Urteil vom Landgericht Hagen - 10 O 297/13
Tenor
Das Versäumnisurteil der Kammer vom 13.08.2014 wird aufrechterhalten.
Die Kläger tragen die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung in dieser Höhe fortgesetzt werden.
1
Tatbestand:
2Die Kläger begehren die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für aus einer fehlerhaften Anlageberatung entstandene und noch entstehende Schäden.
3Die Klägerpartei zu 1) beteiligte sich unter den Vertragsnummer #####/#### an der „F X – E 94/17 – G – KG“ und die Klägerpartei zu 2) unter der Vertragsnummer #####/#### an der „F X – E 97/22 – G KG“. Es handelt sich dabei jeweils um geschlossene Immobilienfonds. Investitionsobjekte sind Immobilien in Deutschland und den USA sowie ein Wertpapierdepot in der Schweiz.
4Die Beteiligung erfolgte nicht direkt, sondern über die Treuhandgesellschaft „H Allgemeine Treuhand- und T2 mbH“, die die jeweiligen Anteile im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber für Rechnung der Anleger erwarb. Die Mindestzeichnungssumme lag bei 20.000 DM, auf die ein Agio in Höhe von 5 % hinzuzurechnen war. Der Antrag des Anlegers auf Abschluss des Treuhandvertrags wurde mit „Beteiligungsangebot“ überschrieben. Nach Annahme des Beteiligungsangebots erhielten die Anleger eine Teilhabebestätigung in Form eines Zertifikates.
5Die Kläger wurden über die Beklagte auf die Fonds aufmerksam. Die Klägerpartei zu 1) unterzeichnete am 31.10.1996 das Beteiligungsangebot für den Beitritt zum Fond E 94/17 mit einer Zeichnungssumme von 32.211,39 EUR. Die Klägerpartei zu 2) unterzeichnete das Beteiligungsangebot für den Beitritt zum Fond E 97/22 am 04.07.1997 mit einer Zeichnungssumme von 16.105,70 EUR.
6Der Investitionsteil Deutschland sah beim E 94/17 den Erwerb einer Seniorenresidenz in Baden-Baden sowie den Ankauf des in Stuttgart gelegenen Hotel-, Freizeit- und Theaterzentrums „U T“ vor. Die später in Insolvenz geratene U-Unternehmensgruppe ließ dort das Musical „S U“ aufführen. Beim E 97/22 bestand der Investitionsteil Deutschland aus dem Erwerb zwei noch zu errichtender Apartments im SI Centrum Stuttgart und aus dem Erwerb zweier Cinemaxx-Kinos in X und Göttingen. Die Kläger bestätigten jeweils den Erhalt der ihnen unmittelbar nach Unterzeichnung der Beteiligungsangebote ausgehändigten Emissionsprospekte.
7Die Immobilienfonds wurden jeweils mit einem von der „L2 Gesellschaft für Konzeption und Marketing von W mbH“ herausgegebenen Emissionsprospekt beworben. Die Beklagte ist ein anbieterungebundenes Kapitalanlageberatungsunternehmen. Sie trat im Zeitpunkt der Beratung unter der Firma „CYF“ auf, firmiert aktuell aber unter dem Namen „T GmbH“ und ist im Handelsregister des Amtsgerichts Hannover eingetragen.
8Die Kläger reichten über ihre Prozessbevollmächtigten zum Jahreswechsel #####/#### bei der in Lübben (Brandenburg) ansässigen und aus dem Einzelrechtsanwalt F bestehenden Schlichtungsstelle einen Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ein und machten dort Ansprüche gegen die Beklagte geltend. Insgesamt stellte der Klägervertreter Ende Dezember 2011/Anfang Januar 2012 bei derselben Schlichtungsstelle rund 9.000 Anträge, davon 4.500 gegen die Beklagte. Der Antrag der Kläger wurde der Beklagten am 08.11.2012 bekanntgegeben.
9Die Kläger meinen, der von der Beklagten in Beratungsgesprächen verwendete Prospekt kläre nicht vollständig, verständlich und richtig über die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken auf.
10Im Einzelnen behaupten sie Folgendes:
11Der Prospekt enthalte falsche Angaben zum Mietausfallwagnis. Nach den allgemeinen, für die Schätzung und Ermittlung von Grundstücks- und Beleihungswerten geltenden Erfahrungswerten sei das Mietausfallwagnis bei der Prognoserechnung für gewerblich genutzte Räume mit mindestens 2,5 %, im Mittel sogar mit 4 % des Rohertrages in Ansatz zu bringen. Das ergebe sich schon aus Anlage 1 zu § 11 Abs. 2 der BelWertV. Der Prospekt habe hinsichtlich der als Investitionsanteil Deutschland vorgesehenen Immobilien in Stuttgart und Baden-Baden aber gar kein Mietausfallwagnis vorgesehen.
12Für den Investitionsteil USA habe die Prognose den mit der Eintreibung von noch ausstehenden Mietforderungen verbundenen hohen personellen und finanziellen Aufwand berücksichtigen müssen.
13Der Prospekt rechne hinsichtlich des Investitionsteils Deutschland mit zu geringen Instandhaltungskosten für die Immobilie.
14Bezüglich des Investitionsanteils USA beruhe die Angabe des Prospekts, die Instandhaltungskosten könnten dauerhaft aus den Bruttoeinnahmen ohne Schmälerung der Nettoeinnahmen bestritten werden, auf nicht sorgfältig ermittelten Tatsachen und sei unvertretbar.
15Der prognostizierte Verkaufswert der Immobilien sei unvertretbar. Die Rechnung beruhe auf den erwarteten Mieterträgen der Immobilien im Jahre 2025. Da die Prognoserechnung aber schon auf unvertretbar hohen Mieterträgen beruhe, sei auch der geschätzte Verkaufswert falsch.
16Wegen der genannten Fehler des Prospektes sei auch die im Prospekt dargestellte Entwicklung der Beteiligung, aus der sich die Rendite ablesen lasse, verfehlt. Dies habe einem mit der Immobilienwirtschaft vertrauten Berater nicht verschlossen bleiben dürfen.
17Der Prospekt enthalte keine klare und übersichtliche Darstellung der Weichkosten. Die Weichkosten würden lediglich in ein Verhältnis zur Gesamtinvestitionssumme gesetzt und dementsprechend mit 8 % für den E 94/17 bzw. 7,5 % für den E 97/22 dargestellt. Tatsächlich müssten die Weichkosten aber in Relation zum einzuwerbenden Beteiligungskapital angegeben werden, um den Anlegern das richtige Verhältnis zur Eigenkapitalbeschaffung zu verdeutlichen. Bezogen auf das Eigenkapital der Anleger beliefen sich die Aufwendungen für die Eigenkapitalbeschaffung auf rund 13,8 % für den E 94/17 bzw. 13,7 % für den E 97/22. Hinzuzuaddieren sei noch eine Abwicklungsgebühr, sodass sich insgesamt ein Weichkostenanteil von 17,9 % für den E 94/17 bzw. 17,8 % für den E 97/22 ergebe. Der Anlageberater müsse bei Vertriebs- bzw. Innenprovisionen, die 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überstiegen, nach der BGH-Rechtsprechung unaufgefordert Auskunft geben, damit der Anleger Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit des Objekts und auf eine verminderte Rentabilität der Anlage ziehen könne. Für die 15-%-Grenze sei der Gesamtaufwand der Anleger exklusive Fremdkapital entscheidend.
18Der tatsächlich sehr hohe Anteil der Weichkosten habe die Beklagte veranlassen müssen, die streitgegenständliche Kapitalanlage besonders kritisch zu überprüfen und im Rahmen der Bewertung die Kläger darauf hinzuweisen, dass die hohe Kostenbelastung die Renditeaussichten erheblich schmälerten und das Verlustrisiko wesentlich erhöhten.
19Der Prospekt kläre nicht hinreichend über das wirtschaftliche Ergebnis der Vorgängerbeteiligungen auf. Der Anleger könne die Attraktivität eines Anlagekonzepts u.a. auch anhand des wirtschaftlichen Erfolges ähnlich strukturierter Vorgängerfonds ablesen, weshalb der Prospekt darüber zutreffend und ungeschönt aufklären müsse. Der Prospekt habe den vor der streitgegenständlichen Beteiligung platzierten Fonds durchweg „eindrucksvolle“ Ergebnisse attestiert. So habe laut Prospekt stets die prognostizierte Ausschüttung von 7 % p.a. geleistet werden können. Die tatsächlichen Überschüsse der Vorgänger-E im Verhältnis zum Gesamtbeteiligungskapital blieben aber deutlich hinter den prognostizierten Überschüssen zurück. Eine Auswertung der Geschäftsberichte der E ergebe außerdem, dass die aufgeführten Erträge nur mithilfe von nicht durch den Fonds erwirtschafteten externen Ertragszuschüssen und Entgeltverzichten der H GmbH erreicht werden konnten. Der Prospekt habe die Entwicklung der Vorgängerbeteiligungen geschönt und es dem Anleger erschwert, die fehlende wirtschaftliche Tragfähigkeit des Anlagekonzepts und die wirtschaftliche Inkompetenz des Initiators zu erkennen.
20Nicht nur der Prospekt, sondern auch die von der L2 GmbH erstellten Schulungsunterlagen, mit denen Mitarbeiter der Beklagten von den mit der Konzeption des Beteiligungsangebots beauftragten Gesellschaften zu E-lizenzierten Finanzberatern ausgebildet wurden, enthielten falsche Angaben.
21So seien die Schulungsunterlagen fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Immobilien der E für den Anleger einer Nettorendite von 7 % erwirtschafteten und 84 % des Geldes der Anleger in das Investitionsgut entfielen. Tatsächlich seien im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb und der Fondskonstruktion aber deutlich höhere Kosten verbunden gewesen. Ferner hätten die Schulungsunterlagen nicht berücksichtigt, dass weitere laufende Kosten wie nicht umlagefähige Nebenkosten, Verwaltungskosten, Modernisierungskosten etc. die Mieterträge und damit die Nettorendite schmälerten. Die Berater seien auf eine nicht vorhandene innere Werthaltigkeit der E-Beteiligungen geschult worden.
22Ferner enthielten die Schulungsunterlagen falsche Risikodarstellungen. So sei bei einem unterstellten drastischen Abfallen des US-Dollar-Kurses nur die auf die Immobilien in den USA entfallende Rendite herausgerechnet und auf die verbleibende, mithilfe der in Deutschland belegenen Immobilien und des Schweizer Wertpapierdepots zu erwirtschaftende Rendite hingewiesen worden. Diese Rechnung lasse die weiterlaufenden Kosten aus der Fremdfinanzierung der deutschen und amerikanischen Immobilie außer Betracht. Die Schulungsunterlagen suggerierten eine breite Risikostreuung und eine damit verbundene Risikoreduktion.
23Insgesamt hätten die Schulungsunterlagen den Beratern weder grundlegende Kenntnisse über Immobilienfonds noch korrekte und vollständige Informationen zur konkreten Beratung zum E vermittelt. Die Berater seien deshalb nicht zu einer anleger- und objektgerechten Beratung befähigt. Der Beklagten seien die Mängel der Schulung bekannt gewesen. Die Schulungen hätten darauf abgezielt, die Risiken der E bewusst zu verschleiern.
24Die Kläger seien von dem Zeugen R U beraten worden. Der Zeuge U habe zuvor an einer von der L2-GmbH verantworteten Schulung teilgenommen. Er habe die Information des Prospektes und die Schulungsunterlagen im Beratungsgespräch mit den Klägern verwendet. Er habe das grundsätzliche Anlagemodell, die Investitionsgüter der Fonds-KG sowie die Besonderheiten der E und die Abwicklungs- und Zahlungsmodalitäten beschrieben. Über die tatsächlichen Risiken und die geringeren Ertragsaussichten der Anlage habe er nicht aufgeklärt. Wären ihm diese bekannt gewesen, hätte er die Beteiligung nicht als Vermögensanlage empfohlen. Die Kläger hätten bei Kenntnis der tatsächlichen Ertragsaussichten und Risiken die Anlage nicht gezeichnet.
25Zwischen den Klägern und der Beklagten sei ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte sei unter der Firma „CYF“ als unabhängiger Finanzoptimierer am Markt aufgetreten. Sie sei durch ihren Finanzberater R U an die Kläger herangetreten und habe diese in dessen häuslichen Räumlichkeiten in drei Beratungsgesprächen in seinen Vermögensangelegenheiten beraten. Der Zeuge U habe dann die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger erfragt, analysiert und ihnen dann die Beteiligung an einem E vorgeschlagen. Bei der Vorstellung des Fonds habe er sich an den Vorgaben und Inhalten der Schulung orientiert. Der Berater habe erklärt, die E hätten in der Vergangenheit 7 % Gewinn erwirtschaftet und zeichneten sich durch eine breite Streuung der Risiken in drei Investitionsbereiche sowie durch Steuervorteile aus. Außerdem hätten die E im Vergleich mit anderen einen hohen Substanzwert und könnten deswegen mehr an ihre Anleger ausschütten als andere Fonds. Der Berater habe aber weder über die negative Differenz zwischen tatsächlichen und im Prospekt prognostizierten Ertragsaussichten noch über die Folgen des Ausbleibens von Einnahmen aufgeklärt. Unter dem 31.10.1996 und dem 04.07.1997 hätten die Kläger dann die jeweiligen Beitrittserklärungen unterzeichnet. Emissionsprospekts seien nicht übergeben worden.
26Die Kläger sind der Ansicht, der Feststellungsantrag sei zulässig. Sie behaupten, ihnen drohe die Entstehung von umfangreichen Beratungskosten und von Steuerforderungen im Zusammenhang mit den seitens der Initiatoren der E angestoßenen weitreichenden Umstrukturierungsmaßnahmen. Ende des Jahres 2013 laufe ein Kündigungsmoratorium aus, sodass sich die Fonds-KG einer Vielzahl von Kündigungen ausgesetzt sehe. Der damit verbundene Liquiditätsbedarf mache die Notwendigkeit des Verkaufs von Immobilien wahrscheinlich, der wiederum negative steuerliche Folgen für die Anleger hätte. Den Anlegern könnten weitere Schäden durch die Abwicklung des US-Steuerberatungsverhältnisses und durch eventuelle Rechtsstreitigkeiten wegen der für das Jahr 2014 angekündigten Auflösung der E entstehen.
27Ferner drohe -so die Meinung der Kläger- etwaigen Schadensersatzansprüchen ihrerseits der Ablauf der kenntnisunabhängigen Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB. Der Zulässigkeit einer Feststellungsklage stehe es nicht entgegen, dass ein Teil des Schadens bereits bezifferbar sei, solange es noch einen unbezifferbaren Schadensteil gebe. Der einheitliche Feststellungsantrag müsse nicht in einen bezifferten Leistungs- und einen unbezifferten Feststellungsantrag aufgespalten werden.
28Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte hafte aus dem Beratervertrag auf Schadensersatz.
29Indem die Beklagte einen fehlerhaften Prospekt vorgelegt, ihr Beratungsgespräch darauf gestützt und diesen Prospekt nicht berichtigt habe, habe sie ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt. Außerdem hafte die Beklagte unabhängig von dem Prospektmaterial für das Unterbleiben einer Aufklärung über die tatsächlichen Renditeaussichten und das tatsächliche Chancen-Risiko-Verhältnis der Kapitalanlage.
30Für die Kausalität der Beratungsfehler und der Anlageentscheidung der Kläger sei es hinreichend, dass der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Fondsgesellschaft von den Anlagevermittlern als Arbeitsgrundlage verwendet werde. Die Verwendung eines fehlerhaften Prospektes sowie die fehlerhafte Schulung hätten eine anlage- und anlegergerechte Aufklärung vereitelt. Außerdem streite für die Kläger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Den Klägern sei ein Vermögensschaden entstanden, da der geleisteten Einlage kein entsprechender Beteiligungswert gegenüberstehe.
31Indem sich die Beklagte falsch geschulter Berater bedient und so fehlerhafte Auskünfte erteilt habe, auf die die Kläger erkennbar vertraut hätten, habe sie ferner sittenwidrig gehandelt und hafte deshalb aus § 826 BGB. Die besondere Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten ergebe sich auch daraus, dass sie mit dem täuschenden Verhalten eigene Zwecke verfolgt habe, denn sie partizipiere über die Vertriebsprovisionen direkt an dem Umfang der Anlageentscheidungen zugunsten des E.
32Der Anspruch der Kläger sei nicht verjährt. Die Kläger hätten erst durch die Prüfung ihres Prozessbevollmächtigten von den gerügten Aufklärungspflichtverletzungen und den dargelegten Täuschungen der Beklagten erfahren. Das Ausbleiben von Ausschüttungen hätten sie nicht zum Anlass nehmen müssen, nach Aufklärungspflichtverletzungen zu suchen.
33Die Kläger hätten ferner – unstreitig – ihre Ansprüche gegen die Beklagte Ende 2011 außergerichtlich in einem Schlichtungsverfahren beim Schiedsmann Rechtsanwalt E F geltend gemacht. Die Schlichtungsanträge seien dem Schlichter vor dem 03.01.2012 zugestellt worden. Die Kläger behaupten die Veranlassung der Bekanntgabe sei im normalen Geschäftsablauf durch Rechtsanwalt F persönlich erfolgt. Die Schlichtungsanträge seien unter Zeugen verpackt und – unstreitig – als Paket am 08.11.2012 zugestellt worden. Die Beklagte sei – ebenfalls unstreitig – nicht zu dem auf den 18.12.2012 angesetzten Schlichtungstermin erschienen, sodass das Schlichtungsverfahren gescheitert sei.
34Dass die Kläger -so ihre Rechtsauffassung- wie etliche andere Anleger auch zunächst einen Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gestellt und sich einem Massenverfahren angeschlossen hätten, habe eine notwendige Reaktion auf eine erhebliche und einmalige Verkürzung der Verjährungsfrist durch den Schuldrechts-Reformgesetzgeber dargestellt. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten könne darin nicht erblickt werden.
35Die Veranlassung der Bekanntgabe des Schlichtungsantrags sei demnächst im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB erfolgt. Dem stehe nicht entgegen, dass der Schlichtungsantrag der Beklagten erst im November 2012 zugestellt worden sei. Allein der Zeitablauf verhindere nicht, dass eine Zustellung als „demnächst“ im Sinne der §§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB, 167 ZPO anzusehen sei. Die Verzögerung der Zustellung des Güteantrags stamme nicht aus der Verantwortungssphäre der Kläger. Vielmehr hätten sich die Kläger überobligatorisch regelmäßig über den Sachstand der Zustellung der Schlichtungsstelle erkundigt. Die Kläger hätten zur Beschleunigung der Zustellung auch keinen Kostenvorschuss zahlen müssen, da Gebühren für die Schlichtung nach § 40 des brandenburgischen Gesetzes über die Schiedsstellen in den Gemeinden erst mit Beendigung des gebührenpflichtigen Geschäfts fällig würden. Die Schiedsstelle solle einen Kostenvorschuss verlangen, müsse dies aber nicht. Außerdem hätten -so die Behauptung der Kläger- der Prozessbevollmächtigte der Kläger und Rechtsanwalt F vereinbart, dass im Voraus für die Zustellung der rund 9.000 Schlichtungsanträge eine Zahlung i.H.v. 30.000 € zuzüglich Umsatzsteuer an den Schlichter geleistet werde. Die Zahlung sei am 22.12.2011 erfolgt.
36Die Auswahl der anerkannten Gütestelle F sei nicht unsorgfältig erfolgt. Die Kläger hätten alles verfahrensrechtlich bei ihnen Liegende getan, die Gütestelle habe die Bekanntgabe der Güteanträge schnellstmöglich besorgt. Hätten die Kläger ihren Güteantrag bei der ÖRA als größter Schlichtungsstelle Deutschlands eingereicht, stünde eine zügigere Bekanntgabe nicht fest.
37Der Güteantrag sei -so die Meinung der Kläger- hinreichend genau bestimmt, einer Bezifferung der Schadenshöhe habe es ebenso wenig bedurft wie Angaben zur Beratungssituation. Der Lebenssachverhalt sei durch die Nennung der Beteiligungsnummer in dem Güteantrag und durch die Schilderung der behaupteten Pflichtverletzungen ausreichend individualisiert.
38Die Einleitung eines Güteverfahrens sei, selbst wenn sie allein der Verjährungshemmung dienen solle, legitim und nicht rechtsmissbräuchlich. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit sei dabei ebenso wenig relevant wie der Umstand, dass die Prozessbevollmächtigten der Kläger eine Vielzahl von Güteverfahren initiiert hätten. Dies habe ausschließlich eine Reaktion auf die durch die Änderungen der Verjährungsregelungen mit Ablauf des Jahres 2011 drohende Verjährung dargestellt. Außerdem seien Verjährungsvorschriften aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 14 Abs. 1 GG) und im Hinblick auf das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) eng auszulegen, das heiße, es dürften keine überzogenen Zulässigkeitsanforderungen an den Eintritt der Verjährungshemmung gestellt werden.
39Die Kläger haben zunächst beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei zu 1) sämtliche finanziellen Schäden zu ersetzen, die im Abschluss der Beteiligung mit der Vertragsnr. #####/#### an der F E 94/17 – G-KG ihre Ursache haben. Darüber hinaus beantragten die Kläger festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei zu 2) sämtliche finanziellen Schäden zu ersetzen, die im Abschluss der Beteiligung mit der Vertragsnr. #####/#### an der F E 97/22 – G - KG ihre Ursache haben.
40Das Landgericht Hagen hat am 13.08.2014 ein klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen. Die Kläger haben mit am 10.09.2014 eingegangener Einspruchsschrift Einspruch gegen das ihnen am 04.09.2014 zugestellte Versäumnisurteil vom 13.08.2014 eingelegt.
41Die Kläger beantragen nunmehr,
421. das Versäumnisurteil vom 13.08.2014 – 10 O 297/13 aufzuheben,
432. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei zu 1) sämtliche finanzielle Schäden zu ersetzen, die im Abschluss der Beteiligung mit der Vertragsnummer #####/#### an der F E 94/17 – G-KG ihre Ursache haben,
443. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei zu 2) sämtliche finanzielle Schäden zu ersetzen, die im Abschluss der Beteiligung mit der Vertragsnummer #####/#### an der F X – X - E 97/22– G-KG ihre Ursache haben.
45Die Beklagte beantragt,
46das klageabweisende Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
47Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig, der Prospekt weise keine zur Haftung verpflichtenden Fehler auf und etwaige Schadensersatzansprüche seien ohnehin verjährt.
48Die Beklagte meint, die von den Klägern erteilte Prozessvollmacht sei gemäß § 134 BGB i.V.m. § 43 b BRAO nichtig, da -so ihre Behauptung- der klägerische Prozessbevollmächtigte eine möglicherweise von ehemaligen Führungskräften der Beklagten auf rechtswidrige Weise entwendete Kundenliste mit den Namen und Anschriften sämtlicher E-Anleger zur gezielten Mandatsanwerbung genutzt habe.
49Die Beklagte ist der Ansicht, die Klageschrift genüge nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO an eine bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs. Die Klage lege in keiner Weise konkret den zur Anspruchsbegründung zu schildernden Sachverhalt dar. Sie ergehe sich in Leerformeln und pauschalen Tatsachen und Rechtsbehauptungen, die in einem der Initiierung zahlreicher Parallelverfahren dienenden Musterschriftsatz ohne konkreten Fallbezug zusammengefasst würden. Es fehlten Angaben dazu, wann, bei welcher Gelegenheit und durch welche Personen ein eventuelles Gespräch zwischen einem Berater der Beklagten und den Klägern zustande gekommen sein soll, was genau Inhalt dieses Gespräches gewesen sein soll, wie sich die von dem angeblichen Berater angeblich erfragten wirtschaftlichen Verhältnisse und Anlageziele der Kläger tatsächlich darstellten bzw. was die Kläger dem angeblichen Berater hierzu wann und auf welche Weise mitgeteilt haben will, und wann, wo und auf welche Weise der Berater daraufhin die streitgegenständliche Beteiligung als für die Kläger geeignete Kapitalanlage empfohlen haben soll.
50Der Klage fehle die hinreichende Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch deshalb, weil sie nicht hinreichend konkret die Unterlagen bezeichne, deren Verwendung sie der Beklagten vorwerfe. Sie benenne diesbezüglich auf prozessual unzulässige Art und Weise die Schulungsunterlagen, den Emissionsprospekt und weitere Zeichnungsunterlagen und erhebe deshalb eine unzulässige Alternativklage. Die Klage müsse genau darlegen, welche Unterlagen konkret der Berater zum Gegenstand seiner Beratung gemacht haben soll.
51Der Klage fehle darüber hinaus das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Die Kläger hätten eine vorrangige Leistungsklage erheben müssen. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Kläger auf Erstattung sämtlicher im Zusammenhang mit der Beteiligung getätigten Aufwendungen abzüglich der durch sie erlangten Vorteile Zug um Zug gegen Übertragung des Anteils sei exakt bezifferbar. Soweit die Kläger befürchteten, künftig noch Verpflichtungen eingehen zu müssen, hätten sie ihren Leistungsantrag um einen entsprechenden Freistellungsantrag erweitern können.
52Die Beklagte behauptet, es sei zwischen den Parteien allenfalls ein Anlagevermittlungsvertrag, nicht aber ein Beratungsvertrag zustande gekommen.
53Die Beklagte ist der Ansicht, ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Kläger sei inzwischen zumindest nach der absoluten Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB verjährt. Die Kläger machen Schadensersatz wegen in den 1990er Jahren angeblich erlittenen Aufklärungspflichtverletzungen und Beratungsfehlern geltend. Der behauptete Schaden sei unmittelbar mit der Zeichnung der (wirtschaftlich nachteiligen) Kapitalanlage entstanden. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 EGBGB habe deshalb die mit der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 eingeführte (kenntnisunabhängige) Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB mit dem 01.01.2002 zu laufen begonnen. Sie habe an sich mit Ablauf des 31.12.2011 geendet. Da es sich hierbei aber um einen Samstag gehandelt habe, seien etwaige Schadensersatzansprüche spätestens mit Ablauf des 02.01.2012 verjährt.
54Die Verjährung sei nicht durch die Einreichung eines Güteantrags bei der Schlichtungsstelle F gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gehemmt worden. Der Güteantrag sei der Beklagten – unstreitig – erst im November 2012 zugegangen. Die Beklagte bestreitet, dass der Güteantrag am 31.12.2011 oder an einem anderen Tag vor dem 03.01.2012 bei der Schlichtungsstelle eingegangen sei und die Kläger die nach der Schlichtungsordnung und nach § 40 Abs. 2 des Brandenburgischen Schiedsstellengesetzes einzuzahlenden Verfahrenskosten eingezahlt hätten. Sie bestreitet, dass der Schlichter Dreher von der Erhebung eines Kostenvorschusses abgesehen habe.
55Im Einzelnen führt die Beklagte zur Stützung ihrer Ansicht, die Einreichung des Güteantrags habe die Verjährung nicht hemmen können, aus:
56Der Streitwert des hiesigen Rechtsstreits übersteige 750 €. Für solche Streitwerte seien die Landesgesetzgeber aber nicht ermächtigt, Schlichtungsstellen gemäß § 15 a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO mit dem in dieser Norm bestimmten Vorrang des Gütestelleneinigungsversuchs vor der Klageerhebung anzuerkennen. Ein vor einer Schlichtungsstelle geführtes außergerichtliches Schlichtungsverfahren, das außerhalb des Ermächtigungsrahmens des § 15 a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO geführt worden sei, habe nicht die bundesgesetzlich angeordnete Verjährungshemmung bewirken können, da es insoweit der Landesjustizverwaltung an der Anerkennungsbefugnis gefehlt habe.
57Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens seien die für die jeweilige Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften nicht eingehalten worden. So sei die in Brandenburg belegene Schlichtungsstelle F gemäß § 3 Nr. 2 i.V.m. § 4 Brandenburgisches Schlichtungsgesetz i.V.m. § 15 Schiedsstellengesetz örtlich unzuständig gewesen, da die Beklagte als dortige Antragsgegnerin ihren Sitz in Hannover, mithin außerhalb von Brandenburg, habe.
58Die Einleitung des Schlichtungsverfahrens vor der Schlichtungsstelle F sei überdies rechtsmissbräuchlich gewesen und habe nur der Aktualisierung eines weiteren Gebührentatbestandes gedient. Die Rechtsmissbräuchlichkeit ergebe sich auch aus der Wahl einer entlegenen, örtlich evident unzuständigen Gütestelle, die einzig den Zweck verfolge, die Rechtsverteidigung zu erschweren, und in der Erwartung erfolgt sei, das Verfahren werde von niemandem aufgenommen.
59Entgegen § 20 Abs. 1 Schiedsstellengesetz sei der Schlichtungsantrag nicht von den Klägern persönlich, sondern durch seinen Prozessbevollmächtigten gestellt worden.
60Rechtsanwalt F habe das von § 23 Abs. 1 Schiedsstellengesetz grundsätzlich vorgesehene persönliche Erscheinen der Partei gezielt faktisch unmöglich gemacht, indem er sämtliche rund 4.500 von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger gegen die Beklagte betriebene E-Güteverfahren auf denselben Schlichtungstermin, nämlich den 18.12.2012, 15:00 Uhr, terminiert habe. Als Örtlichkeit sei der Kanzleisitz angegeben worden, die als Einmann-Kanzlei ein persönliches Erscheinen sämtlicher Antragsteller von vornherein nicht hätte fassen können. All dies zeige, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger das Schlichtungsverfahren nicht ernsthaft betrieben habe.
61Der Prozessbevollmächtigte der Kläger sei vor Einreichung des Güteantrags nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt worden. Er habe sich bei Einreichung des Güteantrags nicht durch eine von den Klägern unterschriebene Vollmachtsurkunde legitimieren können. Selbst wenn die Kläger eine Vollmacht erteilt hätten, wäre diese gemäß § 134 BGB i.V.m. § 43 b BRAO nicht nur in Bezug auf die hiesige Prozessvollmacht, sondern auch auf das Güteverfahren wegen gezielter Mandatsanwerbung nichtig.
62Das Schlichtungsverfahren habe auch deshalb keine Verjährungshemmung bewirken können, da die Schlichtungsordnung des Rechtsanwalts F weder veröffentlicht noch im Internet auffindbar, also wider § 4 Abs. 1 S. 2 BbgGüteStG den Parteien nicht jederzeit zugänglich sei und außerdem in verfassungswidriger Weise gegen rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze verstoße. Die Beklagte verweist auf Ziff. 5 der Schlichtungsordnung, wonach der Schlichter das Verfahren nach eigenem Gutdünken führe und auch berechtigt sei, getrennt Gespräche mit einer Partei zu führen, wenn ihm das zur Klärung der Angelegenheit notwendig erscheine. Ebenso verstoße Ziff. 2 S. 3 der Schlichtungsordnung gegen die Verfassung: Nach dieser Regelung steht der Schlichter in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren für eine Verhandlungspartei allein nicht als Zeuge über Tatsachen und Wahrnehmungen zur Verfügung, die ihm im Laufe der Schlichtung bekannt geworden sind. Nach Ansicht der Beklagten stelle diese Bestimmung den Schlichter Dreher besser als einen Berufsrichter, der auch ohne Zustimmung der Gegenpartei von einer Partei als Zeuge benannt werden könne.
63Die Beklagte behauptet, der Prozessbevollmächtigte der Kläger und Rechtsanwalt F hätten in kollusivem Zusammenwirken die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags vorsätzlich verschleppt. Der Güteantrag datiere vom 29.12.2011 und sei der Beklagten – unstreitig – erst am 08.11.2012 durch Schreiben des Rechtsanwalts F vom 05.11.2012 bekanntgegeben worden. Die Bekanntgabe sei gleichzeitig mit den restlichen ca. 4.500 Güteanträgen erfolgt. Die Güteanträge seien in neun Paketen en bloc am 08.11.2012 bei der Beklagten eingegangen. Der Termin zur Schlichtungsverhandlung sei bereits auf den 18.12.2012 angesetzt und trotz Terminsverlegungsantrag der Beklagten ohne sie durchgeführt worden. Die Beklagte vermutet, dass Rechtsanwalt F auf Geheiß des klägerischen Prozessbevollmächtigten und in kollusiver Absprache die Bekanntgabe der Güteanträge über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr zurückstellte, um dem Prozessbevollmächtigten der Kläger genügend Zeit zu verschaffen, die geplante Klagewelle von 3.500 Klagen gegen die Beklagte und gegen den Gründungsgesellschafter G vorzubereiten. Dies zeige schon der Umstand, dass der Schlichter zur Zustellung von ebenfalls im Dezember 2011 von der Kanzlei des klägerischen Prozessbevollmächtigten gestellten Güteanträgen, die einen anderen (Medien-)Fonds betroffen hätten, bereits im April 2011 in der Lage gewesen sei. Der Güteantrag habe allein den Sinn gehabt, sich die Verjährungshemmung des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu erschleichen.
64Ferner bestreitet die Beklagte, dass der Güteantrag tatsächlich vor Eintritt der absoluten Verjährung mit Ablauf des 02.01.2012 bei der Schlichtungsstelle eingegangen ist. Nach Auskunft des Rechtsanwalts F sollen am 31.12.2011 zeitgleich mehr als 12.000 Güteanträge eingegangen sein, was die Beklagte für unglaubhaft hält.
65Mindestens 9.000 Anträge – je 4.500 gegen Herrn G und die H GmbH einerseits und gegen die Beklagte andererseits – stammten von der Kanzlei des klägerischen Prozessbevollmächtigten. Dies spräche für eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Schlichters Dreher von seinem einzigen Auftraggeber und damit gegen dessen Unparteilichkeit. Die Tatsache, dass die Kläger in ihrer Replik einräumen, dass einige Anträge auch nach dem 31.12.2011 der Schlichtungsstelle per Fax übermittelt worden seien, entlarve die mit Schreiben des Schlichters F vom 05.11.2012 in allen 9.000 Fällen wiederholte Behauptung, sämtliche Anträge seien am 31.12.2011 eingegangen, als falsch. Abgesehen davon, stelle die klägerische Angabe, der Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens sei jedenfalls vor dem 03.01.2012 eingegangen, keinen substantiierten Parteivortrag zum genauen Zeitpunkt des Antragseingangs dar.
66Die Kläger hätten zielgerichtet die Schlichtungsstelle F aufgesucht, um dort massenweise Anträge auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens anzubringen, obwohl sie vernünftigerweise gehalten gewesen wären, entweder eine große Schlichtungsstelle auszuwählen oder die Anträge auf mehrere Schlichtungsstellen zu verteilen.
67Eine Hemmung der Verjährung durch Einleitung des Schlichtungsverfahrens habe ohnehin gemäß § 204 Abs. 2 BGB spätestens sechs Monate nach dem Scheitern des Güteverfahrens geendet.
68Die für sämtliche Fondsbeteiligungen identischen Güteanträge hätten auch deshalb keine verjährungshemmende Wirkung erzielen können, weil sie die der Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzungen nicht hinreichend genau individualisierten.
69Ferner hätte das Güteverfahren nicht die Verjährung von Ansprüchen hemmen können, die sich auf in der Klage erstmals gerügte Pflichtverletzungen stützten. Zu diesen, im Güteverfahren noch nicht thematisierten Pflichtverletzungen gehörten der Vorwurf, nicht über das Mietausfallwagnis für den deutschen Investitionsteil aufgeklärt zu haben, unrealistische bzw. täuschende Angaben zu Modernisierungs- und Instandhaltungskosten der deutschen und amerikanischen Immobilien, zu Mietsteigerungen für den Investitionsteil USA und zu der tatsächlichen Entwicklung der Vorgängerbeteiligungen gemacht zu haben, staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren verschwiegen und die negative Presseberichterstattung ignoriert zu haben.
70Soweit die Kläger etwaige Ansprüche auf fehlerhafte, das Risiko der Anlage und Prospektangaben verharmlosende Beratungsgespräche stützen, seien diese mangels konkreten, individualisierten und einlassungsfähigen Vortrags zu Datum, Inhalt und Beteiligten des Gesprächs noch nicht einmal Streitgegenstand der zur Beurteilung stehenden Klage und deshalb erst recht verjährt.
71Mangels Schilderung eines konkreten Lebenssachverhalts sei die Klage nach Auffassung der Beklagten auch materiell unschlüssig. So hätten die Kläger das Zustandekommen eines Beratungsvertrags, ja noch nicht einmal das Zustandekommen eines haftungsbegründenden Auskunfts- oder Vermittlungsvertrags schlüssig vorgetragen. Selbiges gelte für eine etwaige Pflichtverletzung des Beraters. Die Kläger ergeben sich in pauschalen Behauptungen, ohne konkret vorzutragen, wann, wo, wie oft und mit welchem Inhalt sie Gespräche mit einem Berater geführt haben wollen, welche konkreten Anlageziele sie verfolgt haben, über welchen Bildungsstand sie verfügten, welche Kenntnisse und Anlageerfahrungen sie hätten und was sie davon dem Berater offenbart haben. Ferner fehlten Angaben darüber, welche genauen Inhalte des Prospektes oder der Schulungsunterlagen in den Beratungsgesprächen verwendet worden seien.
72Schließlich meint die Beklagte, sie hafte nicht für eventuelle Prospektfehler. Als Anlagevermittlerin oder Anlageberaterin unterliege sie nicht wie die Prospektherausgeber, Gründer, Initiatoren oder Gestalter eines Fonds der Prospekthaftung im engeren Sinne, sondern hafte allenfalls für die Plausibilitätsprüfung einer Kapitalanlage. Sie habe ihre Pflicht zur Plausibilitätsprüfung nicht verletzt. Im Übrigen leide der Prospekt der streitgegenständlichen Kapitalanlage ohnehin unter keinen Prospektfehlern.
73Im Einzelnen trägt die Beklagte hierzu Folgendes vor:
74Die Abwicklungsgebühr gehöre nicht zu den ab 15 % aufklärungspflichtigen Innenprovisionen, da sie nicht aus dem Anlagevermögen gezahlt werde und so die Werthaltigkeit und Rentabilität der Anlage nicht beeinflussen könne. Insgesamt lägen deshalb die Vertriebsprovisionen unter 15 %.
75Die Weichkosten müssten in ein Verhältnis zum Gesamtaufwand und nicht zur Eigenkapitalquote gesetzt werden, da sich die Werthaltigkeit der Anlage nach dem Wert des Immobilienobjekts richte. Letzterer könne aber nur aus dem Gesamtinvestitionsvolumen abgelesen werden. Soweit der BGH die Weichkosten für die 15 %-Grenze auf die Eigenkapitalquote bezöge, begrenze sich die Bedeutung des Anlagevolumens lediglich darauf, Auslöseschwelle für Aufklärungspflichten zu sein. Hinzu komme, dass die Weichkosten auf Basis zutreffender Zahlen und gemäß den IDW S4 Standards dargestellt worden seien.
76Der Prospekt habe in seiner Gesamterscheinung, insbesondere aber in dem Kapitel „Chancen und Risiken“ hinreichend verständlich und umfänglich auf die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken hingewiesen.
77Die Kläger tragen nach Ansicht der Beklagten in keiner Weise substantiiert vor, welche Anlagevermittler an den Schulungen der L2 GmbH teilgenommen und welche Rolle die Schulungsunterlagen für die Vermittlungsgespräche des Beraters mit den Klägern konkret gespielt hätten. Ohnehin seien mangels substantiierten Vortrags die jeweiligen Gespräche nicht Streitgegenstand dieses Rechtsstreits.
78Die Beklagte meint, die Kläger könnten sich zum Nachweis der Kausalität einer Aufklärungspflichtverletzung nicht auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens stützen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH setze die Kausalitätsvermutung voraus, dass es nur eine bestimmte Möglichkeit aufklärungsrichtigen Verhaltens gebe. Hingegen sei diese Vermutung nicht begründet, wenn eine gehörige Aufklärung beim Vertragspartner einen Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte. Im vorliegenden Fall habe es vernünftigerweise nicht nur eine, sondern mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigen Verhaltens gegeben.
79Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, die angeblichen Schadensersatzansprüche der Kläger seien auch unter Zugrundelegung der kenntnisabhängigen, regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) verjährt. Die Kläger hätten, nachdem sich bereits Anfang der 2000er Jahre die tatsächlich mit der Anlage verbundenen Risiken realisierten, spätestens seit dem Jahr 2002 bis 2005 positive Kenntnis von den tatsächlichen Umständen der Beteiligung gehabt. Diese Kenntnis sei ihnen durch einen drastischen und dauerhaften Rückgang bzw. durch ein zum Teil vollständiges Ausbleiben der prospektierten Ausschüttungen sowie durch ständige Informationen der Anleger über die wirtschaftliche Situation der Fondsgesellschaften, durch jährliche Geschäftsberichte, Einladungen zu ordentlichen und außerordentlichen Gesellschafterversammlungen, Beschlussvorlagen, Protokolle der Gesellschafterversammlungen und zusätzliche Anlegerrundschreiben vermittelt worden.
80So seien ab dem Jahr 2001 die Ausschüttungen erstmals und in der Folgezeit mit Werten von 2-3 % weit unterhalb der mit 7 % prognostizierten Ausschüttungen geblieben. Die Kläger hätten also ab dem Jahr 2002 positive Kenntnis davon haben können bzw. müssen, dass sich die Risiken der Anlage realisierten und sich angeblich vom Vermittler geäußerte Zusicherungen als falsch herausgestellt hätten. Mit Anlegerrundschreiben vom 06.09.2001 seien die Kläger über die bereits eingetretenen und künftig drohenden Ertragsminderungen des Fonds und über die enttäuschenden Ergebnisse des Schweizer Wertpapierdepots informiert worden. Der Geschäftsbericht 2002 sei den Anlegern mit Schreiben vom 21.11.2003 übersandt worden und habe auf die deutlich reduzierte Ausschüttungshöhe und eine hohe Unterdeckung der Depotwerte hingewiesen. Auch der mit Schreiben vom 01.02.2005 übersandte Geschäftsbericht 2003 spreche von schwierigen Mietermarktverhältnissen und geringeren Ausschüttungen. Selbiges gelte für den Geschäftsbericht 2004 (übersandt am 25.01.2006).
81Die Kläger hätten es schließlich grob fahrlässig im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB unterlassen, etwaige Beratungsfehler und Aufklärungspflichtverletzungen durch Lektüre des hinreichend über die Risiken der Anlage informierenden Prospektes zu ermitteln.
82Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitig ausgetauschten und zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
83Entscheidungsgründe:
84Nachdem die Kläger gegen das klageabweisende Versäumnisurteil vom 06.08.2014 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt haben, ist das Versäumnisurteil auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Danach ist das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten, da die Klage jedenfalls unbegründet ist.
85Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO keine durchgreifenden Bedenken. Die Kläger haben jedenfalls durch ihren weiteren Vortrag im Verlaufe des Rechtsstreits den mit der Klage geltend gemachten Gegenstand und den Grund des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmt. So haben sie angegeben, wann sie die streitgegenständlichen Beteiligungen erworben haben, wann und wo Beratungsgespräche mit einem Finanzberater der Beklagten stattgefunden haben sollen und welche Pflichtverletzungen sie der Beklagten vorwerfen. Ob ihr diesbezügliches Vorbringen schlüssig ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage und nicht der Zulässigkeit.
86Die Kläger sind anwaltlich vertreten und somit postulationsfähig (§ 78 Abs. 1 S. 1 ZPO). Dass sie ihren Prozessbevollmächtigten für das vorliegende Klageverfahren eine schriftliche Prozessvollmacht erteilt haben, ergibt sich aus der als Anlage K1b zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 13.05.2014 überreichten Ablichtung der schriftlichen Vollmacht vom 04.10.2011 (Blatt 576 f. der Akte). Die Echtheit der Unterschrift der Kläger unter dieser Vollmacht ist von der Beklagten nicht bestritten worden. Selbst wenn der von der Beklagten erhobene Vorwurf, die Prozessbevollmächtigten der Kläger hätten gegen § 43 b BRAO verstoßen, zuträfe, könnte eine von § 134 BGB angeordnete Nichtigkeit nur den Anwaltsvertrag betreffen, nicht aber auch die erteilte Vollmacht. Die Prozessvollmacht ist wie jede Vollmacht abstrakt von dem ihr zugrundeliegenden Grundgeschäft. Es ist zum Schutze der Kläger nicht erforderlich, die Verbotsnorm des § 43 b BRAO auch auf die Prozessvollmacht durchschlagen zu lassen, da die Vollmacht jederzeit widerruflich ist (§ 168 S. 2 BGB).
87Ob die Klage als Feststellungsklage gem. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig ist, insbesondere ob ein rechtliches Interesse der Kläger an der begehrten Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten besteht oder ob die Feststellungsklage wegen des grundsätzlichen Vorrangs einer Leistungsklage unzulässig ist, ist fraglich, kann hier aber dahinstehen. Denn das Vorliegen eines Feststellungsinteresses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO ist nur für ein der Klage stattgebendes Urteil eine echte Prozessvoraussetzung. Für die Abweisung einer Feststellungsklage ist ein Feststellungsinteresse der Kläger jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn auch die in Betracht kommende Leistungsklage abzuweisen wäre. Ein Urteil, das eine Leistungsklage abweist, wirkt wie ein negatives Feststellungsurteil. Wenn eine Klage bereits in der Sache abweisungsreif ist, wäre eine bloße Prozessabweisung sinnwidrig (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 256 Rn. 7 m. w. N.).
88Die Klage ist unbegründet.
89Den Klägern stehen gegen die Beklagte keine durchsetzbaren Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung, d. h. hier aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen oder positiver Vertragsverletzung, zu. Gemäß Art. 229 § 5 EGBGB sind hier die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in ihrer bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anwendbar, vorliegend also die richterrechtlich entwickelten Grundsätze der culpa in contrahendo und der positiven Vertragsverletzung statt der §§ 311 Abs. 2, 675, 671 Abs. 1 und 2, 280 Abs. 1 BGB.
90Etwaige Schadensersatzansprüche der Kläger sind jedenfalls nach Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB i. V. m. § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB wegen Ablaufs der absoluten 10jährigen Verjährungsfrist verjährt und können gem. § 214 BGB nicht durchgesetzt werden, weil die Beklagte die Verjährungseinrede erhoben hat.
91Schadensersatzansprüche aus einer fehlerhaften Anlageberatung oder Anlagevermittlung entstehen in dem Zeitpunkt, in dem der Anleger die in Streit stehende Kapitalanlage zeichnet (BGH NJW 2005, 1579). Die von den Klägern unterzeichneten Beteiligungsangebote zum Abschluss eines Treuhandvertrages mit der H GmbH datieren vom 31.10.1996 und 04.07.1997. Danach haben die Kläger in den Jahren 1996 und 1997 die streitgegenständlichen Beteiligungen an dem E 94/17 und dem E 97/22 erworben. Somit wären etwaige Schadensersatzansprüche der Kläger in diesen Jahren entstanden. Gemäß § 195 BGB a. F. verjährten Ansprüche regelmäßig in 30 Jahren. Da diese Frist bei Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 01.01.2002 noch nicht abgelaufen war, hat gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 S. 1 EGBGB die nunmehr gem. § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB geltende kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von 10 Jahren am 01.01.2002 begonnen und hat – da der 31.12.2011 ein Samstag gewesen ist – mit Ablauf des 02.01.2012 geendet.
92Durch die erst am 12.07.2013 zugestellte Klage konnte die Verjährung nicht mehr gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt werden.
93Die Verjährung ist auch nicht etwa gem. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB durch die Bekanntgabe des Güteantrags an die Beklagte am 08.11.2012 gehemmt worden.
94Entgegen der Ansicht der Beklagten ist allerdings nicht davon auszugehen, dass eine Hemmung der Verjährung nach dieser Vorschrift nur in den Fällen erfolgen kann, in denen der Güteantrag gem. § 15 a Abs. 1 EGZPO i. V. m. dem jeweiligen Landesgesetz Prozessvoraussetzung für die Klageerhebung ist. Eine derartige Beschränkung lässt sich dieser Vorschrift nicht entnehmen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 74 Aufl., § 204 Rn. 19).
95Aber auch wenn der Güteantrag noch vor dem 03.01.2012 und damit noch vor dem Ablauf der Verjährungsfrist bei der Schlichtungsstelle Dreher eingegangen sein sollte, was zwischen den Parteien streitig ist, konnte hierdurch keine Hemmung der Verjährung bewirkt werden, weil zum Einen der Güteantrag nicht hinreichend bestimmt gewesen ist und zum Anderen auch der Beklagten nicht demnächst im Sinne von §§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB, 167 ZPO bekannt gegeben worden ist.
96Die von den Klägern darzulegende und gegebenenfalls zu beweisende Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB setzt voraus, dass die im Güteantrag genannte Forderung hinreichend individualisiert ist und so von anderen Forderungen unterschieden und abgegrenzt werden kann. Der Güteantrag ist in § 204 Abs. 1 BGB der Erhebung einer Klage und der Zustellung eines Mahnbescheides gleichgestellt, da der Gläubiger durch die Vorschaltung eines Güteverfahrens vor Klageerhebung in Bezug auf die Verjährung seines Anspruchs keinen Nachteil erleiden soll (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.1993, VI ZR 306/92, zitiert nach juris). Auch im Fall eines Mahnbescheids setzt die Hemmung der Verjährung eine Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs in der Weise voraus, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein und der Schuldner erkennen kann, welcher Anspruch oder welche Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden, damit er beurteilen kann, ob und in welchem Umfang er sich zur Wehr setzen will (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2007, VII ZR 36/05, zitiert nach juris). Entsprechendes gilt für die Verjährungshemmung durch einen Güteantrag gem. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Um die Hemmung zu bewirken, muss der Antrag nicht nur die formalen Anforderungen erfüllen, die sich aus den maßgeblichen Verfahrensvorschriften der jeweiligen Gütestelle ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2008, V ZR 86/07, zitiert nach juris), sondern er muss den geltend gemachten Anspruch auch hinreichend genau bezeichnen (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2009, XI ZR 230/08, zitiert nach juris). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn dem Schuldner aufgrund der Beschreibung des Sachverhalts im Güteantrag die Beurteilung möglich ist, ob er sich auf das beantragte Güteverfahren einlassen oder sich gegen die Forderung zur Wehr setzen will.
97Den vorgenannten Anforderungen wird der offenbar für eine Vielzahl von Fällen verwendete Antrag auf außergerichtliche Streitschlichtung der Kläger vom 29.12.2011 nicht gerecht.
98Dem Antrag ist zwar zu entnehmen, dass die Antragsteller, d. h. die Kläger, eine Beteiligung gezeichnet und Einlagen erbracht hätten, dass sie von der Antragsgegnerin, d. h. der Beklagten, beraten worden seien und dass sie wegen fehlerhafter Anlageberatung Schadensersatz verlangen würden. Weiterhin heißt es unter II der Antragsschrift:
99„Die antragstellende Partei hat gegen die Antragsgegnerin Schadensersatzansprüche. Diese ergeben sich u. a. aus den Aufklärungspflichtverletzungen der Antragsgegnerin bei Abschluss der Beteiligungen. Die Beteiligungen wurden unter Zuhilfenahme von Prospekt- und Werbematerial sowie unter Einschaltung von auf diese Werbemittel geschulten Beratern geschlossen. Es erfolgte jeweils keine zutreffende, verständliche und vollständige Aufklärung über die für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände.“
100Es folgt unter dem Obersatz „Hervorzuheben sind u. a. folgende Aufklärungspflichtverletzungen bzw. Täuschungen:“ die Aufzählung von 5 angeblichen Aufklärungspflichtverletzungen der Beklagten wie Intransparenz der weichen Kosten, falsche Angaben zur Höhe der Vermittlungsprovision, aufklärungspflichtige Provisionshöhe, fehlerhafte Prognoserechnung sowie falsche Darstellung der Chancen und Risiken der Beteiligungen durch bewusst falsche Schulungen der Berater. Diese Ausführungen weisen allerdings keinerlei Bezug zu der konkreten Beratungssituation der Kläger auf, sondern sind offenbar wortgleiche Textbausteine in sämtlichen der ca. 4500 Ende 2011/Anfang 2012 eingereichten Schlichtungsanträgen betreffend die E-Fonds. Eine Individualisierung der von den Klägern erhobenen Ansprüche erfolgt in dem Antrag lediglich durch die Angabe ihrer Namen im Rubrum sowie die Mitteilung ihrer Vertragsnummern und der Höhe der von ihnen geleisteten Einlagen.
101Anhand dieses Güteantrags lässt sich der im Schlichtungsverfahren unterbreitete Lebenssachverhalt nicht hinreichend bestimmen. Es fehlen Angaben über den Zeitpunkt der Beteiligung, die Art und Weise der Beratung – durch mündliche oder fernmündliche Aufklärung oder eventuell nur durch Übermittlung des Verkaufsprospektes – sowie deren angeblich fehlerhaften Inhalt. Weiterhin fehlen Angaben über die Person des Beraters sowie über die Höhe des geltend gemachten Schadens. Hierzu heißt es in dem Antrag lediglich, dass die Antragsgegnerin der antragstellenden Partei alle im Zusammenhang mit den Beteiligungen entstandenen Schäden zu ersetzen und sie so zu stellen habe, als ob keine Beteiligungen zustande gekommen wären. Der Schadensersatz umfasse somit sämtliche aufgebrachten Kapitalbeträge sowie entgangenen Gewinn und gegebenenfalls vorhandene sonstige Schäden (z. B. aus Darlehensfinanzierung oder Steuerrückzahlungen). Diese Pflicht zum Ersatz des Schadens erstrecke sich auch auf die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung, vor allem Rechtsanwaltskosten, und auf künftig noch aus den Beteiligungen entstehende Schäden. In welcher genauen Höhe die Kläger danach gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche geltend machen wollten, war aus dem Antrag nicht ersichtlich. Für das Ziel einer vergleichsweisen Einigung aber ist es für den Schuldner wesentlich, dass der Gläubiger die Höhe seiner Forderung im Güteantrag benennt. Damit wird der Rechtsdurchsetzungswille des Gläubigers konkretisiert, gleichzeitig wird damit die Basis für Verhandlungen geschaffen. Im Falle von Zahlungsansprüchen bedeutet dies, dass der Gläubiger deren Höhe in den Antrag mit aufzunehmen hat. Dieser Voraussetzung wird daher nicht genügt, wenn es in dem Güteantrag an einem konkreten Begehren fehlt, insbesondere an einer Bezifferung des Anspruchs (vgl. OLG München, Urteil vom 06.11.2013, Az.: 20 U #####/####; OLG Bamberg, Beschluss vom 24.02.2014, Az.: 3 U 205/13).
102Die nach den obigen Ausführungen fehlenden Angaben zur Individualisierung des Streitgegenstandes waren auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Beklagte anhand der Namen der Kläger und der von ihnen angegebenen Beteiligungsnummern – die allerdings keine eigenen Vertragsnummern der Beklagten, sondern solche der Treuhänderin gewesen sind – in der Lage gewesen wäre, ihren Unterlagen nähere Einzelheiten zu den streitbefangenen Beteiligungen zu entnehmen oder diese Einzelheiten durch Befragung des aus den Unterlagen eventuell zu ersehenen Beraters zu ermitteln. Denn das Erfordernis der Individualisierung betrifft unmittelbar den Güteantrag selbst. Es entfällt nicht, wenn der Antragsgegner durch eigene Nachforschungen den Gegenstand des Güteverfahrens ermitteln kann. Aus der Sicht der Beklagten handelte es sich angesichts ihrer bundesweit von einer Vielzahl von Mitarbeitern ausgeübten Vertriebstätigkeit um ein Massengeschäft, das sich hier in der Menge der zeitgleich eingereichten und zugestellten Güteanträge wiederspiegelte. Unter diesen Umständen war es der Beklagten nicht möglich und auch nicht zumutbar, den mutmaßlich anspruchsbegründenden Sachverhalt aus ca. 4500 wortgleichen Güteanträgen, die sich lediglich durch Namen und Beteiligungsnummer der Antragsteller unterschieden, durch eigene Nachforschungen zu ermitteln. Dies gilt umso mehr, als die beanstandeten Beratungsvorgänge teilweise nahezu 20 Jahre zurücklagen. Unstreitig gab es vor Einleitung des Schlichtungsverfahrens keinerlei Korrespondenz zwischen den Parteien, so dass die Beklagte auch nicht aufgrund bereits mitgeteilter Beanstandungen auf die konkreten Vorwürfe hätte schließen können (vgl. hierzu OLG Celle, Beschluss vom 24.09.2014, Az.: 11 U 106/14 (Blatt 933 ff. der Akte); OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2014, Az.: 5 U #####/####).
103Desweiteren ist eine Hemmung der Verjährung auch deshalb nicht eingetreten, weil die Bekanntgabe des Güteantrags an die Beklagte erst am 08.11.2012 und damit nicht demnächst im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbs. BGB erfolgt ist. Selbst wenn zugunsten der Kläger unterstellt wird, dass der Güteantrag bei der Schlichtungsstelle Dreher noch vor dem 03.01.2012 und damit noch in unverjährter Zeit eingegangen ist, kann der Eintritt der Verjährungshemmung nicht nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbs. BGB auf diesen Zeitpunkt zurückbezogen werden.
104§ 204 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbs. BGB nimmt den Rechtsgedanken des § 167 ZPO auf. Deshalb kann bei der Auslegung jener Norm auf die zu dieser Vorschrift geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden (Palandt/Ellenberger, BGB, 74 Aufl., § 204 Rn. 19). Zweck der Regelung des § 167 ZPO ist es, den Antragstellern nicht die Versäumung von Fristen anzulasten, auf deren Einhaltung sie keinen entscheidenden Einfluss haben (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 167 Rn. 1). Die Rückwirkung ist wegen des gebotenen Vertrauensschutzes für den Empfänger nur vertretbar, wenn die Zustellung demnächst, d. h. in nicht allzu erheblichem zeitlichen Abstand vom Fristablauf, erfolgt. Insoweit darf nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allerdings nicht auf eine rein zeitliche Betrachtungsweise abgestellt werden. Vielmehr ist auch eine wertende Betrachtung vorzunehmen, die darauf abstellt, ob der Zustellungsbetreiber alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hat und ob der Rückwirkung der Zustellung keine schutzwürdigen Belange des Gegners entgegen stehen (vgl. BGH NJW 1999, 3125; BGH NJW 2003, 2830; BGH NJW 2010, 222). Danach sind einer Partei nicht nur ganz geringfügige Verzögerungen der Zustellung zuzurechnen, die ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Klage ist daher nur dann im Sinne des § 167 ZPO demnächst zugestellt, wenn die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtumstände das ihnen Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Dazu gehört es auch, dass sie im Sinne einer „möglichsten“ Beschleunigung wirken (BGH NJW 1994, 1073; BGH NJW 1997, 3125).
105Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann hier die am 08.11.2012 erfolgte Bekanntmachung des Güteantrags an die Beklagte nicht mehr als demnächst angesehen werden. Zwar sind Verzögerungen bei der Bekanntgabe eines Güteantrags, die durch eine Arbeitsüberlastung oder eine fehlerhafte Sachbehandlung der Gütestelle verursacht worden sind, dem Antragsteller grundsätzlich nicht zuzurechnen (vgl. BGH NJW 2010, 222). Hier besteht aber die Besonderheit, dass die Prozessbevollmächtigten der Kläger eine Überlastung der lediglich aus dem Einzelanwalt F bestehenden Gütestelle dadurch herbeigeführt haben, dass sie Ende 2011/Anfang 2012 ca. 9000 Schlichtungsanträge betreffend die Ffonds und zuvor im Dezember 2012 auch noch weitere 3000 Schlichtungsanträge eingereicht hatten. Angesichts der Vielzahl der eingereichten Schlichtungsanträge war für die Prozessbevollmächtigten der Kläger von vornherein absehbar, dass die Gütestelle F nicht in der Lage sein würde, die eingereichten Güteanträge der Beklagten sowie den anderen Antragsgegnern in einer angemessenen Zeit bekannt zu geben. Ein sachlicher Grund für die Inanspruchnahme der unter keinem Gesichtspunkt örtlich zuständigen Gütestelle in Brandenburg ist von den Klägern nicht dargetan worden und auch sonst nicht ersichtlich. Es wäre den Prozessbevollmächtigten der Kläger ohne Weiteres möglich gewesen, die Güteanträge bei einer örtlich zuständigen Gütestelle oder aber auch bei einer größeren Gütestelle, bei der eine zügigere Bearbeitung der Güteanträge zu erwarten gewesen wäre, einzureichen. Die Behauptung der Kläger, im Falle der Einreichung der Güteanträge etwa bei der öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle der Freien und Hansestadt Hamburg (ÖRA) wäre es zu keiner früheren Bekanntgabe der Güteanträge an die Beklagte gekommen, ist gänzlich substanzlos und somit unbeachtlich. Dass die Prozessbevollmächtigten der Kläger durch die massenhafte Einreichung von Güteanträgen bei der Schlichtungsstelle F deren Überlastung verursacht haben mit der Folge, dass der Güteantrag der Kläger der Beklagten erst mehr als 10 Monate nach der Einreichung bekannt gemacht worden ist, müssen sich die Kläger gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Auf die Frage, ob die Prozessbevollmächtigten der Kläger sich fortlaufend bei dem Schlichter F über den Stand der Bearbeitung der Güteanträge informiert haben und ob es ihnen nicht möglich gewesen ist, eine beschleunigte Bearbeitung zu erreichen, was zwischen den Parteien streitig ist, kommt es nach Ansicht der Kammer nicht an.
106Auch ein etwaige Schadensersatzanspruch der Kläger gem. § 826 BGB wäre gem. § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB verjährt.
107Nach allem ist das klageabweisende Versäumnisurteil vom 13.08.2014 aufrecht zu erhalten.
108Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
109Die Kammer kann – auch unter Mitwirkung der von den Klägern wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter – in der Sache entscheiden, obwohl über das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht O und den Richter am Landgericht Q noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, vielmehr zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2015 die Frist zur Einlegung einer Beschwerde gegen den Kammerbeschluss vom 23.01.2015, durch den das Ablehnungsgesuch der Kläger als unzulässig verworfen worden ist, noch nicht abgelaufen war. Zwar darf ein abgelehnter Richter gem. § 47 Abs. 1 ZPO vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatten. Die Wartepflicht besteht unabhängig und bereits vor der Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 47 Rn. 1). Danach darf ein Richter grundsätzlich nicht vor einer rechtskräftigen Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs tätig werden (vgl. BGH NJW-RR 2011, 427). Bei Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs ist grundsätzlich der Ablauf der Beschwerdefrist oder die Entscheidung über die Beschwerde sowie eine mögliche Anhörungsrüge abzuwarten.
110Dies gilt jedoch nicht bei offensichtlich unzulässigen und rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen. Diese lösen die Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO nicht aus (vgl. BGH NJW-RR 2005, 1226; KG FamRZ 1986, 1022; Musielak/Heinrich, ZPO; 11. Aufl., § 47 Rn. 1). So liegt der Fall hier. Denn wie die Kammer in ihrem Beschluss vom 23.01.2015 ausgeführt hat, ist das Ablehnungsgesuch der Kläger wegen Verspätung gem. § 43 ZPO zum Einen offensichtlich unzulässig und darüber hinaus auch missbräuchlich, weil es offensichtlich nur der Verschleppung des Rechtsstreits dienen sollte.
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