Endurteil vom Landgericht Schweinfurt - 23 O 802/19

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.809,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Seat Exeo ST nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 887,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2019 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 14% und die Beklagte 86% zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Leistung von Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 18.900 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag über einen vom so genannten VW-Abgasskandal betroffenen Pkw.

Der Kläger kaufte am 16.10.2013 in Burglauer bei der Firma Autodienst Bi1. einen gebrauchten Seat Exeo ST, mit einer Laufleistung von 15 km für 18.900 € (Anlage K1). Der Kläger zahlte den Kaufpreis und bekam den Seat übereignet.

Im Seat ist ein Dieselmotor vom Typ EA 189 der Beklagten eingebaut.

Der Dieselmotor EA 189 der Beklagten war zur Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte ursprünglich flächendeckend herstellerseits mit einer Software versehen, welche erkennt, ob das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte oder im üblichen Straßenverkehr betrieben wird. Auf dem Prüfstand initiierte die eingebaute Software im Hinblick auf den Stickoxidausstoß ein anderes Motorprogramm als im Normalbetrieb, so dass der Motor auf dem Prüfstand während des Prüfstandtests die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte einhält. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug hingegen mit einer geringeren Abgasrückführungsrate betrieben, so dass die im Prüfstand erzielten Stickoxidwerte überschritten werden.

Seit Juli 2017 kündigte das Kraftfahrtbundesamt den Eigentümern von Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189 an, dass für den Fall der Nichtdurchführung eines Updates der Motorsoftware mit der Untersagung des weiteren Betriebs des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen zu rechnen sei.

Die Beklagte bot in der Folgezeit auf ihre Kosten an, die Dieselfahrzeuge mit dem Motor EA 189 mittels einer überarbeiteten Version der Motorsoftware nachzurüsten.

Der Kläger hatte sich am 28.12.2018 zur Musterfeststellungsklage angemeldet und hat sich von dieser mit Wirkung zum 27.09.2019 wieder abgemeldet.

Vorgerichtlich forderte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11.11.2019 (Anlage K13) die Beklagte unter Berufung darauf, dass der Kaufvertrag über den Seat Exeo Folge falscher Angaben über dessen Abgaswerte gewesen und die Beklagte daher für die Rückabwicklung des Kaufvertrags einstandspflichtig sei, zur Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung auf, wobei er von einer Gesamtlebenslaufleistung von 350.000 km ausging.

Der Kläger behauptet, den Seat nicht erworben zu haben, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass das Fahrzeug über eine Abschalteinrichtung verfüge, um im Falle eines Abgastests die zulässigen Abgaswerte einzuhalten. Es handele sich hierbei um eine Betrugssoftware. Die Beklagte habe hier aus eigenem Gewinnstreben und um die Marktführerschaft auf dem Markt für Personenfahrzeuge zu erreichen, diese Motoren entwickelt. Die Entwicklungsingenieure hätten das Problem gehabt, die Grenzwerte mit legalen Mitteln nicht einhalten zu können. Das gewählte Vorgehen sei ohne Kenntnis des Vorstands, derart bei den Motorserien aller konzernangehöriger Fabrikate vorzugehen, nicht denkbar. Für den Kläger sei für den Kauf des Fahrzeugs indes die angepriesenen niedrigen Abgaswerte ausschlaggebend gewesen. Mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug habe er auf Grund der geschilderten Manipulation nunmehr einen Wertverlust erlitten.

Der Klägerin meint, die Beklagte schuldet ihm die Erstattung des Kaufpreises unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung. Eine etwaige Nutzungsentschädigung sei auf Grundlage einer Gesamtlebenslaufleistung von 300.000 km in Ansatz zu bringen.

Er meint ferner, die Beklagte habe ihn von den Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung freizustellen, welche aus einer 2,0-Gebühr zu errechnen seien.

Mit seiner der Beklagten am 18.12.2019 zugestellten Klage beantragt der Kläger wie folgt:

„1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 18.900,00 nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 17.10.2013 bis 2.11.2019 und seither von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer im Termin zu beziffernde Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 26.11.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von Euro 1.680,28 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2019 zu zahlen.“

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, es liege keine unzulässige Abschaltvorrichtung vor, da im Laufe des Fahrzeugbetriebs die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems nicht reduziert werde. Das Fahrzeug verfüge auch unverändert über die erteilte EG-Typengenehmigung mit der Abgasnorm EU 5. Letztlich habe die Software des Seat Exeo für den Kläger völlig kostenfrei nachgerüstet werden können, ohne dass dies negative Auswirkungen auf das Fahrzeug habe. Die ursprünglich eingebaute Motorsoftware sei üblich für den erforderlichen Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand. Es sei insofern auch üblich und gemeinhin bekannt, dass die Werte, die im Testbetrieb (sog. NEFZ) ermittelt werden würden, im Straßenbetrieb nicht zu erreichen wären.

Der Pkw des Klägers sei technisch sicher und uneingeschränkt gebrauchstauglich.

Die Beklagte habe mithin nicht getäuscht. Außerdem habe die Beklagte hinsichtlich einer vermeintlichen Täuschung keinen Vorsatz gehabt. Nach derzeitigem Ermittlungsstand sei die Entscheidung, die Motorsoftware zu verändern, jedenfalls nicht von Mitarbeitern der Vorstandsebene getroffen worden. Der Vorstand der Beklagten habe nach derzeitigem Stand keine Kenntnis gehabt. Auch habe die Beklagte nicht sittenwidrig gehandelt. Zudem habe die Beklagte nicht mit Schädigungsvorsatz gehandelt.

Außerdem seien etwaige Ansprüche des Klägers auch seit dem 31.12.2018 verjährt. So müsse im Angesicht der Medienberichterstattung zur Dieselthematik seit Herbst 2015 sowie der Freischaltung einer Internetseite zur Überprüfung der Fahrzeuge angenommen werden, dass der Kläger seit Herbst 2015 Kenntnis von der Dieselthematik und seiner individuellen Betroffenheit hatte oder hätte haben können. Der Kläger habe daher ohne Weiteres bereits 2015 Klage erheben können. Dies sei auch nicht unzumutbar gewesen. Soweit der Kläger sich hingegen zunächst zur Musterfeststellungsklage angemeldet habe, entfalte dies keine Verjährungshemmung, da dieser Anschluss rechtsmissbräuchlich erfolgt sei. Dem Kläger sei von Anfang an nicht daran gelegen gewesen, seine Ansprüche gegen die Beklagte im Rahmen der Musterfeststellungsklage geltend zu machen. Die Bevollmächtigten hätten den Kläger lediglich zum Zwecke der Verjährungshemmung zur Musterfeststellung angemeldet, ohne aber jemals vorgehabt zu haben, dass der Kläger am Verfahren vollständig teilnehme.

Der Kläger hat in der öffentlichen Sitzung vom 22.06.2020 den letzten Kilometerstand des Seat unter Vorlage eines Lichtbildes mit 120.256 km angegeben (Blatt 236 der Akte), was durch die Beklagte unstreitig gestellt worden ist (a.a.O.).

Gründe

Der Antrag zu 3.) ist in der aus dem obigen Tenor ersichtlichen Art unter Beachtung des Willens des Klägers (§ 308 ZPO) anpassend auszulegen gewesen.

Dies vorausgeschickt, ist die Klage zulässig (sogleich unter A.), im tenorierten Umfang begründet (unter B.) und im Übrigen unbegründet (sodann unter C.).

A.

Die Klage ist zulässig.

Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2.). Das für die begehrte Feststellung erforderliche Interesse im Sinne des § 256 ZPO folgt daraus, dass die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten der erleichterten Vollstreckung des Leistungsantrags zu Ziffer 1.) dient und hierzu gemäß §§ 765, 756 ZPO erforderlich ist (vgl. BGH, NJW 2000, 2663 [2664]).

B.

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich der Zahlung einer Nutzungsentschädigung) unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß §§ 826 Abs. 1, 31 BGB, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Seat Exeo nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren.

1. Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, diesem anderen zum Ersatz des hieraus resultierenden Schadens verpflichtet. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

a) Das Verhalten der Beklagten verstieß gegen die guten Sitten (so nunmehr auch BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, JURIS; vgl. dazu bereits OLG München, Urteile jeweils vom 15.01.2020 zum Az.: 20 U 3219/18, BeckRS 2020, 89, bzw. Az.: 20 U 3247/18, BeckRS 2020, 90, sowie Urteile vom 17.12.2019, Az.: 18 U 3363/19, BeckRS 2019, 33717 und vom 15.10.2019, Az.: 24 U 797/19, BeckRS 2019, 25424; OLG Karlsruhe, MDR 2019, 1189; OLG Koblenz, NJW 2019, 2237; umfassend dazu Heese, NJW 2019, 257).

aa) Objektiv sittenwidrig ist eine Handlung, die nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggründen und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (siehe Teichmann, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 17. Auflage 2018, § 826 Rdnrn. 4 ff.). Ein Unterlassen ist dann sittenwidrig, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Dass das Verhalten gegen vertragliche Pflichten oder das Gesetz verstößt, unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft, genügt nicht. So ist insbesondere die Verfolgung eigener Interessen bei der Ausübung von Rechten im Grundsatz selbst dann legitim, wenn damit eine Schädigung Dritter verbunden ist. Hinzutreten für die Annahme eines objektiv sittenwidrigen Verhaltens muss eine nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und gemäß des als ‚anständig‘ Geltenden besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 826 Rdnr. 4 m.w.N.).

Die Beklagte hat bei den von ihr hergestellten Dieselmotoren vom Typ EA 189 durch den Einbau einer Erkennungssoftware bewirkt, dass der Testlauf auf einem Abgasprüfstand erkannt und sodann der Motor in einem Modus geregelt wird, bei dem die gesetzlichen Grenzwerte der VO (EG) 715/2007 über die Typengenehmigung von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) für Abgase eingehalten werden, während in den tatsächlichen Fahrphasen ein Vielfaches des gesetzlich zulässigen Abgasgrenzwertes ausgestoßen wird. Dieser Mechanismus zur aktiven Unterdrückung der tatsächlichen Schadstoffemissionen im für die Betriebsgenehmigung des Fahrzeugs relevanten Prüfbetrieb ist als so genannte „Abschalteinrichtung“ rechtswidrig gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 1 der VO (EG) 715/2007.

Gemäß Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 liegt eine Abschalteinrichtung vor, wenn es sich um ein Konstruktionsteil handelt, das sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb zu erwarten sind, verringert wird. Bei der verbauten Software handelt es sich um ein derartiges Konstruktionsteil. Denn diese Software ermittelt Parameter zum Erkennen des Straßenbetriebs und schaltet hierfür die Abgasrückführung teilweise so ab, dass weniger Abgase wieder in den Ansaugbereich des Motors gelangen. Hierdurch wird die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert (siehe etwa OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 [2238]; LG München II, Urteil vom 15.12.2016, Az. 12 O 1482/16, BeckRS 2016, 124448; vgl. auch Faßbender, NJW 2017, 1995 [1999] - so auch die Rspr. des LG Schweinfurt, vgl. etwa Urteile vom 10.02.2020 zum Az. 23 O 560/19 oder jeweils vom 03.02.2020 zu den Az.: 23 O 439/19 und 23 O 539/19).

Die genannte europäische Regelung basiert auf der Sorge der EU-Mitgliedstaaten über die Luftverschmutzung und den hiervon ausgehenden Gefahren für die Umwelt sowie die Gesundheit der Bürger (Erwägungsgrund 7 VO [EG] 715/2007) und ist Ergebnis des im März 2001 durch die Kommission initiierten Programms „Saubere Luft für Europa“ (Erwägungsgrund 4 der VO [EG] 715/2007). Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte hat es die Kommission insbesondere für erforderlich erachtet, eine erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zu erreichen (Erwägungsgrund 6 VO [EG] 715/2007). Dass der europäische Gesetzgeber im Rahmen der Festsetzung der Emissionsgrenzwerte nach Euro 5 und Euro 6 davon ausging, dass diese Grenzwerte im normalen Fahrbetrieb und gerade nicht nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, ergibt sich ausdrücklich aus den Erwägungsgründen der Verordnung (EG) 715/2007, in denen es heißt:

„Es sollten weitere Anstrengungen unternommen werden, um striktere Emissionsgrenzwerte einzuführen, einschließlich der Senkung von Kohlendioxidemissionen, und um sicherzustel - len, dass sich die Grenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwen - dung beziehen“

(Erwägungsgrund 12 der VO [EG] 715/2007).

Ferner heißt es

„Überprüfungen können erforderlich sein, um zu gewährleisten, dass die bei der Typgenehmi - gungsprüfung gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen.“ (Erwägungsgrund 15 der VO [EG] 715/2007).

Diese Regelungen wären überflüssig, ginge der Verordnungsgeber davon aus, dass sein Emissionsregelwerk lediglich im Prüfstandmodus im Rahmen der Typengenehmigung eingehalten werden soll.

Ein Ausnahmetatbestand gemäß Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) 715/2007, der die Rechtswidrigkeit entfallen ließe, ist vorliegend nicht einschlägig. Zwar entfällt die Rechtswidrigkeit der Verwendung von Abschalteinrichtungen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 S. 2 Buchst. a) der VO (EG) 715/2007, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigungen oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Diese Voraussetzungen liegen aber bereits deshalb nicht vor, da lediglich der punktuelle, vorübergehende Einsatz von Abschalteinrichtungen privilegiert ist (vgl. Faßbender, NJW 2017, 1995 [1999]).

Ein Durchschnittskäufer darf und kann mithin erwarten, dass die im Prüfbetrieb laufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und nicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert bzw. nur im Testzyklus aktiviert werden. Andernfalls wäre die staatliche Regulierung zulässiger Stickoxidausstoßgrenzen Makulatur (vgl. auch LG Arnsberg, Urteil vom 14.06.2017, Az. 1 O 182/16, BeckRS 2017, 114379).

Mit der Konstruktion und dem Vertrieb von Dieselmotoren des Typs EA 189 unter Verschweigen der genannten gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung zum Zweck des Weiterverkaufs hat die Beklagte eine schädigende Handlung vorgenommen.

Es bestand eine Pflicht der Beklagten, jeden Endverbraucher ihrer Produkte darüber aufzuklären, dass in der Motorsteuerung eine Software verbaut wurde, die dafür sorgt, dass der Schadstoffausstoß nur im Prüfbetrieb die angegebenen Grenzwerte einhält. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte „nur den Motor“ hergestellt hat, das Fahrzeug aber von einer dritten, mit der Beklagten nicht identischen, Person vertrieben worden ist. Unter Berücksichtigung eines bei lebensnaher Betrachtung vorliegenden Informations- und Wissensgefälles zwischen dem Käufer als Verbraucher und dem Hersteller (des Motors) durfte und musste der Verbraucher davon ausgehen, dass das von ihm erworbene Fahrzeug die Schadstoffgrenzwerte nicht nur im Prüfbetrieb, sondern auch unter Realbedingungen im Straßenverkehr (jedenfalls weitgehend) einhält (vgl. OLG München, Urteil vom 15.01.2020, Az.: 20 U 3219/18, BeckRS 2020, 89).

Die Offenbarungspflicht und bei deren Missachtung auch die Täuschung zum Nachteil des Klägers ergibt sich zudem daraus, dass die Verwendung der Manipulationssoftware durch die Beklagte dazu geführt hat, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug unter kaufrechtlichen Aspekten im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft war. Denn ein Durchschnittskäufer darf im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 BGB erwarten, dass die im Prüfbetrieb laufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und nicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert oder nur im Testzyklus aktiviert werden. Das den geltenden Abgasvorschriften entsprechende Emissionsverhalten eines Motors stellt eine Eigenschaft dar, die für die geschuldete Beschaffenheit im Sinne des § 432 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB maßgeblich ist (vgl. BGH, NJW 2019, 1133 unter Bezugnahme auf den Beschluss des OLG Bamberg vom 20.09.2017 zum Az.: 6 U 5/17, BeckRS 2016, 130330; ferner BGH, NJW 2019, 1950; so auch OLG Ko - blenz, NJW 2019, 2246 [2247]; OLG Nürnberg, NZV 2018, 315 [1. LS]; OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2018, Az. 18 U 134/17, BeckRS 2018, 4574 - bespr. durch Ring, SVR 2018, 219 [dort: 220]; OLG Jena, NZV 2018, 571 [571] m. Anm. Lempp OLG München, NJW-RR 2017, 1238 1239); siehe zudem Gutzeit, JuS 2019, 649 [651] oder Ring, SVR 2017, 441 [442 f. m.w.N.).

Soweit die Beklagte vorträgt, dass es zwischen dem Prüfbetrieb und dem Fahrbetrieb auf der Straße ‚naturgemäß‘ zu einer Abweichung bzgl. des Schadstoffausstoßes kommen könne und dies Verbrauchern auch bewusst sei, wird verkannt, dass es sich vorliegend nicht um geringfügige Abweichungen handelt, die damit verbunden sind, dass der reale Fahrbetrieb nur simuliert wird. Vielmehr geht es um Abweichungen, die sich daraus ergeben, dass der simulierte Fahrbetrieb mit dem realen Fahrbetrieb auf Grund der Abschalteinrichtung rein gar nichts mehr zu tun hat. Der Verbraucher, und hier der Kläger, kann und darf (bei durchaus sich ergebenden Abweichungen zwischen Werten im Prüf- und Fahrbetrieb) erwarten, dass die Genese der Werte jedenfalls nicht durch eine Abschaltvorrichtung mittels gesonderter ‚Betriebsmodi‘ verfälscht wird.

Bei Würdigung der Gesamtumstände ist das Verschweigen des Einsatzes der Abschalteinrichtung auch unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Anstandsmaßstabs als sittenwidrig zu bewerten, da ein derartiges Verhalten mit den Grundbedürfnissen loyaler Rechtsgesinnung unvereinbar ist und von einem redlichen und rechtstreuen Verbraucher auch nicht erwartet werden kann. Gerade das heimliche, planvoll angelegte Vorgehen der Beklagten unter Ausnutzung eines eigenen Informations- und Wissensvorsprungs gegenüber dem ahnungslosen Verbraucher lässt das Verhalten der Beklagten als rechtlich sittenwidrig erscheinen und ist keinesfalls nur als Gesetzesverstoß anzusehen. Die Manipulation konnte von einem Verbraucher als technischen Laien nicht erkannt werden, so dass die Beklagte von vornherein einkalkulierte, dass die Manipulation nicht entdeckt werden wird. Dies erscheint vor allem vor dem Hintergrund besonders verwerflich, da die Entscheidung zum Kauf eines Kraftfahrzeugs, zumindest für den durchschnittlichen Verbraucher, mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden ist, der bei lebensnaher Betrachtung auf einer wohl überlegten und abwägenden Entscheidung fußt (LG Paderborn, Urteil vom 07.04.2017, Az. 2 O 118/16, BeckRS 2017, 108460; LG Schweinfurt, Urteile vom 10.02.2020 zum Az. 23 O 560/19 oder jeweils vom 03.02.2020 zu den Az.: 23 O 439/19 und 23 O 539/19).

Es verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, dass die Beklagte eine Software eingesetzt hat, welche die Einhaltung der gesetzlichen Umweltstandards bewusst ‚vorspielt‘, um damit ein dem gesellschaftlichen Zeitgeist der Umweltfreundlichkeit und Umweltverträglichkeit entsprechendes Fahrzeug zu vermarkten. Die objektive Sittenwidrigkeit der schädigenden Handlung rührt daraus, dass die Beklagte gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstieß und durch den flächendeckenden, millionenfachen Vertrieb der betroffenen Fahrzeuge bzw. der Motoren nicht nur eine Schädigung der Umwelt unmittelbar, sondern auch der Gesundheit anderer Menschen sowie die Schädigung einer Vielzahl von Menschen an ihrem Vermögen in Kauf genommen hat. Ferner wurden Millionen Kunden über die Eigenschaften der von ihnen gekauften Fahrzeuge und Motoren getäuscht. Der Einsatz der Software diente - andere Motive sind nicht vorstellbar - dem Zweck, zur Kostenreduzierung und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung von einer Vielzahl von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit (so nunmehr BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, JURIS; siehe aber bereits OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 [2239] oder OLG Köln, NZV 2019, 249 [251]; bejahend zur Sittenwidrigkeit siehe ferner die Nachw. bei Förster, in: Hau/Posek [Hrsg.], BeckOK BGB, 54. Edition, Stand: 01.05.2020, § 826 Rdnrn. 57a ff.; vgl. ferner Heese, NJW 2019, 257 [259] und Gutzeit, JuS 2019, 649 [655]).

bb) Durch den Umstand, dass die mangelhafte Motorsoftware mit einem unter Umständen für die Beklagte geringen Aufwand nachgerüstet werden kann, wird die Annahme eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten nicht ausgeschlossen.

Soweit namentlich § 323 Abs. 5 S. 2 BGB Ansprüche wegen so genannter unerheblicher Mängel ausschließt, liegt dem eine normative Korrektur dafür zu Grunde, dass das Vertragsrecht Sekundäransprüche ohne positiven Nachweis eines Verschuldens (vgl. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB - vermutetes Verschulden) etabliert. § 826 BGB setzt demgegenüber sowohl eine Sittenwidrigkeit des Handelns als auch die positive Feststellung vom Vorliegen eines Vorsatzes (siehe dazu unten) voraus. Derjenige, der die Tatbestandsvoraussetzungen einer solchen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung erfüllt, ist indessen nicht ebenso schutzbedürftig wie ein Verkäufer, der sich Ansprüchen wegen eines unerheblichen Mangels ausgesetzt sieht, ohne dass dabei sein Verschulden positiv nachgewiesen werden müsste.

Unabhängig davon ist die ursprünglich installierte Motorsoftware durchaus ein erheblicher Umstand. Ob ein Umstand „erheblich“ ist, bemisst sich auf Grundlage einer Interessenabwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls. Dabei wird im Kaufrecht zwar in der Regel von der Unerheblichkeit solcher Sachmängel ausgegangen, deren Beseitigungsaufwand unterhalb der Bagatellgrenze von weniger als einem Prozent des Kaufpreises liegt (BGH, NJW 2005, 3490 [3493] mit Bespr. durch Witt, NJW 2005, 3468). Allerdings ist vorliegend nicht allein der Aufwand einer Nachrüstung der Software im Verhältnis zum Kaufpreis einzustellen, sondern vielmehr eine umfassende Interessensabwägung für die Frage nach der Erheblichkeit vorzunehmen (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1289 [1291]). Für die Erheblichkeit spricht hernach vorliegend schon, dass allgemein bekannt das Kraftfahrtbundesamt die Beseitigung der ursprünglichen Motorsoftware angeordnet hat und anderenfalls die Betriebserlaubnis in Gefahr stand (vgl. dazu LG Hagen, Urteil vom 18.10.2016, Az. 3 O 66/16, JURIS). Eine Nachrüstungsmaßnahme, die vorher behördlich geprüft und genehmigt werden muss, ist aber nicht als unerheblich anzusehen (LG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2016, Az. 16 O 790/16, JURIS).

In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass das Vertrauen in die Beklagte, die vorliegend allein in der Lage ist, die vom Kraftfahrtbundesamt beanstandete Software zu beseitigen, durch deren heimliches Vorgehen erschüttert ist. Da ein Fahrzeug ein langlebiges und hochwertiges Wirtschaftsgut ist, das im Laufe seiner Nutzung ständig gepflegt, gewartet und repariert werden muss, bedarf es der ständigen Leistung des Herstellers, weil dieser Wartungsintervalle und -maßnahmen vorgibt und die Ersatzteile produziert. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte nur den Motor, das elementarste Teil des Fahrzeugs, hergestellt hat. Das erfordert ebenfalls ein gewisses Vertrauen in deren Zuverlässigkeit, das durch die heimliche Installation der zu beseitigenden Abschaltvorrichtung nachhaltig gestört ist (siehe LG Stuttgart, Urteil vom 30.06.2017, Az. 20 O 425/16, BeckRS 2017, 114797).

Die Möglichkeit der Softwarenachrüstung ließe die „Erheblichkeit“ des Verhaltens der Beklagten unabhängig von diesen Erwägungen auch aus dem Grunde nicht ‚entfallen‘, weil im Falle einer Softwarenachrüstung ein berechtigter Mangelverdacht bezüglich neuer Mängel begründet wird, was gleichermaßen erheblich ist (siehe LG Krefeld, Urteil vom 14.09.2016, Az. 2 O 83/16, JURIS). Negative Auswirkungen auf andere Parameter des Seat Exeo und dessen Marktpreis sind insoweit ernstlich zu befürchten. Angesichts der gerichtsbekannt weiterhin unklaren und in der Tagespresse fortlaufend dokumentierten Entwicklung ist selbst noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung berechtigterweise zu befürchten, dass sich die Nachrüstung nachhaltig negativ auf den Verbrauch, die Abgaswerte oder die Haltbarkeit von Fahrzeugbauteilen auswirken wird. Berechtigt ist diese Annahme, da aus dem mit der Täuschung auf dem Prüfstand durch die Beklagte eingegangenen unternehmerischen Risiko von Strafzahlungen, Schadensersatzklagen und Imageverlust aus Käufersicht nur der Schluss gezogen werden kann, dass es für die Reduzierung der Abgasrückführung im Fahrbetrieb aus Sicht der Beklagten wichtige, wenn nicht sogar zwingende technische Gründe gab. Ebenso wenig wurden die Beweggründe für die von der Beklagten installierte Abschaltlogik offenbart, welche den Kläger in die Lage versetzen würden, zu beurteilen, welche Folgen die Beseitigung der Umschaltlogik für den Seat Exeo haben würde (siehe dazu LG Stuttgart, Urteil vom 30.06.2017, Az. 20 O 425/16, BeckRS 2017, 114797). Eine stattgehabte Softwarenachrüstung begründet zudem die berechtigte Annahme, dass der Marktpreis nachhaltig sinken und somit ein merkantiler Minderwert entstehen wird (vgl. LG Kempten, Urteil vom 29.03.2017, Az. 13 O 808/16, BeckRS 2017, 106279; LG Krefeld, Urteil vom 14.09.2016, Az. 2 O 83/16, JURIS). Denn es ist - wie nicht zuletzt die Eingangszahlen entsprechender Klagen beim Landgericht Schweinfurt und andernorts ersehen lassen - davon auszugehen, dass viele geschädigte Kunden auf Grund des Verhaltens der Beklagten die Rückabwicklung von Kaufverträgen anstreben und daher die Händler bzw. die Beklagte den Gebrauchtwagenmarkt mit zurückgegebenen Fahrzeugen überschwemmen werden. Diese Befürchtung des Klägers ist jedenfalls nachvollziehbar und wird auch von der Beklagten nicht mit Sicherheit ausgeräumt.

b) Dem Kläger ist durch die sittenwidrige Handlung der Beklagten ein Schaden in Form der kaufvertraglichen Verpflichtung über den streitgegenständlichen Seat Exeo mit der manipulierten Motorsoftware entstanden.

Der Abschluss jenes Vertrages in Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsoftware begründet eine ungewollte, wirtschaftlich nachteilige Verpflichtung (vgl. OLG München, Urteil vom 15.01.2020, Az.: 20 U 3219/18, BeckRS 2020, 89; Hesse, NJW 2019, 257 [260] m.w.N. oder Gutzeit, JuS 2019, 649 [655]). Dass der Vertrag für den Kläger wirtschaftlich nachteilig ist, zeigt sich bereits daran, dass ein objektiv vernünftiger, durchschnittlicher Kunde ein Fahrzeug nicht erwerben würde, wenn die Beklagte vor dem Kauf darauf hinweisen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform sei und der Kunde darum mit Schwierigkeiten hinsichtlich der Betriebserlaubnis durch ein Einschreiten des Kraftfahrtbundesamtes rechnen muss.

Der Kläger wurde in seiner Dispositionsfreiheit verletzt, so dass ihr Vermögen nunmehr mit einer ungewollten Verbindlichkeit negativ belastet ist. Nicht entscheidend ist dabei, ob der Kauf des Fahrzeugs für den Kläger einen messbaren Vermögensnachteil durch einen entstehenden Wertverlust bewirkt. Die Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit stellt bereits einen Schaden im Sinne des § 826 BGB dar (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, JURIS sowie NJW-RR 2015, 275 [276] und NJW 2004, 2971 [2972] m.w.N.). Die täuschungsbedingte Verleitung des Klägers zu einem Vertragsschluss ist selbst bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung für den Anspruch aus § 826 BGB haftungsauslösend (vgl. ferner BGH, NJW-RR 2005, 611 [612] sowie NJW 1998, 302 [304]), da in Folge der Täuschung der Beklagten der Kläger in seinem Recht beeinträchtigt ist, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (siehe BGH, NJW 2010, 2506 [2507]).

Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass oft fraglich ist, ob ein Käufer tatsächlich Wert auf ein umweltschonendes Fahrzeug legt oder ein besonderes Umweltbewusstsein hatte. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass jeder Käufer und auch der hiesige Kläger sowohl auf sachmangelfreie Eigenschaften des Motors als zentrales Element eines Fahrzeuges als auch auf eine unter regelgerechten Bedingungen zu Stande gekommene ordnungsgemäße Zulassung des Fahrzeuges als Voraussetzung für dessen uneingeschränkte Benutzung im Straßenverkehr Wert legen. Dabei wäre es auch unerheblich, wenn im Wege der Manipulation in erster Linie die Stickstoffemissionen manipuliert worden wären und der Kläger sich zu diesem Wert keine Gedanken gemacht hätte. Wesentlich ist die Tatsache der Manipulation als solche, die sich auf den Vorgang der Prüfung des Fahrzeuges und somit auch auf die Typengenehmigung als solche sowie auf die Zulassung auswirkte. Wären mangelhafte Dieselmotoren der genannten Art von der Beklagten nicht in Verkehr gebracht worden, hätte der Kläger ein mit einem solchen Motor ausgestattetes Fahrzeug nicht erwerben können. Hätte die Beklagte die Funktionsweise der Software bei Markteinführung des Motors EA 189 offengelegt, wäre ohnehin der von dem Kläger 2013 gekaufte Seat Exeo in dieser Form wegen zeitnahen Einschreitens des Kraftfahrtbundesamtes nicht mehr (weiter-)verkauft worden, wie die Entwicklung nach dem tatsächlichen Bekanntwerden der Manipulation zeigt. Kein vernünftiger Kunde würde sich auf die Unsicherheit des möglichen Widerrufs der Zulassung einlassen und ein solches Fahrzeug erwerben (vgl. dazu insges. LG Kiel, Urteil vom 18.05.2018, Az. 12 O 371/17, BeckRS 2018, 8903 oder LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017, Az. 3 O 252/16, BeckRS 2017, 106026; siehe zudem BGH, NJW 1995, 2361 [2. LS]; so auch schon LG Schweinfurt in den Urteilen vom 10.02.2020 zum Az. 23 O 560/19 oder jeweils vom 03.02.2020 zu den Az.: 23 O 439/19 und 23 O 539/19).

Unbeschadet dieser Erwägungen besteht ferner eine Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung vorliegend gerade nicht. Der Seat Exeo, der mit der manipulierten Software versehen war, bleibt unabhängig von der konkreten Höhe hinter dem Wert eines Fahrzeugs zurück, das eine solche Software nicht aufweist (§ 291 ZPO), so dass die Eingehung der vertraglichen Verbindlichkeit ohne weiteres auch einen Vermögensschaden beim Kläger hervorgerufen hat.

Die Möglichkeit der Durchführung eines Softwareupdates ändert an der ungewollt eingegangenen Verbindlichkeit nichts.

Gegen das Vorliegen eines Schadens zum Nachteil des Klägers spricht außerdem nicht, dass vorliegend zufällig die Firma Autodienst Bieberich aus Burglauer zwischen dem Kläger und die Beklagte als Herstellerin des Motors getreten ist (vgl. insoweit auch OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 [2244]). Das Bestehen vertraglicher Ansprüche gegen den Verkäufer schließt deliktische Ansprüche gegen einen Dritten nicht aus.

Der Schaden in Form des ungewollten Vertragsschlusses ist auch vom Schutzzweck der Norm umfasst. Der Schaden tritt bei dem Kläger nicht nur zufällig ein. Er trifft genau den, den er ausschließlich treffen kann: Den Käufer des mit dem Motor versehenen Fahrzeugs. Die Gefahr einer uferlosen Haftung bei Weiterverkauf des Fahrzeugs besteht nicht, da in jenen Fällen der Schaden bei dem jeweiligen Veräußerer entfiele.

c) Die sittenwidrige, schädigende Handlung ist der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19; JURIS; so schon OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 [2242] und OLG Köln, NZV 2019, 249 [252]).

Die Haftung juristischer Personen setzt bei § 826 BGB voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklichen muss (vgl. BGH, NJW 2017, 250 [1. LS]).

Der Umstand, dass die Verwendung einer Abschalteinrichtung bei den Dieselmotoren der Serie EA 189 ausnahmslos bei jedem Motor dieser Serie auffindbar ist, begründet bereits eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass eine Entscheidung dafür, die Motoren mit dieser Einstellung planvoll und absichtlich zu produzieren und in den Verkehr zu bringen, angesichts der Tragweite und Risiken für den Gesamtzusammenhang eines so agierenden Konzerns durch die Geschäftsleitung selbst getroffen wurde und damit der Beklagten gemäß § 31 BGB zurechenbar ist (OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 [2242]; LG Krefeld, Urteil vom 19.07.2017, Az. 7 O 147/16, JURIS).

Mit Blick darauf hat der Kläger, der keine Kenntnisse über innerbetriebliche Abläufe bei der Beklagten haben kann - und welche ihrerseits wiederum nicht zur Selbstbezichtigung verpflichtet werden kann - substantiiert und schlüssig Umstände vorgetragen, die ein kollusives Verhalten mehrerer Personen bedingen und entweder ein Versagen unternehmensinterner Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen oder aber eine Einbindung maßgeblicher Entscheidungsträger im Konzern der Beklagten voraussetzen (vgl. ebenso OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 [2242] oder LG Würz - burg, Urteil vom 23.02.2018, Az. 71 O 862/16, BeckRS 2018, 1691; siehe auch OLG München, Urteil vom 15.01.2020, Az.: 20 U 3219/18, BeckRS 2020, 89 m.w.N. oder Hesse, NJW 2019, 257 [260 f.]). Es ist davon auszugehen, dass gemäß § 31 BGB ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten Kenntnis von der Manipulation hatte. Die Beklagte, die allein über entsprechende Kenntnisse verfügen könnte, hat sich insofern nicht eingelassen. Im Hinblick auf gesetzliche Pflichten, wie namentlich in §§ 76, 77, 91 Abs. 2 AktG normiert, ist davon auszugehen, dass bei der Beklagten organisatorische Maßnahmen (u.a. etwa durch Einrichtung von Innenrevision und Controlling - vgl. Koch, in: Hüffer/Koch [Hrsg.], AktG, 14. Auflage 2020, § 91 Rdnr. 10) in der Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet ist (vgl. auch LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017, Az. 3 O 252/16, BeckRS 2017, 106026; LG Krefeld, Urteil vom 19.07.2017, Az. 7 O 147/16, JURIS). Die Beeinflussung der Motorsoftware einer ganzen Motorreihe erscheint als eine solche wesentliche Entscheidung, so dass hier erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die unternehmenswesentliche Entscheidung nicht unterhalb der Vorstandsebene getroffen und vor den Vorständen „verheimlicht“ worden ist. So oder so läge aber bei dem andernfalls dann verbleibenden Szenario eines unkontrollierten Verhaltens einzelner unfähiger Mitarbeiter ein Organisationsmangel vor, den sich die Beklagte in gleicher Weise zurechnen lassen muss (LG Würzburg, Urteil vom 23.02.2018, Az. 71 O 862/16, BeckRS 2018, 1691; Hesse, NJW 2019, 257 [260]).

Die Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die geeignet wären, die vom Kläger vorgetragenen Grundlagen einer Zurechnung gemäß § 31 BGB zu widerlegen. Sie hat sich insoweit eines Sachvortrags enthalten. Indem die Beklagte nicht qualifiziert vorgetragen hat, hat sie gegen die sie treffende sekundäre Darlegungslast verstoßen (vgl. Bacher, in: Vorwerk/Wolf [Hrsg.], BeckOK ZPO, 36. Edition, Stand 01.03.2020, § 284 Rdnrn. 84 ff.). Der Beklagten wäre zumutbar gehalten gewesen, zu der Tatsache, wer im Unternehmen tatsächlich gehandelt haben soll, näher vorzutragen (vgl. OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 [2241]; LG Würzburg, Urteil vom 23.02.2018, Az. 71 O 862/16, BeckRS 2018, 1691; siehe auch die Rspr. des LG Schweinfurt, Urteile vom 10.02.2020 [Az. 23 O 560/19] oder jeweils vom 03.02.2020 [Az.: 23 O 439/19 und 23 O 539/19]).

d) Die Schadenszufügung erfolgte auch vorsätzlich.

Eine Schädigungsabsicht erfordert § 826 BGB nicht; ein bedingter Vorsatz reicht aus. Dabei muss der Schädiger nicht im Einzelnen wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden. Vielmehr reicht es aus, dass die Richtung, in der sich sein Verhalten zur Schädigung anderer Personen auswirken könnte, sowie die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen wird (vgl. BGH, NJW 2004, 2971 [2973]). Der Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz bezieht, im Fall des § 826 BGB also die Schädigung des Klägers, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Das setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGH, NJW-RR 2013, 550 [552]). Dies vorausgeschickt, liegt ein Schädigungsvorsatz der Beklagten vor.

Der Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung ist mit Vorsatz der handelnden Personen erfolgt. Dies ergibt sich daraus, dass die beschriebene Funktionalität der Steuerung des Abgasrückführungssystems nur durch die komplexe Gestaltung der Software erreicht werden konnte, was nur vorsätzlich denkbar ist. Die Manipulation der Abgaswerte zielt nicht nur auf eine Umgehung von Umweltvorschriften ab, deren Einhaltung der Allgemeinheit dienen, sondern auch auf die individuelle Vermögensdisposition des Kunden. Die Kunden sollten zum Kauf eines Fahrzeugs bewegt werden, obwohl es zwingende umweltrechtliche, unionsrechtliche Vorschriften nicht einhält und deshalb mit einem Makel behaftet ist. Den verantwortlichen Entscheidern bei der Beklagten war die Bedeutung ihres Verschweigens für die Beeinflussung jener Entscheidung der Kunden bewusst. Den verantwortlichen Organen bei der Beklagten war nach der allgemeinen Lebenserfahrung bewusst, dass die Kunden auf Grund des Verschweigens des Einsatzes der Abschalteinrichtung die Entscheidung zum Kauf auf Basis einer fehlerhaften bzw. unvollständigen Tatsachengrundlage trafen, die sie bei der gebotenen Aufklärung entweder überhaupt nicht oder aber nur zu anderen Konditionen getroffen hätten. Derartige Schäden als Folgen ihrer vorsätzlichen Handlungsweise nahmen sie zumindest billigend in Kauf. Angesichts der Gesamtumstände bestehen hier an einer vorsätzlichen Handlungsweise der Organe der Beklagten keine vernünftigen Zweifel (vgl. auch LG Paderborn, Urteil vom 07.04.2017, Az. 2 O 118/16, BeckRS 2017, 108460).

2. Als Rechtsfolge der unerlaubten Handlung muss die Beklagte dem Kläger daher Schadensersatz leisten, §§ 249 ff. BGB.

Grundsätzlich ist der Schadensersatzanspruch, der auf die Befreiung einer durch Täuschung eingegangen vertraglichen Verbindlichkeit abzielt, in Art und Umfang nur gegen den direkten Vertragspartner möglich (vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 Rdnr. 53). Ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages kann aber auch gegenüber Dritten bestehen (vgl. OLG München, Urteil vom 20.08.1999, Az. 14 U 860/98, BeckRS 1999, 11751), was vorliegend umso mehr deshalb gelten muss, weil die Beklagte sicher wusste, dass der Seat Exeo mit dem von ihr hergestellten Dieselmotor EA 189 weiterverkauft werden wird. Die Beklagte schuldet damit den Ausgleich der vertraglich geleisteten Kaufpreiszahlung gegen Rückgabe und -übereignung des Seat samt der Fahrzeugschlüssel und -unterlagen seitens des Klägers.

Auf den Zahlungsanspruch hat der Kläger angesichts des Verbots der schadensersatzrechtlichen Bereicherung sich allerdings anspruchsmindernd einen Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer anrechnen zu lassen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, JURIS; so schon OLG Koblenz, NJW 2019, 2237 [2245]; LG Wuppertal, Urteil vom 16.01.2018, Az.: 4O 295/17, BeckRS 2018, 1446 in Anlehnung an § 346 Abs. 1 BGB; LG Würzburg, Urteil vom 23.02.2018, Az. 71 O 862/16, BeckRS 2018, 1691; a.A. [= keine Anrechnung] Hesse, NJW 2019, 257 [262]). Ausweislich des in der Sitzung des Landgerichts vom 22.06.2020 vorgelegten Lichtbildes hatte der mit einer Laufleistung von 15 km als Gebrauchtwagen erworbene Seat (Anlage K1) des Klägers zuletzt eine Gesamtkilometerlaufleistung von 120.256 km. Dies hat die Beklagte in unstreitig gestellt (Blatt 236 der Akte). Hieraus folgt eine Nutzungsstrecke von 120.241 km (= 120.256 km Endstand abzgl. 15 km Anfangsstand). Der Ermittlung des Werts der Gebrauchsvorteile ist die Annahme zu Grunde zu legen, dass ein Fahrzeug einen gewissen Gebrauchswert besitzt, der sich durch die für diesen Fahrzeugtyp noch zu erwartende Gesamtlaufleistung bestimmt und durch die Benutzung - messbar an gefahrenen Kilometern - linear aufgezehrt wird (vgl. LG Ber - lin, Urteil vom 31.07.2014, Az. 5 O 90/13, JURIS). Der Gesamtwert des Fahrzeugs und die tatsächlich gefahrenen Kilometer sind in das Verhältnis zur zu erwartenden Gesamtlaufleistung zu setzten. Der Wert der gezogenen Nutzungen berechnet sich darum wie folgt:

Gesamtwert des Pkw x gefahrene Kilometer zu erwartende Gesamtlaufleistung.“

Als Gesamtwert ist der Bruttokaufpreis des Fahrzeugs zu Grunde zu legen (siehe BGH, NJW 2014, 2435 [2435]). Die zu erwartende und durchschnittliche Gesamtfahrleistung schätzt das Gericht entsprechend der allgemeinen Verkehrserwartung gemäß § 287 ZPO auf 250.000 Kilometer.

Es ergibt sich daher aus der Formel

18.900 € Gesamtwert x 120.241 gefahrene km

250.000 km Gesamtlaufleistung

ein Nutzungswert von 9.090,22 €. Somit verbleibt ein Zahlungsanspruch in Höhe von 9.809,78 € (18.900 € - 9.090,22 €).

3. Dieser Anspruch des Klägers ist nicht verjährt.

Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Hierbei wird gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB der Lauf der Verjährungsfrist allerdings für solche Ansprüche gehemmt, für die der Gläubiger zunächst eine Musterfeststellungsklage erhebt.

Dies vorausgeschickt, ist in Folge einer Hemmung der Verjährungsfrist entgegen der Ansicht der Beklagten keine Verjährung eingetreten.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger bereits im Jahr 2015 Kenntnis von der konkreten Beschaffenheit der in seinem Seat Exeo verwendeten Motorsoftware und den hieraus folgenden Umständen hatte oder hätte haben müssen mit der Folge, dass die Regelverjährung von 3 Jahren am 31.12.2018 geendet hätte. Denn der Kläger hat sich noch vor Ablauf dieses Tages der Musterfeststellungklage angeschlossen und auf diese Weise für die Dauer von 6 Monaten (vgl. § 204 Abs. 2 BGB) nach im weiteren Verlauf wiederum erfolgter Abmeldung von jenem Musterverfahren die Verjährung rechtzeitig gehemmt.

Dieses Vorgehen des Klägers verstieß nicht gegen § 242 BGB, so dass es ihm nicht verwehrt ist, sich auf diese Hemmung zu berufen.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es namentlich im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch begründet, wenn ein Gläubiger ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung etwa eine Gütestelle anriefe (BGH, Urteil vom 25.05.2016, Az. IV ZR 197/15, BeckRS 2016, 10404). Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten wird in diesen Fällen vielmehr erst dann anzunehmen sein, wenn schon vor der Einreichung des Antrags für den Gläubiger erkennbar feststeht, dass der Schuldner sich auf das Güteverfahren nicht einlassen wird (vgl. auch BGH, NJW 2016, 233 [236]). Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass der Gläubiger sich bei solch einer Sachlage mit der Wahl eines von ihm als nicht zielführend erkannten „Hemmungsmittels“ deshalb rechtsmissbräuchlich verhielte, weil er den Erfolg des mit Verjährungshemmung versehenen Antrags für ihn erkennbar gar nicht erreichen kann.

Eben dieser Maßstab hat auch für das vom Kläger vorliegend gewählte Musterfeststellungsverfahren zu gelten. Die Anmeldung zum Musterverfahren kann gerade nicht grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich gewertet werden, sondern allein in den Fällen, in denen der Kläger die Ziele gar nicht erreichen möchte bzw. erreichen kann, die über das Musterfeststellungsverfahren erreicht werden könnten. Eben solch ein Sachverhalt ist hier aber nicht ersichtlich. Soweit die Anmeldung zum Musterfeststellungsverfahren Ende Dezember 2018 und die Abmeldung im September 2019 im Zusammenhang mit der hiesigen Individualklage erfolgt ist, liegt auf Grund des während des Anschlusses verstrichenen Zeitraums vielmehr nahe, dass der Kläger seine Ansprüche zunächst tatsächlich mittels des Musterverfahrens verfolgen wollte und sich erst anschließend zu einem abweichenden rechtlichen Vorgehen entschlossen hat. So hat der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.01.2020 (Blatt 105 der Akte) entsprechend vortragen lasse, dass der Wechsel hin zur Individualklage Folge der gestiegenen Erfolgsaussichten gewesen sei. Solch ein Wechsel in der Rechtsverfolgungsstrategie ist zulässig und nicht als rechtsmissbräuchlich zu bewerten.

II.

Auf den somit zur Zahlung ausstehenden Betrag schuldet die Beklagte des Klägers zugleich ab dem 19.12.2019 Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß §§ 291 S. 1, 288 BGB. Für den Zinsbeginn ist der auf die Zustellung der Klageschrift vom 18.12.2019 folgende Tag maßgeblich (§ 187 BGB analog - BGH, NJW-RR 1990, 518 [519]).

III.

Daneben hat der Kläger gegen die Beklagte auch Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 887,03 €. Dies folgt aus §§ 826, 249 Abs. 1 BGB, da solche Kosten Teil des zu ersetzenden Schadens sind.

Der Höhe nach richten sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedoch nur nach dem Anspruch, den der Kläger berechtigterweise verlangen kann. Demnach kann der Kläger die Rechtsanwaltskosten nur nach einem zutreffenden Forderungswert von 9.809,78 € verlangen.

Ferner sind die Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Gebühr über das 1,3-fache hinaus liegen nicht vor. Gemäß Nr. 2300 VV RVG beträgt die Geschäftsgebühr 0,5 bis 2,5 Gebühren, wobei eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Welche Gebühr der Rechtsanwalt im Einzelfall verdient hat, ist gemäß § 14 RVG zu bestimmen, wonach der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen bestimmt. Eine besondere Schwierigkeit der Sache kann nicht erkannt werden. Schwierig ist eine Tätigkeit im Sinne des § 14 RVG dann, wenn erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen, unabhängig davon, ob diese auf juristischem oder tatsächlichem Gebiet liegen. Der vorliegende Fall spielt hingegen vornehmlich in den Bereichen des Kauf- und Deliktsrechts, welche keinerlei Spezialkenntnisse erfordern. Der Umstand, dass zu der Frage der rechtlichen Bewertung der „Abgasskandalfälle“ bei Erhebung der Klage noch keine obergerichtliche Rechtsprechung existierte, ändert hieran nichts. Letztlich sind auch die technischen Probleme der jeweiligen Fahrzeuge nicht so schwierig, dass sie eine Erhöhung des Gebührensatzes rechtfertigen.

Eine besondere Bedeutung der Sache für den Kläger ist überdies nicht dargetan und auch nicht ersichtlich.

Demnach ergibt sich aus einem Gegenstandswert bis zu 10.000 € bei einer 1,3-fachen Gebühr aus dem Gebührenwert von 558 € zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ein ersatzfähiger Betrag in Höhe von 887,03 €.

Aus den bereits dargestellten Gründen schuldet die Beklagte auf diesen Betrag auch Prozesszinsen.

C.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet Zur Vermeidung von Wiederholungen werden die obigen Ausführungen sinngemäß in Bezug genommen.

Der Kläger hat unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten Anspruch auf weitergehende Zahlungen. I.

Insbesondere hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Verzinsung des zurückzuzahlenden Kaufpreises (unter Abzug einer Nutzungsentschädigung) in Höhe von 4% seit dem Fahrzeugkauf. Soweit namentlich § 849 BGB einen solchen Zinsanspruch ohne Rücksicht auf die Verzugsvoraussetzungen gewährt, setzt dies gemäß Wortlaut der Vorschrift eine Entziehung oder Beschädigung einer Sache voraus. Daran fehlt es vorliegend. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Verzinsung deliktischer Ansprüche ab Schadensentstehung lässt sich demgegenüber aus § 849 BGB nicht ableiten (OLG Oldenburg, Urteil vom 26.11.2019, Az.: 2 U 29/19, BeckRS 2019, 30442; siehe auch Spindler, in: Hau/Poseck [Hrsg.], BeckOK BGB, 54. Edition, Stand: 01.05.2020, § 849 Rdnr. 1 m.w.N.).

II.

Die Beklagte ist nicht mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Seat Exeo in Annahmeverzug gemäß §§ 293 ff. BGB.

Zwar kann Annahmeverzug grundsätzlich auch dadurch eintreten, dass der Beklagten mit einem auf Zug-um-Zug-Leistung gerichteten Klageerhebung das wörtliche Angebot auf Entgegennahme des Audi A3 gemacht wird (siehe BGH, NJW 1997, 581 [581]), jedoch setzt Annahmeverzug zugleich stets voraus, dass der die Leistung, so wie sie geschuldet wird, angeboten wird (Grüne - berg, in: Palandt, 79. Auflage 2020, BGB, § 293 Rdnr. 9). Der Eintritt des Annahmeverzuges scheitert hier indessen daran, dass der Kläger mit seiner Klage die Rückzahlung des Kaufpreises unter Anrechnung eines deutlich zu niedrigen Vorteilsausgleichs begehrt und damit eine weitaus höhere Zahlung fordert, als geschuldet. Eine solche Zu-viel-Forderung hindert den Eintritt des Annahmeverzugs (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 16.12.2019, Az.: 12 U 583/19, BeckRS 2019, 32695).

Vor diesem Hintergrund konnte auch die mit anwaltichem Schriftsatz vom 11.11.2019 (Anlage K13) erfolgte Forderung zur Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Seat keinen Annahmeverzug der Beklagten begründen. Zugleich ist die Beklagte damit vorgerichtlich auch nicht ihrerseits in (Schuldner-)Verzug geraten.

D.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; soweit der Kläger in seiner Antragsfassung die Bezifferung des abzuziehenden Nutzungsentschädigung schlussendlich offengelassen hat, waren seine dahingehende Ausführungen der Klagebegründung zu beachten. Ein Unterliegen ist damit allein in der Höhe des klägerisch zu gering angesetzten Nutzungsersatzes einzustellen gewesen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

E.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO. Hierbei war dem Feststellungsantrag zu 2.) ebenso wenig ein eigenständiger Wert zuzumessen (OLG Naumburg, NJW-RR 2012, 1213 [LS]) wie dem Antrag zu 3.), da es sich bei letzterem um eine Nebenforderung im Sinne des § 43 Abs. 1 BGB handelt.

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