Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 27 U 105/20
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 4. September 2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner 5.953,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. März 2020 an den Kläger zu zahlen; im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 73 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 27 %. Der Kläger trägt die Kosten der Streithelferin zu 73 %; im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Auf die Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO verzichtet.
4II.
5Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
61.
7In Höhe des am 14. April 2016 gezahlten Rückkaufpreises von 15.900 Euro für die fünf Container, die die Beklagten mit „Kauf- und Verwaltungsvertrag“ vom 28. Februar/7. März 2011 bei der Insolvenzschuldnerin erworben haben, steht dem Kläger kein Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO zu.
8a) Anzuwenden ist die InsO in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtung nach der InsO und dem AnfG vom 29.03.17 (BGBl I Nr. 16, S. 654 f.), da das Insolvenzverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts München – Insolvenzgericht – vom 24. Juli 2018 eröffnet worden ist, also nach dem 5. April 2017 (Art. 103j Abs. 1 InsO).
9b) Die Voraussetzungen für eine Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht erfüllt, da es sich bei der Zahlung des Rückkaufpreises um keine unentgeltliche Leistung der Insolvenzschuldnerin handelt.
10aa) Unentgeltlich ist eine Leistung in einem Zwei-Personen-Verhältnis, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass diesem ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll (stRspr, vgl. BGH, Urt. v. 05.03.15 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231, juris, Rn. 12; Urt. v. 15.09.16 – IX ZR 250/15, WM 2016, 2312 = juris, Rn. 20; Urt. v. 20.04.17 – IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350, = juris, Rn. 10; Urt. v. 27.06.19 – IX ZR 167/18, BGHZ 222, 283 = juris, Rn. 83, jew. mwN).
11Dafür reicht nicht, dass die Leistung rechtsgrundlos erfolgt. Leistet jemand, weil er sich irrtümlich hierzu verpflichtet hält, steht ihm hinsichtlich der Leistung ein Bereicherungsanspruch nach § 812 I 1, 1. Alt. BGB zu. Der Empfänger ist von vornherein diesem Bereicherungsanspruch ausgesetzt. Insoweit fehlt es bei einer solchen Leistung an einem endgültigen, vom Empfänger nicht auszugleichenden, freigiebigen Vermögensverlust des Schuldners. Daher ist eine Leistung des Schuldners, wenn dieser irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein, nicht nach § 134 I InsO anfechtbar (BGH, Beschl. v. 09.10.14 – IX ZR 294/13, ZInsO 15, 305 = juris, Rn. 3 mwN). Anders ist dies nur dann, wenn der Empfänger nicht mit einer Verpflichtung belastet wird, die der Unentgeltlichkeit entgegenstehen kann. Dies ist bei einer rechtsgrundlosen Leistung der Fall, sofern dem Schuldner kein Rückforderungsanspruch zusteht. Daher liegt eine unentgeltliche und deshalb anfechtbare Leistung des Schuldners vor, wenn er in Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes handelt. Unter diesen Umständen ist eine Rückforderung nach § 814 BGB ausgeschlossen. Dies führt zu einem endgültigen Vermögenserwerb beim Dritten, ohne dass diesen eine ausgleichende Leistungsverpflichtung trifft. Scheitert ein Anspruch des Schuldners an § 814 BGB, ist auch dem Insolvenzverwalter ein Bereicherungsanspruch abzusprechen (BGH, Urteile vom 5. März 2015 – IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 = juris, Rn. 44, und vom 20. April 2017 – IX ZR 252/16 –, BGHZ 214, 350 = juris, Rn. 16).
12bb) Gemessen an diesem Maßstab ist die Unentgeltlichkeit des Rückkaufs der Container vorliegend zu verneinen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Übereignung der Container wirksam war (so i. Erg. auch OLG München, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 5 U 7147/20, S. 7 ff., unter II. 2.; LG Karlsruhe, Urteil vom 10. Juli 2020 – 20 O 42/20, Anl. K 8 = Bl. 352 f. d.A.).
13(1) Sollte die zugleich mit dem Abschluss des Kausalgeschäfts erklärte dingliche Einigung gem. §§ 929 S. 1, 930 BGB wirksam gewesen sein, hätten die Beklagten durch den Rückkaufpreis eine Gegenleistung für die Rückübereignung der zu diesem Zeitpunkt in ihrem Eigentum stehenden Container erhalten. Dann handelte es sich zweifelsfrei um eine entgeltliche Leistung der Insolvenzschuldnerin.
14(2) Aber auch dann, wenn das Verfügungsgeschäft dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nicht gerecht geworden und die Übereignung an die Beklagten daher ins Leere gegangen wäre (so OLG München, Beschluss vom 4. September 2019 – 3 U 1576/19, Anl. K 6 = Bl. 56 ff. d.A.), führte dies nicht dazu, dass die Zahlung des Rückkaufpreises als unentgeltliche Leistung anzusehen wäre. Denn dann würde der ursprüngliche Erfüllungsanspruch aus dem Kaufvertrag noch bestehen, d. h. die Insolvenzschuldnerin wäre zum Zeitpunkt des Rückkaufs der Container noch nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB zu deren Übereignung verpflichtet gewesen. Dies ist ihr jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht i. S. v. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich gewesen, da die zu übereignenden Container gattungsmäßig bezeichnet waren (hier: „Typ HC 1103 G“ und es sich daher um einen Gattungskauf i.S.v. § 243 Abs. 1 BGB handelt (so auch Landgericht Oldenburg, Urteil vom 25. Oktober 2019 – 3 O 3953/18, juris, Rn. 33, wonach die Konkretisierung auf einen bestimmten Container nach der vertraglichen Konzeption erst durch die Eigentumszertifizierung nach Ziff. 4 des Kaufvertrages erfolgen sollte, um die sich die Anleger selbst zu bemühen hatten). Dafür spricht auch die vom Kläger zitierte Zeugenaussage des Unternehmensberaters A, der die Geschäfte der sechs Gesellschaften der B-Gruppe im Auftrag des Klägers im Rahmen des Insolvenzverfahrens untersucht hat, wonach in Fällen wie dem vorliegenden, in denen kein Eigentumszertifikat angefordert worden sei, weder nach außen gegenüber den Anlegern noch intern innerhalb der B-Gruppe eine Zuordnung von Containern erfolgt sei (vgl. Bl. 437 d.A.).
15Selbst wenn es sich um eine sog. beschränkte Gattungs- bzw. Vorratsschuld gehandelt sollte, war die Insolvenzschuldnerin zunächst noch zur Beschaffung von Containern vergleichbarer Art und Güte auf dem Markt verpflichtet (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Aufl. 21, § 243 Rn. 3 m. w. N.). Da sie neben den Beklagten einer Vielzahl von Anlegern gegenüber zur Leistung verpflichtet war, handelt es sich dabei nach Auffassung des Senats um eine Pflicht zur anteiligen Befriedigung jedes einzelnen Anlegers (sog. Repartierung), da ein sachlicher Grund, die Gläubiger wie in einem Insolvenzverfahren zu einer Befriedigungsgemeinschaft zu verbinden, zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestanden hat (vgl. Erman-Ulber, BGB, 16. Aufl. 20, § 243 Rn. 7; Staudinger-Schiemann, BGB, Neubearbeitung 19, § 243 Rn. 20, jew. m. w. N). Demnach ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht, dass der Insolvenzschuldnerin die Erfüllung ihrer Übereignungspflicht aus dem „Kauf- und Verwaltungsvertrag“ vom 28. Februar/7. März 2011 unmöglich war. Insbesondere hat er nicht dargelegt, dass der vertraglich bezeichnete Containertyp „#####3G“ zu irgendeinem Zeitpunkt auf dem Markt nicht mehr vorhanden und die Insolvenzschuldnerin daher an einer Beschaffung gehindert gewesen sein könnte. Da es diesen Containertyp zum Zeitpunkt des Abschlusses sowohl des ursprünglichen „Kauf- und Verwaltungsvertrags“ als auch des Rückkaufvertrags unstreitig gab und eine Ersatzbeschaffung auf dem Containermarkt theoretisch möglich gewesen wäre, überzeugt den Senat die gegenteilige Auffassung des Landgerichts Stuttgart, dass die Rückkaufvereinbarung in den „Kauf- und Verwaltungsverträgen“ nicht hinreichend bestimmt sei (Urt. v. 08.10.20 – 27 O 34/20, juris, Rn. 37), nicht.
16Die Insolvenzschuldnerin hätte demnach mit dem Rückkauf der Container auf eine bestehende Schuld aus dem ursprünglichen Kausalgeschäft geleistet. Die Zahlung des Rückkaufpreises stellt daher auch in diesem Fall keine unentgeltliche Leistung i. S. v. § 134 Abs. 1 InsO dar.
17cc) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Schenkungsanfechtung von Leistungen im Rahmen von „Schneeballsystemen“ bei Kapitalbeteiligungen, die zwischen der Auszahlung von Scheingewinnen auf der einen und Leistungen auf der anderen Seite differenziert, die auf die Einlage gewährt werden. Unentgeltlich iSv § 134 Abs. 1 InsO sind Zahlungen auf Scheingewinne, wenn der Schuldner wusste, dass kein Anspruch auf Auszahlung des Gewinns bestand. Anders ist es, wenn die Rückzahlung auf die Einlage erfolgt, da der Anleger hier eine Gegenleistung für diese erhält (vgl. BGH, Urteile vom 11. Dezember 2008 – IX ZR 195/07 – BGHZ 179, 137 = juris, Rn. 6, vom 2. April 2009 – IX ZR 197/07, ZInsO 09, 1202 = juris, Rn. 2; vom 22. April 2010 – IX ZR 163/09, ZIP 10, 1253 = juris, Rn. 6, vom 10. Februar 2011 – IX ZR 18/10, ZIP 11, 674 = juris, Rn. 8, vom 18. Juli 2013 – IX ZR 198/10, WM 13, 1505 = juris, Rn. 16, vom 20. April 2017 – IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 = juris, Rn. 21, und vom 5. Juli 2018 – IX ZR 139/17, NJW 18, 3312 = juris, Rn. 13 mwN).
18Auch wenn es sich vorliegend nicht um eine Kapitalbeteiligung im formellen Sinne handelt, für die diese Rechtsprechung entwickelt worden ist, ist sie ihrem Grundgedanken nach auch im vorliegenden Fall anzuwenden. Das Geschäftsmodell der Insolvenzschuldnerin war auf den Verkauf der Container, ihre Anmietung von den Anlegern und den späteren Rückerwerb ausgerichtet. Der Ankauf der Container lässt sich wertungsmäßig mit dem Erwerb von Geschäftsanteilen an einer Gesellschaft vergleichen, die Mietzahlungen mit Gewinnausschüttungen und die Rückveräußerung der Container an die Insolvenzschuldnerin mit dem Verkauf des Gesellschaftsanteils. Auf Grundlage dieser Betrachtung ist der Rückkaufpreis als Äquivalent der Einlageleistung zu betrachten und daher ebenso der Schenkungsanfechtung entzogen wie Leistungen auf die Gesellschaftsbeteiligung.
19c) Eine Anfechtbarkeit dieser Rechtshandlung ergibt sich schließlich auch nicht aus einem anderen Anfechtungsgrund. Der Kläger hat sich ausdrücklich nur auf die Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO bezogen, und aus seinem Vortrag ergeben sich auch nicht die Voraussetzungen eines anderen Anfechtungsgrunds, insbesondere nicht diejenigen einer Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO. Denn jedenfalls sind Anhaltspunkte für eine Kenntnis der Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutschrift des Rückkaufpreises am 17. April 2016 nicht zu erkennen (vgl. §§ 133 Abs. 1 Satz 2, 140 Abs. 1 InsO).
202.
21Die Beklagten schulden dem Kläger dagegen die Rückgewähr der während der Vertragslaufzeit erhaltenen Mietzahlungen von 5.365,52 Euro zzgl. der anlässlich des Rückkaufs geleisteten Restmiete von 588 Euro, insgesamt 5.953,52 Euro, aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO, da es sich dabei um unentgeltliche Leistungen der Insolvenzschuldnerin handelt.
22a) Die Zusage laufender Mietzahlungen bzw. der im „Kauf- und Verwaltungsvertrag“ als solche bezeichneten, für die Dauer der vereinbarten Vertragslaufzeit unter Ziffer 2. des Verwaltungsvertrags „garantierten“ Tagesmieten hält der Senat unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auszahlung von Scheingewinnen im Rahmen von „Schneeballsystemen“ für unentgeltliche Leistungen der Insolvenzschuldnerin i. S. v. § 134 Abs. 1 InsO. Die in den „Kauf- und Verwaltungsverträgen“ als solche bezeichneten „Mietgarantien“ sind – wiederum verglichen mit einer Gesellschaftsbeteiligung – wertungsmäßig als Gewinnausschüttungen anzusehen, die auf die Einlage geleistet worden sind. Die Mietzahlungen haben die Beklagten rechtsgrundlos erlangt, da sie nicht Eigentümer bestimmter Container geworden sind, die sie der Insolvenzschuldnerin i. S. v. § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB entgeltlich überlassen konnten. Der Senat verweist insoweit in der bereits oben unter Punkt II. 1. b) bb) (2) zitierten – dort jedoch noch nicht entscheidungserheblichen – Ausführungen des Oberlandesgerichts München zur Frage, ob das zugrunde liegende Verfügungsgeschäft dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügt (Beschluss vom 4. September 2019 – 3 U 1576/19, Anl. K 6 = Bl. 56 ff. d.A.). Die Insolvenzschuldnerin hat insoweit auch keinen Rückgewähranspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB erlangt, da sie die Zahlungen in Kenntnis ihres Geschäftsmodells geleistet hat, das darauf ausgerichtet war, jedenfalls gegenüber Anlegern wie den Beklagten, die davon abgesehen haben, auf Grundlage von Ziffer 4 des „Kauf- und Verwaltungsvertrags“ die Ausstellung eines Eigentumszertifikats zu verlangen, nicht zu konkreten Leistungen verpflichtet zu sein, um hinreichend bestimmte Ansprüche aus einem Mietverhältnis über ihr überlassene, konkrete Container zu erfüllen. Sie hat insoweit in Kenntnis ihrer Nichtschuld i. S. v. § 814, 1. Alt. BGB geleistet, also die Mietgarantien in einer Weise übernommen und erfüllt, die als unentgeltlich i. S. v. § 134 Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind. Dafür sprechen zum einen der Wortlaut der „Kauf- und Verwaltungsverträge“, in denen nicht von Mietzahlungen für die Überlassung bestimmter Sachen, sondern von einer Mietgarantie die Rede ist, und zum anderen die enge räumliche Verknüpfung mit dem Verkauf einer bestimmten Anzahl von Containern, von deren Existenz die Insolvenzschuldnerin nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien nicht ausgehen konnte und nicht ausgegangen ist.
23b) Sämtliche der vorgenannten Zahlungen sind auch innerhalb der Anfechtungsfrist von vier Jahren vor Antragstellung erfolgt. Der Insolvenzantrag der Schuldnerin ist am 15. März 2018 beim Insolvenzgericht eingegangen. Gem. § 143 Abs. 1 InsO sind daher sämtliche Zahlungen anfechtbar, die seit dem 15. März 2014 erfolgt sind. Mit der Klage macht der Kläger die Tagesmieten geltend, die die Schuldnerin seit diesem Tag an die Beklagten hat, sowie die Schlusszahlung auf die Restmiete, die sie zusammen mit dem Rückkaufpreis am 14. April 2016 auf das Konto der Beklagten überwiesen hat.
24c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Rückforderung auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB entgegen. Der Senat verweist insofern auf die zutreffenden Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung (Bl. 300 ff. d.A.). Dort führt der Kläger zur „Fußstapfentheorie“ zutreffend aus, dass ihm als Insolvenzverwalter, der als Partei kraft Amtes gem. § 80 Abs. 1 InsO Ansprüche der Schuldnerin geltend macht, jedenfalls im Rahmen der Insolvenzanfechtung kein treuwidriges Verhalten der Schuldnerin gegenüber einzelnen Insolvenzgläubigern wie den Beklagten entgegen gehalten werden kann. Die Gegenauffassung des Landgerichts verkennt den Schutzzweck des Insolvenzanfechtungsrechts und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger. Nach der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht der Geltendmachung eines Rückgewähranspruchs aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO nur in Ausnahmefällen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB entgegen. Eine Täuschungshandlung der Schuldnerin gegenüber dem vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommenen Anfechtungsgegner reicht dafür grundsätzlich nicht aus (vgl. Urteile vom 11. Dezember 2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 = juris, Rn. 16, und vom 18. Juli 2013 – IX ZR 198/10, NJW 2014, 305 = juris, Rn. 31, jew. m. w. N.). Dem folgt der Senat auch deshalb, weil dann eine Insolvenzanfechtung von Leistungen im Rahmen von „Schneeballsystemen“ im Regelfall nicht in Betracht käme, da hier sämtliche Anleger getäuscht worden sind und Leistungen systembedingt nur an einzelne erfolgen. Dies widerspräche nicht nur der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, sondern auch dem vom Gesetzgeber mit dem Insolvenzanfechtungsrecht verfolgten Zweck des Zusammenhalts der Masse im Sinne der Solidargemeinschaft der Insolvenzgläubiger. Diejenigen von ihnen, die auf Kosten der Gläubigergemeinschaft Leistungen bezogen haben, könnten sich gegenüber ihrer jeweiligen Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter darauf berufen, wie alle anderen getäuscht worden zu sein. Dass dies mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger nicht zu vereinbaren ist, liegt auf der Hand.
25d) Der Inanspruchnahme auf die Rückgewähr der Mietzahlungen können die Beklagten schließlich auch keinen Schadensersatzanspruch in Höhe des Rückkaufwerts der Container von 15.900 Euro aus § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 263 I StGB entgegen halten. Ob – wie der Kläger meint – die Aufrechnung mit diesem Gegenanspruch nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ausgeschlossen ist, weil die Beklagten diese Aufrechnungsmöglichkeit durch eine anfechtbare Rechtshandlung der Schuldnerin erlangt haben, muss der Senat nicht entscheiden, da insoweit schon keine Aufrechnungslage i. S. v. § 387 BGB besteht. Denn nach der vom Senat vertretenen Auffassung ist den Beklagten – selbst wenn sie bei Abschluss des „Kauf- und Verwaltungsvertrags“ vom 28. Februar/7 März 2011 arglistig über das Geschäftsmodell der Schuldnerin getäuscht worden sein sollten – kein Schaden in Höhe des Rückkaufpreises für die Container entstanden, da ihnen dieser im Zusammenhang mit der Erfüllung desselben in vom Kläger nicht anfechtbarer Weise zugekommen ist. Könnten sie einen entsprechenden Schadensersatzanspruch auch gegenüber den Mietzahlungen für die Überlassung der Container geltend machen, käme ihnen diese Leistung der Insolvenzschuldnerin doppelt zugute.
263.
27Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 ZPO. Die Klageschrift ist den Beklagten am 20. März 2020 zugestellt worden, so dass Zinsen ab dem Folgetag geschuldet sind (§ 187 Abs. 1 BGB analog).
28Die weitergehende Zinsforderung für die Zeit ab dem 25. Juli 2018 ist nicht gerechtfertigt. Nach § 143 Abs. 1 Satz 3 InsO ist der Rückzahlungsanspruch nicht schon wie bisher ab Verfahrenseröffnung zu verzinsen, sondern erst ab Schuldnerverzug i. S. v. §§ 286, 288 BGB (vgl. Jacoby, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 88. Lieferung (Mai 21), § 143 Rn. 48d; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, 4. Aufl. 2018, § 143 Rn. 5). Die Vorschrift findet gem. Art. 103j Abs. 2 Satz 2 InsO auf Insolvenzverfahren Anwendung, die seit dem 5. April 2017 eröffnet worden sind, also auch auf den vorliegenden Fall, in dem das Verfahren am 24. Juli 2018 eröffnet worden ist. Dazu, dass er die Beklagten vor Klageerhebung in Verzug gesetzt hat, hat der Kläger nicht vorgetragen, insbesondere nicht dargelegt, dass er sie i. S. v. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgerichtlich gemahnt hat. Zudem wäre ein Verzugszinsanspruch auch dann nicht begründet, wenn er dies getan hätte, da es sich bei der Forderung von 21.853,52 Euro um einen zu hohen Betrag handelt. Dies wäre keine wirksame Mahnung gewesen, da die Beklagten die Erklärung nicht als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen mussten und der Kläger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung voraussichtlich nicht bereit gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 25. April 2017 – XI ZR 108/16, NJW 2006, 769 = juris, Rn. 24; Palandt-Grüneberg, BGB, § 286 Rn. 20, jew. m. w. N.).
29III.
30Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO und § 101 Abs. 1 ZPO.
31Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
32Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestand kein Grund. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung i. S. v. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Wie dargelegt, hat der Senat die Entscheidung auf Grundlage der ständigen Rechtsprechung zur Schenkungsanfechtung von Leistungen im Rahmen von „Schneeballsystemen“ getroffen. Eine abweichende Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts ist nicht veröffentlicht oder von den Parteien vorgetragen worden. Das Oberlandesgericht München hat in seinem jüngst ergangenen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vom 20. Mai 2021 – 5 U 7147/20 – zwar nicht zwischen dem Rückkaufpreis und den Tagesmieten differenziert, sondern letzteren gleichfalls den Charakter als unentgeltliche Leistung i. S. v. § 134 Abs. 1 InsO abgesprochen. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hervorgehoben hat, ging es dort jedoch nicht um die hiesige Insolvenzschuldnerin, sondern die B2 GmbH, die auf einer anderen vertraglichen Grundlage tätig geworden ist als die Insolvenzschuldnerin.
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