Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (4. Zivilsenat) - 4 U 35/12

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 04. Mai 2011 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau, Az.: 4 O 646/11, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 04. Mai 2011, Az.: 4 O 646/11, ist ebenfalls ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte nach erklärtem Widerspruch und Widerruf nebst vorsorglicher Anfechtung eines Rentenversicherungsvertrages auf Zahlung eines Betrages von 15.013,03 € unter dem Aspekt der ungerechtfertigten Bereicherung, hilfsweise gestützt auf Schadensersatz wegen eines der Beklagten angeblich zur Last fallenden Beratungsverschuldens in Anspruch.

2

Am 14. Dezember 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Abschluss einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht im Todes- und Erlebensfall, wobei sich auf dem Antragsformular über dem Unterschriftsfeld des Versicherungsnehmers ein Hinweis auf dessen Widerspruchsrecht befindet (Bl. 64 - 66 Anlagenband).

3

Die Beklagte hat den Antrag mit Schreiben vom 06. Januar 2004 unter Beifügung von Versicherungsunterlagen angenommen, wobei zwischen den Parteien umstritten ist, ob daneben noch ein Anschreiben, wie die Beklagte behauptet hat, beilag (Bl. 81, 82 Anlagenband). Unstreitig erhielt die Klägerin hingegen den mit einer Widerspruchsbelehrung versehenen Versicherungsschein und die weiteren in dem Anschreiben genannten Unterlagen (Bl. 64 - 80 Anlagenband).

4

Nachdem der Vertrag auf Wunsch der Klägerin zunächst ab 01. Februar 2010 beitragsfrei gestellt worden war (Bl. 84 - 88 Anlagenband), erklärte diese mit Schreiben vom 30. Juni 2010 (Bl. 5 - 6 Anlagenband) den Widerspruch gemäß § 5 a VVG a. F. bzw. den Widerspruch nach § 8 VVG, bzw. den Widerruf nach § 355 BGB (,) höchst vorsorglich die Anfechtung nach § 119 I BGB, hilfsweise die Kündigung. Daraufhin bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 09. Juli 2010 eine Kündigung des Versicherungsvertrages und zahlte einen errechneten Rückkaufswert von 18.080,-- € an die Klägerin aus, die mit weiterem Schreiben vom 04. Oktober 2010 (Bl. 7 - 8 Anlagenband) ihren bereits zuvor erklärten Widerspruch bzw. Widerruf erneuerte und weitere Auskunft über gezahlte Beiträge begehrte.

5

Mit der Klage macht die Klägerin nunmehr auf der Grundlage eines ihres Erachtens nach § 818 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 287 ZPO gerechtfertigten Zinssatzes von 7 % jährlich auf die jeweils monatlich erbrachten Prämienzahlungen einen Betrag von insgesamt 15.013,93 € geltend, der sich wie folgt zusammensetzt (Bl. 5, Bd. I d. A.):

6

Rückzahlung aller geleisteten Versicherungsprämien in Höhe von

25.290,88 €

+ Zinsen jeweils 7 % p. a. (vgl. Anlage A 5, Bl. 9 - 10 Anlagenband)            

+ 7.210,88 €

./. Rückkaufswert

 - 18.080,-- €

= Klageforderung

15.013,93 €

7

Daneben begehrt sie die Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.943,-- €.

8

Die Klägerin hat gemeint und meint nach wie vor, eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung der geleisteten Prämien ergebe sich unter dem Gesichtspunkt einer ungefertigten Bereicherung. Sie sei nämlich weiterhin berechtigt, dem Rentenversicherungsvertrag gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. widersprechen zu können, da die Widerspruchsfrist mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. nicht zu laufen begonnen habe. So sei die enthaltene Widerspruchsbelehrung nicht nur drucktechnisch unzureichend hervorgerufen, sondern zudem auch inhaltlich zu beanstanden, da aus ihr nicht hervorgehe, was mit einem Widersprechen in Textform gemeint sei und die in § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. geregelte Höchstfrist keine Erwähnung finde. Daneben entspräche aber auch die beigefügte Verbraucherinformation nicht den Anforderungen des § 10 a VAG, wie sie sich aus Abschnitt 1 der Anlage D zum VAG ergäben.

9

Auf die Regelung des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. könne sich die Beklagte hingegen nicht berufen, da die Vorschrift europarechtswidrig sei und deshalb zu keiner Beschränkung des Widerspruchsrechts führen könne. Zumindest sei das Verfahren im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BGH vom 28. März 2012, Az.: IV ZR 76/11 (zitiert nach juris), bis zu einer Entscheidung des EuGH hierüber auszusetzen. Ungeachtet dessen sei, so die weitere Argumentation der Klägerin, das gesamte dem § 5 a VVG a. F. zugrunde liegende Policenmodell europarechtswidrig, weshalb ihr ganz gleich, ob die Voraussetzungen des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. vorliegen sollten oder nicht, in jedem Fall ein zeitlich unbegrenztes Widerspruchsrecht zuzubilligen sei.

10

Daneben lasse sich ihr Klagebegehren allerdings auch auf einen Schadensersatzanspruch wegen fehlender (nachträglicher) Aufklärung der Beklagten über ein bestehendes Widerspruchsrecht stützen.

11

Die Klägerin hat beantragt,

12

die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.013,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Juli 2010 sowie Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 1.943,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die von ihr übersandten Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen wie auch die Widerspruchsbelehrung seien ausreichend und nicht zu beanstanden, weswegen auf die von der Klägerin nicht gewahrte, vierzehntägige Frist des § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. abzustellen sei. Vor diesem Hintergrund müssten auch Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem von der Klägerin behaupteten Beratungsverschulden bereits dem Grunde nach ausscheiden.

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Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 04. Mai 2011 (Bd. I Bl. 182 - 190 d. A.) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Rentenversicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen, da die Voraussetzungen des § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. erfüllt worden seien und deshalb die nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. maßgebliche Widerspruchsfrist von 14 Tagen hier nicht mehr gewahrt sei. Deshalb komme es auf eine eventuelle Europarechtswidrigkeit der Vorschrift des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. nicht an.

17

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und verfolgt unter Vertiefung ihres bisherigen Vortrags ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter.

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Die Klägerin beantragt,

19

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte, wie in erster Instanz beantragt, zu verurteilen.

20

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

22

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wendet sich mit ihrem Vortrag insbesondere gegen eine Europarechtswidrigkeit des dem § 5 a VVG a. F. zugrunde liegenden Policenmodells.

II.

23

Die gemäß § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst formell zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte und begründete Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

24

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Klägerin gegen die Beklagte weder ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung aller geleisteten Prämien nebst Zinsen abzüglich des erstatteten Rückkaufswertes (1) noch ein hilfsweise geltend gemachter Schadensersatzanspruch wegen eines behaupteten Beratungsverschuldens (2) zusteht. Ebenso wenig ergeben sich Bedenken gegen die Höhe des von der Klägerin ausgezahlten Rückkaufswertes (3).

1.

25

Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der geleisteten Prämien gemäß § 812 Abs. 1 BGB, entweder wegen fehlenden Rechtsgrundes nach Satz 1, 1. Alternative oder wegen weggefallenen Rechtsgrunds nach Satz 2, 1. Alternative der Vorschrift, jeweils in Verb. mit § 818 Abs. 1 BGB hinsichtlich der zusätzlich verlangten Zinsen, scheitert daran, dass die gezahlten Prämien nicht ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind, sondern ihre Grundlage in dem Rentenversicherungsvertrag finden, der mangels rechtzeitigen Widerspruchs seitens der Klägerin wirksam gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. zwischen den Parteien zustande gekommen ist.

26

Auf den im Jahr 2004 zustande gekommenen Rentenversicherungsvertrag hat nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung Anwendung zu finden.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Rechtsgrund für den Vertrag nicht durch den erstmals mit Schreiben vom 30. Juni 2010 erklärten Widerspruch entfallen, da die dafür geltende Frist des § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. von vierzehn Tagen wegen der insoweit für den Fristbeginn erfüllten Voraussetzungen des § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. (a) bereits abgelaufen war.

28

Auf die Regelung des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F., wonach das Recht zum Widerspruch abweichend von der Regelung in Satz 1 spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, kam es deshalb ebenso wenig wie auf die in diesem Zusammenhang bestehenden europarechtlichen Bedenken an (b). Dahingehende Bedenken, dass das Policenmodell als solches und damit ebenso die Vorschrift des § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. europarechtswidrig sein könnten, bestehen hingegen nicht (c). Ein Recht zum Widerruf des Vertrages stand der Klägerin ebenfalls nicht zu, noch war sie zur Anfechtung berechtigt (d).

29

a) Die Klägerin hat mit Schreiben der Beklagten vom 06. Januar 2004 die nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. und für den Fristbeginn nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift maßgeblichen Unterlagen, nämlich die Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformation und auch den mit einer Widerspruchsbelehrung versehenen Versicherungsschein unstreitig erhalten. Auf den umstrittenen Zugang eines gesonderten Anschreibens kommt es hingegen für den Beginn der Widerspruchsfrist nach § 5 a VVG nicht an.

30

Die weiteren in diesem Zusammenhang von der Klägerin erhobenen Beanstandungen gegen Form und Inhalt der Widerspruchsbelehrung sind hingegen nicht stichhaltig. Vielmehr ist die Klägerin entsprechend § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden.

31

Vor allem ist die Belehrung auf Seite 4 des Versicherungsscheins (Bl. 2 Rückseite Anlagenband) durch die Unterstreichung des gesamten Belehrungstextes drucktechnisch in besonderer Weise hervorgehoben und vom übrigen Fließtext merklich abgesetzt. Derartige Unterstreichungen weist der übrige Text des Versicherungsscheins nicht auf, sodass die Belehrung, die im Weiteren auch durch die in Fettdruck gehaltene Überschrift Belehrung über ihr Widerspruchsrecht hervorgehoben ist, für einen unbefangenen Verbraucher bereits bei einem bloßen Überfliegen des Versicherungsscheins ins Auge sticht und nicht unbeachtet bleiben kann.

32

Auch inhaltlich ist der Belehrungstext nicht zu beanstanden. Weitergehender Ausführungen dazu, was mit Textform gemeint ist, bedurfte es ebenso wenig wie einer gesonderten Belehrung über die Vorschrift des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F., da dort nicht das Widerspruchsrecht, sondern lediglich die Rechtsfolge, wann ein solches Recht abweichend von Satz 1 auf jeden Fall erlischt, geregelt wird, wofür der eindeutige Gesetzeswortlaut gerade keine zusätzliche Aufklärung des Versicherungsnehmers vorschreibt. Im Übrigen wird – ohne dass dies für eine ausreichende Belehrung erforderlich wäre – diese Rechtsfolge auch in dem Belehrungstext am Ende mit dem Verweis auf § 3 der beigefügten Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung (ABR), die auch insoweit weitergehende Hinweise enthalten, in Bezug genommen.

33

Ebenso wenig kann die Klägerin mit ihren inhaltlichen Bedenken gegen die Verbraucherinformation nach § 10 a VAG durchdringen. Die dazu in Abschnitt I der Anlage D zum VAG unter Nr. 1 lit. e vorgesehene und nach Ansicht der Klägerin notwendige Einzelausweisung von Prämien war bereits deshalb nicht erforderlich, weil eine solche Einzelausweisung nur beim Abschluss mehrerer selbständiger Versicherungen in Betracht kommen kann, während der hier von den Parteien abgeschlossene Versicherungsvertrag lediglich eine singuläre Rentenversicherung enthält.

34

Die nach Nr. 1 lit. h jener Anlage anzugebende Anschrift der zuständigen Aufsichtsbehörde hat für den Versicherungsinteressenten hingegen rein informatorischen Charakter und steht weder mit einem Vertragsschluss noch einem möglichen Widerspruchsrecht in einem kausalen Zusammenhang, weshalb ein Außerachtlassen ebenfalls nicht geeignet ist, den Fristbeginn nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. infrage zu stellen. Ungeachtet dessen lässt die Klägerin in diesem Zusammenhang auch unberücksichtigt, dass bereits im Versicherungsantrag (Bl. 66 Anlagenband), als Unterpunkt der Wichtige(n) Hinweise, und zwar dort unter der Überschrift Beschwerden die Anschrift des Bundesamts für das Versicherungswesen als die zuständige Behörde, bei der vom Versicherungsnehmer Beschwerden eingelegt werden können, genannt worden ist.

35

b) Im Ergebnis kommt es danach auf eine mögliche Europarechtswidrigkeit des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. nicht an, da diese Vorschrift mangels Abweichung von den in § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. bestimmten Vorgaben keine Anwendung mehr findet.

36

Mangels Entscheidungserheblichkeit jener Vorschrift scheidet auch eine von der Klägerin angeregte Aussetzung des Berufungsverfahrens entsprechend § 148 ZPO im Hinblick auf die diesbezügliche Vorlage des BGH laut Beschluss vom 28. März 2012, Az.: IV ZR 76/11, ebenso aus wie eine eigene Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zwecks Klärung einer Richtlinienkonformität des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F.

37

c) Für eine von der Klägerin darüber hinaus argumentativ ins Feld geführte Europarechtswidrigkeit des gesamten, der Regelung des § 5 a VVG a. F. zugrunde liegenden Policenmodells, mit der Folge eines in jedem Fall zeitlich unbegrenzten Widerspruchsrechts, selbst dann, wenn wie hier, die Voraussetzungen für einen Fristbeginn nach § 5 a Abs. 1 und 2 Satz 1 VVG a. F. vorliegen, ist hingegen nichts Stichhaltiges ersichtlich.

38

Vor allem der im Hinblick auf Art. 31 Abs. 1 in Verb. mit Anhang II A der Richtlinie 92/96 EWG des Rats vom 17. November 1992 bzw. in Bezug auf Art. 36 Abs. 1 in Verb. mit Anhang III A der Richtlinie 2002/83/EG gebrachte Einwand, die notwendigen Informationen müssten bereits vor Vertragsschluss erfolgen, verkennt bereits grundlegend die rechtliche Konstruktion des Policenmodells, wonach der Vertrag eben nicht schon durch die Zusendung der Versicherungsunterlagen, sondern erst danach bei fehlendem bzw. nicht fristgerecht erklärtem Widerspruch des Versicherungsnehmers bindend zustande kommt, und berücksichtigt des Weiteren auch nicht, dass die hier allein maßgebliche Regelung des § 5 a Abs. 2 Satz 1 in Verb. mit Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. gerade auch im Sinne der europarechtlichen Vorgaben sicherstellt, dass der Versicherungsnehmer die notwendigen Informationen bereits vor dem Vertragsabschluss erhalten hat. Ungeachtet dessen hat sich das Zustandekommen eines Versicherungsvertrages generell nach nationalem Recht zu richten und wird gerade nicht durch die genannten Richtlinien oder anderes Gemeinschaftsrecht vorgegeben, weshalb die rechtliche Ausgestaltung eines Vertragsschlusses nach dem Policenmodell in § 5 a VVG a. F. nicht contra legem durch eine vermeintlich richtlinienkonforme Auslegung überspielt werden darf, was überdies zu einem zeitlich völlig unbeschränkten, sachlich deplacierten, vertraglich unangemessenen und damit jeder Billigkeit widersprechenden Widerspruchsrecht führen würde.

39

Auch sonst werden in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte grundsätzliche Bedenken gegen eine Europarechtswidrigkeit des Policenmodells nicht erhoben, wie verschiedene Entscheidungen aus jüngster Zeit – zu nennen sind etwa zwei Urteile des OLG München vom 25. September 2012 (Az.: 25 U 1828/12) und vom 20. September 2012 (Az.: 14 U 1511/12 beides zitiert nach juris), wie auch ein Beschluss des OLG Stuttgart vom 16. Juli 2012 (Az.: 7 U 54/12, VersR 2012, 1373 ff.) – zur Genüge verdeutlichen. Auf der gleichen Linie liegt der zitierte Vorlagebeschluss des BGH vom 28. März 2012, Az.: IV ZR 76/12. Denn der 4. Zivilsenat des BGH hat dem EuGH allein die für problematisch erachtete Regelung des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. zur Prüfung vorgelegt, nicht jedoch Bedenken gegen eine Europarechtskonformität des Policenmodells im Ganzen zum Gegenstand der Vorlage gemacht, was im Umkehrschluss nichts anderes bedeutet und bedeuten kann, als dass insoweit keine Zweifel an einer Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht gesehen werden.

40

d) Ein der Klägerin zur Seite stehendes Widerrufsrecht lässt sich auch nicht aus den §§ 495 Abs. 1, 355 BGB herleiten.

41

Dies scheitert bereits daran, dass es sich bei der Vereinbarung unterjähriger (hier: monatlicher) Prämienzahlungen nicht um eine Gewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs im Sinne des § 506 Abs. 1 BGB handelt, sodass weder der effektive Jahreszins auszuweisen noch über ein Widerrufsrecht zu belehren war (vgl.: OLG Hamm, Beschluss vom 24. August 2011, Az.: 20 U 51/11; OLG Köln, Beschluss vom 05. Februar 2010, Az.: 20 U 150/09; OLG Hamburg, Urteil vom 18. November 2011, VersR 2012, 41; OLG Celle, Urteil vom 09. Februar 2012, Az.: 8 U 191/11, Rdnr. 51 - 57, allesamt zitiert nach juris).

42

Genauso wenig steht der Klägerin ein Anfechtungsrecht gemäß den §§ 119, 123 BGB zu, das, mit der Folge eines Bereicherungsanspruchs, gemäß § 142 BGB den Rechtsgrund des Rentenversicherungsvertrags rückwirkend hätte entfallen lassen können.

43

Für eine arglistige Täuschung nach § 123 BGB seitens der Beklagten ist weder etwas dargetan noch sonstwie ersichtlich. Ein Anfechtungsrecht nach § 119 BGB wird durch die insoweit vorrangige Regelung eines Widerspruchsrechts nach Maßgabe des § 5 a VVG a. F. verdrängt.

2.

44

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Verletzung einer vorvertraglichen Beratungspflicht durch die Beklagte aus den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 249, 252 BGB kommt gleichfalls nicht in Betracht.

45

Einen solchen Schadensersatzanspruch kann die Klägerin insbesondere nicht darauf stützen, dass die Beklagte sie bei Vertragsschluss nicht darüber in Kenntnis gesetzt hätte, dass ein wesentlicher Teil der Versicherungsprämie der Befriedigung von Provisionsansprüchen der Agenten und der Deckung von Verwaltungs- und Abschlusskosten dient, da dieser Umstand nicht aufklärungsbedürftig war. Die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage einer Aufklärung über sogenannte Kick-Backs, wonach ein Kreditinstitut ihren Kunden im Rahmen einer Kapitalanlageberatung auf an sie zurückgeflossene Rückvergütungen hinzuweisen hat (vgl. etwa BGH, VersR 2011, 1061), ist auf die Vermittlung von Versicherungsverträgen nicht übertragbar, weil die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen auftretende Interessenkollision bei einer Lebens- oder Rentenversicherung wie im vorliegenden Fall nicht besteht (vgl. OLG Köln, VersR 2011, 248; OLG Hamm, Beschluss vom 31. August 2011, Az.: 20 U 81/11, und OLG Celle, Urteil vom 02. Dezember 2012, Az.: 8 U 125/11, jeweils zitiert nach juris).

46

Ein Beratungsverschulden der Beklagten wegen fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung der Klägerin über ihr Widerspruchsrecht ist ebenfalls zu verneinen, weil die Beklagte die nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. zu beachtenden Förmlichkeiten eingehalten hat und diesen Vorschriften als lex specialis ein abschließender Regelungscharakter zukommt, was Schadensersatzansprüche gleicher Herkunft ausschließt.

3.

47

Die Höhe des von der Beklagten errechneten und ausgezahlten Rückkaufswerts der vorzeitig beendeten Lebensversicherung hat die Klägerin nicht beanstandet, weshalb es hierzu an sich keiner weiteren Ausführungen bedarf.

48

Erwähnt sei jedoch, der Klarstellung halber, dass die bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nach altem Recht im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung als Mindestbetrag vom Versicherer zurückzuzahlende Hälfte des sogenannten ungezillmerten Deckungskapitals der Klägerin zugeflossen ist. Diese Summe ist wegen des stets notwendigen Abzugs von Risikoanteilen und laufenden Verwaltungskosten in jedem Fall geringer als die Hälfte der gezahlten Prämien (vgl. BVerfG, NJW 2006, Seite 1783 ff.; BGH, NJW 2005, 3559, 3564). Hier wurde allerdings sogar mehr als deren Hälfte der Klägerin als Rückkaufswert erstattet.

III.

49

Die Kostenentscheidung zulasten der mit ihrem Rechtsmittel erfolglos bleibenden Klägerin folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

50

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit dieses und des landgerichtlichen Urteils jeweils ohne Sicherheitsleistung entspricht den §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 Satz 1, 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.

51

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nicht ersichtlich. Weder hat die von den Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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