Urteil vom Landgericht Bielefeld - 01 KLs-336 Js 2194/19-16/19
Tenor
Der Angeklagte wird wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Versuch des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
acht Jahren
verurteilt.
Das am 16.03.2019 sichergestellte Bargeld in Höhe von 79.065 € (nämlich 4.065 € aus der Tasche einer Hose des Angeklagten sowie 64.000 € und 11.000 € aus zwei Briefumschlägen im linken Schrank des Kinderzimmers der Wohnung seiner Eltern in der F. Str. xx in C.) wird eingezogen. Die Einziehung des Werts weiterer Taterträge in Höhe von 478.486,20 € wird angeordnet; insofern haftet der Angeklagte in Höhe eines Teils von 466.061,02 € als Gesamtschuldner.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewandte Strafvorschriften:
§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 1. Var., 30a Abs. 2 Nr. 2, 1. Var., 31 S. 1 Nr. 1, Anlage I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG, 22, 23 Abs. 1, Abs. 2, 25 Abs. 2, 49, 52, 53, 73 Abs. 1, 73c, 73d StGB
1
Gründe:
2I. Persönliche Verhältnisse
3Der heute 31 Jahre alte Angeklagte wurde am 11.11.1987 in Z.in der Türkei geboren. Der Angeklagte ist inzwischen deutscher Staatsangehöriger und das zweitälteste Kind von vier Geschwistern. Er hat zwei Brüder und eine Schwester. Im Jahr 1993, im Alter von 5 Jahren, kam der Angeklagte nach Deutschland. Die gesamte Familie lebt in C.. Der Vater ist Frührentner. Die Mutter, die keinen Beruf erlernt, aber in der Vergangenheit als Reinigungskraft gearbeitet hat, pflegt derzeit die behinderte Tochter der Familie und ist nicht berufstätig. Der Angeklagte ist ledig, aber seit 2009 verlobt mit M. M., mit der er zwei Kinder im Alter von 7 und 10 Jahren hat. Daneben hat er ein weiteres Kind im Alter von 2 Jahren, welches aus einer anderen Beziehung stammt.
4Aufgrund eines angeborenen Herzfehlers wurde dem Angeklagten 2003 in D. eine künstliche Herzklappe eingesetzt. In der Folge ist er bis heute marcumarpflichtig, muss selbstständig seine Blutwerte kontrollieren und Herz-Kreislauf-Training absolvieren. Schwere Belastungen und Stressphasen soll er ebenso vermeiden wie Verletzungen.
5Der Angeklagte wurde in C. eingeschult und besuchte zunächst die T.schule, ehe er nach Abschluss der Grundschule an die C.schule wechselte, wo er den Hauptschulabschluss erwarb. Nach dem Schulabschluss begann er eine Ausbildung im Bereich der Metallbearbeitung, verletzte sich dort aber wiederholt aufgrund der blutverdünnenden Medikation, was zum Scheitern der Ausbildung führte. Er war dann eine Zeit lang arbeitslos, ehe er als freier Fitnesstrainer auf selbstständiger Basis im Fitnessstudio „G.“ anfing zu arbeiten. Seine Tätigkeit dort war abhängig von der Anwerbung eigener Kunden. Daneben absolvierte er das aus gesundheitlichen Gründen erforderliche Herz-Kreislauf-Training. Zuletzt betreute der Angeklagte keine Fitnesskunden mehr. Seine Verlobte, M. M., arbeitet in einem Kindergarten. Der Angeklagte war bis zu seiner Verhaftung gemeldet in der H-Str. xx in C., wo er nach eigenen Angaben mitunter auch übernachtete, wohnte aber faktisch gemeinsam mit M. M. und den beiden gemeinsamen Kindern in deren Mietwohnung in der F. Str. yy. Nachdem diese Wohnung zwischenzeitlich durch sie gekündigt worden ist, wohnt M. M. derzeit mit den gemeinsamen Kindern bei den Eltern des Angeklagten. Der Angeklagte hatte zuletzt kein legales Einkommen. Legale Schulden aufgrund von Anschaffungskrediten bestehen in Höhe von rund 20.000,00 €, wobei der Angeklagte angibt, keinen genauen Überblick über die Schulden zu haben.
6Aufgrund seiner chronischen Schmerzen konsumiert der Angeklagte seit etwa 6 – 7 Jahren ca. 1 – 2 g Marihuana am Tag in Form von Joints. Kokain habe er allenfalls zweimal probiert. Er habe erwogen, mit dem Kiffen aufzuhören und sei zeitweilig auch konsumfrei gewesen, habe aber jeweils wieder angefangen. Infolge der Teilnahme an einer Suchtberatung in der JVA Hamm wolle er nicht wieder konsumieren. Im Rahmen einer Gewaltberatung in der JVA sei ihm auch vermittelt worden, wie er stressfrei leben könne und mit wenig Geld auskomme. Alkohol trinkt der Angeklagte nur selten und anlassbezogen.
7Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 24.07.2019 weist 6 Vorstrafen auf:
8Mit Strafbefehl vom 19.02.2010 verurteilte ihn das Amtsgericht Nordhorn wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 € und ordnete ein Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher an.
9Am 05.04.2011 verurteilte das Amtsgericht Bielefeld den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,00 € und ordnete ein Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher an.
10Mit Strafbefehl vom 30.11.2011 verurteilte das Amtsgericht Bielefeld den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,00 €.
11Am 27.11.2012 verurteilte das Amtsgericht Bielefeld den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10,00 €.
12Am 20.11.2014 verurteilte das Amtsgericht Bielefeld – Schöffengericht – den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Minderjährige zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daneben wurde ein Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher angeordnet. Der Angeklagte hatte am 20.04.2013 auf telefonische Bestellung auf einem Schulhof Marihuana an eine Fünfzehnjährige verkauft. Das Urteil erwuchs nach Berufung und Revision des Angeklagten am 08.07.2015 in Rechtskraft. Die Berufungsverhandlung fand am 24.02.2015 statt. Die ursprünglich auf drei Jahre bemessene Bewährungszeit wurde im Jahr 2016 bis zum 07.07.2019 verlängert.
13Zuletzt verurteilte das Amtsgericht Bielefeld den Angeklagten mit Strafbefehl vom 17.02.2016 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15,00 € und ordnete eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis bis zum 08.12.2016 an. Die Verurteilung ist durch Zahlung der Geldstrafe noch im Jahr 2016 und Ablauf der Sperrfrist vollständig erledigt.
14Der Angeklagte wurde in dieser Sache am 16.03.2019 vorläufig festgenommen und befindet sich seit diesem Tage, zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 25.01.2019 (9 Gs 451/19), später ersetzt durch den Haftbefehl der Kammer vom 02.09.2019 (1 KLs 16/19), in Untersuchungshaft in der JVA Hamm.
15Er gibt an, dass ihm die Inhaftierung insbesondere aufgrund der fehlenden Bewegung gesundheitliche Probleme mache, weshalb er auch im Justizvollzugskrankenhaus in Fröndenberg behandelt worden sei. Seit seiner Festnahme durch das SEK leide er gesundheitlich sehr, habe Kreislaufbeschwerden und Bluthochdruck.
16II. Sachverhalt
171. Vortatgeschehen
18Der Angeklagte und der gesondert verfolgte P. N. kennen einander bereits seit dem gemeinsamen Besuch der Grundschule. Seitdem waren sie eng miteinander befreundet. Später, zu einem heute nicht mehr sicher feststellbaren Zeitpunkt, begannen sie gemeinsam und zunächst in kleinerem Umfang mit Betäubungsmitteln Handel zu treiben.
192. Tatgeschehen
20Der Angeklagte betrieb zumindest seit Anfang 2015 bis zum Zeitpunkt seiner Festnahme am 16.03.2019 in großem Umfang Handel mit Betäubungsmitteln, zunächst mit Marihuana und Haschisch, ab Februar 2017 auch mit Kokain, wobei der Schwerpunkt des Handels stets im Bereich Marihuana lag. Der Angeklagte und der gesondert verfolgte P. N. hatten sich jedenfalls ab Anfang 2015 zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammengeschlossen, wobei sie im Zeitraum bis Ende 2016 auch in eine gemeinsame Kasse wirtschafteten und die Erlöse aus dem Verkauf der Betäubungsmittel hälftig aufteilten. Ab Anfang des Jahres 2017 kauften sie die Betäubungsmittel nur noch gemeinsam an, teilten diese hälftig zwischen sich auf, verwalteten aber jeweils ihre eigenen Depots selbstständig und verkauften jeweils auf eigene Rechnung. Im Falle von Engpässen unterstützten sie einander gelegentlich durch Austausch ihrer jeweiligen Anteilsmengen. Dabei verfügten der Angeklagte und P. N. über gut funktionierende Absatzstrukturen mit jeweils eigenständigen Kundenstämmen im Bereich des Verkaufs von Marihuana. Hier benötigten sie für den Absatz von 10 kg lediglich 2,5 Wochen. Der Absatz des wirkungsstärkeren Haschischs, bei dem es sich stets um zu Platten gepresstes Pollinat mit hohem Wirkstoffgehalt handelte, gestaltete sich im Vergleich eher schleppend. Auch das Kokain betrachtete der Angeklagte nicht als Kerngeschäft.
21Die Lieferungen erfolgten je nach Absprache und Lieferant in die K.str. xx (Wohnhaus der Familie N.), die H-Str. xx (Meldeanschrift des Angeklagten), die F. Str. xx (Wohnhaus der Eltern des Angeklagten), jeweils in C., bzw. in die neuerworbene Immobilie der Familie N. T. xx in T..
22Die Bunkerstätten befanden sich in einem Loch im Keller des Hauses K.str. xx, in der Meldewohnung des Angeklagten in der H-Str. xx, wobei der Angeklagte dort jeweils nur geringere Mengen zum unmittelbaren Verkauf vorhielt, sowie in einem Keller des Wohnhauses der Eltern des Angeklagten in der F. Str. xx. Diesen Kellerraum hatte der Angeklagte unter Angabe des Namens seines Vaters von dem Nachbarn I. V. im Rahmen einer Untervermietung angemietet. Daneben erfolgte die Lagerung großer Mengen von Betäubungsmitteln zunächst in einem allein zu diesem Zwecke vor dem Haus H-Str. xx geparkten Fahrzeug, welches später – nachdem im Rahmen eines Einbruchs 5 kg Marihuana aus dem Fahrzeug abhandengekommen waren – durch ein Zimmer in der Wohnung des U. L., eines Kunden des Angeklagten, in der L.-Str. xx ersetzt wurde.
23Der Weiterverkauf der Betäubungsmittel durch den Angeklagten erfolgte mindestens zu folgenden Verkaufspreisen: Marihuana verkaufte der Angeklagte zu einem Mindestpreis von 6,20 € je Gramm, Haschisch zu einem Mindestpreis von 5,00 € je Gramm und Kokain zu einem Mindestpreis von 40,00 € je Gramm.
24Der Angeklagte sortierte das eingenommene Geld zunächst von Hand, später dann mit einer Geldzählmaschine, die es ihm u.a. ermöglichte, Falschgeld auszuscheiden. Bei der Zählung separierte er große Scheine, insbesondere 500,00 €-Banknoten, von den kleineren Scheinen. Das Bargeld großer Stückelung verwahrte er in der Wohnung seiner Eltern, im ehemaligen Kinderzimmer, in zwei offenen Briefumschlägen, welche dort im linken von zwei Schränken lagen. Mit dem Bargeld kleinerer Stückelung beglich er jeweils seinen Anteil der Kaufpreisschuld.
25Der Angeklagte wusste in jedem Einzelfall um die Umstände seiner Handlungen sowie sein organisiertes Zusammenwirken mit P. N.. Er handelte stets in der Absicht, aus dem Verkauf der verschiedenen Betäubungsmittel Einnahmen und Gewinn in möglichst großem Umfang zu erzielen.
26Die Schuldfähigkeit des Angeklagten war bei der Tatbegehung weder eingeschränkt noch aufgehoben.
27a)
28Der Bezug der Betäubungsmittel erfolgte auf drei verschiedenen Lieferschienen:
29aa)
30Hauptlieferant, mit dem der Kontakt bereits ab Januar 2015 bestand, war der sog. „Spanier“, der zunächst nach Absprache über BlackBerry-Handys, die durch die Beteiligten als vergleichsweise abhörsicher eingeschätzt wurden, Marihuana und Haschisch, ab Februar 2017 auch gelegentlich Kokain lieferte. Der Kontakt zu dem Spanier war über den Bruder des P. N., den D. N., und zwei Mittelsmänner aus dem Bereich F./E. vermittelt worden. Ab Juni 2017 erfolgten die Absprachen über weitere Lieferungen über zu diesem Zweck an den Angeklagten sowie den P. N. übergebene Handys der Marke BQ, welche mit einer speziellen Verschlüsselungssoftware ausgestattet waren. Die Lieferungen erfolgten stets auf Kommission, in der Weise, dass die jeweils vorherige Lieferung erst im Zeitpunkt der Nachbestellung – dann aber gegenüber einem gesondert geschickten Geldkurier – bezahlt werden musste. Nach der Abwicklung der Bezahlung der Vorlieferung erfolgte dann durch einen weiteren Kurier die neue Belieferung, wiederum auf Kommission, d.h. ohne sofortige Bezahlung. Mit zunehmendem Vertrauen steigerten sich die Liefermengen in erheblichem Maße. Die Geld- und Drogenkuriere wechselten dabei ebenso wie die zum Transport verwendeten Fahrzeuge.
31Abgesehen von einem gesondert zu betrachtenden Fall (Fall 15/16) erfolgte die Bezahlung nach dem Zeitpunkt der Trennung der Kassen stets so, dass der Angeklagte seinen Anteil an dem an den Spanier zu entrichtenden Kaufpreis vorab an P. N. übergab, der dann die Kaufpreisschuld gegenüber dem Geldkurier insgesamt beglich. Den Gewinn aus den von ihm betriebenen Absatzgeschäften, den die Kammer auf zumindest 15 % des Verkaufspreises schätzt, behielt der Angeklagte ab Anfang 2017, d.h. mit Trennung der Kassen, stets für sich.
32bb)
33Als weiterer Lieferant kam ab 2018 der gesondert verfolgte U. L., genannt „U. L.“, hinzu. Bei diesem handelt es sich um einen engen Bekannten der Familie N. aus deren jesidischem Umfeld. Er hatte sich P. N. als weiterer Lieferant für Marihuana angedient, was auch zu einem Gespräch des U. L. mit P. N. und dem Angeklagten im niederländischen F. führte. Zu dem Termin wurden der Angeklagte und P. N. durch dessen Vater B. N. gefahren, der seinerseits aber nicht an dem Treffen mit U. L. teilnahm. Der Angeklagte nahm auf P. N.s Bitte teil, weil er die Qualität der angebotenen Ware besser zu beurteilen wusste. Die bei diesem Termin vorgewiesene Qualität wurde jedoch noch als zu schlecht beurteilt und daher durch P. N. und den Angeklagten zurückgewiesen. Später lieferte U. L. dann zu jedenfalls zwei näher bestimmten Gelegenheiten (Fall 14 und Fall 18) Marihuana in handelsfähiger Standardqualität. Die Lieferungen des U. L. erfolgten stets an P. N., ohne dass der Angeklagte weitergehenden Einblick in die Häufigkeit und den Umfang der Lieferungen gewonnen hätte. Er erhielt jedoch in den zwei noch weiter auszuführenden Fällen anteilige Mengen der zuvor von U. L. an P. N. gelieferten Ware, von deren Herkunft er wusste (Fall 18) bzw. deren Ursprung bei U. L. er billigend in Kauf nahm (Fall 14).
34cc)
35Zudem bezogen der Angeklagte und P. N. ab Sommer 2018 bis Anfang 2019 weiteres Marihuana von dem gesondert verfolgten E. G.. G. hatte den Kontakt zunächst zu P. N. hergestellt. In der Folge trafen sich G., P. N. und der Angeklagte im Bürgerpark, umgangssprachlich auch „Oetker-Park“ genannt, in C.. Die vorgewiesene Marihuana-Probe überzeugte P. N. und den Angeklagten nicht, G. sagte aber zu, sich erneut zu melden, sobald er die richtige Qualität liefern könne. Nachdem zunächst Lieferungen minderer Qualität durch P. N. ganz (nicht eröffneter ursprgl. Fall 20 der Anklage) bzw. weit überwiegend (Fall 19) zurückgegeben worden waren, lieferte G. in der Folge bei zwei Gelegenheiten (Fall 20 und Fall 21) Marihuana in sehr guter, jedenfalls aber in handelsfähiger Güte.
36b)
37Im Einzelnen kam es zu folgenden Lieferungen an den Angeklagten und P. N., welche in der Folge, soweit nicht zu den einzelnen Fällen anderes ausgeführt wird, bis auf sichergestellte Restbestände (dazu unter c) vollständig abgesetzt wurden:
38aa) Fälle 1 – 6
39Im Jahr 2015 sowie in der ersten Jahreshälfte 2016 kam es im Abstand von jeweils etwa drei Monaten zu insgesamt 6 Lieferungen des Spaniers, bei denen der Angeklagte und P. N. je 1,5 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 13 %, d.h. einer Wirkstoffmenge von 195 g THC, sowie je 0,5 kg Haschisch mit einem Wirkstoffanteil von 30 %, d.h. einer Wirkstoffmenge von 150 g THC erhielten. Die Übergabe der Betäubungsmittel fand jeweils, nach vorheriger telefonischer Absprache, die zu dieser Zeit über als vergleichsweise sicher betrachtete Mobilfunkgeräte der Marke BlackBerry erfolgte, entweder am Wohnhaus der Familie N. in der K.str. xx oder an der Meldeanschrift des Angeklagten in der H-Str. xx in C. statt. Die Betäubungsmittel wurden zunächst in einem Bettkasten des Angeklagten sowie auf einer Zwischendecke auf dem Dachboden des Hauses K.str. xx gelagert, später dann auch in dem eigens zu diesem Zweck dort abgestellten Lagerfahrzeug vor dem Haus H-Str. xx. Der Angeklagte verkaufte die Betäubungsmittel überwiegend aus seiner Meldewohnung unter dieser Anschrift.
40Für die erste Tat geht die Kammer zu Gunsten des Angeklagten von einem Tatzeitpunkt nach der – sonst zäsurbildenden – Berufungsverhandlung vom 24.02.2015 im Vorstrafverfahren aus.
41bb) Fall 7
42In der zweiten Jahreshälfte 2016, von Juli bis Dezember, kam es zu einer weiteren Lieferung durch den Spanier in die K.str. xx, bei welcher 20,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 13 %, d.h. 2.600 g THC, geliefert wurden.
43cc) Fall 8
44Im Februar 2017 lieferte der Spanier 15,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 13 %, d.h. 1.950 g THC, sowie 500 g Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 80 %, d.h. 400 g Cocain-HCl, in die K.str. xx. Der Weiterverkauf erfolgte in Mengen zwischen 0,5 kg und 2,0 kg an eine Vielzahl unterschiedlicher Abnehmer.
45dd) Fall 9
46Im Juni 2017 lieferte der Spanier 15,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 13 %, d.h. 1.950 g THC, erstmals an die Wohnanschrift der Eltern des Angeklagten in der F. Str. xx in C.. Ein Teil der Lieferung wurde im Keller des Nachbarn der Eltern des Angeklagten, I. V., den der Angeklagte allein zu diesem Zweck und unter Vorgabe eines Vertragsabschlusses für seinen Vater im Rahmen einer Untermiete angemietet hatte, gelagert. Der andere Teil der Lieferung wurde im Keller des Wohnhauses der Familie N. (K.str. xx) in einem sog. Bunkerloch im Boden gelagert.
47Im Rahmen der Lieferung in Fall 9 kam es auch zur Übergabe der mit einer Verschlüsselungssoftware besonders gesicherten Mobiltelefone der Marke BQ, sowohl an den Angeklagten als auch an P. N., für die künftige Kommunikation insbesondere mit dem Spanier.
48ee) Fall 10
49Im August 2017 lieferte der Spanier 10,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 13 %, d.h. 1.300 g THC, in die F. Str. xx, wo die Ware zum Teil im Keller des I. V. gelagert wurde. Der Rest der Ware wurde im Keller des Hauses K.str. xx gelagert.
50ff) Fall 11
51Im Januar 2018 lieferte der Spanier 20,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 13 %, d.h. 2.600 g THC, sowie 500 g Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 80 %, d.h. 400 g Cocain-HCl, in die F. Str. xx.
52gg) Fall 12
53Im April 2018 lieferte der Spanier 20,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 13 %, d.h. 2.600 g THC, in die F. Str. xx.
54hh) Fall 13
55Im Juli 2018 lieferte der Spanier 10,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 13 %, d.h. 1.300 g THC, sowie 500 g Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 80 %, d.h. 400 g Cocain-HCl, in die K.str. xx, wo die Betäubungsmittel zunächst in dem Bunkerloch im Keller gelagert, aber sehr zeitnah weiterveräußert wurden. Die Lieferung war auf entsprechende Vorbestellung erfolgt.
56ii) Fall 14
57Am 28.11.2018 verbrachten der Angeklagte und P. N. gemeinsam eine Lieferung des U. L. („U. L.“), die zuvor durch P. N. allein in Empfang genommen worden war, in der K.str. xx in den Keller. Die in den Keller getragenen Betäubungsmittel bestanden in 10,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 11 %, d.h. 1.100 g THC. Der mit einem Steckschloss gegen unbefugtes Betreten gesicherte Kellerraum wurde durch den Vater des P. N., den gesondert verfolgten B. N., aufgeschlossen, da P. N. seinen Schlüssel vergessen hatte. B. N. sicherte den Angeklagten und seinen Sohn dann gegen etwaige unerwünschte Blicke Dritter ab.
58jj) Fall 15/16
59(1)
60Im Januar 2019 lieferte der Spanier 7,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 13 %, d.h. 910 g THC, sowie 13,0 kg Haschisch mit einem Wirkstoffanteil von 33,5 %, d.h. 4.355 g THC, in die F. Str. xx. Das Haschisch war von sehr guter Qualität, konnte durch den Angeklagten und P. N. aber nicht so gut vermarktet werden wie das Marihuana. Aufseiten des Spaniers gab es jedoch hohe Haschischbestände, die abgesetzt werden mussten. Vor diesem Hintergrund erhielten der Angeklagte und P. N. die Mitteilung, dass sie sich so viel Zeit mit dem Verkauf lassen könnten wie nötig sei.
61(2)
62Am 21.01.2019 lieferte der Spanier 10,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 13 %, d.h. 1.300 g THC, sowie 500 g Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 80 %, d.h. 400 g Cocain-HCl, in die F. Str. xx. Anders als sonst kam in diesem Fall ein Bruder des P. N., der gesondert verfolgte Q. N., zu dem Angeklagten und übergab diesem den Anteil seines Bruders an dem Kaufpreis in Fall 15. Der Angeklagte übergab dann – ebenfalls in Abweichung von den übrigen Gepflogenheiten in der Geschäftsbeziehung mit dem Spanier – die gesamte Kaufpreissumme für Fall 15 unmittelbar an den Fahrer, der die neuen Betäubungsmittel in Fall 16 überbrachte. P. N. befand sich zum Zeitpunkt dieser Lieferung in China und hatte den Angeklagten zuvor über das Kommen seines Bruders, dem er auch seinen Anteil an den Betäubungsmitteln übergeben sollte, telefonisch informiert.
63Q. N. fungierte auch bei weiteren Lieferungen eines anderen Lieferanten an diesem Tag (Fall 21) sowie bereits am 09.01.2019 (Fall 20) als Beauftragter seines Bruders P. N..
64kk) Fall 17
65Am 15.03.2019, dem Tag vor der Festnahme des Angeklagten, lieferte der Spanier 10,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 15 %, d.h. 1.500 g THC, in die F. Str. xx. Die Ware wurde dort durch den Angeklagten und P. N. in Empfang genommen und, wie üblich, hälftig aufgeteilt. P. N. verbrachte seinen Anteil von 5,0 kg in den Keller des Hauses K.str. xx. Dieser Teil der Lieferung konnte dort am Folgetag durch die Polizei aufgefunden und sichergestellt werden. Der Angeklagte nahm zu dem Zeitpunkt in dem sich P. N. mit seinem Anteil in Richtung K.str. xx entfernte, billigend in Kauf, dass P. N. dort über eine scharfe Schusswaffe verfügte, die er zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt bei diesem gesehen hatte und die er in dem Bunkerloch im Keller des Hauses K.str. xx, zusammen mit den Betäubungsmitteln, die üblicherweise ebenfalls dort lagen, lagerte. Ob P. N. zu diesem oder einem anderen Zeitpunkt tatsächlich über eine scharfe Schusswaffe verfügte, konnte nicht festgestellt werden.
66ll) Fall 18
67Zwischen dem 26.06.2018 und dem 17.08.2018 lieferte U. L. („U. L.“) eine nicht feststellbare Gesamtmenge Betäubungsmittel in die neu erworbene Immobilie der Familie N. T. xx in T.. Diese Lieferung hatte er zuvor mit P. N. vereinbart. Der Angeklagte erhielt aus dieser Lieferung einen Anteil von 2,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 11 %, d.h. 220 g THC und verbrachte diesen in seine Wohnung in der H-Str. xx in C..
68mm) Fall 19
69Im Sommer 2018 lieferte der gesondert verfolgte E. G. eine sog. „Probe“ im Umfang von zumindest 2,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 5 %, d.h. 100 g THC, nachdem zuvor zwischen G., P. N. und dem Angeklagten ein entsprechendes Gespräch zur Klärung einer möglichen zukünftigen Lieferantenbeziehung im Bürgerpark in C. geführt worden war (vgl. oben). Ein Verkauf der Ware gestaltete sich aufgrund der vom Angeklagten persönlich festgestellten schlechten Qualität jedoch als kaum möglich, weshalb in der Folge eine nicht näher quantifizierbare Restmenge an G. zurückgegeben wurde.
70nn) Fall 20
71Am 09.01.2019 lieferte G. 10,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 11 %, d.h. 1.100 g THC, in die F. Str. xx, wo er an den Angeklagten und Q. N., der auch hier schon als Vertreter seines in China weilenden Bruders P. N. entsandt worden war, zwei sog. „Polentaschen“ mit der Ware übergab.
72oo) Fall 21
73Am 21.01.2019 lieferte G. 15,0 kg Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 11 %, d.h. 1.650 g THC, in die F. Str. xx, wo er die Ware in drei sog. „Polentaschen“ an den Angeklagten und Q. N. übergab.
74c)
75Im Zuge der Ermittlungen kam es insgesamt zu folgenden Sicherstellungen:
76Es wurden am 16.03.2019 in zahlreichen verschiedenen Gebinden und Behältnissen im Keller in der F.straße, im Keller V. in der F. Str. xx und in der Wohnung L. in der L.-Straße 45,45 kg Marihuana sichergestellt, zuzüglich bereits am 14.06.2018 sichergestellter weiterer 314,87 g bei P. N.. Darüber hinaus wurden am gleichen Tag im Keller V. und in der Wohnung L. 13,25 kg Haschisch sowie auf dem Dachboden in der F.straße 109,04 g Kokain sichergestellt.
77Ferner wurde ein Bargeldbetrag in Höhe von 4.065,00 € in einer Hosentasche des Angeklagten sowie weitere 75.000,00 €, ausschließlich 500,00 €-Banknoten, in zwei Briefumschlägen zu 128 Scheinen (64.000,00 €) sowie zu 22 Scheinen (11.000,00 €) im ehemaligen Kinderzimmer im Haus der Eltern des Angeklagten, F. Str. xx, sichergestellt.
78d)
79Nach der Festnahme machte der Angeklagte in einer Reihe polizeilicher Vernehmungen in der Zeit von 30.04. – 16.05.2019 und vom 10. – 12.07.2019 umfangreiche Angaben zur Rolle und Verstrickung seines Komplizen P. N. und dessen Brüdern D. und Q. N. und des Vaters B. N.. Seine Einlassung umfasste auch Angaben zu Nicht-Katalogdelikten, nämlich Einbruchsdiebstählen des D. N. und/oder weiterer Familienmitglieder in A., C. und T..
80Auf der Grundlage seiner Schilderungen erhob die Staatsanwaltschaft Bielefeld inzwischen wegen der Drogendelikte Anklage nicht nur gegen ihn selbst, sondern in einem gesonderten Verfahren auch gegen die genannten Mitglieder der Familie N..
81III. Beweiswürdigung
821. Feststellungen zur Person
Rechts">83an>Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seinen Angaben, der Verlesung des Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 24.07.2019, dessen erste Eintragung waffenrechtlicher Natur ist und daher nicht verlesen wurde, sowie der Verlesung der Bescheinigung des Suchtberaters der JVA Hamm vom 22.08.2019. Der Angeklagte hat im Rahmen seiner Einlassung zur Person auch die Umstände einer Gewaltberatung durch die Beratungsstelle D. e.V. erörtert, an welcher er im Zuge der Untersuchungshaft teilgenommen hat. Die Glaubhaftigkeit seiner Angaben ist durch die Vorlage der entsprechenden Bescheinigungen belegt.
842. Feststellungen zur Sache
85a) Vortatgeschehen
86Die Feststellungen zum Vortatgeschehen beruhen auf der auszugsweisen Verlesung des Urteils des Amtsgerichts Bielefeld vom 27.11.2012 zum Az. 336 Js 1356/12, der Verlesung des Berufungsurteils des Landgerichts Bielefeld vom 24.02.2015 zum Az. 336 Js 2509/13, mit dem die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Bielefeld vom 20.11.2014 verworfen wurde, der Verlesung des Revisionsbeschlusses des Oberlandesgerichts Hamm in gleicher Sache vom 07.07.2015, der Verlesung des Strafbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 17.02.2016 zum Az. 202 Js 6172/15 sowie der Verfügung der Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 21.04.2016 in gleicher Sache, ausweislich derer die dortige Vollstreckung seit dem 19.04.2016 erledigt ist.
87b) Tatgeschehen
88aa) Feststellungen zu den Abläufen
89Die Feststellungen zum Tatgeschehen beruhen insbesondere auf der umfassend geständigen Einlassung des Angeklagten. Diese ist in Ansehung des langen angeklagten Tatzeitraums sowie der Vielzahl der von dem Angeklagten und P. N. abgewickelten Betäubungsmittelgeschäfte von großem Detailreichtum gekennzeichnet und deckt sich mit den Ergebnissen der polizeilichen Ermittlungen im Übrigen. Sie ist vor diesem Hintergrund insgesamt glaubhaft, wenngleich die Kammer eine menschlich nachvollziehbare Bemühung des Angeklagten zur Sicherung der eigenen Taterträge feststellen musste. So hat der Angeklagte lediglich – insofern aber glaubhaft, da lebensnah nicht anders erklärbar – hinsichtlich der in der Tasche einer seiner Hosen aufgefundenen 4.065,00 € eingeräumt, dass es sich dabei um Erträge aus seinem Drogenhandel handelt.
90Die Angaben des Angeklagten decken sich insbesondere mit der Aussage des Ermittlungsleiters des Ermittlungskommission (EK) Hanse, des Zeugen KHK B., der den Ermittlungsansatz sowie den weiteren Gang der Ermittlungen gegen den Angeklagten detailliert und bildhaft bezeugt hat.
91Sie decken sich ferner auch mit den Angaben des Zeugen KHK S., der im Rahmen der Ermittlungen, die gekennzeichnet waren durch eine Vielzahl von Vernehmungen des Angeklagten, als einer von zwei Hauptvernehmern auftrat. Er hat das Einlassungsverhalten des Angeklagten detailliert und in seiner Entwicklung vielschichtig wiedergegeben. Daneben hat er die Bedeutung des Aufklärungsbeitrags des Angeklagten aus polizeilicher Sicht bewertet. Danach hat der Angeklagte sich über das bis dahin bekannte Maß hinaus selbst belastet und konkrete Betäubungsmittelmengen erst anklagbar gemacht. Der Zeuge hat indes auch – in Deckung mit den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen zu den Sicherstellungen – herausgestellt, dass große Mengen der sichergestellten Betäubungsmittel im unmittelbaren Zugriffsbereich des Angeklagten, d.h. nicht bei P. N., aufgefunden wurden.
92Die Erkenntnisse zu den Örtlichkeiten, Bunkerstätten und Sicherstellungen stützt die Kammer auf die Verlesung des Durchsuchungsberichts zum Objekt K.str. xx vom 16.03.2019, die Verlesung des Durchsuchungsberichts zum dortigen Keller unter Inaugenscheinnahme der Lichtbilder, die Verlesung des Durchsuchungsberichts zur Wohnung des P. N. vom 16.03.2019 nebst Inaugenscheinnahme der Lichtbilder, die teilweise Verlesung des Durchsuchungsberichts zum Objekt F. Str. yy, der Wohnung der M. M., in der auch der Angeklagte überwiegend wohnte, vom 19.03.2019, die Verlesung des Durchsuchungsberichts zum Kellerraum der Familie D. in der F. Str. xx nebst Inaugenscheinnahme der zugehörigen Lichtbildmappe, die Verlesung des Durchsuchungsberichts zum Kellerraum des I. V. in der F. Str. xx, die Verlesung des Durchsuchungsberichts zur Meldewohnung des Angeklagten in der H-Str. xx vom 16.03.2019 nebst Inaugenscheinnahme der Lichtbilder und Verlesung der Bildtexte, die Verlesung des Durchsuchungsberichts zum Objekt L.-Str. xx, der Wohnung des U. L., vom 16.03.2019, nebst Inaugenscheinnahme der Lichtbilder und Verlesung der Bildunterschriften sowie die Verlesung des Berichts über die erneute Durchsuchung des Objekts K.str. xx vom 03.05.2019 unter Inaugenscheinnahme der eingeschlossenen Lichtbilder.
93Der Angeklagte hat sich ferner glaubhaft und detailreich dahingehend eingelassen, dass er bei P. N. bei einer Gelegenheit, die er nicht näher zeitlich eingrenzen konnte, eine Waffe gesehen habe. P. N. habe diese bei sich gehabt, um seine Kunden einzuschüchtern. Die Waffe habe P. in das Bunkerloch in der K.str. xx gelegt. Zwar habe er nicht in die Waffe hineingesehen, er gehe aber davon aus, dass die Waffe echt, geladen und schussfähig gewesen sei.
94Die Feststellungen zu den tatsächlich festgestellten Wirkstoffmengen, die auch als Schätzungsgrundlage der Kammer fungieren, beruhen auf der Verlesung des Wirkstoffgutachtens des Landeskriminalamts NRW (Dr. I.) vom 12.07.2019. Im Zuge dieser Verlesung wurde zunächst anhand der Erläuterung ab Seite 2 des Schreibens des LKA vom 12.07.2019 ein Bezug der jeweiligen Asservatennummer mit der Bezeichnung hergestellt. Sodann wurden im Zusammenhang mit den jeweiligen Positionen des Gutachtens die sich ergebenden korrespondierenden Positionen der Asservatenverzeichnisse verlesen.
95Daneben wurde auch das DNA-Gutachten des LKA NRW vom 23.05.2019 verlesen, aus dem sich der gesondert verfolgte P. N. als Spurenverursacher an sichergestellten Umverpackungen für Marihuana ergibt. Auch dies stützt die Glaubwürdigkeit des Angeklagten.
96bb) Feststellungen zu den Wirkstoffmengen
97(1) Wirkstoffmenge im Fall 17
98Zur Überzeugung der Kammer ist einzig für den Fall mit der laufenden Nummer 17 (vgl. oben II. 2. b) kk), der Lieferung vom 15.03.2019, am Folgetag sichergestelltes Marihuana der Lieferung konkret zuzuordnen, so dass der genaue Wirkstoffgehalt dieser bestimmten Lieferung festgestellt werden konnte.
99Einen Tag vor ihrer Festnahme erhielten der Angeklagte und P. N. eine Lieferung über 10,0 kg Marihuana von dem Spanier, die zwischen ihnen hälftig aufgeteilt wurde. P. N. nahm seinen Anteil von 5,0 kg mit in die K.str. xx. Genau diese Menge Marihuana wurde dort am Folgetag, dem 16.03.2019, im Rahmen der Durchsuchung sichergestellt. Sie kann daher sicher dem Fall 17 zugeordnet werden. Die Sicherstellung betraf das Asservat 1.K.2, eine Nylontasche mit rosafarbenen Nähten, gefüllt mit 5 Packungseinheiten zu je 1 kg brutto Marihuana. Fundort war im Keller des Hauses K.str. xx, 2. Tür rechts neben dem Kellerabgang. Die Asservatennummer entspricht der Lfd. Nr. 090 aus dem Wirkstoffgutachten des LKA NRW vom 12.07.2019. Die Untersuchung ergab eine Nettomenge von 4.965,9 g Cannabiskraut (Marihuana) mit einem Wirkstoffgehalt von 15,0 % THC.
100(2) Schätzung der Wirkstoffmengen im Übrigen
101Im Übrigen war eine Schätzung der Wirkstoffmengen erforderlich und geboten, da die Sicherstellungsmengen keinen konkreten Einzelfällen sicher zuzuordnen sind. Als Schätzungsgrundlage hat die Kammer die Auswertungsergebnisse aus dem Wirkstoffgutachten des Landeskriminalamts NRW vom 12.07.2019 herangezogen und, wo dies geboten erschien, weitere Sicherheitsabschläge vorgenommen. Dies wird im Folgenden näher ausgeführt:
102(a) Marihuana
103Für das gelieferte Marihuana ist nach den drei unterschiedlichen Lieferanten zu differenzieren:
104(aa) Lieferant „Spanier“
105Der sog. Spanier lieferte nach der glaubhaften Einlassung des Angeklagten, der die Kammer folgt, zumindest immer Standardqualität. In Ansehung des Wirkstoffgutachtens des LKA NRW lag der Wirkstoffgehalt des sichergestellten Cannabiskrauts (Marihuana) zwischen 11,8 und 16,8 % THC mit einem rechnerischen Schnitt aus allen Proben von 14,877 % THC. Die Kammer geht im Zweifel und zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass der Schnitt des insgesamt gehandelten Marihuanas unterhalb des rechnerischen Schnitts der aufgefundenen Mengen lag. Unter Anwendung des Zweifelssatzes schätzt die Kammer den Wirkstoffanteil für die Lieferungen des Spaniers, der in der Lage war, gleichbleibende Qualität in standardisierter Weise und in sehr großen Mengen zu liefern, auf zumindest 13 % THC.
106(bb) Lieferant „U. L.“
107Das von dem U. L. gelieferte Marihuana war marktgängig, da es sowohl vom Angeklagten als auch von P. N. abgesetzt werden konnte. Allerdings war man anlässlich des Treffens im niederländischen F. von der angebotenen Qualität enttäuscht gewesen, woraus zur Überzeugung der Kammer abgeleitet werden kann, dass die Ware nicht in gleicher Weise standardisiert und qualitätsstabil war wie jene des Spaniers. Vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass qualitativ schlechtere Marihuanamengen aus der Sicherstellung eher nicht dem Spanier, sondern den anderen Lieferanten zuzuordnen sein dürften und nimmt daher einen Sicherheitsabschlag von 10 % des sonst zugrunde gelegten Wirkstoffanteils vor. Die Kammer schätzt den Wirkstoffanteil hiernach auf zumindest 11 % THC.
108(cc) Lieferant E. G.
109Bei dem Lieferanten E. G. waren der Angeklagte und P. N. sowohl in Fall 19 als auch in einem weiteren, von der Kammer nicht eröffneten Lieferungsfall (ursprgl. Fall 20 der Anklage) sehr unzufrieden mit der gelieferten Qualität. Das Marihuana ließ sich kaum verkaufen und wurde aus diesem Grund in großen, nicht mehr genau quantifizierbaren Teilen, an G. zurückgegeben.
110Die Kammer legt vor dem Hintergrund der eingeschränkten Marktgängigkeit hinsichtlich des Marihuanas in Fall 19 im Rahmen der Schätzung einen Wirkstoffanteil von zumindest 5 % THC zu Grunde.
111Hinsichtlich der Fälle 20 und 21 ist jedoch nach den übrigen Feststellung von einer verkaufsfähigen Standardqualität auszugehen, da die Lieferungen zwischen dem Angeklagten und P. N. aufgeteilt und von diesen verkauft wurden. Aufgrund der indes – ebenso wie bei dem Lieferanten U. L. – weniger standardisierten Lieferung gleichbleibender Qualität nimmt die Kammer auch insoweit einen Sicherheitsabschlag vor und geht von einem Wirkstoffanteil von zumindest 11 % THC aus.
112(b) Haschisch
113Hinsichtlich des in Form von Pollinat (Cannabiskonzentrat in Plattenform) gelieferten Haschischs liegen die durch das LKA NRW ermittelten Wirkstoffgehalte für die sichergestellte Ware zwischen 31,1 % und 33,5 %. Der Angeklagte hat im Rahmen seiner glaubhaften Einlassung bildhaft dargelegt, dass er und sein Mittäter P. N. von dem Spanier mit Haschisch „vollgeschmissen“ worden seien. Der Spanier habe gute Qualität gehabt, die aber nur sehr schleppend absetzbar gewesen sei. Daher habe man das Haschisch eigentlich nicht haben wollen. Die Kammer zieht hieraus den Schluss, dass das von dem Angeklagten und P. N. gehandelte Haschisch vollständig aus den Händen des Spaniers stammt, da ein wenig erwünschtes Produkt nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht noch zusätzlich aus anderen Quellen bezogen wird. Für den Angeklagten und P. N. war das Haschisch kaum absetzbar, es verbrauchte aber dennoch Lagerkapazitäten und trug ein Entdeckungsrisiko in sich, welches durch weniger Haschisch reduzier- bzw. vermeidbar gewesen wäre. Die einheitliche Bezugsquelle – der Spanier – ermöglicht der Kammer den Schluss auf eine einheitlich gute Qualität, die im Rahmen der Schätzung mit einem Wirkstoffanteil von zumindest 30 % THC zu Grunde gelegt wird.
114Einzig im Fall 15 geht die Kammer im Rahmen der Schätzung von dem höchsten im Rahmen der Untersuchung durch das LKA NRW festgestellten Wirkstoffgehalt von 33,5 % THC aus, da der Angeklagte zu diesem Fall in glaubhafter Weise angegeben hat, dass es sich um sehr gute Qualität gehandelt habe und man sich für den Absatz so viel Zeit habe lassen dürfen wie man wollte. Die Originalität dieser Erinnerung des Angeklagten, die Beleg für die Absatznot des Spaniers im Bereich Haschisch ist, rechtfertigt die Zugrundelegung der besonderen Qualität, die der Angeklagte selbst im Rahmen seiner Einlassung diesem Fall zugeordnet hat.
115(c) Kokain
116Hinsichtlich des Kokains, das der Angeklagte und P. N. zur Überzeugung der Kammer, die auf der glaubhaften Einlassung des Angeklagten beruht, welche keine Anhaltspunkte für andere Bezugsquellen ergab, stets und ausschließlich von dem Spanier erhielten, wird im Rahmen der Schätzung ein Wirkstoffgehalt von zumindest 80 % Cocain-HCl zugrundegelegt. Nach der Einlassung des Angeklagten war das Kokain „in Ordnung“. Er selbst probierte es in minimalen Mengen, die ihn nicht zu Beanstandungen veranlassten, und erhielt auch selbst keine Beschwerden hinsichtlich der Qualität. Die im Rahmen der Auswertung der Sicherstellungsmengen festgestellten Wirkstoffanteile (80,9 % bzw. 87,0 %) liegen oberhalb der Schätzung der Kammer, die jedoch die Reduzierung im Rahmen des Zweifelssatzes als geboten erachtet.
117cc) Feststellungen zum sichergestellten Bargeld in der F. Str. xx
118Die Feststellungen zu dem in der Wohnung der Eltern des Angeklagten (F. Str. xx) sichergestellten Bargeldbetrag in Höhe von 75.000,00 € beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Übrigen, durch welche die Einlassung des Angeklagten, das Geld gehöre nicht ihm, sondern seinem Bruder J. D., widerlegt ist.
119Die Einlassung des Angeklagten ist in diesem Punkt nicht glaubhaft, sondern von der durchsichtigen Bestrebung getragen, sich selbst bzw. seine Familie im Besitz der durch den Drogenhandel erwirtschafteten Geldmittel zu erhalten. Die Kammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die 75.000,00 € einen angesparten Teil des Gewinns des Angeklagten aus dessen Handel mit den diversen Betäubungsmitteln darstellen. Der Zeuge KHK S. hat hierzu detailliert die Aussage des gesondert verfolgten U. R., der sich zwischenzeitlich durch Flucht dem Verfahren gegen ihn entzogen hat, im Rahmen seiner Vernehmung vom 13.02.2018 wiedergegeben. Danach wohnte R. bei zwei Gelegenheiten der Zählung großer Bargeldmengen durch den Angeklagten in dessen Meldewohnung (H-Str. xx) bei und half bei der Zählung. Die Zählung und Bündelung des Geldes erfolgte getrennt nach großen und kleinen Scheinen. R. war demnach auch in einem Fall dabei, als der Angeklagte das zuvor gezählte Geld in einem Rucksack in die Wohnung seiner Eltern (F. Str. xx) brachte. Zwar wartete der Zeuge R. außerhalb des Hauses, er bezeugte jedoch, dass der Angeklagte das Haus seiner Eltern mit dem Geld betrat und es ohne das Geld wieder verließ. Ausweislich des verlesenen Berichts zur Durchsuchung des Objekts F. Str. xx vom 16.03.2019 wurde u.a. im Gästezimmer im Kleiderschrank rechts, in der dortigen Schublade, die Bedienungsanleitung für einen Banknotenzähler aufgefunden. Nach dem ebenfalls verlesenen Durchsuchungsbericht zum Kinderzimmer im Objekt F. Str. xx und Inaugenscheinnahme der Lichtbilder wurden dort im Kleiderschrank auf der linken Raumseite, auf dem Boden des Schranks liegend, zwei offene Briefumschläge mit 500,00 €-Banknoten gefunden. In einem der Umschläge befanden sich 128 dieser Banknoten (in Summe 64.000,00 €), in dem anderen 22 (in Summe 11.000,00 €). Die Umschläge wurden durch die Kammer in Augenschein genommen und der Vermerk des KHK Jammer vom 23.09.2019 verlesen. Der Schrank enthielt überdies im oberen Fach eine Taschenlampe mit dem Aufkleber „J. D.“. Der weitere Schrank in dem Kinderzimmer, auf der rechten Raumseite, enthielt 300,00 €, die die Mutter des Angeklagten dessen Bruder V. D. zuordnete und die daher auch nicht sichergestellt wurden. Bei dem Zimmer handelt es sich ausweislich der Lichtbilder wie auch nach Einschätzung der die Durchsuchung durchführenden Polizeibeamten um ein altes Kinderzimmer. Es enthält abgelegtes Kinderspielzeug und, wie das Geld des V. D. sowie die Taschenlampe mit dem Aufkleber „J. D.“ zeigen, Besitztümer unterschiedlicher Söhne, sowohl aus vergangenen Tagen als auch aus aktuellerer Zeit. Die mit dem Namensaufkleber versehene Taschenlampe lässt zur Überzeugung der Kammer keinerlei Rückschluss auf die Besitzverhältnisse hinsichtlich der im selben Schrank gefundenen 75.000,00 € zu. Zum einen lagen die Taschenlampe und das Geld dort räumlich getrennt (oben und unten), zum anderen genügt der Namensaufkleber – aufgebracht nach Art eines Schulausflugs, um den Verlust zu vermeiden – aus Sicht der Kammer nicht, um innerhalb einer Familie eine klare Zuordnung eines Gegenstands zu begründen. Lebensnah erscheint hier vielmehr, dass ein alltäglicher Gegenstand wie eine Taschenlampe von diversen Familienmitgliedern genutzt und gelegentlich mitgeführt wird, auch wenn dieser zu einer Gelegenheit in der Vergangenheit mit einem entsprechenden Aufkleber versehen wurde.
120Der Angeklagte ist R.s Schilderung mit der Behauptung entgegengetreten, er habe das Geld immer nur alleine gezählt und nie aus der Hand gegeben. R. lüge, wenn er behaupte, dabei gewesen zu sein. Die Kammer hat aber Lichtbilder, gefertigt mit einem IPhone 7 Plus, aus dem Datenbestand des Angeklagten unter Verlesung der Entstehungszeiten in Augenschein genommen. Die Fotos zeigen sowohl eine Reihe Geldstapel auf einem weißen Tisch, offensichtlich eine ganz erhebliche Summe Bargeld (Bl. 2604), als auch die rechte Hand einer Frau mit lackiertem, überlangem Daumennagel, die in der Art eines Kartenblatts aufgefächert eine ganze Reihe von 500,00 €-Scheinen hält (Bl. 2606, 2607). Wegen der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Lichtbilder Bezug genommen (§ 267 Abs. 1 S. 3 StPO). Insbesondere die Fotos der weiblichen Hand mit dem Bargeld, entstanden am 29.09.2017, belegen zur Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte entgegen seiner ausdrücklichen Behauptung gelegentlich sehr wohl Bargeld sogar in fremde Hände gegeben und damit renommiert hat. Die Kammer hat insoweit auch erwogen, dass es sich nicht um Geld des Angeklagten handeln könnte, hat aber vor dem Hintergrund der übrigen Feststellungen keinen vernünftigen Zweifel hinsichtlich dieser Tatsache, die auch die Aufbewahrung der entsprechenden Lichtbilder auf dem Datenträger sehr plausibel erklärt. Nach der Wiedergabe der Aussage des Angeklagten bei der Polizei durch den Zeugen S. hatte der Angeklagte dort bekundet, er habe mit dem Geld angeben wollen. Teilweise sei das Geld auf dem Tisch – nach der polizeilichen Einschätzung, die sich mit dem Eindruck der Kammer von den Lichtbildern deckt, in der Wohnung M./D. (F. Str. yy) – auch wieder in die Bezahlung einer Drogenlieferung investiert worden.
121Der Umstand, dass der Angeklagte hinsichtlich des in seiner Hose aufgefundenen Bargeldbetrages von 4.065,00 € eingeräumt hat, dass es sich dabei um Erlöse aus dem Drogenverkauf handelt, vermag keine durchgreifenden Zweifel hinsichtlich der Zuordnung der in der Wohnung seiner Eltern aufgefundenen 75.000,00 € zu begründen. Der Angeklagte hat vielmehr nach Beurteilung der Kammer lediglich den Anteil seines Erlöses als solchen eingeräumt, der unmittelbar in seiner Kleidung gefunden worden war und hinsichtlich dessen er – in Ermangelung legaler Einkünfte – ohnehin keine andere plausible Erklärung liefern konnte.
122Soweit der Angeklagte angegeben hat, U. R. habe ihm aus seinem Exil in der Türkei eine Sprachnachricht übermittelt, nach welcher er ihn zu Unrecht belastet habe, war eine entsprechende Sprachnachricht trotz Bemühung der Kammer nicht zu erlangen. Die umfangreichen Angaben des R. hinsichtlich der Drogengeschäfte des Angeklagten waren indes, wie die Beweisaufnahme und die Einlassung des Angeklagten gezeigt haben, nicht erfunden. Die Kammer sieht keine durchgreifenden Anhaltspunkte, warum der gesondert verfolgte R. gerade hinsichtlich des Umstands einer Geldzählung bzw. der beobachteten Verbringung von Bargeld in die Wohnung der Eltern des Angeklagten die Unwahrheit sagen sollte. Kern seiner Belastungen, die ihm nach seiner Vorstellung die Freiheit und eine Fluchtmöglichkeit eröffnen sollten, waren vielmehr die Betäubungsmittelgeschäfte selbst, an deren Durchführung nach dem Ergebnis von Ermittlungen und Beweisaufnahme kein Zweifel bestehen kann. Der Zeuge S. hat überdies im Rahmen seiner Aussage die weiteren polizeilichen Feststellungen zu mehreren Zahlungen des Angeklagten an U. R. in der Türkei über ein WesternUnion-Konto nach R.s Flucht zusammengefasst. Die entsprechenden Zahlungen hat der Angeklagte nicht plausibel erklären können und sie leuchten bei Wahrunterstellung einer Falschbelastung – bzw. eines Verrats – durch R. auch in keiner Weise ein. Die Behauptung des Angeklagten, er habe ausgerechnet über R. eine bestimmte Süßigkeit aus der Türkei bezogen und in dieser Form bezahlt, stellt nach Auffassung der Kammer eine bloße Schutzbehauptung dar, da nach den polizeilichen Ermittlungen bei zwei Gelegenheiten eine Summe von rund 750,00 Dollar an R. transferiert wurde, was eine unplausibel große Zahl an Süßigkeiten ergäbe. Möglicherweise handelte es sich auch um eine Belohnung für die geschilderte Sprachnachricht oder sonstige erstrebte Veränderungen im Aussageverhalten.
123Zusammengefasst stützt die Kammer die Überzeugung von der Richtigkeit von R.s Angabe, der Angeklagte habe die elterliche Wohnung schon früher als Geldversteck genutzt, gerade auch auf den Fund des großen Geldbetrages am 16.03.2019.
124dd) Feststellungen zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit und zur Maßregelfrage
125Die Feststellungen zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beruhen auf den ausführlichen und nachvollziehbar begründeten Angaben des psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. H. E., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, die sich die Kammer nach eigener Prüfung und Bewertung zu Eigen macht.
126Demnach liegt bei dem Angeklagten diagnostisch ein Cannabinoidabusus (ICD-10: F12.1/F12.2) aufgrund des Konsums von 1 – 2 g Marihuana täglich seit ca. sechs bis sieben Jahren vor. Hierbei handele es sich indes nur um eine einfache seelische Abartigkeit, die im Rahmen der für §§ 20, 21 StGB geforderten schweren seelischen Abartigkeit keine Relevanz entfalte. Über den Substanzmissbrauch hinausgehend sei eine Abhängigkeitserkrankung nicht sicher feststellbar. Insofern seien lediglich zwei der drei benötigten Abhängigkeitskriterien erfüllt. Bei dem Angeklagten sei eine suchtmittelassoziierte Deliktsentwicklung festzustellen, da vier von sieben Einträgen im Bundeszentralregister im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln stünden. Ferner sei ein fortgesetzter Konsum trotz Wissens um die negativen Konsequenzen festzustellen. Darüber hinaus fehle es aber an der sicheren Erfüllung weiterer Abhängigkeitskriterien, insbesondere sei keine verminderte Kontrolle über die Konsummengen bzw. eine Toleranzentwicklung ersichtlich. Eine zwischenzeitliche Konsumeinstellung werde ebenso bekundet, wie es an Hinweisen auf ein zwangsähnliches Bedürfnis zum Konsum fehle. Entzugserscheinungen bestünden ebenso wenig wie Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung oder psychopathologische Auffälligkeiten.
127Hinsichtlich der Schuldfähigkeit des Angeklagten bestünden keinerlei Einschränkungen. Selbst bei hier nicht gegebener Feststellbarkeit einer Drogenabhängigkeit sei die Schuldfähigkeit noch nicht per se eingeschränkt, vielmehr müsse ein schwerer Rauschzustand, ein schweres Entzugssyndrom oder ein schwerer Angstzustand vor drohendem Entzug hinzutreten. Cannabinoidkonsum könne nur zu einer psychischen Abhängigkeit, nicht aber zu einer körperlichen Abhängigkeit führen, womit ein schweres Entzugssyndrom oder ein schwerer Angstzustand vor drohendem Entzug ausschieden. Sofern man dann von einer (psychischen) Abhängigkeit ausginge, fehle es jedenfalls an einem schweren, schuldrelevanten Rausch. Der Angeklagte habe über mehrere Jahre fortgesetzt Drogenhandel betrieben. Dies erfordere ein sehr planvolles Vorgehen, sowohl in Ankauf als auch Verkauf. Es fehlten etwa neurologische Auffälligkeiten bei dem Angeklagten. Er zeige vielmehr ein zielorientiertes, aktiv tatgestaltendes Verhalten und angemessene Reagibilität, so dass das Tatverhalten im Ergebnis einen relevanten Rauschzustand ausschließe. Begriffsnotwendig ausgeschlossen sei daher auch ein noch schwerwiegenderer Vollrausch als möglicher Schuldausschließungsgrund im Sinne des § 20 StGB.
128Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB scheide aus, da jedenfalls, sofern man den eingeräumten Konsum auch ohne Eintritt einer Abhängigkeit juristisch für einen Hang ausreichen ließe, die Tat nicht auf diesen Hang zurückzuführen sei. Vielmehr seien die Taten konsumunabhängig und Ausdruck des Lebensstils des Angeklagten. Die Kammer folgt dem Sachverständigen auch hier. Nach der Länge des Tatzeitraums und der Höhe der vom Angeklagten erzielten Erträge handelte es sich nicht um Beschaffungskriminalität. Vielmehr bestritt der Angeklagte mit den Taten seinen gesamten Lebensunterhalt und Lebenszuschnitt.
129IV. Rechtliche Würdigung
1301. Taten 1 – 15/16 und 18 – 21
131Der Angeklagte hat sich durch die Taten 1 – 15/16 sowie 18 – 21 wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fälle, davon einmal in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen (Fälle 15/16), gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 1. Var., Anlage I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. §§ 25 Abs. 2, 52, 53 StGB strafbar gemacht.
132a)
133Bei den von dem Angeklagten sowie dem gesondert verfolgten P. N. gehandelten Stoffen Marihuana, Haschisch und Kokain handelt es sich um Betäubungsmittel im Sinne des § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG. Weder der Angeklagte noch P. N. verfügten dabei über eine entsprechende Handelserlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG.
134pan>b)
135Die Angeklagten haben auch mit den Betäubungsmitteln Handel getrieben. Maßgeblich ist insofern allein die Vorstellung des Täters, eine umsatzfördernde Handlung vorzunehmen.
136c)
137Bei den gehandelten Betäubungsmitteln handelte es sich auch in jedem Einzelfall um eine nicht geringe Menge.
138Die nicht geringe Menge beginnt im Fall des Marihuanas sowie des Haschischs ab einer Wirkstoffmenge von 7,5 g THC. Die nicht geringe Menge entspricht dabei 500 Konsumeinheiten mit einer Wirkstoffmenge von je 15 mg THC (KPV BtMG/Patzak, 9. Aufl. 2019, BtMG § 29a Rn. 63).
139Bei Kokain beginnt die nicht geringe Menge ab 5,0 g Kokainhydrochlorid (Cocain-HCl), was 150 besonders gefährlichen Konsumeinheiten zu je 33 mg Cocain-HCl entspricht (KPV BtMG/Patzak, 9. Aufl. 2019, BtMG § 29a Rn. 84 unter Verweis auf BGHSt. 33, 133).
140Der jeweilige Grad der Überschreitung wird im Rahmen der Strafzumessung (vgl. V.) erörtert.
141d)
142Sowohl der Angeklagte als auch der gesondert verfolgte P. N. leisteten in jedem Einzelfall jeweils einen eigenen täterschaftlichen Tatbeitrag. Die jeweiligen Tatbeiträge wurden auch auf Grundlage eines gemeinsamen Tatplans erbracht. P. N. und der Angeklagte handelten von Anfang an zusammen. Aus ihrer in der Grundschule begonnenen Freundschaft entstand später, ohne dass insoweit genau bekannt wäre ab wann, ein gemeinsam betriebener Drogenhandel mit gemeinsamem Einkauf und wechselseitiger Unterstützung bei Engpässen, wie er jedenfalls im Tatzeitraum durchgängig praktiziert wurde. Die Tatbeiträge hatten dabei auch täterschaftliche Bedeutung, da sie sowohl mit täterschaftlichem Vorsatz, in eigenem Gewinnstreben, als auch mit der notwendigen Tatherrschaft ausgeführt wurden. Der Angeklagte hatte Organisationsherrschaft, besaß ein eigenes verschlüsseltes Handy für die Absprache von Betäubungsmittellieferungen, organisierte Nachschub und verteilte Drogen an einen eigenständigen Kundenstamm, auf den P. N. seinerseits keinen unmittelbaren Zugriff hatte. Er hätte die Belieferung jederzeit beenden oder anders gestalten können. Jedenfalls von 2015 bis 2016 wirtschafteten der Angeklagte und P. N. gleichberechtigt in eine gemeinsame Kasse mit hälftiger Aufteilung der Erträge. Ab 2017 bildeten sie dann, nachdem die Kassen getrennt worden waren und jeder von ihnen die Weiterverteilung an eigene Endkunden selbstständig organisierte, eine fortbestehende Erwerbsgemeinschaft mit wechselseitiger Unterstützung im Bedarfsfall.
143Vor diesem Hintergrund erfolgt die Zurechnung der jeweils vollständigen Liefermengen der beiden Lieferanten „Spanier“ und G. gemäß § 25 Abs. 2 StGB für den Angeklagten. In den Fällen 14 und 18 (Lieferungen des U. L.) scheidet indes die Zurechnung weitergehender Liefermengen an den Angeklagten aus. In Fall 14 erfolgt zwar die Zurechnung der gemeinsam mit P. N. verräumten 10 kg Marihuana vollständig, es unterbleibt aber eine weitergehende Zurechnung etwaig darüber hinaus gelieferter Mengen, über die die Kammer keinerlei Feststellungen treffen konnte. In Fall 18 gilt Entsprechendes für die von P. N. an den Angeklagten weitergereichten 2 kg, die dieser zum Weiterverkauf auf eigene Rechnung in dem Wissen um ihre Herkunft erhielt. Zwar mag U. L. in diesem Fall zuvor eine größere Menge an P. N. geliefert haben, die besondere Konstellation sowie das Fehlen weiterer Erkenntnisse zum Umfang der Lieferung und zugrunde liegenden Absprachen schließen insoweit aber eine Zurechnung aus. Es verbleibt daher in Fall 18 bei den 2 kg Marihuana, die der Angeklagte unmittelbar erhielt.
144e)
145Der Angeklagte handelte auch vorsätzlich, sowohl im Hinblick auf die Umstände des gesetzlichen Tatbestandes als auch im Hinblick auf die Umstände der Mittäterschaft. Er wusste um die Umstände seines Handelns und wollte den tatbestandlichen Erfolg in Form eines erfolgreichen, gewinnbringenden Absatzes der zuvor zu diesem Zweck bezogenen Betäubungsmittel (dolus directus I. Grades). Auf subjektiver Ebene muss sich der Vorsatz des Täters neben den übrigen Umständen auch auf die tatsächlichen Voraussetzungen der nicht geringen Menge, nicht aber auf die rechtliche Einstufung beziehen. Eine nicht geringe Menge ist nur zugrunde zu legen, wenn der Vorsatz des Angeklagten sich auf die nicht geringe Menge erstreckt (KPV BtMG/Patzak, 9. Aufl. 2019, BtMG § 29a Rn. 107). Der Angeklagte hat glaubhaft angegeben, man habe zwar nicht immer gute Qualität, vom Spanier aber immer mindestens Standardqualität erhalten. Auch in den übrigen Fällen waren der Angeklagte und P. N. bemüht, immer gute Qualität, zumindest aber eine handelsfähige Standardqualität, zu erhalten, weshalb bei dem Treffen mit U. L. in F. auch Unzufriedenheit über die angebotene – nicht abgenommene – Qualität herrschte. Auch an E. G. gab man bei zwei Gelegenheiten (Teilmengen von Fall 19 sowie nicht eröffneter ursprgl. Fall 20 der Anklage) Marihuana wegen schlechter Qualität zurück. Im Fall des Haschischs, welches aufgrund seiner eingeschränkten Absetzbarkeit eher problematisch war, erhielten der Angeklagte und P. N. lediglich Lieferungen des Spaniers, wobei diese – wie man wusste – stets von guter bis sehr guter Qualität waren. Auch hinsichtlich des Kokains war sich der Angeklagte der ordentlichen Qualität bewusst und wollte diese auch. Es gab weder Beschwerden über das verkaufte Kokain noch hatte der Angeklagte im Rahmen eigenen Probierens Anlass zu Beanstandungen gehabt.
146f)
147Die Begehung der Taten war auch rechtswidrig und schuldhaft.
1482. Tat 17
s="absatzRechts">149Im Fall 17 hat sich der Angeklagte wegen versuchten gemeinschaftlichen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 30a Abs. 2 Nr. 2, 1. Var., Anlage I bis III zu 67; 1 Abs. 1 BtMG, 22, 23 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 1. Var., Anlage I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG, 25 Abs. 2, 52 StGB strafbar gemacht.
150ass="absatzLinks">a)
151Nach seiner Vorstellung von der Tat hatte der Angeklagte endgültigen Vollendungswillen sowohl hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im mittäterschaftlichen Zusammenwirken mit P. N. als auch die Vorstellung, P. N. besitze eine scharfe Schusswaffe, die er bei dem unerlaubten Handel verwende bzw. mit sich führe.
152Die Kammer konnte nicht feststellen, ob das zu diesem Zeitpunkt tatsächlich zutraf. Der Tatentschluss des Angeklagten war indes jedenfalls f52;r Fall 17 sicher feststellbar, da die Tat am Vortag der Festnahme begangen wurde, mithin zu einem Zeitpunkt, in welchem der Angeklagte unzweifelhaft eine entsprechende Vorstellung gebildet hatte.
153In dem Bewusstsein, der gesondert verfolgte P. N. werde seinen Anteil der Lieferung in der K.str. xx an einem gemeinsamen Ort mit der von ihm zuvor dort gesehenen scharfen Schusswaffe vereinigen und diesen von dort unter Ausnutzung der gewollten einschüchternden Wirkung der Waffe weiterverkaufen, hatte er P. N. dorthin entlassen. Sein Vorstellungsbild hinsichtlich des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln entsprach dabei auch weiterhin den Feststellungen zu den übrigen Taten.
154Für frühere Einzeltaten ist die Feststellung demgegenüber nicht sicher möglich, da der Angeklagte den Zeitpunkt seiner Wahrnehmung nicht mehr näher einzugrenzen vermochte.
155b)
156Der Angeklagte setzte zur Verwirklichung des Tatbestandes auch unmittelbar an. Jedenfalls mit der Entlassung des P. N. von der F. Str. xx in Richtung des Hauses K.str. xx, wo nach der Vorstellung des Angeklagten sowohl Bunkerstätte als auch Waffe waren, überschritt er die Schwelle zum Jetzt-geht-es-los und setzte damit eine Handlung, die nach seiner täterschaftlichen Vorstellung unmittelbar, d.h. ohne wesentliche Zwischenschritte, in die Rechtsgutsverletzung einmünden sollte, so dass das Rechtsgut aus seiner Sicht bereits konkret gefährdet erschien. Der Angeklagte stellte sich im Zeitpunkt der Trennung von dem P. N. und dessen Entfernung in Richtung K.str. xx vor, dass die Waffe dort bereit lag, und nahm zudem billigend in Kauf, dass diese von N. auch bei dem Absatz der soeben übergebenen Betäubungsmittel – wie schon in der Vergangenheit – zumindest gelegentlich bei sich geführt würde.
157c)
158Die Tat war auch rechtswidrig und schuldhaft.
159d)
160Ein Rücktritt gemäß § 24 Abs. 2 StGB wurde durch die Kammer geprüft, scheidet aber aus. Für den Angeklagten stellt sich die Tat als beendeter Versuch dar, da er nach seiner Vorstellung von der Tat bereits alles seinerseits zu ihrer Vollendung Erforderliche getan hatte. Er hat indes die Vollendung der Tat nicht verhindert (§ 24 Abs. 2 S. 1 StGB) und auch im Übrigen keine Bemühungen entfaltet, die Vollendung der Tat zu verhindern (§ 24 Abs. 2 S. 2 StGB).
161e)
162ks">Die Tat steht aus Klarstellungsgründen im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) mit der ebenfalls verwirklichten Strafbarkeit wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2, 1. Var., Anlage I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG, 25 Abs. 2 StGB.
Rechts">163Insoweit wird auf die Ausführungen zu Ziff. IV. 1. verwiesen, die für Fall 17 in gleicher Weise gelten.
164f)
165Zu den übrigen Fällen (Taten 1 – 15/16 und 18 – 21) steht die Strafbarkeit im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB).
1663. Strafbarkeit wegen bandenmäßiger Begehungsweisetrong>
167Soweit eine Strafbarkeit des Angeklagten auch wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß 167; 30a Abs. 1 BtMG im Raum stand, scheidet eine Strafbarkeit des Angeklagten aus.
168Nach dem Wesen der bandenmäßigen Begehungsweise muss sich der Vorsatz des Täters über die Tatbestandsmerkmale der Grunddelikte hinaus insbesondere auch auf die Qualifizierungsmerkmale der Bande, also vor allem auf den Zusammenschluss mit mindestens zwei anderen Personen und den Bandenzweck (sog. Bandenwille) erstrecken (vgl. MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 3. Aufl. 2018, BtMG § 30a Rn. 18).
169Der Angeklagte hatte bezüglich eines bandenmäßigen Zusammenwirkens weder mit B. N. noch mit Q. N. einen Vorsatz, da nach seiner maßgeblichen Vorstellung mit diesen kein Bandenzweck bestand. Er ging vielmehr allein und ausschließlich von einer Zusammenarbeit mit P. N. aus.
170Eine Bande des Angeklagten mit P. N. zum einen und B. N. zum anderen liegt nicht vor, da B. N. nach der glaubhaften Einlassung des Angeklagten – der auch keinen erkennbaren Grund für eine unwahre Entlastung des B. N. hatte – mit den Betäubungsmittelgeschäften nichts zu tun hatte und lediglich von ihnen wusste. Demnach wurde B. N. nur gelegentlich und im Einzelfall unterstützend tätig, etwa durch das Öffnen der Kellertür in der K.str. xx, als P. N. seinen Schlüssel nicht bei sich hatte (Fall 14) oder mit Fahrertätigkeiten. So fuhr er etwa seinen Sohn P. und den Angeklagten zu dem Treffen mit U. L. nach F..
171Auch ein bandenmäßiges Zusammenwirken des Angeklagten mit P. N. und dessen Bruder Q. N. scheidet aus. Q. N. vertrat P. N. im Verhältnis zum Angeklagten lediglich bei Anlieferungen in der Zeit von dessen Aufenthalt in China. Der Angeklagte, der auch bezüglich Q. N. keine erkennbaren Gründe für eine unberechtigte Entlastung hat, wunderte sich nach seiner Einlassung darüber, dass Q. etwa ab Mitte 2018 bei P. „einstieg“. Er selbst hatte keinen Kontakt zu ihm bzw. erteilte ihm auch keinerlei Aufgaben. Q. war nach Vorstellung des Angeklagten lediglich Helfer, Verteiler und Laufbursche seines Bruders P..
172V. Strafzumessung
173Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:
1741.
175Für die Taten 1 – 15/16 sowie 18 – 21 ist die Kammer zunächst vom Strafrahmen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2, 1. Var. StGB ausgegangen, welcher eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) vorsieht.
176Die Kammer hat sodann das Vorliegen eines oder mehrerer minder schwerer Fälle im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG erwogen und im Ergebnis, auch unter Berücksichtigung der vertypten Milderung gemäß § 31 BtMG, für alle Fälle verneint. Anhaltspunkte, aus denen sich ergäbe, dass eine oder mehrere der Taten weniger schwer wiegen könnten als dies im Regelfall anzunehmen ist, mit der Folge, dass die Tat in ihrem Unwertgehalt unterhalb der gesetzgeberischen Regelvorstellung liegt, bestehen nicht. Insbesondere wurde die noch geringe Menge in allen Fällen deutlich überschritten, was noch ausgeführt werden wird.
177Die Kammer hat sodann das Vorliegen der Voraussetzungen der vertypten Strafmilderung gemäß § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG i.V.m. §§ 46b Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB geprüft und diese bejaht. Das Gericht kann danach die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern, wenn der Täter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a BtMG, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, sofern bei Beteiligung des Täters an der Tat sich sein Beitrag zur Aufklärung über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstreckt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Bedeutung des Aufklärungsbeitrags des Angeklagten hinsichtlich verfolgbarer Straftaten des P. N., des Q. N. sowie des B. N. gemäß §§ 29 – 30a BtMG war vorliegend hoch. Ohne seine Offenbarung wären Taten aus dem Zeitraum vor 2018 nicht anklagbar gewesen, da objektive Beweise – auch nach Einschätzung der ermittelnden Polizeibeamten – erst für die Zeit ab Anfang 2018 vorlagen. Der Angeklagte hat zudem für die Ermittlungen und die Ahndung wertvolle Einblicke in die Beschaffungs- und Verteilungsstruktur der Betäubungsmittel geliefert. So hat er die drei verschiedenen Lieferschienen differenziert, mit Namen versehen, die Verteilung sowohl von Erträgen als auch von Liefermengen zwischen ihm und P. N. beleuchtet und darüber hinaus die Verteilstruktur zumindest insoweit offenbart, als Q. N. darin für seinen Bruder P. eine Rolle spielte. Auch einzelne Liefermengen hat der Angeklagte durch seine Angaben erst konkret vorwerfbar gemacht. Weitergehende Angaben zu Abnehmern hat er indes verweigert. Im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens führt die Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG i.V.m. §§ 46b Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB zu einer Strafrahmenverschiebung mit einem neuen Strafrahmen zwischen 3 Monaten und 11 Jahren und 3 Monaten für jede Einzeltat.
178Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat sich die Kammer unter Berücksichtigung der in § 46 StGB genannten Gesichtspunkte von folgenden Erwägungen leiten lassen:
179Zu Gunsten des Angeklagten spricht in jedem Einzelfall insbesondere seine umfassend geständige Einlassung. Die erheblichen Sicherstellungsmengen sind demgegenüber im Rahmen der abschließenden Zumessung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen, da mit Ausnahme von Fall 17 (dazu unter V. 2.) keine Zuordnung der sichergestellten Mengen zu Einzelfällen möglich ist.
180Der Wert des Geständnisses und des Aufklärungsbeitrages wird allerdings insoweit gemindert, als die umfassende Einlassung des Angeklagten zur Überzeugung der Kammer kein Ausdruck einer tatsächlichen Einsicht in das Unrecht seiner Taten sowie in ihre möglichen Folgen für die Gesundheit einer Vielzahl von Konsumenten war, sondern vielmehr allein Ausfluss eines empfundenen Eingriffs der Familie N. in seine Ehre. Die umfangreichen Einblicke in das Handeln des P. N. sowie seiner Familie gewährte der Angeklagte nur, weil er die möglicherweise berechtigte Vermutung hegt, der Diebstahl aus dem Bunkerfahrzeug, für den er P. N. Ersatz leisten musste, sei von Mitgliedern der Familie N. begangen worden. Zu einem Ausdruck des Bedauerns oder der Reue hat der Angeklagte sich über die gesamte Verhandlung nicht verstehen können, vielmehr die bezeichnete Motivation einer Revanche bis in sein letztes Wort deutlich hervorgehoben. Der Ehrbegriff unter Drogendealern verdient hier letztlich geringeren Schutz und daher weniger Prämierung als eine ehrliche, inhaltliche Distanzierung von dem eigenen Handeln.
181Zu Lasten des Angeklagten spricht demgegenüber in jedem Einzelfall die erhebliche Größenordnung des Handels mit Betäubungsmitteln, deren noch geringe Menge stets in signifikanter Weise überschritten wurde. Hieraus folgt eine ganz erhebliche Gefährdung der Volksgesundheit über Jahre. Durchsuchungen und Funde von Betäubungsmitteln, sowohl bei ihm selbst als auch bei P. N., haben den Angeklagten ebenso wenig zu einem Umdenken bzw. auch nur einer Einschränkung seines Handels veranlasst wie Verurteilungen, was die Entwicklung der Liefermengen eindrücklich belegt. Die Taten sind demnach in jedem einzelnen Fall, mit zunehmender Dauer ansteigend, von einer beachtlichen Dreistigkeit geprägt. Mit Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichts – Schöffengericht – Bielefeld vom 20.11.2014 stand der Angeklagte ab dem 08.07.2015, mithin in der Zeit der Taten zumindest ab und einschließlich Fall 4, zudem unter laufender Bewährung wegen eines Bet8;ubungsmitteldelikts. Ferner war auch das hohe Maß an Organisation mit drei separat unterhaltenen Lieferschienen und dem daraus resultierenden hohen Koordinationsaufwand – Lagerhaltung, Absatzplanung, Nachschubplanung, Verteilung und Verkauf – für jeden Einzelfall prägend und strafschärfend zu berücksichtigen.
182Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen hat die Kammer die Taten nach folgendem Muster in einzelne Gruppen, gegliedert nach dem Maß; der Überschreitung der noch geringen Menge (THC: 7,5 g; Cocain-HCl: 5,0 g), eingeteilt:
18360; 10 – 20-fache Überschreitung: 2 Jahre
satzRechts">184>21 – 60-fache Überschreitung: 160; 60; ; 3 Jahre
echts">185lass="absatzLinks">   61 – 100-fache Überschreitung: 60; 4 Jahre
186101 – 250-fache Überschreitung: 5 Jahre
187251 – 450-fache Überschreitung: 6 Jahre
188451 – 1000-fache Überschreitung: 60; 7 Jahre
lass="absatzRechts">189a)
190Die Kammer hat vor diesem Hintergrund eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren im Fall 19 für tat- und schuldangemessen angesehen, zumal in diesem Fall eine nicht mehr quantifizierbare Restmenge ohnehin durch den Verkäufer E. G. zurückgenommen und nicht durch den Angeklagten und P. N. verkauft wurde. Die nicht geringe Menge wurde in diesem Fall um das 13-fache überschritten.
191b)
192Eine Einzelfreiheitsstrafe in Höhe von jeweils drei Jahren hat die Kammer in den Fällen 1 – 6, in denen die nicht geringe Menge jeweils um das 56-fache überschritten wurde, sowie in Fall 18, in dem die nicht geringe Menge um das 29-fache überschritten wurde, für tat- und schuldangemessen angesehen.
193c)
194Eine Einzelfreiheitsstrafe in Höhe von jeweils fünf Jahren hat die Kammer in Fall 10 mit 173-facher Überschreitung, in Fall 14 und Fall 20 mit jeweils 146-facher Überschreitung sowie in Fall 21 mit 220-facher Überschreitung der nicht geringen Menge für tat- und schuldangemessen erachtet.
195d)
196Eine Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren hat die Kammer in Fall 7 mit 346-facher Überschreitung, Fall 8 mit 340-facher Überschreitung, Fall 9 mit 260-facher Überschreitung, Fall 11 mit 426-facher Überschreitung, Fall 12 mit 346-facher Überschreitung und Fall 13 mit 253-facher Überschreitung der nicht geringen Menge für tat- und schuldangemessen angesehen.
197e)
198Eine Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren hat die Kammer im tateinheitlich begangenen Fall 15/16 mit einer 954-fachen Ü;berschreitung der nicht geringen Menge für tat- und schuldangemessen erachtet.
1992.
200Für die Tat 17 ist die Kammer zunächst vom Strafrahmen des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BtMG ausgegangen, der eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren bis zu 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) vorsieht.
201Die Kammer hat auch insoweit das Vorliegen von Anhaltspunkten für einen minder schweren Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG, auch unter Berücksichtigung von § 31 BtMG und des weiteren vertypten Milderungsgrundes des Versuchs, erwogen und im Ergebnis abgelehnt, da die Tat insbesondere in Ansehung der 200-fachen Überschreitung der noch geringen Menge in keinem milderen Licht erscheint als der durch den Gesetzgeber angenommene Regelfall.
202Stattdessen hat die Kammer wiederum, aus den bereits dargelegten Gründen (vgl. Ziff. V. 1.), eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG i.V.m. §§ 46b Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB vorgenommen. Die aufgrund der umfassenden Aufklärungshilfe des Angeklagten berechtigte Strafmilderung führt zu einem Strafrahmen von zwei Jahren bis zu 11 Jahren und drei Monaten. Diesen Strafrahmen hat die Kammer aufgrund der lediglich gegebenen Versuchsstrafbarkeit gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB erneut gemindert, so dass sich ein Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 8 Jahren, 5 Monaten und einer Woche ergab.
203Damit war gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 StGB die obere Grenze aber dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zu entnehmen. Dieser liegt bei einmaliger Milderung nach § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG i.V.m. §§ 46b Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB bei 11 Jahren und 3 Monaten. Für die untere Grenze verbleibt es gem. § 52 Abs. 2 S. 2 StGB bei 6 Monaten, da sich die für § 29a Abs. 1 BtMG bestimmte Mindeststrafe bei einmaliger Verschiebung nur auf 3 Monate beläuft.
204Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat sich die Kammer unter Berücksichtigung der in § 46 StGB genannten Gesichtspunkte von folgenden Erwägungen leiten lassen:
205Zu Gunsten des Angeklagten sprechen auch insoweit die bereits ausgeführten Umstände, insbesondere sein umfassendes Geständnis. Daneben war zu seinen Gunsten zur berücksichtigen, dass von einer vollständigen Sicherstellung der nur einen Tag vor der Festnahme erhaltenen Betäubungsmittelmenge ausgegangen werden kann. Diese Menge ist daher nicht mehr in den Verkehr gelangt und nicht länger geeignet, die Volksgesundheit zu gefährden. Zu Lasten des Angeklagten sprechen ebenfalls die schon ausgeführten Umstände, insbesondere der Umfang des Handels, wie er auch in der konkreten Einzeltat mit einer 200-fachen Überschreitung der noch geringen Menge zum Ausdruck kommt.
206Unter Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer hier eine Einzelstrafe von sechs Jahren als tat- und schuldangemessen verhängt.
2073.
208Aus diesen Einzelstrafen war nach den §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB durch angemessene Erhöhung der verwirkten höchsten Einzelstrafe – hier der Freiheitsstrafe von sieben Jahren (Fall 15/16) – eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.
209Die Kammer hat bei der Gesamtstrafenbildung insbesondere die erhebliche Sicherstellungsmenge von 45,45 kg Marihuana (davon 10 kg in Fall 17), 13,25 kg Haschisch und 109,04 g Kokain, die nicht mehr in den Verkehr gelangen kann und somit nicht mehr geeignet ist, die Volksgesundheit zu gefährden, berücksichtigt. Ferner war der erhebliche Aufklärungsbeitrag des Angeklagten bezüglich weiterer Straftaten des D. N., namentlich Einbruchsdiebstählen in A., C. und T. mit jeweils wertvoller Beute zu berücksichtigen. Auch die gesundheitlichen Einschränkungen des Angeklagten, der an einem angeborenen Herzfehler leidet, welche ihn in besonderer Weise haftempfindlich machen, waren zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite waren das Gesamtbild der Taten, ihr langer Begehungszeitraum sowie die große Menge der gehandelten Betäubungsmittel zweier unterschiedlicher Wirkstoffgruppen (THC und Cocain-HCl), von denen das Kokain als sog. harte Droge schnell in die Abhängigkeit führt, in die Abwägung einzustellen. All dies hat die Kammer letztlich zu einer maßvollen Erhöhung der Einsatzstrafe veranlasst. Nach Abwägung aller und insbesondere der vorgenannten Umstände war demnach eine Gesamtfreiheitsstrafe von
210acht Jahren
211tat- und schuldangemessen.
212VI. Einziehung
213Das in der Tasche einer Hose des Angeklagten sichergestellte Bargeld in Höhe von 4.065,00 €, hinsichtlich dessen der Angeklagte glaubhaft eingeräumt hat, dass es sich um Erträge aus dem Drogenhandel handelt, unterliegt gemäß 73 Abs. 1 StGB ebenso der Einziehung von Taterträgen wie die am 16.03.2019 in der Wohnung seiner Eltern, F. Str. xx in C., in zwei Briefumschlägen sichergestellten weiteren 75.000,00 €. Auch hinsichtlich dieses Geldes, welches ausschließlich in 500,00 €-Banknoten bestand, ist die Kammer nach obigen Ausführungen überzeugt, dass es sich um Erträge des Angeklagten aus dessen Betäubungsmittelgeschäft handelt. Das Bargeld wurde seitens des Angeklagten durch die rechtswidrigen Taten erlangt.
214Gemäß §§ 73, 73c StGB unterliegt auch der Wert der übrigen Taterträge, der gemäß § 73d Abs. 2 StGB durch die Kammer zu schätzen ist, der Einziehung. Im Rahmen der danach anzuordnenden Einziehung hat die Kammer, unter der Maßgabe, dass bei der Bemessung der Höhe des Erlangten gem. § 73d Abs. 1 S. 2 StGB gewinnmindernde Abzüge unberücksichtigt bleiben, ihrer Entscheidung folgende Erwägungen und Berechnungen zugrunde gelegt:
2151.
216Zunächst ist hinsichtlich der drei verschiedenen Betäubungsmittel jeweils zwischen zwei Phasen zu differenzieren.
217a) Phase 1
218Die erste Phase der Jahre 2015 – 2016 ist durch die Führung einer gemeinsamen Kasse des Angeklagten und des P. N. gekennzeichnet. In dieser Zeit ist die volle Liefermenge und der daraus zu errechnende volle Verkaufsertrag beiden zuzurechnen, da das Geld in eine gemeinsame Kasse floss, auf die beide Zugriff hatten. Sie sind für diese Zeit hinsichtlich der vollen Summe der Erträge Gesamtschuldner.
219b) Phase 2
220Die zweite Phase betrifft die Zeit ab Anfang 2017, in der die Kassen getrennt geführt wurden und der Angeklagte daher grundsätzlich nur Zugriff auf jenes Geld hatte, welches er selbst durch den Verkauf von jeweils der Hälfte der Liefermengen einnahm. Der Angeklagte gab allerdings seinen Verkaufsertrag, soweit er durch ihn zur Bezahlung seines Anteils an der jeweils vorherigen Liefermenge eingebracht werden musste, jeweils an P. N. weiter, der die Gelder dann vereinigte und den Kaufpreis gegenüber dem Spanier bzw. dessen Geldkurier vollständig beglich. Die Kammer schätzt die Gewinnspanne des Angeklagten einheitlich auf zumindest 15 % seiner Verkaufserlöse. Diesen Anteil, seine Marge, behielt er stets für sich mit der Folge seiner Alleinhaftung. In der Person des P. N. besteht indes bezüglich der übrigen 85 % der Erträge des Angeklagten eine Gesamtschuldnerschaft, da stets 85 % der Erträge des Angeklagten zur gemeinsamen Bezahlung gegenüber dem Spanier wieder durch seine Hände gingen.
221Eine Abweichung der Verteilung resultiert in dieser Phase lediglich aus Fall 15/16, in dem der Angeklagte am 21.01.2019, während des Aufenthalts von P. N. in China, seinerseits über Q. N. das Geld von P. N. erhielt und den vollen Kaufpreisbetrag an den Lieferanten des Spaniers übergab.
2222.
223Für die einzelnen Betäubungsmittel führt dies zu den nachfolgenden Berechnungen.
224>a) Marihuanaong>
225Bei der Bemessung der Erträge aus der Veräußerung des angelieferten Marihuanas bleiben nach Zweifelsgrundsätzen die dem Fall 19 zugeordneten 2 kg außer Betracht, da insofern nicht mehr aufklärbar ist, welcher Anteil an den Lieferanten E. G. zurückgegeben und daher nicht ertragssteigernd veräußert wurde. Unter Abzug dieser Menge verbleibt eine Gesamtliefermenge von 183,00 kg, von denen 29,00 kg auf die Jahre 2015 und 2016 (Phase 1) und 154,00 kg auf die Zeit ab Anfang 2017 (Phase 2) entfallen.
226aa)
227Hinsichtlich der 29 kg in den Jahren 2015 und 2016 geht die Kammer aufgrund der durch den Angeklagten glaubhaft geschilderten Verkaufsdauer von lediglich 2,5 Wochen für 10 kg von einem restlosen Verkauf aus. Die Gesamtmenge ist ebenso wie der Erlös beiden in gleicher Weise zuzurechnen. Bei Zugrundelegung des geringsten durch den Angeklagten genannten Verkaufspreises von 6,20 € je Gramm führt diese Menge zu einer Gesamtschuld des Angeklagten mit P. N. in Höhe von je 179.800,00 €.
228bb)
229Für die Zeit getrennter Kassen, ab Anfang 2017, ergibt sich eine Ankaufsmenge von 154,00 kg, von denen 45,45 kg im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen im Zeitpunkt der Festnahme sowie weitere 314,87 g bei P. N. am 14.06.2018 sichergestellt wurden. Unter Abzug der nicht mehr veräußerten Sicherstellungsmengen ergibt sich für zwei Täter eine insgesamt verkaufte Menge von 108,23513 kg Marihuana. Hiervon ist der Ertrag für 7 kg aus Fall 15, bezahlt durch den Angeklagten selbst im Rahmen des Falls 16, zunächst in Abzug zu bringen, da er diesbezüglich hinsichtlich des vollen Verkaufsertrages haftet. Von den übrigen 101,23513 kg entfällt die Hälfte, d.h. 50,617565 kg, auf den Angeklagten, von denen wiederum 5 kg, welche im Rahmen des Diebstahls aus dem Lagerfahrzeug des Angeklagten entwendet und daher nicht durch den Angeklagten verkauft worden waren, abzuziehen sind. Zugleich sind die 7 kg aus Fall 15 wieder hinzuzuaddieren. Es ergibt sich, unter Anwendung des Zweifelssatzes im Rahmen der erforderlichen rechnerischen Rundung, eine Verkaufsmenge von 52,61 kg für den Angeklagten allein.
230Von den 45,61 kg (ohne die 7 kg aus Fall 15) fließt ein Ertragsanteil von 85 % in die Gesamtschuld mit P. N., während der Gewinnanteil von 15 % in die Alleinschuld des Angeklagten fällt. Bei Zugrundelegung des minimalen Verkaufspreises von 6,20 € je Gramm ergibt sich hiernach eine Gesamtschuld in Höhe von 240.364,70 € und eine Alleinschuld in Höhe von 42.417,30 €, zu der noch der Ertrag aus den 7 kg von Fall 15 in Höhe von 43.400,00 € zu addieren ist. Es ergibt sich so eine Alleinschuld des Angeklagten in Höhe von 85.817,30 €.
231b) Haschisch
232Der Spanier lieferte insgesamt 16,00 kg Haschisch an den Angeklagten und P. N.. Sichergestellt wurden insgesamt 13,25 kg. Da auf die Zeit ab 2017 (Phase 2) lediglich 13,00 kg, sämtlich geliefert im Januar 2019 (Fall 15), entfallen, muss – da es nach obigen Ausführungen zur Überzeugung der Kammer keine weiteren Lieferanten für Haschisch gab – der überschießende Rest der Sicherstellungsmenge (0,25 kg) auf die Zeit von 2015 bis 2016 (Phase 1) entfallen.
233aa)
234Unter Abzug der überschießenden Sicherstellungsmenge von 0,25 kg sind in der Zeit von 2015 bis 2016 (Phase 1) 2,75 kg Haschisch durch den Angeklagten und P. N. verkauft worden, wobei nicht sicher feststellbar ist, zu welcher Zeit der Verkauf erfolgte. Im Zweifel und zu Gunsten des Angeklagten geht die Kammer insoweit von einem Verkauf auf gemeinsame Rechnung zu Gunsten der gemeinsamen Kasse, d.h. ebenfalls in der Zeit zwischen 2015 und 2016, aus. Unter Zugrundelegung des geringsten durch den Angeklagten angegebenen Verkaufspreises von 5,00 € je Gramm errechnet sich eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten mit P. N. in Höhe von 13.750,00 €.
235bb)
236Die in der Zeit ab 2017 (Phase 2) gelieferte Menge von 13,00 kg aus Fall 15, die der Angeklagte im Rahmen der Lieferung zu Fall 16 vollständig bezahlte, führt nicht zu einer Wertersatzeinziehung, da die Menge vollständig sichergestellt wurde, nicht in den Verkehr gelangte und nicht zu Taterträgen führte.
237c) Kokain
238Der Angeklagte und P. N. erhielten im Zeitraum ab 2017, mithin nur in der Zeit getrennter Kassen (Phase 2), insgesamt 2,00 kg Kokain von dem Spanier. Davon wurden 109,04 g sichergestellt, die im Rahmen der Ertragsermittlung abzuziehen sind. Es verbleiben 1.890,96 g, von denen die Hälfte, also 945,48 g, auf den Angeklagten entfallen. Der geringste durch den Angeklagten angegebene Verkaufspreis, der nach Zweifelsgrundsätzen im Rahmen der Ertragsermittlung zu Grunde zu legen ist, betrug 40,00 € je Gramm. Aus deren Multiplikation mit dem Verkaufsanteil des Angeklagten (945,48 g) errechnet sich ein minimaler Verkaufserlös des Angeklagten in Höhe von 37.819,20 €, wovon 85 % - also 32.146,32 € - in die Gesamtschuld mit P. N. fallen und weitere 15 %, d.h. 5.672,88 €, in die Alleinschuld des Angeklagten.
2393.
240Unter Abzug der sichergestellten und eingezogenen Bargeldbeträge in Höhe von insgesamt 79.065,00 € von den durch den Angeklagten allein geschuldeten 91.490,18 € ergibt sich eine noch offene Alleinschuld des Angeklagten in Höhe von 12.425,18 €.
241Die Addition der gesamtschuldnerisch mit P. N. geschuldeten Beträge (179.800,00 € + 240.364,70 € + 13.750,00 € + 32.146,32 €) ergibt in Summe einen Betrag in Höhe von 466.061,02 €.
242Bei Addition der gesamtschuldnerisch geschuldeten Summe mit der Alleinschuld des Angeklagten ergibt sich eine offene Einziehungsschuld des Angeklagten in Höhe von insgesamt 478.486,20 €.
243VII. Kosten und Sonstiges
244Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1 StPO.
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Referenzen
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- § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG 3x (nicht zugeordnet)
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- StGB § 24 Rücktritt 2x
- StGB § 46 Grundsätze der Strafzumessung 2x
- 202 Js 6172/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 1 BtMG 7x (nicht zugeordnet)
- StGB § 3 Geltung für Inlandstaten 5x
- § 29a Abs. 1 BtMG 2x (nicht zugeordnet)
- 336 Js 1356/12 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 73d Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung 2x
- § 31 BtMG 2x (nicht zugeordnet)
- § 24 Abs. 2 S. 2 StGB 1x (nicht zugeordnet)
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- § 31 Nr. 1 BtMG 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 38 Dauer der Freiheitsstrafe 2x
- StPO § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten 1x
- § 30a Abs. 1 BtMG 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 267 Urteilsgründe 1x
- StGB § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen 1x
- StGB § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern 1x
- StGB § 53 Tatmehrheit 3x
- StGB § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe 6x
- § 29a Abs. 1 Nr. 2, 1. Var. StGB 1x (nicht zugeordnet)