Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (1. Kammer) - 1 K 4156/15

Tenor

1. Der Bescheid vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 2014 sowie des Bescheides vom 26. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2015 verpflichtet, der Klägerin Wohngeld in Höhe von 452,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 31. Januar 2015 sowie in Höhe von 288,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Mai 2015 zu bewilligen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Neufestsetzung des Wohngeldes für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis zum 31. August 2014 und begehrt die Bewilligung eines höheren Wohngeldes für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 31. Mai 2015.

2

Mit Bewilligungsbescheid vom 26. August 2013 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für den Zeitraum vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2014 ein Wohngeld in Höhe von 342,00 Euro monatlich fest.

3

Ab dem 25. März 2014 überwies der Zeuge ... der Klägerin monatlich unter Angabe des Verwendungszwecks „Zinsloses Darlehen“ 1.000,00 Euro. Von diesen Zahlungen machte die Klägerin der Beklagten zunächst keine Mitteilung.

4

Am 7. August 2014 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung des Wohngeldes. Im Antragsformular gab sie Mietkosten in Höhe von 744,93 Euro und als Bruttoeinnahmen 500,00 Euro eigene Einnahmen, 112,05 Euro Halbwaisenrente des Sohnes ... und jeweils 184,00 Euro Kindergeld für die Kinder ... und ... an.

5

Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 7. August 2014 zur Darlegung auf, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreite, da der sozialhilferechtliche Mindestbedarf bei den Angaben im Antrag nicht gedeckt sei. Es werde um Prüfung gebeten, ob ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II und/oder Kinderzuschlag bestehe.

6

Mit Schreiben vom 30. September 2014 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie wolle keine ALG-II-Leistungen in Anspruch nehmen, da sie mit diesem Status nicht zurechtkäme. Zudem würde sie dann vom Jobcenter keine Hilfe bei der Jobsuche bekommen. Das Arbeitsamt unterstütze sie nach dem Abschluss ihrer Umschulung beim Einstieg in die Tourismusbranche durch Vermittlungsvorschläge, einen Eingliederungszuschuss und Kurse. Diese Unterstützung des Arbeitsamtes wolle sie nicht verlieren. Sie habe sich daher Geld zur Deckung des Lebensunterhalts von Freunden geliehen; sie bekomme monatlich 1.000,00 Euro als zinsloses Darlehen, das sie, sobald sie mehr Geld verdiene, in Raten zurückzahlen werde. Mit ihrem Schreiben legte die Klägerin einen Kontoauszug in Kopie vor, aus dem sich eine Überweisung vom 2. September 2014 in Höhe von 1.000,00 Euro unter Angabe des Verwendungszwecks „zinsloses Darlehen Rate 7“ ergibt und auf dem die Person des Überweisenden geschwärzt ist.

7

Am 28. Oktober 2014 ging bei der Beklagten ein schriftlicher „Darlehensvertrag“ vom 27. Oktober 2014 zwischen dem Zeugen ... und der Klägerin ein. Danach gewähre der Zeuge der Klägerin ein zinsloses Darlehen in Höhe von 1.000,00 Euro monatlich ab dem 1. März 2014 bis voraussichtlich 31. Mai 2015. Das Darlehen werde ab Januar 2016 in monatlichen Raten à 250,00 Euro zurückgezahlt.

8

Mit Bewilligungsbescheid vom 11. November 2014 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 31. Mai 2015 ein Wohngeld in Höhe von 112,00 Euro monatlich fest. Zur Begründung für die unterbliebene Gewährung eines höheren Wohngeldes führte die Beklagte aus, dass Darlehen, die für den Lebensunterhalt verwendet würden, wohngeldrechtlich wie Einkommen behandelt werden müssten, wenn mit der Rückzahlung entweder überhaupt nicht oder doch nur bei Eintritt eines ungewissen Ereignisses gerechnet werden könne. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Umstände sei der Zeitpunkt der Antragstellung. Das Darlehen sei mit für den Lebensunterhalt bestimmt. Die Klägerin verfüge nicht über Einnahmen, die erkennbar darauf schließen ließen, dass das Darlehen „ernsthaft“ zurückgezahlt werden solle.

9

Mit Änderungsbescheid vom 12. November 2014 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 26. August 2013 für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis zum 31. August 2014 auf, setzte für diesen Zeitraum ein Wohngeld in Höhe von 112,00 Euro monatlich fest und forderte die Klägerin zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 1.380,00 Euro auf.

10

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 11. November 2014 und den Änderungsbescheid vom 12. November 2014 ein. Ihrem Widerspruchsschreiben fügte sie eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen ... vom 10. Dezember 2014 und eine eigene eidesstattliche Versicherung vom 11. Dezember 2014 bei.

11

Der Zeuge führte in seiner eidesstattlichen Versicherung aus, er habe der Klägerin das zinslose Darlehen gewährt, nachdem er sie in der Vergangenheit mehrfach bestärkt habe, eine Ausbildung zu machen, um nicht dauerhaft in der Gastronomie arbeiten zu müssen, und um ihr zu ermöglichen, nach Abschluss der Ausbildung in ihrem Ausbildungsberuf eine Stelle zu finden. Er habe weder die Absicht noch Anlass dazu, der Klägerin über den Verzicht auf Zinsen hinaus weitere Zuwendungen zu machen. Insbesondere habe er nie eine intime Beziehung mit der Klägerin gehabt. Er gehe fest davon aus, dass er die als Darlehen zur Verfügung gestellten Gelder von der Klägerin zurückerhalten werde, und die Klägerin habe auch nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie das Darlehen in voller Höhe zurückzahlen werde.

12

Die Klägerin erklärte an Eides statt, es handele sich um ein zinsloses Darlehen mit ernsthafter Rückzahlungsvereinbarung und ernsthafter Rückzahlungsabsicht. Sie werde das Darlehen in voller Höhe zurückzahlen.

13

Zur Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin aus, sie habe einen Anspruch auf Bewilligung von Wohngeld in gesetzlicher Höhe von 452,00 Euro. Die Darlehenszahlungen seien wohngeldrechtlich kein Einkommen. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei mit der Rückzahlung des Darlehens bis spätestens fünf Jahre ab Tilgungsbeginn zu rechnen. Aufgrund ihrer Lebensplanung sei sie ab Januar 2016 in der Lage, das Darlehen zurückzuzahlen. Dies gelte unabhängig davon, ob sie eine Stelle in ihrem Ausbildungsberuf finde oder wieder in der Gastronomie, was ihr jederzeit möglich sei. Der Zeuge ... sei ein sozial eingestellter Mensch, der sie in einer für sie schwierigen Lage durch ein zinsloses Darlehen habe unterstützen wollen, damit sie genug Zeit habe, in ihrem Ausbildungsberuf eine Stelle zu finden und nicht wieder in der Gastronomie arbeiten zu müssen. Es gebe keinen Anlass dafür, dass der Zeuge ihr darüber hinaus eine Zuwendung mache. Es handele sich bei ihm um einen guten und langjährigen Bekannten, eine darüber hinausgehende Beziehung bestehe nicht und habe auch nie bestanden. Herrn ... und ihr sei immer klar gewesen, dass es sich um ein Darlehen handele und sie es zurückzahlen werde. Die Rückzahlungsabsicht sei ernsthaft. Für sie sei es eine Frage der Ehre, das Darlehen zurückzuzahlen. Herr ... von der Wohngeldstelle der Beklagten habe ihr nach ausführlicher Erläuterung ihrer Situation mitgeteilt, dass sie den Darlehensvertrag vorlegen solle, damit das Darlehen bei der Berechnung des Wohngeldes nicht als Einkommen berücksichtigt werde. Weil sie einen Darlehensvertrag in der von Herrn ... verlangten Form nicht gehabt habe, was diesem auch bekannt gewesen sei, hätten der Zeuge und sie am 27. Oktober 2014 den Darlehensvertrag schriftlich abgeschlossen. Es handele sich dabei um die schriftliche nachträgliche Erfassung und Ergänzung der bereits Ende März 2014 per E-Mail getroffenen Darlehensvereinbarung.

14

Am 1. Februar 2015 schlossen die Klägerin und die ... GmbH einen Arbeitsvertrag. Danach erhalte die Klägerin bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 1.000,00 Euro.

15

Daraufhin hob die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 26. März 2015 den Bewilligungsbescheid vom 11. November 2014 für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Mai 2015 auf, setzte für diesen Zeitraum ein Wohngeld in Höhe von 0,00 Euro fest und forderte die Klägerin zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 224,00 Euro auf.

16

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 15. April 2015 auch gegen diesen Änderungsbescheid Widerspruch ein. Sie habe einen Anspruch auf Bewilligung von Wohngeld in gesetzlicher Höhe von ca. 280,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Mai 2015. Die Darlehenszahlungen seien wohngeldrechtlich kein Einkommen. Hinsichtlich des von ihr angenommenen Teilzeitjobs bestehe die Option, die wöchentliche Arbeitszeit von 15 Stunden zu erhöhen. Sie verfüge jetzt über Einnahmen, die auch für die Wohngeldstelle erkennbar darauf schließen ließen, dass das mit der Gewährung des Darlehens verfolgte Ziel (Einstieg in ihren Ausbildungsberuf/in der Tourismusbranche) erreicht worden sei und das gesamte Darlehen zurückgezahlt werden könne.

17

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2015, der Klägerin mit Postzustellungsurkunde zugegangen am 24. Juni 2015, wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, die monatlichen Zuwendungen des Zeugen in Höhe von 1.000,00 Euro seien bei der Wohngeldberechnung als Einkommen zu berücksichtigen, da es sich um Bezüge im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG handele. Zwar würden grundsätzlich darlehensweise gewährte Leistungen Dritter nicht als Einkommen im wohngeldrechtlichen Sinne gelten, wenn diese zurückzuzahlen seien und deshalb nur vorübergehend zur Verfügung gestellt würden. Darlehen, die für den Lebensunterhalt verwendet würden, seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch dann als Einkommen zu behandeln, wenn mit der Rückzahlung entweder überhaupt nicht oder nur bei Eintritt eines ungewissen Ereignisses gerechnet werden könne. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorlägen, sei der Zeitpunkt der Antragstellung. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Das Darlehen sei für den Lebensunterhalt bestimmt. Angesichts der finanziellen und persönlichen Verhältnisse der Klägerin sei es völlig ungewiss gewesen, wann sie in der Lage sein würde, das Geld zurückzuzahlen. Gegen das Vorliegen eines wohngeldrechtlich nicht als Einkommen zu behandelnden Darlehens spreche zudem, dass die schriftliche Vereinbarung erst auf ihre Nachfrage im Oktober 2014 und damit sieben Monate nach Beginn der Zahlungen unterschrieben worden sei. Der von der Klägerin angesprochene E-Mail-Verkehr aus dem März 2014 sei nicht vorgelegt worden.

18

Am 21. Juli 2015 hat die Klägerin Klage erhoben.

19

Zur Begründung trägt sie vor, maßgeblich für die Einordnung des Darlehensvertrages sei der Wille der Vertragsparteien. Danach sei sie verpflichtet, das Darlehen in monatlichen Raten à 250,00 Euro ab Januar 2016 zurückzuzahlen. Ein ernsthafter Bindungswille der Vertragsparteien liege vor. Es komme nicht darauf an, dass es für sie im März 2014 völlig ungewiss gewesen sei, ob sie das Geld würde zurückzahlen können; angesichts der geringen Rückzahlungsraten werde sie dazu aber in der Lage sein. Eine Rückzahlungsverpflichtung ergäbe sich allein schon aus dem Umstand, dass sie seit Januar 2016 Rückzahlungen von monatlich 250,00 Euro leiste.

20

Im Klagverfahren hat die Klägerin ihren E-Mailverkehr mit dem Zeugen ... vom 21. März 2014 bis zum 24. März 2014 vorgelegt. Daraus geht hervor, dass der Zeuge der Klägerin mit E-Mail vom 21. März 2014 angeboten hatte, ihr jeden Monat 1.000,00 Euro zu „leihen“, bis sie eine Stelle habe und wieder Geld verdiene. Sie könne es dann später gern auch in kleinen Raten zurückzahlen. Mit E-Mail vom 24. März 2014 hatte die Klägerin dem Zeugen mitgeteilt, sie nähme sein Angebot gerne an.

21

Die Klägerin beantragt,

22

1. den Bescheid vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2015 aufzuheben,

23

2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 2014 sowie des Bescheides vom 26. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2015 zu verpflichten, ihr Wohngeld in Höhe von 452,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 31. Januar 2015 sowie in Höhe von 288,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Mai 2015 zu bewilligen.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Zur Begründung verweist die Beklagte auf ihre Bescheide. Ergänzend macht sie geltend, aus dem E-Mail-Verkehr ergebe sich ein ernsthafter Rechtsbindungswille der Klägerin hinsichtlich einer Rückzahlungspflicht zu einem bestimmten Fälligkeitszeitpunkt mit einer bestimmten zeitlich und der Höhe nach bezeichneten Tilgungsleistung nicht. Weiteres Indiz, das gegen die Annahme einer wirksamen Darlehensverpflichtung spreche, sei, dass die Klägerin eine etwaige Darlehensverpflichtung nicht bereits im Antragsformular, sondern erst auf Aufforderung der Wohngeldstelle zum Nachweis des Lebensunterhalts nachgereicht habe. Die im laufenden Klagverfahren nachgewiesene teilweise Rückzahlung der Darlehensforderung stehe deren Einordnung als wohngeldrechtlich relevantes Einkommen nicht entgegen, da insoweit der Zeitpunkt der Beantragung des Wohngeldes maßgebend sei.

27

In der mündlichen Verhandlung am 8. Juni 2016 hat das Gericht die Klägerin persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen ... zu den monatlichen Zahlungen in Höhe von 1.000,00 Euro sowie zum Abschluss eines Darlehensvertrages. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Die Sachakten der Beklagten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

I.

28

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).

II.

29

Die Klage hat sowohl mit dem Klagantrag zu 1. (hierzu unter 1.) als auch mit dem Klagantrag zu 2. (hierzu unter 2.) Erfolg.

30

1. Mit dem Klagantrag zu 1. ist die Klage als Anfechtungsklage zulässig und begründet.

31

Der Änderungsbescheid vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies gilt hinsichtlich der Neufestsetzung des Wohngeldes und der Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26. August 2013 für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis zum 31. August 2014 (hierzu unter a)) ebenso wie für die Rückforderung des in Höhe von 1.380,00 Euro festgesetzten Betrages (hierzu unter b)).

32

a) Rechtsgrundlage für die Neufestsetzung des Wohngeldes und die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26. August 2013 für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis zum 31. August 2014 ist § 27 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Wohngeldgesetzes (im Folgenden: WoGG), das auf den vorliegenden Fall in der vom 9. April 2013 bis zum 23. Oktober 2015 gültigen Fassung Anwendung findet (§ 41 Abs. 2 WoGG).

33

Danach ist – innerhalb der in § 27 Abs. 4 WoGG genannten, hier eingehaltenen zeitlichen Grenzen – von Amts wegen über die Leistung des Wohngeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an neu zu entscheiden, wenn sich in einem abgelaufenen Bewilligungszeitraum nicht nur vorübergehend das Gesamteinkommen um mehr als 15 % erhöht hatte und dadurch das Wohngeld weggefallen ist oder sich verringert hat. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

34

Während in wohngeldrechtlichen Entscheidungen typischerweise eine Prognose der im Bewilligungszeitraum zu erwartenden Verhältnisse anzustellen ist (§ 24 Abs. 2 Satz 1 WoGG), die nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist (hierzu näher unten unter II. 2.), gilt dies bei Bescheiden, die auf der Grundlage von § 27 Abs. 4 WoGG ergangen sind, nicht, da es hier um die Bewertung eines im maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntnis der Wohngeldbehörde von den geänderten Verhältnissen (§ 27 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 5 WoGG) bereits vollständig abgeschlossenen Zeitraums geht, die eine Prognose nicht mehr erfordert. Es gelten deshalb die allgemeinen Regeln zur Anfechtung eines belastenden Verwaltungsakts. Danach hat die Beklagte die ab dem 25. März 2014 erfolgten monatlichen Zahlungen des Zeugen ... an die Klägerin zu Unrecht als Einkommen im Sinne des Wohngeldgesetzes eingestuft.

35

Zum Jahreseinkommen gehören nach § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG zwar grundsätzlich die nach § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG der Empfängerin nicht zuzurechnenden Bezüge, die ihr von einer Person, die kein Haushaltsmitglied ist, gewährt werden. Die monatlichen Zahlungen des Zeugen an die Klägerin sind auch vom Wortlaut dieser Vorschriften erfasst, da es sich beim Zeugen nicht um ein Haushaltsmitglied im Sinne von § 5 WoGG handelt und die Beträge der Klägerin nicht nach § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbs. 1 EStG zuzurechnen sind. Nach dieser Vorschrift sind Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, die freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gewährt werden, nicht der Empfängerin zuzurechnen. So liegt es hier. Es handelt sich um Einkünfte aus wiederkehrenden, nämlich monatlichen, Bezügen. Diese hat der Zeuge aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht gewährt.

36

In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG nach Sinn und Zweck der Wohngeldgewährung einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass darlehensweise gewährte Leistungen grundsätzlich nicht als Jahreseinkommen im Sinne des Wohngeldrechts zu qualifizieren sind, weil diese zurückgezahlt werden müssen und deshalb nur vorübergehend zur Verfügung gestellt werden (Stadler/Gutekunst/Dietrich/ Fröba, WoGG, 70. EL, Juni 2014, § 14, Rn. 15 und 540 e). Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind bei der Prüfung, ob ein nicht als Einnahme im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 19 WoGG anzusehendes Darlehen vorliegt, die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärten Grundsätze zur Berücksichtigung eines das Vermögen mindernden Darlehens im Ausbildungsförderungsrecht anzuwenden (BVerwG, Beschl. v. 9.12.2011, 5 B 28/11, juris, Rn. 6).

37

Maßgebend ist danach allein, ob ein Darlehensvertrag entsprechend § 488 BGB zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist und dies von dem insoweit darlegungspflichtigen Betroffenen auch nachgewiesen werden kann. An den Nachweis des Abschlusses und der Ernsthaftigkeit der Verträge sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Dies setzt etwa voraus, dass sich die Darlehensgewähr auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt. Die zuständigen Behörden und die Tatsachengerichte haben zur Klärung der Frage, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist und welchen Inhalt dieser gegebenenfalls hat, alle Umstände des Einzelfalles sorgsam zu ermitteln und umfassend zu würdigen (BVerwG, a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 4.9.2008, 5 C 30/07, juris, Rn. 24-27 (zum BAFöG)).

38

Nach diesen Vorgaben handelt es sich bei den Zahlungen des Zeugen ... an die Klägerin um ein nicht als Einkommen im Sinne des Wohngeldrechts einzuordnendes Darlehen. Es steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass die Klägerin und der Zeuge einen wirksamen Darlehensvertrag abgeschlossen haben.

39

aa) Durch einen Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und das zur Verfügung gestellte Darlehen bei Fälligkeit zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB).

40

Der zur Verfügung zu stellende Geldbetrag muss dabei nicht summenmäßig exakt festgeschrieben sein. Es genügt vielmehr die Bestimmbarkeit der Darlehenssumme (Berger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 488, Rn. 8 und 32).

41

Die Pflicht des Darlehensnehmers zur Rückzahlung des Darlehens ist Ausdruck des dem Darlehensvertrag immanenten, gesetzlich vorausgesetzten und damit typusbildenden Geschäftszwecks der zeitlich begrenzten Verschaffung von Kaufkraft. Die Rückzahlungspflicht entsteht nicht durch die im Abschluss des Darlehensvertrages manifestierte Vereinbarung der Parteien, sondern ohne weiteres kraft Gesetzes als Folge der Vereinbarung der zeitlich begrenzten Überlassung des Geldbetrages durch den Darlehensgeber (Berger, a.a.O., Rn. 43). Zivilrechtlich hat im Falle der vereinbarten Überlassung eines Geldbetrages die Abgrenzung zwischen Darlehensvertrag und Schenkung deshalb danach zu erfolgen, ob der Geldbetrag nach dem Zweck der Vereinbarung endgültig beim Empfänger verbleiben oder ob dieser zur Rückzahlung verpflichtet werden soll (Berger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, Vor § 488, Rn. 24 m.w.N.). Hingegen ist die Vereinbarung der Rückzahlungsmodalitäten keine Voraussetzung für den Abschluss und die Wirksamkeit eines Darlehensvertrages (Berger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 488, Rn. 8).

42

Zum wirksamen Vertragsabschluss ist in subjektiver Hinsicht zudem, wie bei allen auf den Abschluss eines Vertrages gerichteten Willenserklärungen, erforderlich, dass die Beteiligten mit Rechtsbindungswillen handeln. Die Erklärungen müssen aus der Sicht eines verständigen Adressaten den Willen des Erklärenden erkennen lassen, mit der Erklärung eine rechtliche Bindung zu bewirken (Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2015, § 145, Rn. 7).

43

bb) Die Klägerin hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen für den Abschluss eines Darlehensvertrages auch nach den aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu stellenden strengen Anforderungen nachgewiesen.

44

(1) Bereits die Erklärungen im E-Mailverkehr zwischen dem Zeugen und der Klägerin vom 21. März 2014 und 24. März 2014 sind nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß den §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass diese damit einen Darlehensvertrag abgeschlossen haben.

45

In dem genannten E-Mailverkehr hat die Klägerin das Angebot des Zeugen angenommen, ihr jeden Monat 1.000,00 Euro zu „leihen“, bis sie eine Stelle habe und wieder Geld verdiene. Damit hat sich der Zeuge verpflichtet, der Klägerin monatlich 1.000,00 Euro zur Verfügung zu stellen. Es ist unschädlich, dass die Dauer dieser Verpflichtung in den E-Mails nicht exakt zeitlich bestimmt ist, da sie aufgrund der Anknüpfung daran, dass die Klägerin wieder eine Stelle habe und Geld verdiene, hinreichend bestimmbar ist.

46

Die Klägerin hat sich mit der Annahme des Angebots des Zeugen auch zur Rückzahlung verpflichtet. Dies ergibt sich zum einen aus der Formulierung, der Zeuge könne ihr das Geld „leihen“. Zum anderen ergibt sich aus der weiteren Formulierung in der E-Mail des Zeugen, die Klägerin könne das Geld später gern in kleinen Raten zurückzahlen, dass der Geldbetrag nicht endgültig bei ihr verbleiben sollte.

47

(2) Am 27. Oktober 2014 haben die Klägerin und der Zeuge ... zudem einen schriftlichen Darlehensvertrag abgeschlossen.

48

Danach gewähre der Zeuge der Klägerin ein zinsloses Darlehen in Höhe von 1.000,00 Euro monatlich ab dem 1. März 2014 bis zum 31. Mai 2015 und werde das Darlehen ab Januar 2016 in monatlichen Raten à 250,00 Euro zurückgezahlt. Diese schriftliche Vereinbarung wiederholt und ergänzt die bereits per E-Mail getroffene Vereinbarung.

49

(3) Die Klägerin und der Zeuge haben zur Überzeugung des erkennenden Gerichts auch mit Rechtsbindungswillen gehandelt.

50

Die Beklagte verweist zwar zu Recht darauf, dass die Klägerin das Darlehen bei der Beantragung der Weiterbewilligung des Wohngeldes am 7. August 2014 nicht im Antragsformular angegeben hat. Auch ist das Motiv des Zeugen, der Klägerin in einer schwierigen Situation zu helfen, allein nicht zur Abgrenzung von Darlehen und Schenkung geeignet, da dies nicht nur bei einem zinslosen Darlehen, sondern auch bei einer Schenkung zum Tragen käme. Dies schließt die Annahme eines Rechtsbindungswillens hinsichtlich des Abschlusses eines Darlehensvertrages jedoch nicht aus. Tatsächlich erscheint angesichts des Verhältnisses des Zeugen und der Klägerin sowie deren damaliger Situation die Annahme deutlich naheliegender, dass das Geld ihr nur vorübergehend und nicht dauerhaft zufließen sollte.

51

Ein enges Verwandtschaftsverhältnis oder eine sonstige enge Beziehung, die den Abschluss eines Darlehensvertrages mit Rechtsbindungswillen als unglaubhaft erscheinen lassen könnte, besteht zwischen der Klägerin und dem Zeuge nicht. Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft angegeben, er kenne die Klägerin seit über zehn Jahren. Er habe sie kennengelernt als sie im ... gearbeitet habe. Sie träfen sich in unregelmäßigen Abständen zum Mittagessen, etwa drei- bis sechsmal pro Jahr. Eine darüber hinausgehende Beziehung bestand und besteht zwischen der Klägerin und dem Zeugen nach deren übereinstimmenden Angaben, auch in ihren eidesstattlichen Versicherungen vom 10. und 11. Dezember 2014, nicht. Das Gericht hat keinen Anlass, die Richtigkeit dieser Angaben in Zweifel zu ziehen.

52

Die Gewährung eines zinslosen Darlehens in der beträchtlichen Höhe von insgesamt 15.000,00 Euro erscheint unter guten Freunden zwar durchaus außergewöhnlich. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Zeuge als Partner einer internationalen Großkanzlei finanziell deutlich besser gestellt sein wird als die Klägerin. Darüber hinaus hat der Zeuge in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, es sei nicht das erste Mal gewesen sei, dass er Freunden Geld geliehen habe. Zudem sei er zu Beginn davon ausgegangen, dass sich die monatlichen Zahlungen in Höhe von 1.000,00 Euro bis zum Berufseinstieg der Klägerin in der Tourismusbranche nur über etwa drei bis sechs Monate hinziehen würden. Erst aufgrund der länger anhaltenden Schwierigkeiten der Klägerin, einen Arbeitsplatz zu finden, kam es zu einem Anstieg des Darlehens auf 15.000,00 Euro.

53

Abgesehen davon, dass eine Schenkung in dieser Höhe unter guten Freunden noch ungewöhnlicher als ein zinsloses Darlehen wäre, haben die Klägerin und der Zeuge in der mündlichen Verhandlung, ebenso wie in ihren eidesstattlichen Versicherungen vom 10. und 11. Dezember 2014, keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass das Geld – wie es tatsächlich seit Januar 2016 geschieht – zurückgezahlt werden sollte. Nach dem persönlichen Eindruck des erkennenden Gerichts von der Klägerin und dem Zeugen erscheint zudem die Annahme fernliegend, diese wollten der Klägerin durch einen nur zum Schein abgeschlossenen Darlehensvertrag in unrechtmäßiger Weise Wohngeldleistungen verschaffen.

54

Hinzu kommt, dass der E-Mailverkehr vom 21. März 2014 und 24. März 2014 zeitlich bereits vor dem Antrag vom 7. August 2014 und unabhängig von Aufforderungen der Beklagten erfolgt ist und die Überweisungen von Beginn am 25. März 2014 an unter der Angabe des Verwendungszwecks „zinsloses Darlehen“ erfolgt sind.

55

Die tatsächlichen Möglichkeiten der Klägerin, die Darlehenssumme zurückzuzahlen, hingen zwar von der späteren Aufnahme einer besser bezahlten Berufstätigkeit ab. Diese konnte jedoch nicht als derart ungewiss angesehen werden, dass dies einem Rechtsbindungswillen ihrerseits entgegenstände. Denn nach glaubhaften Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung stand ihr unabhängig von der angestrebten Tätigkeit in der Tourismusbranche die Rückkehr in die Gastronomie offen und hätte sie dort, ggf. mit einem oder zwei Minijobs, einen Verdienst erzielen können, der die Darlehensrückzahlung ermöglicht hätte. Nach dem persönlichen Eindruck des erkennenden Gerichts ist die Klägerin bereit und dazu in der Lage, für die Rückzahlung des Darlehens große Anstrengungen auf sich zu nehmen, da es sich dabei für sie um eine Frage der Ehre handelt.

56

Schließlich steht auch der Umstand, dass der Darlehensvertrag vom 27. Oktober 2014 erst nachträglich abgeschlossen wurde, der Annahme eines Rechtsbindungswillens nicht entgegen, da ein wirksamer Darlehensvertrag – wie ausgeführt – bereits zuvor bestanden hatte und der schriftliche Vertrag – wie von der Klägerin stets betont – lediglich die per E-Mail getroffene Vereinbarung wiederholt und ergänzt hat.

57

b) Rechtsgrundlage für die Rückforderung des in Höhe von 1.380,00 Euro festgesetzten Betrages ist § 50 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SGB X.

58

Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage liegen nicht vor, da die mit Änderungsbescheid vom 12. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2015 erfolgte Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26. August 2013 für den Zeitraum vom 1. März 2014 bis zum 31. August 2014 nach den obigen Ausführungen rechtswidrig war und durch dieses Urteil aufgehoben wird.

59

2. Mit dem Klagantrag zu 2. ist die Klage als Verpflichtungsklage zulässig und begründet.

60

Der Bewilligungsbescheid vom 11. November 2014 sowie der Änderungsbescheid vom 26. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit die Beklagte darin aufgrund der Einordnung der in Höhe von 1.000,00 Euro monatlich erfolgten Zahlungen des Zeugen an die Klägerin als Einkommen die Bewilligung eines höheren Wohngeldes abgelehnt hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Bewilligung von Wohngeld in Höhe von 452,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 31. Januar 2015 sowie in Höhe von 288,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Mai 2015.

61

Das Wohngeld richtet sich gemäß § 4 WoGG nach der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder (§§ 5 bis 8 WoGG), der zu berücksichtigenden Miete (§§ 9 bis 12 WoGG) sowie dem Gesamteinkommen (§§ 13 bis 18 WoGG) und ist nach § 19 WoGG zu berechnen. Dabei sind gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 WoGG die Verhältnisse im Bewilligungszeitraum, die im Zeitpunkt der Antragstellung zu erwarten sind, zu Grunde zu legen. Dies gilt auch und insbesondere für die Ermittlung des Jahreseinkommens, denn gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WoGG ist bei der Ermittlung des Jahreseinkommens das Einkommen zu Grunde zu legen, das im Zeitpunkt der Antragstellung im Bewilligungszeitraum zu erwarten ist (BVerwG, Urt. v. 23.1.1990, 8 C 58/89, juris, Rn. 21; OVG Hamburg, Urt. v. 26.11.2015, 4 Bf 96/14, juris, Rn. 30; VG Hamburg, Beschl. v. 19.1.2016, 1 K 4310/15, n. v.). Maßgeblicher Bezugspunkt der nach diesen Normen zu stellenden Prognose ist daher die Situation im Zeitpunkt der Antragstellung (Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, Kommentar, Lieferung 72, März 2015, § 24, Rn. 41).

62

Der auf diesen Bezugspunkt abstellenden Prognose der Verhältnisse im Bewilligungszeitraum sind diejenigen Daten und Erkenntnisse zu Grunde zu legen, die bis zur behördlichen Entscheidung vorliegen. Dies ergibt sich aus § 24 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 WoGG. Diese Norm fordert im Sinne einer Sollens-Berücksichtigung zwar unmittelbar nur die Einbeziehung qualifizierter Änderungen der Verhältnisse, die sich nach der Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Wohngeldbescheides ergeben. Daraus folgt jedoch zum einen, dass erst recht auch bloße neue Daten und Erkenntnisse, die über die Verhältnisse Aufschluss geben, die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehen und im Bewilligungszeitraum zu erwarten sind, bei der behördlichen Entscheidung Berücksichtigung zu finden haben (OVG Hamburg, Urt. v. 26.11.2015, 4 Bf 96/14, juris, Rn. 31; VGH München, Beschl. v. 5.5.2014, 12 ZB 14.701, juris, Rn. 14; Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, a.a.O., Rn. 41). Dieser Prognoseermittlungszeitraum erstreckt sich zum anderen im Falle fristgerechter Widerspruchseinlegung bis zur Entscheidung der Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren. Denn Ausgangs- und Widerspruchsverfahren bilden ein einheitliches Verwaltungsverfahren, in dem die – in der Freien und Hansestadt Hamburg mit der Ausgangsbehörde identische (§ 7 Abs. 1 AGVwGO HA) – Widerspruchsbehörde zu einer umfassenden Kontrolle der Ausgangsentscheidung mit derselben Entscheidungskompetenz einschließlich reiner Zweckmäßigkeitserwägungen befugt ist wie die Ausgangsbehörde (Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, a.a.O., Rn. 42).

63

Daraus folgt, dass im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich nur die Rechtmäßigkeit der auf Grundlage der bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten oder zumindest erkennbaren Umstände getroffenen Prognoseentscheidung zu überprüfen ist. Nachträglicher Vortrag und nachträgliche Nachweise sind dabei nicht zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich die behördliche Prognoseentscheidung bei dieser Prüfung als rechtswidrig erweist. Eine fehlerhafte prognostische Tätigkeit der Behörde liegt etwa vor, wenn bei Berücksichtigung der primären Mitwirkungspflicht des Wohngeldantragstellers bei der Ermittlung des Sachverhalts nach § 60 Abs. 1 SGB I Anlass zu weitergehender amtlicher Sachverhaltsaufklärung bestanden hätte (VGH München, a.a.O., Rn. 16; VG Hamburg, Beschl. v. 19.1.2016, 1 K 4310/15, n. v.). Dann ist die Prognose vom Gericht in ordnungsgemäßer Form nachzuholen und sind nachträgliches Vorbringen sowie nachträgliche Nachweise zu berücksichtigen (Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, a.a.O., Rn. 53; VG Hamburg, Urt. v. 4.2.2016, 1 K 1040/15, rechtskräftig, n. v.).

64

Es kann dahinstehen, ob diese Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs auch im Hinblick auf die streitige Einordnung von Zahlungen als Einkommen im wohngeldrechtlichen Sinne oder als Darlehen gilt. Dagegen spricht zwar zum einen, dass es sich dabei um eine Rechtsfrage handelt, die für sich gesehen keinen prognostischen Charakter hat, und zum anderen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben den zuständigen Behörden auch die Tatsachengerichte selbst gehalten sind, zur Klärung der Frage, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist und welchen Inhalt dieser gegebenenfalls hat, alle Umstände des Einzelfalls sorgsam zu ermitteln (BVerwG, Beschl. v. 9.12.2011, 5 B 28/11, juris, Rn. 6).

65

Im Ergebnis kann dies jedoch offen bleiben, weil sich die Prognose der Beklagten als rechtswidrig erweist. Abgesehen davon, dass angesichts der bereits im Verwaltungsverfahren seitens der Klägerin vorgelegten Unterlagen (schriftlicher Darlehensvertrag vom 27. Oktober 2014, eidesstattliche Versicherungen der Klägerin und des Zeugen ..., Kontoauszüge, aus denen sich die Zahlungen unter Angabe des Verwendungszwecks „zinsloses Darlehen“ ergeben, sowie ausführliche Begründungen der Widersprüche) die Einordnung der Zahlungen als Darlehen nahelag, wäre es bei verbleibenden Zweifeln hieran angesichts der Pflicht der Beklagten zur sorgsamen Ermittlung aller Umstände des Einzelfalls geboten gewesen, die Klägerin zur Vorlage des E-Mailverkehrs vom 21. und 24. März 2014 aufzufordern und diese sowie den Zeugen auch persönlich zu befragen.

66

Tatsächlich handelt es sich bei den monatlichen Zahlungen des Zeugen an die Klägerin in Höhe von 1.000,00 Euro – das erkennende Gericht ist aufgrund der fehlerhaften Prognose der Beklagten nicht daran gehindert, auch hinsichtlich dieses Klagantrags erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens eingetretene Umstände zu berücksichtigen – entgegen der im Bewilligungsbescheid vom 11. November 2014 sowie im Änderungsbescheid vom 26. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2015 zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung der Beklagten um Darlehen und nicht um Einkommen im Sinne des Wohngeldrechts. Die obigen Ausführungen unter II. 1. a) gelten insoweit entsprechend. Ohne diese monatlichen Zahlungen des Zeugen errechnet sich ein der Klägerin zustehendes Wohngeld nach der Proberechnung der Beklagten aus dem Fachverfahren Diwoge – an deren Richtigkeit kein Anlass zu zweifeln besteht – in Höhe von 452,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 31. Januar 2015 und in Höhe von 288,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Mai 2015.

III.

67

Die Beklagte trägt als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen