Urteil vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (5. Kammer) - 5 Sa 252/16
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 31.08.2016, Az. 3 Ca 262 a/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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In der Berufungsinstanz streiten die Parteien zuletzt noch darum, ob sich der erstinstanzlich geführte Kündigungsrechtsstreit durch Prozessvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO, hilfsweise durch außergerichtlichen Vergleich erledigt hat. Nur hilfshilfsweise führt der Kläger den Kündigungsrechtsstreit fort.
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Bei der Beklagten handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der I. H. GmbH. Die Beklagte verlegte ihren Betrieb im September/Oktober 2015 von K. nach H.-U.. Im Februar 2016 beschäftigte die Beklagte regelmäßig weniger als zehn Arbeitnehmer. Der 46-jährige Kläger ist mit einem Grad von 40 schwerbehindert. Er war zunächst seit dem 01.10.2009 als Leiharbeitnehmer für die Beklagte tätig und wurde sodann von der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.07.2010 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 29.06.2010 als Service Manager eingestellt (Bl. 6 ff. d. A.). Dieses Arbeitsverhältnis kündigte der Kläger mit Schreiben vom 23.04.2013 zum 15.11.2013 (Bl. 127 der Akte). Durch Gesellschafterbeschluss vom 18.06.2013 wurden der Kläger sowie Herr S. zum 01.07.2013 zu Geschäftsführern der Beklagten bestellt und zugleich die Geschäftsführer S. und N. abberufen (Bl. 128 d. A.). Hiernach war der Kläger berechtigt, die Gesellschaft gemeinschaftlich mit einem Prokuristen oder einem weiteren Geschäftsführer zu vertreten. Daraufhin schlossen die Parteien am 26.06.2013 eine Aufhebungsvereinbarung, aufgrund derer sie das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen zum 30.06.2013 auflösten (Bl. 129 d. A.). Am 01.07.2013 schlossen die Parteien einen schriftlichen Geschäftsführervertrag ab (Bl. 14 ff. d. A.). Die Beklagte kündigte diesen Geschäftsführer-Dienstvertrag im November 2015 ordentlich. Im Anschluss daran begründeten die Parteien mit Wirkung ab dem 01.12.2015 erneut ein Arbeitsverhältnis auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 14.12.2015 (Bl. 20 ff. d. A.). Dieser zweite Arbeitsvertrag enthält folgende Präambel:
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„Die Parteien sind miteinander verbunden durch einen gekündigten Geschäftsführervertrag vom 01.07.2013. Dieser Vertrag wird mit Unterschriftsleistung unter diesen Vertrag im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben.“
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Danach wurde der Kläger ab dem 01.12.2015 als Leiter Konstruktion und Technik beschäftigt zu einem monatlichen Bruttogrundgehalt von 6.500,00 € zzgl. der Privatnutzung eines Dienstfahrzeugs. Eine Probearbeitszeit wurde ausdrücklich nicht vereinbart.
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Die Gesellschafterversammlung der Beklagten traf am 10.02.2016 den Beschluss, den „Betrieb in der bisherigen Form“ einzustellen, allen Mitarbeitern sowie den Mietvertrag mit der I. I. GmbH fristgerecht zu kündigen (Bl. 137 d. A.). Mit Schreiben vom 16.02.2016 kündigte die Beklagte „das mit Ihnen seit dem Juli 2010 bestehende Arbeitsverhältnis“ fristgerecht zum Ablauf des 30.04.2016, weil die „M. E. GmbH in der bisherigen Form nicht weitergeführt“ werde (Bl. 47 d. A.).
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Am 29.02.2016 hat der Kläger gegen diese Kündigung beim Arbeitsgericht Klage mit einem Kündigungsschutz- sowie einem allgemeinen Kündigungsfeststellungsantrag erhobenen.
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Am 24.02.2016 stellte der Kläger einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX. Mit noch nicht rechtskräftigem Bescheid vom 18.04.2016 wies die Bundesagentur für Arbeit seinen Antrag zurück (Bl. 286 f. d. A.). Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis „vorsorglich erneut“ mit Schreiben vom 02.05.2016 (Bl. 90 d. A.).
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Der Kläger hat gemeint,
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er habe sich ab Juli 2010 durchgängig in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten befunden, sodass die Wartefrist des § 1 KSchG bei Ausspruch der Kündigung erfüllt gewesen sei. Auch das Geschäftsführerverhältnis sei als „Arbeitsverhältnis gelebt“ worden. Er sei gegenüber der Beklagten weisungsgebunden gewesen und habe keine alleinige Personalentscheidungsbefugnis gehabt. Das ab Juli 2010 begründete Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch die Aufhebungsvereinbarung vom 26.06.2013 wirksam aufgehoben worden, § 307 Abs. 1 BGB. Ungeachtet dessen hat der Kläger den Aufhebungsvertrag vom 26.06.2013 angefochten. Er habe sich darüber geirrt, dass es nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu einem Wiederaufleben des zuvor existierenden Arbeitsverhältnisses kommen könne. Die Kündigung vom 16.02.2016 sei sozialwidrig. Die Beklagte habe inklusive Leiharbeitnehmern regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Im Februar 2014 seien es ca. 34 Arbeitnehmer gewesen und im Zeitraum bis Mai 2015 jedenfalls mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Leiharbeitnehmer seien mit allgemeinen Lagerarbeiten, der Lieferung und Abholung von Material bei Zulieferern, Botengängen, der Inventur, der Inbetriebnahme von Elektroinstallationen etc. in dem Einheitsbetrieb der Beklagten in K. beschäftigt gewesen. Die Beklagte bilde mit den Gesellschaften I. I. GmbH, K., I. mGmbH, K., b. V.gesellschaft mbH, B. B., I. P. Support GmbH, R.-V., B. Holding, B. B., L. Technik I. GmbH, K., E. E. N. mbH, B. B., H. GmbH, N., r..de S.V.T., W., R. GmbH, K., s. GmbH, K., einen Gesamtbetrieb. Dieser Gesamtbetrieb werde gesteuert von der Muttergesellschaft I. H. GmbH. Geschäftsführer dieser Gesellschaft seien der Geschäftsführer der Beklagten, Herr Schm., sowie der Gesellschaftergeschäftsführer Herr Schn.. Herr Schm. sei nicht nur bei der Beklagten, sondern auch bei sämtlichen nachfolgenden Gesellschaften als Geschäftsführer berufen und Herr Schn. sei an den genannten Gesellschaften direkt oder indirekt beteiligt; eine Ausnahme bilde lediglich die I. GmbH. Diese Gesellschaften seien verteilt auf zwei Geschäftsadressen, nämlich auf den K. Weg 36 bis 38 in K. sowie die B. 4 in H.-U.. Alle Gesellschaften hätten einen gemeinsamen Internetauftritt und träten dort als Partnerunternehmen auf. Die Kündigung sei auch wegen Verstoßes gegen die Anzeigepflicht des § 17 KSchG unwirksam.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.02.2016 weder zum 31.03.2016 noch zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst worden ist,
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2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 02.05.2016 zum Ablauf des 31.05.2016 oder zu einem späteren Zeitpunkt endet,
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3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt,
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4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 gemäß Arbeitsvertrag vom 14.12.2015 als Leiter Konstruktion und Technik bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat gemeint,
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dass das Kündigungsschutzgesetz mangels Erfüllung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht anwendbar sei. Das mit Wirkung ab 01.07.2010 begründete Arbeitsverhältnis sei durch Aufhebungsvertrag vom 26.06.2013 zum 30.06.2013 wirksam beendet worden. Die Anfechtung des Aufhebungsvertrages sei bereits verfristet und im Übrigen fehle es auch an einem Anfechtungsgrund. Der Kläger könne sich nicht auf einen Rechtsirrtum berufen. Ungeachtet dessen hätte das Arbeitsverhältnis ohnehin durch die Eigenkündigung des Klägers vom 23.04.2013 zum 15.11.2013 geendet. Nach der ausdrücklichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses hätten die Parteien ausschließlich ein Geschäftsführer-Dienstverhältnis begründet. Der Kläger sei vom 01.07.2013 bis zum 30.11.2015 nicht als Arbeitnehmer, sondern als Geschäftsführer für sie, die Beklagte, tätig gewesen. Auf Einschränkungen der Vertretungsbefugnis des Klägers im Innenverhältnis komme es insoweit nicht an. Erst mit Wirkung zum 01.12.2015 hätten die Parteien wiederum ein Arbeitsverhältnis begründet. Die Tätigkeit als Geschäftsführer sei in die Wartezeit des § 1 KSchG nicht einzubeziehen. Der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sei nicht gegeben. Sie, die Beklagte, beschäftige nur neun Arbeitnehmer, wobei eine Arbeitnehmerin nur mit sechs Wochenstunden tätig sei. Im Betrieb würden auch nicht regelmäßig Leiharbeitnehmer auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt. Sie habe lediglich bei dem Umzug von K. nach H.-U. vorübergehend Leiharbeitnehmer beschäftig. Im Zeitpunkt der Kündigung habe sie überhaupt keine Leiharbeitnehmer beschäftigt.
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Sie, die Beklagte, bilde mit anderen Konzerngesellschaften jedenfalls im Kündigungszeitpunkt keinen Gemeinschaftsbetrieb. Von einem Gemeinschaftsbetrieb mit den vom Kläger benannten Gesellschaften könne nicht die Rede sein, insbesondere nicht mehr seit ihrem Umzug nach H.-U. im September/Oktober 2015. Es gebe keinen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck und auch keine einheitliche Leitung. Eine gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln finde zumindest seit dem Umzug der Beklagten nach H.-U. nicht statt. Im Übrigen sei die Kündigung betriebsbedingt begründet gewesen, da sie in Umsetzung des Gesellschafterbeschlusses vom 10.02.2016 erfolgt sei.
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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 31.08.2016 die Klage insgesamt abgewiesen. Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht anwendbar, da das gekündigte Arbeitsverhältnis noch nicht sechs Monate bestanden habe, § 1 Abs. 1 KSchG. Das ursprünglich ab Juli 2010 begründete Arbeitsverhältnis hätten die Parteien mit Aufhebungsvertrag vom 26.06.2013 wirksam zum 30.06.2013 beendet. Der Kläger habe den Aufhebungsvertrag nicht wirksam nach §§ 119 BGB angefochten, da er sich nur auf einen reinen Rechtsirrtum berufen habe. Gründe für die Anfechtung nach § 123 BGB habe er nicht vorgetragen. Ungeachtet dessen wäre das ursprüngliche Arbeitsverhältnis spätestens mit Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages konkludent beendet worden. Der Kläger sei ab dem 01.07.2013 im Rechtssinne Geschäftsführer und nicht Arbeitnehmer gewesen, sodass es nicht darauf ankomme, inwieweit sich das Rechtsverhältnis materiellrechtlich als Arbeitsverhältnis gestaltet habe. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass entgegen dieser ausdrücklichen Regelungen gleichwohl über den 30.06.2013 hinaus ein ruhendes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hätte. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem neuen Arbeitsvertrag vom 14.12.2015. Allein die Tatsache, dass die Beklagte im Kündigungsschreiben auf ein „seit dem Juli 2010 bestehendes Arbeitsverhältnis“ Bezug genommen habe, führe nicht dazu, dass entgegen der ausdrücklich entgegenstehenden Vereinbarungen von einem durchgängigen Arbeitsverhältnis auszugehen wäre. Das Kündigungsschutzgesetz finde aber auch deshalb keine Anwendung, weil es sich bei der Beklagten um einen Kleinbetrieb handele. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, dass die Beklagte mit anderen konzernangehörigen Betrieben einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalte. Es fehle schon daran, dass die diversen konzernangehörigen Firmen nicht in einer Betriebsstätte vorhandene materielle und immaterielle Betriebsmittel zu einem einheitlichen Zweck zusammenfassen und gezielt einsetzen würden. Der Sitz der Beklagten sei in H.-U., die übrigen vom Kläger genannten Gesellschaften hätten ihre Betriebsstätten u. a. in K., B. B., R.-V., N., W. und K.. Da es sich bei der Beklagten mithin um einen Kleinbetrieb handele, finde § 17 KSchG mangels Betriebsgröße keine Anwendung.
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Gegen das ihm am 26.09.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.09.2016 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 27.12.2016 begründet.
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Der Kläger wiederholt und vertieft
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seinen erstinstanzlichen Vortrag. Der Betrieb der Beklagten sei nicht stillgelegt. Der Kläger bestreitet einen Stilllegungsbeschluss der Gesellschafterversammlung. Das gekündigte Arbeitsverhältnis unterliege sowohl dem persönlichen als auch dem betrieblichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Bei der Frage der Erfüllung der Wartefrist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG habe das Arbeitsgericht fehlerhaft die Beschäftigung des Klägers als Geschäftsführer nicht mit einbezogen. Ein GmbH-Geschäftsführer könne dann Arbeitnehmer sein, wenn er von der GmbH „persönlich abhängig“, d. h. weisungsabhängig sei. Dies sei hier der Fall gewesen. Er sei Fremdgeschäftsführer gewesen und habe selbstverantwortlich gerade nicht über Zeit, Ort und Art der Beschäftigung entscheiden können. Durch den Abschluss des Geschäftsführervertrages sei keine Verbesserung seiner Konditionen eingetreten. Die Auslegung des ersten Arbeitsvertrages und des Geschäftsführervertrages ergebe, dass das Arbeitsverhältnis ruhend fortbestehen sollte. Hiergegen spreche nicht der Aufhebungsvertrag vom 26.06.2013. Damit sollte der bereits erworbene Bestandsschutz gerade nicht aufgehoben werden. Dies ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 KSchG. Auch die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 KSchG seien gegeben. Neben den Arbeitnehmern beschäftige die Beklagte zur Deckung des regelmäßigen Personalbedarfs Leiharbeitnehmer. Dies habe das Arbeitsgericht gar nicht berücksichtigt. Ungeachtet dessen bilde die Beklagte einen Gemeinschaftsbetrieb mit anderen Betrieben desselben Konzernunternehmens, insbesondere mit der Muttergesellschaft, der I. H. GmbH, sowie der I. GmbH, der R. GmbH und der I. I. GmbH, allesamt mit Sitz in K., wo die Beklagte vor kurzem auch noch betriebsansässig gewesen sei. Der Schwellenwert von zehn Arbeitnehmern werde mithin bei weitem überschritten. Die Personalangelegenheiten und Buchhaltung der Beklagten würden unstreitig von Mitarbeitern der I. GmbH erledigt. Die Kündigung sei auch sozialwidrig, insbesondere habe die Beklagte unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsbetriebs keine Sozialauswahl durchgeführt. Die Kündigung sei aber auch treuwidrig gemäß § 242 BGB und verstoße gegen § 17 KSchG. Zudem sei er mit einem Grad von 40 schwerbehindert und habe am 24.02.2016 mündlich und am 22.03.2016 schriftlich einen Gleichstellungsantrag gestellt (Bl. 380 f. d. A.).
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Der Kläger hat zunächst beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 31.08.2016, Az. 3 Ca 262 a/16 abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
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Die Beklagte verteidigt
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unter Aufrechterhaltung ihres Sach- und Rechtsvortrags in erster Instanz das angefochtene Urteil.
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Mit gerichtlicher Verfügung vom 28.03.2017 hat das Berufungsgericht den Parteien einen Vergleichsvorschlag gemäß § 278 Abs. 6 ZPO unterbreitet, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2016 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000,00 € sowie die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses und folgende Ausschlussklausel beinhaltete:
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„Damit sind dieser Rechtsstreit als auch alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus ihrem Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt bzw. abgegolten.“
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Diesem Vergleichsvorschlag hat die Beklagte „aus prozessökonomischen Gründen“ mit Schriftsatz vom 29.03.2017 zugestimmt. Mit E-Mail vom 29.03.2017 teilte der Geschäftsführer der Beklagten seinem Prozessvertreter sodann mit, dass er das Zeugnis auf „sehr gut“ umstellen und dem Kläger auch das erbetene Empfehlungsschreiben erteilen könne, aber nur, wenn es bei der Generalquittung verbleibe (Bl. 465 d. A.) Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 03.04.2017 mitgeteilt, dass sich die Parteien noch in Vergleichsverhandlungen befänden.
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Mit Schreiben vom 29.03.2017 teilte der Klägervertreter der Beklagten u. a. Folgendes mit (Bl. 429 f. d. A.):
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„Aus grundsätzlichen Erwägungen des Unterzeichners, insbesondere möglicher Haftungsansprüche, kann ich unserem Mandaten zudem nicht empfehlen, die Generalquittung in Ziffer 4. so zu akzeptieren. Ich kann nicht überblicken, ob noch weitere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bestehen. Sämtliche Ansprüche aus und in Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Ansprüchen und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses können jedoch als mit der Abfindungszahlung abgegolten bzw. erledigt gelten.“
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Mit E-Mail vom 04.04.2017 übersandte der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter die korrigierten Passagen des gerichtlichen Vergleichstexts einschließlich des Empfehlungsschreibens mit der Bitte, den gesamten Vergleichstext nebst Anlage zurückzusenden, damit ein übereinstimmender Vergleichsvorschlag bei Gericht eingereicht werden könne (Bl. 439 d. A.). Der Klägervertreter kam dieser Bitte umgehend mit E-Mail vom 04.04.2017 nach und teilte mit, dass er den Vergleichstext sogleich an das Gericht faxen werde (Bl. 439 d. A.).
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Mit Telefax-Schriftsatz vom 04.04.2017, 17:38 Uhr, hat die Beklagte mitgeteilt, dass sich die „Parteien zur Erledigung sämtlicher Streitigkeiten“ auf folgenden Vergleichstext geeinigt hätten:
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„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch fristgerechte Kündigung der Beklagten aus dringenden betriebsbedingten Gründen zum 30.04.2016 endete.
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2. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 € brutto analog §§ 9, 10 KSchG.
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3. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes und qualifiziertes Zeugnis mit der Note "sehr gut" sowohl in Leistungs- als auch Sozialbeurteilung endend mit einer Dankes- und Bedauernsklausel und besten Wünschen für die private und berufliche Zukunft, jeweils für das Arbeitsverhältnis vom 01.07.2010 bis 30.06.2013 zunächst als Leiter Service und ab Januar 2012 als Leiter Konstruktion und Vertrieb, für das Geschäftsführerverhältnis vom 01.07.2013 bis 30.11.2015 und für das sich anschließende Arbeitsverhältnis vom 01.12.2015 bis 30.04.2016 als Leiter Konstruktion und Leiter Technik und zwar jeweils unter dem Ausstellungsdatum des jeweils letzten Tages des betreffenden Arbeitsverhältnisses. Der Kläger wird der Beklagten die von ihm vorformulierten drei Zeugnisse vorlegen. Die Beklagte verpflichtet sich, von dem Text nur bei Vorliegen wichtiger Gründe abzuweichen. Zudem verpflichtet sich die Beklagte, dem Kläger unter ihrem Briefkopf und dem Ausstellungsdatum 30.04.2016 das als Anlage (Bl. 411 d. A.) diesem Vergleich beigefügte Empfehlungsschreiben zu erteilen.
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4. Damit sind dieser Rechtsstreit als auch alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus ihrem Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt bzw. abgegolten.
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5. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens verbleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil.“
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Mit Telefax-Schriftsatz vom 05.04.2017, 10:32 Uhr, hat auch der Kläger bestätigt, dass sich die Parteien „zur Erledigung und Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche … aus ihrem Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung“ auf den vorstehenden Vergleich geeinigt hätten. Ebenfalls mit Telefax-Schreiben vom 05.04.2017, 11:30 Uhr, hat die Beklagte Folgendes mitgeteilt:
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„Es bestand Einvernehmen zwischen den Parteien, dass der Vergleich zur Erledigung sämtlicher Ansprüche geschlossen werden soll. Insoweit bitte ich um eine Klarstellung in Ziffer 4 des Vergleichs, wo von der Erledigung aller gegenseitigen Ansprüche der Parteien ‚aus ihrem Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung‘ gesprochen wird. Da die Parteien mehrere Anstellungsverhältnisse miteinander verband, ist klarzustellen, dass alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien ‚aus ihren Anstellungsverhältnissen - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt bzw. abgegolten sind.‘“
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Nach Eingang der Bestätigung des Klägers vom 05.04.2017 hat die Vorsitzende die Aufhebung des Berufungstermins vom 06.04.2017 veranlasst, noch bevor das Telefax des Beklagtenvertreters vom 05.04.2017 eingegangen war. Den Feststellungsbeschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO hat sie vorbereiten lassen, aber noch nicht unterzeichnet, da das Original des dem Feststellungsbeschluss beizufügenden Empfehlungsschreibens noch nicht da war. Mit Verfügung vom 06.04.2017 hat die Vorsitzende die Parteien darauf hingewiesen, dass der Rechtsstreit nicht durch Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO erledigt sei, da die Parteien im Hinblick auf die Ausgleichsklausel in Ziffer 4 keine Einigung erzielt hätten.
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Der Kläger meint,
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das Gericht habe die Erledigung des Rechtsstreits durch Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 festzustellen. Die Beklagte habe bereits dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag mit gleicher Erledigungsklausel uneingeschränkt zugestimmt. Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichsvorschlags sei identisch mit Ziff. 4 des von den Parteien übereinstimmend mitgeteilten Vergleichs. Auch in der außergerichtlichen Korrespondenz sei es immer nur um die Ansprüche aus dem (letzten) Arbeitsverhältnis gegangen. Zudem habe der Beklagtenvertreter in einem Telefonat vom 29.03.2017 telefonisch mitteilt, dass man mit den Änderungswünschen des Klägers zwar grundsätzlich einverstanden sei, die vom Gericht vorgeschlagene Ausgleichsklausel indessen unverändert bleiben müsse. Beide Parteien hätten dem Gericht dann den wortidentischen Vergleichstext mit der Bitte, nach § 278 Abs. 6 ZPO zu verfahren, unterbreitet. Die Ziff. 4 des Vergleichstextes sei eindeutig und beziehe sich nicht auf das Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis. Ein Dissens liege nicht vor. Ein verfahrensbeendender Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO sei demnach zustande gekommen. Das Gericht stelle das erfolgte Zustandekommen nur noch gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO fest. Der Beschluss des erkennenden Gerichts über das Zustandekommen des Vergleichs habe lediglich deklaratorischen Charakter. Hilfsweise beruft sich der Kläger darauf, dass sich die Parteien auf den am 04.05.2017 übereinstimmend mitgeteilten Vergleich außergerichtlich bereits geeinigt hätten, sodass ihm Ansprüche auf Erfüllung aus dem Vergleich zustünden. Die Leistungsklage sei vorrangig gegenüber der Feststellungsklage. Sollte das Gericht auch diesem Hilfsantrag nicht stattgeben, sei das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und der Klage mit den erstinstanzlich gestellten Anträgen stattzugeben.
- 45
Der Kläger beantragt zuletzt,
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I. das Zustandekommen des nachfolgenden Vergleichs der Parteien durch gerichtlichen Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festzustellen:
- 47
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch fristgerechte Kündigung der Beklagten aus dringenden betriebsbedingten Gründen zum 30.04.2016 endete.
- 48
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 € brutto, analog §§ 9, 10 KSchG.
- 49
3. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes und qualifiziertes Zeugnis mit der Note "sehr gut" sowohl in Leistungs- als auch Sozialbeurteilung endend mit einer Dankes- und Bedauernsklausel und besten Wünschen für die private und berufliche Zukunft, jeweils für das Arbeitsverhältnis vom 01.07.2010 bis 30.06.2013, zunächst als Leiter Service und ab Januar 2012 als Leiter Konstruktion und Vertrieb, für das Geschäftsführerverhältnis vom 01.07.2013 bis 30.11.2015 und für das sich anschließende Arbeitsverhältnis vom 01.12.2015 bis 30.04.2016 als Leiter Konstruktion und Leiter Technik und zwar jeweils unter dem Ausstellungsdatum des jeweils letzten Tages des betreffenden Arbeitsverhältnisses. Der Kläger wird der Beklagten die von ihm vorformulierten drei Zeugnisse vorlegen. Die Beklagte verpflichtet sich, von dem Text nur bei Vorliegen wichtiger Gründe abzuweichen. Zudem verpflichtet sich die Beklagte, dem Kläger unter ihrem Briefkopf und dem Ausstellungsdatum 30.04.2016 das als Anlage diesem Vergleich beigefügte Empfehlungsschreiben zu erteilen.
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4. Damit sind dieser Rechtsstreit als auch alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus ihrem mit Wirkung ab dem 01.12.2015 begründeten Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt bzw. abgegolten. Etwaige Ansprüche der Parteien aus ihrem vorherigen Geschäftsführeranstellungsverhältnis sowie dem zum 30.06.2013 bereits beendeten Arbeitsverhältnis bleiben hiervon unberührt.
- 51
5. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens verbleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil.
- 52
Anlage zum Vergleich
- 53
„Empfehlung
- 54
Sehr geehrter Herr W.,
- 55
ich möchte die Gelegenheit ergreifen, mich noch einmal recht herzlich für Ihr außerordentliches Engagement während unserer gemeinsam durchgeführten Führung der M.-E. GmbH zu bedanken. Durch Ihren Einsatz ist es gelungen, die Firma wieder in eine funktionierende und erfolgsversprechende Gesellschaft umzugestalten.
- 56
Sie haben die äußerst schwierige Aufgabe der Neustrukturierung übernommen und die Mitarbeiter aller Betriebsteile und Disziplinen zu einem Team verschmolzen. Bemerkenswert war, mit welcher Leichtigkeit und Integrität Sie dort erfolgreich waren, wo andere vor Ihnen gescheitert sind. Dass Sie planerisches Geschick und großes Organisationstalent besitzen, dass Sie effizient, eigenständig, termingerecht und kostenbewusst arbeiten, kann ich hier noch einmal bestätigen. Sie genießen für Ihre Leistungen die Anerkennung und den Respekt aller Kollegen. Ihr technisches Fachwissen und Ihre Kompetenz werden von unseren Kunden und Ihren Mitarbeitern geschätzt.
- 57
Dass der Gesellschafter beschlossen hat, den Geschäftsbetrieb einzustellen, bedaure ich sehr, da ich Sie dadurch als langjährigen Kollegen verliere. Ich hoffe, dass ich zukünftig die Gelegenheit erhalte, wieder mit Ihnen zusammenarbeiten zu dürfen.
- 58
Ich bedanke mich für die stets partnerschaftliche und nette Zusammenarbeit und wünsche Ihnen für Ihre private und geschäftliche Zukunft alles erdenklich Gute.
- 59
Mit freundlichen Grüßen"
- 60
II. hilfsweise,
- 61
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 € brutto analog §§ 9, 10 KSchG zu zahlen.
- 62
2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein wohlwollendes und qualifiziertes Zeugnis mit der Note "sehr gut" sowohl in Leistungs- als auch Sozialbeurteilung endend mit einer Dankes- und Bedauernsklausel und besten Wünschen für die private und berufliche Zukunft, jeweils für das Arbeitsverhältnis vom 01.07.2010 bis 30.06.2013 zunächst als Leiter Service und ab Januar 2012 als Leiter Konstruktion und Vertrieb, für das Geschäftsführerverhältnis vom 01.07.2013 bis 30.11.2015 und für das sich anschließende Arbeitsverhältnis vom 01.12.2015 bis 30.04.2016 als Leiter Konstruktion und Leiter Technik und zwar jeweils unter dem Ausstellungsdatum des jeweils letzten Tages des betreffenden Arbeitsverhältnisses zu erteilen, wobei der Kläger der Beklagten die von ihm vorformulierten drei Zeugnisse vorlegt und die Beklagte von dem Text nur bei Vorliegen wichtiger Gründe berechtigt ist abzuweichen.
- 63
3. die Beklagte zu verurteilen, unter ihrem Briefkopf und dem Ausstellungsdatum 30.04.2016 das nachfolgende Empfehlungsschreiben zu erteilen:
- 64
„Empfehlung
- 65
Sehr geehrter Herr W.,
- 66
ich möchte die Gelegenheit ergreifen, mich noch einmal recht herzlich für Ihr außerordentliches Engagement während unserer gemeinsam durchgeführten Führung der M.-E. GmbH zu bedanken. Durch Ihren Einsatz ist es gelungen, die Firma wieder in eine funktionierende und erfolgsversprechende Gesellschaft umzugestalten.
- 67
Sie haben die äußerst schwierige Aufgabe der Neustrukturierung übernommen und die Mitarbeiter aller Betriebsteile und Disziplinen zu einem Team verschmolzen. Bemerkenswert war, mit welcher Leichtigkeit und Integrität Sie dort erfolgreich waren, wo andere vor Ihnen gescheitert sind. Dass Sie planerisches Geschick und großes Organisationstalent besitzen, dass Sie effizient, eigenständig, termingerecht und kostenbewusst arbeiten, kann ich hier noch einmal bestätigen. Sie genießen für Ihre Leistungen die Anerkennung und den Respekt aller Kollegen. Ihr technisches Fachwissen und Ihre Kompetenz werden von unseren Kunden und Ihren Mitarbeitern geschätzt.
- 68
Dass der Gesellschafter beschlossen hat, den Geschäftsbetrieb einzustellen, bedaure ich sehr, da ich Sie dadurch als langjährigen Kollegen verliere. Ich hoffe, dass ich zukünftig die Gelegenheit erhalte, wieder mit Ihnen zusammenarbeiten zu dürfen.
- 69
Ich bedanke mich für die stets partnerschaftliche und nette Zusammenarbeit und wünsche Ihnen für Ihre private und geschäftliche Zukunft alles erdenklich Gute.
- 70
Mit freundlichen Grüßen"
- 71
III. hilfshilfsweise
- 72
das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 31.08.2016, Az. 3 Ca 262 a/16, abzuändern und
- 73
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.02.2016 weder zum 31.03.2016 noch zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst worden ist,
- 74
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 02.05.2016 zum Ablauf des 31.05.2016 oder zu einem späteren Zeitpunkt endet,
- 75
3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt,
- 76
4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 gemäß Arbeitsvertrag vom 14.12.2015 als Leiter Konstruktion und Technik bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.
- 77
Die Beklagte beantragt,
- 78
die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
- 79
Die Beklagte trägt vor,
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dass sie bei den infolge des vom Kläger abgelehnten gerichtlichen Vergleichsvorschlags aufgenommenen Vergleichsverhandlungen nur bereit gewesen sei, einer verbesserten Zeugnisregelung und einem Empfehlungsschreiben zuzustimmen, wenn dadurch sämtliche Ansprüche der Parteien, also auch die vom Kläger im Verlauf des arbeitsgerichtlichen Verfahrens angesprochenen vermeintlichen Bonus- und Tantiemeansprüche erledigt seien. Dem habe der Kläger letztlich mit Anwaltsschreiben vom 04.04.2017 zugestimmt. Dementsprechend habe sie den Vergleichsvorschlag gemäß § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO „zur Erledigung sämtlicher Streitigkeiten“ mit Schriftsatz vom 04.04.2017 eingereicht. Die Parteien hätten sich mithin nicht auf den vom Kläger gewünschten Vergleich geeinigt, vorsorglich ficht die Beklagte einen dahingehend geschlossenen Vergleich an. Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt ihrer wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 13.07.2017 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO. Die in den zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen enthaltene Klagänderung ist gemäß § 533 ZPO ebenfalls zulässig. Hiergegen hat die Beklagte auch keine Einwände erhoben.
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Der in zweiter Instanz gestellte Hauptantrag ist nicht begründet. Der Rechtsstreit hat sich nicht durch Prozessvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO erledigt (I.). Der (erste) Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit der Endnote „sehr gut“ sowie eines Empfehlungsschreibens aus einem außergerichtlich geschlossenen Vergleich (II.). Auch der (zweite) Hilfshilfsantrag, d. h. die erstinstanzlich gestellten Anträge, sind nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die hiergegen seitens des Klägers erhobenen Einwände rechtfertigen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein anderes Ergebnis (III.).
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I. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Gericht nicht verpflichtet, das Zustandekommen des im Hauptantrag wiedergegebenen Vergleichstextes durch Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festzustellen.
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1. Unstreitig haben die Parteien den ihnen durch Verfügung vom 28.03.2017 unterbreiteten gerichtlichen Vergleichsvorschlag nicht übereinstimmend gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO angenommen. Stattdessen haben beide Parteien einen hiervon abweichenden eigenen Vergleichsvorschlag nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO zur Akte gereicht, mit der Bitte um Erlass eines entsprechenden Feststellungsbeschlusses gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO. Unstreitig hat das Gericht diesen Feststellungsbeschluss zu keinem Zeitpunkt unterzeichnet und damit auch nicht erlassen.
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2. Allein die Mitteilung der Parteien, sie hätten sich auf einen bestimmten Vergleich geeinigt und die wechselseitige Einreichung eines wortidentischen Vergleichstextes bei Gericht, führt weder zur Beendigung des Rechtsstreits noch zu einem anspruchsbegründenden Prozessvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Erst mit der gerichtlichen Beschlussfassung kommt ein verfahrensbeendender Prozessvergleich zustande. Ein solcher von der Vorsitzenden unterzeichneter Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO liegt hier indessen nicht vor.
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3. Das Gericht ist vorliegend auch nicht prozessual verpflichtet, das Zustandekommen des von den Parteien mit Telefaxen vom 04.04.2017 und 05.04.2017 eingereichten Vergleichs durch Beschluss festzustellen. Vielmehr hat das Gericht auch beim Zustandekommen eines vollstreckungsfähigen Prozessvergleichs gemäß § 278 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO seine inhaltliche Mitverantwortung, z. B. wegen §§ 134, 138 BGB, und seine alleinige Feststellungsbefugnis behalten (Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl., § 278 Rn. 65; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 278 Rn. 34). Das gleiche gilt auch im Hinblick auf einen zutage getretenen offenen oder verdeckten Einigungsmangel, §§ 154, 155 BGB. Nach dem Wortlaut des Vergleichstextes haben die Parteien danach zwar einen übereinstimmenden Vergleichsvorschlag mit der Bitte um einen entsprechenden Feststellungsbeschluss gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO zur Akte gereicht, indessen ergibt sich aus den jeweiligen Anschreiben und der außergerichtlichen Korrespondenz der Parteien, dass hinsichtlich der Reichweite der im Vergleichstext unter Ziff. 4 enthaltenen Ausschlussklausel Dissens bestand.
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a) Ein Vergleich ist ein wechselseitiger Vertrag und kommt gemäß §§ 145 ff. BGB durch Angebot (Antrag) und Annahme zustande. Gegenstand und Inhalt des Vertrags müssen im Antrag so bestimmt oder bestimmbar angegeben werden, dass die Annahme durch ein einfaches „Ja“ erfolgen kann. Haben sich die Parteien bei einem Vertrag, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, ist der Vertrag nach § 155 BGB grundsätzlich nicht geschlossen, es sei denn, der Vertrag wäre auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen worden (OLG München, Urt. v. 18.05.2011 - 7 U 4937/10 -, Rn. 28, juris; LG Mannheim, Urt. v. 18.12.2015 - 1 S 83/15 -, Rn. 9, juris; Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 155 Rn. 5). Ein versteckter Einigungsmangel i. S. v. § 155 BGB liegt vor, wenn sich die Erklärungen der Parteien trotz gleicher Wortwahl ihrem Inhalt nach gerade nicht decken. Für die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen ist maßgebend, wie diese vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte verstanden werden mussten. In diese Würdigung sind auch außerhalb der Erklärung liegende Begleitumstände einzubeziehen, soweit sie für den Erklärungsempfänger erkennbar waren und einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH, Urt. v. 25.02.1999 - VII ZR 8/98 -, Rn. 7, juris).
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b) Hieran gemessen und bei Anwendung der Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB musste die Beklagte aufgrund der geführten außergerichtlichen Korrespondenz und der im vorliegenden Verfahren seitens des Klägers vertretenen Rechtsauffassung davon ausgehen, dass die Ausschlussklausel in Ziff. 4 des Vergleichs sämtliche Ansprüche der Parteien aus allen ihren nahtlos aneinandergereihten Rechtsverhältnissen erfassen sollte und nicht nur diejenigen des erst seit 01.12.2015 begründeten und zum 30.04.2016 gekündigten Arbeitsverhältnisses.
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aa) Dies ergibt sich bereits aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 04.04.2017, in welchem die Beklagte mitgeteilt hat, dass sich die Parteien „zur Erledigung sämtlicher Streitigkeiten“ auf den vorgelegten Vergleichstext geeinigt hätten. Diese Äußerung der Beklagten bezieht sich ersichtlich nicht nur auf die Erledigung der in diesem Rechtsstreit anhängigen Streitigkeiten (Bestandsschutz, Weiterbeschäftigung) oder auf sämtliche Streitigkeiten aus dem letzten Arbeitsverhältnis (restliche Vergütung, Urlaubsabgeltung), sondern auf „sämtliche Streitigkeiten“ der Parteien. Die einleitende Erklärung der Beklagten ist weder auf bestimmte Streitigkeiten/Ansprüche noch auf solche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis beschränkt, sondern allumfassend zu verstehen.
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bb) Aber auch die außergerichtliche Korrespondenz der Parteien spricht dafür, dass die Beklagte von einer allumfassenden Ausschlussklausel ausgegangen ist. Nachdem die Parteien infolge des gerichtlichen Vergleichsvorschlags Vergleichsverhandlungen aufgenommen hatten, teilte der Klägervertreter der Beklagten mit Schreiben vom 29.03.2017 mit, dass er dem Kläger die Generalquittung in Ziff. 4 nicht empfehlen könne, da er nicht überblicken könne, ob noch weitere „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ bestünden. Gleichzeitig stimmte er aber einer Ausschlussklausel zu, „die sämtliche Ansprüche aus und in Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Ansprüchen und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ stünden. Hierauf hat die Beklagte unstreitig erwidert, dass sie zwar bereit sei, das gewünschte „sehr gute" Zeugnis sowie ein Empfehlungsschreiben der gewünschten Art zu erteilen, aber nur, wenn es bei der „Generalquittung“ verbleibe. Mit einer Generalquittung wollen Vertragspartner nach dem allgemeinen Sprachgebrauch regelmäßig alle Streitigkeiten - gleich aus welchem Rechtsgrund - beenden und „klare Verhältnisse“ schaffen. Auch hieraus wird ersichtlich, dass die Beklagte davon ausgegangen ist, dass mit Abschluss des Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus sämtlichen Rechtsverhältnissen mit der Zahlung der Abfindung erledigt sein sollten. Die vom Gericht vorgeschlagene Ausschlussklausel wurde danach trotz erhobener Einwände des Klägers gerade nicht geändert. Die Beklagte musste mithin davon ausgehen, dass damit alle wechselseitigen Ansprüche - ob rechtshängig oder nicht und gleich aus welchem Rechtsgrund/Rechtsverhältnis - erledigt sein sollten.
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cc) Hierfür spricht zudem, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren selbst davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem Geschäftsführeranstellungsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Er selbst hat in seinen vorbereitenden Schriftsätzen stets die Auffassung vertreten, dass er seit 01.07.2010 durchgängig als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sei, es sich mithin nicht um zwei unterschiedliche Vertragsverhältnisse (Geschäftsführer-Dienstvertrag und Arbeitsvertrag) gehandelt habe. Seiner Auffassung nach sei er auch während des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses weisungsabhängiger Arbeitnehmer gewesen. Nicht anders ist auch sein an die Beklagte gerichtetes Schreiben vom 29.03.2017 zu verstehen. Einerseits stimmt er zu, dass alle streitgegenständlichen und in Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Beendigung des (letzten) Arbeitsverhältnisses stehenden Ansprüche erledigt sein sollten, aber andererseits konnte er nicht übersehen, welche Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ noch bestehen könnten. Wenn aber alle mit der Beendigung in Zusammenhang stehenden Ansprüche erledigt sein sollten, an welche nicht erledigten Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ denkt er dann, wenn sich diese nicht auf das vorangegangene Geschäftsführeranstellungsverhältnis, welches er selbst als Arbeitsverhältnis angesehen hat, beziehen? Soweit der Kläger unstreitig mit Schreiben vom 21.07.2016 gegenüber der Beklagten Bonuszahlungen beansprucht, die die Beklagte mit Schreiben vom 28.07.2016 abgelehnt hat (Bl. 521 d. A.), können sich diese denklogisch nur auf das zum 30.11.2015 beendete Geschäftsführeranstellungsverhältnis bezogen haben. Nur § 6 des Geschäftsführervertrages enthält eine rechtsverbindliche Vereinbarung zur Zahlung von Bonusleistungen. Demgegenüber regelt § 3 des Arbeitsvertrages vom 14.12.2015, dass die Beklagte einen Jahresbonus je nach Resultat des Betriebsergebnisses gewähren kann und dass Bonuszahlungen freiwillige Zahlungen sind. Auch hieraus folgt, dass der Kläger selbst davon ausgegangen ist, dass mit der Ausschlussklausel in Ziff. 4 des Vergleichs auch seine etwaigen Ansprüche aus dem Geschäftsführeranstellungsverhältnis abgegolten sein sollten.
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dd) Auch aufgrund der Höhe der Abfindungszahlung konnte die Beklagte davon ausgehen, dass damit alle Ansprüche aus allen Rechtsverhältnissen erledigt sein sollten. Denn das letzte Arbeitsverhältnis währte bei Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung gerade einmal zweieinhalb Monate. Angesichts der Kürze dieses Arbeitsverhältnisses und der geringen Erfolgsaussichten der Berufung, die das Gericht den Parteien mit der Verfügung vom 28.03.2017 mitgeteilt hatte, wäre die Abfindung nach den Wertungen des § 2 a KSchG geradezu üppig.
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Aus der vorgenannten gerichtlichen Verfügung hat die Vorsitzende die Höhe der Abfindung u. a. damit begründet, dass die sogenannte Regelabfindung 20.700,00 € beträgt. Dabei ist die Vorsitzende davon ausgegangen, dass das Vertragsverhältnis der Parteien von Juli 2010 bis April 2016 insgesamt seit sechs Jahren bestand (6.900,00 x 6 : 2 = 20.700,00).
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ee) Dementsprechend lag hier ein versteckter Einigungsmangel gemäß § 155 BGB vor. Ohne eine allumfassende Generalquittung war die Beklagte ersichtlich auch nicht bereit, den Vergleich abzuschließen. Dies hat sie bereits mit ihrem Schreiben vom 29.03.2017 als auch mit den einleitenden Sätzen ihres Schriftsatzes vom 04.04.2017 zum Ausdruck gebracht.
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Aufgrund des zutage getretenen versteckten Einigungsmangels konnte das Gericht gerade nicht einen überstimmend zustande gekommenen Vergleich durch Beschluss feststellen. Für das Zustandekommen eines Prozessvergleichs bedarf es noch eines Feststellungsbeschlusses nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO. Das Gericht hat beim Zustandekommen eines vollstreckungsfähigen Prozessvergleichs seine inhaltliche Mitverantwortung, z. B. wegen §§ 134, 138 BGB, und seine alleinige Feststellungsbefugnis behalten (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl., § 278 Rn. 65; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 278 Rn. 34). Das Gleiche gilt auch im Hinblick auf einen zutage getretenen offenen Einigungsmangel gemäß § 155 BGB (vgl. OLG Rostock, Urt. v. 16.06.2010 - 1 U 13/10 -, Rn. 25, juris).
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4. Demzufolge hat sich der Rechtsstreit nicht durch verfahrensbeendenden Prozessvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO erledigt. Der Hauptantrag des Klägers ist mithin nicht begründet.
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II. Die Klage ist aber auch nicht in Bezug auf die mit dem Antrag zu II. (1. Hilfsantrag) geltend gemachten Ansprüche begründet. Der Kläger hat weder Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000,00 € brutto noch auf Erteilung eines Zeugnisses mit der Note „sehr gut“ noch auf ein Empfehlungsschreiben aus einem außergerichtlich abgeschlossenen Vergleich. Die Parteien haben rechtswirksam keinen außergerichtlichen Vergleich abgeschlossen.
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1. Ein wirksamer Vertragsschluss liegt schon deshalb nicht vor, weil die Parteien über den Regelungsumfang keine Einigung erzielt haben. Angebot und Annahme gemäß §§ 145 ff. BGB waren gerade nicht deckungsgleich. Unstreitig haben die Parteien den Vergleichsabschluss über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung etc. von einer mitverhandelten Ausschlussklausel abhängig gemacht. Bezüglich dieser Ausschlussklausel in Ziff. 4 des Vergleichs lag indessen ein versteckter Einigungsmangel gemäß § 155 BGB vor, sodass der Vertrag/Vergleich nicht zustande gekommen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf Ziff. I. dieser Entscheidungsgründe verwiesen.
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2. Ungeachtet dessen wollten die Parteien ersichtlich aber auch keinen außergerichtlichen Vergleich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung schließen, sondern einen übereinstimmenden Vergleichsvorschlag dem Gericht zur entsprechenden verfahrensbeendenden Beschlussfassung nach § 278 Abs. 6 ZPO vorlegen.
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a) Nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB ist bei Vereinbarung einer Vertragsbeurkundung im Zweifel anzunehmen, dass keine Vertragsbindung entsteht, solange die Beurkundung nicht erfolgt ist. Im Zweifelsfall ist damit von der Konstitutivität der Beurkundung auszugehen. Dies schließt zwar nicht den Nachweis aus, dass die Beurkundung lediglich deklaratorisch sein, d. h. insbesondere Beweiszwecken dienen sollte. Die Beweislast dafür, dass eine unstreitig vereinbarte Beurkundung nur Beweiszwecken dienen sollte, trifft aber angesichts der gesetzlichen Auslegungsregel denjenigen, der aus der formlosen Vereinbarung Rechte herleiten will. Soll ein außergerichtlich vereinbarter Vergleich noch gerichtlich protokolliert werden, so ist in der Regel anzunehmen, dass der Vergleich erst mit der Protokollierung abgeschlossen ist. Wenn die Parteien in einem anhängigen Rechtsstreit ihre materiellrechtlichen Rechtsbeziehungen vergleichsweise regeln, so verfolgen sie mit der Vereinbarung der gerichtlichen Protokollierung vor allem den Zweck, dem Kläger einen Vollstreckungstitel zu verschaffen und den Rechtsstreit zu beenden. Der Vergleichsprotokollierung kommt damit eine wesentliche Bedeutung zu. Haben die Prozessbevollmächtigten eine gerichtliche Protokollierung ausdrücklich vereinbart, sind besondere Anhaltspunkte dafür erforderlich, dass die Prozessbevollmächtigten schon dem außergerichtlichen Vergleich, der weder die Prozessbeendigung herbeiführen, noch einen Vollstreckungstitel schaffen konnte, eine konstitutive Bedeutung beimessen wollten. Sind solche besonderen Anhaltspunkte nicht ersichtlich bzw. von der Partei, die sich auf die lediglich deklaratorische Beurkundung beruft, nicht bewiesen, bleibt es bei der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB (BAG, Urt. v. 16.01.1997 - 2 AZR 35/96 -, Rn. 18 u. 20, juris; LAG Köln 01.03.2011 - 12 Sa 1298/10 - Rn. 30, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 03.11.2016 - 2 Sa 136/16 -, Rn. 24, juris; LAG Hamm, Urt. v. 16.09.2011 - 19 Sa 711/11 -, Rn. 58 ff., juris).
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2. Hieran gemessen ist zwischen den Parteien kein (außergerichtlicher) Vergleich zustande gekommen. Dies ergibt sich insbesondere aus der E-Mail-Korrespondenz der Parteien vom 04.04.2017. Beide Parteien haben hierin bekundet, dass sie einen übereinstimmenden Vergleich zur Protokollierung bei Gericht einreichen wollten. Damit haben die Parteien ausdrücklich verabredet, dass der beabsichtigte Vergleich gerichtlich nach § 278 Abs. 6 ZPO beurkundet werden soll. Die Parteien haben außergerichtlich auch unstreitig keinen schriftlichen Aufhebungsvergleich gegen Zahlung einer Abfindung vereinbart. Eine von beiden Seiten unterzeichnete Vertragsurkunde existiert nicht. Einer formlosen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses steht das Schriftformerfordernis des § 623 BGB entgegen. Die anwaltlich vertretenen Parteien wollten gerade nicht einen formlosen außergerichtlichen Vergleich abschließen, sondern das Zustandekommen eines Prozessvergleichs durch gerichtlichen Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO feststellen lassen, wodurch das Schriftformerfordernis gemäß § 623 BGB gewahrt wird (BAG, Urt. v. 23.11.2006 - 6 AZR 394/06 -, Rn. 16, juris). Gemäß der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB ist deshalb hier im Zweifel anzunehmen, dass keine Vertragsbindung entsteht, solange der verabredete Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht erfolgt ist. Ebenso wie mit der Vereinbarung einer gerichtlichen Protokollierung bei Gericht verfolgen die Parteien mit dem verabredeten Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO vor allem den Zweck, einen Vollstreckungstitel zu schaffen und den Rechtsstreit zu beenden, sodass dem Vergleichsbeschluss eine wesentliche Bedeutung zukommt. (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 03.11.2016 - 2 Sa 136/16 -, Rn. 27, juris). Besondere Anhaltspunkte, die hier ausnahmsweise den Schluss darauf zulassen könnten, dass sowohl der Prozessbevollmächtigte des Klägers als auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten schon dem außergerichtlichen Vergleich, der weder die Prozessbeendigung herbeiführen noch einen Vollstreckungstitel schaffen konnte, eine konstitutive Bedeutung beimessen wollten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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III. Aber auch der Antrag zu III. (Hilfshilfsantrag), mit welchem der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge (Kündigungsschutz, Weiterbeschäftigung, Zwischenzeugnis) weiterverfolgt, ist nicht begründet.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die ordentliche Kündigung vom 16.02.2016 zum 30.04.2016. Soweit der Kläger in dem Feststellungsantrag zu 1. als Beendigungszeitpunkt „31.03.2016“ aufgenommen hat und dies im Tatbestand des angefochtenen Urteils auch so übernommen worden ist, handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler. In der Klagschrift nimmt der Kläger ausdrücklich auf die als Anlage K4 beigefügte ordentliche Kündigung vom 16.02.2016 Bezug. Mit dieser Kündigung hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis „fristgerecht zum Ablauf des 30.04.2016 gemäß § 622 Abs. 2, Ziff. 2 BGB“ gekündigt und nicht zum 31.03.2016. Die hiergegen vom Kläger mit seiner Berufung vorgebrachten Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Der Kläger genießt keinen Kündigungsschutz, da der betriebliche Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes hier nicht gegeben ist, §§ 1, 23 KSchG.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend das Kündigungsschutzgesetz bereits deshalb nicht anwendbar ist, weil das streitgegenständliche letzte Arbeitsverhältnis noch keine sechs Monate währte, § 1 Abs. 1 KSchG (persönlicher Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes). Denn bei der Beklagten handelt es sich um einen Kleinbetrieb i. S. v. § 23 KSchG (1.). Entgegen der Auffassung des Klägers sind zu den Arbeitnehmern der Beklagten weder die bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer (2.) noch die Arbeitnehmer der Muttergesellschaft und/oder deren anderen Töchtergesellschaften (3.) hinzuzurechnen. Die Kündigung vom 16.02.2016 ist weder gemäß § 85 SGB IX noch gemäß § 17 KSchG unwirksam (4.).
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1. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG findet u. a. § 1 KSchG keine Anwendung, wenn in dem Betrieb des Arbeitgebers in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Es ist unstreitig, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Kündigung regelmäßig nicht mehr als zehn angestellte Arbeitnehmer beschäftigte. Gegenteiliges behauptet der Kläger auch in der Berufungsinstanz nicht.
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2. Der Kläger genießt aber auch nicht deshalb Kündigungsschutz, weil die Beklagte neben den angestellten Arbeitnehmern in ihrem Betrieb noch weitere Leiharbeitnehmer beschäftigte.
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a) Bei der Berechnung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sind Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb nur dann zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Maßgebend ist die Beschäftigungslage, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist (BAG, Urt. v. 24. Februar 2005 - 2 AZR 373/03 - zu B I 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 34 = EzA KSchG § 23 Nr. 28). Zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl bedarf es deshalb eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebs und einer Einschätzung seiner zukünftigen Entwicklung; Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls sind dabei nicht zu berücksichtigen (BAG, Urt. v. 24.02.2005 - 2 AZR 373/03 -, juris). Dies gilt auch mit Blick auf Leiharbeitnehmer. Werden diese zur Vertretung von Stammarbeitnehmern beschäftigt, zählen sie grundsätzlich nicht mit. Sie zählen - ebenso wenig wie vorübergehend beschäftigte eigene Arbeitnehmer - auch dann nicht mit, wenn sie nur zur Bewältigung von Auftragsspitzen eingesetzt werden, die den allgemeinen Geschäftsbetrieb nicht kennzeichnen. Dagegen sind sie mitzuzählen, wenn ihre Beschäftigung dem „Regelzustand“ des Betriebs entspricht, soweit mithin bestimmte Arbeitsplätze im fraglichen Referenzzeitraum stets mit Arbeitnehmern besetzt waren bzw. sein werden, sei es mit eigenen Arbeitnehmern des Betriebsinhabers, sei es, etwa nach deren Ausscheiden oder „immer schon“ mit (wechselnden) Leiharbeitnehmern (BAG, Urt. v. 24.01.2013 - 2 AZR 140/12 -, Rn. 24, juris).
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b) Hieran gemessen hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass die Beklagte neben der Stammbelegschaft regelmäßig Leiharbeitnehmer auf bestimmten dauerhaften Arbeitsplätzen auch noch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 16.02.2016 beschäftigte. In der Berufungsinstanz rügt der Kläger lediglich pauschal, dass das Arbeitsgericht sich mit seinem diesbezüglichen erstinstanzlichen Vortrag nicht auseinandergesetzt habe. Er verweist in der Berufungsbegründung vom 27.12.2016 lediglich pauschal auf seinen „umfangreichen und substantiierten Sachvortrag“ in erster Instanz, mit dem sich das Arbeitsgericht nicht auseinandergesetzt habe, ohne darzulegen, warum welcher erstinstanzliche Vortrag zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des Falles geführt hätte. Dies entspricht nicht den Vorgaben des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
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Ungeachtet dessen ist der Kläger der Behauptung der Beklagten, dass sie lediglich vorübergehend, speziell während des Umzugs von K. nach H.-U. im Herbst 2015 Leiharbeitnehmer im Lager und Archiv eingesetzt habe, nicht substantiiert entgegengetreten. Dem Sachvortrag des Klägers ist nicht einmal zu entnehmen, welche konkreten Dauerarbeitsplätze stets und nicht nur vorübergehend oder vertretungsweise mit Leiharbeitnehmern besetzt gewesen sind, sodass auf die zusätzliche Anzahl von Leiharbeitnehmern, die bei der Bemessung des Schwellenwertes des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG mit zu berücksichtigen sind, geschlossen werden könnte. Der Kläger hat lediglich in dem Schriftsatz vom 07.06.2016 pauschal behauptet, mit welchen konkreten Lagerarbeiten Leiharbeitnehmer betraut worden seien, ohne zugleich darzulegen, wann genau welche Leiharbeitnehmer in welchem zeitlichen Umfang auf welchen konkreten Dauerarbeitsplätzen eingesetzt worden sind. Hieran gemessen kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung und auch noch danach dauerhaft auf mehr als zehn Vollzeitarbeitsplätzen i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG Arbeitnehmer oder Leiharbeitnehmer regelmäßig beschäftigt hat.
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3. Das Kündigungsschutzgesetz ist aber auch nicht deshalb anwendbar, weil die Beklagte mit der Muttergesellschaft und/oder irgendwelchen Tochtergesellschaften einen Gemeinschaftsbetrieb bildet. Der Kläger hat die Voraussetzungen zum Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs nicht substantiiert dargelegt (a). Ungeachtet dessen ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Betrieb der Beklagten spätestens zum 30.04.2016 stillgelegt worden, sodass der etwaig vorhandene Gemeinschaftsbetrieb seine Beendigung gefunden hat (b).
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a) Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass die Beklagte mit einem oder mehreren Betrieben der konzernangehörigen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb bildet, sodass die Arbeitnehmer dieser Betriebe bei dem Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG mitzuzählen haben.
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aa) Ein gemeinsamer Betrieb setzt voraus, dass sich zwei oder mehrere Unternehmen zur gemeinsamen Führung eines Betriebes - zumindest konkludent - rechtlich verbunden haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen liegt dann vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, sodass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts, vgl. nur: BAG, Urt. v. 15.12.2011 - 8 AZR 692/10 -, Rn. 27, juris; BAG, Beschl. v. 14.08.2013 - 7 ABR 46/11 -, Rn. 27, juris). Die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebes setzt einen einheitlichen betriebsbezogenen Leitungsapparat voraus (BAG, Urt. v. 26.07.2007 - 8 AZR 769/06 -, Rn. 32, juris). Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt dagegen nicht. So sind die Voraussetzungen eines gemeinsamen Betriebs nicht bereits dann erfüllt, wenn enge unternehmerische Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern aufgrund wechselseitiger Verpflichtungen zu einer Minderung von mitbestimmungsrechtlich relevanten Gestaltungs- und Entscheidungsspielräumen der Arbeitgeber führt (BAG, Urt. v. 15.12.2011 - 8 AZR 692/10 -, Rn. 28, juris). Vielmehr müssen mehrere Unternehmen einen einheitlichen bzw. gemeinsamen Betrieb führen. Von einem solchen Gemeinschaftsbetrieb ist nur dann auszugehen, wenn der Einsatz der materiellen Betriebsmittel und menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird und so die mehreren Unternehmen im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einer einheitlichen Leitungsmacht identische oder auch verschiedene arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgen (BAG, Beschl. v. 13.08.2008 - 7 ABR 21/07 -, Rn. 19, juris; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 12.01.2017 - 5 Sa 208/16 -, Rn. 36, juris; KR-Bader, 11. Aufl., § 23 KSchG Rn. 66).
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bb) Die Voraussetzungen eines Gemeinschaftsbetriebs hat der Kläger nicht dargelegt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Betrieb der Beklagten sich in H.-U. befindet, währenddessen die Muttergesellschaft sowie die diversen anderen Tochtergesellschaften in K., B. B., R.-V., N., W. und K. ansässig sind. Ein Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne setzt keine räumliche Einheit voraus. Anlagen, Maschinen und Arbeitnehmer müssen sich nicht an derselben Stelle befinden. Selbst eine vom Hauptbetrieb eines Unternehmens weit entfernt gelegene (unselbstständige) Betriebsstätte (Filiale, Geschäfts- und Zweigstelle) ist somit bei der Berechnung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 3 dem Hauptbetrieb zuzurechnen, wenn die wesentlichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten im Hauptbetrieb getroffen werden (BAG, Urt. v. 07.07.2011 - 2 AZR 12/10 -, Rn 38, juris; BAG v. 28.10.2010 - 2 AZR 392/08 -, Rn 17, juris; ErfK/Kiel, 17. Aufl., § 23 KSchG Rn. 4). Nichts anderes gilt, wenn mehrere Unternehmen beschließen, durch einen einheitlichen Leitungsapparat, die in weit entfernt liegenden Betriebstätten vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt einzusetzen (vgl. nur: BAG, Urt. v. 02.03.2017 - 2 AZR 427/16 -, Rn. 13, juris; ErfK/Kiel, 17. Aufl., § 23 KSchG Rn. 5).
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Indessen hat der Kläger weder dargelegt, mit welchen konkreten konzernangehörigen Unternehmen die Beklagte einen Gemeinschaftsbetrieb unterhält noch inwieweit diese (welche?) Unternehmen welche materiellen und immateriellen Betriebsmittel für welchen Betriebszweck aufgrund eines einheitlichen Lenkungsapparats gezielt und geordnet bei Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung eingesetzt haben. Der Kläger verkennt, dass die von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsfigur des Gemeinschaftsbetriebs nicht schon durch eine unternehmerische, wirtschaftliche Zusammenarbeit begründet wird. Ein Gemeinschaftsbetrieb liegt auch nicht bereits dann vor, wenn die Betriebe durch ein und denselben Geschäftsführer vertreten werden, was hier nicht einmal der Fall ist.
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Dem klägerischen Vortrag lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Beklagte zumindest mit der Personalleasing-Gesellschaft I. GmbH einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet hat. Hierfür spricht insbesondere nicht, dass diese Firma die Buchhaltungsangelegenheiten inklusive der Lohnabrechnungen für die Beklagte ausgeführt hat. Es ist durchaus nicht unüblich, dass Betriebe diese speziellen Aufgaben nicht durch eigenes Personal ausführen lassen, sondern outsourcen, d. h. gegen entsprechendes Entgelt an Fremdfirmen vergeben. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass der Geschäftsführer der I. GmbH, Herr M.-H., auch nach dem Umzug der Beklagten von K. nach H.-U. und damit auch noch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 16.02.2016 die Personalführung der Beklagten ausgeübt hat. So ist unstreitig, dass bei der Einstellung des Mitarbeiters R. im Oktober 2015 die Fa. I. GmbH in keiner Weise mehr eingebunden war. Einen firmenübergreifenden, wechselseitigen Personaleinsatz hat der Kläger nicht einmal behauptet. Ein solcher liegt insbesondere nicht vor, wenn die Beklagte aufgrund eines Gestellungsvertrages Leiharbeitnehmer der Fa. I. GmbH beschäftigt.
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Dem Vortrag des Klägers lässt sich aber auch nicht entnehmen, dass die Beklagte mit ihrer Muttergesellschaft, der Fa. I. H. GmbH, einen Gemeinschaftsbetrieb unterhält. Der Kläger argumentiert stets damit, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer der Muttergesellschaft, Herr B. Schm., sowohl an der Muttergesellschaft als auch an den Tochtergesellschaften und mithin auch an der Beklagten mindestens 80 % der Gesellschaftsanteile und damit maßgeblichen Einfluss besitze. Der Kläger verkennt, dass allein eine unternehmerische, wirtschaftliche Zusammenarbeit oder eine Berichts- oder Gewinnabführungspflicht an die Muttergesellschaft kein geeignetes Indiz für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs ist.
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Soweit der Kläger darüber hinaus meint, dass die Beklagte auch mit der Fa. R. GmbH einen Gemeinschaftsbetrieb bilde, fehlt hierzu jeglicher substantiierter Sachvortrag.
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cc) Dementsprechend hat der Kläger nicht im Einzelnen dargelegt, dass zumindest diese vier Firmen (Beklagte, I. H. GmbH, I. GmbH und r. GmbH) einen einheitlichen Betrieb unterhalten haben, sodass die Voraussetzungen zum betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes hier nicht vorliegen. Weder die Arbeitnehmer der I. H. GmbH noch der I. GmbH noch der r. GmbH noch diejenigen der anderen Tochtergesellschaften sind bei der Frage des Schwellenwertes des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG mitzuzählen.
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b) Ungeachtet des unzureichenden Vortrags zum Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs kann sich der Kläger aber auch aus anderen Gründen nicht auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 und 2 KSchG berufen.
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aa) Ein etwaig mit der Muttergesellschaft, der Fa. I. H. GmbH, sowie weiteren Tochtergesellschaften, der Fa. I. sowie der Fa. r. GmbH , bestandener Gemeinschaftsbetrieb gilt mit der Stilllegung des Betriebs der Beklagten als aufgelöst. Eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG findet dann nicht mehr statt (BAG, Urt. v. 29.11.2007 - 2 AZR 763/06 -, Rn. 23, juris; BAG, Urt. v. 13.09.2005 - 2 AZR 954/94 -, Rn. 16, juris). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Betrieb der Beklagten spätestens zum streitgegenständlichen Kündigungstermin, dem 30.04.2016, stillgelegt wurde.
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bb) Der Zeuge Schn. hat glaubhaft bekundet, dass die Beklagte ihren Betrieb spätestens zum 15.03.2016 stillgelegt hatte. Hierzu hat er in sich schlüssig und nachvollziehbar ausgesagt, dass er als Alleingeschäftsführer der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten, der Fa. I. H. GmbH, aufgrund der seit Jahren zu verzeichnenden Verluste der Beklagten von zuletzt über vier Millionen Euro den Entschluss gefasst habe, den Betrieb der Beklagten zu schließen. Bereits Ende Dezember 2015 habe die Beklagte den Geschäftsbetrieb eingestellt und keine Aufträge mehr angenommen. Ein an die Beklagte im Februar 2016 herangetragenes Geschäftsanbahnungsgespräch habe diese abgelehnt, da sie keine Geschäfte mehr durchgeführt habe. Der Zeuge hat zudem ausgesagt, dass nach der getroffenen Entscheidung, den Betrieb der Beklagten stillzulegen, allen Arbeitnehmern betriebsbedingt gekündigt worden sei. Die Betriebshalle sei geräumt worden, indem die Maschinen und Lagerbestände verkauft oder auch an ehemalige Mitarbeiter verschenkt worden seien. Die Betriebsstätte werde jetzt nicht mehr durch die Beklagte genutzt. Die Beklagte habe ihre betriebliche Tätigkeit spätestens seit dem 15.03.2016 vollends eingestellt. Aus seinen Unterlagen, d. h. den Management-Meeting-Protokollen ergebe sich, dass bereits im Januar 2016 mit der Räumung der Halle begonnen worden sei und schließlich am 15.03.2016 die letzten beiden Schränke abgeholt worden seien. Diese Aussagen des Klägers bestätigen, dass die Gesellschafter-Versammlung der Beklagten, die nur aus dem Geschäftsführer der Allein-Gesellschafterin der Beklagten, der Fa. I. H. GmbH, bestand, spätestens Ende 2015/Anfang 2016 den Beschluss gefasst hat, den Betrieb der Beklagten stillzulegen. Dies deckt sich auch mit dem zur Gerichtsakte gereichten Gesellschafterbeschluss vom 10.02.2016, der aus Sicht der Kammer die zuvor formlose vorherige Stilllegungsentscheidung lediglich formgerecht bestätigte. Gegen die Betriebsstilllegung spricht auch nicht, dass die Beklagte auch zum jetzigen Zeitpunkt noch existent und nicht liquidiert ist. Der Kläger verkennt, dass die Firma der Beklagten im kündigungsschutzrechtlichen Sinn keinen aktiven Betrieb darstellt. Zudem hat der Zeuge Schn. in sich nachvollziehbar erläutert, warum die Beklagte aus konzernrechtlichen Überlegungen noch nicht liquidiert und gelöscht worden sei. Die in erheblichem Umfang noch vorhandenen Verluste der Beklagten könnten noch steuerlich sinnvoll genutzt werden, z. B. indem die Beklagte an eine Tochtergesellschaft „angedockt“ werde.
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Die Kammer sieht auch keine Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Schn. zu zweifeln. Der Zeuge war ersichtlich bemüht, die an ihn gerichteten Fragen zu beantworten. Er hat die Fragen weder pauschal unter Berufung auf Unkenntnis „abgeblockt“ noch sich in irgendwelche Widersprüche verwickelt. Zudem hat er von sich aus auch auf Umstände hingewiesen, die sich nicht aus der Akte selbst ergeben. So hat er berichtet, dass sich einige Mitarbeiter unter der Firma O. C. selbstständig gemacht und hierzu einige Räume in der ehemaligen Betriebsstätte der Beklagten angemietet hätten. Der Glaubwürdigkeit des Zeugen steht auch nicht entgegen, dass die ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten R. und Ra. noch nach dem 15.03.2016 E-Mails vom E-Mail-Account der Beklagten versandt haben. Die Existenz der E-Mailadresse nach dem 15.03.2016 steht der Betriebsstilllegung nicht entgegen. Dies folgt auch nicht aus der Abschieds-E-Mail der Frau R. vom 27.05.2016. Zu jenem Zeitpunkt stand auch der Kläger noch in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Zudem hat der Zeuge darauf hingewiesen, dass die ehemaligen Mitarbeiter Ra. und R. von der Fa. G.. angestellt worden seien. Die Fa. G. sei in demselben Gebäude wie zuvor die Beklagte untergebracht und habe sich bereit erklärt, vorhandene Ersatzteile zu verkaufen oder abzugeben. Diese Aussage deckt sich auch mit dem Inhalt der dem Zeugen vom Kläger vorgehaltenen E-Mail vom 17.03.2017. Hierin teilt Herr R. mit, dass die gewünschten Plexiglasplatten leider entsorgt worden und nicht mehr verfügbar seien.
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cc) Nach alledem steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb spätestens zum 30.04.2016 stillgelegt hat. Damit ist aber auch ein etwaig zuvor mit der Muttergesellschaft und anderen Tochtergesellschaften begründeter Gemeinschaftsbetrieb spätestens zum 30.04.2016 aufgelöst worden. Eine Sozialauswahl unter Einbeziehung der bei der Muttergesellschaft und/oder Tochtergesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer findet gemäß § 1 Abs. 3 KSchG nicht statt.
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4. Die Kündigung vom 16.02.2016 ist auch nicht gemäß § 85 SGB IX unwirksam. Nach dieser Vorschrift bedarf die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Nach der Ausnahmevorschrift des § 90 Abs. 2a SGB IX bedarf der Arbeitgeber der Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt jedoch nur dann, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entweder bereits als schwerbehinderter Mensch anerkannt ist, seine Schwerbehinderung trotz fehlender Anerkennung offenkundig oder er nach § 2 Abs. 3 SGB IX einem Schwerbehinderten gleichgestellt war oder er den Antrag auf Anerkennung oder Gleichstellung mindestens drei Wochen vor Ausspruch der Kündigung beim zuständigen Amt gestellt hatte. Vorliegend hat der Kläger den Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung erst am 24.02.2016 und damit nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vom 16.02.2016 beantragt. Er hat auch nicht dargelegt, dass seine Schwerbehinderteneigenschaft offenkundig ist.
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Die Kündigung vom 16.02.2016 ist aber auch nicht wegen Verstoßes gegen die Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit gemäß § 17 Abs. 1 KSchG unwirksam. § 17 Abs. 1 KSchG findet vorliegend keine Anwendung, weil die Beklagte unstreitig nicht mehr als 20 Arbeitnehmer (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG) beschäftigte und aus den Gründen zu Ziff. III. 3. a) dieser Entscheidungsgründe auch keinen Gemeinschaftsbetrieb mit anderen Unternehmen unterhielt.
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5. Der Kläger hat auch weder Anspruch auf Weiterbeschäftigung noch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, da sein Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung vom 16.02.2016 zum 30.04.2016 endete.
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IV. Nach alledem war die Berufung des Klägers insgesamt zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.
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Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Revision lag hier nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.
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