Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (6. Kammer) - 6 Sa 414/12

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Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Az: 7 Ca 637/12 - vom 31.07.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Februar, März und April 2012.

2

Die Klägerin wurde mit Wirkung zum 01. Februar 2002 neben ihrem Ehemann zur Geschäftsführerin der G. N. GmbH bestellt. Nach § 1 des zu Grunde liegenden Geschäftsführervertrags (Bl. 306 bis 308 d. A.) bestand ihr Aufgabengebiet in der kaufmännischen Geschäftsführung des Unternehmens. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörte vereinbarungsgemäß die Allgemeine Verwaltung, die Überwachung Rechnungswesen, Materialwirtschaft und Vertrieb, Personalwesen, Controlling und die Unternehmensorganisation. Die Klägerin bezog für ihre Tätigkeit ein Jahresgehalt von 134.400,00 Euro brutto, zahlbar in zwölf gleichen Teilbeträgen à 11.200,00 Euro. Zudem beinhaltete der Geschäftsführervertrag eine Tantiemeregelung.

3

Zuletzt bestand das Geschäftsführerverhältnis der Klägerin mit der W. Z. GmbH als Rechtsnachfolgerin der G. N. GmbH. Alleinige Gesellschafterin der W. Z. GmbH ist die M. W. KG, deren Komplementärin die Klägerin und ihr Ehemann sind.

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Mit Schreiben vom 25. April 2010 (Bl. 304 d. A.), zugegangen am 26. April 2010, kündigte die Klägerin den Geschäftsführervertrag gegenüber der W. Z. GmbH zum 31. Oktober 2010. Am 18. August 2010 schlossen die Klägerin und die W. Z. GmbH einen Anstellungsvertrag (Bl. 22 - 25 d. A., im Folgenden: AnstellungsV) über eine Tätigkeit der Klägerin als der Geschäftsführung direkt unterstellte Assistentin der Geschäftsleitung beginnend ab 01. November 2010. Die Aufgabenbeschreibung der Klägerin gemäß § 2 AnstellungsV umfasst die Gebiete Allgemeine Verwaltung, Überwachung Finanzbuchhaltung, Personalwesen und Organisation.Nach § 3 AnstellungsV erhielt die Klägerin ein Jahresbruttogehalt von 96.000,00 Euro, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen à 8.000,00 Euro. Hinsichtlich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall enthält § 8 AnstellungsV folgende Regelung:

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„§ 8 Urlaub und Krankheit

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… Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit wird das Festgehalt ab der 7. Woche weitergezahlt, jedoch unter Abzug des von der Krankenkasse oder eines anderen Sozialversicherungsträges gezahlten Betrages.

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Die Fortzahlung der Bezüge erfolgt jedoch längstens bis zur Beendigung dieses Vertrages.“

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Mit Schreiben vom 01. November 2010 (Bl. 305 d. A.) erklärte die Klägerin nochmals ausdrücklich, das Amt als Geschäftsführerin niederzulegen. Am 21. Juni 2011 wurde im Handelsregister eingetragen, dass die Klägerin nicht mehr Geschäftsführerin der W. Z. GmbH ist.

9

Am 01. Februar 2012 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Zweibrücken, Insolvenzgericht, Inso IN 00/00 über das Vermögen der W. Z. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzschuldnerin bestellt. Am 09. März 2012 hat das Amtsgericht Bingen mit Beschluss vom gleichen Tag (Az.: 4 IN 00/00) über das Vermögen der M. W. KG das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beklagten auch hier zum Insolvenzverwalter bestellt.

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Der Beklagte kündigte das Anstellungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 21. März 2012 zum 30. Juni 2012. Er zahlte an die Klägerin, die in den Monaten Februar bis April 2012 arbeitsunfähig erkrankt war, für die Monate Februar und März 2012 Vergütung in Höhe von jeweils 500,00 EUR brutto und für den Monat April 2012 400,00 EUR brutto. Eine außergerichtliche Geltendmachung weiterer Vergütung für die Monate Februar und März 2012 mit Schreiben vom 16. März 2012 (Bl. 26 d. A.) durch die Klägerin gegenüber dem Beklagten blieb erfolglos.

11

Mit ihrer am 27. April 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Zahlungsklage begehrte die Klägerin für die Monate Februar, März und April 2012 zunächst die Zahlung von 23.500,00 EUR brutto. Im Kammertermin vom 31. Juli 2012 vor dem Arbeitsgericht hat sie ihre Klage in Höhe von 900,00 EUR brutto zurückgenommen.

12

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12. Juni 2012 hilfsweise gegen die von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsansprüche die Aufrechnung erklärt mit einem Anspruch aus Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 1 GmbHG gegen die Klägerin, weil diese allein im April 2011 Zahlungen der Insolvenzschuldnerin in Gesamthöhe von über 180.000,00 Euro geleistet oder nicht verhindert habe, obgleich bereits Zahlungsunfähigkeit vorgelegen habe.

13

Die Klägerin hat erstinstanzlich - im Wesentlichen - vorgetragen, ihr stehe für die Monate Februar 2012 bis April 2012 ein Vergütungsanspruch von je 8.000,00 Euro brutto abzüglich des jeweils vom Beklagten geleisteten Teilbetrags von 500,00 Euro brutto (Februar und März 2012) bzw. 400,00 Euro brutto (April 2012), insgesamt demnach ein Betrag von 22.600,00 Euro brutto zu. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei ihr Vergütungsanspruch nicht aufgrund einer bestehenden Treuepflicht als Geschäftsführerin entfallen bzw. zu reduzieren. Sie sei zuletzt als Assistentin der Geschäftsführung und gerade nicht als Geschäftsführerin für die Insolvenzschuldnerin tätig gewesen. Eine Änderungskündigung habe der Beklagte nicht ausgesprochen. Sie habe mit der Beendigung des Geschäftsführervertrages auch nicht einer Haftung als Geschäftsführerin entgehen wollen. Vielmehr habe sie sich als Geschäftsführerin zurückgezogen, weil ihre damals seit fünf Jahren schwer erkrankte einzige Tochter von der Schulmedizin als unheilbar aufgegeben worden sei und sie sich außer Stande gesehen habe, gleichzeitig sowohl ein Unternehmen mit zu leiten als auch bestmögliche alternative Behandlungsmöglichkeiten für ihre Tochter zu finden und dieser beizustehen. Der hilfsweise vom Beklagten zur Aufrechnung gestellte Anspruch auf Ersatz der im Monat April 2011 von der Insolvenzschuldnerin geleisteten Zahlungen nach § 64 S. 1 GmbHG stehe dem Beklagten nicht zu, da sie bereits seit 01. November 2010 nicht mehr Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin gewesen sei. Da dies der Insolvenzschuldnerin bekannt gewesen sei, könne weder sie, noch der Beklagte sich auf die verspätete Eintragung der Tatsache im Handelsregister erst am 21. Juni 2011 berufen. Im Übrigen lägen auch die weiteren Voraussetzungen einer Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG nicht vor. Da der Beklagte ausschließlich „Insolvenzreife“ in den ersten Quartalen 2011 behaupte, habe er bereits nicht schlüssig dargelegt, dass die Insolvenzschuldnerin vor dem 01. November 2010 zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen sei; allein eventuelle Jahresfehlbeträge aus den Jahresabschlüssen zum Bilanzstichtag seien hierzu jedenfalls nicht geeignet.

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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 22.600,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.500,00 EUR ab dem 01.03.2012, aus weiteren 7.500,00 EUR ab dem 01.04.2012 sowie aus weiteren 7.600,00 EUR ab dem 02.05.2012 zu zahlen.

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Der Beklagte hat beantragt

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die Klage abzuweisen.

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Er hat erstinstanzlich - im Wesentlichen - vorgetragen, der Klägerin stünden für die Monate Februar bis April 2012 keine Vergütungsansprüche zu. Sie habe aufgrund ihrer Treuepflicht für die Monate Februar bis April 2012 keine Vergütungsansprüche aus dem Anstellungsvertrag vom 18. August 2010. Die Klägerin sei zwar zuletzt nur Assistentin der Geschäftsführung gewesen, habe aber in dieser Funktion nahezu die gleichen Tätigkeiten wie zuvor während ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin verrichtet. Durch ihren Rückzug als Geschäftsführerin habe die Klägerin lediglich einer Haftung als Geschäftsführerin entgehen wollen. Schließlich sei die Insolvenzschuldnerin bereits in den ersten Quartalen des Jahres 2011 insolvenzreif und damit die Klägerin zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet gewesen. Zum Zeitpunkt des Austritts der Klägerin als Geschäftsführerin am 21. Juni 2011 hätten gegenüber der Insolvenzschuldnerin ausweislich eines Auszugs aus der Insolvenztabelle - ohne Zinsen, Vollstreckungskosten und bestrittene Forderungen - Forderungen in Höhe von 465.374,09 Euro bestanden; auch aus dem Jahresabschluss 2010 sei die marode finanzielle Situation ersichtlich, da sich zum Bilanzstichtag 2010 ein Jahresfehlbetrag von 605.119,13 Euro ergeben habe. Dieser negative Trend habe sich zunehmend verschärft, so dass ausweislich des Zwischenberichts vom 31. Oktober 2011 habe ein Jahresfehlbetrag von 268.741,68 Euro verzeichnet werden müssen und ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 35.028,39 Euro bestanden. Somit sei die Insolvenzschuldnerin im letzten Quartal 2011 bilanziell überschuldet gewesen. Die Klägerin habe für die Monate Februar bis April 2012 höchstens einen verringerten Vergütungsanspruch in Höhe von 500,00 EUR brutto. Für den Fall, dass der Klägerin Vergütungsansprüche für die Monate Februar bis April 2012 zustünden, seien sie zudem jedenfalls infolge der erklärten Aufrechnung mit Ansprüchen gegen die Klägerin auf Ersatz der im Monat April 2011 von der Insolvenzschuldnerin geleisteten bzw. nicht von der Klägerin verhinderten Zahlungen in Höhe von 180.518,62 Euro nach § 64 S. 1 GmbHG untergegangen. Obwohl die Insolvenzschuldnerin jedenfalls im April 2011 bereits zahlungsunfähig gewesen sei und zu diesem Zeitpunkt auch keine Sanierungschancen bestanden hätten, habe die Klägerin im April 2011 im einzelnen dargelegte Zahlungen in einer Gesamthöhe von 180.518,62 EUR geleistet bzw. Zahlungen in dieser Höhe nicht verhindert. Diese Zahlungen seien auch nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar gewesen.

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Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat der Klage mit Urteil vom 31. Juli 2012 (Bl. 317 - 330 d. A.), auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, entsprochen und zur Begründung angeführt, der Klägerin stehe der geltend gemachte Vergütungsanspruch für die Monate Februar, März und April 2012 in zuletzt geltend gemachter Höhe nach § 3 EntgeltfortzahlungsG iVm. §§ 3, 8 AnstellungsV zu, da die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und sie Leistungen der Krankenkasse bzw. eines sonstigen Sozialversicherungsträgers nicht erhalten habe. Der Anspruch sei nicht nach § 313 Abs. 1 BGB wegen Störung oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage und auch nicht aufgrund einer fortwirkenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Klägerin entfallen bzw. anzupassen. Der Vergütungsanspruch sei auch nicht durch Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen. Dem Beklagten stehe der - gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG der Entscheidung des Arbeitsgerichts unterliegende - Anspruch auf Ersatz der im Monat April 2011 von der Insolvenzschuldnerin geleisteten Zahlungen nach § 64 Satz 1 GmbHG nicht zu, da die Klägerin im April 2011 weder bestellte, noch faktische Geschäftsführerin gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 324 ff. d. A. Bezug genommen.

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Der Beklagte hat gegen das ihm am 17. August 2012 zugestellte Urteil mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 11. September 2012 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung aufgrund Beschlusses vom 18. Oktober 2012 bis 24. Oktober 2012 mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2012, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.

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Der Insolvenzverwalter der M. W. KG hat an den Beklagten gemäß Abtretungserklärung vom 27. September 2012 (Anlage 6 zum Beklagtenschriftsatz vom 28. September 2012 (Bl. 356 ff. d. A.), Anlagen in Aktendeckel) Forderungen abgetreten aufgrund persönlicher Haftung der Klägerin als Komplementärin bis zur Höhe des vom Arbeitsgericht tenorierten Anspruchs in Gemäßheit der der laufenden Nummernfolge festgestellter Forderungen der Gläubigerliste gemäß Anlage 5 zum Beklagtenschriftsatz vom 28. September 2012. Im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 28. September 2012 gegenüber den streitgegenständlichen Vergütungsansprüchen die Aufrechnung erklärt mit den der Abtretungserklärung vom 27. September 2012 zu Grunde liegenden Ansprüchen.

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Im Rahmen der Berufungsbegründung vom 24. Oktober 2012 hat der Beklagte zudem hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche Aufrechnung erklärt mit einem weiteren Anspruch gegen die Klägerin aus Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 1 GmbHG, weil von ihr im Zeitraum vom 21. bis 24. Oktober 2010 veranlasste Zahlungen der Insolvenzschuldnerin in Gesamthöhe von über 28.757,60 Euro trotz deren Zahlungsunfähigkeit respektive Überschuldung erfolgt seien.

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Der Beklagte macht mit der Berufungsbegründung, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 406 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend, die nach §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen rechtfertigten eine andere Entscheidung. Die Klägerin hafte für die noch während ihrer Zeit als Geschäftsführerin im Oktober 2010 veranlassten Zahlungen, da die Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens - wie der Jahresfehlbetrag von 605.119,13 Euro für den Jahresabschluss 2010 zeige - bereits überschuldet gewesen sei. Mit Schriftsatz vom 08. März 2013 (Bl. 473 ff. d. A.), auf den ergänzend verwiesen wird, trägt der Beklagte vor, im Zeitraum vom 10. Februar 2009 bis 03. Oktober 2010 seien bereits Forderungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin über 466.658,68 Euro fällig gestellt worden. Unter Berücksichtigung der Kontokorrentsalden aller Geschäftskonten habe zum 04. Oktober 2010 eine Unterdeckung von - 3.049.177,93 Euro vorgelegen, zum 20. Oktober 2010 eine Unterdeckung von - 2.935,143,01 Euro. Gleichwohl habe die Klägerin im Zeitraum vom 20. Oktober bis 24. Oktober 2010 bei unverändert offenen Verbindlichkeiten Zahlungen in Höhe von insgesamt 37.092,96 Euro aus einer Liquidität nach einer Gutschrift der S. GmbH ausgeführt. Die eingewendeten Forderungen seien im Berufungsverfahren zuzulassen, da das Arbeitsgericht erst im Kammertermin darauf hingewiesen habe, dass nicht auf den Zeitpunkt der Löschung der Klägerin im Handelsregister, sondern auf Ende Oktober 2010 abzustellen sei und einen erbetenen Schriftsatznachlass zur Bezifferung der Forderungen, die vor diesem Zeitpunkt entstanden seien, nicht gewährt habe. Auch die Einführung der weiter erklärten Aufrechnung mit der am 27. September 2012 abgetretenen Forderung im Berufungsverfahren sei zulässig, da die Voraussetzungen erst nach Schluss der ersten Instanz geschaffen worden seien.

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Der Beklagte beantragt:

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Das am 31. Juli 2012 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Az.: 7 Ca 637/12 - wird aufgehoben.

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Die Klage wird abgewiesen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 29. November 2012, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 453 ff. d. A.) und trägt im Wesentlichen vor,
die Aufrechnungserklärung des Beklagten im Berufungsverfahren sei nicht zulässig, da sie - die Klägerin - ausdrücklich nicht einwillige und die Aufrechnungserklärung auch nicht sachdienlich sei, weil völlig neuer Prozessstoff in das Verfahren eingeführt und so der Rechtsstreit verzögert werde; zumindest handele es sich um neue Tatsachen, deren Berücksichtigung nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht zulässig sei. Im Übrigen bestehe auch keine Aufrechnungslage. Ein Anspruch aus Geschäftsführerhaftung sei auch hinsichtlich der im Berufungsverfahren vom Beklagten angeführten Zahlungen nicht gegeben. Im Oktober 2010 habe weder Zahlungsunfähigkeit, noch Überschuldung vorgelegen. Ein Liquiditätsstatus sei vom Beklagten nicht vorgelegt worden und allein der behauptete Jahresfehlbetrag 2010 genüge - gerade angesichts der unstreitig im Jahr 2009 entstandenen Investitionskosten von rund 3,5 Millionen Euro - nicht, um die Zahlungsunfähigkeit zu belegen. Auch könne in Ermangelung einer Überschuldungsbilanz von Überschuldung Ende Oktober 2010 nicht ausgegangen werden, zumal der Beklagte sich schriftsätzlich auf eine bilanzielle Überschuldung im letzten Quartal 2011 berufen habe. Im Übrigen sei die Fortführungsprognose positiv gewesen, da der Betrieb immerhin noch weitere 1,5 Jahre fortgeführt worden sei. Auch aus abgetretenem Recht stehe dem Beklagten kein zur Aufrechnung geeigneter Anspruch zu. Unabhängig davon, dass § 93 InsO ein Abtretungsverbot gebiete, seien allein die Forderungsgläubiger der M. W. KG - und nicht der Beklagte - zur Geltendmachung und damit auch zur Abtretung der Ansprüche aus persönlicher Haftung berechtigt.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes des zweitinstanzlichen Verfahrens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 15. März 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

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Die zulässige Berufung des Beklagten ist in der Sache nicht erfolgreich.

I.

32

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 17. August 2012 mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 11. September 2012 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO) und nach Fristverlängerung aufgrund Beschlusses vom 18. Oktober 2012 bis 24. Oktober 2012 mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2012, eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO). Die Begründung setzt sich in hinreichender Weise mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO).

II.

33

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit zutreffenden Erwägungen entsprochen. Auch die vom Beklagten im Berufungsverfahren erklärte Aufrechnung führt zu keinem anderen Ergebnis.

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1. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für einen Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall der Klägerin für die Monate Februar bis April 2012 vorliegen, der Anspruch weder nach § 313 BGB, noch aufgrund einer fortwirkenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Klägerin anzupassen oder entfallen und auch nicht infolge der vom Beklagten erstinstanzlich erklärten Aufrechnung mit einem Anspruch aus Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 1 GmbHG für im April 2011 veranlasste Zahlungen der Insolvenzschuldnerin untergegangen ist.

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1.1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten als W. Z. GmbH für die Monate Februar, März und April 2012 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach §§ 8, 3 AnstellungsV iVm mit § 3 EntgeltfortzahlungsG in Höhe von insgesamt 22.600,00 Euro brutto, sich zusammensetzend aus 8.000,00 Euro brutto monatlich abzüglich jeweils für die Monate Februar und März 2012 gezahlter 500,00 Euro brutto und für den Monat April 2012 gezahlter 400,00 Euro brutto. Da die Klägerin nach den im Berufungsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Arbeitsgerichts von Februar bis April 2012 arbeitsunfähig erkrankt war, steht ihr die in § 3 AnstellungsV vereinbarte Vergütung von 8.000,00 Euro brutto pro Monat für den streitgegenständlichen Zeitraum als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu. Für die ersten sechs Wochen der Erkrankung ergibt sich der Anspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzahlungsG, ab der 7. Woche besteht der Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 AnstellungsV. Dass vorübergehende Arbeitsunfähigkeit im Sinne der vertraglichen Vereinbarung bestand und Beträge seitens der Krankenkasse oder eines anderen Sozialversicherungsträgers nicht gezahlt wurden, hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt.

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1.2. Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist weder nach § 313 Abs. 1 BGB, noch aufgrund einer fortwirkenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Klägerin anzupassen oder gar entfallen. Einwendungen gegen die Ausführungen des Arbeitsgerichts diesbezüglich macht der Beklagte mit seiner Berufung nicht geltend. Ungeachtet dessen erweist sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend.

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a) Eine Anpassung oder ein Entfallen des von den Parteien im AnstellungsV vereinbarten Vergütungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) kommt nicht in Betracht. Die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist grundsätzlich kein selbständiger Grund für die Beendigung oder Änderung eines Arbeitsverhältnisses. Die Notwendigkeit, einen Arbeitsvertrag an veränderte Verhältnisse anzupassen, kann zwar ein Anlass für eine Änderungskündigung sein (soweit diese an sich zulässig ist), ersetzt diese aber nicht (BAG 29. August 1981 - 2 AZR 778/78 - Rn. 32, zitiert nach juris). Das Kündigungsrecht ist gegenüber einer Anpassung nach § 313 BGB lex specialis (BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 126/05 - Rn. 29, zitiert nach juris). Der Arbeitgeber hat sich grundsätzlich der Möglichkeit der Änderungskündigung zu bedienen, in deren Rahmen die Tatbestände zu würdigen sind, welche für den Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen werden können (KR- Rost/Kreft 10. Auflage § 2 KSchG Rn. 54k). Eine Änderungskündigung hat der Beklagte - unabhängig davon, ob eine solche wirksam gewesen wäre - vorliegend nicht ausgesprochen.

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b) Der Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung für die Monate Februar bis April 2012 unterliegt auch nicht wegen einer fortwirkenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Klägerin der Anpassung oder dem Wegfall. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Organmitglied bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft in wesentlichem Maße aufgrund der von ihm als solchem geschuldeten Treuepflicht gehalten ist, einer Herabsetzung seiner Bezüge zuzustimmen und dies im Grundsatz auch für Geschäftsführer einer GmbH unabhängig davon gilt, ob und in welchem Umfang sie an der Gesellschaft beteiligt sind (vgl. BGH 15. Juni 1992 - II ZR 88/91 - Rn. 16 zitiert nach juris), bringt dies die Ansprüche der Klägerin nicht zu Fall. Die Klägerin beansprucht für die Monate Februar bis April 2012 keine Geschäftsführervergütung aus dem bereits zum 31. Oktober 2010 beendeten Geschäftsführervertrag, sondern verlangt Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus ihrem kraft AnstellungsV vom 18. August 2010 bestehenden Arbeitsverhältnis als Assistentin der Geschäftsführung. Die Klägerin ist an der Geltendmachung ihrer arbeitsvertraglichen Rechte auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) gehindert. Zwar ist die Ausübung eines Rechts regelmäßig rechtsmissbräuchlich, wenn der Berechtigte es durch gesetzes-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat (BGH 26. November 2004 - V ZR 90/04 - Rn. 25; MünchKomm-BGB - Roth/Schubert 6. Auflage 2012 - § 242 Rn. 241 ff.). Anhaltspunkte für ein derartiges Verhalten der Klägerin sind jedoch nicht ersichtlich. Der Beklagte hat den klägerischen Vortrag nicht in Abrede gestellt, dass die bereits im April 2010 gegenüber der Insolvenzschuldnerin erklärte Kündigung des Geschäftsführervertrages durch die Klägerin zum 31. Oktober 2010 vor dem Hintergrund der erforderlichen Betreuung der schwer erkrankten Tochter der Klägerin erfolgt ist. Dass der Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit der Klägerin als Assistentin der Geschäftsführung vom 18. August 2010 zum Zwecke der Umgehung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten geschlossen worden wäre, war daher nicht erkennbar.

39

1.3. Der streitgegenständliche Anspruch ist nicht gemäß §§ 389, 387 ff. BGB infolge der vom Beklagten mit Schriftsatz vom 12. Juni 2012 hilfsweise erklärte Aufrechnung untergegangen. Die Berufung verhält sich zur Frage der erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 12. Juni 2012 erklärten Aufrechnung nicht, insbesondere tritt sie den insoweit zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts nicht entgegen, die Klägerin hafte nicht gemäß § 64 Satz 1 GmbHG für die im April 2011 veranlassten bzw. nicht verhinderten Zahlungen der Insolvenzschuldnerin, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr Geschäftsführerin gewesen sei und der Beklagte sich - ebenso wie die Insolvenzschuldnerin - nach der der Insolvenzschuldnerin am 26. April 2010 zugegangenen Kündigung des Geschäftsführervertrags vom 25. April 2010 zum 31. Oktober 2010, nicht auf die Publizität des Handelsregisters (§ 15 Abs. 1 HGB) berufen könne.

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2. Auch die vom Beklagten erst im Berufungsrechtszug erklärte Aufrechnung mit weiteren Gegenforderungen gegen die Klägerin aus persönlicher Haftung als Komplementärin der M. W. KG und aus Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 1 GmbHG wegen von ihr im Oktober 2010 veranlasster oder nicht verhinderter Zahlungen der Insolvenzschuldnerin haben die Klageforderung nicht gemäß §§ 389, 387 ff. BGB zum Erlöschen gebracht. Die Aufrechnung konnte keine Berücksichtigung finden, da zwar die prozessualen Voraussetzungen dafür nach den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 533 ZPO vorlagen, die erklärte Aufrechnung jedoch unzulässig ist.

41

2.1. Wird erstmals in der Berufungsinstanz eine Aufrechnung erklärt, ist dies nach §§ 64 Abs. 4 ArbGG, 533 ZPO nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (Nr. 1) und die Aufrechnung auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

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(a) Zwar hat die Klägerin ihre Einwilligung zu Berücksichtigung der vom Beklagten im Berufungsverfahren erklärten Aufrechnung mit einem weiteren Anspruch aus Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 1 GmbHG und Ansprüchen aus persönlicher Haftung der Klägerin als Komplementärin der M. W. KG aus abgetretenem Recht ausdrücklich verweigert. Die Aufrechnung war jedoch iSd § 533 Nr. 1 ZPO sachdienlich. Der Begriff der Sachdienlichkeit ist vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu betrachten (Germelmann-Germelmann, ArbGG, 7. Aufl., § 64 Rn 91, 91). Die Sachdienlichkeit ist dabei nur ausnahmsweise zu verneinen (Zöller-Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 533 Rn 6). Im Hinblick darauf, dass unter der Flagge der Klageänderung im zweiten Rechtszug ohnehin kein neuer Prozessstoff eingeführt werden kann, ist die Sachdienlichkeit nicht kleinlich zu beurteilen und im Sinne der doppelten Nutzung des Streitstoffs immer schon dann zu bejahen, wenn damit bei objektiver Betrachtung der Streit zwischen den Parteien endgültig erledigt und einem weiteren Prozess vorgebeugt wird (MünchKomm-ZPO - Rimmelspacher 4. Aufl. 2012 § 533 Rn. 13). Hiervon ist vorliegend auszugehen, da bei einer Entscheidung auch über die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen ein weiterer Rechtsstreit zwischen den Parteien insoweit nicht zu erwarten stünde.

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b) Die Einführung der Aufrechnung mit den weiteren Gegenforderungen erstmals im laufenden Berufungsverfahren scheitert auch nicht an der Regelung des § 533 Nr. 2 ZPO, wonach eine Aufrechnungserklärung nur dann berücksichtigt werden kann, wenn diese auf Tatsachen gestützt wird, die das Berufungsgericht im Rahmen seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu berücksichtigen hat.

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(1) Soweit der Beklagte die Aufrechnung erklärt hat mit abgetretenen Ansprüchen aus persönlicher Haftung der Klägerin als Komplementärin der M. W. KG, liegen der Beurteilung der behaupteten Forderung zwar neue Tatsachen zu Grunde, diese sind jedoch gemäß §§ 533 Nr. 2, 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO berücksichtigungsfähig, da der Beklagte die Geltendmachung der Forderung im ersten Rechtszug nicht aus Nachlässigkeit unterlassen hat. Sind Angriffs- und Verteidigungsmittel erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Vorinstanz entstanden, so konnte keine Partei sie im ersten Rechtszug einführen und ihre unterlassene Geltendmachung im ersten Rechtszug beruht von Hause aus nicht auf einer Nachlässigkeit iSd. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO (vgl. MünchKomm-ZPO - Rimmelspacher 4. Aufl. 2012 § 531 Rn. 25). Stützt der Beklagte eine Einwendung gegen den Klageanspruch auf eine Rechtsposition, die er im Wege der Abtretung erworben hat, so ist das entsprechende Verteidigungsmittel erst mit dem Erwerb der Rechtsposition entstanden; hierbei ist unerheblich, ob das nachträglich entstandene Angriffs- oder Verteidigungsmittel schon vorher hätte geschaffen werden können (BGH 17. Mai 2011 - X ZR 77/10 - Rn. 13 f. zitiert nach juris). Da die Abtretungserklärung, auf die sich der Beklagte hinsichtlich der Ansprüche gegen die Klägerin aus persönlicher Haftung als Komplementärin der M. W. KG beruft - unabhängig von ihrer von der Klägerin in Abrede gestellten Wirksamkeit - vom 27. September 2012 datiert, sind die Voraussetzungen des nunmehr geltend gemachten Rechts erst nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung vom 31. Juli 2012 entstanden. Die Einführung der Forderung im Wege der Aufrechung erst im Berufungsverfahren war daher zulässig.

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(2) Auch der vom Beklagten im Rahmen der Berufungsbegründung vom 24. Oktober 2012 erklärten Aufrechnung mit einem weiteren Anspruch gegen die Klägerin aus Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 1 GmbHG wegen von ihr im Zeitraum vom (zuletzt geltend gemachten) 20. bis 24. Oktober 2010 veranlasste Zahlungen der Insolvenzschuldnerin liegt Streitstoff zu Grunde, mit dem sich das Berufungsgericht auch ohne die Aufrechnungserklärung hätte beschäftigen müssen. Der Beklagte hat unter dem Gesichtspunkt einer fortwirkenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Klägerin als Geschäftsführerin bereits den Bestand der Klageforderung in Abrede gestellt und unter Berufung auf einen Jahresfehlbetrag von 605.119,13 Euro zum Bilanzstichtag 2010 geltend gemacht, diese habe durch ihren Rückzug als Geschäftsführerin lediglich einer Haftung als Geschäftsführerin entgehen wollen. Auch wenn dieser Vortrag für die Klageforderung als solche aus den dargestellten Gründen materiellrechtlich unbeachtlich war, stützt der Beklagte die nunmehr unter konkreter Darlegung einzelner - von der Klägerin nicht in Abrede gestellter Zahlungen - zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung daher im Wesentlichen auf dieselben Tatsachen, die der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zu Grunde zu legen waren.

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2.2. Ungeachtet des Vorliegens der formalen Voraussetzungen des § 533 ZPO für die Berücksichtigung einer Aufrechnung im Rahmen des zweitinstanzlichen Verfahrens scheitert die Aufrechnung des Beklagten jedoch, weil sie unzulässig ist.

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a) Der Beklagte stützt sich bei seiner im Berufungsverfahren erklärten Aufrechnung auf behauptete rechtswegfremde Gegenforderungen. Sowohl die behauptete Forderung gegen die Klägerin aus persönlicher Haftung als Komplementärin der M. W. KG, als auch die behauptete Forderung aus Geschäftsführerhaftung nach § 64 Satz 1 GmbHG wegen von ihr als Geschäftsführerin im Oktober 2010 veranlasster oder nicht verhinderter Zahlungen der Insolvenzschuldnerin haben ihren Ursprung nicht im zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin bestandenen Arbeitsverhältnis kraft AnstellungsV vom 18. August 2010. Würde der Beklagte die Forderungen im Klagewege geltend machen, läge eine die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen begründende bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG daher nicht vor.

48

b) Die Berufungskammer war zur Entscheidung über die Zulässigkeit der vom Beklagten mit rechtswegfremden Forderungen erklärten Aufrechnung befugt.

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(1) Gemäß § 17 Abs. 2 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Die Aufrechnung ist kein rechtlicher Gesichtspunkt iSv. § 17 Abs. 2 GVG, sondern ein selbstständiges Gegenrecht, das dem durch die Klage bestimmten Streitgegenstand einen weiteren selbstständigen Gegenstand hinzufügt. Die Gerichte für Arbeitssachen können deshalb über die Begründetheit der Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung nicht selbst entscheiden (BAG 28. November 2007 - 5 AB 44/07 - Rn. 7; 23. August 2001 - 5 AZB 3/01 - Rn. 8, jeweils zitiert nach juris). Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für die Entscheidung über die Wirkung einer Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung ist ohne weiteres zu bejahen, wenn die Gegenforderung als Zusammenhangsklage nach § 2 Abs. 3 ArbGG vor die Arbeitsgerichte gebracht werden könnte, weil sie in einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zur arbeitsrechtlichen Klageforderung steht (Germelmann - Matthes/Schlewing ArbGG 7. Aufl. § 2 Rn. 144). Die Gerichte für Arbeitssachen sind für den Rechtsstreit im Übrigen zuständig, soweit nicht mit Rechtskraftwirkung über die Gegenforderung zu entscheiden ist (§ 322 Abs. 2 ZPO). Das Arbeitsgericht hat auch die Zulässigkeit der Aufrechnung zu prüfen, weil es insoweit nicht auf das Bestehen der Gegenforderung ankommt (BAG 28. November 2007 - 5 AZB 44/07 - Rn. 12, zitiert nach juris; Germelmann - Matthes/Schlewing ArbGG aaO § 2 Rn. 146).

50

(2) Ausgehend hiervon war die Kammer zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Aufrechnung berufen. Ob die Voraussetzungen einer Zusammenhangsklage nach § 2 Abs. 3 ArbGG in Form eines engen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen der Klageforderung und den Gegenforderungen gegeben sind, die dem Gericht auch eine Entscheidung über das Bestehen der streitigen Forderungen in der Sache ermöglich hätte, kann dahinstehen.

51

c) Die vom Beklagten gegen den Bruttolohnanspruch der Klägerin erklärte Aufrechnung ist nicht zulässig.

52

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn, die Höhe der Abzüge ist bekannt. Aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Anderenfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist „die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig“. Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist (BAG 16. März 1994 - 5 AZR 411/02 - Rn. 43; 22. März 2000 - 4 AZR 120/99 - Rn. 12; 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - Rn. 54, jeweils zitiert nach juris). Erklärt der Arbeitgeber die Aufrechnung gegen eine Bruttoforderung, fehlt es insoweit an der Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 387 ZPO), als der Arbeitnehmer zwar Gläubiger der Bruttolohnforderung ist, sie sich jedoch hinsichtlich der auf die Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die Steuer entfallenden Teile auf Zahlung an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger richtet (BAG 19. Februar 2004 - 6 AZR /02 - Rn. 28 unter Verweis auf BAG 07. März 2001 - GS 1/00 -, jeweils zitiert nach juris).

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(2) Ausgehend hiervon erweist sich die vom Beklagten gegen die Bruttolohnforderung der Klägerin erklärte Aufrechnung hinsichtlich beider im Berufungsrechtszug eingeführter Gegenforderungen als unzulässig. Zwar hätte der Beklagte mit den behaupteten Gegenforderungen gegen den Nettobetrag der Vergütungsdifferenzen an sich aufrechnen können. Er ist jedoch entsprechenden Vortrag, auf welche Vergütungsdifferenzen die Klägerin nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsabgaben Anspruch hat, auch nach gerichtlichem Hinweis vom 10. Januar 2013 auf die fehlende Gegenseitigkeit nach § 387 BGB bei der Aufrechnung des Arbeitgebers gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers schuldig geblieben. Damit entzog sich der genaue Nettobetrag der Lohnforderung der Kenntnis der angesichts des Beibringungsgrundsatzes zur Ermittlung des betreffenden Sachverhaltes nicht von Amts wegen verpflichteten Berufungskammer.

54

(3) Angesichts der Unzulässigkeit der Aufrechnung des Beklagten gegen eine Bruttolohnforderung war der Klage ohne Rücksicht auf den möglichen Bestand der Gegenforderungen zu entsprechen. Dass der Beklagte trotz gerichtlichen Hinweises zudem nicht vorgetragen hat, inwieweit seine Aufrechnung gegen die Arbeitsentgeltforderung der Klägerin dem Aufrechnungsverbot des § 394 BGB iVm. §§ 850 ff. ZPO Rechnung trägt, obwohl ihm insoweit die Darlegungslast obliegt und das Gericht nicht zu Ermittlungen von Amts wegen verpflichtet ist (vgl. BAG 05. Dezember 2002 -6 AZR 569/01 - Rn. 16 -; LAG Düsseldorf 02. Juni 2004 - 12 Sa 361/04 - Rn. 9; jeweils zitiert nach juris) konnte dahinstehen.

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3. Der Klägerin stehen die ihr auf den zuerkannten Betrag geltend gemachten Zinsen unter dem Gesichtspunkt des Verzuges nach den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu.

B.

56

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

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