Urteil vom Bundesgerichtshof (2. Zivilsenat) - II ZR 56/18

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 18. Januar 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1. April 2014 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der beklagten Kommanditgesellschaft auf Aktien.

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Der Jahresabschluss der Beklagten zum 31. Dezember 2011 wurde von dem Streithelfer zu 1 erstellt, von dem Streithelfer zu 2 einer freiwilligen Prüfung unterzogen und durch Beschluss der Hauptversammlung vom 15. Mai 2012 festgestellt. Zur Verwendung des mit 38.675.930,99 € ausgewiesenen Bilanzgewinns beschloss die Hauptversammlung die Gewährung von Dividenden in Höhe von 0,07 € auf jede gewinnbezugsberechtigte Stammaktie und in Höhe von 0,12 € auf jede gewinnbezugsberechtigte Vorzugsaktie. Der verbleibende Gewinn sollte in das Folgejahr übertragen werden. Der Jahresabschluss wurde im Bundesanzeiger am 14. Dezember 2012 bekanntgemacht.

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Über das Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters der Beklagten,    B.   , wurde am 29. Juli 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger auch insoweit zum Insolvenzverwalter bestellt.

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Der Kläger hat mit der Klage beantragt, die Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Beklagten zum 31. Dezember 2011 sowie des Gewinnverwendungsbeschlusses vom 15. Mai 2012 festzustellen. Die Klageschrift ist am 30. November 2015 bei Gericht eingegangen und am 23. Dezember 2015 anB.    sowie den Vorsitzenden des Aufsichtsrats Bu.   zugestellt worden. Am 19. September 2016 ist sie außerdem an den für die Beklagte bestellten Prozesspfleger zugestellt worden.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da der Kläger hinsichtlich des nicht heilbaren Nichtigkeitsgrundes nach § 256 Abs. 1 Nr. 2 nicht klagebefugt und wegen der anderen geltend gemachten Nichtigkeitsgründe die Heilungsfrist nach § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG abgelaufen sei. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger den Jahresabschluss für das Jahr 2011 neu erstellt und auf einer Internetseite der Schuldnerin öffentlich zugänglich gemacht. Er hat die Auffassung geäußert, dass der neu erstellte Abschluss den von der Hauptversammlung festgestellten Abschluss ersetzen solle.

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Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet er sich mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Der Kläger sei uneingeschränkt klagebefugt. Der erforderliche Massebezug sei gegeben, da mit der geltend gemachten Nichtigkeit des Jahresabschlusses auch der Gewinnverwendungsbeschluss seine Grundlage verliere und infolgedessen Rückgewähransprüche gegen die Kommanditaktionäre bestünden. Ein gesondertes Nichtigkeitsfeststellungsinteresse oder ein besonderes Rechtsschutzinteresse setze die Nichtigkeitsklage nach § 256 Abs. 7 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht voraus.

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Der angegriffene Jahresabschluss sei nicht schon deswegen - unheilbar - nichtig, weil eine gesetzlich vorgeschriebene Pflichtprüfung unterblieben sei. Eine Pflichtprüfung nach § 316 HGB sei nicht geboten und die freiwillige Prüfung durch den Streithelfer zu 2 ausreichend gewesen, da es sich bei der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt um eine kleine Kapitalgesellschaft gemäß § 267 Abs. 1 HGB gehandelt habe. Ausschlaggebend sei, dass die Umsatzerlöse den damals geltenden Schwellenwert nicht überschritten hätten. Gemessen an den für die Annahme von Umsatzerlösen maßgebenden Kriterien könnten keine Umsatzerlöse durch sog. Teilrückkäufe fondsgebundener Lebensversicherungen festgestellt werden.

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11

Auf heilbare Nichtigkeitsgründe könne sich der Kläger nicht mehr stützen, da die Klage nicht vor Ablauf der dreijährigen Heilungsfrist am 14. Dezember 2015 erhoben worden sei. Zwar genüge die rechtzeitige Anhängigkeit der Klage, wenn die Zustellung "demnächst" erfolge (§ 167 ZPO). Diese Voraussetzung sei aber nicht erfüllt.

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Am 23. Dezember 2015 sei die Klage nicht wirksam zugestellt worden. Eine gegen eine Kommanditgesellschaft auf Aktien gerichtete Nichtigkeitsfeststellungsklage sei an den persönlich haftenden Gesellschafter und den Aufsichtsrat zuzustellen, da für die Klage, auch wenn sie vom Insolvenzverwalter geführt werde, der Grundsatz der Doppelvertretung gelte. An der somit neben der Zustellung an den Aufsichtsrat erforderlichen Zustellung an den persönlich haftenden Gesellschafter fehle es, da der Zustellungsadressat B.    durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens 52;ber sein Vermögen bereits am 29. Juli 2014 aus der beklagten Gesellschaft ausgeschieden sei.

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Die Zustellung der Klage nur an den Aufsichtsrat könne auch nicht wegen Führungslosigkeit der Gesellschaft gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG als wirksam angesehen werden. Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Doppelvertretung sei § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Eine alleinige Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats folge ferner nicht aus § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG, da der Insolvenzverwalter die Klage aus eigenem Recht, nicht aus einem vom Vorstand bzw. dem Komplementär abgeleiteten Recht erhebe.

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Die Zustellung der Klage an den Prozesspfleger am 19. September 2016 könne nicht mehr fristwahrend auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurückbezogen werden, da diese Zustellung nicht demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt sei. Die mehrmonatige Verzögerung der wirksamen Zustellung an den Prozesspfleger sei dem Kläger jedenfalls zu einem erheblichen Teil anzulasten.

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Ob der Kläger den am 15. Mai 2012 festgestellten Jahresabschluss inzwischen durch einen neu erstellten Jahresabschluss für 2011 wirksam ersetzt habe, k46;nne dahinstehen, weil die Berufung auch in diesem Fall unbegründet sei.

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II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Soweit der Kläger heilbare Nichtigkeitsgründe geltend macht, kann die Abweisung der Klage nicht auf einen Fristablauf nach § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG gestützt werden, da die Zustellung der Klage an ein Mitglied des Aufsichtsrats ausreichend war und auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurückwirkt.

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1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die Klagebefugnis des Klägers bejaht.

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a) Eine Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 7 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG kann - in Abgrenzung zur allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO - grundsätzlich von den Kommanditaktionären, dem persönlich haftenden Gesellschafter (§ 283 Nr. 13 AktG) und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern erhoben werden. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft ist aber auch der Insolvenzverwalter klagebefugt, soweit die angestrebte Nichtigkeitsfeststellung des Jahresabschlusses die Insolvenzmasse betrifft. Insoweit gilt für die Kommanditgesellschaft auf Aktien nichts Anderes als für die Aktiengesellschaft, bei der die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters allgemein bejaht wird (OLG Dresden, ZIP 2017, 2003, 2004; Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl., § 256 Rn. 31; Rölike in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 256 Rn. 80; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 256 Rn. 227; KK-AktG/Arnold, 3. Aufl., § 256 Rn. 86; Schulz in Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 256 Rn. 20; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 11 Rn. 140; HambKomm-InsO/Kuleisa, 7. Aufl., § 80 Rn. 33; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, 2002, S. 211 f.; Bange, ZInsO 2006, 519; Haase, DB 1977, 241, 243 f.; für eine Klagebefugnis des Insolvenzverwalters auch bei fehlendem Massebezug: Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 256 Rn. 40; Heidel/Heidel, AktG, 5. Aufl., § 256 Rn. 41). Demgegenüber lässt sich den von den Streithelfern angeführten Literaturstellen (Heidel/Heidel, AktG, 4. Aufl., § 256 Rn. 41; Wachter/Früchtl, AktG, 3. Aufl., § 256 Rn. 16; Hölters/Waclawik, AktG, 3. Aufl., § 256 Rn. 38) keine die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters ablehnende Aussage entnehmen.

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aa) Die Befugnis zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage folgt aus der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters. Er hat für die Rechtmäßigkeit des Korporationshandelns zu sorgen, soweit er den hierzu grundsätzlich berufenen persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2015 - II ZR 142/14, BGHZ 206, 143 Rn. 45) aus dessen Aufgabenbereich verdrängt. Die Nichtigkeitsklage des § 256 Abs. 7 AktG dient nicht in erster Linie der Durchsetzung persönlicher Vorteile, sondern der Rechtskontrolle der Rechnungslegung im übergreifenden Interesse an einem zutreffenden Jahresabschluss (vgl. Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 256 Rn. 40; MünchKommAktG/Koch, 4. Aufl., § 256 Rn. 2; Rölike in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., 7; 256 Rn. 2). Im Rahmen seines Aufgabenbereichs übernimmt der Insolvenzverwalter auch die grundsä;tzlich dem persönlich haftenden Gesellschafter obliegende Legalitätskontrolle.

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Zu den Pflichten des Insolvenzverwalters gehört es, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu bewahren und ordnungsgemäß zu verwalten. Diese Pflicht hat sich am gesetzlichen Leitbild des ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters auszurichten, welches an die handels- und gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen angelehnt ist (§ 347 Abs. 1 HGB, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG, § 43 Abs. 1 GmbHG), aber den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens Rechnung zu tragen hat (BGH, Urteil vom 26. Juni 2014 - IX ZR 162/13, ZIP 2014, 1448 Rn. 11 ff.; Urteil vom 16. März 2017 - IX ZR 253/15, BGHZ 214, 220 Rn. 12). Mithin ist auch der Insolvenzverwalter verpflichtet, die rechtlichen Pflichten und Vorgaben der Rechtsordnung wie ein Gesellschaftsorgan einzuhalten, soweit ein Bezug zur Insolvenzmasse besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288 Rn. 37). Ohnehin hat er dafür zu sorgen, dass die B52;cher über die in seine Amtszeit fallenden Vorgänge richtig geführt werden.

21

Da sich der Jahresabschluss auf eine Vielzahl von Personen auswirkt, besteht grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Insolvenzverwalters an einer gerichtlichen Feststellung, die gegenüber allen Betroffenen wirkt. Soweit einer Nichtigkeitsfeststellungsklage stattgegeben wird, wirkt das rechtskräftige Urteil gegen alle Kommanditaktionäre, den persönlich haftenden Gesellschafter und die Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 256 Abs. 7 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1, § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG i.V.m. § 278 Abs. 3, § 283 Nr. 13 AktG) sowie weitergehend gegen jedermann (BGH, Urteil vom 17. Februar 1997 - II ZR 41/96, BGHZ 134, 364, 366; Urteil vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, ZIP 2008, 2215 Rn. 8). Die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters beinhaltet die Aufgabe, die Interessen der insolventen Gesellschaft gegenüber sämtlichen Schuldnern und Gläubigern zu vertreten und erfordert daher eine Klagebefugnis für eine Nichtigkeitsklage (H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, 2002, S. 211 f.).

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bb) Die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters besteht allerdings nur, soweit die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses die Insolvenzmasse betrifft (Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl., § 256 Rn. 31; Rölike in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 256 Rn. 80; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 11 Rn. 140; Haase, DB 1977, 241, 243 f.; vgl. auch OLG Dresden, ZIP 2017, 2003, 2004; aA Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 256 Rn. 40; Heidel/Heidel, AktG, 5. Aufl., § 256 Rn. 41). Dies folgt aus der Ableitung der Klagebefugnis des Verwalters aus seiner auf die Insolvenzmasse bezogenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Die Organe einer juristischen Person bleiben nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen und nehmen weiterhin die Kompetenzen wahr, die nicht die Insolvenzmasse betreffen (BGH, Beschluss vom 26. November 2019 - II ZB 21/17, ZIP 2020, 266 Rn. 37).

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Die derart eingegrenzte Klagebefugnis des Insolvenzverwalters entspricht spiegelbildlich der Passivlegitimation des Insolvenzverwalters gemäß den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätzen zur Unterbrechungswirkung einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Gesellschaft bei aktienrechtlichen Beschlussmängelklagen. Eine Unterbrechung nach § 240 Satz 1 ZPO tritt nur ein, wenn der Insolvenzverwalter zur Rechtsverteidigung berufen ist, weil durch den angegriffenen Beschluss Ansprüche der Masse begründet werden oder Verbindlichkeiten wegfallen. Der Insolvenzverwalter darf hingegen nicht gezwungen werden, im Prozess einen für die Masse nachteiligen Beschluss zu verteidigen (BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 246/09, BGHZ 190, 291 Rn. 9 mwN).

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In Entsprechung hierzu ist eine zur Klagebefugnis des Insolvenzverwalters im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach § 256 Abs. 7 AktG führende Betroffenheit der Insolvenzmasse anzunehmen, wenn die beanstandeten Mängel des Jahresabschlusses nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben, der klagende Insolvenzverwalter mithin den angegriffenen Jahresabschluss durch einen für die Masse günstigeren Jahresabschluss ersetzen möchte (vgl. Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 256 Rn. 227 bei Fn. 577; Haase, DB 1977, 241, 243 f.). Eine ausreichende Massebetroffenheit ist jedenfalls dann gegeben, wenn auf dem angegriffenen Jahresabschluss zivilrechtliche oder steuerrechtliche Verbindlichkeiten beruhen, die zu einer Verringerung der Masse führen und die Klage der dauerhaften Beseitigung oder Verminderung dieser Verbindlichkeiten dient.

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b) Nach diesen Maßgaben lässt die Annahme des Berufungsgerichts, der für die Klagebefugnis erforderliche Massebezug sei gegeben, keine Rechtsfehler erkennen. Auch soweit der Kläger den "neutralen" Nichtigkeitsgrund der Verletzung einer gesetzlichen Prüfungspflicht geltend macht, richtet sich das Klagebegehren auf die allgemein verbindliche Feststellung, dass die vorgenommenen Gewinnzuweisungen keine Grundlage haben. Der Kläger strebt die Ersetzung des angegriffenen Jahresabschlusses durch einen für die Masse günstigeren Abschluss an.

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Der Einwand des Streithelfers zu 1, eine Bilanznichtigkeitsklage könne sich auf die Insolvenzmasse nicht auswirken, wenn der beanstandete Jahresabschluss ohnehin nichtig sei, ist unberechtigt. Es entspricht dem Wesen der Nichtigkeitsfeststellungsklage, dass sich ein zusprechendes Urteil nicht gestaltend auf die bestehende Rechtslage auswirkt; gleichwohl erkennt der Gesetzgeber ein Bedürfnis an einer gerichtlichen Nichtigkeitsfeststellung an. Für die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters genügt es daher, dass die gegenüber jedermann verbindlich festzustellende Nichtigkeit des Jahresabschlusses für die Insolvenzmasse günstig ist.

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c) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht auch erkannt, dass ein besonderes Rechtsschutzinteresse oder Feststellungsinteresse für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach § 256 Abs. 7 AktG nicht erforderlich ist.

28

Für die persönlich haftenden Gesellschafter, die Aufsichtsratsmitglieder und die Kommanditaktionäre ergibt sich ein ausreichendes Nichtigkeitsfeststellungsinteresse schon aus der korporationsrechtlichen Beziehung bzw. Mitgliedschaft in der Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1965 - II ZR 287/63, BGHZ 43, 261, 265; Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl., § 249 Rn. 11 mwN). Klagt ein Insolvenzverwalter auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, über deren zur Masse gehörendes Vermögen er verwaltungs- und verfügungsbefugt ist, ergibt sich sein Feststellungsinteresse aus der ihm eingeräumten Rechtsstellung. Er verdrängt den persönlich haftenden Gesellschafter insbesondere hinsichtlich der Aufstellung, Vorlegung und Prüfung des Jahresabschlusses sowie der diesbezüglichen Legalitätskontrolle. Soweit seine gesellschaftsrechtlichen Befugnisse reichen, steht er kraft seines Amtes in einer gleichsam korporationsrechtlichen Beziehung zur Gesellschaft.

29

Bei einer Aktiengesellschaft tritt der Insolvenzverwalter in Ansehung seiner Klagebefugnis für Beschlussmängelklagen und Klagen nach § 256 Abs. 7 AktG an die Stelle des Vorstandes (vgl. Noack/Zetzsche in KK-AktG, 3. Aufl., § 245 Rn. 145; Hüffer/Schäfer in MünchKommAktG, 4. Aufl., § 245 Rn. 71; Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 245 Rn. 47; Drescher in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 245 AktG Rn. 14; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 256 Rn. 227 bei Fn. 577) und hat ebenso wenig wie dieser ein besonderes Nichtigkeitsfeststellungsinteresse nachzuweisen. Bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien tritt er in gleicher Weise an die Stelle des persönlich haftenden Gesellschafters.

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d) Das Rechtsschutzinteresse des Klägers ist mit der Erstellung eines neuen Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2011 nicht entfallen.

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aa) Nach verbreiteter Ansicht können Fehler eines bereits festgestellten Jahresabschlusses nachträglich - gegebenenfalls auch im Wege einer Rückwärtsberichtigung - berichtigt werden (Hennrichs/Pöschke in MünchKommAktG, 4. Aufl., § 172 Rn. 82; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 172 Rn. 26; Euler/Klein in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 172 Rn. 38 f.; MünchHdbGesR IV/Hoffmann-Becking, 4. Aufl., § 46 Rn. 16; Mock in Hachmeister/Kahle/Mock/ Schüppen, Bilanzrecht, § 172 AktG Rn. 24; aA KK-AktG/Ekkenga, 3. Aufl., § 172 Rn. 28). Die Zuständigkeit hierfür geht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO auf den Insolvenzverwalter über(Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 155 Rn. 10, 11).

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Eine Rückwärtsberichtigung kann das Rechtsschutzinteresse an einer Nichtigkeitsfeststellungsklage aber schon deshalb nicht beseitigen, weil der festgestellte Jahresabschluss im Falle seiner Nichtigkeit rechtlich nicht existent ist und dies die Erstellung eines neuen Abschlusses ermöglicht, der sich nicht auf eine bloße Fehlerkorrektur beschränken muss (vgl. MünchHdbGesR IV/Hoffmann-Becking, 4. Aufl., § 46 Rn. 15; Hennrichs/Pöschke in MünchKommAktG, 4. Aufl., § 172 Rn. 56).

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33

Zudem kann durch eine Rückwärtsberichtigung - ohne Zustimmung aller betroffenen Aktionäre bzw. Kommanditaktionäre - nicht in Dividendenansprüche eingegriffen werden, die durch einen rechtswirksamen Gewinnverwendungsbeschluss bereits als Gläubigerrechte begründet wurden (Hennrichs/Pöschke in MünchKommAktG, 4. Aufl., § 172 Rn. 86; Euler/Klein in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 172 Rn. 43; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 172 Rn. 26; Mock in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, § 172 AktG Rn. 27).

34

Die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses erfasst hingegen auch den Gewinnverwendungsbeschluss, der auf ihm beruht (§ 253 Abs. 1 Satz 1 AktG). Auf den Gewinnverwendungsbeschluss gestützte Gewinnauszahlungsansprüche verlieren damit ihre Grundlage und bereits ausbezahlte Dividenden können nach Maßgabe von § 62 Abs. 1 AktG zurückgefordert werden. Im Falle einer erfolgreichen Nichtigkeitsfeststellungsklage stehen diese Rechtswirkungen gegenüber jedermann verbindlich fest (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1997 - II ZR 41/96, BGHZ 134, 364, 366; Urteil vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, ZIP 2008, 2215 Rn. 8). Angesichts dessen hat der Insolvenzverwalter an der angestrebten Feststellung auch dann weiterhin ein Rechtsschutzinteresse, wenn er eine Rückwärtskorrektur vorgenommen hat.

35

bb) Auch, wenn in der Erstellung des neuen Jahresabschlusses eine umfassende Ersetzung des beanstandeten Abschlusses in der Annahme seiner Nichtigkeit zu sehen sein sollte, gilt im Ergebnis nichts Anderes.

36

Allerdings wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, die Gesellschafts-organe seien zu einer Neuvornahme des Jahresabschlusses nicht nur im Falle einer verbindlich festgestellten oder objektiv gegebenen Nichtigkeit des Abschlusses berechtigt, sondern auch dann, wenn die Nichtigkeit lediglich als zweifelhaft erscheine (MünchKommAktG/Koch, 4. Aufl., § 256 Rn. 82;KK-AktG/Arnold, 3. Aufl., § 256 Rn. 94).

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Ob dieser Einschätzung gefolgt und eine solche Befugnis ggf. auch dem Insolvenzverwalter zugestanden werden kann, muss hier nicht entschieden werden. Denn einer derartigen Neuvornahme käme jedenfalls keine Rückwirkung zu (M&#252;nchKommAktG/Koch, 4. Aufl., § 256 Rn. 82). Damit kann sie den früher festgestellten Jahresabschluss, sofern dieser ungeachtet bestehender Zweifel in Wahrheit nicht nichtig sein sollte, auch nicht rückwirkend beseitigen. Gleiches gilt für den Gewinnverwendungsbeschluss als Grundlage der Gewinnauszahlungsansprüche der Aktionäre bzw. Kommanditaktionäre. Das Rechtsschutzinteresse für die Nichtigkeitsfeststellungsklage bleibt bestehen, da diese Klage darauf gerichtet ist, dem Insolvenzverwalter insbesondere gegenüber den Kommanditaktionären eine gesicherte Rechtsposition zu verschaffen, die er mit einer Neuvornahme des Abschlusses nicht gleichwertig erreichen kann.

38

2. Entgegen der Ansicht des Streithelfers zu 2 ist das Berufungsgericht auch zu Recht von der Passivlegitimation der Beklagten ausgegangen.

39

a) Die Nichtigkeitsklage ist gemäß § 256 Abs. 7 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG im Ausgangspunkt gegen die Gesellschaft zu richten. Daran ändert sich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft grundsätzlich nichts, da sie die Partei- und Prozessfähigkeit der Schuldnerin unberührt lässt (BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260 Rn. 6). Nur soweit der Gegenstand der Klage die der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegende Insolvenzmasse betrifft, ist die Nichtigkeitsklage gegen den Verwalter als Partei kraft Amtes zu erheben. Daraus folgt, dass die Gesellschaft gegenüber Klagen passivlegitimiert bleibt, die im Erfolgsfall zu Vorteilen für die Masse führen oder masseneutral sind. Der Insolvenzverwalter darf nicht zu einer für die Masse nachteiligen Rechtsverteidigung gezwungen werden (BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 246/09, BGHZ 190, 291 Rn. 9; Beschluss vom 21. November 2005 - II ZR 79/04, ZIP 2006, 368 Rn. 2; OLG Dresden, ZIP 2017, 2003, 2005).

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b) Danach ergibt sich im Streitfall die Passivlegitimation der Beklagten aus den gleichen Gründen, aus denen der Kläger als Insolvenzverwalter klagebefugt ist. Da die Klage auf eine Mehrung der Masse abzielt, ist die Verteidigung gegen diese Klage Sache der Gesellschaft. Der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zur Rechtsverteidigung gegen die vom Insolvenzverwalter erhobene Klage bedarf es nicht.

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Der Einwand des Streithelfers zu 2, dass die durch die Klage verursachten Kosten die Masse belasten und die Beklagte dem schutzlos ausgeliefert sei, ändert an der Passivlegitimation der Beklagten nichts und führt auch nicht zur Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers. Die Beklagte kann als juristische Person grundsätzlich Prozesskostenhilfe beanspruchen. Dass dies nur unter den engen Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO möglich ist, deren Erfüllung der Senat im vorliegenden Fall mit Beschluss vom 23. Juli 2019 (ZInsO 2019, 1840) verneint hat, ist als verfassungskonforme (BVerfGE 35, 348, 355) Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen.

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3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, der Kläger könne heilbare Nichtigkeitsgründe wegen Fristablaufs nicht mehr geltend machen.

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>a) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, kann die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses gemäß § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG nach Ablauf einer Frist von drei Jahren seit der in § 325 HGB vorgeschriebenen Bekanntmachung im Bundesanzeiger nicht mehr geltend gemacht werden, soweit sie auf Nichtigkeitsgründe gemäß § 256 Abs. 4, 5 AktG gestützt wird. Diese Frist begann hier mit der Veröffentlichung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2011 im Bundesanzeiger am 14. Dezember 2012 und endete vorbehaltlich einer Fristverlängerung nach § 256 Abs. 6 Satz 2 AktG mit Ablauf des 14. Dezember 2015.

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b) Im Streitfall ist eine Fristverlängerung infolge rechtzeitiger Klageerhebung eingetreten, da die Nichtigkeitsfeststellungsklage bereits am 30. November 2015 anhängig geworden und dem Mitglied des Aufsichtsrats Bu. 0;  "demnächst" zugestellt worden ist.

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aa) Grundsätzlich ist die gegen eine Kommanditgesellschaft auf Aktien gerichtete Bilanznichtigkeitsklage, auch wenn sie vom Insolvenzverwalter geführt wird, an den oder die persönlich haftenden Gesellschafter und den Aufsichtsrat zuzustellen. Gem&#228;ß § 170 Abs. 3 ZPO genügt die Zustellung an einen Komplementär und ein Aufsichtsratsmitglied (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1960 - II ZR 56/59, BGHZ 32, 114, 119; Urteil vom 13. April 1992 - II ZR 105/91, AG 1992, 265, 266; Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 51 - Kirch/Deutsche Bank).

46

(1) Zutreffend hat das Berufungsgericht den Grundsatz der Doppelvertretung auf Klagen zur Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses für anwendbar gehalten.

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Nach § 246 Abs. 2 Satz 2, § 249 Abs. 1 AktG wird eine Aktiengesellschaft sowohl bei Anfechtungsklagen als auch bei Nichtigkeitsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten. Dies gilt auch für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses, da § 256 Abs. 7 Satz 1 AktG auf § 249 AktG verweist. Die gleichen Regeln gelten gemäß § 278 Abs. 3, § 283 Nr. 13 AktG für eine Kommanditgesellschaft auf Aktien mit der Maßgabe, dass der persönlich haftende Gesellschafter an die Stelle des Vorstands tritt (MünchKommAktG/Perlitt, 5. Aufl., § 278 Rn. 251; Bachmann in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 285 Rn. 12;Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl., § 278 Rn. 16).

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(2) Die in § 246 Abs. 2 AktG niedergelegten Vertretungsgrundsätze, die im Regelfall Doppelvertretung vorsehen, gelten auch für eine Klage des Insolvenzverwalters auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses. Die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters ändert nichts an der gesetzlichen Ausgestaltung der Nichtigkeitsfeststellungsklage im Übrigen. Insbesondere bleiben die besonderen Vertretungsregeln für die beklagte Gesellschaft unberührt.

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(3) Die Beklagte wird nicht in entsprechender Anwendung der für eine Vorstandsklage geltenden Vorschriften (§ 246 Abs. 2 Satz 3, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG i.V.m. § 278 Abs. 3, § 283 Nr. 13 AktG) vom Aufsichtsrat allein vertreten.

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Zwar gründet sich die Annahme einer massebezogenen Klagebefugnis des Insolvenzverwalters im Wesentlichen darauf, dass er den Vorstand bzw. den persönlich haftenden Gesellschafter im Rahmen seiner insolvenzrechtlichen Befugnisse aus dessen Aufgabenbereich verdrängt. Die dem Insolvenzverwalter deshalb einzuräumenden prozessualen Befugnisse erfordern aber keine Ausnahme von der Doppelvertretung gemäß § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG. Die Vorschrift dient der Vermeidung von Interessenkollisionen (K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 246 Rn. 38; D&#246;rr in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 246 Rn. 30). Die Gefahr einer Interessenkollision besteht bei einer Klage des Insolvenzverwalters nicht, da der Verwalter zwar funktional in der Rolle des Vorstands bzw. des persönlich haftenden Gesellschafters handelt, aber nicht notwendig dessen Interessen teilt.

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51

bb) Im Streitfall genügte jedoch die Zustellung der Klageschrift an das Mitglied des Aufsichtsrats Bu.   am 23. Dezember 2015, da die Beklagte durch das Ausscheiden ihres einzigen persönlich haftenden Gesellschafters führungslos geworden war (§ 78 Abs. 1 Satz 2, § 278 Abs. 3 AktG).

52

(1) Der persönlich haftende Gesellschafter B.   ist, wie das Berufungsgericht zutreffend und im Revisionsverfahren unbeanstandet angenommen hat, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen im Juli 2014 aus der Beklagten ausgeschieden (§ 278 Abs. 2 AktG, § 161 Abs. 2, § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB). Ein Abwickler wurde nicht bestellt. Unabhängig von der Frage, ob eine Kommanditgesellschaft auf Aktien durch das Ausscheiden ihres einzigen persönlich haftenden Gesellschafters aufgelöst wird (MünchKommAktG/Perlitt, 5. Aufl., § 289 Rn. 143 ff.; K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 289 Rn. 15, 36; Bachmann in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 289 Rn. 26; Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 289 Rn. 63; Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl., § 289 Rn. 9; Förl/Fett in Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 289 Rn. 8) oder sich automatisch in eine Aktiengesellschaft umwandelt(Bunnemann, Das Ausscheiden des letzten Komplementärs aus der Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2008, 54 ff.; Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1751; für Umwandlung nach fruchtlosem Ablauf einer Dreimonatsfrist entsprechend § 139 Abs. 3 Satz 1 HGB: Assmann/Sethe in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 289 Rn. 147), ist die Beklagte durch das Ausscheiden ihres Komplementärs B.    führungslos geworden.

53

(2) Die Vorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG, die bei Führungslosigkeit der Aktiengesellschaft eine Empfangsvertretung durch den Aufsichtsrat vorsieht, ist auch auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien anwendbar (Bachmann in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 278 Rn. 80a; K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 278 Rn. 7; MünchKommAktG/Perlitt, 5. Aufl., § 278 Rn. 260; MünchHdbGesR VII/ Gehle, 5. Aufl., § 9 Rn. 109).

54

(a) Zwar bestimmen sich die Vertretungsbefugnisse der pers46;nlich haftenden Gesellschafter nach den Vorschriften des HGB über die Kommanditgesellschaft (§ 278 Abs. 2 AktG). § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG regelt aber eine Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat für eine Fallgestaltung, in der es an einem persönlich haftenden Gesellschafter gerade fehlt. Die Bestimmung unterfällt daher der grundsätzlichen Verweisung auf das Aktienrecht in § 278 Abs. 3 AktG, wo ohne Ausnahme einzelner Abschnitte, wie etwa der Regelungen über den Vorstand (§§ 76 ff. AktG), die Vorschriften des ersten Buches des Aktiengesetzes (§§ 1-277 AktG) für sinngemäß anwendbar erklärt werden.

55

(b) Der Zweck der Vorschrift steht ihrer Anwendung auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht entgegen.

56

Die mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) eingeführte Regelung zielt auf Missbrauchsvermeidung. Sie soll insbesondere verhindern, dass durch die absichtliche Herbeiführung der Führungslosigkeit der Gesellschaft der Zugang von Willenserklärungen und Zustellungen vereitelt und eine Durchsetzung von Anspr&#252;chen behindert werden können (RegE,BT-Drucks. 16/6140, S. 52). Bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien mag die angesprochene Missbrauchsgefahr - auch im Vergleich zur Aktiengesellschaft - geringer sein. Ein gleichsam rechtsformspezifischer Missbrauchsschutz, der die Vertretungsregelung entbehrlich machte, besteht aber entgegen der Auffassung des Streithelfers zu 2 nicht.

57

Nach der gesetzlichen Regelung kann der persönlich haftende Gesellschafter zwar nicht ohne weiteres sein Amt niederlegen oder von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden; es bedarf eines wichtigen Grundes (§ 161 Abs. 2, § 105 Abs. 2 HGB, § 712 Abs. 2 BGB; § 161 Abs. 2, § 117 HGB). Er kann auch nicht ohne weiteres mit sofortiger Wirkung aus der Gesellschaft ausscheiden (§ 161 Abs. 2, § 131 Abs. 3 HGB). Aber abgesehen davon, dass das Erfordernis eines wichtigen Grundes, dessen Vorliegen auch auf dem Verhalten der Beteiligten beruhen kann, keinen unüberwindbaren Schutz vor missbräuchlichem Verhalten bietet, ist zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen für das Ausscheiden der persönlich haftenden Gesellschafter in der Satzung abweichend vom Gesetz geregelt werden können, wobei ein erheblicher Spielraum besteht (vgl. Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 278 Rn. 23, § 289 Rn. 61 mwN). Schon deshalb verbleiben Missbrauchsmöglichkeiten.

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58

(c) Auch die weiteren Einwendungen des Streithelfers zu 2 rechtfertigen keine andere Einschätzung. Die Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG, die dem Aufsichtsrat lediglich eine Empfangsvertretung im Fall der Führungslosigkeit zuschreibt, gilt unabhängig von dem konkreten Umfang der sonstigen Kompetenzen des Aufsichtsrats. Insbesondere lässt die im Unterschied zur Aktiengesellschaft fehlende Personalkompetenz des Aufsichtsrats einer Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht dessen Eignung zur Empfangsvertretung entfallen. Des Weiteren beziehen sich dem Aufsichtsrat eingeräumte Vertretungsbefugnisse, wenngleich § 287 Abs. 2 AktG von einer Vertretung der Kommanditaktionäre spricht, anerkanntermaßen auf die Gesellschaft als solche (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 364/02, ZIP 2005, 348; Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 287 Rn. 22). Die Anwendung des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG fügt sich in dieses Regelungskonzept ein.

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(3) Der Vertretungsregelung in § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG unterliegen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch die Fälle, in denen eine Doppelvertretung der Gesellschaft durch Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschrieben ist.

60

(a) Die Bestimmung knüpft zwar an die allgemeine Vertretungsregelung des § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG an, die den Vorstand als reguläres Vertretungsorgan festlegt. Ist der Vorstand unbesetzt, tritt der Aufsichtsrat für die Empfangsvertretung an seine Stelle. Die dem Aufsichtsrat damit eingeräumte Befugnis kann aber nicht deshalb entfallen, weil der Aufsichtsrat auch schon bei störungsfreiem Zustand infolge vorgeschriebener Doppelvertretung an der gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft teilhat. Vielmehr wird diese Konstellation von § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG erst Recht erfasst (vgl. Habersack/Foerster in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 78 Rn. 28). Soweit der Streithelfer zu 1 darauf hinweist, dass in diesem Fall die Bestellung eines Prozesspflegers für notwendig gehalten werde, spricht dies nicht gegen die Anwendbarkeit des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG, sondern trägt nur dem Umstand Rechnung, dass die Möglichkeit der Zustellung an den Aufsichtsrat nicht mit der Herstellung einer umfassenden gesetzlichen Vertretung einhergeht (vgl. Born/Ghassemi-Tabar/Gehle, NJW 2015, 2215, 2218).

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(b) Diesem Verständnis steht der Sinn und Zweck des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG im Ergebnis nicht entgegen. Die Vorschrift dient allerdings der Bek8;mpfung von Missbräuchen. Diese Intention des Gesetzgebers ist im Wortlaut der Norm aber nicht zu einer den Anwendungsbereich einschränkenden Tatbestandsvoraussetzung erhoben worden. Die Vorschrift gilt unabhängig davon, ob die Umstände einen Missbrauch nahelegen. Sie betrifft u.a. die Wirksamkeit von Zustellungen und bedarf daher im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit möglichst eindeutiger Anwendungsvoraussetzungen (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2017 - VIII ZR 11/16, BGHZ 214, 294 Rn. 59). Dem ist Rechnung zu tragen, indem allein darauf abgestellt wird, ob das zur Vertretung der Gesellschaft (mit)berufene Leitungsorgan fehlt bzw. unbesetzt ist.

62

(c) Auch die mit der Doppelvertretung gemä&#223; § 246 Abs. 2 AktG verbundene Zielsetzung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Vertretung der Aktiengesellschaft durch Vorstand und Aufsichtsrat bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen dient dazu, Vorstand und Aufsichtsrat unabhängig voneinander Kenntnis von der gegen die Gesellschaft gerichteten Klage zu verschaffen. Beide Organe sollen jeweils eigenständig die Interessen der Gesellschaft wahren können. Diese Intention wird durch die Anwendung des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht unterlaufen.

63

Ist der Vorstand unbesetzt oder fehlt im Fall der Kommanditgesellschaft auf Aktien der persönlich haftende Gesellschafter, erleichtert § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG lediglich die rechtswirksame Zustellung der Klageschrift, ermöglicht aber keine Prozessführung gegen eine unzureichend vertretene Gesellschaft. Die Gesellschaft bleibt bis zur Bestellung eines neuen Vorstandes bzw. der Aufnahme eines neuen persönlich haftenden Gesellschafters oder der Bestellung eines Prozesspflegers prozessunfähig, so dass bis dahin kein Sachurteil gegen sie ergehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2010 - II ZR 115/09, ZIP 2010, 2444 Rn. 13 f.).

64

cc) Die dreijährige Heilungsfrist gemäß § 256 Abs. 6 AktG ist danach gewahrt. Die Zustellung der Klageschrift am 23. Dezember 2015 erfolgte nur neun Tage nach dem eigentlichen Fristende und damit "demnächst". Sie wirkt gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt des Klageeingangs am 30. November 2015 zurück.

65

4. Da die Bilanznichtigkeitsklage auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht wegen Fristablaufs abgewiesen werden kann, erweist sich zugleich auch die Abweisung der gegen den Gewinnverwendungsbeschluss vom 15. Mai 2012 gerichteten Nichtigkeitsklage als rechtsfehlerhaft (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2, § 278 Abs. 3 AktG).

66

III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO).

67

1. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage, ob die von dem Kläger geltend gemachten heilbaren Mängel des Jahresabschlusses vorliegen und ggf. zur Nichtigkeit führen - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bisher nicht befasst. Insoweit fehlt es an einer Grundlage für eine revisionsgerichtliche Überprüfung.

68

Der Klage kann nach dem bisherigen Sach- und Streitstand auch nicht schon deshalb stattgegeben werden, weil jedenfalls eine gesetzliche Prüfungspflicht bestanden habe und verletzt worden sei.

69

a) Bei der für das mögliche Bestehen einer Prüfungspflicht nach § 316 HGB ausschlaggebenden Frage, ob durch sog. Teilrückkäufe fondsgebundener Lebensversicherungen Umsatzerlöse oder sonstige betriebliche Erträge erzielt wurden, ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die in Rede stehenden Policen dem Anlagevermögen zuzuordnen seien, und hat ausgeführt, dass Erlöse aus der Veräußerung von Anlagevermögen regelmäßig keine Umsatzerlöse darstellten.

70

Letzteres trifft zu (vgl. Reiner/Haußer in MünchKommHGB, 3. Aufl., § 277 Rn. 11; Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 277 Rn. 8; Schmidt/Kliem in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl., § 275 HGB Rn. 49 f.; Heinemann in Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl., § 275 Rn. 25). Die zugrundeliegende Annahme, dass die Policen Teil des Anlagevermögens und nicht des Umlaufvermögens seien, hat das Berufungsgericht aber, wie die Revision rügt, nicht weiter begründet und sich in diesem Zusammenhang nicht näher mit den möglichen Besonderheiten des von der Beklagten praktizierten Geschäftsmodells befasst. Damit fehlt es bislang an tatrichterlichen Feststellungen, um die aufgeworfene Frage in die eine oder die andere Richtung beantworten zu können.

71

Aber auch wenn die Policen dem Umlaufvermögen zuzuordnen wären, würde dies nicht ohne weiteres die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass es sich bei den erzielten Beträgen um Umsatzerlöse handele (vgl. hierzu Peun/Rimmelspacher, DB 2015, Beilage 5, S. 12 f.; Böcking/Gros in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 277 Rn. 8). Auch eine rechtliche Beurteilung der hiermit in Zusammenhang stehenden und vom Berufungsgericht gleichfalls verneinten Frage, ob die sog. Teilrückkäufe als Umsatzgeschäfte nach § 277 Abs. 1 HGB aF angesehen werden können, erfordert eine genauere - zunächst dem Tatrichter vorbehaltene - Betrachtung und Bewertung des von der Beklagten betriebenen Geschäfts und ihres "normalen Absatzprogramms".

72

b) Schließlich könnte der Klage auch dann noch nicht ohne weiteres stattgegeben werden, wenn die Voraussetzungen für eine Pflichtprüfung vorlägen. In diesem Fall wären zunächst Feststellungen im Hinblick auf den mit der Gegenrüge der Revisionserwiderungen vorgetragenen Einwand zu treffen, dass die freiwillige Prüfung durch den Streithelfer zu 2 den Anforderungen an eine Pflichtprüfung entsprochen habe.

73

2. In der neuen Verhandlung hat das Berufungsgericht ggf. auch Gelegenheit, sich mit dem weiteren, teilweise neuen Revisionsvorbringen der Parteien zum Bestehen einer Prüfpflicht zu befassen.

Drescher     

        

Wöstmann     

        

Sunder

        

Bernau      

        

von Selle      

        

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