Beschluss vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (1. Strafsenat) - 1 Ws 68/18

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten wird der Beschluss der Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29.01.2018 aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 30.10.2017 auf Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe aus den Urteilen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 25.08.2016 (Az. 5370 Js 24199/15 3 KLs) sowie des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 25.4.2017 (Az. 5488 Js 21633/16 4a Ls) zurückgewiesen.

2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist durch Strafbefehl des Amtsgerichts Karlsruhe vom 1.8.2016 in dem Verfahren 6 Cs 410 Js10329/16 wegen versuchten Diebstahls am 30.01.2016 unter Anwendung von §§ 242 Abs. 1, 242 Abs. 2, 22, 23 StGB mit einer Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu je 10,00 Euro belegt worden. Das Landgericht Frankenthal hat die Beschwerdeführerin am 25.8.2016 in dem Verfahren 5370 Js 24199/15 3 KLs des weiteren wegen schweren Bandendiebstahls in 3 Fällen, Diebstahls in 8 besonders schweren Fällen, Computerbetrugs in 6 Fällen, davon in einem Fall versucht, wobei die letzte Tat am 23.2.2016 begangen wurde, unter Anwendung von §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 244 Abs. 1 Nr. 2, 244 a Abs. 1, 263 a Abs. 1, 263 a Abs. 2, 22, 23, 25 Abs. 2, 53, 54, 56 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung für die Dauer von 3 Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Schließlich hat das Amtsgericht Ludwigshafen die Beschwerdeführerin am 25.4.2017 in dem Verfahren 5488 Js 21633/16 4a Ls ferner wegen vorsätzlichem Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 5 Fällen, wobei die letzte Tat am 29.7.2016 begangen wurde, unter Anwendung der §§ 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, 53, 56 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung für die Dauer von 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Alle genannten Entscheidungen sind rechtskräftig.

2

Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Landgericht gemäß §§ 460, 462, 462a StPO die Einzelstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Frankenthal vom 25.8.2016 sowie des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 25.4.2017 auf eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten zurückgeführt. Gegen diesen der Verurteilten zu einem unbekannten Zeitpunkt zugestellten Beschluss wendet sie sich mit der sofortigen Beschwerde, die am 20.02.2018 beim Landgericht Frankenthal (Pfalz) eingegangen ist. Mit weiterem Schriftsatz vom 05.04.2018 ist die sofortige Beschwerde begründet worden. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 20.3.2018 beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) vom 30.10.2017 auf Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe zurückzuweisen.

II.

3

Die sofortige Beschwerde der Verurteilten ist zulässig und begründet.

1)

4

Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit ist der Senat zu Gunsten der Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass die sofortige Beschwerde binnen der Frist des § 311 Abs. 2 StPO eingegangen ist. Ein Zustellungsnachweis bzgl. des angefochtenen Beschlusses ist in der Akte nicht enthalten. Der Verteidiger hat insoweit vorgetragen, dass ihm der Beschluss am 13.2.2018 zugegangen sei, so dass die am 20.02.2018 eingegangene sofortige Beschwerde noch fristgemäß eingelegt worden wäre.

2)

5

Die sofortige Beschwerde erweist sich im Ergebnis auch als begründet.

6

Die Voraussetzungen des § 460 StPO für die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe liegen nicht vor.

7

Bei der Verurteilung durch das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein vom 25.4.2017 sind die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 StGB) nicht „außer Betracht geblieben“.

8

Mit den Worten „außer Betracht geblieben“ umschreibt § 460 StPO ein tatsächliches Geschehen (BGHSt 12, 1, 3). Der Gesetzeswortlaut stellt allein darauf ab, dass der Tatrichter eine Entscheidung zur Gesamtstrafenbildung nicht getroffen hat. Darauf, ob er eine solche Entscheidung hätte treffen können oder ob er diese Entscheidung rechtsfehlerhaft unterlassen hat, kommt es hingegen nicht an (BGHSt 35, 208, 214). Erfolgt im Urteil keine nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist § 55 StGB dann nicht "außer Betracht geblieben", wenn der Tatrichter ausdrücklich eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung geprüft und abgelehnt hat (vgl. KMR-Paulus, § 460 StPO, Rn. 15, m.w.N.; LR-Wendisch, StPO, § 460, Rn. 4 m.w.N.; OLG Stuttgart NStZ 1989, 47; a.A. LG Berlin NStE Nr. 6 zu § 460 StPO). Die ausdrückliche Prüfung muss sich dabei aus der gerichtlichen Entscheidung (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.), gegebenenfalls in Verbindung mit dem Protokoll der Hauptverhandlung, ergeben. Andernfalls würde der Bestimmung des § 34 StGB, nach der die mit einem Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen mit Gründen zu versehen sind, nicht Rechnung getragen (vgl. für das gesamte Vorstehende Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. Oktober 2005 – 1 Ws 361/05 –, juris). Ist eine Prüfung erfolgt, schließt dies die Anwendung des § 460 auch dann aus, wenn der Richter die Anwendbarkeit des § 55 StGB aus Rechtsirrtum verneint hat (vgl. Loewe – Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 460 Rn. 4 m. w. N.).

9

So liegt der Fall hier.

10

Im Hauptverhandlungsprotokoll des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein ist Folgendes festgehalten:

11

„Das Gericht erteilte den rechtlichen Hinweis, dass hier eine Gesamtstrafenbildung mit der Verurteilung vom 1. August 2016 in Betracht kommt, aber nicht mit der Verurteilung vom 25. August 2016 ... . Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft schließt sich der Rechtsauffassung an.“

12

Das Amtsgericht hat sodann wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 5 Fällen gegen die Verurteilte auf eine Gesamtheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, erkannt. In den Urteilsgründen wird ausgeführt, dass von einer Gesamtstrafenbildung mit der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Karlsruhe vom 1.8.2016 abgesehen werde, da es erforderlich gewesen sei, die Angeklagte sowohl an Freiheit als auch Vermögen zu bestrafen.

13

Danach ergibt sich aus den Urteilsgründen in Verbindung mit dem Hauptverhandlungsprotokoll, dass die Vorschrift des § 55 StGB nicht außer Betracht geblieben ist, sondern vielmehr geprüft und nicht angewendet wurde. Deshalb kommt ein Rückgriff auf § 460 StPO nicht in Betracht.

14

Daher war der Beschluss des Landgerichts Frankenthal vom 29.1.2018 aufzuheben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) auf Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe unter Zugrundelegung der Strafen aus den beiden oben genannten Urteilen zurückzuweisen.

15

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.

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