Urteil vom Oberlandesgericht München - 21 U 3039/19

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 07.05.2019, Az. 34 O 10796/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs VW Golf VI mit der Fahrgestellnummer …36 einen Betrag von 8.249,77 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.07.2018 an den Kläger zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwalts M. H. in Höhe von 958,19 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage zurückgewiesen.

2. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines PKW VW Golf, in den ein Motor der Baureihe „EA 189“ eingebaut ist.

Mit Kaufvertrag vom 02.05.2014 erwarb die Klagepartei von Privat einen gebrauchten Pkw VW Golf VI mit der Fahrgestellnummer …36 zu einem Gesamtpreis von 16.500,00 Euro. Die Laufleistung des Fahrzeugs zum Kaufzeitpunkt betrug 66955 km.

Für den Fahrzeugtyp wurde die EG-Typengenehmigung mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die Steuerungssoftware des in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motors EA 189 erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird. In diesem Fall veranlasst die Software, dass Abgase beim Durchfahren des Prüfzyklus in den Motor zurückgeführt werden, bevor sie das Emissionskontrollsystem erreichen. Durch die Aktivierung dieses Modus (sog. Modus 1) werden bei der standardisierten Kontrolle auf dem Rollenprüfstand die Grenzwerte nach Euro 5 eingehalten. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet die Software in Modus 0, bei dem eine deutlich geringere Abgasrückführung erfolgt und in der Folge der Stickoxidausstoß wesentlich höher ist, so dass die Grenzwerte nach Euro 5 nicht mehr eingehalten werden.

Nach Bekanntwerden dieser sog. Umschaltlogik ordnete das Kraftfahrbundesamt als nachträgliche Nebenbestimmung zur EG-Typengenehmigung die technische Überarbeitung der Motorsteuerungssoftware an. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das vom KBA im Sommer 2016 freigegeben wurde. Dieses wurde auch beim Fahrzeug der Klagepartei aufgespielt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem landgerichtlichen Urteil Bezug genommen. Ergänzend stellt der Senat fest, dass die Laufleistung des streitgegenständlichen PKW am 17.02.2020 158.480 km betrug.

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 07.05.2019 der Klage teilweise statt gegeben. Es hat dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB bejaht, aber eine Nutzungsentschädigung bezogen auf eine Laufleistung von 143.624 km (vom Kläger gefahren 76.669 km) und eine geschätzte Gesamtfahrleistung von 250.000 km abgezogen. Annahmeverzug der Beklagten hat es nicht angenommen.

Beide Parteien haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.

Die Klagepartei hält das Urteil im Hinblick auf die Verurteilung der Beklagtenpartei für zutreffend, wendet sich aber gegen den Abzug einer Nutzungsentschädigung. Die Beklagte habe in sittenwidriger Weise millionenfach Käufer geschädigt. Sie sei nicht schutzwürdig und ihr Verhalten dürfe sich nicht auszahlen. Bei einer wertenden Gesamtbetrachtung seien daher keine Gebrauchsvorteile in Ansatz zu bringen. Dies ergebe sich auch aus dem europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz. Im Falle einer Nutzungsentschädigung sei diese jedenfalls falsch berechnet. Es sei von einer Gesamtlaufleistung von mindestens 300.000 km auszugehen.

Zudem habe das Erstgericht verkannt, dass Verzug ab Ablehnung der Beklagten, also ab 27.07.2018, vorliege. Auch sei nicht lediglich eine 1,3 Gebühr angemessen.

Darüber hinaus habe die Klagepartei einen Anspruch gegen die Beklagte auf Verzinsung des zurückzuerstattenden Kaufpreises aus § 849 BGB.

Die Klagepartei beantragt nach einer Erweiterung der Klage mit Schriftsatz vom 24.01.2020 (Bl. 291 ff d.A.):

1. Unter Abänderung des am 07.05.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Aktenzeichen 34 O 10796/18, die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Golf VI mit der Fahrgestellnummer …36 weitere 6.911,08 Euro nebst 5% Zinsen seit dem 02.05.2014 an den Kläger zu bezahlen.

2. Unter Abänderung des am 07.05.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Aktenzeichen 34 O 10796/18, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den weiteren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwalts M. H. in Höhe von 627,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

3. Unter Abänderung des am 07.05.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Aktenzeichen 34 O 10796/18, festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 27.07.2018 mit der Rücknahme des in Klageantrag Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

das am 07. Mai 2019 verkündete Urteil des Landgerichts München I, Az. 34 O 10796/18 teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Beide Parteien beantragen die Zurückweisung der Berufung der jeweiligen Gegenseite.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei insgesamt unbegründet. Das Fahrzeug sei nicht mangelhaft, die Programmierung sei nicht gesetzeswidrig gewesen. Der Klagepartei sei auch kein Vermögensschaden entstanden. Es fehle an einer Schädigungshandlung. Ferner habe die Klagepartei die haftungsbegründende Kausalität nicht hinreichend nachgewiesen. Zudem habe das Landgericht fehlerhaft ein sittenwidriges Handeln der Beklagten bejaht. Ein Schädigungsvorsatz der Beklagten sei nicht dargelegt und bewiesen. Eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten bestehe nicht. Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte stünden der Klagepartei daher nicht zu.

Der von der Klagepartei darüber hinaus geltend gemachte Zinsanspruch seit Zahlung des Kaufpreises gemäß § 849 BGB widerspreche dem Normzweck dieser Vorschrift, die bei Überlassung von Geld restriktiv anzuwenden sei. Zudem bleibe im vorliegenden Fall im Ergebnis keine Werteinbuße, die verzinst werden könne, denn die Nutzbarkeit des streitgegenständlichen PKW sei nicht eingeschränkt gewesen. § 849 BGB sei jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn - wie im vorliegenden Fall - keine unmittelbare Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner bestehe.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze, jeweils samt Anlagen, Bezug genommen. Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2020 persönlich angehört. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2020 (Bl. 328 ff d.A.) wird verwiesen.

II.

Die Berufung der Klagepartei ist zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist weitgehend unbegründet, allerdings ist wegen der höheren Nutzungsentschädigung der von ihr zu zahlende Betrag niedriger, was sich auch auf die Kostenquote auswirkt.

1. Die Beklagte ist passivlegitimiert. Sie ist unstreitig Herstellerin des Fahrzeugs und des in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebauten Dieselmotors EA 189. Sie hat ihn auch entwickelt.

2. Der Klagepartei steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe des Kaufpreises von 16.500,00 Euro, jedoch abzüglich einer angemessenen Entschädigung für die Nutzung Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs gem. §§ 826, 31 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.

a. Das Inverkehrbringen eines Motors mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik stellt eine konkludente Täuschung der Klagepartei durch die Beklagte dar (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 9 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 21 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 22 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 44 ff.; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 33 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 4 ff.).

aa. Mit der Inverkehrgabe des Motors hat die Beklagte jedenfalls konkludent zum Ausdruck gebracht, dass ein damit ausgerüstetes Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf.

Bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt (nachfolgend: KBA) als zuständiger Behörde (§ 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; im Folgenden: EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das KBA nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge entweder gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen bzw. zurücknehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge allerdings nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug - im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung - keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.

Der Käufer eines Kraftfahrzeugs kann vor diesem Hintergrund nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt, sondern auch davon, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei Erteilung nicht vorgelegen haben. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist der Inverkehrgabe eines Motors der Erklärungswert beizumessen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge, in denen dieser Motor eingebaut wird, vorlagen.

bb. Vorliegend enthielt jedoch die im streitgegenständlichen Fahrzeug installierte Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 II 1 der VO [EG] Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. 2007 L 171; im Folgenden: VO [EG] Nr. 715/2007) zu qualifizieren ist (so auch BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, juris Rn. 5 ff., OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 15; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 27; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 25 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 45; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19; OLG München, Urteil vom 15.01.2020; Az. 20 U 3219/18). Aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung waren entgegen dem konkludenten Erklärungswert der Inverkehrgabe gerade nicht die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung gegeben, so dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Zulassungsbehörde bestand. Hinsichtlich der Voraussetzungen für eine unzulässige Abschalteinrichtung im Einzelnen wird auf die Ausführungen hierzu im Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, juris Rn. 5 ff. sowie im Urteil des Oberlandesgerichts München vom 15.01.2020, Az. 20 U 3219/18 verwiesen.

cc. Das Inverkehrbringen eines Motors mit einer - nicht offen gelegten - unzulässigen Abschalteinrichtung stellt eine konkludente Täuschung der Beklagten auch gegenüber solchen Käufern dar, die das Fahrzeug, wie hier, gebraucht von einem Dritten erworben haben. Denn die Beklagte ging davon aus, dass die so ausgerüsteten Fahrzeuge als Neu- und später auch als Gebrauchtwagen unverändert durch Dritte weiterveräußert werden. Gerade darauf basiert das Geschäftsmodell der Beklagten. Für den Weiterverkauf von Neufahrzeugen durch ihre Vertragshändler liegt das auf der Hand. Es gilt jedoch auch für den späteren Verkauf als Gebrauchtwagen durch diese Händler oder Dritte, denn auch die spätere Weiterveräußerbarkeit durch einen Fahrzeugkäufer ist für die Attraktivität der (Neu-)Fahrzeuge und damit deren Absatz entscheidend (vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 33).

b. Durch diese Täuschung hat die Klagepartei einen Vermögensschaden erlitten, der in dem Abschluss des Kaufvertrages zu sehen ist (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 17 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 28 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 80 ff.; OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 15 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 49 ff.; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 38 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 18 f.; OLG München, Urteil vom 15.01.2020, Az. 20 U 3219/18).

aa. § 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte und Rechtsgüter ab, weshalb der nach dieser Norm ersatzfähige Schaden weit verstanden wird. Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (BGH, Urteil v. 19.07.2004, II ZR 402/02, juris Rn. 41). Nach diesen Grundsätzen kommt es nicht darauf an, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs angesichts der unzulässigen Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert hatte. Der Schaden des in die Irre geführten Käufers liegt in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Entscheidend ist mithin allein, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (BGH, Urteil vom 28.10.2014, VI ZR 15/14, juris Rz. 18.).

Diese Voraussetzungen waren im - maßgeblichen - Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gegeben. Wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung drohte die Entziehung der EG-Typengenehmigung bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen, mit der Folge, dass das Fahrzeug - im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung - keinem genehmigten Typ mehr entsprach. Der Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, war damit bereits vor einer tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet. Denn wird die EG-Typgenehmigung entzogen, droht die Stilllegung; werden Nebenbestimmungen angeordnet, ist die fortdauernde Nutzbarkeit von einer Nachrüstung des Fahrzeugs durch den Hersteller abhängig. Das streitgegenständliche Fahrzeug war mithin für die Zwecke der Klagepartei nicht voll brauchbar, der Abschluss des Kaufvertrags begründete damit für die Klagepartei eine so nicht gewollte Verbindlichkeit.

bb. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, kommt es dabei allein auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses an. Der Schaden entfällt daher nicht durch die nach Vertragsschluss durchgeführte Installation des von der Beklagten - zur Erfüllung der vom KBA angeordneten Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung - entwickelten Software-Updates, weil dadurch die Belastung mit einer so nicht gewollten Verbindlichkeit nicht beseitigt wird. Das Software-Update ist insoweit nicht zu berücksichtigen und rechtlich lediglich als Angebot zur Verhinderung weiterer Nachteile zu bewerten (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 20; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 32; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 98; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 52).

c. Der Schaden in Form des Kaufvertragsabschlusses wurde durch das Handeln der Beklagten verursacht.

aa. Die Darlegungs- und Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und eingegangener Verpflichtung trifft den Geschädigten; auf den Nachweis der konkreten Kausalität der Täuschung für den Willensentschluss des Getäuschten kann nicht verzichtet werden (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 78. Aufl., § 826 Rn. 18; BGH, Urteil v. 04.06.2013 - VI ZR 288/12, juris Rn. 25).

Vorliegend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, dass er als gelernter Karrosserie- und Fahrzeugbauer das streitgegenständliche Fahrzeug keinesfalls gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass bei dem Motor eine Steuerungssoftware vorliegt, die das Abgasverhalten auf dem Prüfstand unzulässig verändert. Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass er sich für den streitgegenständlichen Golf entschieden habe, weil er einen guten Wiederverkaufswert habe und sparsam im Verbrauch sei. Wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug mit der fraglichen Software ausgestattet ist, hätte er es nicht gekauft. Er habe mit dem Update so lange gewartet, wie es ging, weil er Einschränkungen durch das Update befürchtet habe und er erwartet habe, dass der Wagen dann mehr Sprit brauche, was für die Umwelt auch nicht günstig sei. Der Kläger hat mithin deutlich gemacht, dass er nicht aus Gleichgültigkeit das Update hinausgezögert hat, sondern gerade auf Grund seines Problembewusstseins. Die Angaben des Klägers sind glaubhaft, seine Erläuterungen sind schlüssig. Aufgrund der durchgeführten Parteianhörung ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger das Auto nicht gekauft hätte, wenn er von der Softwareproblematik gewusst hätte.

bb. Dass die Klagepartei das Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten erworben hat, stellt den Kausalzusammenhang zwischen konkludenter Täuschung und Fahrzeugerwerb nicht in Frage. Denn durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs hat die Beklagte den Kausalverlauf bewusst unter Einschaltung ihres Vertriebssystems in Gang gesetzt. Die mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundene konkludente Täuschung seitens des Herstellers über das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung wirkt auch fort (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 28; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 39; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 45).

d. Das Verhalten der Beklagten war auch sittenwidrig.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., BGH, Urteil v. 15.10.2013, VI ZR 124/12, juris Rn. 8 m.w.N.). Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, juris Rn. 16).

Nach diesem Maßstab ist von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten auszugehen (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 31 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 42 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 45 ff.; OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 5 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 48 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 4 ff.):

Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Zwar ist allein ein Handeln mit Gewinnstreben nicht als verwerflich zu beurteilen. Im Hinblick auf das eingesetzte Mittel erscheint das Handeln hier aber als verwerflich: Bereits das Ausmaß der Täuschung, nämlich der heimliche Einsatz einer - für die fachkundige Beklagte zweifelsfrei und eindeutig - unzulässigen technischen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wurde, mit der Folge einer entsprechend hohen Zahl getäuschter Käufer rechtfertigt das besondere Unwerturteil.

Überdies erscheint auch die Art und Weise der Täuschung als verwerflich: Durch die dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorangegangene Täuschung der Typgenehmigungsbehörde zur Erlangung der EG-Typgenehmigung hat sich die Beklagte bei Verkauf der Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht. Die Verwerflichkeit des Handelns ergibt sich des Weiteren aus den resultierenden Folgen: Hier droht zum einen den Käufern erheblicher Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs. Das von der Beklagten angebotene Software-Update stellt allein ein Angebot der Schadenswiedergutmachung dar. Überdies hat die Beklagte durch die Ausstattung einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen mit dieser Abschalteinrichtung eine erhebliche Beeinträchtigung der Umwelt über die zugelassenen Emissionen hinaus in Kauf genommen.

Zusammenfassend ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Handelns aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter der Täuschung von Kunden, unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche Institution, nämlich das Kraftfahrt-Bundesamt, und unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer, sondern auch der Umwelt allein im Profitinteresse.

Überdies liegt im vorliegenden Fall eine vorsätzliche Täuschung vor (hierzu unten) mit dem Ziel, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung der Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen. Allein dieser Umstand rechtfertigte es schon, Sittenwidrigkeit im Sinn des § 826 BGB zu bejahen (vgl. BGH, Urteil v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, juris Rn. 16).

e. Auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 826 BGB liegen vor.

aa. In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen, voraus.

(1) Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (st. Rspr., BGH, Urteil v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, juris Rn. 25 m.w.N.).

(2) Für den eigens festzustellenden subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (BGH, Urteil v. 13.09.2004, II ZR 276/02, juris Rn. 36).

(3) Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lässt sich nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht durch mosaikartiges Zusammenrechnen der bei verschiedenen Mitarbeitern der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse konstruieren. Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen vielmehr kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urteil v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, juris Rn. 13, 23, 25 f.).

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus weit auszulegen. „Verfassungsmäßig berufene Vertreter“ sind danach auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (sogenannte Repräsentantenhaftung, st. Rspr. BGH, Urteil v. 05.03.1998, III ZR 183/96, juris Rn. 18; BGH, Urteil v. 30.10.1967, VII ZR 82/65, juris Rn. 11; BGH, Urteil v. 28.06.2016 - VI ZR 536/15, juris Rn. 13). Der personelle Anwendungsbereich von § 31 BGB deckt sich in etwa mit dem Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des Arbeitsrechtes (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, § 31 Rn. 6).

bb. Die Klagepartei behauptet, dass Herr Prof. Dr. M. W. als verfassungmäßiger Vertreter der Beklagten mit Schädigungsvorsatz handelte und die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände kannte:

So trägt die Klagepartei vor, dass die R. B. GmbH bereits im Jahr 2004 vom damaligen Forschungs- und Entwicklungsleiter und Mitglied des Vorstandes, Prof. Dr. M. W., beauftragt worden sei, das Motorsteuerungsgerät EDC 17 zu entwickeln, welches später eine illegale Softwarefunktion unter dem Namen „Akustikfunktion“ enthalten habe. Diese Software sei in der Folgezeit von Herrn Prof. Dr. M. W. weiterentwickelt worden. Die Entwicklungsingenieure der Beklagten hätten in den Jahren 2005 und 2006 bei der Optimierung der Stickoxidwerte und den jeweiligen Abgasrückführungswerten festgestellt, dass die Erhöhung der Abgasrückführungswerte zu einem schnellen Zusetzen des Partikelfilters führe. Das wiederholte Freibrennen und die Beschleunigung der Vorgänge im Partikelfilter hätten dazu geführt, dass die Partikelfilter bereits um die 50.000 km Laufleistung ihren Dienst eingestellt hätten. Mit diesen Testergebnissen im Rücken habe Herr Prof. Dr. M. W. Ende des Jahres 2006 entschieden, dass es unmöglich sei, das Abgasrückführungssystem so zu optimieren, dass Langzeitschäden an Motor und Partikelfilter verhindert werden. Vor diesem Hintergrund hätten sich die Entwicklungsingenieure in Kenntnis von Herrn Prof. Dr. M. W. entschieden, die sog. „Schummelsoftware“ einzusetzen, um ausschließlich für den Rollenprüfstand einen Testmodus zu besitzen, der für die Phase des Prüfbetriebs die erforderlichen Stickoxidwerte einhalte. Zum Beweis hat die Klagepartei Prof. Dr. M. W. als Zeugen angeboten (vgl. Klageschrift vom 03.05.2018 S.3/4, Bl. 3/4 d.A.). Weiter hat sie vorgetragen, der Mitarbeiter der Beklagten U. H., den sie als Zeugen benennt, habe Kenntnis von der Manipulation gehabt und den Auftrag an die B. GmbH erteilt, die entwickelte Software zu verwenden. Dies sei vom gesamten Vorstand gebilligt worden (Schriftsatz vom 02.04.2019, Bl. 175 f d.A.).

Dieser Vortrag der Klagepartei ist trotz der Einwendungen der Beklagten als hinreichend substantiiert anzusehen. Vor dem Hintergrund, dass die Klagepartei außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht, reicht die Behauptung der Klagepartei aus, dass dem Leiter Aggregateentwicklung bzw. dem Vorstand der Beklagten die oben erörterten Umstände bekannt gewesen seien.

cc. Die Beklagte ist der sie treffenden sekundären Darlegungslast, auch mit nachgelassenem Schriftsatz vom 16.03.2020 (Bl. 333 ff d.A.) nach Hinweis des Senats nicht hinreichend nachgekommen.

Der Senat geht hier in Übereinstimmung mit anderen Oberlandesgerichten (eine sekundäre Darlegungslast in den Abgas-Manipulationsfällen befürwortend: OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 51 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 79 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 75 ff.; OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 10 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 64 ff.; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 71 ff.) von einer sekundären Darlegungslast der Beklagten aus. Steht, wie hier, ein (primär) darlegungspflichtiger Anspruchsteller außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Anspruchsgegner alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den höchstrichterlichen Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast das einfache Bestreiten seitens des Anspruchsgegners nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urteil v. 17.01.2008, III ZR 239/06, juris Rn. 16 m.w.N.). Der insoweit sekundär Darlegungspflichtige kann dabei im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen und Mitteilung der Ergebnisse verpflichtet sein (vgl. BGH, Urteil v. 30.03.2017, I ZR 19/16, juris Rn. 15).

Die Beklagte hat gegen den klägerischen Vortrag erstinstanzlich eingewandt, die Klagepartei habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass Personen, deren Kenntnisse der Beklagten zuzurechnen wären, mit Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gehandelt hätten, und bestreitet den Tatsachenvortrag der Klagepartei. Sie trägt insoweit vor, dass die Beklagte die genaue Entstehung der in der EA 189-Motoren zum Einsatz kommenden Software, die die NOx-Werte auf dem Prüfstand optimiert, derzeit aufkläre. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt waren. Die Beklagte bestreite daher, dass einzelne Vorstandsmitglieder die Entwicklung der streitgegenständlichen Software in Auftrag gegeben haben, an der Entwicklung der Software beteiligt waren oder im Zeitpunkt der Entwicklung von der Software wussten und deren Einsatz billigten. Ebenso bestreite die Beklagte, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten oder andere Vorstände im aktienrechtlichen Sinne im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses von der Verwendung der Software im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp Kenntnis hatten, ebenso der Zeuge H. Darüber hinaus habe der Vorstand der Beklagten nach dem derzeitigen Ermittlungsstand im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses von der Verwendung der Software in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung keine Kenntnis gehabt. Hinsichtlich von Repräsentanten sei es Sache des Klägers diese namentlich zu benennen, deren Repräsentantenstellung sowie schädliches Verhalten darzulegen (vgl. Klageerwiderung vom 07.11.2018 S. 56, 59 f.f). Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 16.03.2020 hat sie nochmals eingewandt, der Kläger trage bereits nicht hinreichend vor, welcher Vorstand der Beklagten im aktienrechtlichen Sinn zum Zeitpunkt des Kaufvertrags Kenntnis von der Umschalteinrichtung gehabt haben solle und dass es ihm maßgeblich auf die Schädigung von Endkunden angekommen sei. Kein Vorstandsmitglied habe den Einsatz der Umschaltlogik angeordnet, gebilligt oder geduldet. Die Umschalteinrichtung sei „von Mitarbeitern der Beklagten auf Arbeitsebene“ programmiert worden.

Dieser Vortrag genügt nicht. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2020 darauf hingewiesen, dass es an hinreichend konkretem Vortrag zum Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten, zu konkreten Erkenntnissen zur Verwendung der strittigen Software, zu Entscheidungen über den Einsatz der Software fehle (S. 2/3 des Protokolls, Bl. 329/330 d.A.). Weiter hat er darauf hingewiesen, dass § 31 BGB weit zu verstehen sein dürfte und es nicht nur auf die Kenntnis der Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinne ankomme (Protokoll S. 3, Bl. 330 d.A.).

Die Beklagte hat daraufhin lediglich mitgeteilt, dass kein Vorstandsmitglied den Einsatz der Umschaltlogik angeordnet, gebilligt oder geduldet habe. Die Zeugen H. oder N. (wobei es bezüglich letzterem an Tatsachenvortrag der Klagepartei fehlt) seien keine Vorstände im aktienrechtlichen Sinne. Die Umschalteinrichtung sei „von Mitarbeitern der Beklagten auf Arbeitsebene“ programmiert worden. Unterhalb der Vorstandsebene finde ohnehin keine Wissenszurechnung statt. Letzteres trifft so nicht zu. Auch in seinem von der Beklagten zitierten Urteil vom 28.06.2016, Az. VI ZR 536/15, hat der Bundesgerichtshof unter juris Rn. 13 ausdrücklich auf die weite Auslegung des Begriffs des Repräsentanten im Sinne des § 31 BGB hingewiesen. Substantiierter Vortrag der Beklagten dazu, ob Repräsentanten im Sinne des § 31 BGB Kenntnis von der Umschaltlogik hatten, erfolgte mit dem Schriftsatz nicht. Der Begriff „Mitarbeiter auf Arbeitsebene“ ist insoweit offen und unkonkret. Der Beklagten sind nähere Angaben auch zumutbar, ohne dass sie hierfür Geschäftsgeheimnisse offenbaren müsste. Sie hätte mindestens zu den von ihr behaupteten internen Untersuchungen sowie Ermittlungen durch beauftragte externe Personen im Einzelnen vortragen und darlegen können und müssen, welche Personen die Entwicklung der Softwarefunktion beauftragt bzw. bei dem Zulieferer bestellt haben und was die üblichen Abläufe bei einem solchen Auftrag bzw. einer Entscheidung von solcher Tragweite sind. Die Beklagte hat also die Behauptung der Klagepartei nicht durch substantiierten Vortrag erschüttert.

Nachdem die Beklagte das Vorbringen der Klagepartei weder ausreichend bestritten hat, noch ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, gilt der Vortrag der Klagepartei, dass ein Repräsentant i.S.v. § 31 BGB den Einsatz der Manipulationssoftware kannte und billigte, als zugestanden gem. § 138 Abs. 3 ZPO.

f. Der Schadensersatzanspruch scheitert - entgegen den Ausführungen des Oberlandesgerichts Braunschweig (Urteil v. 19.02.2019, 7 U 134/17, Rn. 186 ff.) - nicht aufgrund des Schutzzwecks des § 826 BGB (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 39 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 49 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 93 ff.; OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 21 ff.; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 81 f.; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 52; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 24 ff.):

Zwar ist - um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten - auch im Bereich des § 826 BGB der Haftungsumfang nach Maßgabe des Schutzzwecks der Norm zu beschränken (st. Rspr. BGH, Urteil v. 03.03.2008, II ZR 310/06, juris Rn. 15 mwN). Doch besteht hier keine Veranlassung für eine solche Beschränkung: Denn die Haftung aus § 826 BGB knüpft - anders als etwa ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit bestimmten europarechtlichen Normen - nicht unmittelbar an den Verstoß gegen Art. 5 II S. 1 VO [EG] Nr. 715/2007 an, sondern folgt aus der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typengenehmigungsvoraussetzungen. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von Bedeutung, weil über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird.

g. Die Beklagte hat gem. §§ 249 ff. BGB der Klagepartei sämtliche aus der sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schäden zu ersetzen.

aa. Der Ersatzanspruch richtet sich bei § 826 BGB auf das negative Interesse. Wenn wie hier der Geschädigte durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Vertrags zu, das heißt Ausgleich der für den Vertrag getätigten Aufwendungen durch den Schädiger gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten (vgl. BGH, Urteil v. 19.07.2004, II ZR 402/02, juris Rn. 41; BGH, Urteil v. 28.10.2014, VI ZR 15/14, juris Rn. 28; so auch OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 104; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 68; KG Berlin, Urteil v. 26.09.2019, 4 U 77/18, juris Rn. 122; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 36). Die Klagepartei kann daher den von ihr aufgewendeten Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erlangten Fahrzeugs an die Beklagte zurückverlangen.

bb. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren. Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten (st. Rspr., BGH, Urteil v. 23.06.2015, XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160 Tz. 22 m.w.N.). Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet. Darauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an. Insbesondere bedarf es anders als in den Fällen der §§ 320, 322, 348 BGB keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (BGH, aaO Tz. 23 m.w.N.).

Danach kann die Klagepartei vorliegend Erstattung der von ihr für den Erwerb des Fahrzeugs verauslagten Kosten abzüglich einer Entschädigung für die gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs an die Beklagte verlangen (so auch OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 112 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 105 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 102 ff.; OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 24; OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 85 ff.; OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 69 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 37 ff.).

(1) Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer, ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (BGH, Urteil v. 17.05.1995, VIII ZR 70/97, NJW 1995, 2159, 2161). Stichhaltige Gründe, die im Kaufrecht für die Berechnung der anzurechnenden Nutzungen entwickelten gefestigten Grundsätze nicht auch im Deliktsrecht heranzuziehen, sind nicht ersichtlich. Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Dieser betrug 16.500,00 Euro. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrlaufleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Der Senat schätzt gemäß § 287 BGB die Gesamtlaufleistung eines VW Golf VI auf 250.000 Kilometer. Die gefahrenen Kilometer belaufen sich auf 91.525 km. Dies ergibt eine zu berücksichtigende Nutzungsentschädigung von 8250,23 € (= 16.500 € x 91.525 km: 250.000 km). Damit verbleibt ein ersatzfähiger Schadensbetrag von 8249,77 € (= 16.500,00 € - 8.250,23 €) (nach dieser Formel berechnen die Nutzungsentschädigung auch das OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 114; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 109; das OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 112; das OLG Köln, Urteil v. 17.07.2019, 16 U 199/18, juris Rn. 25; das OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 92 ff.; und das OLG Stuttgart, Urteil v. 24.09.2019, 10 U 11/19, BeckRS 2019, 23215 Rn. 76; anders das OLG Frankfurt, Beschluss v. 25.09.2019, 17 U 45/19, juris Rn. 42 ff., das hinsichtlich des Nutzungsvorteils auf die ersparten Aufwendungen in Form des Wertverlusts abstellt, den die Klagepartei ansonsten bei einem alternativen mangelfreien Fahrzeug erlitten hätte und insoweit Beweis erhebt).

(2) Gegen die Berücksichtigung der Nutzungen des Fahrzeugs als Abzugsposition im Rahmen der deliktischen Haftung wendet die Klagepartei ein, dass sitten- und gesetzeswidriges Handeln auch im Zivilrecht nicht sanktionslos bleiben dürfe. Wer sich bewusst über die Rechtsordnung hinwegsetze, dürfe sich später nicht auf sie berufen, um die Folgen des Rechtsverstoßes für sich zu korrigieren. Dem Schadensersatzrecht komme auch eine generalpräventive Funktion zu.

Diese Auffassung vernachlässigt, dass die deutsche Zivilrechtsordnung als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung nur den Schadensausgleich (§§ 249 ff. BGB), nicht aber eine Bereicherung des Geschädigten vorsieht. Die Bestrafung und - im Rahmen des Schuldangemessenen - Abschreckung sind mögliche Ziele des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, wobei die Geldstrafe oder -buße allerdings an den Staat fließt, nicht aber des Zivilrechts. Eine andere Sichtweise - wie sie beispielsweise im USamerikanischen Recht gilt - widerspricht dem im deutschen Recht geltenden Bestrafungsmonopol des Staates mit den dafür eingeführten besonderen Verfahrensgarantien. Im Hinblick darauf sind ausländische Urteile auf Strafschadensersatz von nicht unerheblicher Höhe wegen Verstoßes gegen den materiellen ordre public in Deutschland regelmäßig nicht vollstreckbar (vgl. BGH, Urteil v. 04.06.1992, IX ZR 149/91, juris Rn. 72 ff.). Auch die weiteren von Klageseite vorgebrachten Einwände hält der Senat nicht für stichhaltig. Die rechtlichen Grundlagen des spezifischen, europarechtlich geprägten Verbrauchsgüterkaufrecht sind auf das allgemeine Deliktsrecht nicht übertragbar (vgl. OLG Köln vom 13.02.20, 18 U 147/19, Rn. 28, zitiert nach juris). Ebenso wenig führt die Berufung auf den effet utile weiter. Es ist nicht ersichtlich, dass ein Verbraucher, der im Falle der deliktsrechtlichen Abwicklung über den Hersteller Nutzungsersatz schuldet, dadurch davon abgehalten wird, einen etwa bestehenden kaufrechtlichen Nachlieferungsanspruch gegen den Verkäufer geltend zu machen.

h. Der mit Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug entstandene Schadensersatzanspruch ist auch nicht dadurch erloschen, dass die Klagepartei das von der Beklagten angebotene Software-Update zwischenzeitlich durchführen ließ.

Dies wäre nur der Fall, wenn die Entgegennahme des Updates als Annahme an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB auszulegen wäre. Etwaige verbleibende Zweifel gehen insoweit zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten. Eine solche Auslegung scheitert hier schon daran, dass die Beklagte das Update nicht als Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs der Klägerseite angeboten hat, sondern um der Auflage des KBA Genüge zu tun. Dies folgt bereits daraus, dass sie durchgehend jegliche Schadensersatzansprüche der Käufer, insbesondere auch der Klagepartei, bestritten und behauptet hat, das Fahrzeug sei auch mit der ursprünglichen Software mangelfrei. Auch lässt sich die Entgegennahme der Leistung durch die Klägerseite im vorliegenden Fall nicht als Annahme an Erfüllungs statt deuten. Angesichts des Bescheids des KBA liegt es vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont nahe, dass die Klagepartei das Update aufspielen ließ, um die Weiternutzung ihres Fahrzeugs nicht zu gefährden. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Schadensersatzanspruch der Klägerseite auf eine gänzlich andere Leistung, nämlich die Rückgängigmachung der Kaufvertragsfolgen gerichtet ist. Mit der Entgegennahme einer behördlich angeordneten „Nachbesserungsmaßnahme“ wird ein objektiver Empfänger nicht davon ausgehen, die Klagepartei wolle auf die bestehenden weitergehenden Ansprüche verzichten, zumal die Beklagte das Aufspielen des Updates im Hinblick auf die Anordnung des KBA auch nicht von einer solchen Erklärung hätte abhängig machen können (OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019, 13 U 142/18, juris Rn. 126; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 121 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, juris Rn. 98).

3. Ob weitere Anspruchsgrundlagen durchgreifen, kann offen bleiben, weil sich aus ihnen jedenfalls kein weitergehender Anspruch ergibt.

4. Die Verzinsung des gezahlten Kaufpreises in Höhe von 5%- Punkten über dem Basiszinssatz seit dem Kaufdatum ist abzulehnen. Der Klagepartei steht lediglich ein Anspruch auf Verzinsung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsentschädigung seit Verzugseintritt zu.

a. Zinsen nach §§ 849, 246 BGB in Höhe von 4% jährlich ab Zahlung des Kaufpreises kann die Klagepartei nicht verlangen, da sie den bezahlten Kaufpreis nicht ersatzlos weggegeben hat, sondern ihr im Gegenzug Eigentum und Besitz an dem streitgegenständlichen Fahrzeug einschließlich abstrakter Nutzungsmöglichkeit eingeräumt wurden.

Nach § 849 BGB kann zwar in den Fällen, in denen wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, eine Verzinsung des zu ersetzenden Betrages von dem Zeitpunkt an verlangt werden, der der Bestimmung des Werts zugrunde gelegt wird. Die Norm greift nicht nur bei einer Sachentziehung oder -beschädigung ein, sondern auch in Fällen, in denen dem Geschädigten Geld entzogen wurde (BGH, Urteil v. 12.06.2018, KZR 56/16, juris Rn. 45 m.w.N.). § 849 BGB ist seinem Wortlaut nach nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt zudem nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird (BGH, Urteil v. 26.11.2007, II ZR 167/06, juris Rn. 4, 5).

Der Regelung des § 849 BGB kann dennoch ein allgemeiner Rechtssatz dahin, deliktische Schadensersatzansprüche seien stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen, nicht entnommen werden (BGH, Urteil v. 12.06.2018 - KZR 56/16, juris, Rn. 45 m.w.N.). Der Normzweck geht vielmehr dahin, den endgültig verbleibenden Verlust an der Nutzbarkeit der weggegebenen Sache - als pauschalierten Mindestbetrag - auszugleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGH, NJW 1983, 1614 f.).

Dieser Normzweck ist im hier vorliegenden Fall nicht betroffen, da zwar der Klagepartei ein Geldbetrag in Höhe des Kaufpreises für das Fahrzeug entzogen wurde, die Entziehung aber nicht ersatzlos erfolgte, sondern dadurch kompensiert wurde, dass die Klagepartei im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises Eigentum und Besitz am Fahrzeug mit der abstrakten Möglichkeit, dieses jederzeit nutzen zu können, erhalten hat (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 10.09.2019, 13 U 149/18, juris Rn. 99; OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 - 5 U 1218/18, BeckRS 2019, 20653 Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 137; einschränkend unter Abzug einer Wertminderung des Fahrzeugs: OLG Koblenz, Urteil v. 16.09.2019, 12 U 61/19, juris Rn. 84; a.A: OLG Oldenburg, Urteil v. 02.10.2019, 5 U 47/19, BeckRS 2019, 23205 Rn. 41; OLG Köln, Urteil v. 10.03.2020 - 4 U 219/19, juris Rn. 145 ff). Soweit das Oberlandesgericht Köln in seinem Urteil vom 10.03.2020 ausführt, es sehe nicht, dass der Möglichkeit, ein Fahrzeug auch dann nutzen zu können, wenn man es gar nicht nutzen will, ein wirtschaftlicher Wert zukomme, teilt der Senat dies nicht. Hätte die Klagepartei das streitgegenständliche Fahrzeug nicht zur Verfügung (dessen Nutzungsmöglichkeit im Übrigen auch nicht durch eine Stilllegung eingeschränkt war), müsste er ein anderes Fahrzeug erwerben/leihen oder auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. In einem solchen Fall der Nutzungsmöglichkeit keinen Wert zuzusprechen, entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.

Überdies wäre der der Kaufpreissumme entsprechende Betrag mit der Möglichkeit, hieraus Nutzungen zu ziehen, nicht weiter in dem Vermögen der Klagepartei verblieben, wenn die Klagepartei in Kenntnis des vorliegenden Mangels den hiesigen Kaufvertrag nicht abgeschlossen und stattdessen den Kaufpreis für ein anderes Fahrzeug aufgewandt hätte (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 - 5 U 1218/18, BeckRS 2019, 20653, Rn. 109; OLG Karlsruhe, Urteil v. 06.11.2019, 13 U 37/19, juris Rn. 139; a.A. OLG Köln, Urteil v. 10.03.2020 - 4 U 219/19, juris Rn. 145 ff). Soweit das Oberlandesgericht Köln in seinem Urteil vom 10.03.2020 ausführt, dass § 849 BGB den Anspruch gerade von der konkreten Nutzbarkeit löst, ändert dies doch nichts daran, dass § 849 BGB den endgültig verbleibenden Verlust an Nutzbarkeit der Sache ausgleichen soll, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGH, NJW 1983, 1614). Ein solcher Verlust liegt hier, wie ausgeführt, aber nicht vor. Würde man die Verzinsungsregelung des § 849 BGB in diesem Fall gleichwohl anwenden, führte dies zu einer dem Schadensersatzrecht fremden Überkompensation, da die Klagepartei durch das schädigende Ereignis wirtschaftlich besser stünde als ohne dieses. Dies widerspräche dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot (vgl. dazu BGH, Urteil v. 04.04.2014 - V ZR 275/12, juris Rn. 20 m.w.N.).

Wenn die Klagepartei sich für ihren Zinsanspruch auf die Nutzungen beruft, die die Beklagte aus dem ihr überlassenen Kaufpreis gezogen habe, lässt sie zudem außer Acht, dass der von ihr gezahlte Kaufpreis nicht der Beklagten zugeflossen ist. Die Klagepartei hat das streitgegenständliche Fahrzeug nämlich aus zweiter Hand von einem selbständigen Händler erworben.

b. Die Klagepartei kann aber die Verzinsung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsentschädigung seit 26.07.2018 gem. §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB verlangen.

Die Klagepartei hat die Beklagte mit Schreiben vom 29.05.2018 zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs bis zum 20.06.2018 aufgefordert (Anlage K 2). Mit Schreiben vom 26.07.2018 hat die Beklagte mitgeteilt, dass das Fahrzeug weiterhin technisch sicher und fahrbereit sei und eine Rücknahme des Fahrzeugs abgelehnt werde (Anlage K 3). Hierin liegt eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Gemäß des Rechtsgedankens des § 187 BGB beginnt der Zinslauf am 26.07.2018.

5. Der Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klagepartei besteht gem. §§ 826, 249 Abs. 1 BGB in Höhe von 958,19 Euro. Ein Anspruch auf Verzinsung steht der Klagepartei nicht zu.

a. Für den Gegenstandswert bzgl. der vorgerichtlichen Tätigkeit ist der Wert des verfolgten Anspruchs zum Zeitpunkt des Tätigwerdens des Klägervertreters maßgeblich. Das Forderungsschreiben des Klägervertreters an die Beklagte (Anlage K 2) datiert vom 29.05.2018. Der Senat schätzt - ausgehend von einer „linearen“ Verteilung der durch die Klagepartei mit dem Auto gefahrenen Kilometer - die bis dahin angefallenen Nutzungsentschädigung auf 4.246 Euro. Damit ergibt sich ein damals berechtigter Forderungsbetrag von 12.254 Euro. Aus diesem Wert sind die erstattungsfähigen vorgerichtlichen Kosten zu erstatten.

b. Der Senat setzt für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG die Mittelgebühr von 1,3 an. Zwar mag die Tätigkeit für sich betrachtet überdurchschnittlich umfangreich und schwer gewesen sein, entscheidend ist aber, dass die Kanzlei der Klägervertreter gerichtsbekannt eine Reihe von Geschädigten des Abgasskandals vertritt, so dass sich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die große Zahl der Mandate relativiert.

c. Damit ergibt sich folgender Gebührenanspruch, von dem die Klagepartei freizustellen ist: Bei einem Gegenstandswert von 12.254 Euro beläuft sich die 1,3 Geschäftsgebühr auf 785,20 Euro. Zuzüglich der Portopauschale von 20,00 Euro gem. Nr. 7002 VV sowie der Umsatzsteuer i.H.v. 19% gem. Nr. 7008 VV ergibt sich ein Gebührenanspruch (insgesamt) in Höhe von 958,19 Euro.

d. Allerdings steht der Klagepartei kein Anspruch auf Verzinsung des Freistellungsanspruchs ab Rechtshängigkeit gem. §§ 288 Abs. 1, 291 S. 1 BGB zu. Danach sind nämlich nur Geldschulden zu verzinsen, zu denen ein Freistellungsanspruch nicht gehört (vgl. OLG Frankfurt, Urteil v. 20.12.2018, 8 U 33/17, BeckRS 2018, 35942 Rn. 86; OLG Hamm, Urteil v. 19.01.2012, 24 U 32/11, juris Rn. 44; OLG Stuttgart, Urteil v. 4.10.2010, 5 U 60/10, NJW-RR 2011, 239, 243).

6. Der Feststellungsantrag ist nicht begründet. Die Beklagte befindet sich nicht in Annahmeverzug (§ 293 ff. BGB). Die Klagepartei hat die Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen die Zahlung des Kaufpreises mit Schreiben vom 10.04.2018 (Anlage K 2) angeboten. Dieses Angebot entspricht nicht der tatsächlich geschuldeten Leistung, denn die Beklagte hat nur den Betrag zu zahlen, der sich nach Abzug einer angemessenen Nutzungsentschädigung ergibt. Annahmeverzug tritt - von geringfügigen Zuvielforderungen abgesehen - nicht ein, wenn das Angebot an überhöhte Forderungen geknüpft ist (BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 275/04, NJW 2005, 2848, 2851; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 14.02.2020, Az. 2 U 128/19; OLG München, Urteil vom 29.01.2020, Az. 20 U 3015/18). Die Klagepartei wäre auch ersichtlich nicht bereit gewesen, den zutreffend errechneten Zahlungsbetrag entgegenzunehmen, denn sie vertritt auch im Prozess die Auffassung, eine Nutzungsentschädigung sei nicht abzuziehen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.09.2007 - 7 U 169/06, NJE 2008, 925/927 m.w.N.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Es stellen sich Rechtsfragen, die für eine Vielzahl von gleichgelagerten Fällen bedeutsam sind und die von den Oberlandesgerichten unterschiedlich beurteilt werden. So weicht der Senat vom Urteil des OLG Braunschweig vom 19.02.2019, Az. 7 U 134/17, das einen Anspruch aus § 826 BGB verneint, und den Entscheidungen des OLG Koblenz vom 16.09.2019, Az. 12 U 61/19 (juris Rn. 84), des OLG Köln vom 17.07.2019, Az. 16 U 199/18 (juris Rn. 29) und vom 10.03.2020, Az. 4 U 219/19 sowie des OLG Oldenburg vom 02.10.2019, Az. 5 U 47/19 (BeckRS 2019, 23205 Rn. 41), die einen Zinsanspruch ab Zahlung des Kaufpreises bejahen.

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