Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 169/18

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 14. März 2018, Az. 4 Ca 1108/17, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zweitinstanzlich auf die Widerklage noch darüber, ob die Klägerin der Beklagten zum Schadensersatz iHv. € 101.372,73 verpflichtet ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin war seit 01.01.2011 bei der Beklagten, einem Handwerksbetrieb für Heizung und Sanitär, als kaufmännische Angestellte zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 4.500,00 beschäftigt. Die Beklagte wird in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführt. Der inzwischen geschiedene Ehemann der Klägerin (E. G.) war bis August 2017 einer von drei Kommanditisten der Beklagten und einer von drei einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Komplementär-GmbH. Ein Kommanditist der Beklagten (N. L.) ist außerdem Geschäftsführer der L. Gesellschaft R.-L. S. (im Folgenden S.), die vorträgt, dass sie sämtliche Ansprüche gegen die Klägerin an die Beklagte abgetreten habe, was die Klägerin bestreitet.

3

Der Klägerin oblag die Durchführung der Finanz- und Lohnbuchhaltung der Beklagten sowie die Vorbereitung der Buchhaltung der S.. Zahlungsbefugnisse und Bankvollmachten hatte die Klägerin nicht. Zahlungen und Überweisungen wurden von den drei Geschäftsführern der Komplementär-GmbH (ua. dem Ehemann der Klägerin) veranlasst und von diesen durchgeführt. Die Klägerin erledigte die Buchhaltungsvorgänge auf Anweisung der Geschäftsführung.

4

Neben ihrem Arbeitsverhältnis für die Beklagte betrieb die Klägerin in der T. Innenstadt ein Porzellan- und Haushaltswarengeschäft (X.-Store). Dort beschäftigte sie Angestellte.

5

Im Berufungsrechtszug legte die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 31.10.2018 einen schriftlichen Arbeitsvertrag mit Datum vom 22.12.2010 vor. Dieser Vertrag ist von der Klägerin und auf Arbeitgeberseite von ihrem Ehemann unterzeichnet. Der Vertrag enthält ua. folgende Klausel:

6

"§ 13 Verfallfristen

7

Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen."

8

Mitte August 2017 stellten die anderen Kommanditisten fest, dass der Ehemann der Klägerin in einer Vielzahl von Fällen private Rechnungen und Verbindlichkeiten mit Firmengeldern der Beklagten und der S. beglichen hatte, indem er fiktive Rechnungen von Lieferanten der Beklagten bzw. der S. unter Angabe fiktiver Rechnungsnummern mittels Überweisung von Geschäftskonten der Beklagten und der S. bezahlt, die jeweiligen Rechnungsbeträge jedoch auf sein Konto bzw. Konten seiner Gläubiger überwiesen hatte. Sie stellten gleichzeitig fest, dass die Überweisungen von der Klägerin gebucht worden waren. Wegen dieser Feststellungen führten sie am 22.08.2017 mit der Klägerin und ihrem Ehemann ein Gespräch, an dem auf Seiten der Beklagten auch der Steuerberater und die Vertreterin des Arbeitgeberverbands teilnahmen. Der Ehemann der Klägerin räumte ein, private Verbindlichkeiten in Höhe von rund € 230.000,00 mit Firmengeldern beglichen zu haben. Er erklärte sich mit dem Abschluss eines sofortigen Aufhebungsvertrages sowie der Abgabe eines notariellen Schuldanerkenntnisses einverstanden.

9

Auf Vorhalt räumte die Klägerin am 22.08.2017 ein, dass sie Überweisungen zu Lasten der Beklagten und zu Gunsten ihres Ehemannes gebucht habe, hierzu aber von ihrem Ehemann unter Androhung körperlicher Gewalt gezwungen worden zu sein. Sie habe sich selbst aber zu keinem Zeitpunkt bereichert. Im Anschluss an dieses Gespräch kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin, nicht wie geplant - fristlos, sondern mit Schreiben vom 22.08. ordentlich zum 31.10.2017 aus "betriebsbedingten" Gründen. Außerdem schloss sie mit der Klägerin eine Abwicklungsvereinbarung. Diese Vereinbarung focht die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 25.08.2017 an. In der Anfechtungserklärung heißt es ua.:

10

"Unsere Mandantin wurde in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt. Ihr wurden eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung und eine Strafanzeige angekündigt.

11

Wir wollen die Vorgänge derzeit nicht weiter kommentieren. Es gibt einiges - in dem in Deutschland und L. ansässigen Firmenkonstrukt - aufzuklären. Dafür interessieren sich auch andere Mitarbeiter der Firma.

12

Das Risiko, als Buchhalterin einer eigenen Strafverfolgung ausgesetzt zu sein, wird unsere Mandantin in Kauf nehmen."

13

Mit ihrer am 07.09.2017 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenen Klage wandte sich die Klägerin gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten, beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Vereinbarung vom 22.08.2017 aufgelöst worden ist, und verlangte ihre Weiterbeschäftigung. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.09.2017 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.11.2017. Gegen diese Kündigung wandte sich die Klägerin mit ihrer am 26.09.2017 eingegangenen Klageerweiterung. Mit ihrer Widerklage vom 12.12.2017 verlangte die Beklagte die Zahlung von € 113.278,72 Schadensersatz.

14

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

15

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22.08.2017 nicht beendet wird,

16

2. die Beklagte zu verurteilen, sie zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses tatsächlich über den 31.10.2017 hinaus weiter zu beschäftigen,

17

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Vereinbarung vom 22.08. zum 31.10.2017 sein Ende gefunden hat, sondern ungekündigt über den 31.10.2017 hinaus fortbesteht,

18

4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 18.09.2017 und die hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 18.09. zum 30.11.2017 aufgelöst wird,

19

5. die Widerklage abzuweisen.

20

Die Beklagte hat beantragt,

21

1. die Klage abzuweisen,

22

2. auf die Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an sie € 113.278,72 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

23

Die Beklagte hat zur Wiederklage erstinstanzlich vorgetragen, ein Kommanditist (H. L.) habe in den Wochen nach Zugang der Anfechtungserklärung vom 25.08.2017 - von Ende August bis Mitte September 2017 - die während der letzten Monate und Jahre von der Klägerin und ihrem Ehemann durchgeführten Überweisungen und Buchungen überprüft. Dabei habe er festgestellt, dass die Klägerin entgegen ihrer Beteuerungen im Gespräch vom 22.08.2017 nicht nur zu Gunsten ihres Ehemannes Falschbuchungen durchgeführt habe, sondern mit den Firmengeldern, auch der S., zahlreiche eigene Verbindlichkeiten beglichen habe. Im Einzelnen:

24

Die Klägerin habe am 22.06.2016 eine Rechnung ihres Duschkabinenlieferanten H. über einen Betrag iHv. € 1.704,60 angelegt, ohne dass es diese Rechnung tatsächlich gebe. Der Rechnungsbetrag sei von ihrem Firmenkonto bei der Sparkasse T. an Frau R. überwiesen worden. Frau R. sei eine Arbeitnehmerin der Klägerin gewesen, die sie im X-Store beschäftigt habe. In den Unterlagen der Klägerin habe sich die Kopie einer Abrechnung für diese Arbeitnehmerin für den Monat Mai 2016 befunden, die den Überweisungsbetrag iHv. € 1.704,60 ausweise.

25

Am 06.06.2016 habe die Klägerin vom Luxemburger Konto der S. eine Forderung der Fa. K. A. Europa Inc., eines Lieferanten ihres Haushaltswarengeschäfts, iHv. € 15.523,15 beglichen. Wegen dieser Forderung habe K. A. laut aufgefundenem Schreiben des Obergerichtsvollziehers vom 18.05.2016 (DRII 0632/16) bereits die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin eingeleitet gehabt.

26

Am 06.06.2017 habe die Klägerin im Handwerkerprogramm der S. eine Rechnung des L. Lieferanten H. S. über € 5.000,00 angelegt, die es tatsächlich nicht gegeben habe. Der Rechnungsbetrag sei an Frau Sch. in Deutschland gezahlt worden, die Gründerin der Firma X. Selection GmbH Deutschland, einer Lieferantin des Haushaltswarengeschäfts der Klägerin.

27

Am 22.02.2017 habe die Klägerin einen Betrag iHv. € 8.691,37 vom Konto der S. auf ein Konto der Landesfinanzdirektion (LFK) D. überwiesen, um ihre eigene Steuerschuld zu begleichen. Zusammengefasst:

28
        

Datum 

        

Überweisung an

Betrag in €

        

22.06.16

        

R.    

1.704,60

        

06.06.16

        

K. A. Europa

15.523,15

        

06.06.17

        

Sch.   

5.000,00

        

22.02.17

        

LFK D.

8.691,37

29

Darüber hinaus habe die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehemann von den Geschäftskonten der S. bei drei L. Banken (D., B. und P.) Beträge an die Lieferanten ihres Haushaltswarengeschäfts (X. Selection, A. Design, R., C. moderne, s. s.), an die Küchenfirma F. A., an die Vermieterin ihres Ladens (I. in Sch.), an den Vermieter ihrer Wohnung (Herrn Z.), an ihr Haushaltswarengeschäft (X.-Store), an eine Firma F.J. E., die AOK und die Zollzahlstelle K. überwiesen. Bei den Buchungstexten habe sie nicht die tatsächlichen Empfänger der Zahlungen, sondern größtenteils Lieferanten der Beklagten bzw. der S. (zB. die Firma V.) angegeben. Die weiteren beanstandeten Falschbuchungen und Überweisungen schlüsselte die Beklagte unter Vorlage der jeweiligen Kontoauszüge und Buchungsbelege in einer Tabelle - hier vereinfacht dargestellt - wie folgt auf:

30

Konto bei der P&T-Bank für 2015:

31

Anl.   

Datum 

Buchungstext

Überweisung an

Betrag in €

1       

23.03.15

V.    

X. Selection

3.132,83

2       

13.03.15

V.    

X. Selection

954,44

3       

04.03.15

V.    

X. Selection

1.029,15

4       

02.04.15

F.    

F. A. 

3.867,50

5       

20.07.15

X.    

X. Store T.

4.225,00

3       

04.03.15

V.    

I. Sch.

5.831,00

6       

10.09.15

V.    

Z.    

1.150,00

7       

26.11.15

V.    

A. Design

1.467,37

8       

21.12.15

V.    

Z.    

1.150,00

32

Konto bei der D.-Bank für 2015:

33

Anl.   

Datum 

Buchungstext

Überweisung an

Betrag in €

9       

12.08.15

M. Deco

E.    

5.031,83

10    

20.11.15

M. Deco

Z.    

1.150,00

11    

03.03.15

V.    

X. Selection

3.538,76

12    

14.07.15

B. KG 

Z.    

1.150,00

13    

01.07.15

B. KG 

R.    

889,14

14    

06.08.15

c. & m.

c. & m.

824,52

15    

01.10.15

X.    

X.-Store T.

3.451,20

16    

09.11.15

X. Trier

X.-Store T.

2.215,26

21    

19.10.15

V.    

Z.    

1.253,50

22    

25.06.15

V.    

A.    

5.965,70

20    

07.08.15

V.    

Z.    

1.150,00

34

Konto bei der B.-Bank für 2015:

35

Anl.   

Datum 

Buchungstext

Überweisung an

Betrag in €

17    

11.03.15

B.    

B.    

4.358,78

18    

30.11.15

H. by X. T.

X.-Store T.

1.150,00

19    

04.12.15

H.    

C. modern

1.350,86

36

Konto bei der P& T für 2016:

37

Anl.   

Datum 

Buchungstext

Überweisung an

Betrag in €

16/1   

27.09.16

M. Deco

Z.    

1.100,00

38

Konto bei der D.-Bank für 2016:

39

Anl.   

Datum 

Buchungstext

Überweisung an

Betrag in €

16/2   

25.07.16

H. F. 

Z.    

1.100,50

16/3   

25.10.16

M. Deco

Z.    

1.100,00

16/4   

15.11.16

M. Deco

Z.    

1.100,00

16/5   

26.02.16

V.    

Zollzahlstelle K.

4.052,78

16/6   

07.03.16

H.    

s. shoe

1.160,74

16/7   

20.05.16

V.    

AOK     

2.291,97

40

Konto bei der BGL-Bank für 2016:

41

Anl.   

Datum 

Buchungstext

Überweisung an

Betrag in €

16/8   

22.01.16

M. deco

Z.    

1.150,00

16/9   

20.04.16

V.    

Sch. A. GV

1.064,37

42

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 14.03.2018 Bezug genommen.

43

Das Arbeitsgericht Trier hat mit Urteil vom 14.03.2018 - insoweit rechtskräftig - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 18.09.2017 aufgelöst worden sei, weil die Beklagte die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt habe. Das Arbeitsverhältnis sei aber durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22.08. zum 31.10.2017 aufgelöst worden, diese Kündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Außerdem sei die Vereinbarung vom 22.08.2017 über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2017 wirksam; die erklärte Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung greife nicht durch. Der Widerklage hat das Arbeitsgericht dem Grunde nach vollumfänglich und der Höhe nach - wegen eines Additionsfehlers - teilweise stattgegeben. Die Klägerin ist verurteilt worden, an die Beklagte € 101.372,73 nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage und Widerklage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 14.03.2018 Bezug genommen.

44

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 28.03.2018 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 27.04.2018 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt - soweit der Widerklage stattgegeben worden ist - und die Berufung innerhalb der bis zum 28.06.2018 verlängerten Begründungsfrist mit einem am 28.06.2018 eingegangen Schriftsatz begründet. Gleichzeitig hat sie ihrem Ehemann den Streit verkündet.

45

Die Klägerin macht geltend, sie sei ausgebildete Restaurantfachkraft und habe in Kurzlehrgängen Buchführung gelernt, ihre Kenntnisse seien daher nur sehr rudimentär. Sie habe auf Anweisung aller Geschäftsführer Buchhaltungstätigkeiten für beide Firmen ausgeführt. Sie sei nicht befugt gewesen, Zahlungen und Eingangsrechnungskontrollen für die Beklagte oder die S. allein vorzunehmen. Sie habe über keine Zahlungsbefugnisse verfügt; sämtliche Zahlungen seien von den Geschäftsführern veranlasst und auch persönlich durchgeführt worden. Ihr Büro sei für jedermann zugänglich gewesen. Das Passwort der Buchhaltung habe jeder Geschäftsführer gekannt. In den Jahren 2015 und 2016 habe sie sich häufig nicht im Büro aufgehalten, weil sie in ständiger Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann gelebt habe. Jeder habe an ihrem Arbeitsplatz Buchungen vornehmen können, dies sei auch tatsächlich geschehen. Wenn sie ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Anweisungen vorgebracht habe, sei sie nicht nur von ihrem Ehemann, sondern auch von den anderen Geschäftsführern massiv unter Druck gesetzt und beschimpft worden. Der Geschäftsführer H. L. habe sie als "blöde und dumme Kuh" beschimpft, weil sie mit einem Steuerprüfer ein Wort gewechselt habe. Ein "großes Problem" bei der Beklagten sei die "Verbuchung der Firmenautos" und der "Austausch der Mitarbeiter" zwischen T. und L. gewesen. Sie habe die "Verbuchung der Firmenautos" mehrerer Mitarbeiter für "sehr problematisch" gehalten. Die Privatnutzung sei nicht nach der Ein-Prozent-Regel versteuert, außerdem sei auf Kosten der Firma auch für Privatfahrten getankt worden. Dies habe sie gegenüber dem Geschäftsführer H. L. gerügt. Problematisch sei auch die "Abrechnung der Notdienste" gewesen. Auch dagegen habe sie protestiert. Bei Protesten sei ihr mit Kündigung gedroht worden. Sie habe die Abreden zwischen den Geschäftsführern über die rechtswidrigen Buchungsvorgänge nicht gekannt. Ihre Proteste seien erfolglos geblieben. Soweit Zahlungen auf Verbindlichkeiten der "Eheleute A." geleistet worden seien, habe sie diese grundsätzlich auf ein Zwischenkonto gebucht. Sie sei zunächst davon ausgegangen, dass ihr Ehemann diese Zahlungen als Privatentnahmen verbuchen werde. Am Monatsende habe ihr Ehemann dann in diversen Fällen Anweisungen über Buchungsvorgänge erteilt, die sie umgesetzt habe. Sie habe nicht allein nach dieser Verfahrensweise gebucht. In den Jahren 2015 bis 2017 seien, bedingt durch Krankheit und Urlaub, auch diverse längere Fehlzeiten aufgetreten. In diesen Zeiten sei sie von den Arbeitskolleginnen Sch. und P. vertreten worden. Sie bestreite deshalb, dass sie die streitbefangenen Buchungsvorgänge komplett bearbeitet habe. Ihre Arbeitskolleginnen hätten bei rechtswidrigen Anweisungen durch die Geschäftsführer ähnliche Probleme gehabt wie sie. Die Weisungen seien auch gegen den Widerspruch der Mitarbeiterinnen in der Buchführung umgesetzt worden. Alle Überweisungen habe ihr Ehemann selbst vorgenommen. Sie bestreite, dass aus fehlerhaften Buchungsvorgängen überhaupt ein Schaden entstanden bzw. verblieben sei. Die Beklagte habe ihren Ehemann - unstreitig - iHv. € 230.000,00 auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Sie bestreite, dass der streitbefangene Betrag in dieser Schadensaufstellung nicht enthalten sei. Inwieweit ihr Ehemann unter Berücksichtigung seiner Vergütung als Geschäftsführer, seiner Gewinnanteile und den - durch einen Hausverkauf - beglichenen Schadensersatzforderungen überhaupt Schäden verursacht habe, entziehe sich ihrer Kenntnis. Jedenfalls sei das angefochtene Urteil insoweit nicht schlüssig begründet. Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit der Frage beschäftigt, welche Schäden die Beklagte gegenüber ihrem Ehemann geltend gemacht und bereits durchgesetzt habe, welcher Gesamtschaden entstanden und welcher Schaden noch nicht reguliert worden sei. Ihr Ehemann habe ein notarielles Schuldanerkenntnis abgegeben. In diesem Anerkenntnis seien sämtliche behaupteten Fehlbuchungen enthalten. Die Behauptung der Beklagten, es sei ein darüber hinaus gehender Schaden in Höhe der Widerklageforderung entstanden, sei nicht hinreichend substantiiert. Es lasse sich nicht nachvollziehen, welche Schäden die Fehlbuchungen ihres Ehemannes und seine Überweisungen tatsächlich bei der Beklagten und der S. verursacht haben. Insoweit sei die Globalabtretung der S. unwirksam, weil nicht hinreichend bestimmt. Die Schadensaufstellung der Beklagten enthalte Buchungsvorgänge mit der sie bereits nach den zu den Akten gereichten Unterlagen überhaupt nichts zu tun habe. Sie sei keineswegs allein für die Buchhaltung zuständig gewesen. Soweit die Beklagte Forderungen der S. aus abgetretenem Recht geltend mache, werde die Abtretung bestritten. Das Porzellan- und Haushaltswarengeschäft X.-Store sei zwar "auf ihren Namen gelaufen", tatsächlich habe sich aber ihr Ehemann um die Geschicke des Ladens gekümmert. Sowohl die Beklagte als auch die S. pflegten Geschäftsbeziehungen zur Firma X., die ihnen Ware geliefert und in Rechnung gestellt habe. Soweit die Beklagte mit der Widerklage Rechnungen der Firma X. geltend mache, lägen diesen Rechnungen Warenlieferungen zu Grunde. Sie gehe davon aus, dass sämtliche Schäden, die ihr Ehemann möglicherweise verursacht habe, beglichen seien. Das Arbeitsgericht habe eine gesamtschuldnerische Verurteilung angekündigt. Davon habe es aber bei Urteilsverkündung wieder Abstand genommen. Die Begründung im Urteil sei nicht nachvollziehbar. Verbliebe es bei dem Tenor, könne die Beklagte "problemlos doppelt kassieren". Sie bestreite, dass sie die fehlerhaften und fingierten Rechnungen erstellt habe. Es wäre Sache der Beklagten, die behaupteten Schadenersatzvorgänge insgesamt nachvollziehbar darzulegen und die Zahlungen ihres Ehemannes offen zu legen. Den Rechnungen zu 5, 15, 16 und 18 hätten auf jeden Fall Forderungen der Firma X. an die Beklagte bzw. die S. aus Warenlieferungen zu Grunde gelegen. Sie bestreite, dass sie an der Verbuchung der Forderung der Landesfinanzdirektion D. zur Begleichung einer Steuerschuld überhaupt beteiligt gewesen sei. Dieser Buchungsvorgang trage nicht ihre Handschrift. Dies gelte auch für weitere Buchungsvorgänge. Sollte sie wegen eines gemeinsamen Vorgehens mit ihrem Ehemann haften, wäre sie auf jeden Fall gesamtschuldnerisch zu verurteilen. Dies eröffne ihr die Möglichkeit eines Gesamtschuldnerausgleichs.

46

Mit Schriftsatz vom 31.10.2018 trägt die Klägerin - unter erstmaliger Vorlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags - ergänzend vor, die Ansprüche der Beklagten seien aufgrund der einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist verfallen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte ihren Aufsichts- und Kontrollpflichten gegenüber dem Mitgeschäftsführer - ihrem Ehemann - nicht nachgekommen sei. Sie habe für ihr Geschäft Insolvenz anmelden wollen. Dies habe ihr Ehemann unter massiven Drohungen abgelehnt. Er habe gedroht, sie physisch und psychisch fertig zu machen. Wenn sie jetzt eine Verbraucherinsolvenz anmelde, bliebe ihr die Restschuldbefreiung versagt. Die Beklagte solle sich mit den Schadensersatzansprüchen an ihren Ehemann halten. Es sei rechtsmissbräuchlich, sie zum Schadensersatz wegen gesetzeswidriger Anweisungen ihres Ehemanns heranzuziehen (vgl. Eufinger "Weisungen des Arbeitgebers mit gesetzeswidrigem Inhalt" RdA 2018, 224). Sie bestreite mit Nichtwissen, dass ihr Ehemann bisher auf eine eventuell anerkannte Forderung € 96.000,00 geleistet habe. Die behaupteten Fehlbuchungen seien nicht mit dem Schaden der Beklagten identisch. Die Buchführung lasse sich korrigieren. Dies führe zu einer höheren Steuerlast. Im Ergebnis sei die Befreiung von den Verbindlichkeiten von Gläubigern des X.-Stores ihrem Ehemann als Privatentnahme zuzurechnen. Die Beklagte müsse diese Frage gesellschaftsrechtlich mit ihrem Ehemann klären. Das Arbeitsgericht habe den Vorwurf des kollusiven Zusammenwirkens zu Unrecht erhoben. Sie sei von ihrem Ehemann mit erheblichem Druck unter Androhung körperlicher Gewalt zu rechtswidrigen Taten gezwungen worden. Wegen dieser Anweisungen könne sie nicht zum Schadensersatz herangezogen werden.

47

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

48

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 14.03.2018, Az. 4 Ca 1108/17, bezüglich des Urteilstenors zu Ziff. 2) und 3) aufzuheben und die Widerklage abzuweisen.

49

Die Beklagte beantragt,

50

die Berufung zurückzuweisen.

51

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Bei den mit der Widerklage geltend gemachten Forderungen handele es sich nicht um Forderungen, die sie auch gegenüber dem Ehemann der Klägerin geltend gemacht habe. Der Ehemann der Klägerin habe ein notarielles Schuldanerkenntnis iHv. € 230.000,00 abgegeben und inzwischen aus einem privaten Hausverkauf € 98.623,59 gezahlt. Der Veräußerungserlös habe folglich nicht gereicht, um die Schuld vollständig zu tilgen.

52

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

53

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden.

II.

54

In der Sache hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Widerklage in Höhe von € 101.372,73 zu Recht stattgegeben. Die Klägerin ist der Beklagten in dieser Höhe nach §§ 823 Abs. 1 und 2, 830 Abs. 1 und 2 BGB iVm. §§ 263, 266 Abs. 1, 27 StGB aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung zum Schadensersatz verpflichtet.

55

1. Die Beklagte hat substantiiert dargelegt, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrem (inzwischen geschiedenen) Ehemann von ihren Geschäftskonten oder von Geschäftskonten der L. Gesellschaft R.-L. S. unter Erstellung fiktiver Rechnungen Überweisungen auf ihre privaten Konten bzw. Konten ihrer Gläubiger durchgeführt hat. Dabei erstellte die Klägerin die jeweiligen Buchungen unter Angabe falscher Rechnungen und Rechnungsnummern, während ihr zeichnungsberechtigter Ehemann die Überweisungen in den angeführten 36 Einzelfällen zu Gunsten der Klägerin vornahm. Durch die vorsätzlichen Falschbuchungen tilgte die Klägerin mit Firmengeldern der Beklagten und der S. ihre eigenen Verbindlichkeiten in einer Gesamthöhe von € 101.372,73. Im Einzelnen kam es zu folgenden Überweisungen auf Konten der Klägerin oder ihrer Gläubiger:

56

Fall   

Datum 

Überweisung an

Betrag in €

1.    

22.06.16

R.    

1.704,60

2.    

06.06.16

K. A. Europa

15.523,15

3.    

06.06.17

Sch.   

5.000,00

4.    

22.02.17

LFK D.

8.691,37

5.    

23.03.15

X. Selection

3.132,83

6.    

13.03.15

X. Selection

954,44

7.    

04.03.15

X. Selection

1.029,15

8.    

02.04.15

F. A. 

3.867,50

9.    

20.07.15

X.-Store T.r

4.225,00

10.     

04.03.15

I. Sch.

5.831,00

11.     

10.09.15

Z.    

1.150,00

12.     

26.11.15

A. Design

1.467,37

13.     

21.12.15

Z.    

1.150,00

14.     

12.08.15

E.    

5.031,83

15.     

20.11.15

Z.    

1.150,00

16.     

03.03.15

X. Selection

3.538,76

17.     

14.07.15

Z.    

1.150,00

18.     

01.07.15

R.    

889,14

19.     

06.08.15

c. & m.

824,52

20.     

01.10.15

X.-Store T.

3.451,20

21.     

09.11.15

X.-Store T.

2.215,26

22.     

19.10.15

Z.    

1.253,50

23.     

25.06.15

A.    

5.965,70

24.     

07.08.15

Z.    

1.150,00

25.     

11.03.15

B.    

4.358,78

26.     

30.11.15

X.-Store T.

1.150,00

27.     

04.12.15

C. modern

1.350,86

28.     

27.09.16

Z.    

1.100,00

29.     

25.07.16

Z.    

1.100,50

30.     

25.10.16

Z.    

1.100,00

31.     

15.11.16

Z.    

1.100,00

32.     

26.02.16

Zollzahlstelle K.

4.052,78

33.     

07.03.16

s. shoe

1.160,74

34.     

20.05.16

AOK     

2.291,97

35.     

22.01.16

Z.    

1.150,00

36.     

20.04.16

Sch. A., GV

1.064,37


SUMME 

        

           


101.372,73

57

Die Klägerin machte sich in diesen 36 Einzelfällen des Betrugs und - zumindest - der Beihilfe zur Untreue zum Nachteil der Beklagten und der S.à.r.l., die ihre Ansprüche abgetreten hat, schuldig. Sie ist deshalb zum Schadensersatz verpflichtet. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

58

2. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin iSd. § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB als Mittäterin haftet, weil sie gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann gehandelt hat, denn in jedem Einzelfall ist zumindest von einer Gehilfenhaftung iSd. § 830 Abs. 2 BGB auszugehen.

59

a) Die Voraussetzungen für die Teilnahme an einer unerlaubten Handlung iSv. § 830 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Demgemäß verlangt die Teilnahme neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern. In objektiver Hinsicht muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden können, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war (vgl. ausführlich BGH 19.12.2017 - VI ZR 128/16 - Rn. 12, 13 mwN).

60

b) Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall sowohl die objektiven als auch die subjektiven Merkmale einer nach §§ 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB haftungsrelevanten Teilnahmehandlung zu bejahen.

61

aa) Die objektiven Voraussetzungen sind gegeben, weil die Klägerin in den oben aufgeführten 36 Einzelfällen durch ihren Tatbeitrag den Betrug und die Untreue ihres Ehemannes aktiv gefördert hat. Sie hat nach den von der Beklagten lückenlos vorgelegten Buchungsunterlagen die Falschbuchungen in der Finanz- und Lohnbuchhaltung der Beklagten und der S. durchgeführt, um zu verschleiern, dass ihr zeichnungsberechtigter Ehemann von den Geschäftskonten Firmengelder auf ihre eigenen Konten und auf Konten ihrer Gläubiger überwies. Durch diesen Tatbeitrag hat sie am Gesamtvorgang fördernd mitgewirkt.

62

Das pauschale Vorbringen der Klägerin, dass auch die anderen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und Kommanditisten der Beklagten (H. und N. L.) oder ihre zwei Arbeitskolleginnen Sch. und P. an ihrem Arbeitsplatz Buchungen vorgenommen haben könnten, weil ihnen ihr Passwort bekannt gewesen sei und sie in den Jahren 2015 und 2016 häufig gefehlt habe, wertet die Kammer als bloße Schutzbehauptung. Die anderen Geschäftsführer oder die Arbeitskolleginnen der Klägerin hatten nicht das geringste Interesse daran, der Klägerin rechtswidrige Vermögensvorteile auf Kosten der Beklagten oder der S. zu verschaffen. Das pauschale Bestreiten der Klägerin, die streitbefangenen Buchungsvorgänge "komplett" bearbeitet zu haben, ist im Hinblick auf die detaillierten Angaben der Beklagten, die sie durch Vorlage von Belegen zu den 36 Einzelfällen untermauert hat, unbeachtlich. Die Klägerin hätte hier konkret und substantiiert Einwendungen erheben müssen.

63

Der objektive Tatbeitrag der Klägerin bei den Straftaten ihres Ehemanns, der zu ihrer Selbstbereicherung führte, lässt sich auch nicht damit relativieren, dass sie als Buchhalterin "große Probleme" bei der "Verbuchung von Firmenautos" und dem "Austausch der Mitarbeiter" zwischen T. und L., der "Abrechnung der Notdienste" und der Betankung von Privatfahrten auf Firmenkosten gehabt habe. Ihre "Probleme" mit etwaigen Steuerstraftaten hätte die Klägerin mit einer - ggf. vertraulichen - Anzeige bei der zuständigen Finanzverwaltung lösen können, wie sie dies auch in der Anfechtungserklärung vom 25.08.2017 angekündigt hat. Die Haftung der Klägerin aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung zum Nachteil der Beklagten und der S. entfällt jedoch nicht, weil sie ihre Arbeitgeberin mit vagen Andeutungen bezichtigt, Steuern hinterzogen zu haben.

64

Die Klägerin hat durch ihr Verhalten, nämlich die vorsätzlichen Fehlbuchungen zu ihren eigenen Gunsten, den rechtswidrigen Eingriff ihres Ehemannes in das Vermögen der Beklagten und der S., der die erforderlichen Vollmachten hatte, um über die Geschäftskonten zu verfügen, aktiv unterstützt. Sie hat die Herbeiführung des Taterfolges nicht nur gewollt, um ihre privaten Schulden zu begleichen, sondern ihren Ehemann als Haupttäter objektiv gefördert und ihm die Tat erleichtert.

65

bb) Auch die subjektiven Voraussetzungen für eine haftungsbegründende Teilnahme liegen vor. Die Berufungskammer ist - wie das Arbeitsgericht - davon überzeugt, dass die Klägerin mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Sie hat in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit ihrem Ehemann Falschbuchungen durchgeführt, um sich zu Lasten der Beklagten oder der S. persönliche Vermögensvorteile zu verschaffen. Die Firmengelder der Beklagten oder der S. sind entweder auf das eigene Konto der Klägerin überwiesen worden ("Fall 23"), auf das Konto ihres Porzellan- und Haushaltswarengeschäfts X.-Store T. ("Fall 9", "Fall 20", "Fall 21", "Fall 26") oder auf Konten ihrer Gläubiger, nämlich an Lieferanten des X.-Stores T. ("Fall 2", "Fall 3", "Fall 5", "Fall 6", "Fall 7", "Fall 8" "Fall 12", "Fall 14", "Fall 16", "Fall 18, "Fall 19", "Fall 25", "Fall 27", "Fall 33"), an ihre Angestellte R. ("Fall 1"), an den Vermieter ihrer Privatwohnung Z. ("Fall 11", "Fall 13", "Fall 15", "Fall 17", "Fall 22", "Fall 24", "Fall 28", "Fall 29", "Fall 30", "Fall 31", "Fall 35"), an den Vermieter ihres Ladengeschäfts I. Sch. ("Fall 10"), an die Landesfinanzkasse D. ("Fall 4"), an die Zollzahlstelle K. ("Fall 32"), an die Krankenkasse AOK ("Fall 34") sowie an die Obergerichtsvollzieherin Sch. ("Fall 36").

66

Das Verhalten der Klägerin lässt sich nicht damit entschuldigen, dass sie als ausgebildete Restaurantfachkraft nur in Kurzlehrgängen Buchführung gelernt habe. Ihre angeblich "rudimentären" Kenntnisse in Buchführung haben die Klägerin gleichwohl in die Lage versetzt, Fehlbuchungen zu ihren Gunsten durchzuführen, die lange unentdeckt geblieben sind. Auch die Behauptung, sie sei "zunächst" davon ausgegangen, dass ihr Ehemann Zahlungen auf Verbindlichkeiten der "Eheleute A." als Privatentnahmen verbuchen werde, entlastet die Klägerin nicht. Den 36 streitgegenständlichen Einzelfällen liegen keine Verbindlichkeiten der Eheleute zu Grunde, vielmehr hat sich die Klägerin selbst bereichert. Es ist auch unerheblich, dass die Klägerin behauptet, der X.-Store in T. sei nur auf "ihren Namen gelaufen", während sich ihr Ehemann um die Geschicke des Ladens gekümmert habe. Im Außenverhältnis war sie Inhaberin des Ladens und als Schuldnerin verpflichtet, die diversen Gläubiger (Lieferanten, Vermieter etc.) zu befriedigen.

67

Schließlich kann sich die Klägerin nicht mit dem Argument ihrer Haftung entziehen, sie sei von ihrem Ehemann mit erheblichem Druck zu den Fehlbuchungen gezwungen worden; sie selbst habe für ihr Geschäft Insolvenz anmelden wollen, dies habe ihr Ehemann mit der massiven Drohung, sie physisch und psychisch fertig zu machen, abgelehnt. Ein Schuldausschließungsgrund iSd. § 35 Abs. 1 Satz 1 StGB liegt nicht vor. Im Streitfall kann schon eine gegenwärtige Gefahr, wie sie die Notstandsvorschriften voraussetzen, nicht bejaht werden. Im Übrigen hätte die Klägerin polizeiliche oder gerichtliche Hilfe, etwa nach dem Gewaltschutzgesetz, in Anspruch nehmen oder Zuflucht etwa in einem Frauenhaus suchen können, um die behauptete Gefahr, die von ihrem Ehemann ausgegangen sein soll, abzuwenden.

68

cc) Anders als die Berufung meint, ist es nicht rechtsmissbräuchlich, dass die Beklagte die Klägerin "wegen gesetzeswidriger Anweisungen" ihres Ehemannes, der im Arbeitsverhältnis ihr Vorgesetzter war, zum Schadensersatz heranzieht. Die Klägerin hat mit direktem Schädigungsvorsatz und zu ihren eigenen Gunsten ihren Ehemann aktiv dabei unterstützt, von den Geschäftskonten der Beklagten und der S. Firmengelder auf ihr eigenes Konto oder die Konten ihrer Gläubiger zu überweisen. Der vorsätzlich handelnden Schädiger kann sich nicht darauf berufen, den Geschädigten treffe ein Mitverschulden (vgl. BGH 19.12.2017 - VI ZR 128/16 - Rn. 22 mwN). Aus dem von der Berufung zitierten Aufsatz von Eufinger "Weisungen des Arbeitgebers mit gesetzeswidrigem Inhalt" (RdA 2018, 224), folgt nichts anderes. Der Aufsatz beschäftigt sich nicht mit dem Thema, dass eine angestellte Buchhalterin - wie hier die Klägerin - mit dem ihr vorgesetzten Ehemann zum Nachteil des Arbeitgebers kollusiv zusammenwirkt, um sich persönlich zu bereichern.

69

3. Entgegen der Ansicht der Berufung war das Arbeitsgericht nicht verpflichtet, die gesamtschuldnerische Mithaftung des Ehemanns der Klägerin iSd. § 421 BGB in den Urteilstenor aufzunehmen.

70

Wird ein Gesamtschuldner - wie hier - allein verklagt, ist die Gesamtschuld nicht in den Urteilstenor aufzunehmen. Die Haftung eines nicht mitverklagten Dritten wirkt sich auf die Verurteilung nicht aus, diese wirkt vielmehr inter partes, so dass die Innenhaftung des Schuldners ggü. dem anderen Gesamtschuldner nicht von der Rechtskraft berührt wird (vgl. Palandt/Grüneberg 78. Aufl. BGB § 421 Rn. 13; Erman/Böttcher 15. Aufl. BGB § 421 Rn. 31 mwN). Jedoch kann der allein verklagte Schuldner dem anderen Gesamtschuldner - wie hier - den Streit verkünden (vgl. BGH 07.05.2015 - VII ZR 104/14 - MDR 2015, 667).

71

Mit dem Argument, die Beklagte könne andernfalls "doppelt kassieren", kann die Klägerin ihre Haftung nicht ausschließen. Ihr Ehemann hat ein notarielles Schuldanerkenntnis abgegeben und sich darin zur Zahlung von € 230.000,00 verpflichtet. Von dieser Summe hat er bisher (aus einem privaten Hausverkauf) € 98.623,59 getilgt. Die notariell anerkannten Schadensersatzansprüche gegen den Ehemann sind - nach dem konkreten Vortrag der Beklagten - nicht mit den Forderungen identisch, die die Beklagte mit der Widerklage gegen die Klägerin geltend macht. Den substantiierten Vortrag der Beklagten hat die Klägerin nicht hinreichend bestritten. Sie verkennt, dass die Beklagte - auch aus abgetretenem Recht - gegen sie und ihren Ehemann kumulative Schadensersatzansprüche geltend macht. Die Leistung des Ehemanns iHv. € 98.623,59 auf die von ihm notariell anerkannte Schuld von € 230.000,00 befreit die Klägerin nicht von ihrer Verbindlichkeit iHv. € 101.372,73. Die Klägerin kann mit dem Argument, sie "gehe davon aus", dass die Forderungen gegen sie in dem von ihrem Ehemann anerkannten Betrag enthalten und erfüllt seien, nicht durchdringen. Wer gegen die Forderung des Gläubigers einwendet, ein Mitschuldner habe bereits erfüllt (vgl. § 422 Abs. 1 BGB), trägt dafür die Darlegungs- und Beweislast. Erbringt ein Schuldner - wie hier der Ehemann der Klägerin - bloß eine Teilleistung, erfüllt er auch nur teilweise. Ob und inwieweit eine solche Zahlung „Erfüllung durch einen Gesamtschuldner“ iSd. § 422 BGB ist, ergibt sich aufgrund analoger Anwendung von § 366 Abs. 2 BGB. Mangels anderer Bestimmung durch den leistenden Schuldner wird durch die Zahlung zunächst jener Schuldteil getilgt, hinsichtlich dessen keine Gesamtschuld besteht, da dieser für den Gläubiger die Schuld mit der geringeren Sicherheit darstellt (vgl. MüKoBGB/Heinemeyer 8. Aufl. BGB § 422 Rn. 3 mwN).

72

4. Entgegen der Ansicht der Berufung hat die S. ihre Ansprüche wirksam an die Beklagte abgetreten, § 398 BGB.

73

Weil die Klägerin zweitinstanzlich erstmals eine Abtretung bestritten hat, legte die Beklagte die schriftliche Abtretungsvereinbarung zwischen ihr und der S. vom 12.10.2017 im Original vor. Sowohl die Summe der abgetretenen Forderungen als auch die erfassten Forderungen sind ausdrücklich bezeichnet. In einer der Urkunde als Anlage 1 beigeschlossenen Aufstellung (Excel-Tabelle) sind Namen und Bankverbindung der jeweiligen Zahlungsempfänger genannt und die einzelnen Zahlungsvorgänge mit Datum und Betrag aufgeführt. Entgegen der Ansicht der Berufung genügt die Abtretungsvereinbarung damit den Bestimmtheitsanforderungen. Der Vereinbarung nebst Excel-Tabelle lässt sich zweifelsfrei entnehmen, welche konkreten Forderungen von der Abtretung erfasst werden.

74

5. Entgegen der Ansicht der Berufung ist der Beklagten ein Schaden in der vom Arbeitsgericht festgestellten Höhe von € 101.372,73 entstanden.

75

Das Argument, die Buchführung lasse sich korrigieren, dies führe im Ergebnis jedoch zu einer höheren Steuerlast der Beklagten, enthebt die Klägerin nicht von ihrer Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz. Der Einwand, der darauf zielt, dass die Beklagte bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Klägerin und ihres Ehemannes (wegen geringerer Betriebsausgaben) womöglich höhere Steuern hätte zahlen müssen, ist unerheblich. Einen derartigen Steuervorteil, den die Klägerin pauschal behauptet, muss sich die Beklagte nicht schadensmindernd anrechnen lassen. Er weist keinen inneren Bezug zu der in Rede stehenden Schädigungshandlung auf und kann den Schädiger daher nicht entlasten (vgl. ausführlich BGH 28.01.2014 - XI ZR 495/12 - Rn. 11 ff mwN).

76

Soweit die Klägerin geltend macht, dass sowohl die Beklagte als auch die S. Geschäftsbeziehungen zur Firma X. pflegten, so dass den Rechnungen 5, 15, 16 und 18 "auf jeden Fall" Forderungen aus Warenlieferungen an die Beklagte bzw. die S. zu Grunde lägen, kann dies der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Bei der von der Klägerin angeführten Rechnung 5 ("Fall 5") erfolgte die Überweisung eines Betrages iHv. € 4.225,00 vom Geschäftskonto bei der P.-Bank auf ein Konto ihres Ladengeschäfts X.-Store in T. und nicht auf das Konto einer Lieferantin. Bei den angeführten Rechnungen 15 und 16 ("Fall 15", "Fall 16") wurden Überweisungen iHv. € 3.451,20 und € 2.215,26 vom Geschäftskonto bei der D.-Bank ebenfalls auf ein Konto des Geschäfts der Klägerin, den X.-Store in T., veranlasst. Für die angeführte Rechnung 18 ("Fall 18") iHv. € 1.150,00 gilt nichts anderes. Die Auszahlung vom Geschäftskonto bei der B.-Bank erfolgte auf ein Konto des Ladengeschäfts der Klägerin und nicht an das Keramikunternehmen X. in H.-G..

77

6. Entgegen der Ansicht der Berufung sind die Ansprüche der Beklagten nicht verfallen.

78

Zwar enthält der schriftliche Arbeitsvertrag vom 22.12.2010, den die Klägerin in zweiter Instanz nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erstmals am 31.10.2018 vorgelegt hat, in § 13 eine Ausschlussklausel. Danach sind "alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, [...] binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen."

79

Es muss nicht geprüft werden, wann der schriftliche Arbeitsvertrag, den der Ehemann der Klägerin auf Arbeitgeberseite unterzeichnet hat, abgeschlossen worden ist, und ob ihn die Beklagte gegen sich gelten lassen muss. Auf den Arbeitsvertrag mit Datum vom 22.12.2010 fände das BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung Anwendung. Demzufolge kann gemäß § 202 Abs. 1 BGB die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Diese Vorschrift ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden kann. § 202 Abs. 1 BGB erfasst nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. Es handelt sich um eine Verbotsnorm iSv. § 134 BGB. Im Hinblick auf diese klare Gesetzeslage ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Vertragspartner mit solchen Vertragsklauseln keine Fälle anders als das Gesetz und unter Verstoß gegen die gesetzliche Verbotsnorm iSd. § 134 BGB regeln wollten. Vertragsklauseln, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsabschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz verstoßen, sind wirksam. Eine am Sinn und Zweck solcher Klauseln orientierte Auslegung ergibt, dass derartige Ausnahmefälle von der Klausel gar nicht erfasst werden sollen (vgl. BAG 19.12.2018 - 10 AZR 233/18 - Rn. 48; BAG 20.06.2013 - 8 AZR 280/12 - Rn. 20 mwN). Die von der Klägerin für ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt herangezogene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (vgl. LAG 31.01.2018 - 2 Sa 945/17), ist vom Bundesarbeitsgericht aufgehoben worden (vgl. BAG 19.12.2018 - 10 AZR 233/18). Im Streitfall ergibt die Auslegung der Ausschlussfrist in § 13 des von der Klägerin vorgelegten Arbeitsvertrags mit Datum vom 22.12.2010, dass die streitigen Schadensersatzansprüche nicht erfasst sind.

80

7. Der Anspruch der Beklagten auf Prozesszinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.12.2017 folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

III.

81

Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

82

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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