Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 L 29/14

Tatbestand

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Der Kläger, der Synagogengemeinde zu A-Stadt e. V., begehrt von dem beklagten Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt die Festsetzung und Auszahlung seines Anteils an dem auf der Grundlage eines Staatsvertrags gewährten Landeszuschuss für die Jüdische Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt für das Jahr 2007.

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Am 20. März 2006 schlossen das Land Sachsen-Anhalt und die Jüdische Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt einen Staatsvertrag (Staatsvertrag 2006 - StV 2006, GVBl. LSA S. 469), dem der Landtag von Sachsen-Anhalt durch Gesetz vom 4. August 2006 (GVBl. LSA S. 468) die Zustimmung erteilte. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 StV 2006 beteiligt sich das Land Sachsen-Anhalt mit einem Gesamtzuschuss (Landeszuschuss) an den Ausgaben der Jüdischen Gemeinschaft, die ihr für in Sachsen-Anhalt lebende jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger durch die Erfüllung von religiösen und kulturellen Bedürfnissen entstehen. Anspruchsberechtigt sind nach Abs. 3 des Schlussprotokolls zu Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit dem Schlussprotokoll zu Art. 1 Abs. 2 StV 2006 neben dem Beklagten die drei ihm angehörenden beigeladenen jüdischen Gemeinden, ferner der Kläger, der kein Mitglied des Beklagten ist, sowie unter bestimmten Voraussetzungen neu entstehende jüdische Gemeinden. Gemäß Abs. 4 des Schlussprotokolls zu Art. 13 Abs. 1 StV 2006 erhalten der Beklagte einen Sockelbetrag von 10 v.H. und die der Jüdischen Gemeinschaft angehörenden Gemeinden einen solchen von jeweils 5 v.H. des jährlichen Landeszuschusses zur Abdeckung ihrer fixen Kosten. Die weitere Verteilung richtet sich nach der Gesamtzahl der Gemeindemitglieder zum 31. Dezember des vorigen Jahres, soweit sie ihren Hauptwohnsitz im Land Sachsen-Anhalt haben. In diesem Zusammenhang wurde darüber hinaus vereinbart, dass der Beklagte zur Bekanntgabe der durch den Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland schriftlich bestätigten Mitgliederzahlen an das Land verpflichtet ist.

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Mit vorläufigem Bescheid vom 9. Januar 2007 setzte der Beklagte den mitgliederbezogenen Anteil des Klägers am Landeszuschuss für das Jahr 2007 auf 37.740,00 € fest. Da der Generalsekretär des Zentralrats die Prüfung der Mitgliederlisten mit Stand zum 31. Dezember 2006 noch nicht abgeschlossen habe, werde der Berechnung vorläufig zugrunde gelegt, dass die Beigeladene zu 2. zu diesem Stichtag 706 Mitglieder, die Beigeladene zu 1. 604 Mitglieder, die Beigeladene zu 3. 495 Mitglieder und der Kläger 45 Mitglieder gehabt habe. Der dagegen eingelegte Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er habe nicht nur 45, sondern 326 Mitglieder, blieb unbeschieden.

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Der Generalsekretär des Zentralrats erklärte mit Schreiben vom 9. Juli 2007, von den gemeldeten 326 Mitgliedern des Klägers seien sechs doppelt und 32 zugleich in der Mitgliederliste der Beigeladenen zu 2. aufgeführt, bei 41 Personen fehlten Angaben zu Wohnsitz, Geburtsdatum und Geburtsort. Die übrigen Mitglieder hätten überwiegend keine Angaben zu ihrem Geburtsort gemacht. Zudem könne nicht festgestellt werden, dass sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß in A-Stadt angemeldet seien. Dem Kläger werde eine Mitgliederzahl von 247 bestätigt, allerdings werde darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Existenz dieser Personen nicht habe überprüft werden können.

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In einem weiteren Schreiben vom 26. Juli 2007 teilte der Generalsekretär des Zentralrats dem Beklagten, dem Kläger und den Beigeladenen mit, er sei im Hinblick auf die fortbestehenden erheblichen Unsicherheiten wegen der Mitgliederzahlen des Klägers weder personell in der Lage noch gewillt, weitergehende Ermittlungen anzustellen. An den von ihm mitgeteilten Prüfergebnissen werde es deshalb keine Änderungen mehr geben. Die vorgelegten Zahlen seien nunmehr als verbindlich anzusehen, da der Kläger keine weiteren Angebote zur Klärung der offenen Fragen unterbreitet habe.

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Der Aufforderung des Klägers, seinen mitgliederbezogenen Anteil am Landeszuschuss auf der Grundlage von 247 Mitgliedern festzusetzen, kam der Beklagte nicht nach.

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Mit Bescheid vom 6. Dezember 2007 setzte der Beklagte im Hinblick auf eine abschließende Bestimmung der Gesamthöhe des Landeszuschusses für das Jahr 2007 auf 1.045.592,83 € durch das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt den auf den Kläger entfallenden Sockelbetrag endgültig auf 52.279,64 € fest.

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Am 29. Oktober 2007 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Halle Untätigkeitsklage erhoben. Er hat geltend gemacht, sein mitgliederbezogener Anteil an dem für das Jahr 2007 gewährten Landeszuschuss sei aus einem verbleibenden Gesamtbetrag von 731.915,10 € bei insgesamt 1.985 Gemeindemitgliedern auf der Grundlage von 247 bestätigten Mitgliedern zum 31. Dezember 2006 festzusetzen. Nach Abzug monatlich geleisteter Abschläge in Höhe von 7.500,00 € habe er noch Anspruch auf Zahlung von 54.610,72 €. An die Bestätigung von 247 Mitgliedern durch den Generalsekretär des Zentralrats sei der Beklagte gebunden. Ein eigenes Prüfungsrecht stehe ihm nicht zu, insbesondere nicht in der Frage, ob ein Gemeindemitglied dem Judentum zugehöre.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung seines Bescheids vom 9. Januar 2007 die Höhe des dem Kläger zustehenden Anteils am Landeszuschuss für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007 auf 144.610,72 € festzusetzen,

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sowie den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 45.508,90 € nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit (29. Oktober 2007) zu zahlen,

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sowie den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 9.101,82 € nebst 5 v.H. Zinsen über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit (23. Mai 2008) zu zahlen.

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Der Beklagte ist der Klage unter Verweis darauf, dass die Mitgliederliste des Klägers noch nicht abschließend habe geprüft werden können, entgegengetreten und hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 26. November 2009 verpflichtet, den Kläger im Hinblick auf den mitgliederbezogenen Anteil am Landeszuschuss für das Jahr 2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung des von ihm geforderten Beteiligungsbetrags am Landeszuschuss begehre, sei die Sache nicht spruchreif, weil eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Bestätigung der Mitgliederzahlen durch den Generalsekretär des Zentralrats nicht vorhanden sei und vom Gericht nicht ersetzt werden könne.

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Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt, mit der er beantragt hat, die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Der Kläger hat Anschlussberufung eingelegt.

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Der Senat hat durch Urteil vom 20. Juli 2011 die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Nach Abs. 4 Satz 6 des Schlussprotokolls zu Art. 13 Abs. 1 StV 2006 sei dem Generalsekretär des Zentralrats die Aufgabe übertragen, die Mitgliederzahlen schriftlich zu bestätigen. Dadurch habe deren Feststellung der Entscheidungsbefugnis des Beklagten entzogen werden sollen. Nach der Entstehungsgeschichte der Regelung sei damit bezweckt worden, die innerreligiösen Fragen der Zugehörigkeit zum Judentum und der Doppelmitgliedschaften durch den Generalsekretär des Zentralrats als neutrale Prüfinstanz mit Verbindlichkeit für die Beteiligten klären zu lassen. Eine daneben stehende eigene (kumulative) Prüfungskompetenz besitze der Beklagte diesbezüglich nicht. Er dürfe und müsse vielmehr lediglich prüfen, ob die vom Generalsekretär des Zentralrats bestätigten Gemeindemitglieder zum maßgeblichen Stichtag ihren Hauptwohnsitz im Land Sachsen-Anhalt gehabt hätten. Dass der Generalsekretär des Zentralrats nicht Partei des Staatsvertrags 2006 sei, ändere an dieser Beurteilung nichts. Wäre der Beklagte neben dem Generalsekretär des Zentralrats befugt, Fragen der Zugehörigkeit zum Judentum und der Doppelmitgliedschaft in verschiedenen Gemeinden zu prüfen, wäre die Regelung verfassungswidrig. Mit dem Grundrecht der Glaubensfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 und 2 Verf LSA und dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 2 Abs. 1 Verf LSA wäre unvereinbar, wenn dem Beklagten ein eigener Beurteilungs- oder Ermessenspielraum zugebilligt würde, der den Kläger in eine seine Glaubensfreiheit verletzende Abhängigkeit zum Beklagten brächte. Der Beklagte habe als Dachverband der beigeladenen Gemeinden ein institutionelles Eigeninteresse daran, dass die Anteile seiner Mitgliedsgemeinden an dem Landeszuschuss nicht durch die Beteiligung ihm nicht angehörender Gemeinden wie des Klägers geschmälert würden. Die notwendige Bestätigung der Mitgliederlisten durch den Generalsekretär des Zentralrats für das Jahr 2007 liege nicht vor. Die Sache sei deshalb nicht spruchreif. Der Generalsekretär bestätige zwar eine Mitgliederzahl von 247, jedoch mit dem Vorbehalt, dass die tatsächliche Existenz dieser Personen nicht habe abschließend geprüft werden können. In seinem weiteren Schreiben bringe er zum Ausdruck, dass die Prüfung nicht abgeschlossen sei, sondern abgebrochen werde.

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Mit Schreiben vom 28. Juni 2012 wies der Generalsekretär des Zentralrats den Kläger (erneut) auf das Fehlen von für eine Prüfung und Bestätigung der Mitgliederliste des Klägers erforderlichen Unterlagen hin. Würden diese Unterlagen nicht spätestens bis zum 31. Juli 2012 nachgereicht, würden die betreffenden Personen in der abschließenden Entscheidung über die Mitgliederzahl für das Jahr 2007 nicht berücksichtigt werden. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2012 bestätigte der Generalsekretär des Zentralrats dem Kläger, dass er zum 31. Dezember 2006 17 Mitglieder gehabt habe, und bat den Kläger, etwaige Einwände hiergegen unter Beibringung der entsprechenden Nachweise schriftlich zu begründen. Mit weiterem Schreiben vom 10. Januar 2013 gab der Generalsekretär des Zentralrats dem Klägers nochmals, nunmehr bis zum 31. Januar 2013, Gelegenheit, die von ihm verlangten Nachweise vorzulegen, und kündigte an, sodann abschließend über die eingereichten Listen zu entscheiden.

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Mit Urteil vom 27. November 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht auf die von ihm mit Beschluss vom 9. August 2012 zugelassene Revision des Beklagten das Urteil des Senats vom 20. Juli 2011 aufgehoben, soweit der Senat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen hat, und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Der Ausspruch des Verwaltungsgerichts über die Verpflichtung des Beklagten zur Bescheidung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts sei mit § 113 Abs. 5 VwGO nicht vereinbar. Der Senat habe deshalb die Berufung des Beklagten nicht zurückweisen dürfen, sondern den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aufklären und die Sache dadurch spruchreif machen müssen. Rechtsgrundlage für die ausgesprochene Verpflichtung sei Art. 13 Abs. 1 StV 2006 in Verbindung mit dem Schlussprotokoll zu dieser Bestimmung. Sie stehe in der vom Senat gefundenen Auslegung mit Bundes(verfassungs)recht in Einklang. Mit der dem Beklagten übertragenen Verteilung des Landeszuschusses sei weder eine Entscheidung in eigener Sache verbunden, noch gerieten diejenigen Gemeinden, die dem Beklagten - wie der Kläger - nicht angehörten, bei der Verteilung der Mittel in ein rechtsstaatlich bedenkliches Abhängigkeitsverhältnis zum Beklagten. Letzteres sei nicht der Fall, weil der Beklagte für die Festsetzung des Anteils der jeweiligen Gemeinde an dem Landeszuschuss an die Bestätigung der Mitgliederliste durch den Generalsekretär des Zentralrats als neutraler Prüfstelle gebunden sei. Jedoch fehle es an der für einen Bescheidungsausspruch nach § 113 Abs. 5 VwGO erforderlichen Voraussetzung der mangelnden Spruchreife. Auch unter der Prämisse, dass der Beklagte nach dem Staatsvertrag 2006 nicht befugt sei, selbst zu ermitteln und zu prüfen, wie viele Mitglieder die anspruchsberechtigten Gemeinden hätten, diese Feststellung vielmehr einem neutralen Dritten, dem Generalsekretär des Zentralrats, übertragen sei, der sie jedoch nicht verbindlich getroffen, sondern das Prüfungsverfahren abgebrochen habe, sei für eine solche Erstreckung des § 113 Abs. 5 VwGO kein Raum. Vielmehr sei das Gericht, auch wenn es keine verbindliche Bestätigung der Mitgliederliste des Klägers für das Jahr 2007 gebe, nicht daran gehindert, die Sache spruchreif zu machen. Der Generalsekretär des Zentralrats habe bei der Bestätigung der Mitgliederlisten als neutraler Dritter rechtlich die Stellung eines Schiedsgutachters. Ein Schiedsgutachten zur Feststellung einer entscheidungserheblichen Tatsache habe indes keinen grundsätzlichen Vorrang vor einer Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht. Im Gegenteil folge aus dem Rechtsgedanken des auch auf in Staatsverträgen enthaltenen Schiedsabreden entsprechend heranzuziehenden § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen einer Verpflichtungsklage die erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen habe, wenn der Schiedsgutachter die ihm angetragene Überprüfung und Feststellung des Sachverhalts unterlasse. Der Herstellung der Spruchreife stünden im vorliegenden Fall auch keine verfassungsrechtlichen Gründe entgegen. Die Feststellung, wer Mitglied einer Religionsgemeinschaft sei, sei nicht als eine innerreligiöse Frage der Beurteilung und Feststellung durch staatliche Behörden und Gerichte gänzlich entzogen. Zwar umfasse das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV das Recht, die Mitgliedschaft in ihr zu regeln. Soweit es bei der Anwendung einer staatlichen Rechtsnorm aber darauf ankomme, ob eine bestimmte Person aufgrund der selbstgesetzten Kriterien der Religionsgemeinschaft deren Mitglied geworden sei, sei dies im Streitfall durch staatliche Behörden und Gerichte zumindest im Ansatz nachprüfbar. Das gelte in vollem Umfang für formale Voraussetzungen, von denen die Mitgliedschaft nach innergemeinschaftlichem Recht abhänge. So könne von staatlichen Gerichten nachgeprüft werden, ob - wie es die Satzung des Klägers für eine Mitgliedschaft vorschreibe - ein Aufnahmeantrag gestellt worden und eine Entscheidung des zuständigen Gemeindeorgans über die Aufnahme in die Gemeinde ergangen sei. Auch seien die staatlichen Gerichte verfassungsrechtlich nicht gehindert, festzustellen, bei welcher Gemeinde eine Person als Mitglied zu berücksichtigen sei, das in den Mitgliederlisten mehrerer Gemeinden geführt werde, ohne dass es darauf ankomme, ob nach dem innergemeinschaftlichen Recht eine gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren (jüdischen) Gemeinden zulässig sei. Nach dem Staatsvertrag 2006 könne für die Verteilung des Landeszuschusses jede Person nur einer Gemeinde und nicht mehreren Gemeinden zugerechnet werden. Die weitere Frage, ob ein vom Kläger geführtes Mitglied dem Judentum angehöre, sei einer gerichtlichen Überprüfung gleichfalls nicht gänzlich entzogen. Maßgeblich sei das Selbstverständnis des Klägers. Danach gehöre dem jüdischen Glauben an, wer durch Geburt der jüdischen Gemeinschaft angehöre oder in das Judentum aufgenommen worden sei. In diesem Zusammenhang könne auch gerichtlich festgestellt werden, ob ein Übertritt zum Judentum, gleich nach welchem Ritus und unter welchen Voraussetzungen, überhaupt stattgefunden habe. Nichts anderes gelte für die Frage, ob ein Mitglied des Klägers durch Geburt dem Judentum zugehöre. Die dafür erforderliche Abstammung von einer jüdischen Mutter könne insbesondere durch Vorlage einer Geburtsurkunde belegt werden. Soweit die Feststellung, ob ein Mitglied des Klägers dem Judentum zugehöre, aufgrund des religiösen Selbstbestimmungsrechts an Grenzen stoße, sei dieses Mitglied gleichwohl zu berücksichtigen, weil insoweit allein das Selbstverständnis und das Selbstbestimmungsrecht des Klägers maßgeblich seien. Habe der Kläger ein Mitglied aufgenommen, das nach den nachprüfbaren formalen Merkmalen die Zugehörigkeit zum Judentum erfülle, könne durch staatliche Gerichte diese Zugehörigkeit nicht in Frage gestellt werden. Die Bewertung der Religionsgemeinschaft sei vielmehr hinzunehmen, solange nicht deutliche Hinweise auf Missbrauch offen lägen. Zuletzt unterliege voller gerichtlicher Kontrolle auch die Frage, ob ein Mitglied des Klägers seinen Hauptwohnsitz im Land Sachsen-Anhalt habe. Anhand der vorliegenden Listen könne bei den Einwohnermeldeämtern nachgefragt werden, ob das in der Liste aufgeführte Mitglied dort gemeldet sei; darüber hinaus könne vom Kläger verlangt werden, Meldebescheinigungen der zuständigen Einwohnermeldeämter für die von ihm geführten Mitglieder vorzulegen. Personen, die sich illegal in A-Stadt aufhielten, seien bei der Verteilung des Landeszuschusses nicht zu berücksichtigen.

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Zur weiteren Begründung seiner Berufung nach Zurückverweisung der Sache trägt der Beklagte unter anderem vor: Der Generalsekretär des Zentralrats habe mit Schreiben vom 22. Oktober 2012 nach fruchtlosem Ablauf einer von ihm bestimmten Ausschlussfrist verbindlich festgestellt, dass der Kläger zum Stichtag für das Jahr 2007 lediglich über 17 bei der Zuschussverteilung zu berücksichtigende Mitglieder verfügt habe. Daran müsse sich der Kläger ungeachtet der von ihm auf Anforderung des Senats im Fortgang des gerichtlichen Verfahrens vorlegten Mitgliederunterlagen nach wie vor festhalten lassen. Unabhängig davon habe der Kläger mit diesen Unterlagen nicht nachgewiesen, dass er auch nur für ein einziges Mitglied eine Beteiligung an dem mitgliederbezogenen Anteil der Landesmittel für die Jüdische Gemeinschaft beanspruchen könne. So habe er entgegen den Vorgaben des Senats durchweg keine Bestätigungen seiner Mitglieder über die Richtigkeit der sie betreffenden Angaben zur Beurteilung ihrer „Zuschussfähigkeit“ beigebracht. Für eine Vielzahl der aufgelisteten Mitglieder fehle es an einem datierten und unterzeichneten Aufnahmeantrag; mitunter seien die in den Akten vorgelegten Anträge gefälscht. Dass und zu welchem Zeitpunkt das satzungsmäßig vorgesehene Gemeindeorgan des Klägers, namentlich der ursprünglich zuständige Aufnahmeausschuss, über die Aufnahme entschieden habe, sei in keinem einzigen Fall belegt; den auf den Aufnahmeanträgen angebrachten „Aufnahmebestätigungen“ des Vorstandsvorsitzenden komme insoweit keine Aussagekraft zu. Ebenso wenig wie die Erfüllung der formalen Mitgliedschaftsvoraussetzungen habe der Kläger nachgewiesen, dass seine Mitglieder dem Judentum angehörten. Entsprechende Bestätigungen der Zentralwohlfahrtsstelle seien in den Unterlagen nicht zu finden. Die stattdessen in diesem Zusammenhang formularmäßig verwendeten Erklärungen des vom Kläger herangezogenen vermeintlichen Rabbinatsgerichts seien als Nachweismittel bereits deshalb untauglich, weil sie weder auf konkrete Personen bezogen noch mit einem Ausstellungsdatum versehen seien. Auch handele es sich bei den drei Erklärungspersonen nach übereinstimmender Auskunft jüdischer Institutionen in Deutschland nicht um ordnungsgemäß eingesetzte Rabbiner, sondern um Personen, die sich nur als solche bezeichneten, teilweise schon wegen Titelmissbrauchs strafrechtlich verurteilt worden und zudem nicht jüdisch seien. Darüber hinaus scheide die Berücksichtigung jedenfalls derjenigen 17 Personen als Mitglieder des Klägers aus, deren Aufnahme in eine Mitgliederliste vom 8. April 2005 in Verbindung mit darauf bezogenen eidesstattlichen Versicherungen sowie deren Vorlage in verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren im Jahr 2006 dazu geführt habe, dass gegen den Vorstandsvorsitzenden des Klägers ein rechtskräftiger Strafbefehl ergangen sei. Diese 17 Personen hätten seinerzeit selbst bestritten, Mitglieder des Klägers zu sein. In gleicher Weise müssten die vom Kläger als Gründungsmitglieder behaupteten Personen außer Betracht bleiben. Soweit er sich nämlich auf eine bei seiner Gründung aufgestellte Mitgliederliste vom 26. Juli 1996 berufe, stelle diese in Wahrheit eine Anwesenheitsliste für eine Mitgliederversammlung der Beigeladenen zu 2. dar, die der Vorstandsvorsitzende des Klägers für Zwecke des Gründungsnachweises in ihrem Kopfteil nachträglich manipuliert habe. Die in der so umgestalteten Liste erscheinenden Personen seien daher tatsächlich nie Mitglieder des Klägers geworden. Von den vorgenannten Einwänden abgesehen, enthalte die Mitgliederliste des Klägers etliche Personen, deren Hauptwohnsitz am Stichtag nicht im Land Sachsen-Anhalt gelegen habe, die ausweislich ihrer Personaldokumente, nach Mitteilung der Zentralwohlfahrtsstelle oder den Angaben ihrer Familienangehörigen zufolge nicht dem Judentum angehörten, die dem Kläger zu keinem Zeitpunkt beigetreten, sondern Mitglied einer anderen jüdischen Gemeinde, etwa der Beigeladenen zu 2., (gewesen) seien oder sich jedenfalls erklärtermaßen einer anderen jüdischen Gemeinde zugehörig betrachteten. In Einzelfällen würden vom Kläger auch identische Personen mit unterschiedlicher Namensschreibweise doppelt oder sogar vor dem Stichtag verstorbene Personen weiterhin als Mitglieder verbucht. Der Kläger führe damit bewusst und in krimineller Absicht zum Nachteil der Beigeladenen Personen in seiner Mitgliederliste, für die ihm nach dem Staatsvertrag 2006 öffentliche Mittel nicht zustünden.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 26. November 2009 abzuändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

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Er tritt dem Vorbringen des Beklagten entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat.

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Sämtliche Beigeladenen beantragen,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 26. November 2009 auf die Berufung des Beklagten abzuändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.

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Sie halten die vom Kläger behaupteten Mitgliederzahlen in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Beklagten für weit überhöht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf die beigezogenen Unterlagen sowohl dieses Verfahrens als auch der Verfahren 3 L 32/14 und 3 L 30/14 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Gegenstand des Verfahrens nach der teilweisen Zurückverweisung der Sache durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2013 ist nicht mehr die Verpflichtung des Beklagten nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO zur (endgültigen) Festsetzung des auf den Kläger entfallenden mitgliederbezogenen Anteils an dem Landeszuschuss für die Jüdische Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt für das Jahr 2007, sondern nur noch die Verpflichtung des Beklagten, über den entsprechenden Beteiligungsanspruch des Klägers (neu) zu entscheiden.

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Die Berufung des Beklagten mit dem Begehren, die Klage gänzlich abzuweisen, ist zulässig und in dem aus dem Entscheidungstenor ersichtlichen Umfang begründet.

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Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Höhe seines Anteils an dem Landeszuschuss für das Jahr 2007 - zusätzlich zu dem ihm bereits zuerkannten und zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehenden Sockelbetrag in Höhe von 52.279,64 €- auf mehr als 17.367,42 € festgesetzt wird. Auf diesen betragsmäßigen Umfang beschränkt sich daher die Verpflichtung des Beklagten zur (Neu-)Bescheidung des Klägers.

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1. Unter Berücksichtigung der im zurückverweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausdruck gekommenen rechtlichen Beurteilung, an die der Senat gemäß § 144 Abs. 6 VwGO gebunden ist, ist von Folgendem auszugehen:

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Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Festsetzung des mitgliederbezogenen Anteils an dem Landeszuschuss ist Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des mit Zustimmungsgesetz vom 4. August 2006 (GVBl. LSA S. 468) in Landesrecht transformierten Staatsvertrags des Landes Sachsen-Anhalt mit der Jüdischen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt vom 20. März 2006 (Staatsvertrag 2006 - StV 2006, GVBl. LSA S. 469) in Verbindung mit dem Schlussprotokoll zu dieser Bestimmung. Gemäß § 18 Satz 1 StV 2006 ist dieser Vertrag samt Schlussprotokoll am Tag nach der am 6. Juli 2006 erfolgten Ratifizierung durch den Landtag von Sachsen-Anhalt, also am 7. Juli 2006, ohne Rückwirkung in Kraft getreten (vgl. OVG LSA, Urteil vom 23. Oktober 2013 - 3 L 33/13 -, UA S. 8; ebenso zum Zeitpunkt des Inkrafttretens die Bekanntmachung des Ministeriums der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. Januar 2008, GVBl. LSA S. 25).

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Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 StV 2006 beteiligt sich das Land mit einem Gesamtzuschuss (Landeszuschuss) an den Ausgaben der Jüdischen Gemeinschaft, die ihr für in Sachsen-Anhalt lebende jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger durch die Erfüllung von religiösen und kulturellen Bedürfnissen entstehen. Nach Abs. 3 des Schlussprotokolls zu Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit dem Schlussprotokoll zu Art. 1 Abs. 2 StV 2006 ist außer dem Beklagten, den drei beigeladenen jüdischen Gemeinden sowie gegebenenfalls - hier indes nicht relevant - neu entstehenden jüdischen Gemeinden auch der Kläger anspruchsberechtigt. Die Aufteilung des Landeszuschusses ist in Abs. 4 des Schlussprotokolls zu Art. 13 Abs. 1 StV 2006 geregelt. Danach erhält der Beklagte einen Sockelbetrag von 10 v.H. des jährlichen Landeszuschusses. Der verbleibende Betrag wird auf die der Jüdischen Gemeinschaft im Sinne des Vertrags angehörenden Gemeinden aufgeteilt. Sie erhalten einen Sockelbetrag von jeweils 5 v.H. des Landeszuschusses zur Abdeckung ihrer fixen Kosten. Für die weitere Verteilung ist die Gesamtzahl der Gemeindemitglieder maßgebend, soweit sie ihren Hauptwohnsitz im Land Sachsen-Anhalt haben. Dabei ist für die Bemessung der Stand der Mitgliederzahlen zum 31. Dezember des vorigen Jahres maßgeblich. Der Beklagte ist zur Bekanntgabe der durch den Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland schriftlich bestätigten Mitgliederzahlen an das Land verpflichtet.

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Wie der Senat in seinem Urteil vom 20. Juli 2011 ausgeführt hat, ist nach Abs. 4 des Schlussprotokolls zu Art. 13 Abs. 1 StV 2006 dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland als neutraler Stelle die Prüfung übertragen, wie viele Mitglieder die Gemeinden jeweils haben. Der Beklagte ist für die Festsetzung des Anteils der jeweiligen Gemeinde an diese Bestätigung der Mitgliederliste gebunden. Ihm bleibt danach nur noch, die für ihn verbindliche Vorgabe unverändert in einen Festsetzungsbescheid umzusetzen. Dieses Verständnis der staatsvertraglichen Verteilungsregelung ist aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung im Hinblick auf das Grundrecht des Glaubensfreiheit und das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 9 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Verf LSA geboten und wird sowohl durch den Zweck der Bestimmung als auch durch ihre Entstehungsgeschichte entscheidend gestützt.

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Ferner hat der Senat in dem bezeichneten Urteil dargelegt, dass der Generalsekretär des Zentralrats die hiernach erforderliche verbindliche Bestätigung der Mitgliederliste des Klägers für das Jahr 2007 nicht erteilt, sondern die Überprüfung der Mitgliederzahl des Klägers zum Stichtag des 31. Dezember 2006 vielmehr ergebnislos abgebrochen hat. In diesem Fall trifft nach dem Rechtsgedanken des § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB das Gericht die Pflicht, die dem Generalsekretär des Zentralrats als Schiedsgutachter zugedachte Überprüfung und Feststellung der Gesamtzahl der Gemeindemitglieder vorzunehmen. Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft in ihren eigenen Angelegenheiten aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV auch das Recht umfasst, die Mitgliedschaft in ihr zu regeln. Abzustellen ist allerdings auf das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft, d. h. die von ihr selbstbestimmt festgelegten Kriterien für eine Mitgliedschaft. Insofern gilt im Übrigen nichts anderes als in dem Fall, dass der Beklagte unter Einbeziehung einer Bestätigung des Generalsekretärs abschließend den Anspruch der Gemeinden auf deren Beteiligung am Landeszuschuss festgesetzt hat und eine Gemeinde geltend macht, sie habe mehr Mitglieder, als der Generalsekretär ihr bestätigt habe. Auch dann ist bei einer Klage etwa auf Festsetzung eines höheren mitgliederbezogenen Anteils die Bestätigung der Mitgliederliste inzident durch das Gericht zu überprüfen. Eine solche Überprüfung kann der betroffenen Gemeinde nicht allein deshalb verwehrt werden, weil die Feststellung der Mitgliederzahl einem Schiedsgutachter übertragen ist. Schon aus diesem Grund ist dem Beklagten nicht darin zu folgen, dass sich der Kläger wegen Verstreichenlassens der ihm vom Generalsekretär des Zentralrats unter dem 28. Juni 2012 gesetzten (Ausschluss-)Frist auf die in dessen Schreiben vom 22. Oktober 2012 genannten Mitgliederzahlen verweisen lassen müsse. Davon abgesehen hat der Generalsekretär dem Kläger in dem Schreiben vom 22. Oktober 2012 ausdrücklich die Möglichkeit der Erhebung von Einwänden eröffnet und mit weiterem Schreiben vom 10. Januar 2013 eine abschließende Entscheidung über die eingereichten Listen für die Zeit nach dem 31. Januar 2013 angekündigt; dies zeigt, dass er selbst in den mit Schreiben vom 22. Oktober 2012 bestätigten Mitgliederzahlen noch keine verbindliche Festlegung, sondern nur ein vorläufiges Ergebnis gesehen hat.

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Soweit die Beigeladene zu 2. die Auffassung vertritt, dass der Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt - nach seinem Ausscheiden aus der Union progressiver Juden in Deutschland (UpJ) im Jahr 2011 - nicht mehr zur Jüdischen Gemeinschaft gehöre bzw. nicht mehr als jüdische Gemeinde gelten könne, ist dies für die durch den Staatsvertrag 2006 begründeten - und nachträglich nicht erloschenen - Teilhabeansprüche für das Jahr 2007 ohne rechtliche Bedeutung.

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Damit eine Person als Gemeindemitglied bei der Verteilung des Landeszuschusses berücksichtigt werden kann, müssen stichtagsbezogen sämtliche formalen (äußerlichen) Voraussetzungen erfüllt sein, von denen eine Mitgliedschaft in der jeweiligen jüdischen Gemeinde nach deren innergemeinschaftlichem Recht abhängt. Zudem sind nach dem Staatsvertrag 2006 nur solche Personen in die Ermittlung der Mitgliederzahlen aufzunehmen, die am Stichtag dem Judentum zugehörten. Darüber hinaus müssen diese Personen zum Stichtag ihren Hauptwohnsitz im Land Sachsen-Anhalt gehabt haben.

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2. Die Mitgliederliste des Klägers zum Stichtag des 31. Dezember 2006 umfasst (abzüglich der kenntlich gemachten vier Austritte) 295 Personen. Davon sind in die Aufteilung des Landeszuschusses für das Jahr 2007 jedoch nur 42 Personen einzubeziehen.

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a) Die Mitgliederliste ist zunächst im Hinblick auf diejenigen Personen zu bereinigen, die in ihr mehrfach genannt sind oder die unter dem Gesichtspunkt der Mehrfachmitgliedschaft nicht zu berücksichtigen sind.

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aa) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. November 2013 (Rn. 54) entschieden, dass die staatlichen Gerichte durch das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften nicht gehindert sind, festzustellen, bei welcher Gemeinde eine Person als Mitglied zu berücksichtigen ist, das in den Listen mehrerer Gemeinden geführt wird, ohne dass es darauf ankommt, ob nach dem innergemeinschaftlichen Recht eine gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren jüdischen Gemeinden zulässig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat hervorgehoben, dass nach dem Staatsvertrag 2006 für die Verteilung des Landeszuschusses jede Person nur einer Gemeinde und nicht mehreren Gemeinden zugerechnet werden kann. Eine mehrfache Berücksichtigung von Personen verminderte nämlich den Pro-Kopf-Anteil zu Lasten der übrigen Gemeinden. Der Senat hat dem Kläger und den Beigeladenen deshalb durch Verfügung des Berichterstatters unter Fristsetzung gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, § 87b Abs. 2 in Verbindung mit § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgegeben, im Rahmen der Erbringung der den Mitgliederlisten beizufügenden mitgliederbezogenen Nachweise eine Erklärung des einzelnen Mitglieds vorzulegen, dass seine Mitgliedschaft in der jeweiligen Gemeinde zum Stichtag (fort-)bestand und es keiner weiteren jüdischen Gemeinde in Sachsen-Anhalt angehörte, bzw. im Fall des Bestehens einer jedenfalls formalen Doppelmitgliedschaft eine Erklärung des bei zwei Gemeinden aufgeführten Mitglieds beizubringen, aus der sich ergibt, welcher Gemeinde es sich zum Stichtag zugehörig betrachtet. Ohne eine solche Erklärung ist das doppelt geführte Mitglied mangels Nachweises der Mitgliedschaft in einer bestimmten Gemeinde bei der Mittelvergabe gänzlich unberücksichtigt zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, a. a. O.).

43

Damit eine Erklärung dieser Art als Nachweis der Zuordnung zu der einen oder anderen Gemeinde anerkannt werden kann, muss sie grundsätzlich von dem Mitglied selbst stammen und kann insbesondere bei verstorbenen Mitgliedern nicht durch eine Erklärung von Angehörigen oder sonstigen Dritten ersetzt werden. Auch muss sie hinreichend bestimmt sein und grundsätzlich auf den Stichtag verweisen. Keine gesicherte Zuordnung ermöglichen deshalb die inhaltlich vagen und nicht auf den Stichtag bezogenen Angaben in den Aufnahmeformularen des Klägers. Eine besondere Fallgruppe bilden diejenigen Personen, die in der Mitgliederliste der Beigeladenen zu 2. geführt und zugleich vom Kläger als Gründungsmitglieder reklamiert werden, ihre Beteiligung an der Gründung des Klägers jedoch mit dem Hinweis in Abrede gestellt haben, dass sie sich zu keinem Zeitpunkt in die Gründungsliste des Klägers vom 26. Juli 1996, sondern vielmehr in eine ihnen als Anwesenheitsliste einer Mitgliederversammlung der Beigeladenen zu 2. unterbreitete Aufstellung eingetragen hätten oder ohne ihr Wissen von Dritten in eine entsprechende Liste eingetragen worden seien, und die vor diesem Hintergrund eine zusätzliche oder alternative Mitgliedschaft beim Kläger bestreiten. Diese Personen, die sich nach eigenem Bekunden vom Kläger zu Unrecht als Gründungsmitglieder verbucht sehen, haben deutlich gemacht, dass sie sich generell und mithin auch zu dem in Frage stehenden Stichtag der Beigeladenen zu 2. zuordnen.

44

bb) In der Mitgliederliste des Klägers werden zum einen - nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten - unter den Nrn. 0105 und 0134, zum anderen unter den Nrn. 0133 und 0288 dieselben Personen geführt, so dass jeweils eine Listennummer für diese Personen zu streichen ist.

45

cc) Die in der Mitgliederliste des Klägers unter den Nrn.

0030

0031

0055

0056

0071

0086

0087

0104

0108

0109

0110

0111

0112

0113

0114

0118

0169

0186

0187

0203

0204

0222

0251

0277

0280

46

genannten 25 Personen werden auch in der Mitgliederliste der Beigeladenen zu 2. (Tabelle T1 Nrn.

63

65

116

118

190

208

209

239

249

262

263

264

265

260

259

538

443

500

501

511

514

550

645

705

712)

47

für das Jahr 2007 geführt. In den Mitgliederunterlagen der Beigeladenen zu 2. finden sich aktuelle Erklärungen dieser Mitglieder, wonach sie sich zum Stichtag als der Beigeladenen zu 2. zugehörig betrachten, bzw. ihre Zuordnung zur Beigeladenen zu 2. ergibt sich aus der Einlassung, kein Gründungsmitglied des Klägers zu sein. Sie sind daher der Beigeladenen zu 2., nicht jedoch dem Kläger zuzurechnen.

48

Die in der Mitgliederliste des Klägers unter den Nrn.

0023

0051

0120

0215

0227

0229

0243

0254

0274

0285

0297

49

genannten elf Personen werden auch in der Mitgliederliste der Beigeladenen zu 2. (Tabelle T1 Nrn.

53

114

334

539

562

81

640

647

710

720

744)

50

für das Jahr 2007 geführt. Auch diese Personen bleiben beim Kläger unberücksichtigt, weil keine von ihnen abgegebenen Erklärungen vorgelegt wurden, aus denen sich mit hinreichender Bestimmtheit ergibt, welcher Gemeinde sie zum Stichtag angehören wollen.

51

b) Es muss nachgewiesen werden, dass die in der Mitgliederliste benannten Personen zum Stichtag des 31. Dezember 2006 ihren Hauptwohnsitz im Land Sachsen-Anhalt hatten.

52

aa) Die Frage, ob ein Mitglied einer jüdischen Gemeinde an dem für die Anwendung der staatsvertraglichen Verteilungsregelung maßgeblichen Stichtag seinen Hauptwohnsitz im Land Sachsen-Anhalt hatte, unterliegt gleichfalls voller verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 64). Will ein Bundesland - wie hier - finanzielle Leistungen an eine Religionsgemeinschaft nur für Bürger erbringen, die dort ihren Hauptwohnsitz haben, so liegt darin kein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 65). Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hat der Senat daher uneingeschränkt zu überprüfen. Zu diesem Zweck hat er den Kläger und die Beigeladenen aufgefordert, für jedes von ihnen angegebene Mitglied eine Bescheinigung des zuständigen Einwohnermeldeamts vorzulegen, um den Nachweis zu erbringen, dass das Mitglied am Stichtag mit dem Hauptwohnsitz in der betreffenden Gemeinde im Land Sachsen-Anhalt angemeldet war (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 66).

53

bb) Soweit es dem Kläger nicht gelungen ist, eine positive Melderegisterauskunft für die von ihm geführten Mitglieder beizubringen, bleiben diese Mitglieder bei der Berechnung des mitgliederbezogenen Anteils am Landeszuschuss außer Betracht. Der Senat ist nicht gehalten, bei den Einwohnermeldeämtern selbst noch einmal gezielt nachzufragen, ob die in Rede stehenden Personen dort nicht doch gemeldet sind, zumal er insoweit über keine anderen oder weitergehenden personenbezogenen Daten als der Kläger verfügt, die eine erneute Prüfung als aussichtsreich erscheinen lassen.

54

(1) Dass die Abfragen des Klägers bei den Einwohnermeldeämtern in nicht wenigen Fällen zu Fehlanzeigen geführt haben, kann unterschiedliche Gründe haben. Soweit die Fehlanzeigen ihre Ursache möglicherweise in der erforderlichen Umschrift der Namen von insbesondere aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion stammenden Mitgliedern aus der kyrillischen in die lateinische Schreibweise haben, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27. November 2013 (a. a. O.) darauf hingewiesen, dass die Mitglieder entweder Meldebescheinigungen bei ihrer Anmeldung erhalten haben oder sie sich selbst unschwer beschaffen können und dass der Kläger angesichts der von ihm erbrachten religiösen und kulturellen Leistungen von ihnen erwarten kann, dass sie ihn mit der Beibringung notwendiger Unterlagen unterstützen. Darauf hätte der Kläger sachgerechterweise bereits zeitnah nach Inkrafttreten des Staatsvertrags 2006 (am 7. Juli 2006), der das Wohnsitzkriterium erstmals eingeführt hat, für seine ihm zu diesem Zeitpunkt schon angehörenden Mitglieder hinwirken können. Etwaige Übertragungsfehler aus dem kyrillischen Alphabet rechtfertigen es mithin nicht, auf Meldebescheinigungen zum Nachweis des Hauptwohnsitzes zu verzichten.

55

Weiter können die Fehlanzeigen darauf beruhen, dass sich die Mitglieder nicht an- oder umgemeldet oder bei ihrer Aufnahme in die Gemeinde unrichtige Angaben gegenüber dem Kläger gemacht haben. Dies kann seinerseits darauf zurückzuführen sein, dass - wie vom Kläger geltend gemacht worden ist - eine erhebliche Anzahl seiner Mitglieder nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und sich illegal in A-Stadt aufhält. Allerdings sind diese Mitglieder bei der Verteilung des Landeszuschusses nicht zu berücksichtigen, weil der Staatsvertrag 2006 unter jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Hauptwohnsitz in Sachsen-Anhalt ersichtlich nur solche versteht, die sich hier legal aufhalten (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 67).

56

Wie nicht zuletzt die gelegentliche Vorlage scheinbar widersprüchlicher (positiver und negativer) Melderegisterauskünfte für identische Personen zeigt, ist überdies festzustellen, dass der Kläger den Einwohnermeldeämtern wiederholt (unbeabsichtigt) falsche oder für eine erfolgreiche Überprüfung nicht ausreichende Personendaten übermittelt hat. Auch ein solcher Geschehensablauf, bei dem die entsprechende Fehlanzeige regelmäßig Anlass geboten hätte, eine korrigierte Neuanfrage vorzunehmen (namentlich wenn das Antwortschreiben des Einwohnermeldeamts die ausdrückliche Bemerkung enthielt, dass Personen mit gleichem oder ähnlichem Namen gemeldet seien), liegt im eigenen Verantwortungsbereich des Klägers und kann ihn von der Erfüllung des Nachweises für den Hauptwohnsitz seiner Mitglieder nicht entlasten.

57

(2) Soweit der Kläger die Fehlanzeigen demgegenüber mit einer fehlerhaften Arbeitsweise der Einwohnermeldeämter oder damit erklären will, dass die Meldeunterlagen bei der Meldebehörde verloren gegangen seien, gibt es dafür jedenfalls in Anbetracht der heutzutage automatisierten Registerführung keinen greifbaren Anhaltspunkt. An dem Erfordernis der Vorlage von Meldebescheinigungen zur Feststellung der für die Verteilung der Landesmittel in Ansatz zu bringenden Mitgliederzahlen ist demnach bei dem Kläger - ebenso wie bei den Beigeladenen - im Grundsatz ohne Abstriche festzuhalten. Klarzustellen ist lediglich, dass es dabei prinzipiell nicht darauf ankommt, welches Datum die Meldebescheinigung trägt. Auch in Fällen, in denen die Bescheinigung schon vor der Aufklärungsverfügung des Senats erstellt worden und eine spätere Anfrage des Klägers (mit abweichenden Angaben) erfolglos geblieben ist, ist entscheidend vielmehr nur, ob der (früheren) Bescheinigung hinreichend klar zu entnehmen ist, dass das Mitglied zum Stichtag seinen Hauptwohnsitz in Sachsen-Anhalt hatte.

58

(3) Nach diesen Grundsätzen genügt allein die Erklärung eines Mitglieds (etwa im Aufnahmeantrag), unter einer bestimmten Anschrift in einer sachsen-anhaltinischen Gemeinde zu wohnen, zum Nachweis des Hauptwohnsitzes auch dann nicht, wenn sie in zeitlicher Nähe zum Stichtag abgegeben wurde. Auch eine Erklärung des Vorstandsvorsitzenden des Klägers, ein seinerzeit in der Gemeinde aktives Mitglied habe glaubhaft oder sogar „definitiv“ wahrheitsgemäß versichert, in Sachsen-Anhalt zu wohnen, reicht mangels weiterer Belege oder Bezeichnung konkreter Belegtatsachen für die Richtigkeit dieser Behauptung sowie mangels Aussagegehalts hinsichtlich ihres zeitlichen Bezugspunkts nicht aus. Nur wenn die Meldebescheinigung nach ihrem Inhalt ausnahmsweise eine zeitliche Zuordnung der Wohnsitznahme nicht erlaubt, kann in Zusammenschau mit der Erklärung des Mitglieds der Nachweis als erbracht angesehen werden, dass es seinen Hauptwohnsitz zum Stichtag im Land Sachsen-Anhalt hatte. So liegt es beispielsweise, wenn sich die Meldebescheinigung auf die Bestätigung beschränkt, dass der gegenwärtige Hauptwohnsitz eines Mitglieds (im Jahr 2015) in Sachsen-Anhalt liegt, dieses Mitglied jedoch dieselbe Wohnadresse oder wenigstens dieselbe Wohngemeinde schon in seinem Aufnahmeantrag angegeben hatte; denn dann liegt - unbeschadet der nicht auszuschließenden Möglichkeit des zwischenzeitlichen Wegzugs in ein anderes Bundesland oder ins Ausland und des erneuten Zuzugs von dort und unter der Voraussetzung, dass nichts Konkretes auf einen solchen Ablauf hindeutet - die Annahme nahe, dass die Hauptwohnung des Mitglieds auch zum fraglichen Stichtag, der notwendigerweise nach dem Zeitpunkt des Aufnahmeantrags liegen muss, bereits in dem Wohnort der Anmeldung bestand. Geht aus der Meldebescheinigung aber hervor, dass ein Mitglied erst nach dem Stichtag nach Sachsen-Anhalt zugezogen oder vor dem Stichtag aus Sachsen-Anhalt weggezogen ist, oder lässt die Meldebescheinigung im Fall des Zuzugs nach dem Stichtag den früheren Wohnsitz oder im Fall des Wegzugs vor dem Stichtag den späteren Wohnsitz des Mitglieds offen und fehlt es insoweit auch an anderweitigen tragfähigen Unterlagen, so ist der stichtagsbezogene Nachweis des Hauptwohnsitzes in Sachsen-Anhalt nicht erbracht.

59

cc) Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben hat der Kläger für 165 der 295 in seiner Mitgliederliste aufgeführten Personen nicht nachgewiesen, dass sie zum Stichtag des 31. Dezember 2006 ihren Hauptwohnsitz im Land Sachsen-Anhalt hatten. Diese Mitglieder sind in der Mitgliederliste des Klägers unter den folgenden Nummern erfasst (wobei diejenigen Nummern, die in runde Klammern gesetzt sind, auch und bereits wegen Doppelnennung oder Doppelmitgliedschaft aus der Zählung herausfallen):

0001

0002

0005

0010

0011

0012

0013

0014

0016

0017

0018

0020

0021

0022

0024

0025

0026

0028

(0030)

0032

0033

0034

0035

0036

0037

0042

0046

0047

0048

0049

0050

0052

0053

0054

0057

0058

0059

0060

0061

0065

0067

0068

0069

0070

0072

0073

0076

0077

0079

0081

0082

0083

0084

0085

(0087)

0088

0089

0090

0095

0096

0098

0099

0101

0102

0103

(0104)

0106

0107

0115

0116

(0118)

0119

(0120)

0121

0122

0123

0124

0125

0126

0127

0129

0130

0131

(0134)

0137

0138

0142

0143

0144

0145

0147

0148

0150

0151

0152

0153

0154

0155

0158

0163

0164

0165

0166

0167

(0169)

0170

0171

0174

0177

0183

0188

0191

0192

0196

(0203)

(0204)

0205

0206

0207

0208

0210

0214

(0215)

0219

0220

0224

0225

(0229)

0230

0231

0232

0233

0234

0236

0241

(0243)

0244

0256

0258

0259

0260

0261

0262

0263

0265

0266

0267

0268

0269

0270

0271

0272

0273

0275

0276

(0277)

0278

0283

0291

0292

0293

0294

0295

0298

0299

60

dd) Soweit der Beklagte im Wege der Einholung einer Auskunft des Einwohnermeldeamts, „hilfsweise“ der Zeugenvernehmung durch den Senat geklärt wissen wollte, dass bestimmte in der Mitgliederliste des Klägers genannte Personen am 31. Dezember 2006 im Land Sachsen-Anhalt keinen Wohnsitz begründet hatten (Beweisantrag zu 5. im Schriftsatz des Beklagten vom 2. November 2015 [S. 39 f.], Anlage BK 80 [in Beiakte 3-E]), sind diese Personen mit Ausnahme der unter den Nrn. 0045, 0175, 0211, 0242 und 0274 geführten Mitglieder in der obigen Liste enthalten und damit mangels Nachweiserbringung durch den Kläger nicht berücksichtigungsfähig. Für die Mitglieder mit den Nrn. 0045, 0175, 0211, 0242 und 0274 hat der Kläger demgegenüber in seinen Mitgliederunterlagen jeweils Bescheinigungen des Einwohnermeldeamts vorgelegt, die belegen, dass sie ihren Hauptwohnsitz am Stichtag in Sachsen-Anhalt hatten.

61

c) Eigenständige Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Mitglieds bei der Mittelverteilung ist nach dem Staatsvertrag 2006 seine Zugehörigkeit zum Judentum (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 55). Ob ein von einer jüdischen Gemeinde geführtes Mitglied dem Judentum angehört, ist einer gerichtlichen Überprüfung nicht gänzlich entzogen. Maßgeblich ist das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 56).

62

Nach dem religiösen Selbstverständnis des Klägers, wie es in § 2 Buchst. a seiner Gründungssatzung vom 26. Juli 1996 und seiner Satzung vom 14. April 2000 sowie § 2 Buchst. c seiner Satzung vom 6. November 2006 Ausdruck gefunden hat, gehört entsprechend dem traditionellen Verständnis dem jüdischen Glauben an, wer durch Geburt der jüdischen Gemeinschaft angehört oder in das Judentum aufgenommen worden ist. Auf welche Weise und mit welchen Mitteln diese Voraussetzungen nachzuweisen sind, hat der Kläger in seinem Satzungsrecht nicht geregelt. Auch aus seinem schriftsätzlichen Vortrag zu den diesbezüglichen Erfordernissen - gleich ob sie nur für seine Gemeinde oder ob sie generell für das „Reformjudentum“ (wie er es versteht) gelten sollen - ergeben sich für den Senat insoweit keine verbindlichen Vorgaben.

63

Hat der Kläger indes ein Mitglied aufgenommen, dass nach den nachprüfbaren formalen Kriterien die Zugehörigkeit zum Judentum erfüllt, kann diese Zugehörigkeit staatlicherseits nicht deshalb in Frage gestellt werden, weil sie nicht voll nachgewiesen werden könne. Vielmehr gebietet dann der Grundsatz staatlicher Neutralität, die Bewertung der jeweiligen Religionsgemeinschaft hinzunehmen, solange nicht deutliche Hinweise auf Missbrauch offenliegen (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 62 unter Hinweis auf VerfG Bbg, Urteil vom 24. April 2012 - 47/11 -, juris Rn. 52).

64

aa) Nach jüdischem Religionsgesetz (sog. Halacha) gilt als Person jüdischen Glaubens jede Person, die von einer jüdischen Mutter abstammt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 BvR 278/11 -, juris Rn. 3 m. w. N.). Dies entspricht auch dem Verständnis des Klägers. So sieht das von ihm ausweislich seiner Mitgliederunterlagen verwendete Formular einer vom Bewerber zu unterzeichnenden „Aufnahmeerklärung [auch: Beitrittserklärung] zum Antrag auf Aufnahme als Mitglied“ alternativ zu der Angabe, als einstweilen kandidierendes Mitglied erst noch zum Judentum konvertieren zu wollen, die Erklärung „an Eides statt“ vor, „dass meine Mutter als Jüdin geboren wurde.“ Auch finden sich in den Mitgliederunterlagen des Klägers zahlreiche „eidesstattliche Versicherungen“ seiner Vorstandsmitglieder zur Frage der Zugehörigkeit einzelner Personen zum Judentum, in denen es heißt, dass der Kläger zwar „ausschließlich rassistische Kriterien zum Nachweis der Judentumszugehörigkeit einer Person [verwirft]“, er sich aber „gleichwohl an die hierzulande geübte Gepflogenheit [hält], dass Jude ist, der von einer jüdischen Mutter geboren oder durch Übertritt ins Judentum aufgenommen wurde.“ Die Abstammung allein von einem Vater, der Jude im Sinne des jüdischen Religionsgesetzes ist, reicht folglich nicht aus, um eine Person - gemessen an der Satzungslage des Klägers - kraft Geburt dem Judentum zuzurechnen.

65

(1) Die Abstammung von einer jüdischen Mutter kann insbesondere durch Vorlage einer Geburtsurkunde belegt werden (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 61). Handelt es sich im Original um fremdsprachige Dokumente, aus denen sich eine solche Abstammung ergeben soll, ist grundsätzlich zugleich die Vorlage einer deutschen Übersetzung erforderlich; andernfalls bleibt die Urkunde als Nachweis unberücksichtigt, es sei denn, dass die anderen Beteiligten sie in dieser Beziehung nicht in Frage und den Sachverhalt des Urkundeninhalts damit aufgrund eigener Fremdsprachenkenntnisse gewissermaßen unstreitig gestellt haben. Zwar sind ungeachtet dessen, dass nach § 55 VwGO in Verbindung mit § 184 Satz 1 GVG die Gerichtssprache deutsch ist, fremdsprachige Urkunden nicht allein deshalb unbeachtlich, weil sie nur im fremdsprachlichen Original oder in einer Fotokopie des Originals ohne deutsche Übersetzung vorgelegt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1984 - 9 C 875.81 -, juris Rn. 16, und Beschluss vom 8. Februar 1996 - 9 B 418.95 -, juris Rn. 6). Das folgt unmittelbar aus der nach § 173 Satz 1 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden Vorschrift des § 142 Abs. 3 ZPO, nach der es im Ermessen des Gerichts liegt, ob es die Beibringung einer Übersetzung anordnen will. Wenn jedoch eine angeordnete Übersetzung nicht vorgelegt wird, hat das die Unbeachtlichkeit der fremdsprachlichen Urkunde zur Folge (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1984, a. a. O., und Beschluss vom 8. Februar 1996, a. a. O.). So verhält es sich - soweit es an deutschen Übersetzungen fehlt - hier. Denn der Senat hat gegenüber dem Kläger und den Beigeladenen im Zusammenhang mit der Anforderung der mitgliederbezogenen Unterlagen gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 142 Abs. 3 ZPO durch Verfügung des Berichterstatters angeordnet, dass im Fall der Vorlage fremdsprachiger Urkunden zugleich eine deutsche Übersetzung beizubringen ist und die Übersetzung von einem Übersetzer angefertigt worden sein muss, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Von dieser Anordnung waren die Beigeladenen - wie die Beigeladene zu 3. meint - nicht etwa deshalb entbunden, weil sie gemäß § 142 Abs. 3 Satz 5 ZPO nur gegenüber Parteien, nicht aber gegenüber Dritten getroffen werden kann. Da die Beigeladenen des vorliegenden Verfahrens an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung), stehen sie nach § 63 Nr. 3 in Verbindung mit § 65 Abs. 2 VwGO den Parteien gleich und sind keine Dritten im Sinne des § 142 Abs. 3 ZPO (s. auch BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 1980 - 3 CB 10.80 -, juris Rn. 3 zu § 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1 ZPO; BSG, Urteil vom 8. August 1975 - 6 RKa 9/74 -, juris Rn. 9 zu § 41 Nr. 4 ZPO).

66

Es besteht für den Senat auch kein Anlass, auf der Grundlage von § 144 Abs. 1 ZPO, § 96 Abs. 1 VwGO von Amts wegen Übersetzungen der in fremder Sprache vorgelegten Urkunden einzuholen. Eine solche Verfahrensweise kann nur dann geboten sein, wenn zum einen dargetan wird, dass die Übersetzung aufgrund einer finanziellen Notlage nicht beigebracht werden kann, und zum anderen die Entscheidungserheblichkeit der eingereichten fremdsprachigen Schriftstücke dargelegt wird (vgl. BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses vom 25. September 1985 - 2 BvR 881/85 -, NVwZ 1987, 785; BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1984, a. a. O., und Beschluss vom 8. Februar 1996, a. a. O.). Die Beigeladene zu 3. hat zwar geltend gemacht, dass die Anfertigung der verlangten Übersetzungen mit erheblichen, in ihrem Haushalt nicht vorgesehenen Kosten verbunden und ihr aus diesem Grund nicht zumutbar sei. Hieraus ergibt sich aber nicht, dass ihr eine finanzielle Notlage die Beibringung der Übersetzungen unmöglich machen würde. Darüber hinaus haben weder der Kläger noch die Beigeladenen den konkreten Inhalt der in ihren Mitgliederunterlagen enthaltenen fremdsprachigen, nicht übersetzten Urkunden in einer Weise dargelegt, dass deren Entscheidungserheblichkeit vom Senat überprüft werden könnte.

67

(2) Eine Zugehörigkeit zum Judentum kraft Geburt kann allerdings nicht nur durch Vorlage standesamtlicher oder sonst staatlich ausgestellter Dokumente, sondern unter Umständen auch dadurch hinreichend nachgewiesen sein, dass die betreffende Person aufgrund ihrer jüdischen Herkunft aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland einreisen durfte (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, a. a. O.). Auf der Grundlage wechselnder gesetzlicher Bestimmungen und hierzu ergangener Verwaltungsvorschriften sind seit 1991 Emigranten jüdischer Herkunft auch im Zusammenwirken mit jüdischen Einrichtungen, wie der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V., in die Bundesrepublik aufgenommen worden. Bei ihnen ist bereits bei ihrer Aufnahme in die Bundesrepublik geprüft worden, ob sie dem Judentum angehören und deshalb die Aufnahmebedingungen erfüllen. Hieran lässt sich zumindest als Indiz auch für eine Zugehörigkeit zur religiös verstandenen Jüdischen Gemeinschaft anknüpfen, das nur bei deutlich entgegen gerichteten Anhaltspunkten eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich macht (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, a. a. O.). Nach diesem auf die Nachweisführung zielenden Ansatz kommt es nicht darauf an, dass der Kläger selbst der Auffassung ist, den bestätigenden oder gerade nicht bestätigenden Bescheinigungen der Zentralwohlfahrtsstelle sei keine Bedeutung beizumessen, weil dieser Einrichtung nach jüdischem Religionsgesetz nicht die Befugnis zustehe, über die Zugehörigkeit zum Judentum zu befinden.

68

(3) Entsprechend diesen Vorgaben hat der Senat den Kläger - ebenso wie die Beigeladenen - zum Nachweis der Zugehörigkeit seiner Mitglieder zum Judentum aufgefordert, für den Fall, dass die Zugehörigkeit durch Geburt begründet worden sein soll, die Abstammung von einer jüdischen Mutter, insbesondere durch Beibringung einer Geburtsurkunde, zu dokumentieren sowie gegebenenfalls die Aufnahme der Mitglieder in die Bundesrepublik Deutschland als Emigranten jüdischer Herkunft aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion im Zusammenwirken mit jüdischen Einrichtungen, z. B. durch Bescheinigungen der Zentralwohlfahrtsstelle, zu belegen.

69

(4) Wie erwähnt, hat der Kläger nach seinen Mitgliederunterlagen für den Aufnahmeantrag vielfach einen Vordruck mit der eidesstattlichen Versicherung verwendet, dass die Mutter des Bewerbers als Jüdin geboren wurde. Regelmäßig enthält dieser Vordruck daneben jedoch die Erklärung, die Aufnahme in die Gemeinde diene dazu, erst die Voraussetzungen für einen lange schon „innerlich“ vorbereiteten formellen Beitritt zum Judentum zu schaffen, und stellt hierbei klar, dass der Betreffende bis dahin kandidierendes Gemeindemitglied bleibe. Von der durch Sternchenhinweis und Fußnote angezeigten Möglichkeit, „Nichtzutreffendes [zu] streichen“, wurde zumeist kein Gebrauch gemacht. Unter diesen Umständen liegen in sich widersprüchliche Erklärungen der das Formular unterzeichnenden Person darüber vor, ob sie aufgrund ihrer (matrilinearen) Abstammung dem Judentum zugehört oder ob dies gerade nicht der Fall ist. Wer erklärt, dem Judentum erst beitreten zu wollen, weil die einen Beitritt ermöglichenden Voraussetzungen gegenwärtig noch nicht erfüllt seien, bekundet der Sache nach, nicht von einer jüdischen Mutter abzustammen. Denn die kandidierenden Mitglieder des Klägers (vgl. die entsprechenden Regelungen in den Präambeln bzw. Eingangsbestimmungen vor § 1 der Satzungen des Klägers vom 26. Juli 1996, 14. April 2000 und 6. November 2006) bekennen sich zwar zum Judentum, wollen aber erst noch nach halachischem Recht zum Judentum übertreten; sie können daher auch in der Zählung als Mitglieder des Klägers nicht berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 57). Der Nachweis der Zugehörigkeit zum Judentum wird mit einer solchen widersprüchlichen Erklärung bzw. eidesstattlichen Versicherung nicht geführt.

70

Dasselbe gilt, wenn ein Mitglied in seiner Aufnahmeerklärung gegenüber dem Kläger angegeben hat, dass seine Vorfahren, die Vorfahren seines Ehegatten, seine Großmutter oder sein Großvater väter- oder mütterlicherseits oder seine Mutter oder sein Vater jüdischer Abstammung sind, und zwar erst recht, wenn sich daran die Mitteilung anschließt, der Erklärende habe sich auf den formellen Beitritt zum Judentum „lange schon innerlich vorbereitet.“ Nur wenn die eidesstattliche Versicherung nach ihrem Wortlaut im Gesamtzusammenhang schlüssig, eindeutig und unmissverständlich besagt, dass der Betreffende von einer jüdischen Mutter geboren wurde, und keine gegenläufigen Anhaltspunkte von Substanz und hinreichendem Gewicht ersichtlich sind oder durchgreifen - so etwa im Fall einer explizit anderslautenden Auskunft der Zentralwohlfahrtsstelle, nicht aber allein wegen des Umstands, dass sich in Personalpapieren russischer oder sowjetischer Herkunft als Nationalitätsangabe (der Mutter) nicht der Eintrag einer „jüdischen Nationalität“ findet -, kann von einer durch Abstammung vermittelten Zugehörigkeit zum Judentum ausgegangen werden. An einer solchen Würdigung ist der Senat dann auch nicht deshalb gehindert, weil eine eidesstattliche Versicherung lediglich auf Glaubhaftmachung (§ 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 294 Abs. 1 ZPO) angelegt ist und somit keinen vollen Beweis erbringen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2008 - 9 B 41.07 -, juris Rn. 7) oder weil die Versicherung in dem an den Kläger gerichteten Aufnahmegesuch nicht mit Wissen und Wollen des Bewerbers vor einer zur Abnahme zuständigen Behörde im Sinne des Straftatbestands des § 156 StGB abgegeben worden wäre. Hat der Kläger eine Person als Mitglied aufgenommen, die ihre Abstammung von einer jüdischen Mutter unterschriftlich erklärt und überdies noch unter Berufung auf die besondere gesetzliche Nachweisform der eidesstattlichen Versicherung bekräftigt hat, ohne dass er Grund zu der Annahme gehabt hätte, dass diese Person sich über die Bedeutung des Erklärten oder die Judentumszugehörigkeit ihrer Mutter im Unklaren befand oder ihn darüber zu täuschen beabsichtigte, ist ihm ein Verstoß gegen selbstgesetzte Aufnahmeregeln und damit ein Missbrauch nicht vorzuwerfen.

71

Der Kläger hat seinen Mitgliedern zum Nachweis ihrer Zugehörigkeit zum Judentum in den Akten jeweils Bestätigungen zugeordnet, die von drei als Rabbiner bezeichneten Personen unterzeichnet und mit deren Stempeln versehen sind. Darin wird gleichlautend ausgeführt, dass „das Rabbinatsgericht - Beth Din -, bestehend aus den drei nachfolgend unterzeichnenden Rabbinern, […] anhand der vorliegenden persönlichen Unterlagen, anhand von Zeugenbefragungen oder anderen wirksamen Maßnahmen festgestellt [hat], dass die im beigehefteten Antrag bezeichnete Person zweifelsfrei dem Judentum im Sinne der Halakka (Halacha) zugehört.“ Unabhängig davon, ob mit diesem Schriftstück eine Zugehörigkeit zum Judentum durch Geburt bestätigt oder ein wirksamer Übertritt zum Judentum dokumentiert werden soll (sog. Gijur-Urkunde), kommt ihm im vorliegenden Kontext kein Nachweiswert zu. Da es in den Mitgliederunterlagen des Klägers an einem „beigehefteten Antrag“, d. h. an einer festen Verbindung mit dem Aufnahmeantrag eines Mitglieds, entgegen dem Inhalt der Bescheinigung fehlt, ist bereits nicht erkennbar, für welche Person sie gelten soll. Diese Bedenken werden noch dadurch verstärkt, dass die „Rabbinatsbestätigung“ auch für Mitglieder vorgelegt wurde, deren Mitgliedschaft nicht durch Abschluss eines Aufnahmevertrags, sondern schon durch Beteiligung an der Gründung des Klägers entstanden sein soll (Gründungsmitglieder). Denn in diesen Fällen existiert gar kein Aufnahmeantrag, auf den - wie es in der Bestätigung standardmäßig geschieht (vgl. auch die Überschrift „Zum Aufnahmeantrag […]“) - sinnvollerweise Bezug genommen werden kann. Hinzu kommt, dass sich in den Vorgängen des Klägers - wenngleich vereinzelt - auch mehrere, ungleich signierte Bestätigungen finden, die für dieselbe Person erteilt worden sein sollen (vgl. etwa Beiakte C, Unterlagen zum Mitglied Nr. 0096). Dass ein Rabbinatsgericht - ohne sichtbaren Anlass - individuelle Doppelüberprüfungen von Mitgliedern vorgenommen haben soll, erscheint aber höchst unwahrscheinlich. Des Weiteren zeigen die Schriftzüge der aufgebrachten Unterschriften, dass der Kläger jeweils für eine größere Anzahl seiner Mitglieder Kopien identischer Originalvorlagen beigebracht hat, so dass es sich bei diesen günstigstenfalls um „Sammelbestätigungen“ handeln könnte. Dem steht indes entgegen, dass der Urkundentext insoweit ausdrücklich im Singular („zum Aufnahmeantrag“, „die im beigehefteten Antrag bezeichnete Person“) formuliert ist. Abgesehen von diesen Zweifeln hinsichtlich des konkreten Personenbezugs sind die Bescheinigungen aber auch und jedenfalls deswegen kein tauglicher Zugehörigkeitsnachweis, weil sie kein Ausstellungsdatum aufweisen. Das hat zur Folge, dass der Zeitpunkt der Wirksamkeit einer etwaigen Konversion, der für die stichtagsbezogene Feststellung nach dem Staatsvertrag 2006 unverzichtbar ist, offen bleibt. Weder eine Zugehörigkeit durch Geburt noch durch Übertritt kann auf diese Weise belegt werden.

72

Erweisen sich die angesprochenen „Rabbinatsbestätigungen“ danach - wie der Beklagte und die Beigeladene zu 2. zu Recht rügen - schon nach ihrem Inhalt als unergiebig, muss nicht noch der Frage nachgegangen werden, ob sie vorliegend auch deshalb als brauchbarer Beleg ausscheiden, weil sie nicht von ordinierten Rabbinern im Rahmen eines ordnungsgemäßen religiösen Statusverfahrens, sondern vielmehr von Personen erstellt und unterzeichnet wurden, die keinerlei religiöse Verbindung zum Judentum haben. Hat dagegen ein auch von den anderen Beteiligten anerkannter Rabbiner die Zugehörigkeit eines Mitglieds des Klägers zum Judentum individuell bestätigt, ist mangels augenscheinlichen Missbrauchs der darauf fußenden Bewertung dieses Mitglied auch dann zu berücksichtigen, wenn die Überprüfung durch die Zentralwohlfahrtsstelle zu einem abweichenden Befund geführt hat. Dies gilt zumal dann, wenn jenem Rabbiner satzungsgemäß die religiöse Leitung des Klägers zugewiesen (gewesen) ist (vgl. Abs. 2 und 3 der Präambel zur Satzung des Klägers vom 6. November 2006).

73

Auch die formularmäßig gestalteten eidesstattlichen Versicherungen der Vorstandsmitglieder des Klägers „betreffend Angaben zur Judentums-Zugehörigkeit“, die mit den Mitgliederunterlagen überreicht wurden, sind als Nachweismittel ungeeignet. In ihnen versichern die drei Vorstandsvorsitzenden des Klägers „nach bestem Wissen und Gewissen, dass die Angaben des Mitglieds in seinem Antrag auf Aufnahme [in den Kläger] von ihm richtig gemacht wurden.“ Daraufhin wird erklärt: „Das Mitglied wurde von einer jüdischen Mutter geboren, wie Recherchen, eingeholte bzw. die Mitglieds-Angaben und Auskünfte, zweifelsfrei ergeben. Nach Glaubwürdigmachung sind infolge der Kriegs-, Vertreibungs-, Flucht-, Nachkriegs- bzw. sonstiger Wirren die Geburtsurkunden der Vorverfahren des Mitglieds nach matrimonialer Linie verloren gegangen oder diese befinden sich noch in den Akten der jüdischen Gemeinde, in welchem das Mitglied zuvor registriert war und diese Vorgemeinde gibt die Akten nicht heraus, bzw. bedrängt das Mitglied, seine Mitgliedschaft dort zu erneuern. Die Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion wurden auf ihre Judentumszugehörigkeit überprüft, bevor sie die Einreise nach Deutschland erhielten.“ Gegenstand dieser Ausführungen, die erstaunlicherweise auch für Mitglieder zutreffen sollen, die in ihrem Aufnahmeantrag eine Abstammung von einer jüdischen Mutter selbst gar nicht behauptet haben (vgl. etwa Beiakte D, Unterlagen zum Mitglied Nr. 0172), ist eine Verknüpfung von Tatsachen und Wertungen, in der die Übergänge fließend sind (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 13. Januar 1988 - IVa ZB 13/87 -, juris Rn. 10; Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2012, § 294 Rn. 18; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2013, § 294 Rn. 19). Das ist rechtlich problematisch, weil sich eidesstattliche Versicherungen gemäß § 294 Abs. 1 ZPO von vornherein bloß auf tatsächliche Behauptungen beziehen können. So stellt die allgemeine Versicherung der Richtigkeit der Angaben, die ein Mitglied in seinem Aufnahmeantrag gemacht hat, keine bestimmte Tatsachenbehauptung, sondern lediglich eine unmaßgebliche Würdigung dar. Nichts anderes gilt für die „Glaubwürdigmachung“ der vorliegend (mehr oder weniger kursorisch) geschilderten Sachverhaltsvarianten (Verlust von Geburtsurkunden usw.) sowie gleichermaßen für die Frage, ob - nicht näher erläuterte - Recherchen und/oder (Selbst-)Auskünfte „zweifelsfrei ergeben“, dass eine Person von einer jüdischen Mutter abstammt. Im Übrigen wäre der Erklärung, ein Mitglied sei von einer jüdischen Mutter geboren worden, auch bei isolierter Betrachtung als Tatsachenbehauptung kein beachtlicher Beweiswert zuzumessen, denn eigene unmittelbare Wahrnehmungen der Erklärungspersonen (als Zeugen) liegen ihr offenkundig nicht zugrunde (vgl. zu Versicherungen an Eides statt über Vorgänge, die sich der eigenen Wahrnehmung entziehen BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 -, juris Rn. 10; Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 294 Rn. 4; Leipold, in: Stein/Jonas, a. a. O.; s. auch § 418 Abs. 3 ZPO). Dass bei Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion, die sich auf ihre jüdische Herkunft berufen haben, vor ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nach 1991 eine Überprüfung der Zugehörigkeit zum Judentum stattgefunden hat, sagt schließlich nichts darüber aus, ob dem im Einzelfall benannten Mitglied - falls es zu diesem Personenkreis gehört - die Einreise tatsächlich wegen einer erfolgreichen Berufung auf die Abstammung von einer jüdischen Mutter erlaubt wurde.

74

(5) Ist für ein weibliches Mitglied des Klägers die Zugehörigkeit zum Judentum zu bejahen, steht auch die Zugehörigkeit eines Mitglieds, das gemäß Abstammungsurkunde oder sonst nachgewiesenermaßen dessen leibliches Kind ist, nicht mehr in Frage.

75

(6) Unter Ausblendung der Mitgliedernummern, die bereits infolge von Doppelnennungen oder Doppelmitgliedschaften oder wegen fehlenden Wohnsitznachweises in Abzug zu bringen sind, hat der Kläger nach diesen Maßstäben für folgende 43 Mitglieder den Nachweis erbracht, dass sie der jüdischen Gemeinschaft durch Geburt angehören:

0003

0004

0007

0029

0038

0041

0044

0063

0064

0075

0080

0091

0100

0128

0132

0133

0139

0146

0175

0184

0195

0198

0199

0200

0201

0209

0212

0213

0216

0217

0221

0223

0226

0235

0250

0257

0264

0281

0282

0287

0289

0290

0296

76

bb) Soweit der Kläger Konvertiten als zum Judentum zugehörig betrachtet, kann ihm zwar nicht ein religiöses Verständnis entgegengehalten werden, das eine Konversion zum Judentum überhaupt nicht oder nur unter anderen Voraussetzungen anerkennt, als sie nach dem Verständnis des Klägers erfüllt sein müssen. Dass und unter welchen Voraussetzungen der Kläger Übertritte zum Judentum als wirksam anerkennt, richtet sich nach seinem religiösen Selbstverständnis und ist deshalb einer Kontrolle durch staatliche Gerichte entzogen (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 58). Ob ein Übertritt zum Judentum, gleich nach welchem Ritus und unter welchen Voraussetzungen, überhaupt stattgefunden hat, ist aber einer gerichtlichen Feststellung zugänglich. Dabei handelt es sich lediglich um die Feststellung einer äußeren Tatsache ohne eine inhaltliche Bewertung. Entzogen ist dem Staat lediglich die Bewertung, ob die Konversion als eine religiöse (kultische) Handlung wirksam ist (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 59). Nach dem Vortrag des Beklagten unterscheiden sich zwar die orthodoxe und die liberale Richtung des Judentums unter anderem in der Gestaltung des Verfahrens eines Übertritts, jedoch werde der Übertritt sowohl bei den orthodoxen als auch bei den liberalen Juden von Rabbinern in jedem Einzelfall dokumentiert (Gijur-Urkunde, s.o.). Der Kläger setzt nach seinen Satzungen bei der Aufnahme eines Mitglieds dessen Zugehörigkeit zum Judentum voraus. Er muss deshalb selbst feststellen, ob der Aufnahmewillige dem jüdischen Glauben angehört. Er muss sich im Falle eines behaupteten Übertritts hierüber vergewissern und sich entsprechende Unterlagen vorlegen lassen. Er ist deshalb imstande, dem Gericht auf Anforderung den Nachweis zu erbringen, dass ein Übertritt zum Judentum stattgefunden hat (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 60). Demgemäß hatte die gegenüber dem Kläger und den Beigeladenen erlassene Senatsverfügung, soweit sie diesen Punkt betrifft, zum Inhalt, im Fall einer geltend gemachten Konversion den Übertritt „insbesondere durch Vorlage der datierten und unterzeichneten Gijur-Urkunde“ zu dokumentieren.

77

Der Kläger hat in seinen Mitgliederunterlagen keine Dokumente vorgelegt, die belegen, dass von ihm als Mitglieder geführte Personen zum Judentum übergetreten sind. Den „Rabbinatsbestätigungen“, auf die er sich insoweit stützt, mangelt es - wie oben dargelegt - an einem hinreichenden Personenbezug; da sie kein Datum tragen, ist außerdem nicht erkennbar, dass eine behauptete Konversion nicht erst nach dem Stichtag, auf den es für die Anwendung des Staatsvertrags 2006 ankommt, stattgefunden hat.

78

d) Die Feststellung und das Vorliegen der formalen (äußerlichen) Voraussetzungen für die Mitgliedschaft einer Person in einer jüdischen Gemeinde sind durch den Senat in vollem Umfang nachprüfbar. Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften wird durch ein solches staatliches Vorgehen, das an die nähere Bestimmung der Mitgliedschaft durch die einzelnen Gemeinden anknüpft, nicht berührt (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 50 f.).

79

aa) Mitglieder des Klägers sind nach § 2 Buchst. a und b seiner Gründungssatzung vom 26. Juli 1996 und seiner Satzung vom 14. April 2000 sowie nach § 2 Buchst. c seiner Satzung vom 6. November 2006 die Gründungsmitglieder und jene Personen, die als Gemeindemitglieder aufgenommen worden sind. Die Aufnahme als Mitglied in den Kläger setzt nach § 2 Buchst. b Nr. 1 der Satzungen vom 26. Juli 1996 und vom 14. April 2000 und nach § 2 Buchst. d Nr. 1 der Satzung vom 6. November 2006 dessen Antrag gegenüber der Gemeinde sowie die vom zuständigen Gemeindegremium - nämlich vom Aufnahmeausschuss und gegebenenfalls von der durch vereinsinternen Rechtsbehelf angerufenen Gemeindeversammlung (Satzungen vom 26. Juli 1996 und vom 14. April 2000) oder vom Vorstand (Satzung vom 6. November 2006) - getroffene Aufnahmeentscheidung voraus. Ebenso wenig wie für den Aufnahmeantrag des Bewerbers ist hiernach für die Aufnahmeentscheidung oder die Abgabe der Aufnahmeerklärung durch den Kläger die Einhaltung einer bestimmten Form - etwa Schriftform - satzungsmäßig vorgeschrieben.

80

bb) Der Senat hat den Kläger - wie auch die Beigeladenen - aufgefordert, für jede in seiner Mitgliederliste aufgeführte Person einen datierten und unterzeichneten Aufnahmeantrag sowie die datierte und unterzeichnete Aufnahmeentscheidung des zuständigen Gemeindeorgans zum Nachweis dafür vorzulegen, dass diese Person zum maßgeblichen Stichtag wirksam Gemeindemitglied war. Dem hat der Kläger mit den von ihm vorgelegten Mitgliederunterlagen nur teilweise entsprochen. Insbesondere fehlt es in den Fällen, in denen die Mitgliedschaft nicht bereits durch Teilnahme an der Gründung des Klägers erworben worden sein soll, an Belegen, dass und zu welchem Zeitpunkt das zuständige Gemeindeorgan über die Aufnahme des Mitglieds entschieden hat. Insoweit wird in den Unterlagen auf den Vorblättern der Register zu den betreffenden Mitgliedern lediglich mitgeteilt, die Aufnahmeentscheidung des Klägers sei stets an demselben Tag erfolgt, an dem der Aufnahmeantrag gestellt worden sei, und weiter durch eine auf dem Aufnahmeantrag angebrachte, nicht datierte „Aufnahmebestätigung“ des Vorstandsvorsitzenden jeweils die Aufnahme des Mitglieds „vom Zeitpunkt des Aufnahmeantrags“ im Namen des Gemeindevorstands bestätigt. Dies genügt nicht, um nachzuweisen, dass der ursprünglich zuständige Aufnahmeausschuss oder der später zuständige Vorstand des Klägers vor dem in Rede stehenden Stichtag die Aufnahme des Mitglieds beschlossen haben.

81

cc) Damit ist die Annahme einer formal wirksamen Mitgliedschaft beim Kläger jedoch nicht ausgeschlossen. Maßgebend für das Zustandekommen des erforderlichen Aufnahmevertrags zwischen dem Kläger und dem Bewerber ist, ob eine rechtswirksame Annahme des Aufnahmeantrags, bei der es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, vorliegt. Der Aufnahmebeschluss des für die Aufnahme zuständigen Vereinsorgans hat dagegen nur die Bedeutung eines internen Willensbildungsakts (vgl. Stöber/Otto, Handbuch des Vereinsrechts, 10. Aufl. 2012, Rn. 222 m. w. N.). War der Kläger bei der Abgabe der Annahmeerklärung durch den Vorstand im Außenverhältnis wirksam vertreten (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 1 BGB), ist die Aufnahme des Mitglieds mithin wirksam. Dabei ist anerkannt, dass ein die Vereinsmitgliedschaft begründender Vertrag auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1988 - II ZR 311/87 -, juris Rn. 18; OLG Hamm, Urteil vom 6. September 2010 - 8 U 8/10 -, juris Rn. 32). Hat sich eine Person eindeutig als Vereinsmitglied verhalten und ist auch auf Seiten des Vereins von einer den zuständigen Organen zuzurechnenden und diesem Verhalten korrespondierenden Behandlung als Mitglied auszugehen, wird der Vereinsbeitritt stillschweigend vollzogen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 6. September 2010, a. a. O. Rn. 33). Im Hinblick auf die in die Mitgliederliste des Klägers aufgenommenen Personen, die bei ihm einen (schriftlichen) Aufnahmeantrag gestellt haben, ist - soweit nicht im Einzelfall entgegenstehende Anhaltspunkte vorhanden sind - ohne Weiteres davon auszugehen, dass sie im Gemeindeleben von dem zuständigen Vertretungsorgan, dem unter anderem auch für die Listenführung verantwortlichen Vorstand, als Mitglieder der Gemeinde behandelt und akzeptiert wurden. Dadurch wurde für sie - zumindest - eine stillschweigende Mitgliedschaft beim Kläger begründet.

82

Unabhängig davon wäre eine Mitgliedschaft grundsätzlich auch dann nicht zu verneinen, wenn es an einer zivilrechtlich wirksamen vertraglichen Grundlage für die Aufnahme fehlte. Denn auf den Vereinsbeitritt sind die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze des fehlerhaften Beitritts entsprechend anwendbar, so dass die Vereinszugehörigkeit auf fehlerhafter vertragsmäßiger Grundlage für die Vergangenheit der fehlerfreien gleichsteht und ein Austrittsrecht lediglich für die Zukunft wirkt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 6. September 2010, a. a. O. Rn. 34; Reuter, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auf. 2012, § 38 Rn. 62). Danach genügt für das Bestehen einer faktischen Mitgliedschaft ein eindeutig als „Betätigung“ der Vereinsmitgliedschaft anzusehendes willentliches Verhalten, das dem Mitglied und/oder dem Verein zurechenbar ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 6. September 2010, a. a. O.). Nehmen die für die Aufnahme zuständigen Vereinsgremien das Auftreten einer Person als Mitglied wahr, erkennen es als solches an und behandeln die Person ihrerseits als Mitglied, so ist nach den Regeln der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft eine Vereinszugehörigkeit gegeben.

83

Mit der Heranziehung dieser zivilrechtlichen Grundsätze weicht der Senat nicht unter Verletzung von § 144 Abs. 6 VwGO von der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Das Bundesverwaltungsgericht hat erkannt, dass der Senat die Wahrung der satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Kläger überprüfen und zu diesem Zweck von ihm die Vorlage der Aufnahmeanträge und der Entscheidungen des zuständigen Gemeindeorgans verlangen könne (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 51 f.). Damit ist keine Aussage dahingehend getroffen, dass die fehlende Beibringung der Entscheidung des zuständigen Gemeindeorgans des Klägers über die Aufnahme einer Person als Mitglied unabweislich deren Nichtberücksichtigung bei der Verteilung der Landesmittel zur Konsequenz haben müsse.

84

Die Möglichkeit der stillschweigenden und faktischen Vereinsmitgliedschaft betrifft allerdings nur die Frage, ob eine Person überhaupt wirksam Gemeindemitglied geworden ist, besagt aber konkret nichts darüber, zu welchem Zeitpunkt dies geschehen ist. Weist der Aufnahmeantrag eines Mitglieds etwa ein Datum auf, das nach dem Stichtag liegt, kann dieses Mitglied für das auf den Stichtag folgende Kalenderjahr bei der Verteilung des Landeszuschusses nicht mitgezählt werden. Schon aus Gründen der zeitlichen Zuordnung kann von der Vorlage des datierten und unterzeichneten Aufnahmeantrags auch nicht abgesehen werden, wenn der Kläger keine datierte und unterzeichnete Aufnahmeentscheidung des zuständigen Gemeindeorgans beigebracht hat.

85

dd) Mit Ausnahme des Mitglieds Nr. 0223 (unklare Antragsdatierung) hat der Kläger für die Mitglieder, für die er hinreichend das Bestehen des Hauptwohnsitzes in Sachsen-Anhalt und die Zugehörigkeit zum Judentum nachgewiesen hat, jeweils einen unterzeichneten Aufnahmeantrag vorgelegt, dessen Datum vor dem Stichtag liegt (es sei denn, es handelt sich um ein Gründungsmitglied); für diese Personen ist deshalb auch von einer in formaler Hinsicht wirksam begründeten Mitgliedschaft auszugehen.

86

e) Die weiteren Rügen des Beklagten, die sich die Beigeladenen teilweise zu eigen gemacht machen, greifen nicht durch; ebenso wenig bedarf der Mitgliederbestand des Klägers einer weiteren Sachverhaltsaufklärung.

87

aa) Der Beklagte wendet sich dagegen, dass sich der Kläger auch solche Personen als Mitglieder zurechnet, auf deren fehlende Mitgliedereigenschaft der gegen seinen Vorstandsvorsitzenden wegen falscher Versicherung an Eides statt in Tateinheit mit versuchtem Betrug und Urkundenfälschung erlassene rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts Magdeburg vom 28. September 2009 gestützt ist. Nach den darin getroffenen Feststellungen enthielt eine insgesamt 217 Personen umfassende Mitgliederliste des Klägers vom 8. April 2005 zumindest 14 Personen, die zu keinem Zeitpunkt Mitglieder des Klägers waren, sowie drei weitere Personen, die dem Kläger erst im Jahr 2007 beitraten. Dieser Strafbefehl und die Erkenntnisse aus dem ihm zugrunde liegenden Ermittlungsverfahren sind für die im vorliegenden Verfahren anzustellende Bestimmung der Mitgliederzahl des Klägers zum 31. Dezember 2006 indes schon deshalb nicht erheblich, weil eine Berücksichtigung der bezeichneten Personen als Mitglieder des Klägers bei der Zuschussverteilung bereits aus anderen Gründen ausscheidet. Daher bedurfte es auch nicht der von dem Beklagten beantragten Beiziehung der Strafakten.

88

bb) Der Beklagte behauptet, die von dem Kläger als Gründungsmitglieder benannten Personen gehörten ihm nicht an, weil es sich bei der dazu vorgelegten Mitgliederliste vom 26. Juli 1996 nicht um eine Anwesenheitsliste zur Gründungsversammlung des Klägers, sondern um eine Anwesenheitsliste zu einer für diesen Tag einberufenen Mitgliederversammlung der Beigeladenen zu 2. handele, die später in ihrem Kopfteil manipuliert worden sei. Auch dieser Einwand erfordert keine weitere Aufklärung. Denn selbst wenn die Darstellung des Beklagten zutreffen sollte, ergibt sich daraus nicht schlüssig - und wäre auch fernliegend -, dass sämtliche in die angegriffene Liste eingetragenen Personen keine Gründungsmitglieder des Klägers sind. Der Kläger ist ein eingetragener Verein im Sinne der §§ 21, 55 ff. BGB. Nach § 56 BGB soll die Eintragung nur erfolgen, wenn die Zahl der Mitglieder mindestens sieben beträgt. Der Beklagte macht nicht substantiiert geltend, dass der Kläger seine Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht gerade durch die Erklärung „erschlichen“ hätte, er betrachte alle Personen in der Liste vom 26. Juli 1996 als seine Gründungsmitglieder. Welche dieser Personen, unabhängig von der Frage des Zustandekommens der Liste, aus welchen Erwägungen keine Gründungsmitglieder des Klägers sein können, wird - soweit diese Personen nicht ohnehin als zuschussrelevante Mitglieder des Klägers nach den vom Senat angelegten Kriterien außer Acht bleiben - nicht dargelegt.

89

cc) Der Beklagte rügt ferner, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren eine nur 211 Personen, dem Senat jedoch eine 299 (richtiger: 295) Personen umfassende Mitgliederliste zum Stichtag des 31. Dezember 2006 vorgelegt und diese erhebliche Abweichung nicht nachvollziehbar erläutert habe. Die „Steigerung“ der Mitgliederzahl im laufenden Klageverfahren um mehr als 80 Personen ist zwar in der Tat auffällig. Daraus allein ergeben sich aber keine tragfähigen Hinweise darauf, welche Personen der zuletzt vorgelegten Liste bei der Verteilung des Landeszuschusses nicht als Mitglieder des Klägers zu Buche schlagen dürften. Liegen nicht bezogen auf Einzelpersonen konkrete Ausschlussgründe vor, so sind diese Personen in die Zählung aufzunehmen. Auch der Einwand divergierender Listen bleibt damit letztlich substanzlos.

90

3. Die Mitgliederlisten der Beigeladenen sind im Hinblick auf dieselben Verteilungskriterien und unter Anlegung derselben Maßstäbe wie die Mitgliederliste des Klägers stichtagsbezogen zu überprüfen.

91

a) Der Vorsitzende des Klägers hat mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2015 Einwände gegen die von den Beigeladenen vorgelegten Mitgliederlisten und -unterlagen formuliert. Seine Prozessbevollmächtigten haben, nachdem der Senat auf die fehlende Postulationsfähigkeit des Klägers hingewiesen hatte, mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2015 erklärt, dass sie sich den vorgenannten Schriftsatz „auf ausdrücklichen Wunsch“ des Klägers „zu eigen machen.“ In dieser pauschalen Bezugnahme auf die vom Kläger unter eigenem Namen verfassten und von seinem Vorstandsvorsitzenden unterzeichneten Ausführungen liegt eine unzulässige Umgehung des Vertretungszwangs nach § 67 Abs. 4 VwGO. Das ergibt sich insbesondere aus dem Zweck dieser Vorschrift. Sie dient ersichtlich dem Schutz des Vertretenen und dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege, insbesondere einem geordneten Gang des Verfahrens, dessen Vereinfachung, Beschleunigung und Sachlichkeit. Der Vertretungszwang fördert bei typisierender Betrachtung eine sachkundige Erörterung des Streitfalls vor dem Oberverwaltungsgericht. Dies ist vor allem bei Prozessparteien von Bedeutung, denen es an hinreichenden Rechtskenntnissen und der Bereitschaft zur sachlichen und strukturierten Erörterung der maßgeblichen Rechtsfragen mangelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2012 - 8 B 58.12 -, juris Rn. 15). Hiernach genügt es den Anforderungen des Vertretungszwangs nicht, wenn der Rechtsanwalt sich Ausführungen der nicht postulationsfähigen Partei oder eines nicht postulationsfähigen Dritten lediglich zu eigen macht und in diesem Sinn „genehmigt“ (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2012 - 5 PKH 8.12 -, juris Rn. 7 m. w. N.). Sein schriftsätzliches Vorbringen muss vielmehr erkennen lassen, dass er selbst eine eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des vorgebrachten Streitstoffs vorgenommen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2012, a. a. O. Rn. 16 m. w. N.; OVG LSA, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - 2 M 102/14 -, juris Rn. 42; BayVGH, Beschluss vom 21. Januar 2015 - 14 ZB 13.489 -, juris Rn. 7). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Dies gilt ebenso für den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 29. Oktober 2015, der auf den ihm als Anlage beigefügten, vom Vorsitzenden des Klägers gefertigten Schriftsatz vom 28. Oktober 2015 Bezug nimmt.

92

b) Unabhängig davon sind die vom Kläger erhobenen Einwände, soweit sie überhaupt nachvollziehbar sind und sich nicht in mehr oder weniger polemischen und neben der Sache liegenden Angriffen gegen die anderen Verfahrensbeteiligten, Behörden und Gerichte erschöpfen, unsubstantiiert oder jedenfalls offensichtlich unbegründet.

93

Ein Haupteinwand des Klägers bezieht sich auf die Frage, ob die Beigeladenen hinreichende Nachweise dafür vorgelegt haben, dass ihre Mitglieder dem Judentum angehören. Der Kläger macht insoweit geltend, da es sich bei den Beigeladenen um jüdisch-orthodoxe Vereinigungen handele, könnten sie den Nachweis der Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zum Judentum nur durch Vorlage entweder der Heiratsurkunden (sog. Ketubba, pl. Kettubot) der Mutter und Großmutter des Mitglieds als matrilinearer Abstammungsnachweis oder einer Übertrittsurkunde erbringen, die ein aus drei orthodoxen Rabbinern - in Deutschland mit Mitgliedschaft in der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) - bestehendes Rabbinatsgericht (sog. Beth Din) ausgestellt habe; andere Bescheinigungen, etwa auch solche der Zentralwohlfahrtsstelle, seien als Nachweismittel „im orthodoxen Judentum“ ausgeschlossen. Diese Auffassung verkennt, dass im gegebenen Zusammenhang ausschließlich darauf abzustellen ist, welche Anforderungen nach dem Selbstverständnis der (einzelnen) Beigeladenen, das in erster Linie ihren jeweiligen Satzungen zu entnehmen ist, an die Erfüllung des Merkmals der Zugehörigkeit zum Judentum zu stellen sind. Darum reicht es nicht aus, wenn sich der Kläger zur Begründung seiner Rüge bloß allgemein auf (vermeintliche) jüdisch-orthodoxe Traditionen beruft, sondern es müsste sich konkret aus den Satzungen der Beigeladenen ergeben, dass diese Gemeinden eine Person nur dann als dem Judentum zugehörig ansehen, wenn ihre jüdische Abstammung durch die mütterliche sowie großmütterliche Heiratskunde oder ihr Übertritt zum Judentum durch eine von drei orthodoxen Rabbinern bzw. drei Rabbinern der ORD ausgestellte Urkunde belegt werden. Dem ist aber nicht so. Weder die Satzungen der Beigeladenen zu 1. und der Beigeladenen zu 2. noch der Beigeladenen zu 3. machen in ihren hier in den Blick zu nehmenden Fassungen die Zugehörigkeit von Mitgliedsbewerbern zum Judentum von den vom Kläger für jüdisch-orthodoxe Gemeinden postulierten formalen Nachweisbedingungen abhängig; im Gegenteil sehen diese Satzungen (Hauptsatzungen) oder die zu ihrer näheren Konkretisierung getroffenen Aufnahmeregelungen die Einbeziehung gerade der Zentralwohlfahrtsstelle in dem Verfahren zur Herbeiführung der Entscheidung, ob eine Person die religionsrechtlichen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der jeweiligen Gemeinde erfüllt, teilweise sogar ausdrücklich vor (vgl. § 3 Nr. 2 Satz 3 der Satzung der Beigeladenen zu 1. vom 16. November 2003; Nr. 3 Buchst. c der Ordnung zur Aufnahme von Neumitgliedern und Erfassung der Mitglieder in der Beigeladenen zu 2. vom 14. Juni 2004). Im Übrigen geht das Vorbringen des Klägers daran vorbei, dass die ORD - wie aus ihrer Webseite zu ersehen ist - erst am 27. April 2003 und damit zu einem Zeitpunkt gegründet wurde, zu dem die Beigeladenen - mit einer erheblichen Anzahl aufgenommener Mitglieder - schon seit langem bestanden.

94

Soweit der Kläger behauptet, bei den für Mitglieder der Beigeladenen vorgelegten Abstammungsdokumenten, die (angeblich) von Behörden der Sowjetunion oder ihrer Nachfolgestaaten ausgestellt worden seien, handele es sich um „gekaufte“ Falsch- oder Gefälligkeitsurkunden, deren Inhaber in Wahrheit nicht über jüdische Wurzeln verfügten, ist dem mangels jeglicher Substantiierung nicht weiter nachzugehen.

95

An der für eine weitere Sachaufklärung erforderlichen Substantiierung, nicht zuletzt in zeitlicher Hinsicht, fehlt es auch dem Vortrag des Klägers, die Beigeladenen hätten in ihren Listen Personen als Mitglieder benannt, deren Mitgliedschaft (infolge Austritts) nicht mehr bestehe, die keine Verbindung mehr zur Gemeinde unterhielten bzw. seit Jahren nicht mehr zu Gottesdiensten, Versammlungen oder sonstigen Veranstaltungen der Gemeinde erschienen seien oder die bereits verstorben, aus Sachsen-Anhalt weggezogen oder in eine andere jüdische Gemeinde übergetreten seien. Es bleibt schon ganz überwiegend unklar und wird nur in Einzelfällen spezifiziert, welche der alternativ geschilderten Sachverhaltsvarianten für welche Personen zutreffen sollen. Aus Anwesenheitslisten zu Gottesdiensten, wie der Kläger sie von den Beigeladenen fordert, oder aus der von ihm behaupteten geringen Teilnahme an anderen (freiwilligen) Veranstaltungen lassen sich zudem von vornherein keine Rückschlüsse auf den Mitgliederbestand dieser Gemeinden ziehen. Auch gibt der Kläger nicht an, zu welchem Zeitpunkt bestimmte in den Mitgliederlisten der Beigeladenen geführte Personen verstorben und aus welchen Listen (für welches Jahr bzw. zu welchem Stichtag) sie daher zu streichen sein sollen. Der vom Kläger wiedergegebene Brief der Jüdischen Gemeinde zu C-Stadt e. V. an den Zentralrat der Juden in Deutschland vom 28. April 2009, in dem zwar von der Übergabe und Übersendung von an die Beigeladene zu 1. gerichteten Austrittserklärungen die Rede ist, ohne dass hierzu jedoch Personen und Daten mitgeteilt werden, trägt nichts zur notwendigen Substantiierung bei. Dass sich die Schreibweise der Mitgliedernamen in den aktuellen Listen der Beigeladenen gegenüber der Schreibweise in älteren Unterlagen teilweise geändert hat, lässt für sich genommen weder auf die vom Kläger vermutete Absicht schließen, sowohl ihn als auch Behörden (Einwohnermeldeämter) und Gerichte zu verwirren oder zu täuschen, noch kann dieser Umstand es rechtfertigen, jene Mitglieder nicht zu berücksichtigen.

96

c) Die Beigeladene zu 1. führt in ihrer Mitgliederliste für das Jahr 2007 599 Personen. Diese sind sämtlich berücksichtigungsfähig. Soweit der Kläger aus dem von der Beigeladenen zu 1. behaupteten Mitgliederbestand hiervon abweichend 255 Personen als „Karteileichen“ und „Scheinmitglieder“ abgezogen wissen will, besteht dafür keine Rechtfertigung.

97

aa) Dass in der Mitgliederliste der Beigeladenen zu 1. Personen mehrfach genannt oder wegen Doppelmitgliedschaft auszuschließen sind, ist nicht ersichtlich.

98

bb) Die Beigeladene zu 1. hat durch Vorlage von Meldebescheinigungen der zuständigen Einwohnermeldeämter nachgewiesen, dass die in ihrer Mitgliederliste verzeichneten Personen ihren Hauptwohnsitz zum Stichtag in Sachsen-Anhalt hatten. Für eine insoweit lückenhafte Nachweisführung bietet der Streitstand keine Anhaltspunkte.

99

cc) Wer nach dem Selbstverständnis der Beigeladenen zu 1. dem Judentum zugehört, ist in ihren Satzungen näher bestimmt. Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 der Satzung vom 16. November 2003 gehören dem jüdischen Glauben Personen an, die nach der Halacha von Geburt an dem Judentum zugehören (Buchst. a), sowie Personen, die den jüdischen Glauben nach jüdischem Rechtsverständnis angenommen haben (Buchst b). Die Entscheidung darüber, ob ein Antragsteller die für die Mitgliedschaft erforderlichen religionsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, obliegt nach § 3 Nr. 2 Satz 2 dem Gemeinderabbiner. Ist ein Gemeinderabbiner nicht bestellt, ist nach § 3 Nr. 2 Satz 3 durch den Gemeindevorstand die Entscheidung eines anderen Rabbiners im Zusammenwirken mit der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V. herbeizuführen. Die Beigeladene zu 1. setzt damit für die Anerkennung der jüdischen Glaubenszugehörigkeit entweder die Abstammung von einer jüdischen Mutter oder eine wirksame Konversion voraus. Dies entspricht der Sache nach den am halachischem Recht orientierten Anforderungen, die bereits in ihren Vorgängersatzungen normiert waren (vgl. § 2 Nr. 1 Satz 2 der Satzung vom 31. Mai 1992; § 2 Nr. 1 und 2 Satz 3 der Satzung vom 26. Juni 1994 in der Fassung vom 21. Januar 1996; § 2 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 2 Satz 3 der Satzung vom 26. Juni 1994 in der Fassung vom 8. November 1998; § 2 Nr. 2.1 Buchst. a der Satzung vom 28. April 2002).

100

Die Beigeladene zu 1. hat zum Nachweis der Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zum Judentum zustimmende Bescheinigungen der Zentralwohlfahrtsstelle beigebracht. Nachweislücken oder Umstände, die geeignet wären, das darin liegende Indiz für eine Zugehörigkeit einzelner Gemeindemitglieder zur religiös verstandenen Jüdischen Gemeinschaft zu entkräften, wurden von den anderen Beteiligten nicht vorgetragen und sind für den Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.

101

dd) Nach § 3 Nr. 3 Satz 1 der Satzung der Beigeladenen zu 1. vom 16. November 2003 erfolgt die Aufnahme in die Gemeinde aufgrund eines schriftlichen Antrags. Die Entscheidung über die Aufnahme trifft gemäß § 3 Nr. 4 der Gemeindevorstand. Hiervon wichen die Vorgängersatzungen der Beigeladenen zu 1. inhaltlich nur insofern teilweise ab, als danach nicht ausnahmslos ein schriftlicher, sondern (lediglich) ein „persönlicher“ Aufnahmeantrag erforderlich war (vgl. § 2 Nr. 2 der Satzung vom 31. Mai 1992; § 2 Nr. 2 Satz 1 und 4 der Satzung vom 26. Juni 1994 in der Fassung vom 21. Januar 1996; § 2 Nr. 2 Satz 1 und 5 der Satzung vom 26. Juni 1994 in der Fassung vom 8. November 1998; § 2 Nrn. 2.2.1 und 2.2.2 der Satzung vom 28. April 2002).

102

Die Erfüllung der formalen Mitgliedschaftsvoraussetzungen für die in ihrer Mitgliederliste benannten Personen hat die Beigeladene zu 1. dadurch belegt, dass sie die datierten und unterzeichneten Aufnahmeanträge dieser Personen und die von einem Gemeindeorgan getroffenen Aufnahmeentscheidungen vorgelegt hat. Dies ist in entsprechender Anwendung der Grundsätze der stillschweigenden und faktischen Vereinsmitgliedschaft, wie sie für den Kläger dargestellt worden sind, ausreichend.

103

d) In der Mitgliederliste der Beigeladenen zu 2. für das Jahr 2007 werden 699 Personen ausgewiesen. Davon sind - entgegen der Forderung des Klägers, insgesamt 647 Personen seien nicht anzuerkennen - 690 Mitglieder bei der Verteilung des Landeszuschusses zu berücksichtigen.

104

aa) Dem Grunde nach zu Recht weist der Kläger zwar darauf hin, dass in der Mitgliederliste der Beigeladenen zu 2. Personen genannt sind, die auch von ihm selbst als Mitglieder reklamiert werden. Das führt aber entgegen seiner Ansicht nicht in sämtlichen Fällen dazu, dass diese Personen nicht als Mitglieder der Beigeladenen zu 2. zählen dürften. Dabei übersieht der Kläger schon, dass es bei mehreren der (scheinbar) doppelt aufgeführten Personen an einer listenmäßigen Übereinstimmung für dieselben Kalenderjahre fehlt, weil die Beigeladene zu 2. - wie es sachlich geboten ist - für die einzelnen Kalenderjahre danach differenziert hat, zu welchem Zeitpunkt es zu einem Mitgliederwechsel zwischen den Gemeinden gekommen ist. Im Übrigen kann auf das in Bezug auf den Kläger zur Maßstabsbildung bei Mehrfachmitgliedschaften Ausgeführte verwiesen werden.

105

Danach bleiben insgesamt neun der in der Mitgliederliste der Beigeladenen zu 2. (Tabelle T1 Nrn.

53

81

334

562

640

647

710

720

744)

106

für das Jahr 2007 geführten Personen aufgrund einer Doppelmitgliedschaft beim Kläger unberücksichtigt, weil keine von ihnen abgegebenen Erklärungen vorgelegt wurden, aus denen sich mit hinreichender Bestimmtheit ergibt, welcher Gemeinde sie zum Stichtag angehören wollen.

107

Die Mitglieder Nr. 114 und Nr. 539 der Tabelle T1, die unter den Nrn. 0051 und 0215 in der Mitgliederliste des Klägers erscheinen, sind dagegen trotz fehlender eigener Zuordnungserklärungen der Beigeladenen zu 2. zuzurechnen, weil der Kläger für diese Mitglieder keine Aufnahmeanträge vorgelegt hat; deshalb kann nicht festgestellt werden, dass tatsächlich eine formale (Doppel-)Mitgliedschaft beim Kläger bestand.

108

bb) Die Beigeladene zu 2. hat für ihre Mitglieder amtliche Meldebescheinigungen vorgelegt, nach denen diese ihren Hauptwohnsitz am Stichtag im Land Sachsen-Anhalt hatten. Einzelfallbezogene Bedenken im Hinblick auf diese Nachweisführung sind auch von Seiten des Klägers nicht erhoben worden.

109

cc) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Hauptsatzung (Fassung 3) der Beigeladenen zu 2. vom 13. Juni 2004 steht eine Mitgliedschaft in der Gemeinde allen Personen jüdischen Glaubens bzw. allen Personen offen, die der jüdischen Glaubensgemeinschaft zugehören. Für Mitgliedschaftsanträge, die nach dem 13. Juni 2004 gestellt werden, sieht Nr. 3 Buchst. c der Ordnung zur Aufnahme von Neumitgliedern und Erfassung der Mitglieder in der Beigeladenen zu 2. vom 14. Juni 2004 eine Prüfung der Voraussetzungen für die ordentliche Mitgliedschaft durch die Zentralwohlfahrtsstelle vor. Ein positives Votum der Zentralwohlfahrtsstelle hat danach zur Folge, dass eine dem Anwärter zunächst verliehene vorläufige Mitgliedschaft in eine ordentliche Mitgliedschaft übergeht; bei einem negativen Votum der Zentralwohlfahrtsstelle entscheiden der Vorstand und der Gemeinderabbiner über die Aufnahme. Es ist davon auszugehen, dass auch die Mitgliedschaft in der Beigeladenen zu 2. nach diesen Vorgaben an den Nachweis der Abstammung von einer jüdischen Mutter oder des von Rabbinern im Einzelfall beurkundeten Übertritts zum Judentum gebunden ist. Abweichende, insbesondere engere Zugehörigkeitsvoraussetzungen sind auch den Vorgängersatzungen der Beigeladenen zu 2. nicht zu entnehmen (vgl.
§ 3 des Statuts der Beigeladenen zu 2. vom 9. Oktober 1968; § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 der Hauptsatzung der Beigeladenen zu 2. vom 21. Juni 1998; § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 der Hauptsatzung (Fassung 2) der Beigeladenen zu 2. vom 11. November 2001).

110

Durch Bescheinigungen der Zentralwohlfahrtsstelle sowie individualisierte Bestätigungen des Landesrabbiners hat die Beigeladene zu 2. den Nachweis der Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zum Judentum erbracht.

111

dd) Nach § 2 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 der Hauptsatzung (Fassung 3) vom 13. Juni 2004 erfordert der Erwerb der Mitgliedschaft in der Beigeladenen zu 2. einen schriftlichen Aufnahmeantrag, dem durch Beschluss des Vorstands der Gemeinde (Aufnahmeerklärung) stattgegeben worden ist. Gleichlautende Regelungen finden sich in der Hauptsatzung der Beigeladenen zu 2. vom 21. Juni 1998 wie auch in ihrer Hauptsatzung (Fassung 2) vom 11. November 2001. Dem Gemeindestatut vom
9. Oktober 1968 mangelte es dagegen an Festlegungen, ob und in welcher Form ein Aufnahmeantrag zu stellen und von welchem Gremium über ihn zu entscheiden ist.

112

Dass die Beigeladene zu 2. die in ihrer Mitgliederliste eingetragenen Personen formal satzungskonform in die Gemeinde aufgenommen hat, hat sie dadurch nachgewiesen, dass sie sowohl die datierten und unterzeichneten Aufnahmeanträge als auch die gleichfalls datierten und unterzeichneten Aufnahmebestätigungen ihres Vorstands bzw. Vorstandsvorsitzenden vorgelegt hat.

113

e) Die Mitgliederliste der Beigeladenen zu 3. für das Jahr 2007 enthält 439 Personen. Korrekturen sind insoweit nicht veranlasst. Dem Einwand des Klägers, für die Berechnung der Mittelzuweisung sei diese Mitgliederzahl um nicht weniger als 172 Personen zu mindern, ist nicht zu folgen.

114

aa) Mehrfachnennungen oder Doppelmitgliedschaften von Personen, die die Beigeladene zu 3. für das Jahr 2007 als Mitglieder aufgelistet hat, sind nicht erkennbar.

115

bb) Dass der Hauptwohnsitz ihrer Mitglieder zum Stichtag in einer Gemeinde in Sachsen-Anhalt lag, hat die Beigeladene zu 3. durch Vorlage von Meldebescheinigungen nachgewiesen, ohne dass hiergegen erhebliche Einwände geltend gemacht worden und Mängel für den Senat anderweitig ersichtlich sind.

116

cc) Nach Nr. 2.1 Satz 1 Buchst. a der Satzung der Beigeladenen zu 3. vom 20. Dezember 2002 in der Fassung vom 21. September 2003 und vom 13. November 2005 können Mitglied der Gemeinde alle Personen werden, die nach der Halacha Jude sind. Die Zugehörigkeit zum Judentum nach der Halacha - d. h. die Abstammung von einer jüdischen Mutter oder der Übertritt zum Judentum nach halachischen Vorschriften - war im Satzungsrecht der Beigeladenen zu 3. auch schon zuvor als Aufnahmevoraussetzung bestimmt (vgl. § 2 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen zu 3. vom 10. Dezember 1995; § 2 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen zu 3. vom 15. August 1999; Nr. 2.1 Satz 1 Buchst. a der Satzung der Beigeladenen zu 3. vom 20. Oktober 2002).

117

Dass die Mitglieder der Beigeladenen zu 3. dem Judentum zugehören, hat sie durch Vorlage von Bescheinigungen der Zentralwohlfahrtsstelle und personenbezogene Bestätigungen des Landesrabbiners belegt.

118

dd) Nach Nr. 2.2 Satz 1 und 4 der Satzung der Beigeladenen zu 3. vom 20. Dezember 2002 in der Fassung vom 21. September 2003 und vom 13. November 2005 erfolgt die Aufnahme auf der Basis eines persönlichen Aufnahmeantrags, über den der Vorstand der Gemeinde entscheidet. Diese Erfordernisse und Zuständigkeiten entsprechen den früheren Satzungen der Beigeladenen zu 3. (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 und 4 der Satzung der Beigeladenen zu 3. vom 10. Dezember 1995; § 2 Abs. 2 Satz 1 und 4 der Satzung der Beigeladenen zu 3. vom 15. August 1999; Nr. 2.2 Satz 1 und 4 der Satzung der Beigeladenen zu 3. vom 20. Oktober 2002).

119

Durch Beibringung der Aufnahmeanträge und der Aufnahmeentscheidungen des Gemeindevorstands hat die Beigeladene zu 3. den Nachweis der formal ordnungsgemäßen Aufnahme ihrer Mitglieder geführt.

120

4. Nach alledem beläuft sich die Gesamtzahl der Gemeindemitglieder, auf die der Landeszuschuss für die Jüdische Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt für das Jahr 2007 in Höhe von 1.045.592,83 € nach Abzug der Sockelbeträge in einem Umfang von insgesamt 30 v.H. zu verteilen ist, auf (42 + 599 + 690 + 439 =) 1.770. Bei einer verbleibenden Verteilungssumme in Höhe von 731.914,98 € entfällt danach auf jedes dieser Mitglieder ein Betrag von (731.914,98 € ./. 1.770 =) 413,51 €. Da der Kläger für 42 Personen die Voraussetzungen der Berücksichtigungsfähigkeit nach dem Staatsvertrag 2006 nachgewiesen hat, steht ihm insoweit ein Beteiligungsanspruch in Höhe von (413,51 € x 42 =) 17.367,42 € zu. Allerdings war er selbst der Auffassung, dass sein mitgliederbezogener Anteil am Landeszuschuss für das Jahr 2007 auf 92.331,08 € festzusetzen sei. Im Umfang der Differenz dieser Beträge kann der Kläger deshalb nicht - wie vom Verwaltungsgericht ausgesprochen - eine (Neu-)Bescheidung durch den Beklagten verlangen, sondern ist seine Klage abzuweisen. Mit der endgültigen Festsetzung des mitgliederbezogenen Anteils des Klägers am Landeszuschuss aufgrund des vorliegenden Urteils erledigt sich im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG der Bescheid, durch den der Beklagte diesen Anteil bereits vorläufig festgesetzt hatte (vgl. BVerwG, Urteil in dieser Sache vom 27. November 2013, Rn. 17).

121

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO und trägt hinsichtlich der verschiedenen Rechtszüge dem Umstand Rechnung, dass im Revisionsverfahren nur noch die Verpflichtung des Beklagten zur (Neu-)Bescheidung des Klägers und nicht mehr zur Festsetzung seines mitgliederbezogenen Anteils an dem Landeszuschuss im Streit war. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger im Umfang seines Unterliegens auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Zum einen haben die Beigeladenen einen eigenen Sachantrag im Berufungsverfahren gestellt und sich damit nach § 154 Abs. 3 VwGO einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt; zum anderen haben sie durch Vortrag von Sachargumenten und Vorlage von Mitgliederunterlagen an der Rechtsfindung aktiv und wesentlich mitgewirkt.

122

6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

123

7. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.


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