Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (6. Zivilsenat) - 6 U 19/14

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Juli 2014, Az.: 3 O 91/12, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.932,91 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. September 2011 zu zahlen.

Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen und die weitere Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen mit Ausnahme der Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichtes in der ersten Instanz entstanden sind. Diese Kosten trägt die Klägerin.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Juli 2014 sind, soweit die Berufung der Beklagten zurückgewiesen wurde, vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft einer EU-Bank zu erbringen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf 132.078,70 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin macht Vergütungsansprüche für die Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage auf Dachflächen der Gebäude 9, 16, 19 und teilweise 4 der Agrargenossenschaft O. e. G. sowie anteilige Vergütungsansprüche für eine Dachsanierung geltend. Die Beklagte verlangt im Rahmen der Widerklage die Feststellung der Haftung der Klägerin für eine verspätete Fertigstellung der Anlage, rechnet gegen die Klageforderung hilfsweise mit eigenen Schadensersatzforderungen auf und macht Zurückbehaltungsrechte wegen Mängeln geltend.

2

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Der ausstehende Werklohnanspruch der Klägerin sei in voller Höhe begründet. Die Beklagte habe auch die Kosten für die Dachsanierung zu tragen. Die Hilfsaufrechnung sei unbegründet, da der Beklagten keine Schadensersatzansprüche aus Verzug zustünden. Die Klägerin habe den Verzug nicht zu vertreten. Zurückbehaltungsrechte wegen der Mängel lägen nicht vor.

3

Die Widerklage sei wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig. Die Beklagte könne ihren Schaden beziffern, wie sie dies in einem vorgerichtlichen Schreiben vom 21. Oktober 2011 und im Rahmen der hilfsweisen Aufrechnung auch getan habe.

4

Bezüglich der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der Urteilsbegründung wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Dessau-Roßlau (Bd. III B. 26 ff. d. A.) Bezug genommen.

5

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Das Urteil des Landgerichts sei rechtsfehlerhaft. Das Gericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt, Beweise unzutreffend gewürdigt und Beweisantritte in unzulässiger Weise übergangen. Die Widerklage sei insgesamt zulässig, obwohl die Beklagte einen Teil des Schadens beziffern könne. Der gesamte Schaden könne aber noch nicht beziffert werden, da sich der anspruchsbegründende Sachverhalt noch in der Fortentwicklung befinde.

6

Die Beklagte rügt im Einzelnen: Die Parteien hätten einen Pauschalpreis vereinbart, weshalb die Klägerin hinsichtlich der Positionen 3 und 4 (Anlageüberwachung mittels L. 1000 und Elektroinstallation bis zum Einspeisepunkt) nicht nach Aufmaß abrechnen könne. Die abgerechneten Mehrpositionen in der Schlussrechnung (Anlage K 4) seien unschlüssig. Sie seien weder angezeigt worden noch habe die Beklagte der Durchführung auf ihre Kosten zugestimmt. Auf keinen Fall sei die fehlende Inbetriebnahme der Anlage im Jahr 2010 auf ein Verhalten der Beklagten zurückzuführen. Eine erste Abschlagsrechnung der Klägerin vom 5. November 2010 habe sie nicht erhalten. Die Höhe der Rechnung sei auch nicht vereinbart gewesen. Nach Zugang der Rechnung habe die Beklagte unverzüglich Zahlung geleistet. Diese hätte sie auch unabhängig von der Finanzierungszusage ihrer Hausbank erbringen können.

7

Im Übrigen habe die Beklagte aufgrund der Mängel ein Zurückbehaltungsrecht. Die Kabelmuffe sei nach wie vor defekt. Insoweit hätte das Landgericht über deren Mangelhaftigkeit Beweis erheben müssen. Die Ertragsüberwachung über die L.-Anlage sei zwar abgerechnet worden, sie habe aber nie funktioniert. Während der gesamten bisherigen Betriebszeit sei eine Überwachung der Anlage mit diesen Geräten nicht möglich gewesen. Nach Auskunft des Herstellers seien die verbauten Geräte nicht in deren System registriert und hätten deshalb keine Ertragsdaten übermitteln können. Die Fotovoltaikanlage liefere statt der zugesicherten 60,9 kWp lediglich 60 kWp. Es bleibe zudem bestritten, dass die Klägerin am 28. Juni 2011 die nötigen Unterlagen zur Inbetriebnahme übermittelt habe. Diese Erklärungen hätten bis zum 27. Februar 2014 nicht vorgelegen.

8

Eine vorgerichtliche Aufforderung zur Zahlung des Restwerklohnes durch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei unnötig gewesen, da erkennbar gewesen sei, dass sie diese Forderung nicht anerkenne. Die Mahnkosten seien überhöht und die Honorarrechnung für die vorgerichtlichen Anwaltskosten durch die Klägerin nicht bezahlt worden.

9

Hilfsweise stünden der Beklagten Schadensersatzansprüche zu, mit denen sie aufrechne. Durch die nicht termingerechte Fertigstellung der Anlage könne statt der verbindlich zugesicherten Einspeisevergütung für das Jahr 2010 von 37,23 Cent/kWh nur die Vergütung für das Jahr 2011 von 27,33 Cent/kWh erzielt werden, was einen Jahresverlust von 6.083,76 Euro ausmache. Für die Jahre 2011 bis 2013 betrage der Verlust konkret 15.579,42 Euro. Auch stehe der Beklagten wegen der verspäteten Fertigstellung eine Vertragsstrafe von 5.604,74 Euro zu. Ferner hätten die Kommanditisten der Beklagten einen Investitionsabzugsbetrag auflösen müssen und dadurch einen Steuerverlust von 95.959,50 Euro erlitten. Dieser Schaden ist in Höhe von 37.900,92 Euro unstreitig an die Beklagte abgetreten worden. Den Verzug habe allein die Klägerin zu vertreten. Deren Abschlagsrechnungen aus dem Jahr 2010 habe sie nicht erhalten. Das Landgericht verkenne insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Es sei Aufgabe der Klägerin den Zugang der Abschlagsrechnung zu beweisen, was dieser nicht gelungen sei. Dementsprechend sei die Beklagte mit ihren Zahlungen auch nicht in Verzug gewesen. Sie hätte eine Rechnung der Klägerin auch ohne die Finanzierung ihrer Hausbank begleichen können, weshalb es unschädlich sei, dass deren Finanzierungszusage erst später vorgelegen habe. Es liege im alleinigen Verantwortungsbereich der Klägerin, dass diese die Anlage nicht fristgemäß zum Dezember 2010 fertig gestellt habe. Im Übrigen habe der Geschäftsführer der Klägerin ihr zugesichert, dass selbst bei einer Fertigstellung der Anlage im Jahr 2011 die Einspeisevergütung des Vorjahres erzielt werde. Dies habe er sowohl anlässlich eines Weihnachtsessens als auch bei einem Gespräch am 22. März 2011 erklärt. Aus diesem Grund stünden ihr auch Schadensersatzansprüche wegen des nicht eingehaltenen Garantieversprechens zu.

10

Das Landgericht habe die Widerklage rechtsfehlerhaft als unzulässig abgewiesen. Ein Vorrang der Leistungsklage bestehe dann nicht, wenn - wie vorliegend - der Anspruchsinhaber seinen Anspruch noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwändigen Begutachtung beziffern könne oder sich der anspruchsbegründende Sachverhalt noch in der Fortentwicklung befinde. Die Widerklage sei auch begründet, da der Beklagten und ihren Kommanditisten durch die verspätete Inbetriebnahme der Anlage Schäden entstanden seien, welche selbst die hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche überstiegen. Die Beklagte in dem Parallelverfahren habe ausweislich der dortigen Klageerwiderung mit dem aufgezeigten Steuerschaden lediglich hilfsweise im Hinblick auf die Klageforderung (57.758,59 Euro) aufgerechnet. Den verbleibenden Restbetrag (37.900,92 Euro) habe die dortige Beklagte zwischenzeitlich unstreitig an die Komplementäre zurückabgetreten; diese hätten ihn an die hiesige Beklagte abgetreten.

11

Mit Schriftsatz vom 5. März 2015 macht die Beklagte hilfsweise ein weiteres Zurückbehaltungsrecht wegen zwischenzeitlich eingetretener Schäden geltend. Am 9. Januar 2015 sei es auf dem Hallendach 4 zu einem Sturmschaden gekommen. Hierbei sei festgestellt worden, dass die von der Klägerin erstellte Unterkonstruktion keine fachgerechte Ausführung darstelle. Im Rahmen der Instandsetzung sei es erforderlich, die gesamte Unterkonstruktion des Hallendachs 4 zu erneuern, wofür insgesamt 15.740,46 Euro anfallen würden. Die Klägerin hat - unstreitig - eine Beseitigung der Mängel abgelehnt. Zur Sicherung der Photovoltaikanlage sowie zur Feststellung und Dokumentation der Schäden habe die Beklagte weitere 722,60 Euro aufgewandt. Wegen der fehlerhaften Unterbaukonstruktion seien alle Unterbaukonstruktionen der PV-Anlage auf einen fachgerechten Standard umzurüsten, um den ortsüblich anzutreffenden Wind- und Sturmstärken standzuhalten. Die dafür erforderlichen Kosten würden die hier etwaig noch offene Klagforderung übersteigen.

12

Die Beklagte beantragt,

13

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Juli 2014 - 3 O 91/12 - die Klage abzuweisen und die Klägerin im Rahmen der Widerklage zu verurteilen, der Beklagten sowie deren Kommanditisten V. und Dr. F. K., C., alle Schäden zu ersetzen, die aus der verspäteten Inbetriebnahme der für Ende 2010 betriebsbereit zugesicherten Fotovoltaikanlage aus dem Vertrag vom 1. November 2010 für die Gebäude Agrargenossenschaft O. e. G. Nr. 4, 9, 16 und 19 resultieren.

14

Die Klägerin beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Die Klägerin könne sich auch nicht auf das im Schriftsatz vom 5. März 2015 geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht berufen. Zum einen würden die Mängel bestritten. Zum anderen seien die Forderungen auch verjährt. Insoweit erhebt sie die Einrede der Verjährung.

II.

17

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet. Das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (vgl. § 513 Abs. 1 ZPO). Allein die Zuerkennung vorgerichtlicher Anwaltskosten entbehrt der Grundlage.

18

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 25.932,91 Euro aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag (1.). Dieser Anspruch ist weder durch die erklärte Hilfsaufrechnung untergegangen (2.), noch stehen der Beklagten Zurückbehaltungsrechte zu (3.). Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet (4.).

19

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Vergütung aus §§ 631, 632, 641 BGB i. V. m. dem zwischen den Parteien am 1. November 2010 geschlossenen Vertrag zu. Die Klägerin hat die Leistungen erbracht, die Beklagte hat diese übernommen und in Betrieb genommen. Damit ist die Werkleistung der Klägerin abgenommen und die vereinbarte Vergütung fällig.

20

Soweit die Beklagte meint, es sei zwischen den Parteien ein Festpreis vereinbart worden, weshalb die Klägerin die Positionen 3 und 4 nicht nach Aufmaß abrechnen könne, geht dieser Einwand fehl. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass sowohl das Angebot vom 26. Oktober 2010 als auch der schriftliche Vertrag Abrechnung nach Aufmaß vorsahen. Der schriftliche Vertrag stellt eine Privaturkunde i. S. d. § 416 ZPO dar, die Beweis dafür erbringt, dass in ihr enthaltene Erklärungen von den Ausstellern abgegeben worden sind. Gleichzeitig spricht eine Vermutung für die Vollständigkeit der Urkunde. Es hätte daher der Beklagten oblegen, darzulegen, wann und mit wem abweichend vom Vertrag ein Pauschalpreis vereinbart worden ist (vgl. Sprau in Palandt, 74. Aufl. 2015, § 632 Rn. 18 m. w. N.). Dies ist nicht erfolgt. Ohne diesen Vortrag stellt die Vernehmung des hierzu seitens der Beklagten angebotenen Zeugen M. einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar, dem der Senat nicht nachzugehen hatte.

21

Soweit die Beklagte weiter einwendet, die Mehraufwendungen seien unschlüssig, da diese ihr gegenüber nicht angezeigt worden seien, geht auch dieser Einwand fehl. Die Ausführungen zu den Positionen 3 und 4 war zwischen den Parteien grundsätzlich durch den Vertrag vereinbart worden und sollte nach Aufmaß erfolgen. Einer Anzeige wegen Mehrbedarfs bedurfte es diesbezüglich nicht.

22

Die Beklagte hat auch die Kosten der Dachsanierung zu tragen. Das Landgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte die Kosten für die Dachsanierung in Höhe von 5.000,00 Euro zu tragen habe, da ihr Geschäftsführer nach dem Wortlaut des Protokolls der Bauberatung vom 11. April 2011 die diesbezügliche Kostenübernahme erklärt hatte. Dem Inhalt des Protokolls sei anschließend nicht widersprochen worden, weshalb es für die Beklagte bindend sei. Nach § 2 des zwischen den Parteien am 1. November 2010 geschlossenen Vertrages würden die Feststellungen aus den Bauberatungen laut jeweiligem Protokoll Vertragsbestandteile. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

23

Zutreffend hat das Landgericht den Zinsanspruch der Klägerin aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 2, 288 Abs. 2, 291 BGB mit den entsprechenden Daten zuerkannt. Aus dem eingetretenen Verzug folgt auch die Kostentragungspflicht der Beklagten für die von der Klägerin veranschlagten Mahnkosten von 5,00 Euro. Diese Kosten sind für ein Schreiben angemessen (§ 287 Abs. 1 ZPO).

24

Die Berufung der Beklagten ist jedoch hinsichtlich der Zuerkennung von vorgerichtlichen Anwaltskosten begründet. Insoweit hat die Beklagte zulässigerweise die Begleichung der Forderung bestritten. Es wäre daher Aufgabe der Klägerin gewesen, Zahlungen auf die Rechnung ihrer Prozessbevollmächtigten darzulegen und zu beweisen. Hieran fehlt es.

25

2. Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch die erklärte Hilfsaufrechnung untergegangen. Der Beklagten stehen gegen die Klägerin weder aufrechenbare Gegenansprüche aus § 11.3 des Vertrages noch aus der Verletzung einer Garantie zu. Dies gilt hinsichtlich des von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruches wegen gesunkener Einspeisevergütung, der Vertragsstrafe und des an die Beklagte abgetretenen Steuerschadens ihrer Kommanditisten.

26

Die verspätete Inbetriebnahme der Anlage hat die Klägerin nicht zu vertreten. Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin noch 2010 mit der Errichtung der Anlage begonnen habe und die Gebäude 16 und 19 komplett mit Modulen bestückt worden seien.

27

Es ist weiterhin zu dem Ergebnis gekommen, dass die Fälligkeit der ersten Teilzahlung am15. November 2010 eingetreten sei, und die Zahlung der Beklagten aber erst am 28. Dezember 2010 erfolgt sei. Dies habe zur Folge gehabt, dass die Klägerin berechtigt gewesen sei, die weitere Verlegung der Module zu verweigern, weshalb sie die nicht fristgerechte Inbetriebnahme der Anlage nicht zu vertreten habe. Die Feststellungen des Landgerichts und seine Beweiswürdigung sind für den Senat nachvollziehbar und gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend. Sie decken sich mit den protokollierten Zeugenaussagen und den von den Parteien eingereichten schriftlichen Unterlagen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen ergeben sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch der Berufungsbegründung. Um solche Zweifel zu begründen, reichen weder der pauschale Hinweis der Beklagten, angegebene Arbeiten im Jahr 2010 werden nach wie vor bestritten, noch ihre Behauptung, sie habe Abschlagsrechnungen vom 5. November 2010 nicht erhalten. Letzteres gilt insbesondere deshalb, weil die Beklagte gleichzeitig vorträgt, sie habe nach Zugang der Rechnung fristgerecht gezahlt und nicht mitteilt, wann diese Rechnung bei ihr eingegangen ist.

28

Soweit die Beklagte weiter ihre Schadensersatzansprüche auf Garantieversprechen des Geschäftsführers der Klägerin stützt, in jedem Fall die Einspeisevergütung für das Jahr 2010 noch zu erreichen, hat das Landgericht diese Ansprüche zu Recht versagt. Es ist aufgrund der Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Geschäftsführer der Klägerin selbiges Garantieversprechen nicht abgegeben hat, weil er die hier in Rede stehende Aussage zu einem Zeitpunkt getroffen habe, als bereits festgestanden habe, dass eine Fertigstellung im Jahre 2010 nicht realisiert werden könne und einschränkend erklärt habe, dass die Aussage nur dann gelte, wenn „die Module schnell aufs Dach kämen“. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, dieser Erklärung sei nicht zu entnehmen, dass die Klägerin bindend die Gewähr für die Sicherstellung der Vergütung für 2010 übernommen habe und für alle Folgen ihres Fehlens einstehen wolle, ist nachvollziehbar und frei von Rechtsfehlern.

29

3. Der Beklagten steht wegen etwaiger Mängel kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 641 Abs. 3 BGB zu. Zunächst ist der Vortrag der Beklagten zu Zurückbehaltungsrechten insgesamt nicht hinreichend substantiiert. Die Beklagte hat zur Höhe der einzelnen Mängelbeseitigungskosten und damit zur Höhe der nach § 641 Abs. 3 BGB zurückbehaltenen Beträge keine Ausführungen gemacht. Aber auch dem Grunde nach sind die geltend gemachten Zurückbehaltungsrechte unbegründet:

30

a) Datenübertragung über L.:

31

Im Hinblick auf die Inbetriebnahme der Fotovoltaikanlage durch die Beklagte ist von einer Abnahme der Anlage einschließlich der Überwachung über L. auszugehen. Diese Annahme wird darüber hinaus durch den Vortrag der Klägerin erhärtet, dass die Überwachung der Anlage funktioniert habe und eine Abschaltung der Datenübertragung mittels L. erst erfolgt sei, nachdem die Beklagte keine Zahlung auf den hierzu gesondert geschlossenen Überwachungsvertrag geleistet habe. Im Hinblick auf diesen qualifizierten Vortrag der Klägerin hätte es der Beklagten oblegen, die fehlende Funktionstüchtigkeit der Überwachungsanlage darzulegen und zu beweisen. Da sie diese Geräte inzwischen, nach dem insoweit unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin, demontiert hat, ist ein Beweis für die Fehlerhaftigkeit der Anlage durch Sachverständige nicht mehr möglich. Es hätte der Beklagten vor erfolgter Demontage oblegen, den nicht funktionsfähigen Zustand der Anlage in einem selbstständigen Beweisverfahren festhalten zu lassen. Welche Wahrnehmungen zur Fehlerhaftigkeit einer Datenübertragung der hierzu angebotene Zeuge Sch. gemacht haben soll, ist von der Beklagten nicht näher vorgetragen worden. Es handelt sich deshalb hierbei um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, dem der Senat nicht nachzugehen hatte.

32

Für ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB fehlt es auch an einer rechtzeitigen Rüge des Mangels. Die Klägerin hat eine Anzeige von Mängeln seitens der Beklagten stets bestritten. Die Beklagte selbst hat nicht angegeben, wann sie Mängel gerügt habe und hat insoweit auf eine Anzeige im laufenden Prozess am 9. August 2013 Bezug genommen. Diese Rüge ist aber verspätet, da die Beklagte zu diesem Zeitpunkt die von der Klägerin gelieferten Geräte durch neue ersetzt hatte. Eine Reparatur ist nicht mehr möglich und die Beklagte hat durch ihr Verhalten u. a. auch zum Ausdruck gebracht, eine Nachbesserung durch die Klägerin nicht mehr zu wollen.

33

b) Erklärung zur Inbetriebnahme der Erzeugungsanlage:

34

Soweit die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht auf eine fehlende Erklärung der Inbetriebnahme der Erzeugungsanlage stützen will, ist dieses unbegründet. Die geforderten Unterlagen sind zumindest nunmehr als Anlagen K 34 und K 35 zum Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 27. Februar 2014 übersandt worden. Zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung besteht daher, auch nach dem Vortrag der Beklagten, kein Zurückbehaltungsrecht mehr.

35

c) Kabelmuffe:

36

Nach Abnahme der Fotovoltaikanlage trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Fehlerhaftigkeit der Leistung der Klägerin. Diese hat qualifiziert bestritten, dass hinsichtlich der Muffe ein Installationsfehler vorlag und ihrerseits behauptet, an der Muffe sei nachträglich manipuliert worden. Ferner hat sie behauptet, dass die Muffe zwischenzeitlich ausgetauscht worden sei. Es hätte daher der Beklagten zunächst oblegen, näher darzulegen, warum von einem Installationsfehler der Klägerin auszugehen ist und sich in diesem Zusammenhang zum Vorwurf der Manipulation zu erklären. Darüber hinaus ist die Behauptung der Klägerin, die Muffe sei im Jahr 2013 ausgetauscht worden, in der ersten Instanz unbestritten geblieben. Hiervon hatte das Landgericht deshalb bei seiner Entscheidung auszugehen, was auch den Senat in der Berufungsinstanz bindet (§ 531 Abs. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte diesen Vortrag nicht bereits erstinstanzlich hätte bestreiten können. Darüber hinaus ist auch in der zweiten Instanz unklar geblieben, ob die Muffe überhaupt der Beklagten oder der Zweiten S. zuzuordnen ist.

37

d) Zu geringe Anlagenleistung:

38

Die Anlagenleistung von 60 kWp statt der zugesicherten 60,9 kWp stellt mit 1,5 % Abweichung keinen Fehler dar, wegen dessen der Besteller Beseitigung verlangen kann. Aus diesem Grund scheidet ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB aus.

39

e) Unterbaukonstruktion:

40

Der Beklagten steht ein Zurückbehaltungsrecht auch nicht wegen etwaiger Mängel der Unterbaukonstruktion der Solaranlage zu. Das Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 5. März 2015 wird gemäß § 296 Abs. 2 ZPO als verspätetes Vorbringen zurückgewiesen.

41

Hierbei kann letztlich dahinstehen, ob entsprechende Gewährleistungsansprüche bereits verjährt sind.

42

Insoweit erscheint es dem Senat fraglich, ob die Entscheidung des BGH vom 9. Oktober 2013 (BGH Urt. v. 9. Oktober 2013, Az.: VII ZR 318/12, zitiert nach juris), welcher für Schäden an den Solarplatten eine Verjährung der Ansprüche nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB von zwei Jahren angenommen hat, auf den vorliegenden Fall übertragbar ist. Hier handelt es sich um mögliche Fehler in der Unterkonstruktion, bei denen der Senat zur Anwendung der werkvertraglichen Regelungen neigt. Ob Verjährung eingetreten ist, kann jedoch letztlich dahinstehen, da das Vorbringen zum Zurückbehaltungsrecht entgegen § 282 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht worden ist, dessen Zulassung den Rechtsstreit verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. Bei dem im Schriftsatz vom 5. März 2015 geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel. Auf dieses und seine Begründung konnte der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben. Deshalb war die Beklagte gemäß § 282 Abs. 2 ZPO gehalten, dieses neue Verteidigungsmittel durch vorbereitenden Schriftsatz rechtzeitig mitzuteilen. Für diesen Schriftsatz gilt gemäß § 132 Abs. 1 ZPO die Frist von einer Woche. Diese ist durch den Schriftsatz der Beklagten vom 5. März 2015, welcher der Klägerin frühestens am selben Tag zugestellt werden konnte, nicht eingehalten. Gemäß § 222 ZPO bestimmt sich die Frist nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, mithin den §§ 187, 188 BGB. Da es sich um eine Rückwärtsfrist handelt und der Tag der mündlichen Verhandlung als fristauslösendes Ereignis gemäß § 187 Abs. 1 BGB nicht mitzählt, hätte eine fristgerechte Zustellung an die Klägerin am 4. März 2015 erfolgen müssen. Eine Entschuldigung des nicht fristgerechten Vortages ist nicht erfolgt. Da die Klägerin die Mängel an der Unterkonstruktion bestritten hat, wäre hierüber Beweis zu erheben gewesen, was den Rechtsstreit verzögern würde. Aus diesem Grund erachtet der Senat das Vorbringen als verspätet nach § 296 Abs. 2 ZPO.

43

Unabhängig hiervon ist das von der Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht auch nicht schlüssig dargelegt worden. Es ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen, dass dieselbe Unterkonstruktion, die auf dem Hallendach Nr. 4 aufgebracht worden ist, auch auf den Dachflächen der Gebäude Nr. 9, 16 und 19 Verwendung gefunden hat. Es fehlt auch jeglicher Vortrag dazu, welchen Umfang die Unterkonstruktionen auf welchen Dachflächen haben und welche Kosten für deren Erneuerung im Einzelnen anfallen würden.

44

4. Die Widerklage der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts teilt der Senat die Auffassung der Beklagten, dass die Widerklage (insgesamt) zulässig ist. Der anspruchsbegründende Sachverhalt befindet sich noch in der Fortentwicklung, weshalb die Beklagte allenfalls Teile ihres Schadensersatzanspruchs beziffern kann. In einem solchen Fall besteht aber kein Vorrang der Leistungsklage insgesamt, sondern die Feststellungsklage ist auch für den bezifferbaren Teil zulässig (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 256 Rn. 7 a m. w. Nw.).

45

Die Widerklage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat den Verzug bei der Inbetriebnahme der Anlage nicht zu vertreten. Insoweit gelten die Ausführungen des Senates zu II. 2. der Urteilsgründe entsprechend.

III.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

47

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

48

Die Festsetzung des Berufungsstreitwertes folgt aus §§ 43, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 63 GKG, 3 ZPO. Hierbei war zunächst die Klageforderung in Höhe von 25.932,91 Euro zu berücksichtigen. Die Hilfsaufrechnungen in Höhe von 15.579,42 Euro wegen Schadenersatz aufgrund gesunkener Einspeisevergütung, in Höhe von 5.604,74 Euro Vertragsstrafe und in Höhe von 37.900,92 Euro Steuerschaden wirkten sich gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG erhöhend auf den Streitwert aus. Es errechnet sich ein Gesamtbetrag von 85.017,99 Euro.

49

Für die Bemessung der Feststellungsklage ist der Senat von den vorgerichtlich geltend gemachten 137.519,60 Euro ausgegangen, hat die Positionen über die im Rahmen der Hilfsaufrechnungen entschieden worden sind (gesunkene Einspeisevergütung, Vertragsstrafe und Steuerschaden) abgezogen und von dem Rest (= 78.434,52 Euro) wegen des Feststellungsbegehrens 60 % angenommen (= 47.060,71 Euro). Diesen Wert hat es gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG mit dem obigen Wert addiert (= 132.078,70 Euro).

50

Gründe für eine Zulassung der Revision lagen nicht vor.

51

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 31. März 2015 gab keinen Anlass, die ordnungsgemäß geschlossene mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).


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