Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Berufungskammer) - 2 Sa 52/20

Tenor

I.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund – Kammern Neubrandenburg - vom 06.01.2020 zum Aktenzeichen 13 Ca 264/18 teilweise aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird der Tenor wie folgt neu gefasst:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.691,19 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

seit   

16.10.2018

auf 1.830,00 Euro

seit   

16.11.2018

auf 2.439,97 Euro

seit   

16.12.2018

auf 3.293,97 Euro

seit   

16.01.2019

auf 580,95 Euro

seit   

16.02.2019

auf 424,30 Euro

seit   

16.03.2019

auf 122,00 Euro

zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.

Der Kläger trägt 2/3, die Beklagte trägt 1/3 der Kosten des Rechtsstreits.

II.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Ansprüche aus Annahmeverzug, auf Entgeltfortzahlung und Sonderzahlung.

2

Der im Januar 1966 geborene Kläger ist seit Januar 1988 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag vom 16.06.1995 (Blatt 18 ff.) als Betriebsarbeiter beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist Eingangs festgehalten, dass der Arbeitsvertrag auf der Grundlage des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Mitarbeiter in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordostdeutschland geschlossen wird. Unter § 4 Lohn ist festgehalten:

3

„Er wird monatlich nachträglich entsprechend der im Abrechnungszeitraum angefallenen zahlungspflichtigen Stunden gezahlt.“

4

Mit Schreiben vom 16.09.1999 (Blatt 190 der Akte) teilte die seinerzeitige Arbeitgeberin unter anderem mit, dass künftig zusammen neben einem feststehenden Monatslohn die unstetigen Bezügebestandteile des Vormonats zur Auszahlung gebracht würden und die Überweisung des Lohnes zu dem für die Angestellten üblichen Zeitpunkt spätestens zum Ablauf des letzten Arbeitstages des laufenden Monats geschehe.

5

Im Schreiben vom 27.11.2002 (Blatt 21 der Akte) wurde der Kläger über den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a BGB zum 01.01.2003 auf die H. S. GmbH & Co. KG unterrichtet. Es ist darüber informiert, dass die H. S. GmbH & Co. KG Mitglied im Arbeitgeberverband der Beton- und Fertigteilindustrie Nordostdeutschlands wird, weshalb auch weiterhin die geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk Nordostdeutschlands auf das Arbeitsverhältnis einwirkten.

6

Mit Schreiben vom 18.12.2003 (Blatt 22 der Akte) wurde dem Kläger der Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte zum 01.01.2004 mitgeteilt. Dieses Schreiben enthält unter anderem den Hinweis, dass die Beklagte Mitglied im Arbeitgeberverband der Beton- und Fertigteilindustrie Nordostdeutschlands wird, weshalb auch weiterhin die geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen des Rahmen/-Manteltarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung gelangten.

7

Bis zum 21.06.2015 war der Kläger zuletzt als Staplerfahrer zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 2.353,00 Euro eingesetzt. Ab dem 22.06.2015 war er arbeitsunfähig erkrankt. Nach Ablauf des Bezugs von Krankengeld erhielt er ab dem 07.12.2016 Arbeitslosengeld I bis zum 04.04.2018.

8

Bereits im August 2017 hatte sich der Kläger bei der Beklagten zur Wiederaufnahme seiner Tätigkeit für September 2017 gemeldet mit der Erklärung, dass er nicht abschätzen könne, ob er seine vor dem 22.06.2015 ausgeübte Tätigkeit noch voll oder überhaupt ausüben könne. Nachdem die Beklagte gegenüber der Bundesagentur für Arbeit zunächst mitgeteilt hatte, dass sie ohne Überprüfung durch den medizinischen Dienst keine Aussage zur Beschäftigung des Klägers treffen könne, erklärte sie der Bundesagentur für Arbeit mit Schreiben vom 12.09.2017, dass dem Kläger ein leidensgerechter Arbeitsplatz nicht angeboten werden könne. Anlässlich weiterer Gespräche der Parteien wurde über eine Beschäftigung des Klägers als Gärtner gesprochen. Die Einzelheiten der geführten Gespräche sind zwischen den Parteien streitig.

9

Mit Schreiben vom 14.03.2018 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) die Reduzierung der tariflichen Wochenarbeitszeit auf 20 Stunden ab dem 05.04.2018 bzw. ab dem nächstmöglichen Termin mit der Bitte um Aufteilung der 20 Wochenstunden auf fünf Tage (Blatt 25 der Akte). Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 16.03.2018 (Blatt 26 der Akte) dahingehend, dass zunächst unter Berücksichtigung der ihr obliegenden Fürsorgepflicht festzustellen sei, welche Tätigkeiten der Kläger körperlich leisten könne, sodann im nächsten Schritt die Möglichkeit bestehe, zu prüfen, ob ein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, um danach über den zeitlichen Umfang des Einsatzes zu sprechen. Die Beklagte schlug vor, sofern der Kläger sein Einverständnis erteilt, einen entsprechenden Untersuchungstermin beim Betriebsarzt zu vereinbaren.

10

Mit Schreiben vom 22.03.2018 (Blatt 27 der Akte) teilte die Beklagte dem Kläger den betriebsärztlichen Untersuchungstermin für den 03.05.2018 mit und bat darum, dass der Kläger zu diesem Termin alle ärztlichen Bescheinigungen mitbringe, damit der Betriebsarzt eine medizinische Stellungnahme hierzu abgeben könne.

11

Der Kläger betitelte sein an die Beklagte gerichtetes Schreiben vom 29.03.2018 mit „Arbeitskraftangebot ab 05.04.2018“ und teilte hierin u. a. mit:

12

„Da eine Gesundschreibung oder ähnliches im deutschen Gesundheitswesen nicht existiert, möchte ich Sie nochmals darauf hinweisen, dass eine Arbeitsaufnahme bei L. im Werk C-Stadt, für 20 Wochenstunden ab dem 05.04.2018, laut meiner Stellenbeschreibung vom 01.04.1997, auf eigenen Wunsch erfolgt. Sollten Sie mir eine BEM-Maßnahme anbieten, werde ich mich selbstverständlich daran beteiligen, um unserer Fürsorgepflicht zu genügen.

13

Bitte bestätigen Sie mir die Genehmigung meines Resturlaubs vom 05.04.2018 bis 19.05.2018, wie auch mit Herrn B. mündlich vereinbart, schriftlich.“

14

Mit Schreiben ebenfalls vom 29.03.2018 bestätigte die Beklagte dem Kläger „eine Urlaubsplanung Ihrerseits vom 05.04.2018 bis 19.05.2018.“ (Blatt 30 der Akte). Unter dem 01.04.2018 gab der Kläger seine schriftliche Einverständniserklärung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX ab.

15

Am 03.05.2018 erhielt der Kläger infolge eines Termins beim Betriebsarzt eine Überweisung an den Hausarzt/Diabetologen zwecks arbeitsmedizinischer Beurteilung der Eignung für Fahr – Steuer – Überwachungstätigkeiten (Blatt 33 der Akte).

16

Mit Schreiben vom 11.05.2018 (Blatt 34 der Akte) lehnte die Beklagte die vom Kläger beantragte Reduzierung der Arbeitszeit ab.

17

Am 22.05.2018 erschien der Kläger im Betrieb, um als Staplerfahrer zu arbeiten. Die Beklagte wies ihm keine Arbeit zu.

18

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23.05.2018 (Blatt 35 der Akte) mit, dass er für sie weiterhin krank sei, über keinen Urlaubsanspruch verfüge, die Urlaubsabtragung ab 05.04.2018 im Abrechnungssystem storniert sei und er weiterhin mit „Aussteuerung mit Arbeitslosengeld“ im Betrieb geführt werde. Zudem verwies die Beklagte darauf, dass sie dem Kläger einen anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen nicht anbieten könne.

19

Mit Schreiben vom 28.05.2018 (Blatt 36 der Akte) bot der Kläger der Beklagten „weiterhin ausdrücklich meine Arbeitskraft lt. meines Arbeitsvertrages und für andere geeignete Tätigkeiten an“.

20

Infolge einer weiteren Konsultation des Betriebsarztes erstellte dieser eine Bescheinigung über eine Eignungsuntersuchung (Blatt 37 der Akte). Dieser ist zu entnehmen, dass aus dem Untersuchungsanlass Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten am 30.05.2018 auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung eine Nachuntersuchung durchgeführt wurde mit dem Ergebnis geeignet für Staplerfahren und für Anlagenbedienen.

21

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers wandte sich mit Schreiben vom 02.07.2018 (Blatt 38 der Akte) an die Beklagte. Darin wies sie u. a. darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weiterhin bestehe, der Kläger ab dem 05.04.2018 immer wieder seine Arbeitsbereitschaft erklärt und angeboten habe, er frühzeitig um eine Wiedereingliederung gebeten und alle damit verbundenen Auflagen erfüllt habe. Sie teilte mit, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befinde und der Kläger ab dem 05.04.2018 wieder Anspruch auf Zahlung der Vergütung habe. Sie forderte eine Anmeldung zur Sozialversicherung ab dem 04.05.2018 sowie die fällige Vergütung für die Monate Mai und Juni 2018 ordnungsgemäß abzurechnen. Sie bat zudem um Einsichtnahme in die bestehenden Betriebsvereinbarungen, da für die G25-Untersuchung Rechtsgrundlage eine Betriebsvereinbarung sein solle.

22

Die Beklagte antwortete durch anwaltliches Schreiben vom 31.07.2018 (Blatt 40 der Akte) u.a., dass sie von noch bestehender Arbeitsunfähigkeit des Klägers ausgehe und ihr die Ergebnisse der betriebsärztlichen Untersuchung vom 30.05.2018 nicht bekannt gegeben worden seien.

23

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers schilderte in ihrer Erwiderung vom 15.08.2018 (Blatt 41 der Akte) u. a. den Geschehensablauf, forderte Auskunft darüber, auf Grund welcher Vereinbarung sich die Höhe des Monatslohnes des Klägers ergebe und machte Vergütung für die Monate Mai bis Juli 2018 in Höhe von 7.059,00 Euro brutto geltend.

24

Im anwaltlichen Schreiben der Beklagten vom 03.09.2018 (Blatt 43 der Akte) formulierte die Beklagte u. a.:

25

„Wir fordern Ihren Mandanten auf, bis Ende dieser Woche ein ärztliches Attest darüber vorzulegen, welche Arbeitsleistung er noch erbringen kann bzw. welche gesundheitlichen Einschränkungen zu berücksichtigen sind. Dann kann unsere Mandantin prüfen, welche Einsatzmöglichkeit sie für ihn hat. Andernfalls ist er aufgefordert, am 10. September 2018 im Betrieb zu erscheinen. Er wird dann vertragsgemäß beschäftigt.“

26

Mit Schreiben vom 05.09.2018 (Blatt 44 der Akte) teilte die Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Gleichstellung gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX mit einem schwerbehinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit mit. Zudem bat sie um Mitteilung, zu welcher Uhrzeit der Kläger am 10.09.2018 im Betrieb erscheinen solle.

27

Am 10.09.2018 erschien der Kläger um 07:00 Uhr im Werk in C-Stadt, um seine Arbeit aufzunehmen. Der zuständige Sachbearbeiter wusste jedoch nichts von einer Arbeitsaufnahme und überreichte dem Kläger das Schreiben der Beklagten vom 10.09.2018 (Blatt 45 der Akte). In diesem ist festgehalten, dass die Beklagte vor Arbeitsaufnahme durch den Kläger zunächst das erste BEM Gespräch terminlich fixieren werde, bei dem ihr vorgelegten Attest pauschal darauf hingewiesen werde, dass der Kläger als Staplerfahrer arbeiten könne und das Attest ebenso auf die Tätigkeit eines Anlagenbedieners hinweise. Eine Zuweisung von Arbeit erfolgte nicht.

28

Am 17.10.2018 stellte sich der Kläger seiner Hausärztin vor, die ihn auf Grund festgestellter mittelgradiger depressiver Episoden an die Fachabteilung für Neurologie verwies. Mit Überweisungsschein vom 20.11.2018 wurde der Kläger an die psychiatrische Tagesklinik C-Stadt verwiesen. Hier erfolgte vom 10.12.2018 bis zum 25.01.2019 ein teilstationärer Aufenthalt.

29

Mit seiner am 12.10.2018 - vorab per Fax - beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 24.10.2018 zugestellten Klage hat der Kläger Vergütungszahlung für den Zeitraum 01.05.2018 bis 30.09.2018 von monatlich 2.353,00 Euro brutto, insgesamt die Summe in Höhe von 11.765,00 Euro brutto nebst Zinsen eingeklagt, die Verurteilung der Beklagten zur ordnungsgemäßen Anmeldung zur Sozialversicherung für den Zeitraum 05.04.2018 bis 30.04.2018 sowie zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 458,63 Euro. Weiterhin hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Pauschale von 40,00 Euro gemäß § 288 Abs. 5 BGB gefordert.

30

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers forderte per Email vom 14.12.2018 eine monatliche Bruttovergütung für die Monate Oktober 2018 und November 2018 in Höhe von jeweils 2.353,00 Euro.

31

Mit Klageerweiterung vom 11.02.2019, den Prozessbevollmächtigen der Beklagten am 14.02.2019 zugestellt, hat der Kläger Lohnansprüche für den Zeitraum 01.07.2018 bis 30.09.2018 wegen tariflicher Lohnerhöhung von monatlich jeweils 87,00 Euro geltend gemacht sowie für die Monate Oktober 2018 und November 2018 jeweils eine Monatsbruttolohnzahlung von 2.440,00 Euro nebst einer tariflichen Sonderzahlung in Höhe von 854,00 Euro brutto.

32

Mit den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 15.03.2019 zugestellter Klageerweiterung vom 11.03.2019 hat der Kläger die Forderung auf Lohnzahlung von 2.440,00 Euro brutto für Dezember 2018 nebst Zinsen erhoben. Mit Klageerweiterung vom 30.04.2019 hat der Kläger 2.675,00 Euro brutto Lohn für den Monat Januar 2019, für den Zeitraum 01.02.2019 bis 03.02.2019 einen Lohn in Höhe von 133,75 Euro brutto sowie gleichzeitig für den Zeitraum 05.04.2018 bis 31.12.2018 weitere 2.115,00 Euro brutto nebst Zinsen eingeklagt.

33

Der Kläger hat seine Forderungen mit der Auffassung begründet, ihm stünden im Zeitraum 05.04.2018 bis 03.02.2019 gegen die Beklagte Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug bzw. als Schadensersatz zu sowie für das Jahr 2018 eine tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 854,00 Euro brutto.

34

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Verhalten der Beklagten sei rechtsmissbräuchlich. Zutreffend sei, dass der Arbeitgeber ein Recht auf Überprüfung der Arbeitsfähigkeit habe, insbesondere wenn Indizien vorliegen, die an einer Arbeitsfähigkeit zweifeln ließen. Allerdings könne es nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen, wenn der Arbeitgeber die Überprüfung der Arbeitsfähigkeit hinauszögere. Die Vorgehensweise der Beklagten rechtfertige im vorliegenden Fall nicht mehr davon auszugehen, dass sie ein Anrecht auf Überprüfung der Arbeitsfähigkeit habe, ohne in Annahmeverzug zu geraten. Die Tatsache, dass er sich selbst versichern müsse und über keinerlei Einkommen verfüge, um sein Leben zu finanzieren, wiege hier schwerer. Er habe alles getan, um mit der Beklagten zusammen zu arbeiten und alle geforderten Auflagen sowie Möglichkeiten für eine Lösung angeboten. Dies rechtfertige einen Anspruch auf Lohnzahlung seit dem 05.04.2018. Die Umstände des Einzelfalles sprächen hier dafür, dass er trotz fehlender medizinischer Bestätigung der Arbeitsfähigkeit einen Anspruch auf Lohn ab dem 05.04.2018 habe. Soweit die Beklagte von ihrem Recht, seine Arbeitsfähigkeit überprüfen zu lassen, Gebrauch machen wolle und dies durch unterlassen erforderlicher Mitwirkungshandlungen hinauszögere, stelle dies eine unzulässige Rechtsausübung gemäß § 242 BGB dar. Er habe alles ihm Mögliche unternommen, seine Arbeitsfähigkeit überprüfen lassen zu können.

35

Außerdem befinde sich die Beklagte seit dem 05.04.2018 in Annahmeverzug. Er habe bereits im August 2017 seine Arbeitskraft angeboten. Ein ausdrücklich nachweisbares Angebot seiner Arbeitskraft laut Arbeitsvertrag sei im Schreiben vom 28.05.2018 unterbreitet. Auch im Schreiben vom 30.05.2018 habe er seine Arbeitskraft laut Arbeitsvertrag angeboten. Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 02.07.2018 sei um Erklärung gebeten worden, wie es mit dem Arbeitsverhältnis weitergehe. Aufgrund der im Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 03.09.2018 ausdrücklich enthaltenen Hinweise sei er davon ausgegangen, ab dem 10.09.2018 wieder vollbeschäftigt zu werden. Mit seinem Erscheinen am 10.09.2018 im Betrieb zur Frühschicht um 07:00 Uhr liege ein Angebot vor. Mit Schreiben vom 06.11.2018 habe er wiederum seine Arbeitskraft angeboten. Er sei auch bereits ab April 2018 durchgehend leistungsfähig gewesen.

36

Der Kläger meint, auch wenn er ab dem 10.12.2018 in teilstationärer Behandlung gewesen sei, bestehe die Pflicht zur Entgeltfortzahlung. Zudem wäre der Krankenhausaufenthalt nicht notwendig gewesen, wenn die Beklagte ihn ordnungsgemäß spätestens am 05.04.2018 wieder vertragsgemäß beschäftigt hätte.

37

Der Kläger behauptet, ein Abbruch der in der psychiatrischen Tagesklinik C-Stadt aufgenommenen Behandlung wäre jederzeit möglich gewesen, psychologische Probleme führten nicht stets zur Arbeitsunfähigkeit. Auch arbeitsfähige Arbeitnehmer könnten in psychologischer Behandlung sein. Er habe stets seinen Willen, die Arbeit wieder aufnehmen zu wollen, wie in den Schreiben vom 14.03.2018 und 29.03.2018 kundgetan.

38

Über die Lohnerhöhung von 87,00 Euro brutto pro Monat sei lediglich durch Aushang im Betrieb am 20.08.2018 eine Bekanntgabe erfolgt.

39

Außerdem sei die Beklagte zu einer höheren Lohnzahlung verpflichtet. Für den Monat April 2018 ergebe sich eine Differenzzahlung in Höhe von 110,91 Euro brutto für die Monate Mai 2018 bis Dezember 2018 jeweils eine Differenz in Höhe von 235,00 Euro brutto. Laut Abrechnung für April 2018 habe sich für den Zeitraum 05.04.2018 bis 30.04.2018 ein Monatslohn in Höhe von 2.218,29 Euro ergeben. Laut Lohntarif vom 04.07.2018 habe sich der Stundenlohn ab 01.07.2018 um 0,50 Euro erhöht auf 15,38 Euro. Dies bedeute, davor habe der Stundenlohn 14,88 Euro betragen. Bezogen auf den April komme man bei 18 Werktagen Monatslohn von 2.218,19 Euro brutto bereits auf einen Stundenlohn von 15,40 Euro brutto. Dann liege der Stundenlohn bei einem regelmäßigen Monatslohn in Höhe von 2.675,00 Euro noch höher. Da der Arbeitslosengeldbezug am 04.04.2018 ausgelaufen sei, werde die Differenz auch nur entsprechend anteilig für April in Höhe von 110,91 Euro geltend gemacht. Die 133,75 Euro Vergütung für den Monat Februar 2019 errechneten sich aus der Differenz zwischen dem vollen Monatslohn und dem tatsächlich erhaltenen Monatslohn.

40

Der Kläger hat vorgetragen, der Anspruch auf Jahressonderzahlung ergebe sich gemäß § 14 RTV unabhängig von Krankheit bzw. Arbeitsunfähigkeit. Voraussetzung sei lediglich, dass das Arbeitsverhältnis ununterbrochen zwölf Monate bestanden habe.

41

Der Kläger meint, ein Verfall von Zahlungsansprüchen liege nicht vor. Ausgehend von § 20 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton– und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerke) Norddeutschlands vom 2.September 2003 in der Fassung des Ergänzungstarifvertrages vom 28. Juni 2006 (im Folgenden: RTV) könnten allenfalls Ansprüche für den Zeitraum Mai und Juni 2018 verfallen sein.

42

Nach den Regelungen im Arbeitsvertrag und im RTV sei der Lohn zum 15. des Folgemonats fällig, so dass die Ausschlussfristen somit ab dem 16. eines Folgemonats zu laufen begonnen hätten. Auf irgendwelche Informationsschreiben könne sich die Beklagte bezüglich der Fälligkeit nicht berufen. Ausschlaggebend sei allein die hinreichend konkrete Regelung im RTV, während die Festlegung unter § 4 des Arbeitsvertrages nur pauschal und damit zu unbestimmt aussage, dass der Lohn nachträglich im nächsten Monat gezahlt werde.

43

Mit Schreiben vom 02.07.2018 seien die Sozialversicherungsbeiträge für April 2018 sowie die Löhne für Mai und Juni 2018 geltend gemacht worden, mit Schreiben vom 15.08.2018 die Vergütung für Juli 2018.

44

Nach Ablehnung mit Schreiben vom 03.09.2018 sei die zweimonatige Frist zur gerichtlichen Geltendmachung frühestens am 04.11.2018 verstrichen. Die Klageschrift vom 11.10.2018 liege in dieser Frist.

45

Auch die Forderung auf Sonderzahlung sei nicht verfallen. Infolge Fälligkeit mit der Novembervergütung am 15.12.2018 sei die zweimonatige Geltendmachungsfrist erst ab dem 15.12.2018 gelaufen und habe am 15.02.2019 geendet. Die Zustellung der Klageerweiterung vom 14.02.2019 bei den Prozessbevollmächtigen der Beklagten liege innerhalb dieser Frist. Gleiches gelte für die Lohnzahlung des Monats November 2018.

46

Der Kläger hat beantragt:

47

1. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.765 EUR Lohn für den Zeitraum 01.05.2018 – 30.09.2018 zzgl. Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz

48

- seit 10.06.2018 aus 2.353,00 EUR

49

- seit 10.07.2018 aus 2.353,00 EUR

50

- seit 10.08.2018 aus 2.353,00 EUR

51

- seit 10.09.2018 aus 2.353,00 EUR

52

- seit 10.10.2018 aus 2.353,00 EUR

53

zu zahlen.

54

2. Die Beklagte zu verurteilen, ihn wieder ordnungsgemäß für Zeitraum 05.04.2018 – 30.04.2018 zur Sozialversicherung anzumelden und die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 459,63 EUR gemäß Lohnabrechnung vom 23.04.2018 abzuführen.

55

3. Die Beklagte darüber hinaus weiter zu verurteilen, an den Kläger weitere 40,00 EUR netto Pauschalschadensersatz gemäß § 288 Abs. 5 BGB nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

56

4. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.995,00 EUR brutto Lohn für den Zeitraum 01.07.2018 – 30.09.2018 aufgrund tariflicher Lohnerhöhung vom 01.10.2018 – 30.11.2018 zzgl. Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz

57

- seit 15.09.2018 aus 174,00 EUR

58

- seit 15.10.2018 aus 87,00 EUR

59

- seit 16.11.2018 aus 2.440,00 EUR

60

- seit 16.12.2018 aus 3.294,00 EUR.

61

5. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.440,00 EUR brutto Lohn für den Zeitraum 01.12.2018 – 31.12.2018 zzgl. Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit 16.01.2019 zu zahlen.

62

6. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.675,00 EUR brutto Lohn für den Zeitraum 01.01.2019 – 31.01.2019 zzgl. Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit 16.02.2019 und 133,75 EUR brutto Lohn für den Zeitraum 01.02.2019 – 03.02.2019 zzgl. Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit 16.03.2019 zu zahlen.

63

7. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.115,00 EUR brutto Lohn für den Zeitraum 05.04.2018 – 31.12.2018 zzgl. Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz

64

- seit 16.05.2018 aus 110,91 EUR

65

- seit 16.06.2018 aus 235,00 EUR

66

- seit 16.07.2018 aus 235,00 EUR

67

- seit 16.08.2018 aus 235,00 EUR

68

- seit 16.09.2018 aus 235,00 EUR

69

- seit 16.10.2018 aus 235,00 EUR

70

- seit 16.11.2018 aus 235,00 EUR

71

- seit 16.12.2018 aus 235,00 EUR

72

- seit 16.01.2018 aus 235,00 EUR

73

zu zahlen.

74

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

75

Die Beklagte hat die erhobenen Ansprüche geleugnet und die Auffassung vertreten, sollten Ansprüche tatsächlich gegeben sein, seien diese nach der tariflichen Regelung zur Ausschlussfrist verfallen.

76

Die Beklagte hat die Ansicht geäußert, sie habe sich nicht im Annahmeverzug befunden. Es fehle bereits an einem ordnungsgemäßen Angebot der Arbeitsleistung durch den Kläger. Der Vortrag zu einem Angebot im August 2017 sei unsubstantiiert. Außerdem habe der Kläger erklärt, er sei nicht in der Lage, abzuschätzen, ob er seine Tätigkeit noch voll oder überhaupt ausüben könne. Dies sei kein Arbeitsangebot. Im August 2017 habe der Kläger vielmehr eine Rückkehr in seine frühere Tätigkeit ausgeschlossen. Es sei ihm auch keine Stelle als Gärtner für 20 Stunden offeriert worden. Es sei lediglich darüber gesprochen worden, dass der Kläger an Stelle eines externen Dienstleisters möglicherweise als Gärtner eingesetzt werden könne. Es sei um die gärtnerische Betreuung des Mustergartens der Beklagten im Werk C-Stadt gegangen; diese Tätigkeiten seien an einen externen Dienstleister vergeben worden. Dieser habe jedoch nur einen Arbeitsumfang von zwei Stunden pro Woche zu betreuen gehabt. Vor seinem Teilzeitantrag vom 14.03.2018 habe der Kläger seine Arbeitsleistung als Staplerfahrer im vereinbarten Stundenumfang nicht angeboten. Auch die Schreiben vom 14.03.2018 und 29.03.2018 enthielten keine Angebote der geschuldeten Arbeitsleistung. Schriftliche Äußerungen stellten zudem nicht das erforderliche tatsächliche Angebot dar. Dass dem Kläger für den Zeitraum 05.04.2018 bis 19.05.2018 Urlaub gewährt wurde, habe auf einem Irrtum beruht. Dementsprechend sei die Urlaubsgewährung später rückgängig gemacht worden. In seinem Schreiben vom 28.05.2018 habe er seine Arbeitskraft laut seines Arbeitsvertrages ebenso angeboten wie im Schreiben vom 30.05.2018, sie sei jedoch weiterhin davon ausgegangenen, dass er nicht arbeitsfähig gewesen sei, weil er noch Ende März mitgeteilt habe, dass er die Arbeit als Staplerfahrer nicht mehr ausführen könne. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, Tatsachen aufzuzeigen, aus denen sich eine Veränderung seiner gesundheitlichen Situation ergeben habe und zu erläutern, dass er wenige Monate nach seiner früheren Aussage und in Widerspruch zu dieser doch arbeitsfähig sei und die Tätigkeit eines Staplerfahrers in Vollzeit ausüben könne. Auch das Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 02.07.2018 enthalte kein Arbeitsangebot. Im Gegenteil hebe es hervor, dass der Kläger zwar ab dem 05.04.2018 immer wieder seine Arbeitsbereitschaft erklärt und angeboten, dabei aber um eine Wiedereingliederung gebeten habe. Eine Wiedereingliederung setze eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit voraus. Auch der Korrespondenz vom 03/05.09.2018 sei zu entnehmen, dass sich der Kläger nicht arbeitsfähig gemeldet habe, seine Prozessbevollmächtigte vielmehr nochmals betont habe, dass er auf Grund der Krankheit und der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit nicht sicher sei, ob er in Vollzeit wieder auf seinem alten Posten arbeiten könne. Außerdem werde bestätigt, dass er eine stufenweise Wiedereingliederung wünschte. Am 10.09.2018 sei der Kläger nicht eingesetzt worden, weil weiterhin nicht klargewesen sei, wie er mit seiner kaputten Schulter habe eingesetzt werden können. Entsprechendes gelte für das Arbeitsangebot des Klägers gemäß Schreiben vom 06.11.2018.

77

Zutreffend sei, dass sich der tarifliche Stundenlohn für den Kläger ab dem 01.07.2018 um 0,50 Euro brutto erhöht habe, was bei korrekter Berechnung auf Basis der 173,93 monatlichen tariflichen Arbeitsstunden für Juli, August und September 2018 einen Erhöhungsbetrag von jeweils 86,97 Euro ergebe, jedoch scheitere der entsprechende Zahlungsanspruch bereits daran, dass der Kläger schon dem Grunde nach keinen Vergütungsanspruch für die betreffenden Monate gehabt habe bzw. derartige Ansprüche auf Grund Verfalls untergegangen seien. Für Oktober und November 2018 bestünden mangels Angebots und Arbeitsfähigkeit keinerlei Ansprüche aus Annahmeverzug

78

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Zahlungsansprüche für die Monate Dezember 2018 bis einschließlich Februar 2019 scheiterten an einem erforderlichen Arbeitsangebot und der fehlenden Arbeitsfähigkeit des Klägers. Soweit der Kläger im Oktober 2018 und in den Folgemonaten an mittelgradig depressiven Episoden gelitten habe, sei er nicht arbeitsfähig gewesen. Für den Zeitraum der teilstationären Behandlung habe er seine Arbeitskraft weder ordnungsgemäß angeboten noch sei er leistungsfähig sowie leistungswillig gewesen. Die geschuldete Vollzeittätigkeit habe er während dieses Zeitraumes jedenfalls nicht erbringen können. Ob der Kläger während dieser Zeit arbeitsunfähig gewesen sei entziehe sich ihrer Kenntnis. Die Möglichkeit des Abbruchs einer Therapie besage nichts darüber, dass gleichzeitig eine bestehende Arbeitsunfähigkeit ende. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch könne allenfalls für sechs Wochen bestehen, setze jedoch die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit voraus. Wegen Nichtvorlage hat die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht vorsorglich geltend gemacht.

79

Die Beklagte trägt vor, die erhobenen Vergütungsansprüche seien in ihrer Höhe nicht nachvollziehbar.

80

Die Beklagte hat sich im Übrigen unter Hinweis auf § 20 RTV auf den Verfall etwaiger Ansprüche berufen. Der Kläger habe die danach erforderliche Frist von zwei Monaten nach Fälligkeit zur Geltendmachung von Ansprüchen versäumt bzw. die zweite Stufe der Ausschlussfrist der gerichtlichen Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten nach Ablehnung bzw. Ablaufs von zwei Wochen nach Geltendmachung nicht eingehalten.

81

Die Vergütung sei am 26. des Kalendermonats fällig. Die Formulierung im Arbeitsvertrag "monatlich nachträglich" entspreche der Regelung des § 614 BGB (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.07.2009, 11 Sa 202/09) und das wiederum bedeute, dass die Fälligkeit am ersten Tag des Folgemonats gegeben sei. Diese Regelung sei günstiger als die tarifliche Regelung, die eine Fälligkeit zum 15. des Folgemonats vorsehe. Darüber hinaus wisse der Kläger, dass sie die Vergütung stets so zahle, dass sie immer spätestens am 26. des Bezugsmonats auf dem Konto des Mitarbeiters eingegangen sei. Damit liefen die Ausschlussfristen spätestens ab dem 1. des Folgemonats. Das Schreiben vom 16.09.1999 enthalte das Angebot einer günstigeren Abrechnungsmodalität nach der in der Folgezeit verfahren wurde. Indem der Kläger diese ihm günstigere Verfahrensweise akzeptiert habe, sei der Zugang seiner Annahmeerklärung nach § 151 Satz 1 BGB entbehrlich. Angesichts des langen Zeitraums der günstigeren Handhabung habe der Kläger auch unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung einen Anspruch auf Entgeltzahlung an diesem früheren Fälligkeitszeitpunkt.

82

Die Vergütung für Oktober 2018 habe spätestens am 27.12.2018, die Vergütung für November 2018 am 28.01.2019 geltend gemacht werden müssen. Die Geltendmachung mit am 14.02.2019 zugestellter Klageerweiterung sei verspätet.

83

Die Beklagte hat behauptet, der RTV sei im Büro der Werksleitung einsehbar gewesen. Der Kläger habe dort jederzeit während der betriebsüblichen Arbeitszeit Einsicht nehmen und gegebenenfalls auf Hinweis seiner Prozessbevollmächtigten das Bestehen von Ausschlussfristen prüfen können.

84

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch auf Jahressondervergütung 2018 bestehe nicht. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger das gesamte Jahr arbeitsunfähig ohne Entgeltfortzahlung gewesen sei. Da die Jahressonderzahlung eine zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit bilde, entstehe kein Anspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung. Bei der Bemessung eines etwaigen Anspruchs sei zu berücksichtigen, dass der Kläger seine Arbeitskraft allenfalls im Umfang von 20 Stunden angeboten habe. Schließlich sei ein etwaiger Anspruch auf Jahressonderzahlung ebenso wie ein etwaiger Anspruch auf Vergütung für November 2018 verfallen.

85

Der geforderten Anmeldung zur Sozialversicherung und Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen hat die Beklagte entgegengehalten, dass mangels Leistungsfähigkeit des Klägers im April 2018 kein Vergütungsanspruch bestanden habe, zumindest sei dieser verfallen.

86

Ein Anspruch auf Zahlung von 40,00 Euro nebst Zinsen könne auf keine rechtliche Grundlage gestützt werden, da § 12 a ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung einen Anspruch auf Verzugsschadenspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB ausschließe.

87

Das Arbeitsgericht Stralsund –Kammern Neubrandenburg- hat mit Urteil vom 06.01.2020 zum Aktenzeichen 13 Ca 264/18 die Klage abgewiesen.

88

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht angeführt, die Klage sei unschlüssig. Der Kläger habe einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn nicht dargelegt. Aus seinem eigenen Vorbringen ergäben sich gewichtige Indizien, die dafür sprächen, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum nicht leistungsfähig gewesen sei. Die geschaffene Indizwirkung habe er nicht ausgeräumt und substantiiert seine Arbeitsfähigkeit dargelegt.

89

Ein allein aus der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht möglicher Schadensersatzanspruch sei ebenfalls nicht gegeben, weil der Kläger nicht vorgetragen habe, dass die Beklagte es schuldhaft unterlassen hätte, ihm einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen. Vielmehr habe der Kläger selbst keine Einschränkungen benannt, die es der Beklagten ermöglicht hätten, ihm einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu gewähren.

90

Infolge Aussteuerung des Klägers im Streitzeitraum habe er auch keinen Anspruch auf eine anders lautende Meldung zur Sozialversicherung.

91

Gegen das ihm am 13.01.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 06.02.2020 beim Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 05.03.2020 eingegangenem Schriftsatz begründet.

92

Der Kläger vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn zu Unrecht abgelehnt. Die angenommene Indizwirkung liege nicht vor. Lange Krankheitsdauer reiche nicht aus, um Zweifel an der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit zu begründen. Auch seien Ungewissheiten oder Fragen, die allgemeinen Denksätzen entsprächen und die auch von Ärzten nicht hundertprozentig beseitigt oder bestätigt werden könnten, kein ausreichendes Indiz für mangelnde Leistungsfähigkeit. Die von dem erstinstanzlichen Urteil zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts beziehe sich auf einen Fall, in dem der dortige Kläger selbst vorgetragen habe, schwer erkrankt zu sein. Das sei vorliegend nicht zutreffend. Er habe ab August 2017 keinen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand gehabt, den er habe vortragen können und der dazu geführt hätte, dass er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht habe ausüben können oder der sich habe verschlechtern können. Da bei ihm keine nachweisbaren Einschränkungen in seiner Bewegungsfreiheit bestanden oder noch bestehen, könnten seine behandelnden Ärzte auch keine Einschränkungen bestätigen. Er habe zwar seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden können, nur setze dies voraus, dass sich die Beklagte mit den Unterlagen auch auseinandergesetzt hätte. Für ihn müsse auch eine gewisse Bereitschaft der Beklagten erkennbar sein, sich mit den Tatsachen zu beschäftigen. Zudem sei fraglich, ob die Beklagte mit den ärztlichen Auskünften hätte etwas anfangen können, um selbst zu beurteilen, ob Arbeitsfähigkeit bestehe oder nicht. Er habe alles dafür getan, einen Nachweis seiner Leistungsfähigkeit durch den Betriebsarzt zu erbringen.

93

Der Kläger meint, das erstinstanzliche Gericht verdrehe und deute seine Aussagen falsch. Er habe nie zum Ausdruck gebracht, in finanzieller Hinsicht an einer Arbeitsaufnahme interessiert zu sein. Im August 2017 sei ihm nur bekannt gewesen, dass alle Behandlungen abgeschlossen gewesen seien, dass im Alltag keinerlei gesundheitliche Einschränkungen aufgetreten seien und er nicht krankgeschrieben gewesen sei.

94

Auch habe sich die erste Instanz nicht mit der Jahressondervergütung beschäftigt. Da die tarifliche Vorschrift deren Zahlung nicht von einer Leistungsfähigkeit abhängig mache, seien die Zahlungsvoraussetzungen auf jeden Fall erfüllt.

95

Der Kläger zitiert das Urteil des LAG Hamm vom 04.07.2011 – Aktenzeichen 8 Sa 726/11 – wonach bei Streit über die Auswirkungen einer Erkrankung sowie die Arbeitsfähigkeit es regelmäßig den Interessen des Arbeitgebers genüge, dass sich der Arbeitnehmer der vom Arbeitgeber geforderten Untersuchung durch den Werksarzt unterziehe. Habe sich der Arbeitnehmer der geforderten werksärztlichen Untersuchung unterzogen, bestehe für ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers keine Grundlage.

96

In diesem Zusammenhang bezieht sich der Kläger darauf, dass er die seitens der Beklagten verlangte Untersuchung durch den Betriebsarzt nie abgelehnt habe, zu den Untersuchungsterminen erschienen, allen Anweisungen des Betriebsarztes nachgekommen sei, ärztliche Berichte über seine Erkrankung vorgelegt, er somit alles seinerseits Erforderliche getan habe. Die Hinhaltetaktik der Beklagten und deren leere Versprechungen seien Ursachen für die mittelgradige depressive Episode. Die Handlungen der Beklagten hätten ihn psychisch krank gemacht und zur Behandlung in der Tagesklinik geführt. Er sei in diesem Zeitraum nicht krank geschrieben gewesen, da er gesetzlich freiwillig versichert war und nicht über den Arbeitgeber. Zudem führe eine psychische Erkrankung nicht immer zur Arbeitsunfähigkeit.

97

Der Kläger beantragt:

98

Unter Abänderung des am 06.01.2020 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Stralsund – Kammern Neubrandenburg - Aktenzeichen: 13 Ca 264/18, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 25.449,63 Euro brutto Lohn nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

99

 - seit 16.05.2018 aus 110,91 EUR

- seit 10.06.2018 aus 2.353,00 EUR

- seit 16.06.2018 aus 235,00 EUR

 - seit 10.07.2018 aus 2.353,00 EUR

- seit 16.07.2018 aus 235,00 EUR

- seit 10.08.2018 aus 2.353,00 EUR

- seit 16.08.2018 aus 235,00 EUR

- seit 10.09.2018 aus 2.353,00 EUR

- seit 15.09.2018 aus 174,00 EUR

- seit 16.09.2018 aus 235,00 EUR

- seit 10.10.2018 aus 2.353,00 EUR

- seit 15.10.2018 aus 87,00 EUR

- seit 16.10.2018 aus 135,00 EUR

- seit 16.11.2018 aus 2.440,00 EUR

- seit 16.11.2018 aus 235,00 EUR

- seit 16.12.2018 aus 3.294,00 EUR

- seit 16.12.2018 aus 235,00 EUR

- seit 16.01.2018 aus 2.440,00 EUR

- seit 16.01.2018 aus 235,00 EUR

- seit 16.02.2019 aus 2.675,00 EUR

- seit 16.03.2019 aus 133,75 EUR

100

zu zahlen.

101

Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

102

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und vertritt die Auffassung, die klägerische Berufung sei unzulässig, zumindest unbegründet.

103

Die Beklagte ist der Ansicht, die Unzulässigkeit der Berufung ergebe sich daraus, dass der Kläger zumindest in Hinsicht auf den geltend gemachten Verzugslohnanspruch nicht dargetan habe, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unzutreffend halte. Der Kläger habe sich nicht mit der Urteilsbegründung, auf Grund der bestehenden Indizienlage habe der Kläger seiner Darlegungslast zur Leistungsfähigkeit nicht genügt, auseinandergesetzt. Es seien weiterhin keine Umstände vorgetragen, welche die Indizwirkung für eine mangelnde Leistungsfähigkeit widerlegten.

104

Jedenfalls sei die Berufung unbegründet. Es bestehe keine Rechtsgrundlage für die erhobenen Zahlungsansprüche. Mangels Leistungsfähigkeit des Klägers habe sie sich im streitbefangenen Zeitraum nicht im Annahmeverzug befunden. Es bestünden zahlreiche Indizien für die fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers, nämlich die seit dem 22.06.2015, also über nahezu drei Jahre bestehende Arbeitsunfähigkeit, dass Enden der Arbeitsunfähigkeit zeitgleich mit dem Auslaufen des Arbeitslosengeldanspruchs I, die Darstellung des Klägers anlässlich eines im August 2017 mit ihrem Werksleiter geführten Telefonats, er könne seine frühere Arbeit wegen einer „kaputten Schulter“, die irreparabel sei, nicht mehr ausüben, die eigene Darstellung in der Klageschrift, er könne nicht abschätzen, ob er seine Tätigkeit noch voll oder überhaupt ausüben könne, seine in einem Telefonat mit dem Personalleiter am 14.03.2018 ausdrücklich erfolgte Erklärung, nicht mehr als Staplerfahrer arbeiten zu können, sein Antrag auf Teilzeittätigkeit mit 20 Stunden pro Woche, die mehrfach auch nach angeblicher Beendigung der Arbeitsunfähigkeit klägerseitig begehrten Wiedereingliederung, eine offensichtlich länger andauernden psychische Erkrankung. Es fehle jeglicher Vortrag des Klägers, der geeignet wäre, die Wirkung der zuvor genannten Indizien für das Fortbestehen einer Arbeitsunfähigkeit auszuräumen.

105

Die Jahressondervergütung sei eine zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit und daher nicht zu zahlen, wenn und soweit ein Arbeitnehmer während des Bezugszeitraumes ohne Entgeltfortzahlung arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Bei nur zeitweiser Arbeitsunfähigkeit sei die Jahressonderzahlung anteilig zu kürzen.

106

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst dazu eingereichter Anlagen, die Sitzungsniederschriften der ersten und zweiten Instanz, das angegriffene Urteil, den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

107

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet und war insoweit zurückzuweisen. Sie ist erfolgreich, soweit die Klage auch wegen einer Zahlung in Höhe von 8.691,19 Euro brutto nebst Zinsen abgewiesen wurde. In diesem Umfang ist die zulässige Klage begründet, weil dem Kläger Zahlungsansprüche auf Vergütung aus Annahmeverzug für den Zeitraum 10.09.2018 bis 03.02.2019 sowie auf eine tarifliche Jahressonderzahlung nebst Zinsen zustehen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Dem Kläger steht darüber hinausgehend keine weitere Zahlung aus Annahmeverzug, Schadensersatz oder Entgeltfortzahlung zu.

A.

108

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden.

109

Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Begründung der Berufung den gesetzlichen Anforderungen. Zur Rechtfertigung der Berufungsanträge stehen dem Kläger drei Varianten offen. Er kann sowohl die Rechtsanwendung durch das Erstgericht (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO) wie dessen tatsächliche Feststellungen (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO) direkt angreifen als auch neue Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO) vorbringen, um eine andere Entscheidung zu erreichen. Vorliegend hat der Kläger von den ersteren beiden Möglichkeiten Gebrauch gemacht.

110

Der Berufungskläger hat darauf hingewiesen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Durch diese Anforderung soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt werden. Die Berufung muss auf den Streitfall zugeschnitten sein. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG, Urteil vom 19.02.2013 – 9 AZR 543/11 – Rn. 14, juris).

111

Der Kläger setzt sich mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinander, indem er sich darauf bezieht, das Arbeitsgericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt, sei unzutreffend von durch ihn zu widerlegende Indizien ausgegangen, habe das treuwidrige Verhalten der Beklagten nicht ausreichend gewürdigt, keine Aussage zu einem Anspruch auf Jahressondervergütung getroffen. Insbesondere führt er an, er habe keine Indizien für eine Arbeitsunfähigkeit während des Zeitraumes, für welchen er Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug erhebt, vorgetragen. Eine lange Krankheitsdauer reiche nicht aus, um Zweifel an der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit zu begründen, sein Fall unterscheide sich von dem im erstinstanzlichen Urteil zitierten des Bundesarbeitsgerichtes vom 15.05.2013 – 5 AZR 130/12, er habe stets seine Leistungsfähigkeit ausgedrückt. Das erstinstanzliche Gericht habe seine Aussagen falsch gedeutet. Das ist für eine Berufungsbegründung ausreichend. Die Berufungsbegründung geht damit über eine Rüge formaler Art hinaus. Sie enthält vielmehr eine auf den Streitfall zugeschnittene Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen der erstinstanzlichen Entscheidung.

112

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil soweit ihm dieses Ansprüche aus Annahmeverzug und auf die Zahlung einer Sondervergütung versagt. Soweit mit dem erstinstanzlichen Urteil die Klage wegen der Anmeldung zur Sozialversicherung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie bezüglich eines Schadensersatzes gem. § 288 Abs. 5 BGB zurückgewiesen wurde, verhält sich die Berufung nicht. Ein Berufungsantrag hierzu wird seitens des Klägers nicht gestellt.

B.

113

Die Berufung ist teilweise begründet, weil die erhobene Klage teilweise erfolgreich ist.

I.

114

Der Kläger hat einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte gemäß § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB auf einen Betrag in Höhe von 7.837,19 Euro brutto nebst Zinsen.

1.

115

Gemäß § 615 Satz 1 kann der Verpflichtete, wenn der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug geraten ist, für die infolge des Verzuges nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Neben dem Bestehen eines rechtswirksamen Arbeitsverhältnisses, das hier vorliegend ohne Zweifel gegeben ist, setzt der Annahmeverzug des Arbeitgebers gemäß § 293 BGB voraus, dass der Arbeitgeber die ihm angebotene Leistung des leistungsbereiten und leistungswilligen Arbeitnehmers nicht annimmt. Wie im Einzelnen die Arbeitsleistung anzubieten ist und ob ein Angebot ausnahmsweise überflüssig ist, ergibt sich aus §§ 294 ff BGB. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer nach § 294 BGB die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten (BAG, Urteil vom 21.10.2015 – 5 AZR 843/14 – Rn. 19, juris). Es ist Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer nach § 294 BGB in der Regel persönlich, gemäß § 613 BGB, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung dem Arbeitgeber so anbietet, wie sie vertragsgemäß zu bewirken ist. Dies bedeutet, der Arbeitnehmer muss am Arbeitsplatz, d.h. zum Erfüllungsort seiner Arbeitsleistung erscheinen und zur Arbeitsaufnahme unverzüglich bereit sein. Es bedarf insbesondere wieder eines tatsächlichen Arbeitsangebotes des Arbeitnehmers, jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber hinreichend eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass und welche Arbeitsstelle dem Arbeitnehmer zugewiesen werden soll und zugleich aufgefordert hat, ggf. bei gesundheitlicher Leistungsfähigkeit seine Dienste anzubieten.

116

Voraussetzung für den Annahmeverzug des Arbeitgebers ist nach § 297 BGB ferner, dass der Arbeitnehmer objektiv in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Dies Leistungsvermögen darf nicht aus irgendwelchen Gründen fehlen (BAG, Urteil vom 18.12.1986 – 2 AZR 34/86 – Rn. 25, juris). Ist der Arbeitnehmer auch nur teilweise arbeitsunfähig oder teilweise nicht in der Lage, die vertraglich geschuldeten Tätigkeiten zu erbringen, so ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, mögliche Teilleistungen anzunehmen. Auch besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Tätigkeit des Arbeitnehmers im Wiedereingliederungsverfahren nach § 74 SGB V als Teilleistung der Arbeit entgegenzunehmen (BAG, Urteil vom 29.10.1998 – 2 AZR 666/97 – Rn. 28, juris). Unerheblich ist die Ursache der Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Das Unvermögen kann auf tatsächlichen Umständen – wie zum Beispiel Arbeitsunfähigkeit – beruhen oder ihre Ursache im Rechtlichen haben, etwa wenn ein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht oder eine erforderliche Erlaubnis für das Ausüben der geschuldeten Tätigkeit fehlt (BAG, Urteil vom 21.10.2015 – 5 AZR 843/14 – Rn. 23, juris).

117

Dabei kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung des Arbeitnehmers an, sondern auf die objektiven Umstände der Leistungsfähigkeit. Kann der Arbeitnehmer objektiv aus gesundheitlichen Gründen nicht die vereinbarte Leistung vollständig erbringen, so kann das fehlende Leistungsvermögen nicht allein durch den Willen des Arbeitnehmers ersetzt werden, trotz objektiver Leistungsunfähigkeit einen Arbeitsversuch zu unternehmen (BAG, Urteil vom 29.10.1998 – 2 AZR 266/97 – Rn. 26).

118

Die i.S.v. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung ist (nur dann) identisch mit der arbeitsvertraglich vereinbarten, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers mit Arbeitsvertrag konkret bestimmt ist. Ist dagegen – wie hier – die vom Arbeitnehmer zu erbringende Tätigkeit im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben, obliegt es nach § 106 GewO dem Arbeitgeber den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen. Erst die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechtes näher bestimmte Tätigkeit ist die im Sinne von § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung (BAG, Urteil vom 19.05.2010 – 5 AZR 162/09 – Rn. 14, juris). Unstreitig war der Kläger vor seiner Arbeitsunfähigkeit zuletzt ausschließlich als Staplerfahrer eingesetzt. Durch die Zuweisung dieser Tätigkeit hat die Beklagte den Inhalt der Arbeitsleistung gemäß § 106 GewO näher bestimmt. Sie stellt die zu bewirkende Arbeitsleistung dar.

119

Das nach vorgenannten Grundsätzen erforderliche Angebot hat der Kläger der Beklagten am 10.09.2018 unterbreitet. An diesem Tag war der Kläger um 07:00 Uhr im Werk in C-Stadt erschienen, um seine vertragsgemäße Arbeit als Staplerfahrer aufzunehmen. Die Beklagte hatte ihn durch Schreiben vom 03.09.2018 aufgefordert, durch ärztliches Attest Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit nachzuweisen, andernfalls die Arbeit am 10.09.2018 vertragsgemäß, also in Vollzeit, aufzunehmen. Da der Kläger kein ärztliches Attest eingereicht hat, ging es allein um die vertragsgemäße Beschäftigung, welche er in Persona zum erforderlichen Zeitpunkt vor Ort zur Verfügung gestellt hat. Die Beklagte hat sein Angebot jedoch nicht angenommen.

120

Der Kläger war unstreitig leistungswillig. Ebenso lag Arbeitsfähigkeit vor. Es kann dahinstehen, ob durch den Kläger Indizien vorgetragen sind, welche möglicherweise für den vor dem 10.09.2018 liegenden Zeitraum eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Leistungsfähigkeit bewirken. Zum Zeitpunkt des Angebots vom 10.09.2018 lagen sie jedenfalls nicht (mehr) vor. Der Kläger hat kein ärztliches Attest über gesundheitliche Einschränkungen eingereicht. Eine "Gesundschreibung" durfte die Beklagte nicht verlangen. Ohne besondere rechtliche Grundlage darf der Arbeitgeber kein ärztliches Attest fordern, das die wiedererlangte Gesundheit des Arbeitnehmers bestätigt. Eine solche „Gesundschreibung“ ist weder entgeltfortzahlungsrechtlich noch sonst sozialrechtlich vorgesehen. Eine entsprechende Bescheinigung ist auch ärztlicherseits nicht ohne weiteres üblich und für den Arbeitnehmer leicht zu erhalten. Im Grundsatz ist dabei davon auszugehen, dass eine Arbeitsunfähigkeitsperiode befristet bescheinigt wird und mit dem letzten Tag endet, der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als solcher angegeben ist. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände steht dann fest, dass am Folgetage der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist. Das Verlangen einer „Gesundschreibung“ bedarf vielmehr einer besonderen Rechtsgrundlage. Diese liegt nicht ohne weiteres in dem pauschalen Hinweis auf eine arbeitgeberseitige „Fürsorgepflicht“, deren Inhalt ohnehin unbestimmt und deren Reichweite ausfüllungsbedürftig ist. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann es im Einzelfall dazu kommen, dass die Arbeitsfähigkeit näher belegt werden müsste. Der Umstand allein einer vorangegangenen längeren Arbeitsunfähigkeit begründet dies für sich genommen regelmäßig nicht (LAG Berlin, Urteil vom 10.05.2001 – 10 Sa 2695/00 – Rn. 24; Hess. LAG, Urteil vom 04.12.1984 – 7 Sa 956/84 – Leitsatz; LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.07.2003 – 11 Sa 183/03 Rn. 42, juris).

121

Der Kläger hat eine nach dem 04.04.2018 bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht vorgetragen. Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit kann zwar möglicherweise ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft darstellen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.03.2016 – 5 Sa 341/15 – Rn. 59, juris), dies ist jedoch nicht zwingend. Diese Annahme würde unterstellen, dass eine langandauernde Arbeitsunfähigkeit regelmäßig fortbesteht. Derartige Erfahrungswerte sind dem Gericht jedoch nicht bekannt. Eine lange Dauer einer Erkrankung bildet für sich kein ausreichendes Indiz dafür, dass sie fortbesteht. Soweit der Kläger bis zum 04.04.2018 Arbeitslosengeld I bezog, bedeutet dies, dass er dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stand und zumindest insoweit Arbeitsfähigkeit vorlag. Das klägerische Teilzeitbegehren belegt ebenfalls keine Arbeitsunfähigkeit. Entscheidend ist, dass am 10.09.2018 ein betriebsärztliches Untersuchungsergebnis vorlag, nach welchem etwaige zuvor bestehende Zweifel an der klägerischen Arbeitsfähigkeit ausgeräumt waren.

122

Der Betriebsarzt hatte unter dem 30.05.2018 aus dem Untersuchungsanlass Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten eine Untersuchung mit dem Ergebnis „geeignet für Staplerfahren und für Anlagenbedienen“ erstellt. Dem war vorausgegangen, dass der Betriebsarzt aufgrund einer Untersuchung am 03.05.2018 eine ärztliche Nachuntersuchung gefordert hatte. Die Beklagte kannte – wie sich ihrem Schreiben vom 10.09.2018 entnehmen lässt – dieses Ergebnis, verwies jedoch darauf, dass bei dem ihr vorgelegten Attest pauschal darauf hingewiesen werde, der Kläger könne als Staplerfahrer arbeiten, ebenso sei die Tätigkeit eines Anlagenbedieners genannt. Der Aussage des Betriebsarztes sind keinerlei Anhaltspunkte für eine fehlende Arbeitsfähigkeit des Klägers zu entnehmen.

123

Für Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten beschreibt der berufsgenossenschaftliche Grundsatz 904 unter der Ziffer 25 (G 25) eine der häufigsten Untersuchungen der Arbeitsmedizin. Bei der Voruntersuchung nach G 25 wird von dem Betriebsarzt festgestellt, ob aus medizinischer Sicht Bedenken gegen die Eignung für „Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten“ bestehen (DGUV). Dem Kläger wurde das Ergebnis „geeignet“ durch den Betriebsarzt bescheinigt. Die körperliche Eignung kann durch arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen nach dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz für arbeitsmedizinische Voruntersuchungen G 25 „Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten“ festgestellt werden. Liegt diese nicht vor oder bestätigt sie nicht das Ergebnis „geeignet“, kann ein Annahmeverzug nicht begründet werden (LAG Köln, Urteil vom 04.09.2015 – 4 Sa 823/14 – Rn. 73; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.03.2010 – 3 Sa 714/09 – Rn. 52, juris).

124

Eine fehlende Leistungsfähigkeit kann auch für den Zeitraum vom 17.10.2018 bis zum 09.12.2018 trotz der Feststellung mittelgradiger, depressiver Episoden durch die Hausärztin nicht angenommen werden. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung liegt für diesen Zeitraum nicht vor. Allein die Feststellung einer Erkrankung reicht nicht aus, damit gleichzeitig eine Arbeitsunfähigkeit anzunehmen. Nicht jede Erkrankung führt zu einer Arbeitsunfähigkeit. Aufgrund fehlender Indizwirkung hätte es der Beklagten oblegen, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass der Kläger ab dem 17.10.2018 arbeitsunfähig war. Dies ist nicht geschehen.

125

Anders verhält es sich jedoch mit dem teilstationären Aufenthalt des Klägers in der Tagesklinik. Der Zeitpunkt, an dem die Leistungsfähigkeit bestehen muss, ist beim tatsächlichen Angebot der Moment, in dem dieses unterbreitet wird. Der subjektive Leistungswille des Arbeitnehmers ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Verzugszeitraumes vorliegen muss (BAG, Urteil vom 17.08.2011 – 5 AZR 251/10 – Rn. 15, juris). Gleiches gilt für die Leistungsfähigkeit (BAG, Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 249/11 – Rn. 16, juris). Es kann nicht festgestellt werden, dass Leistungswille und Leistungsfähigkeit im Zeitraum 10.12.2018 bis 25.01.2019 beim Kläger vorlagen. Der teilstationäre Aufenthalt spricht dagegen. Der Kläger hätte unter diesen Umständen darlegen müssen, dass er für diesen Zeitraum arbeitswillig und arbeitsfähig war. Dies ist allerdings nicht geschehen. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass er während seines teilstationären Klinikaufenthaltes rein objektiv in der Lage war, die geschuldete arbeitsvertragliche Leistung in Vollzeit zu erbringen. Es sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die den Schluss zuließen, der Kläger habe seiner Vollzeitbeschäftigung bereits allein aus zeitlichen Gründen neben der teilstationären Behandlung nachkommen können. Sein Hinweis, er habe die Therapie jederzeit zur Aufnahme der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit abbrechen können, ist in seiner Pauschalität nicht nachvollziehbar. Der Kläger hätte näher begründen müssen, dass ihm ein Therapieabbruch aus therapeutischen und rechtlichen Gründen nicht verwehrt war, er mit einem Therapieabbruch einhergehende negative Auswirkungen hinnehmen konnte und diese tatsächlich auf sich genommen hätte. Annahmeverzug scheidet somit für den Zeitraum 10.12.2018 bis 25.01.2019 aus.

2.

126

Dem Kläger steht ein Zahlungsanspruch in Höhe von 7.837,19 Euro brutto zu.

127

Bei der Bemessung der Zahlungshöhe ist von einem dem Kläger zu zahlenden monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 2.439,97 Euro auszugehen. Dieser Betrag ist zwischen den Parteien unstreitig. Soweit der Kläger eine höhere Vergütung eingeklagt hat, ist es ihm nicht gelungen, diese Forderung schlüssig zu begründen.

128

Aus den dem Kläger von der Beklagten für die Monate Juni und Juli 2015 überreichten Entgeltabrechnungen ergibt sich ein Bruttomonatslohn in Höhe von 2.353,00 Euro. Unstreitig resultiert aus der zum 01.07.2018 erfolgten Erhöhung des Lohnes um 0,50 Euro brutto pro Stunde ein weiterer monatlicher Betrag von insgesamt 86,97 Euro. Insgesamt ergibt sich folglich ein Bruttomonatslohn von 2.439,97 Euro, welcher ab dem 10.09.2018 zu begleichen ist.

129

Eine konkrete auf die jeweiligen Monate pro Arbeitstag zu zahlende Vergütung errechnet sich für Monate mit 20 Arbeitstagen in Höhe von 122,00 Euro pro Arbeitstag, für Monate mit 21 Arbeitstagen in Höhe von 116,19 Euro brutto, für Monate mit 23 Arbeitstagen in Höhe von 106,09 Euro. Für 15 Arbeitstage im Monat September 2018 sind danach 1.830,00 Euro brutto zu zahlen, für die Monate Oktober und November 2018 jeweils 2.439,97 Euro, für fünf Arbeitstage im Dezember 2018 580,95 Euro, für vier Arbeitstage im Januar 2019 424,30 Euro, für einen Arbeitstag im Februar 2019 122,00 Euro.

130

Einen Anspruch auf eine höhere Bruttomonatsvergütung hat der Kläger nicht dargetan. Unstreitig erhält der Kläger ein tarifliches Entgelt. Der Kläger hat jedoch nicht aufgezeigt, nach welchen tariflichen Bestimmungen ihm Zahlungen in welcher Höhe zustehen. Soweit sich der Kläger auf eine ihm für den Monat Februar 2019 erteilte Abrechnung bezieht, besagt diese nichts über die ihm zustehende Vergütung für den Zeitraum ab dem 10.09.2018. Der Kläger fordert eine zusätzliche Vergütungsdifferenz von monatlich 235,00 Euro ohne zu erläutern, auf welchen tariflichen Grundlagen diese Forderung beruht. Er behauptet, ihm habe ab dem 01.07.2018 ein Stundenlohn in Höhe von 15,38 Euro brutto zugestanden, davor in Höhe von 14,88 Euro brutto pro Stunde ohne dies mit tariflichen Regelungen zu unterlegen. Er ist nicht in der Lage, zu ermitteln, wie sich der ihm zustehende Monatslohn zusammensetzt. Es gelingt ihm daher auch nicht, die von ihm geforderten Vergütungsdifferenzen schlüssig darzulegen. Fehlt es an einem schlüssigen Vortrag, kann der Klage nicht stattgegeben werden.

3.

131

Die klägerischen Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug sind nicht verfallen. Die Parteien haben unstreitig gestellt, dass auf ihr Arbeitsverhältnis der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteileindustrie und dem Anwendung findet. Auf die Anwendbarkeit der Bestimmungen des RTV ist bereits im Arbeitsvertrag vom 16.06.1995 hingewiesen. Die Anwendbarkeit ist zudem in den Informationsschreiben zu den Betriebsübergängen vom 27.11.2006 sowie 18.12.2003 festgehalten. Damit gelangt zwar die im RTV unter § 20 enthaltene Ausschlussfristenregelung für das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung, ein Verfall der zuvor dargestellten Zahlungsansprüche liegt jedoch nicht vor. Die Regelung lautet:

132

§ 20

133

Ausschlussfristen

134

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Partei schriftlich erhoben werden.

135

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab, oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

136

Die Bestimmung des § 20 RTV findet durch einzelvertragliche Inbezugnahme der Parteien Anwendung auf ihr Arbeitsverhältnis.

137

Die Anwendbarkeit der Ausschlussfrist scheitert nicht daran, dass die Beklagte ihre Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Nr. 10 Nachweisgesetz (NachwG) verletzt hätte. Denn nach dieser Vorschrift genügt ein in allgenmeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Dazu ist es nicht erforderlich, die einzelnen Ausschlussfristen konkret nachzuweisen. Das gilt auch dann, wenn der nachzuweisende Tarifvertrag nicht normativ, sondern nur aufgrund einzelvertraglicher Inbezugnahme gilt (BAG, Urteil vom 22.06.2005 – 10 AZR 459/04 – Rn. 18, juris). Der danach erforderliche Hinweis ist bereits im Arbeitsvertrag enthalten und wird in den an den Kläger gerichteten Informationsschreiben zu einem Betriebsübergang vom 27.11.2002 und 18.12.2003 wiederholt. Eine Nachweispflichtverletzung der Beklagten liegt damit nicht vor.

138

Die Forderungen unterliegen der Ausschlussfristenregelung des § 20 RTV, weil die Ansprüche aus Annahmeverzug aus dem Arbeitsverhältnis stammen.

139

Eine ordnungsgemäße Geltendmachung i.S.d. § 20 RTV erfordert eine ernsthafte und bestimmte Leistungsaufforderung. Ein streitiger Zahlungsanspruch muss daher grundsätzlich nach Grund und Höhe angegeben werden. Eine ganz präzise Benennung des Betrages ist nicht erforderlich, eine ungefähre Bezifferung ist jedoch unerlässlich. Allerdings kann von einer Bezeichnung der Höhe des geforderten Betrages abgesehen werden, wenn dem anderen Vertragspartner die Höhe eindeutig bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar davon ausgeht (BAG, Urteil vom 16.04.2013 – 9 AZR 731/11 – Rn. 21; BAG, Urteil vom 22.06.2005 – 10 AZR 459/04 – Rn. 30; BAG, Urteil vom 26.02.2003 – 5 AZR 223/02 – Rn. 30, juris). Das ist besonders bei Lohn- oder Lohnfortzahlungsansprüchen regelmäßig der Fall. Hier ist der Arbeitgeber aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis zur genauen Bezifferung regelmäßig eher in der Lage, als der Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 26.02.2003 – 5 AZR 223/02 – Rn. 30; BAG, Urteil vom 05.12.2001 – 10 AZR 197/01 – Rn. 134, juris). Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört es, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Dabei ist der Ausspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich zu bezeichnen und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich zu machen. Die Art des Anspruchs, sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen zu erkennen sein, während eine Bezifferung nicht stets erforderlich ist (BAG, Urteil vom 18.09.2019 – 5 AZR 240/18 – Rn. 39; BAG, Urteil vom 11.04.2019 – 6 AZR 104/18 – Rn. 33; BAG, Urteil vom 18.02.2016 – 6 AZR 628/14 – Rn. 20, juris). Diese Grundsätze gelten auch für die in § 20 RTV geregelte Ausschlussfrist.

140

Der Kläger hat die Stufen der Ausschlussfristenregelung eingehalten. Die erste Stufe beginnt mit der Fälligkeit des Anspruchs.

141

Die Fälligkeit der klägerischen Vergütungsforderungen bemisst sich nach § 9 II 2 des RTV. Danach wird bei monatlicher Lohnabrechnung, wie sie für das Arbeitsverhältnis der Parteien durchgeführt wird, der Anspruch auf den Lohn spätestens zur Mitte des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. Abschlagszahlungen können für bestimmte Zeiträume vereinbart werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein früherer Fälligkeitstermin zwischen den Parteien nicht vereinbart. Der Passus unter § 4 des Arbeitsvertrages vom 16.06.1995 „Er wird monatlich nachträglich entsprechend der im Abrechnungszeitraum angefallenen zahlungspflichtigen Stunden gezahlt.“ enthält unter Berücksichtigung des gleichzeitig durch Inbezugnahme anzuwendenden RTV keine konkrete Fälligkeitsbestimmung. Ihm ist lediglich eine monatliche Zahlung zu entnehmen, die nachträglich erfolgen soll. Zu welchem Zeitpunkt nachträglich bedeutet, ergibt sich aus dem RTV, der die Fälligkeit der monatlichen Zahlung spätestens auf die Mitte des Folgemonats festlegt. § 614 BGB formuliert zwar, dass die nach Zeitabschnitten zu bemessende Vergütung nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten ist. Dabei kommt der Formulierung „nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte“ die Bedeutung zu, dass am 1. des Folgemonats zu zahlen ist, weil der Zeitabschnitt, der Vormonat, zu diesem Zeitpunkt beendet ist. „nachträglich“ in Verbindung mit der Regelung des RTV ist mit dieser Formulierung jedoch nicht gleichzusetzen. Nachträglich bestimmt keinen konkreten Zeitpunkt, sondern lässt diesen offen, bedeutet lediglich nach Ablauf des Monats. Da die Vergütung nach der Regelung im Arbeitsvertrag nach den im Abrechnungszeitraum angefallenen zahlungspflichtigen Stunden bemessen werden soll, ist es zudem praktisch kaum möglich, diese bis zum 1. des Folgemonats zu ermitteln und eine daraus resultierende Zahlung zu leisten. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, die Parteien hätten mit dieser Regelung eine Festlegung der Fälligkeit zum 1. des Folgemonats bezweckt, wenn dies praktisch nicht durchführbar ist. "Nachträglich" in Verbindung mit "spätestens zur Mitte" des Folgemonats kann unter diesen Umständen nur als Festlegung des Fälligkeitszeitpunktes zum 15. des Folgemonats verstanden werden.

142

Auch aufgrund des Schreibens der Beklagten bzw. eines Rechtsvorgängers vom 16.09.1999 kann nicht von einer Vereinbarung der Fälligkeit zum Ablauf des letzten Arbeitstages des laufenden Monats angenommen werden. Es kann bereits nicht festgestellt werden, dass der damalige Arbeitgeber des Klägers tatsächlich eine Vereinbarung zur Fälligkeit treffen wollte. Soweit er eine Überweisung des Lohnes zum Ablauf des letzten Arbeitstages des laufenden Monats angekündigt hat, mag dies allein die Ankündigung einer Zahlung vor Fälligkeit bedeuten, nicht jedoch die Regelung eines Fälligkeitszeitpunktes. Zudem ist seitens der Beklagten nicht dargetan, ob und wann dem Kläger dieses Schreiben zugegangen sein soll. Da es deshalb bereits an einem dem entsprechenden Angebot fehlt, ist nicht entscheidend, ob ein Schweigen des Klägers bzw. die widerspruchslose Hinnahme einer Zahlung die Annahme eines Angebotes zur Festlegung des Fälligkeitszeitpunktes darstellen kann.

143

Gleiches gilt für eine etwaige betriebliche Übung, soweit eine mehrmalige, regelmäßige Zahlung zum 26. des Bezugszeitraumes erfolgt sein sollte. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verfahrensweisen de Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder einer Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertendem Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 GBG) verstehen musste und ob er auf einen Bildungswillen des Arbeitgebers schließen durfte (BAG, Urteil vom 05.05.2015 – 1 AZR 806/13 – Rn. 26, juris). Vorliegend ist bereits nicht eindeutig, welcher Erklärungswert einer Lohnzahlung zum 26. des Bezugsmonats zukommen soll. Aus einer solchen Verfahrensweise lässt sich nicht eindeutig auf eine Regelung der Fälligkeit schließen. Ihr kann die Bedeutung einer vorfristigen Zahlung beigemessen werden. Sie kann als bloße Voraus– oder Abschlagszahlung geleistet werden. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die tarifgebundenen Beklagte die Fälligkeit verbindlich unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation und möglichen Änderungen der tariflichen Regelungen festlegen wollte. Auf eine betriebliche Übung kann sich die Beklagte zur Festlegung eines Fälligkeitszeitpunktes nicht berufen.

144

Danach war die Vergütung nach tariflicher Vorschrift für den Monat September 2018 am 15.10.2018 fällig. Mit der Zustellung der Klageschrift vom 11.10.2018, mit welcher der Kläger die Vergütung für den Monat September 2018 fordert, am 24.10.2018 ist die zweimonatige Frist der ersten Stufe der Ausschlussfrist des RTV gewahrt. Damit liegt eine ordnungsgemäße schriftliche Geltendmachung vor. Die Klageschrift wahrt die Schriftform gemäß § 126 BGB (BAG, Urteil vom 30.03.1989 – 6 AZR 769/85 – Rn. 20; BAG, Urteil vom 22.05.2014 – 78 AZR 626/13 – Rn. 9, juris).

145

Die Vergütung für den Monat Oktober 2018 war am 15.11.2018 fällig. Die Vergütung für den Monat November 2018 am 15.12.2018. Der Kläger hat diese per Email vom 14.12.2018 geltend gemacht. Damit ist für beide Forderungen die Zweimonatsfrist der ersten Stufe der tariflichen Ausschlussfrist gewahrt. Die Geltendmachung ist auch nicht wegen Formmangels nichtig (§ 125 BGB). Nach § 20 RTV muss ein Anspruch in der ersten Stufe schriftlich geltend gemacht werden. Dass die Klägervertreterin dazu die Form der Email nutzte, ist trotz der vorgeschriebenen Schriftform unschädlich. Zur Wahrung der Ausschlussfrist bedurfte es nicht der strengen Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB, sondern der Einhaltung der Textform des § 126 b BGB .Es wird, um dem Schriftformerfordernis zu genügen, keine eigenhändige Unterschrift der schriftlichen Erklärung verlangt und eine Anwendung des § 126 b BGB als ausreichend erachtet (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2010 – 4 AZR 549/08 – Rn. 97, juris).

146

Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die erhobenen Ansprüche abgelehnt oder sich überhaupt zu der Email vom 14.12.2018 erklärt hat, so dass die zweimonatige Frist der zweiten Stufe für die gerichtliche Geltendmachung am 28.12.2018 zu laufen begann und am 28.02.2019 endete. Die Zustellung der Klage vom 11.02.2019 am 14.02.2019 liegt innerhalb dieser Frist.

147

Die Vergütung für den Monat Dezember 2018 hat der Kläger mit Klageerweiterung vom 11.03.2019, der Beklagten zugestellt am 15.03.2019, geltend gemacht. Infolge Fälligkeit der Vergütungszahlung am 15.01.2019 lief die zweimonatige Frist der ersten Stufe am 15.03.2019 aus und ist mit der Zustellung an diesem Tag gewahrt.

148

Die Vergütung für die Monate Januar und Februar 2019 hat der Kläger mit seiner Klageerweiterung vom 30.04.2019, der Beklagten am 07.05.2019 zugestellt, geltend gemacht. Die Vergütung für den Monat Januar 2019 war am 15.02.2019 fällig. Die Vergütung für den Monat Februar 2019 am 15.03.2019, so dass die zwei Monate der ersten Stufe der Ausschlussfrist am 15.05.2019 endete. Die Klagezustellung hält sich innerhalb dieser Frist.

149

Allerdings bezieht sich die Geltendmachung des Klägers nicht in jedem Fall auf die ihm hier zugesprochene Vergütungshöhe. So hat der Kläger für den Monat September 2018 zunächst lediglich den Betrag in Höhe von 2.353,00 Euro eingeklagt und auch seine Geltendmachung per Email vom 14.12.2018 für die Monate Oktober und November 2018 bezieht sich auf eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.353,00 Euro. Die ab dem 01.07.2018 erfolgte Lohnerhöhung von 86,97 € hat der Kläger nicht berücksichtigt. Dies ist jedoch unschädlich. Es war dem Kläger nämlich nicht möglich, die zum 01.07.2018 erfolgte Lohnerhöhung vorher zu beziffern. Bereits mit Schreiben vom 15.08.2018 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass nicht ersichtlich sei, woraus sich der aktuelle Lohn ergebe und sie hat um Auskunft gebeten, aufgrund welcher Vereinbarung sich die Höhe des Monatslohnes errechne. Sie hat rückständigen Bruttolohn für die Monate Mai bis Juli 2018 geltend gemacht vorbehaltlich der Differenz nach Auskunft über die Lohngrundlage. Damit ist für den Kläger ausgedrückt worden, dass er seine Geltendmachung auf alle ihm der Höhe nach entsprechend den tariflichen Vorgaben zustehenden Lohnbestandteile bezieht, auch wenn er diese nicht im Einzelnen genau beziffern kann. Schließlich hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 06.11.2018 um Einsicht in die maßgeblichen Tarifverträge gebeten, eine Übersendung durch die Beklagte ist jedoch nicht geschehen. Demgegenüber hatte die Beklagte als Mitglied des Arbeitgeberverbandes Zugriff auf einschlägige Tarifverträge während der Kläger als Nichtgewerkschaftsmitglied auf die Beklagte zur Aushändigung bzw. Einsichtnahme der Tarifverträge angewiesen war. Die Beklagte war somit aufgrund ihrer Sachkenntnis eher zur Bezifferung in der Lage und wusste, was auf sie zukommt.

4.

150

Der Zinsanspruch erfolgt aus dem Gesichtspunkt des Verzugs gem. §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1, 288 Abs. 1 BGB. Aufgrund der tariflich vorgesehenen Fälligkeit der Vergütung zum 15. des Folgemonats war dem Kläger ein Zinsanspruch infolge Verzugs jeweils ab dem 16. des Folgemonats zuzusprechen. Da ein Zahlungsverzug erst mit Fälligkeit der Forderung begründet wird, und damit erst zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen entsteht, konnte dem Kläger kein Zinsanspruch vor dem 16. des Folgemonats zuerkannt werden.

II.

151

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Jahressonderzahlung in Höhe von 854,00 Euro brutto für das Jahr 2018 nebst Verzugszinsen.

1.

152

§ 14 RTV enthält zur Jahressondervergütung folgende Regelung:

153

„1. Jedem Arbeitnehmer, dessen Beschäftigungsverhältnis am 30. November des laufenden Kalenderjahres mindestens 12 Monate ununterbrochen besteht und arbeitnehmerseitig nicht gekündigt ist, ist eine Jahressondervergütung – zahlbar spätestens mit der fälligen Novemberabrechnung – zu gewähren. Die Jahressondervergütung beträgt 35 % des tariflichen Monatsverdienstes. Berechnungsformel:

154

Tarifstunden x tarifliche Wochenarbeitszeit gemäß § 3 Ziff. 1 x 4,33.

155

Zeiten unterbrochener Betriebszugehörigkeit werden zusammen gerechnet, wenn die Unterbrechung nicht vom Arbeitnehmer veranlasst wurde und wenn sie nicht länger als sechs Monate gedauert hat. In diesem Falle beträgt die Jahressondervergütung 1/12 des Gesamtbetrages nach Abs. 2 für jeden Monat des laufenden Kalenderjahres, in dem der Arbeitnehmer mehr als 12 Tage gearbeitet hat.“

156

Die danach verlangten Voraussetzungen sind erfüllt. Das klägerische Arbeitsverhältnis bestand am 30.11.2018 seit Januar 1988 und damit länger als 12 Monate ununterbrochen und war seitens des Klägers nicht gekündigt. Damit war dem Kläger eine Jahressondervergütung zahlbar mit der fälligen Novemberabrechnung in Höhe von 35 % des tariflichen Monatsverdienstes in unstreitiger Höhe von 854,00 Euro brutto zu gewähren. 35 % des dem Kläger zustehenden tariflichen Monatsverdienstes von 2.439,97 Euro sind 854,00 Euro.

157

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Anspruch nicht entgegen, dass der Kläger im gesamten Jahr 2018 keine Arbeitsleistung erbracht hat. Die tarifliche Regelung sieht eine anteilige Zahlung lediglich im Falle einer unterbrochenen Betriebszugehörigkeit vor. Eine solche Unterbrechung war im Jahr 2018 für das Arbeitsverhältnis der Parteien jedoch nicht gegeben. Die Nichtbeschäftigung des Klägers im Jahr 2018 führt nicht zu einer Unterbrechung der Betriebszugehörigkeit. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand vielmehr im gesamten Jahr 2018 fort, so dass der Kläger ununterbrochen in diesem Jahr betriebszugehörig war.

158

Die tatsächliche Nichtbeschäftigung steht auch nicht aus anderen Gründen entgegen. Die tarifliche Regelung knüpft nämlich nicht an eine tatsächliche Arbeitsleistung an. Sie gewährt 35 % des tariflichen Monatsverdienstes, wobei Zeiten ohne Arbeitsleistung und Entgeltfortzahlung, wie z.B. Krankheitszeiten über den Lohnfortzahlungszeitraum hinaus, für die Berechnung des Anspruches ohne Einfluss bleiben. Insoweit setzt der Tarifvertrag eine tatsächliche Arbeitsleistung bzw. Mindestarbeitsleistung nicht voraus. Die Tarifvertragsparteien wollen den Arbeitnehmern in jedem Fall die Zahlung zukommen lassen, wenn die vorausgesetzte ununterbrochene Betriebszugehörigkeit erfüllt ist.

159

Die Auslegung von Tarifverträgen erfolgt – entsprechend der Gesetzesauslegung – in erster Linie nach dem Tarifwortlaut. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in dieser ihren Niederschlag gefunden haben. Ferner ist der tarifliche Gesamtzusammenhang einzubeziehen, da er Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern kann und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend zu ermitteln ist. Bleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlautes und des tariflichen Gesamtzusammenhanges als den stets und in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Gesichtspunkte wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden (BAG, Urteil vom 17.12.1992 – 10 AZR 427/91 – Rn. 18, juris).

160

Aus seinem Wortlaut und dem Tarifzusammenhang folgt für § 14 RTV, dass die Jahressondervergütung ausschließlich nach der Dauer des Bestandes des Arbeitsverhältnisses geleistet wird und eine Arbeitsleistung – in welchem Umfang auch immer – nicht voraussetzt. Die tarifliche Regelung verlangt ein am 30. November des laufenden Kalenderjahres mindestens 12 Monate ununterbrochen bestehendes Beschäftigungsverhältnis. Zwar wird in der Tarifnorm der Begriff „Beschäftigungsverhältnis“ verwendet, daraus kann jedoch nicht darauf geschlossen werden, es sei eine tatsächliche Beschäftigung Anspruchsvoraussetzung. Die Tarifvertragsparteien haben diesen Begriff nicht in diesem Sinne verwandt, sondern sie gebrauchen ihn vielmehr ebenso wie den des Arbeitsverhältnisses zur allgemeinen Bezeichnung der Rechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dies wird darin deutlich, dass sie im zweiten Absatz festgelegt haben, dass lediglich bei unterbrochener Betriebszugehörigkeit eine Quotierung erfolgen soll. Die Betriebszugehörigkeit knüpft jedoch nicht an ein Beschäftigungsverhältnis an, sondern an ein Arbeitsverhältnis. Demgemäß führt eine Nichtbeschäftigung nicht zu einer Unterbrechung der Betriebszugehörigkeit. Eine Nichtbeschäftigung könnte allenfalls einen Ruhenstatbestand begründen. Eine Quotierung für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses sieht die tarifliche Regelung jedoch nicht vor.

161

Die Berechnung der Sonderzahlung knüpft auch nicht etwa an ein „erzieltes Arbeitsentgelt“ oder „tatsächlich geleistete Arbeitsstunden“ an, sondern stellt auf den tariflichen Monatsverdienst ab. Sie soll in jedem Fall 35 % des tariflichen Monatsverdienstes betragen.

162

Die tarifliche Regelung setzt auch nicht stillschweigend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus. Eine tarifliche Regelung kann zwar über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung, die auch im Bezugszeitraum geleistete Arbeit vergüten will, im Einzelnen bestimmen, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung sich anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auf die Sonderzahlung auswirken sollen. Über diese Bestimmung hinaus kann einer solchen Regelung aber nicht der Rechtssatz entnommen werden, dass Voraussetzung für den Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung auf jeden Fall eine nicht ganz unerhebliche tatsächliche Arbeitsleistung im Bezugszeitraum von in der Regel zwei Wochen sei. Beim Fehlen einer ausdrücklichen Regelung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit kann der Anspruch des Arbeitnehmers nicht allein mit der Überlegung verneint werden, eine tarifliche Sonderzahlung werde auch mit Rücksicht auf die für den Betrieb erbrachte Arbeitsleistung gewährt, wenn der Arbeitnehmer nicht einmal eine nicht ganz unerhebliche Arbeitsleistung von in der Regel zwei Wochen erbracht hat. Ein allgenmeines Prinzip, dass der Anspruch entfällt, wenn während des Bezugszeitraumes überhaupt keine oder keine nennenswerte Arbeitsleistung erbracht wird, gibt es nicht (BAG, Urteil vom 17.12.1992 – 10 AZR 427/91 – Rn. 22, juris). Bei einer tariflichen Sonderzahlung, die sowohl die Entlohnung im Bezugszeitraum geleisteter Arbeit als auch die Belohnung erwiesener Betriebstreue bezweckt, bedarf es vielmehr einer ausdrücklichen Quotenregelung, wenn die Gratifikation für Zeiten gekürzt werden soll, in denen das Arbeitsverhältnis ruhte. Enthält der Tarifvertrag für diese Tatbestände keine Regelung, kann eine am Umfang der jährlichen Arbeitsleistung orientierte Kürzung der Gratifikation nicht mit einem allgemeinen Rechtsprinzip begründet werden (BAG, Urteil vom 17.12.1992 – 10 AZR 427/91 – Rn. 24, juris).

163

Bei der jeweils mit dem Novemberentgelt ausgezahlten Sonderzahlung handelt es sich um eine Leistung, die nicht ausschließlich die bereits in der Vergangenheit erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honorieren, sondern jedenfalls auch einen Anreiz für künftige Betriebstreue geben soll, mithin um eine Leistung zumindest mit Mischcharakter. Es wird die Dauer der Betriebszugehörigkeit honoriert und damit eine zusätzliche Vergütung für im Bezugszeitraum geleistete Arbeit bezweckt. Darüber hinaus zeigt jedoch die Bindungsklausel, wonach das Arbeitsverhältnis arbeitnehmerseitig nicht gekündigt sein darf, dass die Tarifvertragsparteien eine weitere anspruchsbegründende Voraussetzung geregelt haben, die zweckbestimmt zukünftige Betriebstreue belohnen soll (vgl. BAG, Urteil vom 10.01.1991 – 6 AZR 448/89 – Rn. 18; vgl. BAG, Urteil vom 23.04.2008 – 10 AZR 458/07, Rn. 17 ff, juris). Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Nichtbeschäftigung des Klägers während des gesamten Jahres seinem Anspruch nicht entgegen, denn weder ist die Beschäftigung während des Bezugszeitraumes anspruchsbegründend festgelegt noch wirkt eine Nichtbeschäftigung während des Bezugszeitraumes anspruchsausschließend oder anspruchsmindernd.

164

§ 14 RTV enthält keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Tarifvertragsparteien die Zahlung der Jahressondervergütung überhaupt von einer Arbeitsleistung abhängig machen wollten. Sie haben die Auswirkungen einer längeren krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auf den Anspruch auf Jahressondervergütung überhaupt nicht geregelt (BAG, Urteil vom 10.01.1991 – 6 AZR 448/89 – Rn. 17, juris).

165

Der Zweck der jeweiligen Sonderzahlung wird den in der entsprechenden Regelung jeweils normierten Voraussetzungen entnommen, unter denen ein Anspruch auf die Sonderzahlung entstehen soll oder bei deren Vorliegen eine Sonderzahlung gekürzt werden kann oder ein Anspruch auf sie ausgeschlossen ist. Es ist jedoch ein unzulässiger Zirkelschluss, aus dem aus diesen Voraussetzungen hergeleiteten Zweck der Sonderzahlung als weitere Anspruchsvoraussetzung jedenfalls für Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter oder Mischcharakter als weitere „ungeschriebene“ Anspruchsvoraussetzung herzuleiten, der Arbeitnehmer müsse im Bezugszeitraum überhaupt eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht haben, damit ein Anspruch auf die Jahressonderzahlung dem Grunde nach gegeben ist. Die jeweils normierten Anspruchsvoraussetzungen geben vielmehr abschließend darüber Auskunft, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln dieser Zweck erreicht werden soll (BAG, Urteil vom 16.03.1994 – 10 AZR 669/92 – Rn. 21, juris). Allein der Entgeltcharakter der Sonderleistung kann vielmehr nicht begründen, dass der Anspruch auf eine solche Jahressonderzahlung auf jeden Fall eine tatsächliche Arbeitsleistung im Bezugszeitraum voraussetzt, ganz abgesehen davon, dass damit auch nicht die Frage beantwortet ist, welche tatsächliche Arbeitsleistung zu fordern ist (BAG, Urteil vom 16.03.1994 – 10 AZR 669/92 – Rn. 25, juris).

166

Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich im Rahmen ihrer Tarifautonomie frei zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Jahressonderzahlung gewährt wird und welche Tatbestände ggf. zu einer Kürzung führen. Insbesondere sind sie dabei in der Entscheidung frei, ob die Erbringung von Arbeitsleistung Voraussetzung für eine Sonderzahlung ist (BAG, Urteil vom 25.09.2013 – 10 AZR 850/12 – Rn. 10; BAG, Urteil vom 14.03.2012 – 10 AZR 112/11 – Rn. 12; BAG, Urteil vom 05.08.1992 – 10 AZR 88/90 – Rn. 16, juris).

167

Soll sich eine tatsächlich nicht erbrachte Arbeitsleistung anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auswirken, muss die tarifliche Regelung eine Bestimmung enthalten, aus der sich ergibt, dass ein Anspruch auf eine Sonderzahlung oder dessen Umfang von der erbrachten tatsächlichen Arbeitsleistung abhängig gemacht wird. Soweit dem nicht zwingende Rechtsvorschriften entgegenstehen, kann die Regelung jeweils bestimmen, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung den Anspruch mindern oder ausschließen (BAG, Urteil vom 16.03.1994 – 10 AZR 669/92 – Rn. 26, juris).

168

Vorliegend haben die Tarifvertragsparteien detailliert geregelt, in welchen Fällen der Anspruch entfällt oder zu kürzen ist. Der Fall der nicht tatsächlichen Arbeitsleistung ist nicht darunter.

2.

169

Der klägerische Anspruch auf Zahlung von 854,00 Euro ist auch nicht verfallen. Der tarifliche Anspruch auf Jahressonderzahlung war mit der Vergütung für den Monat November am 15.12.2018 fällig. Die Zustellung der Klageerweiterung vom 11.02.2019 am 15.02.2019 mit welcher der Kläger die Zahlungsforderung erhoben hat, liegt innerhalb der zweimonatigen Frist der ersten Stufe der Ausschlussfrist.

3.

170

Die geltend gemachten Zinsen werden im titulierten Umfang geschuldet gem. §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Sonderzahlung war mit der Vergütung für November 2018 zum 15. des Folgemonats, also zum 15.12.2018 fällig. Verzug trat am 16.12.2018 ein.

III.

171

Darüber hinausgehende Ansprüche aus Annahmeverzug oder auf Entgeltfortzahlung bzw. Schadensersatz stehen dem Kläger gegen die Beklagte nicht zu.

1.

172

Für den Kläger ist kein Zahlungsanspruch gemäß § 615 BGB vor dem 10.09.2018 begründet, weil die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

173

Der Kläger hat vor diesem Zeitpunkt der Beklagten nämlich nicht das erforderliche Angebot unterbreitet.

174

Soweit der Kläger im August 2017 der Beklagten mitgeteilt hat, dass er die Arbeit aufnehmen möchte, hat er - obgleich darlegungs- und beweisbelastet für die Voraussetzung eines ordnungsgemäßen Angebots - keine Tatsachen vorgetragen, die belegen, dass er zur rechten Zeit am erforderlichen Ort seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit angeboten hat. Der Kläger hat sich nicht im Betrieb persönlich vorgestellt. Er hat auch keine Erklärung dargetan, mit welcher er der Beklagten seine Arbeitskraft in Vollzeit als Staplerfahrer zur Verfügung gestellt hätte. Wenn er vielmehr – wie er in der Klageschrift vorträgt – ausgedrückt hat, dass er nicht abschätzen könne, ob er seine vor dem 22.06.2015 ausgeübte Tätigkeit noch voll oder überhaupt ausüben könne, stellt dies gerade kein uneingeschränktes Angebot seiner Arbeitskraft dar, welches zur Begründung von Annahmeverzug erforderlich wäre. Es liegen keine Anzeichen vor, dass ein solches Angebot bis zum 14.03.2018 erfolgt wäre.

175

Ein vertragsgemäßes Angebot im Zeitraum nach dem 14.03.2018 scheitert an dem klägerischen Antrag auf Gewährung einer Teilzeittätigkeit im Umfang von 20 Stunden pro Woche, da er damit zum Ausdruck gebracht hat, gerade nicht der arbeitsvertraglich geschuldeten Vollzeittätigkeit nachgehen zu wollen.

176

Dies gilt auch für ein möglicherweise am 22.05.2018 vor Ort durch den Kläger unterbreitetes Angebot, denn es ist nicht erkennbar, dass er damit entgegen seinem Teilzeitantrag vom 14.03.2018 in Vollzeit tätig sein wollte und sich ein Angebot darauf hätte beziehen können.

177

Zudem war der Kläger zu diesem Zeitpunkt leistungsunfähig, die Tätigkeit als Staplerfahrer zu erbringen. Unmöglichkeit der Leistung und Annahmeverzug schließen sich gegenseitig aus. Ist der Arbeitnehmer zum Beispiel wegen Entzugs der Fahrerlaubnis oder abgelaufener Approbation außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, so hat er keinen Anspruch auf Entgeltansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (BAG, Urteil vom 18.12.1986 – 2 AZR 34/86 – Rn. 15, juris). Das gilt auch vorliegend. Dem Kläger war es unmöglich, als Staplerfahrer tätig zu sein. Es lag kein positives Untersuchungsergebnis des Betriebsarztes zur G 20 und G 25 vor, so dass ein Einsatz des Klägers als Staplerfahrer bereits aus diesem Grunde scheiterte. Liegt die G 25 Untersuchung nicht vor oder bestätigt sie nicht das Ergebnis „geeignet“, kann ein Annahmeverzug nicht begründet werden (LAG Köln, Urteil vom 04.09.2015 – 4 Sa 823/14 – Rn. 73; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.03.2010 – 3 Sa 714/09 – Rn. 52, juris).

178

Gleiches gilt für das Schreiben vom 28.05.2018. Es kann dahin stehen, ob damit ein ordnungsgemäßes Arbeitsangebot unterbreitet wurde, zu diesem Zeitpunkt lag immer noch kein positives Untersuchungsergebnis des Betriebsarztes vor. Dieses ist erst aufgrund der Untersuchung am 30.05.2018 erstellt worden.

179

Es kann dahin stehen, ob der Kläger bzw. seine Prozessbevollmächtigte im weiteren Zeitverlauf schriftlich das erforderliche Arbeitsangebot unterbreitet haben sollten. Dieses ist im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr ein Angebot in Persona im Betrieb. Das erforderliche ordnungsgemäße Angebot, nachdem der Beklagten das Untersuchungsergebnis zur G 25 vom 30.05.2018 mitgeteilt worden war, ist erst am 10.09.2018 erfolgt.

2.

180

Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 10.12.2018 bis zum 25.01.2019 kein Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) zu. Die Beklagte hat gegenüber einem etwaigen Entgeltfortzahlungsanspruch berechtigt ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt.

181

§ 7 EntgFG berechtigt, die Entgeltfortzahlung zu verweigern, solange der Arbeitnehmer seiner Nachweispflicht gemäß § 5 EntgFG nicht nachkommt. Es handelt sich um eine zeitweilige Einrede (BAG, Urteil vom 19.02.1997 – 5 AZR 83/96 – Rn. 36, juris). Der Arbeitnehmer kann ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorlegen, aber krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auch anderweitig nachweisen. Gelingt ihm dies, so endet das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers nach § 7 EntgFG (BAG, Urteil vom 01.10.1997 – 5 AZR 726/96 – Rn. 36, juris).

182

Die Beklagte hat zu Recht ein Entgeltverweigerungsrecht gemäß § 7 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) ausgeübt, denn der Kläger hat eine ärztliche Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit selbst im vorliegenden Verfahren, im Berufungsrechtszug, nicht vorgelegt. Auch an einer Vorlage nach § 9 Abs. 2 EntgFG fehlt es.

183

Sofern es sich bei dem teilstationären Klinikaufenthalt um eine Maßnahme nach § 9 EntgFG gehandelt haben sollte, bei der der Arbeitnehmer nicht zugleich krank sein muss, könnte dennoch gemäß § 3 EntgFG ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestehen. Das Recht der vorläufigen Weigerung steht dem Arbeitgeber jedoch auch dann zu, wenn der Arbeitnehmer seinen Pflichten aus § 9 Abs. 2 EntgFG nicht nachkommt. Solange der Arbeitnehmer einen Bewilligungsbescheid oder eine ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt, kann der Arbeitgeber auch bei einer Maßnahme nach § 9 EntgFG von seinem vorläufigen Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen. Bei der Verweisung auf § 7 i.V.m § 5 Abs. 1 und Abs. 2 hat der Gesetzgeber übersehen, dass die Vorschriften des § 5 durch die Spezialregelung des § 9 Abs. 2 ersetzt sind, die allerdings keine andere Aussage treffen als die des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 (ErfK/Reinhard EFZG § 9, Rn. 17).

184

Der Kläger selbst bezieht sich insoweit auch nicht auf eine Arbeitsunfähigkeit; er trägt vor, dass er während der Zeit des teilstationären Klinikaufenthaltes nicht arbeitsunfähig gewesen sei, sondern die Arbeit jederzeit habe wieder aufnehmen können. Soweit der Kläger eine Bescheinigung über den Klinikaufenthalt zur Akte gereicht hat, ist ihr lediglich zu entnehmen, dass der Kläger sich im Zeitraum 10.12.2018 bis zum 25.01.2019 in teilstationärer Behandlung befand. Eine Aussage zu einer Arbeitsunfähigkeit wird nicht getroffen.

3.

185

Es besteht kein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen entgangener Vergütung nach § 280 Abs. 1 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 81 Abs. 4 SGB IX. Die Beklagte hat ihre Pflichten gegenüber den schwerbehinderten Arbeitnehmern gleichgestellten Kläger nicht verletzt.

186

Einen anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz hat der Kläger nicht aufgezeigt. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer Neubestimmung der Tätigkeit des Arbeitnehmers setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz verlangt und dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, wie er sich seine weitere, an die aufgetretenen Leistungshindernisse ausräumende Beschäftigung vorstellt (vgl. BAG, Urteil vom 19.05.2010 – 5 AZR 162/09 – Rn. 28, juris). Dies ist unterblieben. Der Kläger hat der Beklagten keinen anderweitigen Arbeitsplatz benannt. Er hat vielmehr keinerlei Leistungshindernisse konkret aufgezeigt, sondern solche geleugnet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht einen Schadensersatzanspruch gemäß § 241 Abs. 2 BGB aus dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Verletzung der der Beklagten als Arbeitgeberin obliegenden Rücksichtnahmepflicht abgelehnt. Der Kläger kann sich nicht darauf beziehen, dass die Beklagte es unterlassen hätte, ihm einen geforderten leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen, denn der Kläger hat keinerlei Einschränkungen seiner Arbeitskraft benannt, die es der Beklagten ermöglicht hätten, dem Kläger Arbeiten zuzuweisen, welche mit Einschränkungen zu erbringen waren.

IV.

187

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, Satz 1, 1. Alt. ZPO. Jeder Partei wurden die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis ihres Obsiegens bzw. Unterliegens auferlegt.

188

Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Frage der Fälligkeit der hier streitbefangenen Zahlungsforderungen betrifft die Auslegung des Arbeitsvertrags unter Berücksichtigung von Umständen des Einzelfalles ohne grundsätzliche Bedeutung.

189

Auch ist Divergenz bezüglich der Auslegung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht gegeben. In dieser Entscheidung wurde kein abstrakter Rechtssatz zugrunde gelegt, der mit den tragenden Rechtsausführungen in einer Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt. Solche divergierenden Rechtsätze ergeben sich aus der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz sowie der vorliegenden Entscheidung nicht. Es liegt ein anderer Sachverhalt vor, der eine andere rechtliche Würdigung rechtfertigt. Es wird in dieser Entscheidung kein Rechtsatz aufgestellt. Ein gefundenes Auslegungsergebnis stellt keinen Rechtsatz dar, sondern eine Tatsache. Denn bei der Formulierung eines Tatsachengerichts, was Inhalt einer materiell-rechtlichen Willenserklärung ist, handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung. Es war ein anderer Sachverhalt zu beurteilen, weil im Falle der vom Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz entschiedenen Konstellation eine Verweisung auf einen Tarifvertrag durch arbeitsvertragliche Bezugnahme nicht vorlag.

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