Urteil vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 10 K 2902/16

Tenor

Der Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 03.02.2016 und ihr Widerspruchsbescheid vom 18.04.2016 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Abrechnungsbescheids, wonach der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Gewebesteuererstattung für das Jahr 2014 durch Aufrechnung mit Festsetzung aus Gewerbesteuerschulden aus 2013 erloschen ist.
Für das Jahr 2014 wurde die Gewerbesteuer von der Beklagten zunächst auf 12.235,00 EUR festgesetzt. Die Klägerin beglich über das Jahr 2014 verteilt mit Vorauszahlungen diese Forderung: Eine am 15.02.2014 fällig gewordene Gewerbesteuervorauszahlung von 7.377,00 EUR für das erste Kalendervierteljahr 2014 wurde am 19.03.2014 von der Klägerin bezahlt. Eine am 15.05.2014 fällig gewordene Gewerbesteuervorauszahlung für das zweite Kalendervierteljahr 2014 von 7.708,00 EUR wurde am 12.06.2014 von der Klägerin bezahlt. Hiervon wurden am 23.07.2014 2.850,00 EUR aufgrund einer Reduzierung der Gewerbesteuervorauszahlungen für 2014 zurückerstattet.
Über das Vermögen der Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 01.11.2014 (Az. ...) unter Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270 InsO das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte berechnete mit Schreiben vom 21.01.2015 die Gewerbesteuernachzahlung für das Jahr 2013 mit 12.723,20 EUR und meldete diesen Anspruch als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle an. Der Betrag wurde später von der Beklagten auf 11.956,55 EUR korrigiert.
Im Insolvenzverfahren wurde am 21.01.2015 ein Insolvenzplan mit dem Ziel des Unternehmenserhalts aufgestellt. Das Amtsgericht Stuttgart bestätigte am 24.02.2015 im Sinne von § 252 InsO den Insolvenzplan. Auf Seite 34 des Insolvenzplans heißt es: „Die Insolvenzgläubiger erklären gegenüber der annehmenden Schuldnerin unter der Bedingung der Abgeltung der im Plan vorgesehenen Leistung den Verzicht auf den verbleibenden Teil ihrer Forderungen.“
Die Beklagte erhielt gemäß der Insolvenzquote aus der Insolvenzmasse einen Anteil von 425,03 EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 12.01.2016 wurde die Gewerbesteuer für 2014 auf null Euro festgesetzt. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, die Klägerin habe wegen der geleisteten Vorauszahlungen einen Erstattungsanspruch i.H.v. 12.235,00 EUR gegen die Beklagte.
Am 20.01.2016 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Aufrechnung ihrer Forderung aus der Gewerbesteuer 2013 mit dem Erstattungsanspruch der Klägerin i.H.v. 11.531,52 EUR. Mit Abrechnungsbescheid vom 03.02.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Beklagte habe den Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung von Gewerbesteuer für 2013 mit dem Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aufgerechnet.
Die Klägerin legte am 03.03.2016 Widerspruch gegen den Abrechnungsbescheid ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 19.05.2016 Klage gegen den Abrechnungsbescheid in Gestalt des Widerspruchbescheids erhoben.
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Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe in Ermangelung eines Widerspruchs gegen den Insolvenzplan die darin getroffene Regelungen gegen sich gelten zu lassen. Nach dem klaren Wortlaut des Insolvenzplans verzichte die Beklagte auf den verbleibenden Teil der Insolvenzforderungen. Die Zustimmung des Gläubigers zu einem teilweisen Erlass der Forderungen begründe ein schutzwürdiges Vertrauen beim Insolvenzschuldner dahingehend, dass er sich nicht mit nachträglichen Kürzungen seiner Forderungen aufgrund einer Aufrechnung mit Insolvenzforderungen konfrontiert sehe. Wenn ein Gläubiger das Recht zur Aufrechnung erhalten möchte, sei er angehalten, sich dieses Recht im Insolvenzplan explizit zu sichern. Die Aufrechnung stelle eine Geltendmachung der Forderung gegen den Willen der Klägerin dar. Eine Geltendmachung sei aber gerade nicht mehr möglich, da die Gewerbesteuern für das Jahr 2014 unvollkommene Forderungen seien. Nach § 254 Abs. 3 InsO würden Insolvenzforderungen durch die Regelungen im Insolvenzplan, wonach auf einen Teil der Forderungen durch die Gläubiger verzichtet werde, zu unvollkommenen Verbindlichkeiten. Solche Verbindlichkeiten begründeten keine Erfüllungsansprüche und könnten nicht im Wege der Aufrechnung verfolgt werden. Die Aufrechnung sei somit nach § 390 BGB nicht möglich gewesen, da die Forderung der Beklagten aus Gewerbesteuer für 2013 nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans eine unvollkommene, einredebehaftete Forderung darstelle, deren Begleichung die Klägerin dauerhaft verweigern dürfe. Ein Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens verliere durch einen Erlassvertrag nach § 397 BGB auch sein Aufrechnungsrecht. Es sei nicht ersichtlich, warum ein Insolvenzgläubiger insofern besser gestellt werden solle. Erst die Festsetzung der Gewerbesteuer auf null am 20.01.2016 habe zu einem Erstattungsanspruch der Klägerin geführt. Die Beklagte sei somit bezüglich des Erstattungsanspruchs der Klägerin Schuldnerin außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Über die Verweisungsnorm des § 226 Abs. 1 AO fänden somit nicht die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsregelungen der §§ 94-96 InsO Anwendung. Es gälten vielmehr die allgemeinen Regeln des Anfechtungsrechts nach §§ 387 ff. BGB. Jedenfalls sei die Aufrechnung erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erklärt worden. Die Bedingung, wann die Beklagte die Gewerbesteuer 2014 auf null festsetzte, sei vom Willen der Beklagten abhängig gewesen. Diese Bedingung sei jedenfalls nach Beendigung des Insolvenzverfahrens eingetreten. Der Insolvenzplan bezwecke im Übrigen einen Neustart des Unternehmens, was mit einer Aufrechterhaltung des Aufrechnungsrechts nicht zu vereinbaren wäre.
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Die Klägerin beantragt,
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den Abrechnungsbescheid der Beklagten vom 03.02.2016 und deren Widerspruchsbescheid vom 18.04.2016 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, nach § 21 GewStG entstünden die Gewerbesteuervorauszahlungsansprüche jeweils mit Beginn des Kalendervierteljahres, in dem die Vorauszahlung zu entrichten sei. Die Ansprüche auf Vorauszahlungen seien somit bereits am 01.01.2014 bzw. am 01.04.2014 entstanden. Hätte die Klägerin die Vorauszahlungen nicht gezahlt, hätte es sich um Insolvenzforderungen gehandelt, die zur Insolvenztabelle hätten angemeldet werden können. Daher wäre auch der Rückzahlungsanspruch der Insolvenzmasse geschuldet gewesen. Wäre die Rückzahlung der Gewerbesteuer früher festgesetzt worden, wäre diese im Insolvenzverfahren durch Aufrechnung berücksichtigt worden. Die verbleibende Insolvenzforderung der Beklagten von 11.531,52 EUR sei nicht erloschen, sondern bestehe als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeit fort, deren Erfüllung möglich sei, deren Erfüllung aber nicht erzwungen werden könne. Eine Aufrechnung sei somit im Rahmen von § 94 InsO möglich gewesen. Der Gewerbesteuererstattungsanspruch für 2014 sei eine nach § 95 InsO aufschiebend bedingte Verbindlichkeit, deren Bedingung erst später eintrete. Das Rechtsverhältnis aus der Gewerbesteuerpflicht zeige bereits vor der endgültigen Anspruchsentstehung Vorwirkungen, die in die Zeit vor der Insolvenzeröffnung zurückreichten. Die Gewerbesteuer, soweit es sich nicht um Vorauszahlungen handele, entstehe gemäß § 18 GewStG mit Ablauf des Erhebungszeitraums. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.11.2014 sei die Forderung auf Gewerbesteuernachzahlung für 2013 schon entstanden gewesen, nämlich bereits am 31.12.2013 mit Ablauf des Erhebungszeitraums. Der Gewerbesteuererstattungsanspruch 2014 sei eine aufschiebend bedingte Forderung, deren Bedingung erst später eintrete. Der Bundesfinanzhof habe in seinem Urteil vom 17.04.2007, Az. VII R 27/06, entschieden, dass Steuern, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und zu erstatten seien, eine vor Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begründete Forderung darstellten, gegen die aufgerechnet werden könne, auch wenn das die Erstattung auslösende Ereignis selbst erst nach Eröffnung des Verfahrens eintrete. Mit bei Insolvenzeröffnung fälligen Insolvenzforderungen könne daher gegen alle Erstattungsansprüche aufgerechnet werden, für die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits der Rechtsgrund gelegt worden sei. Dies sei auch bei der Gewerbesteuererstattung für 2014 der Fall. Der Rechtsgrund der Gewerbesteuervorauszahlung 2014 sei in der Zeit vor der Insolvenzeröffnung am 01.11.2014 gelegt worden. Der auf Seite 34 des Insolvenzplans bestimmte Verzicht enthalte keine Aussage dazu, ob die Gläubiger damit auch auf die ihnen gegebenenfalls zustehenden Aufrechnungsrechte verzichten würden. Ein solcher Aufrechnungsverzicht müsse vielmehr explizit im Insolvenzplan erklärt werden, an eine solche Willenserklärungen seien strenge Anforderungen zu stellen. Dies folge aus einem Urteil des BGH vom 19.05.2011, Az. IX ZR 222/08. Ein solcher Aufrechnungsverzicht sei im vorliegenden Insolvenzplan gerade nicht erklärt worden. Nur weil im Insolvenzplan der Forderungserlass als „Verzicht“ bezeichnet worden sei, liege darin noch kein Verzicht auf das Aufrechnungsrecht.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Abrechnungsbescheid vom 03.02.2016 und der Widerspruchsbescheid vom 18.04.2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Der Abrechnungs- und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig, da der Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von 12.235,00 EUR (im nachfolgenden Hauptforderung genannt) nicht durch die Aufrechnung mit Gewerbesteuerforderung aus 2013 (im nachfolgenden Gegenforderung genannt) nach § 226 Abs. 1 AO, § 387 ff. BGB, § 94, § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO erloschen ist.
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a. Die Voraussetzungen für die Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. BGB liegen nicht vor.
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Voraussetzungen der Aufrechnung sind die Gegenseitigkeit und die Gleichartigkeit der Forderungen, die Gegenforderung muss vollwirksam und fällig sein, die Hauptforderung muss erfüllbar sein (Grüneberg, in: Palandt, 75. Auflage 2016, § 387 Rn. 3). Bei der verfahrensgegenständlichen Haupt- und Gegenforderung handelt es sich um gegenseitige und gleichartige Forderungen. Die Hauptforderung ist auch erfüllbar.
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Die Gegenforderung muss zudem im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Aufrechnungserklärung wirksam und fällig sein. Es muss sich um eine Forderung handeln, deren Erfüllung erzwungen werden kann und der keine Einrede im Sinne von § 390 BGB entgegensteht (Grüneberg, in: Palandt, 75. Auflage 2016, § 387 Rn. 3). Unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Verbindlichkeiten wie eine Spielschuld (§ 762 Abs. 1 BGB) oder ein Ehemäklerlohn (§ 656 Abs. 1 BGB) können nicht aufgerechnet werden (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, Rn. 6, juris).
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Der verfahrensgegenständlichen Gegenforderung steht eine Einrede entgegen, da es sich bei ihr nach Abschluss des Insolvenzverfahrens um eine unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderung im Sinne von § 390 BGB handelt.
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Erlangt die gerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans nach § 248 Abs. 1 InsO formelle Rechtskraft, treten gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO die in seinem gestaltenden Teil festgelegten materiellen Wirkungen unmittelbar für und gegen alle Beteiligten ein. Insolvenzforderungen können nur noch in Höhe der vereinbarten Quoten durchgesetzt werden. Soweit sie als erlassen gelten, sind sie zwar nicht erloschen, bestehen indes nur noch als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann. Das folgt im Gegenschluss aus den Regelungen in § 254 Abs. 3 und § 255 Abs. 1 Satz 1 InsO (BT-Drucks. 12/2443, S. 213; BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, Rn. 8, juris).
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Im Insolvenzverfahren der Klägerin wurde der vorgelegte Insolvenzplan am 24.02.2015 gerichtlich bestätigt. Die Gläubiger haben hierin den „Verzicht“ auf den verbleibenden Teil ihrer Forderungen erklärt. Somit gelten zur Insolvenztabelle angemeldete Forderungen als erlassen, sodass es sich bei ihnen um unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderung im Sinne von § 390 BGB handelt.
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Unerheblich ist, dass in dem Insolvenzplan die Formulierung „Verzicht auf den verbleibenden Teil der Forderung“ anstelle der Formulierung „Erlass der Forderung“ gewählt worden ist. Ein einseitiger Verzicht auf einen schuldrechtlichen Anspruch mit rechtlicher Bindung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner ist dem Gesetz fremd. Erforderlich ist vielmehr der Abschluss eines Erlassvertrages im Sinne von § 397 BGB (BGH, Urteil vom 04.12.1986 – III ZR 51/85 –, Rn. 24, juris). Verzichten kann der Gläubiger nur auf Einreden und Gestaltungsrechte (Grüneberg, in: Palandt, 75. Auflage 2016, § 397 Rn. 3).
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Der Insolvenzplan ist deshalb auszulegen, dass die Insolvenzgläubiger nicht einseitig ihren „Verzicht“ auf ihre Forderungen erklärten. Vielmehr sollte durch den rechtskräftigen Insolvenzplan ein Erlassvertrag im Sinne von § 397 BGB zwischen der Klägerin und den Insolvenzgläubigern fingiert werden.
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Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens handelt es sich bei der Gegenforderung somit um eine unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderung im Sinne von § 390 BGB. Eine Aufrechnung ist mithin nach § 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. BGB nicht möglich.
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Ob in dem fingierten Forderungserlass zugleich ein Verzicht auf das Recht zur Aufrechnung liegt, kann offenbleiben, da eine Aufrechnung jedenfalls aufgrund des § 390 BGB nicht möglich war.
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b. Die Voraussetzungen des § 226 Abs. 1 AO, § 94 InsO, die eine Aufrechnung durch den Insolvenzgläubiger trotz rechtskräftigen Insolvenzplans ermöglichen, liegen nicht vor.
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Nach § 94 InsO wird das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn dieser zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder aufgrund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt war. Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht bleibt gemäß § 94 InsO auch dann erhalten, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, juris). Eine vor Insolvenzeröffnung erworbene Aufrechnungsbefugnis und die daraus folgende Selbstexekutionsbefugnis sind eine von der Rechtsordnung weitgehend geschützte Rechtsstellung (vgl. §§ 389, 392, 406 BGB), die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt bleiben soll (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, juris, Rn. 12).
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Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.11.2014 war die Beklagte nicht im Sinne von § 94 InsO zur Aufrechnung berechtigt, da noch keine Aufrechnungslage bestand. Eine Aufrechnungslage setzt zwei gegenseitige, gleichartige und fällige Forderungen voraus, § 387 BGB.
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Die Gewerbesteuerforderung der Beklagten gegen die Klägerin aus dem Jahr 2013 i.H.v. 11.531,52 EUR entstand mit Abschluss des Jahres 2013. Die Forderung der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückerstattung i.H.v. 12.235,00 EUR entstand mit Abschluss des Jahres 2014. Der Rückzahlungsanspruch wegen einer Herabsetzung der Gewerbesteuer kann im steuerrechtlichen Sinn frühestens in dem Zeitpunkt entstehen, in dem die Gewerbesteuer selbst entsteht. Nach § 18 GewStG entsteht die Gewerbesteuer, soweit es sich nicht um Vorauszahlungen nach § 21 InsO handelt, mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Festsetzung vorgenommen wird. Ein Erstattungsanspruch, der auf einer fehlerhaften, überhöhten Steuerfestsetzung beruht, entsteht, wenn der jeweilige Steuerabschnitt abgelaufen und die Überzahlung eingetreten ist (BFH, Urteil vom 26.04.1994 – VII R 109/93 –, juris). Das Entstehen des Erstattungsanspruchs setzt ein Verwaltungshandeln nicht voraus. Zwar wird gemäß § 20 Abs. 3 GewStG der Unterschiedsbetrag erst nach Bekanntgabe des Steuerbescheids durch Aufrechnung oder Zurückzahlung ausgeglichen. Diese Vorschrift regelt indessen nicht die Entstehung des Erstattungsanspruchs, sondern dessen Fälligkeit, d.h. die Frage, von welchem Zeitpunkt an der Erstattungsanspruch geltend gemacht werden kann (BVerwG, Beschluss vom 14.12.1984 – 8 B 112/84 –, Rn. 4, juris).
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Da der Erhebungszeitraum für die Grundsteuer erst am 31.12.2014 endete, war die Forderung der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückerstattung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.11.2014 noch nicht entstanden.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Regelungen der § 19 Abs. 1 Satz 1 und § 21 GewStG und dem Umstand, dass die Klägerin Vorauszahlungen entrichtete. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStG hat der Steuerschuldner am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November Vorauszahlungen zu entrichten. Nach § 21 GewStG entstehen die Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer mit Beginn des Kalendervierteljahrs, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Steuerpflicht erst im Laufe des Kalendervierteljahrs begründet wird, mit Begründung der Steuerpflicht. Als Umkehrung des Steueranspruchs entsteht der Erstattungsanspruch trotz der zuvor geleisteten Vorauszahlungen erst mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Vorauszahlungen entrichtet worden sind, denn zu diesem Zeitpunkt entsteht die Gewerbesteuer, § 18 GewStG. Der Anspruch auf Erstattung zu viel entrichteter Gewerbesteuervorauszahlungen entsteht erst in dem Zeitpunkt, in dem die niedrigere Gewerbesteuerschuld entsteht (BVerwG, Beschluss vom 14.12.1984 – 8 B 112/84 –, juris).
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In dem Urteil des BGH vom 19.05.2011 - IX ZR 222/08 -, auf das sich die Beklagte bezieht, bestand die Aufrechnungslage bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dort war über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin am 29.12.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Anspruch der Insolvenzschuldnerin gegen das beklagte Land auf Werklohn war bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Mit diesem bereits entstandenen Anspruch konnte das beklagte Land im Sinne von § 94 InsO trotz des Insolvenzplans aufrechnen. Im streitgegenständlichen Verfahren bestand die Aufrechnungslage wie oben dargestellt aber im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht.
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Die Beklagte hatte somit kein Aufrechnungsrecht aus § 226 Abs. 1 AO, § 94 InsO.
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c. Eine Aufrechnung war zuletzt nicht im Sinne der § 226 Abs. 1 AO, § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO möglich, da der rechtskräftige Insolvenzplan einer Aufrechnung im Sinne der § 226 Abs. 1 AO, § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO entgegensteht.
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Über § 94 InsO hinaus gestattet § 95 InsO auch dann eine Aufrechnung, wenn die Aufrechnungslage erst im Insolvenzverfahren eintritt. Voraussetzung dafür ist, dass zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig sind, sofern nicht (Satz 3 der Vorschrift) die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann. Damit schützt das Gesetz das vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vertrauen des Insolvenzgläubigers, mit dem Entstehen der Aufrechnungslage seine Forderung durchsetzen zu können (BFH, Urteil vom 23.02.2011 – I R 20/10 –, juris, Rn. 9).
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Die mit Satz 3 der Regelung verbundene Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis hat im Streitfall keine Bedeutung, da die Hauptforderung - der Erstattungsanspruch der Klägerin aufgrund der geleisteten Gewerbesteuervorauszahlungen - nicht vor dem Gewerbesteueranspruch 2013 der Beklagten vollwirksam entstanden und fällig war.
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Ob ein Steuererstattungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO aufschiebend bedingt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, hängt davon ab, ob eine Forderung „ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Erstattungsanspruchs führt, muss bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sein (BFH, Urteil vom 17.04.2007 – VII R 27/06 –, juris, Rn. 11). Auch unter der Geltung der InsO kommt es hinsichtlich der Frage, ob ein steuerrechtlicher Anspruch zur Insolvenzmasse gehört oder ob die Forderung des Gläubigers eine Insolvenzforderung ist, nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war (BFH, Urteil vom 05.10.2004 – VII R 69/03 –, juris, Rn. 10).
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So liegt es in der Regel, wenn eine Steuer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, zu erstatten oder zu vergüten oder in anderer Weise dem Steuerpflichtigen wieder gut zu bringen ist. Ein diesbezüglicher Anspruch des Steuerpflichtigen wird auch dann nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, sondern stellt eine vor Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begründete Forderung dar, gegen die die Finanzbehörde gemäß § 95 InsO im Verfahren aufrechnen kann, wenn das als aufschiebende Bedingung zu behandelnde, die Erstattung bzw. Vergütung auslösende Ereignis selbst erst nach Eröffnung des Verfahrens eintritt (BFH, Urteil vom 17.04.2007 – VII R 27/06 –, juris, Rn. 12). Ob ein Erstattungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens als aufschiebend bedingt für eine Aufrechnung erheblich ist, hängt nach der Rechtsprechung davon ab, ob eine Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Maßgeblich hierfür ist, wann der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis führt, verwirklicht worden ist; dann ist dem Rechtsgedanken des § 38 InsO entsprechend ein "begründeter Vermögensanspruch" gegen den Insolvenzgläubiger entstanden. Es muss insoweit damit ein "gesicherter Rechtsgrund" der Forderung gelegt sein. Auf die steuerrechtliche Entstehung i.S. des § 38 AO kommt es für diesen "gesicherten Rechtsgrund" nicht an (BFH, Urteil vom 23.02.2011 – I R 20/10 –, juris, Rn. 12). Insolvenzrechtlich relevant sind z.B. Steuererstattungsansprüche aufgrund von Steuervorauszahlungen, ohne dass es auf die Festsetzung eines Erstattungsanspruchs in einem Erstattungsbescheid ankommt; sie entstehen im Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung. Damit ist auch bei der Erstattung von vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geleisteten Vorauszahlungen der diesbezügliche Anspruch vor Eröffnung des Verfahrens begründet, selbst wenn die Steuer, auf die vorauszuleisten war, erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist (BFH, Urteil vom 23.02.2011 – I R 20/10 –, juris, Rn. 13). Für die Frage, wann der Insolvenzgläubiger Steuervergütungen oder -erstattungen der Insolvenzmasse schuldig wird, kommt es nicht darauf an, wann diese Ansprüche steuerrechtlich entstehen; entscheidend ist vielmehr, wann der dem Anspruch zugrundeliegende Sachverhalt zivilrechtlich abgeschlossen ist (vgl. MüKoInsO/Brandes/Lohmann, InsO, 3. Auflage 2013, § 95 Rn. 26).
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Im streitgegenständlichen Verfahren hat die Klägerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Vorauszahlungen für die Gewerbesteuer 2014 unter der Bedingung geleistet, dass am Ende des Erhebungszeitraums ein Erstattungsanspruch entsteht, sollten die Vorauszahlungen zu hoch gewesen sein. Der Rückerstattungsanspruch ist insolvenzrechtlich bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Nach § 2 GewStG ist für den Beginn der sachlichen Steuerpflicht der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Voraussetzungen für die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gegeben sind (Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage 2009, § 2 Rn. 420). Mit der Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit beginnt die sachliche Steuerpflicht. Der zugrundeliegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis führt, ist mit Aufnahme der gewerblichen Betätigung verwirklicht worden.
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Die Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO lagen während des laufenden Insolvenzverfahrens grundsätzlich vor. Hätte die Beklagte noch vor Rechtskraft des Insolvenzplans die Aufrechnung erklärt, wäre diese im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO wirksam gewesen.
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Der rechtskräftige Insolvenzplan und die daraus entstehende Folge des § 390 BGB, wonach eine Aufrechnung mit unvollkommenen, rechtlich nicht durchsetzbaren Forderung nicht möglich ist, schließt das Aufrechnungsrecht nach § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO aber aus. Die Zulassung der Aufrechnung gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans führt zu unbilligen Ergebnissen. Die Regelung des § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO i.V.m. dem im Insolvenzplan auf Seite 34 festgelegten fingierten Erlassvertrag und der Folge des § 390 BGB sind gegenüber § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO spezieller.
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Die Unbilligkeit folgt insbesondere aus einem systematischen Vergleich von § 94
InsO und § 95 InsO. Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht bleibt gemäß § 94 InsO auch dann erhalten, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, juris). Besteht im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eine Aufrechnungslage, gilt die aufzurechnende Forderung nicht als erlassen, selbst wenn der Insolvenzgläubiger einem Forderungserlass im Insolvenzplan zustimmt. Aufrechnungsmöglichkeiten eines Insolvenzgläubigers sind vor der Entscheidung über die Bestätigung des Insolvenzplans für den Insolvenzverwalter erkennbar. Er kann versuchen, den betreffenden Gläubiger zu einem Verzicht auf sein Aufrechnungsrecht zu bewegen, oder - falls dies nicht gelingt - die fortbestehende Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans einbeziehen. Eine Berücksichtigung der aufrechenbaren Gegenforderung des Insolvenzgläubigers bei der Berechnung und Auszahlung der nach dem Insolvenzplan den Gläubigern zukommenden Quote kann er vermeiden, indem er selbst die Aufrechnung erklärt. Bestehen sonach Möglichkeiten, einer fortbestehenden Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans Rechnung zu tragen, kann von einer Beschädigung der Gläubigerautonomie durch die Zulassung der Aufrechnung mit einer nach dem Insolvenzplan als erlassen geltenden Forderung nicht die Rede sein (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, Rn. 14, juris).
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Diese oben dargestellten Möglichkeiten hat der Insolvenzverwalter bei einer „Aufrechnungslage“ im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht. Die Hauptforderung ist im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufschiebend bedingt, sodass dem Insolvenzverwalter nicht selbst die Möglichkeit zur Aufrechnung zusteht. Bei der Gestaltung des Insolvenzplans kann dann auch keine fortbestehende Aufrechnungsmöglichkeit einbezogen werden.
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Darüber hinaus unterscheiden sich die Gläubigerstellungen bei einer Aufrechnungsmöglichkeit nach § 94 InsO und bei einer solchen nach § 95 InsO. Die Aufrechnung im Sinne des § 94 InsO soll dem Insolvenzgläubiger trotz rechtskräftigen Insolvenzplans erhalten bleiben, da dieser bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hat. Eine wirksame Aufrechnung setzt eine Aufrechnungslage und eine Aufrechnungserklärung voraus. § 94 InsO bewahrt den Insolvenzgläubiger trotz rechtskräftigen Insolvenzplans vor einem Rechtsverlust, wenn die Aufrechnungslage besteht, die Aufrechnung aber mangels Aufrechnungserklärung noch nicht erfolgte. Diese - bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete - gesicherte Rechtsposition soll dem Insolvenzgläubiger durch einen rechtskräftigen Insolvenzplan nicht genommen werden. In der Variante des § 95 InsO fehlt es hingegen sowohl an einer Aufrechnungserklärung als auch an einer Aufrechnungslage. Der Insolvenzgläubiger hat keine mit § 94 InsO vergleichbare gesicherte Rechtsposition, die ihn durch ein Insolvenzverfahren trägt. Die Wertung des § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO i.V.m. dem fingierten Forderungserlass sind stärker zu gewichten als die möglicherweise in Zukunft eintretende Aufrechnungslage im Sinne des § 95 InsO. § 94 InsO ermöglicht die Aufrechnung trotz eines rechtskräftigen Insolvenzplans und der hieraus entstehenden Folge des § 390 BGB, da dem Insolvenzgläubiger eine bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene gesicherte Rechtsposition durch einen rechtskräftigen Plan nicht genommen werden soll. Diese gesicherte Position hat ein Insolvenzgläubiger, der nach § 95 InsO aufrechnen kann, hingegen gerade nicht.
49 
Die Beklagte hätte vor Eintritt der Rechtskraft des Insolvenzplans die Aufrechnung wirksam im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO erklären können. Mit Eintritt der Rechtskraft des Plan verdrängen jedoch die Wirkungen des Plans, insbesondere die hieraus entstehende Folge des § 390 BGB, aus den oben genannten Gründen die Aufrechnungsmöglichkeit des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO.
50 
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
51 
3. Die Berufung ist nach § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtsstreitigkeit auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Die Entscheidung muss aus Gründen der Rechtssicherheit, der Einheit der Rechtsordnung oder der Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse liegen, was dann zutrifft, wenn die klärungsbedürftige Frage mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden kann (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 124 Rn. 10). Die Rechtssache hat hier grundsätzliche Bedeutung, da das Verhältnis zwischen § 95 InsO und einem rechtskräftigen Insolvenzplan bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden ist. Der BGH hat in seinem Urteil vom 19.05.2011 entschieden, dass ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht gemäß § 94 InsO auch dann erhalten bleibt, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, juris). Ob ein Aufrechnungsrecht mit einem Steuererstattungsanspruch im Sinne des § 95 InsO ebenfalls erhalten bleibt, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt - hier verneint - kann in Zukunft für einen nicht überschaubaren Personenkreis offensichtlich noch von Bedeutung sein. Die Rechtssache hat aus diesem Grund grundsätzliche Bedeutung.

Gründe

17 
1. Die zulässige Klage ist begründet.
18 
Der Abrechnungsbescheid vom 03.02.2016 und der Widerspruchsbescheid vom 18.04.2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
19 
Der Abrechnungs- und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig, da der Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von 12.235,00 EUR (im nachfolgenden Hauptforderung genannt) nicht durch die Aufrechnung mit Gewerbesteuerforderung aus 2013 (im nachfolgenden Gegenforderung genannt) nach § 226 Abs. 1 AO, § 387 ff. BGB, § 94, § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO erloschen ist.
20 
a. Die Voraussetzungen für die Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. BGB liegen nicht vor.
21 
Voraussetzungen der Aufrechnung sind die Gegenseitigkeit und die Gleichartigkeit der Forderungen, die Gegenforderung muss vollwirksam und fällig sein, die Hauptforderung muss erfüllbar sein (Grüneberg, in: Palandt, 75. Auflage 2016, § 387 Rn. 3). Bei der verfahrensgegenständlichen Haupt- und Gegenforderung handelt es sich um gegenseitige und gleichartige Forderungen. Die Hauptforderung ist auch erfüllbar.
22 
Die Gegenforderung muss zudem im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Aufrechnungserklärung wirksam und fällig sein. Es muss sich um eine Forderung handeln, deren Erfüllung erzwungen werden kann und der keine Einrede im Sinne von § 390 BGB entgegensteht (Grüneberg, in: Palandt, 75. Auflage 2016, § 387 Rn. 3). Unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Verbindlichkeiten wie eine Spielschuld (§ 762 Abs. 1 BGB) oder ein Ehemäklerlohn (§ 656 Abs. 1 BGB) können nicht aufgerechnet werden (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, Rn. 6, juris).
23 
Der verfahrensgegenständlichen Gegenforderung steht eine Einrede entgegen, da es sich bei ihr nach Abschluss des Insolvenzverfahrens um eine unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderung im Sinne von § 390 BGB handelt.
24 
Erlangt die gerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans nach § 248 Abs. 1 InsO formelle Rechtskraft, treten gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO die in seinem gestaltenden Teil festgelegten materiellen Wirkungen unmittelbar für und gegen alle Beteiligten ein. Insolvenzforderungen können nur noch in Höhe der vereinbarten Quoten durchgesetzt werden. Soweit sie als erlassen gelten, sind sie zwar nicht erloschen, bestehen indes nur noch als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann. Das folgt im Gegenschluss aus den Regelungen in § 254 Abs. 3 und § 255 Abs. 1 Satz 1 InsO (BT-Drucks. 12/2443, S. 213; BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, Rn. 8, juris).
25 
Im Insolvenzverfahren der Klägerin wurde der vorgelegte Insolvenzplan am 24.02.2015 gerichtlich bestätigt. Die Gläubiger haben hierin den „Verzicht“ auf den verbleibenden Teil ihrer Forderungen erklärt. Somit gelten zur Insolvenztabelle angemeldete Forderungen als erlassen, sodass es sich bei ihnen um unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderung im Sinne von § 390 BGB handelt.
26 
Unerheblich ist, dass in dem Insolvenzplan die Formulierung „Verzicht auf den verbleibenden Teil der Forderung“ anstelle der Formulierung „Erlass der Forderung“ gewählt worden ist. Ein einseitiger Verzicht auf einen schuldrechtlichen Anspruch mit rechtlicher Bindung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner ist dem Gesetz fremd. Erforderlich ist vielmehr der Abschluss eines Erlassvertrages im Sinne von § 397 BGB (BGH, Urteil vom 04.12.1986 – III ZR 51/85 –, Rn. 24, juris). Verzichten kann der Gläubiger nur auf Einreden und Gestaltungsrechte (Grüneberg, in: Palandt, 75. Auflage 2016, § 397 Rn. 3).
27 
Der Insolvenzplan ist deshalb auszulegen, dass die Insolvenzgläubiger nicht einseitig ihren „Verzicht“ auf ihre Forderungen erklärten. Vielmehr sollte durch den rechtskräftigen Insolvenzplan ein Erlassvertrag im Sinne von § 397 BGB zwischen der Klägerin und den Insolvenzgläubigern fingiert werden.
28 
Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens handelt es sich bei der Gegenforderung somit um eine unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderung im Sinne von § 390 BGB. Eine Aufrechnung ist mithin nach § 226 Abs. 1 AO, §§ 387 ff. BGB nicht möglich.
29 
Ob in dem fingierten Forderungserlass zugleich ein Verzicht auf das Recht zur Aufrechnung liegt, kann offenbleiben, da eine Aufrechnung jedenfalls aufgrund des § 390 BGB nicht möglich war.
30 
b. Die Voraussetzungen des § 226 Abs. 1 AO, § 94 InsO, die eine Aufrechnung durch den Insolvenzgläubiger trotz rechtskräftigen Insolvenzplans ermöglichen, liegen nicht vor.
31 
Nach § 94 InsO wird das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn dieser zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder aufgrund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt war. Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht bleibt gemäß § 94 InsO auch dann erhalten, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, juris). Eine vor Insolvenzeröffnung erworbene Aufrechnungsbefugnis und die daraus folgende Selbstexekutionsbefugnis sind eine von der Rechtsordnung weitgehend geschützte Rechtsstellung (vgl. §§ 389, 392, 406 BGB), die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt bleiben soll (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, juris, Rn. 12).
32 
Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.11.2014 war die Beklagte nicht im Sinne von § 94 InsO zur Aufrechnung berechtigt, da noch keine Aufrechnungslage bestand. Eine Aufrechnungslage setzt zwei gegenseitige, gleichartige und fällige Forderungen voraus, § 387 BGB.
33 
Die Gewerbesteuerforderung der Beklagten gegen die Klägerin aus dem Jahr 2013 i.H.v. 11.531,52 EUR entstand mit Abschluss des Jahres 2013. Die Forderung der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückerstattung i.H.v. 12.235,00 EUR entstand mit Abschluss des Jahres 2014. Der Rückzahlungsanspruch wegen einer Herabsetzung der Gewerbesteuer kann im steuerrechtlichen Sinn frühestens in dem Zeitpunkt entstehen, in dem die Gewerbesteuer selbst entsteht. Nach § 18 GewStG entsteht die Gewerbesteuer, soweit es sich nicht um Vorauszahlungen nach § 21 InsO handelt, mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Festsetzung vorgenommen wird. Ein Erstattungsanspruch, der auf einer fehlerhaften, überhöhten Steuerfestsetzung beruht, entsteht, wenn der jeweilige Steuerabschnitt abgelaufen und die Überzahlung eingetreten ist (BFH, Urteil vom 26.04.1994 – VII R 109/93 –, juris). Das Entstehen des Erstattungsanspruchs setzt ein Verwaltungshandeln nicht voraus. Zwar wird gemäß § 20 Abs. 3 GewStG der Unterschiedsbetrag erst nach Bekanntgabe des Steuerbescheids durch Aufrechnung oder Zurückzahlung ausgeglichen. Diese Vorschrift regelt indessen nicht die Entstehung des Erstattungsanspruchs, sondern dessen Fälligkeit, d.h. die Frage, von welchem Zeitpunkt an der Erstattungsanspruch geltend gemacht werden kann (BVerwG, Beschluss vom 14.12.1984 – 8 B 112/84 –, Rn. 4, juris).
34 
Da der Erhebungszeitraum für die Grundsteuer erst am 31.12.2014 endete, war die Forderung der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückerstattung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.11.2014 noch nicht entstanden.
35 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Regelungen der § 19 Abs. 1 Satz 1 und § 21 GewStG und dem Umstand, dass die Klägerin Vorauszahlungen entrichtete. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStG hat der Steuerschuldner am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November Vorauszahlungen zu entrichten. Nach § 21 GewStG entstehen die Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer mit Beginn des Kalendervierteljahrs, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Steuerpflicht erst im Laufe des Kalendervierteljahrs begründet wird, mit Begründung der Steuerpflicht. Als Umkehrung des Steueranspruchs entsteht der Erstattungsanspruch trotz der zuvor geleisteten Vorauszahlungen erst mit Ablauf des Erhebungszeitraums, für den die Vorauszahlungen entrichtet worden sind, denn zu diesem Zeitpunkt entsteht die Gewerbesteuer, § 18 GewStG. Der Anspruch auf Erstattung zu viel entrichteter Gewerbesteuervorauszahlungen entsteht erst in dem Zeitpunkt, in dem die niedrigere Gewerbesteuerschuld entsteht (BVerwG, Beschluss vom 14.12.1984 – 8 B 112/84 –, juris).
36 
In dem Urteil des BGH vom 19.05.2011 - IX ZR 222/08 -, auf das sich die Beklagte bezieht, bestand die Aufrechnungslage bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dort war über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin am 29.12.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Anspruch der Insolvenzschuldnerin gegen das beklagte Land auf Werklohn war bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Mit diesem bereits entstandenen Anspruch konnte das beklagte Land im Sinne von § 94 InsO trotz des Insolvenzplans aufrechnen. Im streitgegenständlichen Verfahren bestand die Aufrechnungslage wie oben dargestellt aber im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht.
37 
Die Beklagte hatte somit kein Aufrechnungsrecht aus § 226 Abs. 1 AO, § 94 InsO.
38 
c. Eine Aufrechnung war zuletzt nicht im Sinne der § 226 Abs. 1 AO, § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO möglich, da der rechtskräftige Insolvenzplan einer Aufrechnung im Sinne der § 226 Abs. 1 AO, § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO entgegensteht.
39 
Über § 94 InsO hinaus gestattet § 95 InsO auch dann eine Aufrechnung, wenn die Aufrechnungslage erst im Insolvenzverfahren eintritt. Voraussetzung dafür ist, dass zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig sind, sofern nicht (Satz 3 der Vorschrift) die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann. Damit schützt das Gesetz das vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vertrauen des Insolvenzgläubigers, mit dem Entstehen der Aufrechnungslage seine Forderung durchsetzen zu können (BFH, Urteil vom 23.02.2011 – I R 20/10 –, juris, Rn. 9).
40 
Die mit Satz 3 der Regelung verbundene Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis hat im Streitfall keine Bedeutung, da die Hauptforderung - der Erstattungsanspruch der Klägerin aufgrund der geleisteten Gewerbesteuervorauszahlungen - nicht vor dem Gewerbesteueranspruch 2013 der Beklagten vollwirksam entstanden und fällig war.
41 
Ob ein Steuererstattungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO aufschiebend bedingt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, hängt davon ab, ob eine Forderung „ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Erstattungsanspruchs führt, muss bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sein (BFH, Urteil vom 17.04.2007 – VII R 27/06 –, juris, Rn. 11). Auch unter der Geltung der InsO kommt es hinsichtlich der Frage, ob ein steuerrechtlicher Anspruch zur Insolvenzmasse gehört oder ob die Forderung des Gläubigers eine Insolvenzforderung ist, nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war (BFH, Urteil vom 05.10.2004 – VII R 69/03 –, juris, Rn. 10).
42 
So liegt es in der Regel, wenn eine Steuer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, zu erstatten oder zu vergüten oder in anderer Weise dem Steuerpflichtigen wieder gut zu bringen ist. Ein diesbezüglicher Anspruch des Steuerpflichtigen wird auch dann nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, sondern stellt eine vor Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begründete Forderung dar, gegen die die Finanzbehörde gemäß § 95 InsO im Verfahren aufrechnen kann, wenn das als aufschiebende Bedingung zu behandelnde, die Erstattung bzw. Vergütung auslösende Ereignis selbst erst nach Eröffnung des Verfahrens eintritt (BFH, Urteil vom 17.04.2007 – VII R 27/06 –, juris, Rn. 12). Ob ein Erstattungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens als aufschiebend bedingt für eine Aufrechnung erheblich ist, hängt nach der Rechtsprechung davon ab, ob eine Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Maßgeblich hierfür ist, wann der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis führt, verwirklicht worden ist; dann ist dem Rechtsgedanken des § 38 InsO entsprechend ein "begründeter Vermögensanspruch" gegen den Insolvenzgläubiger entstanden. Es muss insoweit damit ein "gesicherter Rechtsgrund" der Forderung gelegt sein. Auf die steuerrechtliche Entstehung i.S. des § 38 AO kommt es für diesen "gesicherten Rechtsgrund" nicht an (BFH, Urteil vom 23.02.2011 – I R 20/10 –, juris, Rn. 12). Insolvenzrechtlich relevant sind z.B. Steuererstattungsansprüche aufgrund von Steuervorauszahlungen, ohne dass es auf die Festsetzung eines Erstattungsanspruchs in einem Erstattungsbescheid ankommt; sie entstehen im Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung. Damit ist auch bei der Erstattung von vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geleisteten Vorauszahlungen der diesbezügliche Anspruch vor Eröffnung des Verfahrens begründet, selbst wenn die Steuer, auf die vorauszuleisten war, erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist (BFH, Urteil vom 23.02.2011 – I R 20/10 –, juris, Rn. 13). Für die Frage, wann der Insolvenzgläubiger Steuervergütungen oder -erstattungen der Insolvenzmasse schuldig wird, kommt es nicht darauf an, wann diese Ansprüche steuerrechtlich entstehen; entscheidend ist vielmehr, wann der dem Anspruch zugrundeliegende Sachverhalt zivilrechtlich abgeschlossen ist (vgl. MüKoInsO/Brandes/Lohmann, InsO, 3. Auflage 2013, § 95 Rn. 26).
43 
Im streitgegenständlichen Verfahren hat die Klägerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Vorauszahlungen für die Gewerbesteuer 2014 unter der Bedingung geleistet, dass am Ende des Erhebungszeitraums ein Erstattungsanspruch entsteht, sollten die Vorauszahlungen zu hoch gewesen sein. Der Rückerstattungsanspruch ist insolvenzrechtlich bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Nach § 2 GewStG ist für den Beginn der sachlichen Steuerpflicht der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Voraussetzungen für die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gegeben sind (Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Auflage 2009, § 2 Rn. 420). Mit der Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit beginnt die sachliche Steuerpflicht. Der zugrundeliegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis führt, ist mit Aufnahme der gewerblichen Betätigung verwirklicht worden.
44 
Die Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO lagen während des laufenden Insolvenzverfahrens grundsätzlich vor. Hätte die Beklagte noch vor Rechtskraft des Insolvenzplans die Aufrechnung erklärt, wäre diese im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO wirksam gewesen.
45 
Der rechtskräftige Insolvenzplan und die daraus entstehende Folge des § 390 BGB, wonach eine Aufrechnung mit unvollkommenen, rechtlich nicht durchsetzbaren Forderung nicht möglich ist, schließt das Aufrechnungsrecht nach § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO aber aus. Die Zulassung der Aufrechnung gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans führt zu unbilligen Ergebnissen. Die Regelung des § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO i.V.m. dem im Insolvenzplan auf Seite 34 festgelegten fingierten Erlassvertrag und der Folge des § 390 BGB sind gegenüber § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO spezieller.
46 
Die Unbilligkeit folgt insbesondere aus einem systematischen Vergleich von § 94
InsO und § 95 InsO. Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht bleibt gemäß § 94 InsO auch dann erhalten, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, juris). Besteht im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eine Aufrechnungslage, gilt die aufzurechnende Forderung nicht als erlassen, selbst wenn der Insolvenzgläubiger einem Forderungserlass im Insolvenzplan zustimmt. Aufrechnungsmöglichkeiten eines Insolvenzgläubigers sind vor der Entscheidung über die Bestätigung des Insolvenzplans für den Insolvenzverwalter erkennbar. Er kann versuchen, den betreffenden Gläubiger zu einem Verzicht auf sein Aufrechnungsrecht zu bewegen, oder - falls dies nicht gelingt - die fortbestehende Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans einbeziehen. Eine Berücksichtigung der aufrechenbaren Gegenforderung des Insolvenzgläubigers bei der Berechnung und Auszahlung der nach dem Insolvenzplan den Gläubigern zukommenden Quote kann er vermeiden, indem er selbst die Aufrechnung erklärt. Bestehen sonach Möglichkeiten, einer fortbestehenden Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans Rechnung zu tragen, kann von einer Beschädigung der Gläubigerautonomie durch die Zulassung der Aufrechnung mit einer nach dem Insolvenzplan als erlassen geltenden Forderung nicht die Rede sein (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, Rn. 14, juris).
47 
Diese oben dargestellten Möglichkeiten hat der Insolvenzverwalter bei einer „Aufrechnungslage“ im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht. Die Hauptforderung ist im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufschiebend bedingt, sodass dem Insolvenzverwalter nicht selbst die Möglichkeit zur Aufrechnung zusteht. Bei der Gestaltung des Insolvenzplans kann dann auch keine fortbestehende Aufrechnungsmöglichkeit einbezogen werden.
48 
Darüber hinaus unterscheiden sich die Gläubigerstellungen bei einer Aufrechnungsmöglichkeit nach § 94 InsO und bei einer solchen nach § 95 InsO. Die Aufrechnung im Sinne des § 94 InsO soll dem Insolvenzgläubiger trotz rechtskräftigen Insolvenzplans erhalten bleiben, da dieser bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hat. Eine wirksame Aufrechnung setzt eine Aufrechnungslage und eine Aufrechnungserklärung voraus. § 94 InsO bewahrt den Insolvenzgläubiger trotz rechtskräftigen Insolvenzplans vor einem Rechtsverlust, wenn die Aufrechnungslage besteht, die Aufrechnung aber mangels Aufrechnungserklärung noch nicht erfolgte. Diese - bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete - gesicherte Rechtsposition soll dem Insolvenzgläubiger durch einen rechtskräftigen Insolvenzplan nicht genommen werden. In der Variante des § 95 InsO fehlt es hingegen sowohl an einer Aufrechnungserklärung als auch an einer Aufrechnungslage. Der Insolvenzgläubiger hat keine mit § 94 InsO vergleichbare gesicherte Rechtsposition, die ihn durch ein Insolvenzverfahren trägt. Die Wertung des § 254 Abs. 1 Satz 1 InsO i.V.m. dem fingierten Forderungserlass sind stärker zu gewichten als die möglicherweise in Zukunft eintretende Aufrechnungslage im Sinne des § 95 InsO. § 94 InsO ermöglicht die Aufrechnung trotz eines rechtskräftigen Insolvenzplans und der hieraus entstehenden Folge des § 390 BGB, da dem Insolvenzgläubiger eine bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene gesicherte Rechtsposition durch einen rechtskräftigen Plan nicht genommen werden soll. Diese gesicherte Position hat ein Insolvenzgläubiger, der nach § 95 InsO aufrechnen kann, hingegen gerade nicht.
49 
Die Beklagte hätte vor Eintritt der Rechtskraft des Insolvenzplans die Aufrechnung wirksam im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO erklären können. Mit Eintritt der Rechtskraft des Plan verdrängen jedoch die Wirkungen des Plans, insbesondere die hieraus entstehende Folge des § 390 BGB, aus den oben genannten Gründen die Aufrechnungsmöglichkeit des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
51 
3. Die Berufung ist nach § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtsstreitigkeit auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Die Entscheidung muss aus Gründen der Rechtssicherheit, der Einheit der Rechtsordnung oder der Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse liegen, was dann zutrifft, wenn die klärungsbedürftige Frage mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden kann (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage 2015, § 124 Rn. 10). Die Rechtssache hat hier grundsätzliche Bedeutung, da das Verhältnis zwischen § 95 InsO und einem rechtskräftigen Insolvenzplan bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden ist. Der BGH hat in seinem Urteil vom 19.05.2011 entschieden, dass ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht gemäß § 94 InsO auch dann erhalten bleibt, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt (BGH, Urteil vom 19.05.2011 – IX ZR 222/08 –, juris). Ob ein Aufrechnungsrecht mit einem Steuererstattungsanspruch im Sinne des § 95 InsO ebenfalls erhalten bleibt, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt - hier verneint - kann in Zukunft für einen nicht überschaubaren Personenkreis offensichtlich noch von Bedeutung sein. Die Rechtssache hat aus diesem Grund grundsätzliche Bedeutung.

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