 14/7052, S. 208). Nach der Entscheidung des BGH würde dieser Zweck verfehlt, wenn sich der Unternehmer nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion der von ihm verwendeten Musterbelehrung berufen könnte (BGH, Urt. v. 15.08.2012, Az.: VIII ZR 378/11, zitiert bei juris Rn. 16). Zwar ist die Entscheidung zur Musterbelehrung in der Fassung bis 31.03.2008 ergangen, wohingegen für den vorliegenden Fall die Musterbelehrung für den Zeitraum 01.04.2008 bis 02.08.2009 maßgeblich ist, jedoch ist das Urteil des BGH für die Musterbelehrung in ihrer jeweils gültigen Fassung verallgemeinerungsfähig, da die Musterbelehrung jeweils an den unveränderten § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. anknüpft.
44Zur Überzeugung der Kammer (§ 286 Abs. 1 ZPO) entsprechen die im hiesigen Streitfall verwendeten Widerrufsbelehrungen der Musterbelehrung nach Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. welcher für die hier maßgebliche Vertragsgestaltung, nämlich für den Fall eines schriftlich abzuschließenden Vertrages, bei dem nicht die Überlassung einer Sache Vertragsgegenstand ist, wie folgt lautete:
45„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:“
46Der Text der Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag (Bl. 11R d. A.) ist mit diesem Text vollständig wortlautidentisch.
47Die im Rahmen des Bausparvertrages verwendete Widerrufsbelehrung enthält lediglich eine textliche Abweichung, welche über die Hinzufügung eines Buchstabens bzw. das Entfallen eines Doppelpunktes hinausgeht. So lautet der dritte Satz der Widerrufsbelehrung im Bausparvertrag dahingehend, dass anstelle des Wortes „Widerrufsfrist“ die verkürzte Schreibweise „Frist“ gewählt wurde (Bl. 15 d. A.). Diese Abweichung stellt zur Überzeugung der Kammer (§ 286 Abs. 1 ZPO) lediglich eine redaktionelle Veränderung dar, welche den Sinn der Musterbelehrung in keiner Weise verfälscht und auch nicht als eigenständige inhaltliche Bearbeitung gewertet werden kann. Da die Widerrufsbelehrung keine andere verwechslungsfähige Frist enthält, sondern vielmehr einzig der Beschreibung der Widerrufsfrist dient und die Musterbelehrung selbst an anderer Stelle auch die Kurzform „Frist“ verwendet, kann darin keine inhaltliche Veränderung erkannt werden. Insofern lässt der BGH zwar die Tendenz erkennen, die Belehrung bei Abweichungen generell dem Vertrauensschutz zu entziehen (BGH, Urt. v. 28.06.2011, Az.: XI ZR 349/10, zitiert bei juris Rn. 39), dies erschiene jedoch bei dem vorliegenden geringgradigen Veränderungsumfang und dem nicht bestehenden Risiko eines Missverständnisses als gekünstelt. Es handelt sich bei genauer Betrachtung bereits nicht um einen inhaltlichen Eingriff, so dass die Änderungen als unbeachtlich zu bewerten sind. Diese Wertung entspricht auch der Auffassung des OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Urt. v. 07.07.2014, Az.: 23 U 172/13, zitiert bei juris Rn. 39, 40, 46). Eine inhaltliche Bearbeitung ist demnach nicht gegeben, da es sich lediglich um „den Austausch eines Wortes durch ein – zuvor auch in der Musterbelehrung im gleichen Sinne verwendetes – Synonym bzw. die Verkürzung eines Wortes ohne jegliche sinntragende oder inhaltliche Auswirkung bzw. Veränderung des Gehalts der Widerrufsbelehrung sowie ohne jeden Einfluss auf den Informationsinhalt“ handelt.
48c)
49Darauf, inwieweit es sich bei dem deutlich verspäteten Widerruf der Kläger auch um ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 242 BGB handelt, kommt es nach obigen Feststellungen nicht mehr an.
50d)
51Soweit die Kläger eine „sittenwidrige“ Falschberatung behaupten, ist ihr Vortrag nicht hinreichend substantiiert und im Übrigen auch verspätet.
52aa)
53Eine Falschberatung der Kläger durch die Beklagte ist nicht erkennbar. Eine anderweitige, für die Kläger günstigere Finanzierungsmöglichkeit, welche als einzig richtige Form der Finanzierung durch die Beklagte hätte empfohlen werden müssen, ist nicht substantiiert dargelegt. Der Vortrag der Klägerseite zeigt bereits nicht auf, dass für die Kläger in der konkreten Situation überhaupt eine deutlich günstigere Finanzierungsmöglichkeit bestanden hätte.
54bb)
55Eine sittenwidrige Vertragsgestaltung vermag die Kammer ebenfalls nicht zu erkennen. Für die Ausnutzung einer etwaigen Unerfahrenheit der Kläger durch Sachbearbeiter der Beklagten bzw. für eine im Einzelfall gegen die guten Sitten verstoßende Vertragsgestaltung (§ 138 Abs. 1 BGB) ist kein einzelfallbezogener substantiierter Vortrag ersichtlich. Der Kammer ist aus früheren Verfahren, deren Gegenstand ebenfalls die Kombination von Darlehensverträgen mit Bausparverträgen bildete, bereits bekannt (§ 291 ZPO), dass bei einer entsprechenden Finanzierungsstruktur nicht ohne Weiteres und gleichsam reflexhaft von einer Falschberatung zu Lasten des Kunden ausgegangen werden kann. Die Konstruktion hat neben Zinsnachteilen auch Vorteile, welche insbesondere in der langfristigen Planbarkeit der Belastungen bestehen. Bei vollfinanzierten Grundstücksgeschäften – und ein solches liegt hier vor – handelt es sich um eine verbreitete Gestaltung, welche die Finanzierung erst ermöglicht und bewusst eingegangen wird. Die Ausbeutung einer Zwangslage o.ä. im konkreten Einzelfall ist durch die Klägerseite nicht aufgezeigt worden. Entsprechende Hinweise gemäß § 139 ZPO sind im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 26.02.2015 durch die Kammer erteilt worden.
56cc)
57Darüber hinaus ist der Vortrag auch verspätet (§ 296 Abs. 2 ZPO), worauf die Kammer ebenfalls im Rahmen des Termins hingewiesen hat. Die Kläger haben erstmals im Schriftsatz vom 19.02.2015, eingegangen am 20.02.2015, eine Falschberatung durch die Beklagte behauptet. Die Kläger haben durch die Ergänzung ihres Vortrages unmittelbar vor dem Sitzungstermin gegen ihre allgemeine Prozessförderungspflicht aus § 282 Abs. 1, 2 ZPO verstoßen. In Anbetracht der unveränderten Kenntnislage wäre Ihnen ein früheres Vorbringen der Hilfsbegründung – und um eine solche handelt es sich hier – ohne Weiteres zumutbar gewesen (vgl. Zöller/Greger, ZPO; 30. Aufl. 2014, § 282 Rn. 3). Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit aufgrund konzeptioneller Benachteiligungen der Kunden stellt einen gänzlich anderen Begründungsansatz dar als die Berufung auf eine vermeintlich fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Die auf den neuen Vortrag erforderlichen Erkundigungen waren für die Beklagte ersichtlich vor dem Termin nicht mehr einziehbar. Eine etwaige Beweiserhebung, welche vorliegend aufgrund fehlender Substantiierung nicht geboten war, hätte die Erledigung des entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögert. Die Verspätung beruht auch auf grober Nachlässigkeit der Kläger, da eine zwischenzeitliche Erweiterung der Kenntnisse der Kläger, die einen früheren Vortrag ausgeschlossen hätte, nicht ersichtlich ist. Der Vortrag hätte bereits im Rahmen der Klageschrift erfolgen können. Sämtliche zur Begründung der Klage erforderlichen Umstände waren den Klägern bereits bei Einreichung der Klage bekannt.
582.
59Mangels eines wirksamen Widerrufs besteht auch kein Anspruch der Kläger auf Erteilung der Bewilligung zur Löschung der eingetragenen Grundschuld (vgl. § 894 BGB, §§ 19, 22 Abs. 1 GBO), welche von den Klägern zu Gunsten der Beklagten bestellt wurde. Weiterhin besteht aufgrund des Fehlens eines Anspruchs in der Hauptsache bzw. mangels Pflichtverletzung der Beklagten auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten (§ 280 Abs. 1 BGB).
603.
61Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
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