Urteil vom Landgericht Bochum - I-1 S 4/14
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteils des Amtsgerichts Bochum vom 06.03.2014 (Az.: 47 C 368/13) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 688,02 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 46% und die Beklagte zu 54%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Rückzahlung von als Bearbeitungsgebühr, Risikoprämie und Wertermittlungsgebühr bezeichneten Gebühren.
3Am 22./24.5.2006 schlossen die Parteien einen KfW-Darlehensvertrag für bauliche Maßnahmen zum Zweck der Verbesserung des Gebrauchswerts der Eigentumswohnung der Klägerin über eine Summe von 21.000 EUR. Die Beklagte zahlte den Darlehensbetrag abzüglich einer nach dem Darlehensvertrag in Abzug zu bringenden Bearbeitungsgebühr von 2 % (= 420 EUR) und einer Risikoprämie von 2 % (= 420 EUR) an die Klägerin aus. Die Beklagte zog weitere 100 EUR als Wertermittlungsgebühr vom Girokonto der Klägerin ein, diese Gebühr sollte zunächst auch vom Kredit einbehalten werden. Am 2./14.1.2009 schlossen die Parteien einen weiteren KfW-Darlehensvertrag über 10.000 EUR. Die Klägerin nahm nur eine Kreditsumme von 8.401,05 EUR in Anspruch. Die Beklagte zahlte diesen Betrag abzüglich einer nach dem Darlehensvertrag in Abzug zu bringenden Bearbeitungsgebühr von 2 % (= 168,02 EUR) und einer Risikoprämie von 2 % (= 168,02 EUR) an die Klägerin aus. In den Darlehensverträgen fand sich auf S. 1 unten, S. 2 oben jeweils folgende Klausel:
4„Auszahlung: 96,000%
5Der Abzug vom Nennbetrag teilt sich auf in 2% Bearbeitungsgebühr und 2% Risikoprämie für das Recht zur außerplanmäßigen Tilgung des Kredits. Der Abzug beinhaltet somit laufzeitabhängige Gebühren und wird bei vorzeitiger Tilgung nicht erstattet.“
6In dem Vertrag vom 22./24.5.2006 hieß es weiter:
7„Außerdem wird einbehalten:
8Wertermittlungsgebühr: EUR 100,--“
9Mit Schreiben vom 26.11.2012 forderte die Klägerin persönlich die Beklagte zur Rückzahlung der Gebühren bis zum 17.12.12 auf. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 09.01.13 endgültig ab.
10Die Beklagte bekam ihrerseits von der KfW als Refinanzierung nur 96% des jeweiligen Darlehensbetrags ausgezahlt. Sie erhielt im Verhältnis zur KfW für ihre Tätigkeit eine Marge aus den laufenden Zinsen.
11Die Kläger hat die Auffassung vertreten, die Gebühren seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen unzulässig gem. § 307 BGB. Verjährung sei wegen Unzumutbarkeit der Klageerhebung vor 2011 nicht eingetreten.
12Die Klägerin hat beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen an sie 1.276,04 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2012 zu zahlen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
17Wegen des weiteren Tatsachenvortrags einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt die Kammer Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
18Das Amtsgericht Bochum hat die Klage mit Urteil vom 6.3.2014 (Az.: 47 C 368/13) abgewiesen.
19Zur Begründung hat es ausgeführt: Ein etwaiger Anspruch sei verjährt. Der Anspruch unterliege der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 195 Abs. 1 BGB, die bereits in den Jahren des Abschluss der Darlehensverträge zu laufen begonnen habe, da der Klägerin die jeweiligen anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die Erhebung der Gebühren, bekannt gewesen sei. Der Verjährungsbeginn sei nicht wegen Rechtsunkenntnis hinausgeschoben gewesen, die Klageerhebung sei zumutbar gewesen. Die fragliche Vertragsklausel sei schon wegen eines Widerspruchs zu den Allgemeinen Bedingungen für Investitionskredit, die dem Darlehensvertrag beigefügt waren, unwirksam, zumindest habe die Klägerin dies erkennen können, sodass Verjährung eingetreten sei.
20Gegen dieses Urteil, das am 04.04.2014 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit einem am 24.04.2014 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 04.06.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.
21In der Berufungsbegründung beruft sie sich darauf, dass das Amtsgericht zu Unrecht die Verjährung des Anspruchs angenommen habe und verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.
22Die Klägerin beantragt,
23unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Bochum vom 6.3.2014 (Az. 47 C3 168 / 13) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.276,04 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2012 zu zahlen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.
27Entscheidungsgründe:
28Die Berufung ist teilweise begründet. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist der Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB i.H.v. 688,02 EUR zu bejahen, soweit die Beklagte eine Wertermittlungsgebühr und eine Bearbeitungsgebühr beansprucht hat.
29Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Bearbeitungsgebühren i.H.v. insgesamt 588,02 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Die Beklagte hat etwas i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1, Var. 1 BGB erlangt, indem sie durch Verrechnung ihres Anspruchs auf Zahlung der Bearbeitungsgebühr mit dem Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des Darlehens von ihrer Pflicht zur Darlehensleistung teilweise in Höhe der Bearbeitungsgebühr befreit worden ist (vgl. BGH, 28.10.2014 - XI ZR 17/14, juris Rn. 19). „Etwas“ i.S.d. Gesetzes ist jede werthaltige Vermögensposition. Dem steht nicht entgegen, dass die Bearbeitungsgebühr durch die nur 96%-ige Refinanzierung wirtschaftlich im Ergebnis bei der KfW verblieben ist. Im für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung entscheidenden Verhältnis zur Klägerin hat die Beklagte eine werthaltige Vermögensposition in Form der Befreiung von der Auszahlungspflicht erlangt.
30Diese Befreiung hat die Beklagte auch durch Leistung der Klägerin erlangt. Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Klägerin gab sich mit dem Einbehalt von 2% aufgrund des Erfüllungsanspruchs der Beklagten aus dem Darlehensvertrag zufrieden. Sie war allerdings ihrerseits zur Rückführung der gesamten Darlehenssumme verpflichtet.
31Die Leistung der Bearbeitungsgebühr erfolgte ohne Rechtsgrund. Die Beklagte hatte keinen Anspruch auf die von ihr einbehaltene Bearbeitungsgebühr. Der Anspruch folgte nicht aus der Vereinbarung auf S. 1 unten des Darlehensvertrags.
32Diese Vereinbarung ist gem. § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 BGB unwirksam.
33Es liegt eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1, 2 BGB durch die Aufnahme der Klausel in den Darlehensvertrag vor. Eine Bestimmung ist allgemeine Geschäftsbedingung, wenn es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung handelt, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Vertragsabschluss stellt. Vorformuliert sind Vertragsbedingungen, wenn sich für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind. Unabhängig von einer Fixierung von Entgelten in einer Preisliste ist eine Bearbeitungsentgeltklausel in einem Darlehensvertrag auch dann vorformuliert, wenn der Klauselverwender beim Abschluss von Darlehensverträgen regelmäßig ein Bearbeitungsentgelt in Höhe festgelegter Prozentsätze verlangt (vgl. BGH, 13.5.2014 – XI ZR 117/13).
34Die Vertragsbedingung war auch von der Beklagten gestellt. Vertragsbedingungen sind von einer Vertragspartei gestellt, wenn sie deren Vertragsgestaltungsmacht zuzurechnen sind (vgl. Basedow in Münchener Kommentar BGB, 6. Aufl. 2012, § 305 Rn. 20). Bei Verbraucherverträgen wird gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB widerleglich vermutet, dass eine Vertragsbedingung gestellt ist, wenn sie nicht durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurde (vgl. auch BGH, 13.05.2014 - XI ZR 170/13). Diese Vermutung wird auch nicht entkräftet, wenn der Beklagten ihrerseits von der KfW die Einbeziehung einer solchen Klausel vorgegeben worden sein sollte. Maßgeblich ist, dass die Vertragsbedingung von der Beklagten in die Verhandlung eingeführt wurde.
35Ein Widerspruch der AGB der Beklagten zu Ziffer 4 der Allgemeinen Bedingungen für Investitionskredite der KfW, der nach § 305c BGB aufgrund von Unklarheit dazu führen würde, dass diese als nicht einbezogen gelten, ergibt sich schon deshalb nicht, weil das Bearbeitungsentgelt im Darlehensvertrag selbst vereinbart wurde und die Bedingungen für Investitionskredite nur ergänzend gelten sollen.
36Die §§ 307 ff. BGB sind gem. § 310 Abs. 1 BGB auch anwendbar. Bei der Klägerin handelt es sich um eine Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB, bei der Beklagten um eine Unternehmerin i.S.d. § 14 Abs. 1 BGB.
37Bei der streitgegenständlichen Klausel handelt es sich um eine Preisnebenabrede, die einer Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 BGB unterworfen ist (vgl. BGH, 21.04.2009 – XI ZR 78/08; BGH, 7.12.2010 – XI ZR 3/10; BGH, 13.09.2012 – XI ZR 500/11). Die Abgrenzung zwischen einer Preisnebenabrede und einem Entgelt für eine gesonderte Leistung ist durch Auslegung i.S.d. §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Interessen der beteiligten Verkehrskreise zu ermitteln (vgl. BGH, 13.05.2015 - XI ZR 170/13). Diese hat sich, ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden, nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich danach zu richten, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird. Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben dabei nur solche Auslegungsmöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und daher nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGH, 7.6.2011 - XI ZR 388/10, BGHZ 190, 66 Rn. 21 und BGH, 13.11.2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 15 f., jeweils mwN). Die Beklagte trägt vor, es handele sich um eine Gebühr für eine besondere Beratungsleistung, die gesondert vergütungspflichtig sei. Die Klägerin meint, es handele sich um eine Hauptpflicht der Beklagten aus dem Darlehensvertrag. Schon die Bezeichnung als Bearbeitungsentgelt deutet aus Sicht eines durchschnittlichen, rechtlich nicht gebildeten, verständigen Kunden darauf hin, dass die Beklagte ein zusätzliches Entgelt für den Bearbeitungsaufwand im Zusammenhang mit der Kreditgewährung verlangt. Die Bezeichnung der Klausel ist zwar nicht alleine maßgeblich, aber ihrem Wortlaut und Wortsinn kommt eine wesentliche Bedeutung für die Auslegung zu. Die Beklagte trägt selbst vor, dass mit dem Entgelt die besondere Dienstleistung der Beratung über die Voraussetzungen und die Möglichkeit einer Förderung durch sie abgegolten werde.
38Dabei handelt es sich nach diesem Vortrag weder um eine kontrollfreie Preishauptabrede für die vertragliche Hauptleistung noch um ein Entgelt für eine Sonderleistung.
39Die Hauptleistungspflichten der Parteien bei einem Darlehensvertrag finden sich in § 488 BGB. Aus diesen ergibt sich, dass Entgelte für die Gewährung des Darlehens grundsätzlich wie Zinsen laufzeitabhängig ausgestaltet sind (vgl. BGH, 13.5.2014 – XI ZR 405/12). Bei der erhobenen Bearbeitungsgebühr handelt es sich dagegen um eine einmalige Leistung, die in Zusammenhang mit dem Vertragsschluss steht. Die Beklagte trägt vor, dass damit der besondere Aufwand bei Abschluss eines Förderkredits abgegolten werde. Nach ihrem Vortrag liegt dieser Aufwand, insbesondere die genehmigungsfähige Aufbereitung des Antrags, bei ihr. Dazu, welcher Aufwand der KfW abgegolten werden soll, trägt die Beklagte schon nichts vor. Weiterhin deckt die Gebühr den Aufwand der Beklagten, der darin besteht, dass sie selbst nur einen Teil der Darlehenssumme von der KfW refinanziert bekommt und bei voller Auszahlung des Kreditbetrags eine Deckungslücke entstünde. Sie erspart sich insoweit die anderweitige Schließung der Refinanzierungslücke. Dies stellt aber keine echte Gegenleistung der Beklagten für die Gewährung des Darlehens dar, sondern dient dem alleinigen Vermögensinteresse der Beklagten.
40Auch eine gesondert vergütungspflichtige Leistung liegt nicht vor. Die Beratung und Ermittlung der Finanzierung gehört zu den Hauptleistungen einer Bank im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung. Die Annahme einer gesondert vergütungspflichtigen Beratungsleistung setzt eine Beratungstätigkeit voraus, die über bloße Akquise- und Vorbereitungstätigkeiten im Rahmen der Antragsbearbeitung hinausgeht (vgl. BGH, 13.5.2014 - XI ZR 170/13). Eine solche besondere Beratungsleistung durch den Empfänger der Gebühr lässt sich aber nicht erkennen. Die Beklagte trägt vor, sie habe den Kreditantrag entgegengenommen, geprüft und genehmigungsfähig aufbereitet. Diese Tätigkeiten gehen nicht über die normale Beratungsleistung in Zusammenhang mit einer Kreditgewährung hinaus. Sollte ein erhöhter Bearbeitungsaufwand angefallen sein, der eine gesonderte Vergütung begründen könnte, ist dieser nach dem Vortrag der Beklagten bei der Beklagten selbst und nicht bei der KfW angefallen. Sie berate die Endkunden über die Voraussetzungen und die Möglichkeit einer Förderung durch die KfW. Dazu, dass auch bei der KfW durch die Kreditgewährung ein erhöhter, gesondert zu vergütender Bearbeitungsaufwand angefallen ist, ist nicht vorgetragen worden. Der Aufwand der Beklagten wird allerdings nach ihrem eigenen Vortrag durch eine Marge aus den laufenden Zinsen gedeckt, die laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühr verbleibt wirtschaftlich gerade nicht bei ihr.
41Die Klausel ist unwirksam, sie hält einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Vereinbarung der Gebühr ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar. Eine Regelung ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung unvereinbar, wenn der Aufwand für Tätigkeiten auf den Kunden abgewälzt wird, zu denen der Verwender gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt. Denn es gehört zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts, dass jeder Rechtsunterworfene solche Tätigkeiten zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch hierauf besteht nur, wenn dies im Gesetz ausnahmsweise besonders vorgesehen ist. Ist dies nicht der Fall, können anfallende Kosten nicht gesondert in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf den Kunden abgewälzt werden. Derartige Entgeltklauseln stellen eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar und sind deshalb grundsätzlich nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. BGH, 18.05.1999 - XI ZR 219/98; BGH, 21.04.2009 - XI ZR78/08). Gesetzliche Grundlagen für die Erhebung einer Bearbeitungsgebühr sind nicht ersichtlich, sie ergeben sich insbesondere nicht aus §§ 491 ff. BGB (vgl. BGH, 13.5.2014 – XI ZR 170/13).
42Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB ist das Entgelt für die Kapitalnutzung laufzeitabhängig ausgestaltet. Nach dem dem § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zugrundeliegenden Gedanken, dass das dispositive Recht für jeden Vertragstyp einen gerechten Ausgleich der Interessen der Parteien enthält, sind die maßgeblichen Vorschriften der Disposition des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entzogen, wenn die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung dieses Gerechtigkeitsgebots darstellt (vgl. BGH, 25.6.1991 – XI ZR 257/90). § 488 BGB stellt eine solche Ausprägung schon nach seiner gesetzlichen Überschrift und seinem Verständnis als Basisnorm des Darlehensrechts dar. Auch aus dem Wesen des Darlehens als Gebrauchsüberlassungsvertrag auf Zeit folgt, dass ein angemessenes Entgelt von der Laufzeit des Vertrages abhängig ist (vgl. BGH, 13.5.2014 – XI ZR 170/13, juris, Rn. 75).
43Die Abweichung von dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung indiziert gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB bereits die unangemessene Benachteiligung des Kunden. Die Beklagte kann sich nicht erfolgreich auf Gründe berufen, die die Klausel bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung gleichwohl als angemessen erscheinen lassen.
44Die Beklagte beruft sich darauf, dass es sich bei den streitgegenständlichen Krediten um Förderdarlehen handelt, bei welchen der Zinssatz teilweise unter dem Marktniveau liege und mit dem durch die KfW keine Gewinnerzielungsinteressen verfolgt würden. Der zusätzliche Bearbeitungsaufwand bei KfW-Förderkrediten sei im Interesse aller Kredit- und Förderungsnehmer zum Erhalt der günstigen Konditionen auf die Neukunden umzulegen, dies billige der BGH bei Bausparkassen (BGH, 7.12.2010 – XI ZR 3/10).
45Diese Rechtsprechung ist auf ein KfW-Darlehen nicht übertragbar. Bei der KfW handelt es sich um eine Anstalt des öffentlichen Rechts, deren Kapital von der Bundesrepublik Deutschland und den Bundesländern getragen wird und deren Aufgabe in der Realisierung von öffentlichen Aufträgen wie der Förderung von Mittelstand und Existenzgründern, der Gewährung von Investitionskrediten an kleine und mittlere Unternehmen sowie der Finanzierung von Infrastrukturvorhaben und Wohnungsbau, der Finanzierung von Energiespartechniken und der kommunalen Infrastruktur besteht. Anders als bei Bausparkassen handelt es sich nicht um eine Gemeinschaft, bei dem auch die Neukunden bereits bei Abschluss von den Vorteilen des kollektiven Zwecksparens profitieren sondern die KfW verfolgt öffentlich-rechtliche Zielsetzungen. Diesen Zielsetzungen ist auch der niedrige Zinssatz zuzuschreiben.
46Tatsächlich wird mit der laufzeitunabhängig ausgestalteten Bearbeitungsgebühr nach dem eigenen Vortrag der Beklagten auch nicht der nur bei ihr anfallende Bearbeitungsaufwand abgegolten, sondern die Gebühr wird im Wege der eingeschränkten Refinanzierung an die KfW weitergegeben.
47Die Beklagte kann sich nicht gem. § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen. Sie trägt vor, dass das Bearbeitungsentgelt in der Weise an die KfW geflossen sei, dass diese es bei der Refinanzierung von dem der Beklagten zustehenden Betrag abgezogen habe. Eine Entreicherung scheidet aber aus, wenn ein dem Bereicherungsschuldner ein Ersatzanspruch gegen Dritte zusteht, wie dies im Verhältnis der Beklagten zur KfW der Fall sein dürfte.
48Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erstattung der Wertermittlungsgebühr aus § 812 Abs. 1 S. Var. 1 BGB.
49Die Beklagte hat von der Klägerin die Wertermittlungsgebühr erlangt durch Gutschrift vom Girokonto der Klägerin.
50Dies geschah auch durch Leistung der Klägerin. Der Betrag wurde vom Girokonto der Klägerin abgebucht.
51Für diese Leistung bestand kein Rechtsgrund.
52Die Parteien haben zwar auf Seite 2 oben des Darlehensvertrags vom 24.05.2006 vereinbart, dass eine solche Gebühr einbehalten wird. Diese Vereinbarung ist allerdings aus den o.g. Gründen unwirksam. Es handelt sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die die Klägerin unangemessen benachteiligt. Bei der Wertermittlungsgebühr i.H.v. 100 EUR handelt es sich um ein Entgelt, das eindeutig im Interesse der Beklagten erhoben wird und ihren Aufwand für eine ihr obliegende Pflicht, nämlich die Entscheidung über die Kreditgewährung aufgrund ausreichender Sicherheiten, vergütet (vgl. Nobbe, Zulässigkeit von Bankentgelten, WM 2008, S. 185, 194).
53Die Beklagte kann die Leistung auch nicht gem. § 214 BGB verweigern. Der Anspruch ist nicht verjährt. Bereicherungsansprüche verjähren grundsätzlich nach der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Diese beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen erlangt. Ausnahmsweise kann die grundsätzlich nicht erforderliche Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsanspruch aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH, 19.03.2008 – III ZR 220/07). Das gilt erst Recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, 16.09.2004 – III ZR 346/03). Eine Klageerhebung war daher erst nach Herausbildung einer gefestigten oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung im Jahre 2011 zumutbar (vgl. BGH, 28.10.2014 – XI ZR 17/14). Die vom BGH im Hinblick auf die Bearbeitungsgebühr aufgeführten Argumente treffen in gleicher Weise auf den Anspruch auf Erstattung der Wertermittlungsgebühr zu.
54Bei Erhebung der Klage im Jahr 2013 war daher noch keine Verjährung eingetreten. Diese ist gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB seitdem gehemmt.
55Eine Verjährung ergibt sich auch nicht aus einem Widerspruch der Vereinbarung zu Ziffer 4 der Allgemeinen Bedingungen für Investitionskredite der KfW. Ein solcher liegt schon begrifflich nicht vor. Die Gebühren wurden im Darlehensvertrag vereinbart. Die Bedingungen der KfW sollten nach dem Vertrag nur ergänzend zu diesem gelten.
56Die Klägerin hat dagegen keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung von weiteren 588,02 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1, Var. 1 BGB.
57Die Beklagte hat auch diesen auf die Risikoprämie entfallenden Teil durch Leistung erlangt, indem sie nur einen Teil des Darlehensbetrags ausgezahlt hat, obwohl die Klägerin die gesamte Darlehenssumme zurückführen musste.
58Für den Einbehalt des auf die Risikoprämie entfallenden Teils bestand aber ein Rechtsgrund. Die Parteien haben im Darlehensvertrag vereinbart, dass die Risikoprämie durch Verrechnung zu zahlen ist. Im Gegenzug erhielt die Klägerin das Recht zur jederzeitigen Sondertilgungen bis zur Höhe der gesamten Restsumme.
59Diese Vereinbarung ist wirksam. Sie unterliegt nicht der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB. Es handelt sich um eine Gebühr für eine gesonderte Leistung und damit um eine Preishauptabrede. Sie vergütet das Recht zu unbeschränkten Sondertilgungen bis hin zur vollständigen Tilgung ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Dieses Recht steht der Klägerin ohne eine gesonderte Vereinbarung nicht zu, es hat einen eigenen Wert.
60Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
61Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Var. 2 ZPO.
62Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
63Die Revision war nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen.
64Der Streitwert wird auf 1.276,04 EUR festgesetzt.
65Rechtsbehelfsbelehrung:
66Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bochum statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Bochum, Westring 8, 44787 Bochum, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
67Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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