Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 8 U 45/09 - 15

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.12.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 9 O 54/ 08 - unter Zurückweisung derselben im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 28.732,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 13.659,65 EUR seit dem 27.11.2007 und aus 15.072,63 EUR seit dem 01.01.2008 zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 11% und die Beklagte 89%. Die Klägerin trägt zudem 11% der Kosten des Streithelfers, der seine weiteren Kosten selbst trägt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last; der Streithelfer trägt seine Kosten selbst.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Klägerin leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung des Gegenwerts in Höhe von 32.175,86 EUR für 21.774 kg V2A-Schrott (Stahl), 335 kg Aluminiumblech, 19 kg Aluminiumprofile, 44 kg Messing sowie 86 kg Elektromotorschrott aus §§ 951 Abs. 1, 812 ff. BGB in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Streithelfer der Beklagten war bis zum 23.10.2007 als Arbeitnehmer bei der Klägerin beschäftigt. In der Zeit vom 01.01.2005 bis 15.10.2007 veräußerte er den oben aufgeführten, im Eigentum der Klägerin stehenden Abfall an die Beklagte, die diesen verarbeitete.

Am 23.10.2007 schlossen der Streithelfer der Beklagten und die Klägerin eine mit "Erklärungen zum Arbeitsverhältnis und Schuldanerkenntnis" überschriebene Vereinbarung (Bl. 37 f.), in der der Streithelfer den gewerbsmäßigen Diebstahl von Arbeitgebereigentum im Wert von mindestens 50.000 EUR einräumte und ein abstraktes Schuldanerkenntnis über 32.000 EUR abgab. Zur Tilgung dieser Schuld trat er den Rückkaufswert seiner Lebensversicherung an die Klägerin ab und erklärte sich mit dem sich nach Kündigung ergebenden Auszahlungsbetrag (Rückkaufswert 01.04.2005: 2.281,20 EUR) in Höhe von schließlich 3.443,58 EUR an die Klägerin einverstanden. Die Klägerin erklärte sich bereit, dem Streithelfer nach Auszahlung dieses Betrages bis zum 30.11.2007 die anerkannten Schulden zu erlassen. Des Weiteren einigten sich die Parteien der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den Verzicht des Streithelfers auf eine Kündigungsschutzklage und stellten klar, dass alle Urlaubs- und sonstigen Freizeitansprüche des Streithelfers in natura gewährt und damit ausgeglichen und erfüllt sind.

Der Rückkaufswert der Lebensversicherung in Höhe von 3.443,58 EUR ist fristgerecht an die Klägerin gezahlt worden.

Die Klägerin hat die Beklagte – nach teilweiser Klagerücknahme in Höhe des ursprünglichen Rückkaufswertes der Lebensversicherung in Höhe von 2.281,20 EUR - auf Zahlung von Wertersatz gemäß §§ 951 Abs. 1, 812 ff. BGB in Anspruch genommen mit der Begründung, ein gutgläubiger Eigentumserwerb der Beklagten sei schon wegen § 935 BGB nicht möglich gewesen, da ihr der Metallschrott abhanden gekommen sei. Insofern sei der Streithelfer lediglich ihr Besitzdiener gewesen. Zudem sei die Beklagte im Hinblick darauf, dass der Streithelfer 22 t Metallschrott in einem Audi A3 Sportback angeliefert habe, nicht gutgläubig gewesen. Die zwischen ihr und dem Streithelfer geschlossene Vereinbarung wirke nur zwischen deren Parteien.

Die Beklagte und ihr Streithelfer sind dem entgegengetreten. Die Beklagte habe gutgläubig Eigentum erworben, da der Metallschrott der Klägerin nicht abhanden gekommen sei. Der Streithelfer sei nämlich mittelbarer Besitzer gewesen. Zudem komme der Vereinbarung vom 23.10.2007 Gesamtwirkung zu mit der Folge, dass insgesamt keine Ansprüche der Klägerin mehr bestünden.

Durch das angefochtene Urteil (Bl. 107 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 29.894,66 EUR nebst Zinsen verurteilt. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus §§ 951, 812 Abs. 1 S. 1 BGB, denn die Beklagte habe durch Verarbeitung - ohne Rechtsgrund - Eigentum an dem streitgegenständlichen Metallschrott erworben. Gutgläubiger Eigentumserwerb sei nämlich gemäß § 935 BGB ausgeschlossen, da der Klägerin der Metallschrott abhanden gekommen sei. Der Streithelfer sei als weisungsgebundener Arbeitnehmer der Klägerin lediglich Besitzdiener im Sinne des § 855 BGB gewesen, so dass die Klägerin durch die Entwendung und Veräußerung des Metallschrotts unfreiwillig den Besitz verloren habe.

Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Vereinbarung vom 23.10.2007 berufen, denn der darin vereinbarte Schulderlass wirke allein zu Gunsten des Streithelfers, denn es könne kein übereinstimmender Parteiwille dafür festgestellt werden, dass die Vertragsschließenden das ganze Schuldverhältnis hätten aufheben wollen. Vielmehr spreche schon der Wortlaut der Vereinbarung gegen eine solche Gesamtwirkung, denn die Parteien hätten jedenfalls teilweise individuelle Regelungen hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Streithelfers getroffen. Es fehle auch jeglicher Hinweis darauf, dass die Parteien der Vereinbarung eine beschränkte Gesamtwirkung in dem Sinn hätten zukommen lassen wollen, dass derjenige, dessen Verbindlichkeit erlassen werde, zugleich von seiner im Innenverhältnis aus § 426 Abs. 1 BGB dem anderen Gesamtschuldner gegenüber begründeten Haftung habe befreit werden sollen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie ist der Auffassung, sie habe bei Entgegennahme der Materialien gutgläubig Eigentum erworben. Diese seien der Klägerin auch nicht abhanden gekommen, da der Streithelfer Besitzmittler der Klägerin und nicht Besitzdiener gewesen sei. Er habe nämlich über die Verwendung der beim Zuschneiden anfallenden Abfallstücke bestimmen können. Selbst wenn der Streithelfer nur als Besitzdiener anzusehen wäre, wäre er einem Besitzmittler gleich zu setzen, da seine Gebundenheit gegenüber dem Besitzherrn nach außen nicht erkennbar gewesen sei.

Der Erstrichter habe die zwischen der Klägerin und dem Streithelfer getroffene Vereinbarung in rechtlicher Hinsicht und in ihrer Gesamtauswirkung falsch gewürdigt. Selbst wenn man nur von einer beschränkten Gesamtwirkung ausgehe, bei der der Partner des Erlassvertrages hinsichtlich seiner Schuld völlig frei werde und die anderen Gesamtschuldner hinsichtlich des Forderungsanteils, den der begünstigte Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragen habe, wäre die Erlasswirkung gegenüber der Beklagten eingetreten. Ein anderes Ergebnis hätten die Parteien des Erlassvertrages auch nicht gewollt. Diese hätten mit der Vereinbarung vom 23.10.2007 erkennbar die Sache endgültig aus der Welt schaffen wollen. Dieses Ziel werde dann nicht erreicht, wenn der Streithelfer sich Regressansprüchen der Beklagten ausgesetzt sehe.

Schließlich müsse der Rückkaufswert der Lebensversicherung in Höhe von 3.443,58 EUR in vollem Umfang auf die Forderung gegen die Beklagte angerechnet werden. Zudem müsse sich die Klägerin auch noch die ersparten Urlaubsabgeltungsansprüche und den ersparten Ausgleich des Überstundenkontos des Streithelfers anrechnen lassen, denn insoweit handele es sich um einen Verzicht des Streithelfers auf Zahlungsansprüche.

Der Streithelfer der Beklagten schließt sich deren Ausführungen an und verweist insbesondere darauf, dass es beiden Seiten bei Abschluss des Vergleichs darum gegangen sei, die Sache endgültig "aus der Welt zu schaffen“. Für eine Gesamtwirkung des Erlasses spreche bereits, dass er gerade mit demjenigen Gesamtschuldner vereinbart worden sei, der intern allein belastet sei. In diesem Fall könne man davon ausgehen, dass der Gläubiger in der Regel darauf abziele, den Erlasspartner endgültig freizustellen, nicht aber, dass er ihn nur persönlich verschonen, aber den Rückgriffsansprüchen der anderen Gesamtschuldner aussetzen wolle.

Die Beklagte und ihr Streithelfer beantragen (Bl. 157,210, 211),

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 18.12.2008 – 9 U 54/08 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 155, 211),

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres früheren Vorbringens. Bei dem Anspruch der Klägerin gegen den Streithelfer und der streitgegenständlichen Forderung handele es sich um verschiedene und vollkommen unabhängig voneinander bestehende Ansprüche aus unterschiedlichen Rechtsgründen. Es sei deshalb nicht einzusehen, warum Erleichterungen gegenüber dem einen Schuldner auch dem anderen Schuldner zugute kommen sollten. Ein übereinstimmender Wille der Vertragsparteien, das ganze Schuldverhältnis aufzuheben, lasse sich der Vereinbarung nicht entnehmen. Hierzu habe auch keinerlei Veranlassung bestanden. Die Vereinbarung habe lediglich dem Gebot kaufmännischer Effizienz entsprochen, da einziger Vermögensgegenstand des Streithelfers der Rückkaufswert seiner Lebensversicherung gewesen sei.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 28.01.2010 (Bl. 210 ff.) Bezug genommen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

In der Sache hat sie jedoch nur in Höhe eines Betrages von 1.162,38 EUR Erfolg, denn der Rückkaufswert der Lebensversicherung ist in voller Höhe und nicht nur mit dem von der Klägerin in Abzug gebrachten Betrag von 2.281,20 EUR (Rückkaufswert zum 01.04.2005) – in dieser Höhe hat die Klägerin erstinstanzlich die Klage zurückgenommen – in Abzug zu bringen. Im Übrigen beruht die angefochtene Entscheidung weder auf einer kausalen Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Der Klägerin steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des verarbeiteten Metallschrotts aus §§ 951, 812 ff. BGB zu (1.). Diesem Anspruch kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg die zwischen dem Streithelfer und der Klägerin geschlossene Vereinbarung vom 23.10.2007 entgegenhalten (2.).Der Höhe nach beläuft sich dieser Anspruch unter Berücksichtigung der von dem Streithelfer bereits geleisteten Zahlung von 3.443,58 EUR nur noch auf 28.732,28 EUR (3.).

1. Die Beklagte ist der Klägerin nach §§ 951, 812 ff. BGB zur Zahlung einer Vergütung für den von dem Streithelfer gelieferten und von ihr verarbeiteten Metallschrott verpflichtet, denn danach schuldet auch derjenige, der eine gestohlene Sache gutgläubig kauft und sie so bearbeitet, dass er gemäß § 950 BGB Eigentümer der neuen Sache wird, dem Eigentümer der gestohlenen Sache eine Vergütung in Geld gemäß § 951 Abs. 1 S. 1 BGB, ohne den an den Dieb gezahlten Kaufpreis anrechnen zu dürfen (vgl. BGHZ 55, 176 ff.).

Die Beklagte hat im Streitfall das Eigentum an dem vom Streithelfer gelieferten Metallschrott nach § 950 BGB erworben, denn sie hat ihn unstreitig verarbeitet. Dann ist sie nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung - insofern handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung - zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Voraussetzung ist deshalb, dass die Beklagte das Eigentum im Verhältnis zur Klägerin ohne rechtfertigenden Grund erlangt hat. Ein solcher rechtfertigender Grund ist vorliegend nicht in dem Vertrag mit dem Streithelfer der Beklagten zu sehen, denn dieser konnte der Beklagten - unabhängig davon, ob sie gutgläubig war oder nicht - das Eigentum nach § 935 BGB nicht verschaffen, weil die Materialien der Klägerin abhanden gekommen waren.

Abhanden gekommen sind solche Sachen, die dem unmittelbaren Besitzer ohne seinen Willen aus dem Besitz gekommen sind. Neben dem tatsächlichen Verlust des unmittelbaren Besitzes kommt es auf die Unfreiwilligkeit dieses Besitzverlustes durch den Eigentümer oder durch den Besitzmittler an (Staudinger/Wolfgang Wiegand (2004), § 935 BGB Rn. 4).

Nach diesen Maßstäben sind die Materialien der Klägerin abhanden gekommen, denn der Streithelfer der Beklagten war nicht Besitzmittler, dem die Klägerin freiwillig ihren unmittelbaren Besitz übertragen hat, sondern lediglich Besitzdiener im Sinne von § 855 BGB. Besitzdiener ist derjenige, der, wie vorliegend der Streithelfer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, die tatsächliche Gewalt über die Sachen lediglich weisungsabhängig ausübt (OLG Celle OLGR 2004,70 ff. Rn. 50, zitiert nach juris). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er möglicherweise in begrenztem Umfang die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Verwendung des Abfallmaterials hatte, denn eine ununterbrochene Einwirkungsmöglichkeit des Besitzherrn ist für § 855 BGB nicht erforderlich (OLG Köln OLGR 2005, 395 Rn. 3, zitiert nach juris). Entscheidend ist vielmehr, dass der Streithelfer auch nach außen keine Entscheidungsfreiheit bezüglich der Verwendung des Abfallmaterials hatte. Soweit er entscheiden konnte, welche Stücke zur weiteren Bearbeitung geeignet sind, handelt es sich nur um untergeordnete Entscheidungen im Rahmen seiner Weisungsgebundenheit, die zudem keine Außenwirkung haben.

Selbst wenn man, wie die Beklagte dies tut, entgegen der h. M. (vgl. Staudinger/Elmar Bund (2007), § 855 BGB Rn. 28 m. w. N.) in der unerlaubten Weitergabe einer Sache durch den Besitzdiener kein Abhandenkommen sehen wollte, sofern seine Gebundenheit gegenüber dem Besitzherrn nach außen nicht erkennbar ist (vgl. Staudinger/Wolfgang Wiegand aaO., § 935 Rn. 14 m. w. N.), ist im Streitfall von einem Abhandenkommen auszugehen. Diese abweichende Auffassung knüpft an § 56 HGB an, wonach der in einem Laden oder in einem offenen Warenlager Angestellte, der ebenfalls nur Besitzdiener ist, zu Verkäufen und Empfangnahmen als ermächtigt gilt, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen. Handelt er in einem solchen Rahmen, liegt kein Abhandenkommen vor, weil der Eigentümer ihm die Sache zu dem Zweck der Weitergabe überlassen hat, weshalb dessen Fehlverhalten in seine Risikosphäre fällt und ihm zuzurechnen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor, da der Streithelfer als weisungsgebundener Arbeitnehmer in den Geschäftsbetrieb der Klägerin eingebunden war, ohne dass er nach Außen selbstständig handeln bzw. über die im Besitz der Klägerin stehenden Sachen verfügen durfte.

Danach ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Streithelfer der Beklagten lediglich Besitzdiener war, als er der Klägerin den Metallschrott entwendet hat. Da somit ein gutgläubiger Erwerb nach § 932 BGB nicht möglich war, hat die Beklagte das Eigentum an den Materialien ohne rechtfertigenden Grund erworben, so dass sie nach §§ 951 Abs. 1, 812 ff. BGB zum Wertersatz verpflichtet ist.

2. Diesem Anspruch steht die zwischen dem Streithelfer der Beklagten und der Klägerin getroffene Vereinbarung vom 23.10.2007, wonach die Klägerin sich bereit erklärt, dem Streithelfer den restlichen Teil der anerkannten Forderung zu erlassen, sofern ihr bis zum 30.11.2007 der aktuelle Rückkaufswert der Lebensversicherung überwiesen wird, nicht entgegen.

Zwar hat die Klägerin unstreitig den aktuellen Rückkaufswert der Lebensversicherung erhalten, so dass die Erlasswirkung gegenüber dem Streithelfer eingetreten ist. Diesem Erlass kommt jedoch keine Wirkung gegenüber der Beklagten zu.

Es ist schon zweifelhaft, ob die Grundvoraussetzung für eine solche Gesamtwirkung des Erlasses, dass nämlich die Beklagte und ihr Streithelfer Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB sind, überhaupt vorliegt. Voraussetzung hierfür wäre, dass ihre Verpflichtungen unabhängig davon, dass sie aus verschiedenem Rechtsgrund entstanden sind, gleichstufig (gleichrangig) wären (BGH NJW 2007, 1208 Rn. 17 m. w. N., zitiert nach juris). Diese Voraussetzung hat der BGH (NJW 1969, 1165 = BGHZ 52,39 ff. Rn. 15 ff., zitiert nach juris) für den auf Schadensersatz haftenden Schädiger und den auf Herausgabe des Verkaufserlöses nach § 816 BGB haftenden Veräußerer bejaht. Ob sie auch zwischen dem auf Schadensersatz haftenden Dieb und dem auf Wertersatz nach §§ 951, 812 BGB Haftenden gegeben ist, kann letztlich offen bleiben, da der Vereinbarung vom 23.10.2007 keine (beschränkte) Gesamtwirkung zukommt.

Nach § 423 BGB wirkt der zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarte Erlass auch für die übrigen Schuldner, wenn die Vertragsschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten. Ein entsprechender übereinstimmender Parteiwille muss sich aus dem Inhalt der Willenserklärungen durch Auslegung feststellen lassen. Im Zweifel hat der Erlass nur Einzelwirkung (BGH NJW 2000, 1942 ff. Rn. 20; NJW-RR 2005, 34 ff. Rn. 27; OLG Düsseldorf IPRspr 2005, Nr. 115, 287 ff. Rn. 22, jeweils zitiert nach juris).

Im Streitfall lässt sich ein solcher Parteiwille nicht feststellen. Er ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vereinbarung vom 23.10.2007 (Anlage B 4 = Bl. 37 f.) noch unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage.

Die Vereinbarung ist mit "Erklärungen zum Arbeitsverhältnis und Schuldanerkenntnis" überschrieben und regelt lediglich die Beziehungen der Klägerin zu dem Streitverkündeten als ihrem Arbeitnehmer unter Einbeziehung des Schadensersatzanspruchs wegen Entwendung des Eigentums der Klägerin. Nach Ziffer 3 dieser Vereinbarung erklärt sich die Klägerin ausdrücklich nur bereit, dem Arbeitnehmer den restlichen Teil der unter Ziffer 2 anerkannten Forderung in Höhe von 32.000 EUR zu erlassen, wenn ihr bis zum 31.11.2007 der aktuelle Rückkaufswert (am 01.04.2005 2.281,20 EUR) der Lebensversicherung des Streithelfers gutgeschrieben wird. Dieser Wortlaut ist zunächst eindeutig und geht dahin, dem Streithelfer selbst seine Schuld gegenüber der Klägerin zu erlassen. Dass hiervon auch Ansprüche gegenüber weiteren (Gesamt-) Schuldnern erfasst werden sollten, lässt sich dem Wortlaut gerade nicht entnehmen, zumal auch im Weiteren nur Ansprüche zwischen der Klägerin und dem Streithelfer aus dem Arbeitsverhältnis geregelt werden.

Auch die Interessenlage der vertragsschließenden Parteien spricht vorliegend nicht für eine Gesamtwirkung des Erlasses. Zwar kann sich der Wille der Vertragsparteien, das Schuldverhältnis insgesamt aufzuheben, im Einzelfall daraus ergeben, dass der Erlass gerade mit dem Gesamtschuldner vereinbart wird, der im Innenverhältnis unter den Gesamtschuldnern die Verbindlichkeit allein tragen müsste, denn sonst könnte dieser im Wege des Regresses nach § 426 BGB wieder in Anspruch genommen werden (OLG Köln NJW-RR 1992, 1398 Rn. 7; BGH NJW 2000, 1942 ff. Rn. 23, jeweils zitiert nach juris). Dies trifft auch im Streitfall zu, denn im Verhältnis zur Beklagten muss der Streithelfer für den durch den Diebstahl entstandenen Schaden allein einstehen. Der Senat verkennt auch nicht, dass der Streithelfer ein Interesse daran hat, dass für ihn mit der mit der Klägerin geschlossenen Vereinbarung die gesamte Sache erledigt ist. Trotzdem kann unter Berücksichtigung der tatsächlich getroffenen Abreden und des Wortlauts der Vereinbarung nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin auch auf Ansprüche gegen Dritte verzichten wollte. Hiergegen spricht schon der Umstand, dass der Streithelfer eine Schuld in Höhe von 32.000 EUR anerkannt hat und im Verhältnis hierzu die von ihm zu erbringende Leistung mit tatsächlich ausgezahlten 3.443,58 EUR nur ganz geringfügig ist. Dass und aus welchem Grund sich die Klägerin mit diesem geringen Betrag insgesamt zufrieden geben und insbesondere den Streithelfer von eventuellen Ausgleichsansprüchen freistellen wollte, ist weder offensichtlich noch von der Beklagten bzw. dem Streithelfer dargetan. Vielmehr ist die Behauptung der Klägerin, sie habe sich allein aus wirtschaftlichen Gründen mit dem einzigen Vermögensgegenstand des Streithelfers begnügt, plausibel, denn sie hätte eine mögliche streitige Auseinandersetzung mit dem Streithelfer angesichts des Beweismaterials nicht fürchten müssen. Vor diesem Hintergrund drängt es sich geradezu auf, dass sie keinesfalls auf mögliche Ansprüche gegen Dritte verzichten wollte. Dem steht auch die Interessenlage auf Seiten des Streithelfers nicht entgegen. Vor dem Hintergrund der erdrückenden Beweislage und einem drohenden Strafverfahren konnte er seine Situation durch seine Bemühungen um Wiedergutmachung des Schadens nur verbessern. Zudem finden sich trotz eines natürlichen Interesses des Streithelfers daran, dass der Erlass auch mögliche Ansprüche Dritter mit umfasst, im Wortlaut der Vereinbarung keine Anhaltspunkte hierfür. In Anbetracht der nur geringfügigen Zahlung konnte er auch nicht davon ausgehen, dass die Klägerin auf mögliche Ansprüche gegen Dritte verzichten wollte. Vielmehr war offensichtlich, dass sie sich mit dem (wirtschaftlichen) Risiko, ihre weitergehenden Ansprüche gegen den Streithelfer durchsetzen zu müssen, nicht belasten wollte. Schließlich ist auch nicht dargetan, dass die Parteien dieser Vereinbarung bei deren Abfassung solche Ansprüche überhaupt in Betracht gezogen haben und sie ausschließen wollten. Danach kann gerade nicht festgestellt werden, dass dem Erlass gemäß Vereinbarung vom 23.10.2007 Gesamtwirkung zu kommen sollte.

Aus den gleichen Gründen kommt dem Erlass auch keine beschränkte Gesamtwirkung zu. Eine solche ist dann anzunehmen, wenn der Partner des Erlassvertrages völlig und die anderen Gesamtschuldner im Wege des Vertrages zu Gunsten Dritter hinsichtlich des Forderungsanteils, den der begünstigte Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragen hätte, frei werden (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl. 2009 § 423 Rn. 4; BGH NJW 2000, 1942 ff. Rn. 24, zitiert nach juris). Dies würde vorliegend ebenfalls dazu führen, dass der Klägerin keine Ansprüche gegen die Beklagte mehr zustehen, da im Innenverhältnis der Streithelfer für den entstandenen Schaden allein verantwortlich ist. Auch für eine solch beschränkte Gesamtwirkung liegen aber keine Anhaltspunkte vor.

3. Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch der Klägerin allerdings nur auf 28.732,28 EUR, da sie sich entsprechend Ziffer 3 der Vereinbarung vom 23.10.2007 (Bl. 37 f.) den tatsächlich erhaltenen Rückkaufswert (vgl. Schreiben der V. vom 07.11.2007, Bl. 72) der Lebensversicherung anrechnen lassen muss. Dagegen kann die Klägerin auch nicht einwenden, dass sie tatsächlich einen Schaden in Höhe von mindestens 50.000 EUR erlitten habe, auf den der überschießende Betrag zu verrechnen sei, denn nach dem klaren Wortlaut der Ziffer 3 sollte der aktuelle Rückkaufswert auf den anerkannten Betrag in Höhe von 32.000 EUR angerechnet werden. Da die Beklagte und der Streithelfer jedenfalls wie Gesamtschuldner zu behandeln sind, kommt dessen Zahlung der Beklagten insgesamt zugute (BGH NJW 1969, 1165 Rn. 15 ff., zitiert nach juris).

Soweit die Beklagte meint, der Streithelfer habe weitere Leistungen, nämlich den Verzicht auf Urlaubs- und sonstige Freizeitansprüche ("Stundenkonto") erbracht, die ebenfalls anzurechnen seien, fehlt es bereits an einem schlüssigen Vortrag, denn sie hat nicht dargetan, dass und in welchem Umfang mit welchem Wert solche Ansprüche überhaupt bestanden haben. Schließlich spricht gegen eine Anrechnung auch der klare Wortlaut der Vereinbarung, wonach diese Ansprüche in natura gewährt und damit ausgeglichen und erfüllt sind. Zudem war nach Ziffer 3 der Erlass lediglich von der Zahlung des aktuellen Rückkaufswertes der Lebensversicherung des Streithelfers abhängig gemacht.

Nach alledem hat die Berufung der Beklagten lediglich in Höhe eines Betrages von 1.162,38 EUR Erfolg.

Die Entscheidung über die Zinsforderung beruht, wie das Landgericht zutreffend und von der Klägerin nicht beanstandet ausgeführt hat, auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Klägerin bereits bei Verzugseintritt am 27.11.2007 der Rückkaufswert der Lebensversicherung zugeflossen war, so dass sie Zinsen nur aus dem zu diesem Zeitpunkt schon entsprechend verminderten Betrag verlangen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3, 101 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 i. V. m. 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen fehlt (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziffer 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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