Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 7 U 189/14

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 03.09.2014, 4 O 35/14, wird zurückzuweisen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

 
A.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns, nachdem die Beklagte die Herausgabe von Videogerätesystemen verweigerte.
Die Beklagte hat die streitgegenständlichen 15 Videosysteme an den auf S. 3 der Klageschrift genannten Aufstellungsorten zwischen D. und L. in Besitz. Sie gehörten der zwischenzeitlich insolventen Firma C. GmbH. Diese Firma hatte sie aufgrund eines zum 30.09.2011 gekündigten Kooperationsvertrags neben zahlreichen weiteren Geräten bei Mitgliedern ihres Vertragspartners E. zu denen die Beklagte gehört, aufgestellt.
Die Klägerin hat behauptet, Frau B. habe diese Gerätesysteme von der C. GmbH gekauft und übereignet erhalten. Sie, die Klägerin, habe sie wiederum von Frau B. gekauft und übereignet erhalten. Da die Beklagte die Herausgabe der streitgegenständlichen Gerätesysteme verweigert habe, hätten sie nicht im Jahr 2013 für EUR 500 je System an die Firma B. GmbH & Co KG verkauft werden können.
Das Landgericht, auf dessen Urteil verwiesen wird (§ 540 ZPO), hat die auf entgangenen Gewinn in Höhe von EUR 7.500 (15 Gerätesysteme x EUR 500) gerichtete Klage abgewiesen. Es sah es nicht als erwiesen an, dass die Klägerin Eigentümerin der streitgegenständlichen Geräte geworden war.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Verurteilungsinteresse weiter, während die Beklagte das angefochtene Urteil verteidigt.
Für das weitere Berufungsvorbringen wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen, für die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge auf die Sitzungsniederschrift vom 11.03.2015 (II 99).
B.
Die Berufung bleibt erfolglos, weil das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den verlangten Schadensersatz.
I.
Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 990, 989 BGB ist nicht gegeben.
1. Der Senat geht davon aus, dass der Klägerin ein Eigentümerherausgabeanspruch im Sinne des § 985 BGB gegen die Beklagte zusteht.
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a) Die Klägerin ist Eigentümerin der Gerätesysteme geworden.
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aa) Die Firma C. GmbH hat ihr Eigentum an den Geräten auf Frau B. übertragen.
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Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass das unstreitig bei der C. GmbH bestehende Eigentum an den streitgegenständlichen Gerätesystemen auf Frau B. übertragen wurde. Der Kaufvertrag vom 10.10.2009 (Anl. K 3) bestimmt, dass Frau B. von den 900 vom Insolvenzverwalter Dr. M. und den 225 von der NT Aceros gebraucht gekauften Geräte die 614 Gerätesysteme, die nicht an unter Ziffer 1 des Vertrages aufgezählte Dritte veräußert wurden, kauft. Hierbei war den Kaufvertragsparteien bewusst, dass ein Teil dieser Gerätesysteme an den Aufstellungsorten nicht mehr auffindbar war. Es wurde daher vereinbart, dass eine Bestandsaufnahme der Gerätesysteme in 2010 erfolgen sollte.
13 
Der Kaufvertrag enthält keine ausdrückliche Regelung über die Übereignung dieser Gerätesysteme, so dass weder die Einigung über den Eigentumsübergang (§ 929 BGB) noch eine die Übergabe ersetzende Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB) ausdrücklich in den Kaufvertrag aufgenommen sind. Die Übereignung ist aber zeitlich unabhängig, bedarf in beiden Bestandteilen keiner Form und kann daher auch konkludent erfolgen.
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(1) Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Einigung über den Eigentumsübergang nicht schon aus dem Kaufvertrag vom 10.10.2009 ergibt. Sie ergibt sich zumindest aus der Aufstellung von Bestandslisten, in denen die noch vorhandenen Geräte und ihr Standort aufgenommen wurden und bestimmte Geräte dann mit dem Namen von Frau B. als neuer Eigentümerin gekennzeichnet wurden sowie der einvernehmlichen Übergabe dieser Listen an Frau B.
15 
Dass eine solche Katalogisierung der Geräte und Zuordnung zu Frau B. stattfand, ist aus dem Schreiben des Insolvenzverwalters der C. GmbH vom 26.01.2012 zu schließen. Der Insolvenzverwalter der C. GmbH erklärte im Schreiben vom 26.01.2012, dass er davon ausgeht, dass in Befolgung des Kaufvertrags im Jahr 2010 eine Liste der tatsächlich noch vorhandenen Geräte gefertigt wurde, in der die Geräte Frau B. durch Beifügung von deren Initialen eindeutig zugeordnet wurden, um auf diese Weise die aktuellen Eigentumsverhältnisse wiederzugeben. Seine Bestätigung, dass für die Insolvenzmasse keine Rechte an diesen Systemen geltend gemacht würden, zeigt - unter anderem -, dass die Gemeinschuldnerin das Eigentum verloren hatte. Der Insolvenzverwalter hat sich auch nicht von dieser Aussage distanziert. Auf von der Klägerin erhobene Vorwürfe einer nachlässigen Amtsführung (Anl. B9) hat der Insolvenzverwalter mitgeteilt, dass die Gemeinschuldnerin nicht (mehr) Eigentümerin der Systeme ist und dass seine Angaben auf Standortlisten der C. beruhen. Auch im Schreiben vom 08.08.2014 bestätigt er, dass der Geschäftsführer der C. GmbH ihm Aufstellungen gegeben hat, aus denen die neuen Eigentümer ersichtlich sind, und die Gemeinschuldnerin kein Eigentum an diesen Geräten mehr hat (II 87). Dass der Geschäftsführer der C. GmbH damals der Ehemann von Frau B. war, worauf die Beklagte hinweist, ändert nichts daran, dass die C. GmbH Frau B. das Eigentum an den Geräten übertragen konnte. Dass insoweit kein Scheingeschäft vorlag, ergibt sich aus der Bestätigung des Insolvenzverwalters, dass der Kaufpreis ausweislich der Betriebsprüfung bezahlt sei. Im Übrigen kommt es auf die Bezahlung des Kaufpreises für die Wirksamkeit der Übereignung nicht an.
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Die Einigung ist auch hinreichend bestimmt. Durch die Aufnahme der Geräte in die Liste sind die Geräte ohne Weiteres einzeln und eindeutig gekennzeichnet.
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(2) In der Aufnahme und Übergabe der Bestandslisten liegt auch die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die Besitzer (§ 931 BGB). Sie setzte die Erwerberin in den Stand, die Gerätesysteme von den Besitzern einzufordern oder mit diesen in anderer Weise Verbindung aufzunehmen.
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bb) Das Eigentum an den Geräten wurde auch von Frau B. an die Klägerin übertragen.
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(1) Die Einigung über den Eigentumsübergang liegt in der Erklärung vom 15.07.2012/09.12.20012, wonach das Eigentum an den gekauften Gegenständen mit dem heutigen Tag (09.12.2012) auf die Klägerin übertragen werde.
20 
Diese Einigung war bestimmt genug, da die gekauften Gegenstände in der ergänzten Vereinbarung vom 15.07.2012 hinreichend bestimmt bezeichnet waren. Dort war festgehalten, dass zahlreiche Gegenstände laut Anlage erworben worden seien, wobei ein Auszug der als Anlage beigefügten Liste in Kopie vorliegt (ABKl. S. 5) und sie im Original in erster Instanz vorgelegt wurde.
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(2) In der Einigung kann auch die Abtretung des Herausgabeanspruchs gesehen werden (§ 931 BGB). Auch insoweit ist die hierfür genügende Bestimmbarkeit gegeben.
22 
cc) An den Gegenständen besteht kein Pfandrecht der Frau B. Nach dem Vortrag der Klägerin war im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.12.2012 ein Pfandrecht an allen Gerätesystemen zugunsten von Frau B. bestellt worden, das erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung erlöschen sollte. Zur wirksamen Bestellung des Pfandrechts bedurfte es neben der Einigung über das Entstehen des Pfandrechts nach § 1205 Abs. 2 BGB der Übertragung des mittelbaren Besitzes und der Anzeige des Pfandrechts an den Schuldner als Surrogat für die Übergabe des Pfands. Eine solche Anzeige der Verpfändung an die Beklagte ist weder nach dem Vortrag der Klägerin noch dem der Beklagten erfolgt. Das Pfandrecht ist somit nicht wirksam entstanden.
23 
Darauf, ob Frau B. und die Klägerin eine Weiterveräußerung der Gerätesysteme trotz Pfandrechts vorgesehen hatten, kommt es somit nicht an. Unerheblich ist auch, ob der vereinbarte Kaufpreis, der nach dem Behaupten der Klägerin EUR 184.278 betrug - im bisherigen Verfahren hat die Beklagte Beweis für eine Kaufpreiszahlung in Höhe von EUR 9.500 erbracht - vollständig geleistet ist und ein wirksam bestelltes Pfandrecht damit erloschen wäre.
24 
b) Die Beklagte hat unstreitig Besitz an den streitgegenständlichen Gerätesystemen.
25 
c) Die Beklagte hat kein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB.
26 
aa) Der Kooperationsvertrag, der während seines Bestehens ein Recht zum Besitz der Gerätesysteme vermittelte, ist unstreitig beendet.
27 
bb) Die Beklagte meint, das Versäumnisurteil des Landgerichts Limburg im Verfahren zwischen dem Einkaufsring der D. GbR und der C. GmbH gewähre ihr ein Pfändungspfandrecht an den Geräten. Das ist nicht der Fall.
28 
Die Beklagte ist nicht Titelinhaber des auf den Einkaufsring der D. GbR lautenden Versäumnisurteils und kann, anders als sie meint, aus dem Titel keine Pfandrechte oder Zurückbehaltungsrechte herleiten. Auch ist im Übrigen nicht dargetan, dass der Einkaufsring eine Pfändung veranlasst hätte.
29 
cc) Die Ansicht der Beklagten, ihr stünde ein zum Zurückbehalt berechtigender Aufwendungsersatzanspruch für die Aufbewahrung der Geräte zu, während sie deren Herausgabe verweigert, ist fernliegend.
30 
Damit liegen die Voraussetzungen des Eigentümerherausgabeanspruchs vor.
31 
2. Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 989, 990 BGB setzt aber weiter voraus, dass die Beklagte den Mangel ihres Besitzrechts später erfuhr (§ 990 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Kenntnis lag aber im Zeitpunkt der behaupteten Schadensentstehung im November 2013 nicht vor, so dass ein Schadensersatzanspruch nicht in Betracht kommt. Zwar wusste die Beklagte von der Kündigung des Kooperationsvertrages, ihr lagen aber nicht die nötigen Unterlagen zur Beurteilung des Eigentums der herausverlangenden Klägerin vor.
32 
Der Besitzer wird nämlich nicht durch ein vorgerichtliches Herausgabeverlangen (oder eine Herausgabeklage) bösgläubig im Sinne des § 990 BGB, sondern erst wenn er bei Rechtskenntnis liquide Beweise für die den Mangel begründenden Tatsachen vorliegen hat oder bei zutreffender Tatsachenkenntnis so über seinen Rechtsirrtum aufgeklärt ist, dass sich ein redlich und vom eigenen Vorteil nicht beeinflusst Denkender der Erkenntnis der Nichtberechtigung nicht verschließen würde (BGH, Urteil vom 5. März 2010 - V ZR 106/09 -, NJW 2012, 2664 Rn 12 mwN).
33 
Diese Kenntnis ergab sich vorliegend insbesondere nicht aus den im Verfahren vor dem Amtsgericht Weilburg, 5 C 244/12, vorgelegten Unterlagen. Denn das dortige Verfahren schwebte nicht zwischen den hiesigen Parteien, sondern der Klägerin und der Firma D. GmbH & Co. KG, einem anderen Gesellschafter des Einkaufsrings. Eine etwa in diesem Verfahren erworbene liquide Kenntnis von der neuen Eigentümerschaft wird aber einem Mitgesellschafter auch dann nicht zugerechnet, wenn die sie verbindende Personengesellschaft in die Schaffung der gleichartigen Besitzverhältnisse eingebunden war. § 990 BGB knüpft nämlich an die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in der Person des unrechtmäßigen Besitzers selbst an. Zwar wird die Kenntnis eines vertretungsberechtigten Gesellschafters der Personengesellschaft zugerechnet (Staudinger/Karl-Heinz Gursky (2012) BGB § 990 Rn 37). In diesem Fall handelt die natürliche Person aber in einer den Rechtsgedanken der §§ 31, (166) BGB entsprechenden Weise für die als selbständige Rechtspersönlichkeit angesehene Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2003 - II ZR 385/99 -, BGHZ 154, 88). Unter Mitgesellschaftern fehlt auf Gesellschafterebene aber das für die Wissenszurechnung in § 166 BGB kennzeichnende veranlasste oder genehmigte Handeln für einen anderen mit eigenem Entscheidungsspielraum (zur analogen Anwendung von § 166 BGB im Rahmen von § 990 Staudinger/Karl-Heinz Gursky (2012) BGB § 990 Rn 43f).
34 
Eine Bösgläubigkeit ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Zurechnung des Wissens des auch im Prozess in Weilburg beauftragten Prozessbevollmächtigten der heutigen Beklagten (§ 166 BGB analog). Das im Zusammenhang mit dem damaligen Prozess erworbene Wissen des Bevollmächtigten kann schon deshalb nicht zugerechnet werden, weil er die Beklagte bei Schadensentstehung im Jahr 2013 noch nicht vertrat. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten erklärte nämlich dem Senat, die Beklagte habe ihm erst nach Klageerhebung im Jahr 2014 ein Mandat erteilt. In der Klageschrift ist er auch nicht als vertretungsberechtigter Rechtsanwalt aufgeführt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1971 - VIII ZR 182/69 -, BGHZ 55, 307).
35 
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 13.03.2015 eingegangene Schriftsatz gebietet keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO). In ihm wird ausgeführt, der Beklagtenvertreter sei auch schon vorgerichtlich beauftragt gewesen. Das hierfür vorgelegte Schreiben vom 11.10.2011 (II 113) bezieht sich aber auf ein Herausgabeverlangen von Frau B.. Wenn sich der jetzige Bevollmächtigte in Bezug auf diese Angelegenheit für vertretungsberechtigt erklärt, bedeutet dies nicht, dass er auch ein Mandat für eine Verteidigung gegen die jetzige Klägerin hatte. Im Schreiben vom 04.11.2013 (II 115) erklärt er zwar, dass er zustellungsbevollmächtigt für eine Klage gegen Mitgesellschafter der D. Getränkemärkte GmbH sei. Dies lässt aber keinen Schluss auf ein Mandat zur außergerichtlichen Rechtswahrnehmung zu, sondern spricht erst einmal nur für ein auf den Fall einer Klageerhebung bedingtes Mandat. Überdies hat die Klägerin trotz dieser Ankündigung die Klage ohne Nennung eines zustellungsbevollmächtigten Anwalts erhoben. Ausführungen zu einer mandatsübergreifenden Zurechnung von Wissen eines Anwalts erübrigen sich daher.
36 
Im Ergebnis ist nicht von einer Bösgläubigkeit der Beklagten auszugehen.
II.
37 
Ebenso wenig ist ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 281 BGB begründet.
38 
Die Gegenstände sind noch vorhanden und können herausgegeben werden. Ihre Nichtherausgabe trotz Herausgabepflicht stellt eine Verletzung der Pflicht aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis des § 985 BGB dar. Streitig ist, ob auf diese Pflichtverletzung die allgemeine Vorschrift des § 281 BGB anzuwenden ist (Lit. und bejahend: Gruber/Lösche NJW 2007, 2815 Fn 22, 23; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 281 Rn 4; Palandt/Bassenge aaO § 985 Rn 13f.; Staudinger/Grunsky, BGB (2012), § 985 Rn 80ff. mwN; aA MünchKomm-BGB/Baldus, 6.Aufl., § 985 Rn 83 mwN).
39 
Nach § 985 BGB hat der Besitzer dem Eigentümer grundsätzlich nur den unmittelbaren Besitz an der Sache zu verschaffen, insbesondere den Zugang zu ermöglichen und die Wegnahme zu dulden (BGH, Urteil vom 5.7.2001 - IX ZR 327/99 -, NJW 2001, 2966). Weder der Besitz als tatsächliche Sachherrschaft noch das Recht zum Besitz einer Sache vermitteln rechtlich verfasste Positionen an der Sachsubstanz. Sie und damit der Wert der Sache selbst steht immer und allein dem Eigentümer zu.
40 
Wendet man § 281 Abs. 4 BGB an und lässt einen Schadensersatzanspruch an die Stelle des primären Herausgabeanspruchs treten, entgeht dem Eigentümer aber nicht nur die Sachherrschaft. Er kann auch seine Substanzrechte, etwa durch Eigentumsübertragung nach § 931 BGB, nicht mehr ausüben. Bei der Bemessung des Schadens muss dieser Verlust ausgeglichen und daher auf den Wert der Sache abgestellt werden (Palandt/Grüneberg, aaO § 281 Rn 4). Dies führt beim Besitzer zu einem „Zwangskauf“, wobei er die Übertragung des Eigentums gemäß § 255 BGB analog verlangen können soll (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 24. Oktober 2012 - 3 U 106/11-, zitiert nach juris). Der Gesetzgeber hat diese Gefahr im Zusammenhang mit schuldrechtlichen Herausgabeansprüchen, etwa des Verleihers, gesehen und ausgesprochen, dass sie zu vermeiden ist. Ausgehend von allenfalls „seltenen Missbrauchsfällen“ verwies er auf § 242 BGB (BT-Drs 14/6040 S. 139). Da das Fristsetzungserfordernis des § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB entfällt, wenn die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert wird (§ 281 Abs. 2 Satz 1 BGB; zu den diesbezüglichen „strengen“ Anforderungen: BGH, Urteil vom 12. Februar 2014 - XII ZR 76/13 -, BGHZ 200, 133), und keine weiteren Voraussetzungen, wie etwa ein Interessenwegfall, für die Schadensersatzpflicht bestehen, erfüllt zB. das Bestreiten des Eigentums des nach § 985 BGB Herausverlangenden die Voraussetzungen für ein Schadensersatzverlangen nach § 281 BGB und zwingt den Besitzer damit nach dem Willen des Eigentümers faktisch zum Erwerb des Gegenstandes, Grundstücks etc.. Die Gefahr eines „Zwangskaufs“ ist so entgegen der Vorstellung des Gesetzgebers keine seltene Ausnahme, sondern bei streitigen Ansprüchen nach § 985 BGB eine häufig gegebene Möglichkeit (zum entsprechenden Problem im Mietrecht: Katzenstein/Hüftle NZM 2004, 601; Palandt/Grüneberg, aaO § 281 Rn 4: Vorrang der Räumungsklage nach § 571 BGB). Insbesondere der Insolvenzverwalter, der die Sache ohnehin verwerten muss, hat oft kein Interesse daran, sie körperlich zurückzuerlangen und dann aufwendig anbieten und verkaufen zu müssen, wenn er ihren Wert auch über § 281 BGB realisieren kann (trotz vergleichbarer Problematik wendet das KG (Urteil vom 27.10.2006, 7 U 242/05, KGR Berlin 2007, 115) § 281 BGB auf den Anspruch nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO an). Ähnlich wenig Interesse an der Rückerlangung der Sache kann etwa auch der Leasinggeber haben.
41 
Eine solche Möglichkeit kollidiert mit den Wertungen der §§ 987ff. BGB, den speziellen Regelungen für Besitzer. Nach § 989 BGB haftet der Besitzer erst ab Rechtshängigkeit und auch dann nur bei Verschulden an der Nichtherausgebbarkeit oder der Verschlechterung auf den Substanzwert. Liegt weder eine Verschlechterung noch Verlust vor, bleibt es bei der Herausgabepflicht. Ein vorgerichtliches Bestreiten des Herausgabeanspruchs hat keine Folgen. Auch die bereits genannten Erfordernisse für die Annahme einer Bösgläubigkeit im Sinne des § 990 BGB (BGH, Urteil vom 5. März 2010 - V ZR 106/09 -, NJW 2012, 2664 Rn 12 mwN) werden übergangen. Diese gesetzlichen Wertungen stehen einer uneingeschränkten Anwendung des § 281 BGB auf die vorliegende Fallkonstellation aber entgegen. Ein Schadensersatzanspruch auf den Wert der Sache ohne Bösgläubigkeit im Sinne des § 990 BGB und ohne verschuldete Verschlechterung oder Nichtherausgebbarkeit darf nicht über § 281 BGB konstruiert werden, damit sich der Eigentümer nicht über § 281 BGB einen ihm nicht zustehenden Schadensersatz verschafft (vgl. zu § 283 BGB aF BGH, Urteil vom 29. Oktober 1969 - VIII ZR 202/67 -, BGHZ 53, 29). Damit verdrängen aber die spezielleren §§ 989, 990 BGB den § 281 BGB, jedenfalls bis zur Verurteilung zur Herausgabe. Vorliegend kann dahinstehen, ob § 281 BGB nach diesem Zeitpunkt anwendbar bleibt. Denn es gibt keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber mit § 281 BGB hinter dem Gläubigerschutz des durch § 281 BGB ersetzten § 283 BGB aF. zurückbleiben wollte. Dies spricht dafür, nach Verurteilung zur Herausgabe einen Übergang vom Herausgabeanspruch auf den Substanzschadensersatzanspruch zu ermöglichen und so auch in Fällen mangelnder Herausgabebereitschaft Geldersatz zu gewähren. Dies zeigt sich auch an § 255 ZPO, der einen solchen Anspruch voraussetzt, ihn aber nicht gewährt. Die von §§ 989, 990 BGB gesetzten Schranken mögen damit mit der Verurteilung zur Herausgabe enden, weil ab diesem Zeitpunkt § 283 BGB aF galt, der auf § 985 BGB anzuwenden war (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1969 - VIII ZR 202/67 -, BGHZ 53, 29), für den vorliegenden Fall ist § 281 BGB aber unanwendbar.
42 
Der Nichtanwendung von § 281 BGB bei § 985 BGB steht nicht entgegen, dass § 281 BGB im Rahmen anderer gesetzlicher Schuldverhältnisse herangezogen wird, so bei der Pflicht zur Beseitigung von Störungen § 1004 BGB (OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Januar 2012 - 12 U 143/11, NJW 2012, 1520) und der Pflicht aus § 1020 Satz 2 BGB, eine Anlage in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten (BGH, Urteil vom 12. November 2004 - V ZR 42/04, BGHZ 161, 115). Beides sind keine Herausgabepflichten, für die ein spezielles Haftungsregime gesetzlich vorgesehen ist.
43 
Es genügt auch nicht, in den Fällen des § 990 BGB den Verschuldensmaßstab des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB dahin zu verschärfen, dass eine Bösgläubigkeit im Sinne des § 990 BGB erforderlich ist. Denn dies würde die in § 990 BGB bestimmte Beweislast umkehren, mit der Folge, dass nicht der Eigentümer die Bösgläubigkeit des Besitzers beweisen muss (Staudinger/Grunsky aaO § 990 Rn 59 mwN), sondern der Besitzer seinen (fortbestehenden) guten Glauben. Zudem geht das einschränkende Erfordernis des § 989 BGB einer Verschlechterung oder Nichtherausgebbarkeit der Sache verloren.
44 
Vorliegend findet daher § 281 BGB keine Anwendung, so dass das Schadensersatzverlangen auch nicht auf diese Anspruchsgrundlage gestützt werden kann.
III.
45 
Darauf, dass der Gewinn (§ 252 BGB), der entging, weil die durch Urkunde bewiesenen Verkaufsmöglichkeit an die Bullman GmbH & Co KG (ABKl. S. 11) nicht genutzt werden konnte, nicht EUR 500 je Gerätesystem betrug, sondern nur die Differenz (§ 287 ZPO: EUR 137,99) zwischen dem Zeitwert (§ 287 ZPO: EUR 312,01 (EUR 200.000 ./. 641)) der Systeme, an denen die Klägerin Eigentum behalten will, und dem versprochenen Kaufpreis und auch die ersparten Kosten von Demontage und Transport (§ 287 ZPO: EUR 50 je Gerätesystem) zur potentiellen Käuferin erspart wurden, kann dahinstehen.
C.
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf EUR 97 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war zuzulassen, weil höchstrichterliche Ausführungen zum Verhältnis der Haftung nach §§ 280, 281 BGB und nach §§ 989, 990 BGB ausstehen, aber von grundsätzlicher Bedeutung sind (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

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