Urteil vom Landgericht Halle (3. Große Strafkammer) - 3 KLs 12/09

Tenor

Die Angeklagten C und C sind der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils begangen in drei Fällen, wobei es in einem Fall bei versuchter unerlaubter Einfuhr blieb, schuldig.

Der Angeklagte K ist der versuchten unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig.

Es werden verurteilt:

Die Angeklagte C zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von

4 (vier) Jahren und 6 (sechs) Monaten,

die Angeklagte C zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von

4 (vier) Jahren,

der Angeklagte K zu einer Freiheitsstrafe von

3 (drei) Jahren und 6 (sechs) Monaten.

Die sichergestellten Betäubungsmittel, nämlich die beiden sogenannten Kokainpakete, adressiert an Mathias R und an Klaus-Dieter K, werden eingezogen.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

1

Zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

1.

2

Die Angeklagte C kam 1998 aus Polen nach Deutschland, wo sie seitdem lebt. Sie ist Mutter eines sieben Jahre sowie eines elf Jahre alten Sohnes. Ihre Kinder leben aufgrund ihrer Inhaftierung im Heim, da sich der Kindesvater Rainer K in Haft befindet.

3

Sie hat keinen Beruf erlernt und ist arbeitslos gemeldet. Sie erhält daher Sozialleistungen in Höhe von zuletzt 1.200,00 Euro incl. 600,00 Euro Miete. Jedoch arbeitet sie gelegentlich als Kellnerin und verkauft auch hochwertige Designerbekleidung, die sie zuvor in den Niederlanden ankauft.

4

Sie hat Schulden von mehreren tausend Euro.

5

Die Angeklagte C ist die Verlobte und Lebensgefährtin des Angeklagten K auch, dieser ist zwar unter der Anschrift … gemeldet, lebt aber praktisch bei der Angeklagten.

6

Mit der Angeklagten C ist sie seit ihrer Schulzeit eng befreundet, die Angeklagte C hat auch die Patenschaft für eines ihrer Kinder übernommen.

7

Sie ist wie folgt vorbestraft:

8

Am 18.03.2003 (rechtskräftig seit dem 08.04.2003) verurteilte sie das Amtsgericht H wegen eines am 15.01.2003 begangenen Vergehens des Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 15,00 Euro.

9

Am 03.05.2007 (rechtskräftig seit dem 22.05.2007) verurteilte das Amtsgericht H die Angeklagte wegen eines am 18.11.2006 begangenen Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 15,00 Euro.

10

Am 14.05.2007 (rechtskräftig seit dem 29.09.2007) folgte eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (begangen am 04.03.2007) zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen zu je 20,00 Euro.

11

Schließlich verurteilte das Amtsgericht L die Angeklagte am 08.01.2008 (rechtskräftig seit dem 12.02.2008) wegen eines am 25.08.2007 begangenen Betruges zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen zu je 20,00 Euro.

12

Am 29.01.2008 bildete das Amtsgericht H unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen vom 03.05.2007 und vom 14.05.2007 eine nachträgliche Gesamtgeldstrafe von fünfundfünfzig Tagessätzen zu je 20,00 Euro (Az.: 310 Cs 839 Js 13063/07).

2.

13

Die Angeklagte C, welche mit der Angeklagten C gemeinsam zur Schule gegangen und mit ihr befreundet ist, kam im Alter von 18 Jahren nach B. Dort hat sie von 1998 bis 2000 in einer Firma, welche ein Freund ihres Vaters betrieb, u.a. als Dolmetscherin gearbeitet. In der Zeit von 2003 bis zum Frühjahr 2005 lebte sie in D, wo sie an der Volkshochschule einen deutschen Sprachkurs absolvierte.

14

Nach der Trennung von ihrem damaligen Lebensgefährten kehrte sie nach S zurück. Dort lernte sie 2006 ihren Verlobten Parys Sebastian G kennen, mit dem sie im Frühjahr 2006 in die Niederlande übersiedelte. Zunächst half sie in H im Möbelgeschäft ihres Verlobten aus, war aber auch in Italien und auf Mallorca als Dekorateurin und Designerin tätig. Sie erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte in Höhe von etwa 2.000 Euro pro Monat.

15

Die Angeklagte C ist wie folgt vorbestraft:

16

Am 18.04.2005 (rechtskräftig seit dem 24.05.2005) verurteilte sie das Amtsgericht D wegen eines am 15.01.2005 begangenen Vergehens der Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von dreißig Tagessätzen zu je 10,00 Euro.

3.

17

Der Angeklagte K begann nach dem Erreichen des Realschulabschlusses eine Lehre als Maurer, welche er abbrach. Auch eine Lehrausbildung zum Koch beendete er vorzeitig, arbeitete jedoch in der Folge als Koch und zeitweise in einem Bestattungsunternehmen, immer wieder unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit und Haftzeiten.

18

Der Angeklagte war früher Konsument illegaler Drogen, auch von Kokain, weshalb es zu Beschaffungskriminalität gekommen war.

19

Seit der letzten Entlassung aus Strafhaft Ende 2006 bezieht er Sozialleistungen; darüber hinaus erzielt er Einkünfte aus dem An- und Verkauf von Pkws und Grundstücken. Illegale Drogen konsumiert er keine mehr.

20

Die Angeklagte C kennt er seit April 2009 persönlich über die Angeklagte C.

21

Der Angeklagte ist bisher wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

22

Am 29.08.1994 (rechtskräftig seit dem 06.09.1994) verurteilte das Amtsgericht H den Angeklagten wegen Diebstahls geringwertiger Sachen und Beihilfe zum gemeinschaftlichen Raub (letzte Tatzeit: 10.03.1993) zu zwei Freizeiten Jugendarrest und erteilte ihm eine richterliche Weisung sowie eine Geldauflage.

23

Am 08.03.1995 (rechtskräftig seit dem 16.03.1995) verurteilte ihn das Amtsgericht H wegen Diebstahls in zwei Fällen, Diebstahls im besonders schweren Fall, räuberischen Diebstahls und Raubes (letzte Tat begangen am 15.07.1994) zu einer Jugendstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.

24

Am 17.01.1996 (seit dem 13.06.1996 rechtskräftig) verurteilte ihn das Amtsgericht H wegen räuberischen Diebstahls in zwei Fällen, Diebstahls und Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit einem nicht versicherten Kraftfahrzeug in zwei Fällen (letzte Tat begangen am 31.08.1995) unter Einbeziehung der Entscheidung vom 08.03.1995 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten, deren Vollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.

25

Die Strafaussetzung wurde widerrufen. Nach Teilverbüßung wurde die Vollstreckung der Restjugendstrafe mit Beschluss des Landgerichts H vom 17.09.1999 bis zum 14.10.2002 zur Bewährung ausgesetzt. Auch diese Reststrafaussetzung wurde widerrufen; die Strafvollstreckung war am 19.03.2004 erledigt.

26

Am 03.12.1997 (rechtskräftig seit 04.03.1998) verurteilte das Amtsgericht H den Angeklagten wegen eines am 14.04.1997 begangenen Vergehens des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässigem Gebrauch eines nicht pflichtversicherten Kraftfahrzeugs sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort und Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten; zugleich wurde eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis verhängt. Nach Verbüßung eines Teils der Strafe wurde die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe mit dem bereits zuvor genannten Beschluss vom 17.09.1999 zur Bewährung ausgesetzt. Es erfolgte der Widerruf der gewährten Strafaussetzung und diese Strafe war verbüßt am 18.01.2004.

27

Am 14.12.1998 (rechtskräftig seit dem 08.01.1999) verurteilte ihn das Amtsgericht H wegen des am 12.05.1998 begangenen Vergehens des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von zwanzig Tagessätzen zu je 10,00 DM.

28

Am 04.03.2002 (rechtskräftig seit dem 02.10.2002) verurteilte ihn das Amtsgericht H wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen und wegen Diebstahls (letzte Tat begangen am 16.11.2001) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und verhängte eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bis zum 01.10.2003.

29

Am 25.09.2002 (rechtskräftig seit 12.07.2003) verurteilte ihn das Amtsgericht H wegen gemeinschaftlich versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall in Tateinheit mit gemeinschaftlich begangenem Diebstahl sowie wegen gemeinschaftlich begangenen Diebstahls (Datum der letzten Tat: 16.10.2001) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.

30

Am 02.02.2004 (rechtskräftig seit dem 10.02.2004) verurteilte das Amtsgericht H den Angeklagten wegen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Nach Teilverbüßung wurde die Vollstreckung der Reststrafe mit Beschluss vom 09.10.2006 zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungszeit festgesetzt zunächst bis 17.11.2010, die Bewährungszeit wurde sodann verlängert bis 17.11.2011.

31

Am 31.08.2004 bildete das Amtsgericht H aus den mit Urteilen vom 25.09.2002 und vom 04.03.2002 festgesetzten Einzelstrafen unter Auflösung der jeweiligen Gesamtfreiheitsstrafen eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Auch dieser Strafrest wurde durch Beschluss vom 09.10.2006 bis zum 17.11.2010 zur Bewährung ausgesetzt.

32

Am 06.12.2007 (rechtskräftig seit dem 14.12.2007) verurteilte das Amtsgericht G den Angeklagten wegen eines am 01.06.2007 begangenen Betruges zu einer Geldstrafe von achtzig Tagessätzen zu je 28,00 Euro.

33

Unter Einbeziehung dieser Entscheidung vom 06.12.2007 verurteilte ihn das Amtsgericht H schließlich am 14.05.2008 (seit dem 14.05.2008 rechtskräftig) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde.

II.

34

Die Angeklagte C und ihr Verlobter Parys G lernten im April 2009 in einem Fitnessstudio in H/Niederlanden den ebenfalls aus Polen stammenden und in den Niederlanden lebenden Robert B und dessen Ehefrau Agnieszka kennen.

35

Bald danach, entweder noch im April, spätestens Anfang Mai 2009, sprach Robert B den G an, ob dieser über die Angeklagte C gegen Bezahlung Anschriften in Deutschland mitteilen könne, um an diese Personen Kokain-Pakete aus Peru zu versenden, die Pakete würden sodann durch Dritte abgeholt werden und so zu ihm gelangen.

36

Die Angeklagte C, der G hiervon berichtete, war damit einverstanden. Sie setzte sich deswegen mit ihrer Freundin, der Angeklagten C, in Verbindung und berichtete ihr den Inhalt des zwischen G und B geführten Gesprächs.

37

Die Angeklagte C war im Wissen um den Inhalt der Pakete bereit, dass ihre Anschrift an B weitergeleitet und entsprechende Pakete an sie übersandt werden. Sie teilte der Angeklagten C daher ihre vollständige Anschrift am 04.05.2009 per SMS mit. Diese wiederum übermittelte die Anschrift über ihren Verlobten G an B.

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B veranlasste nun die Versendung des ersten Kokain-Pakets.

39

Bereits seit Frühjahr 2008 hatte er nämlich zusammen mit weiteren Mittätern den Rauschgifthandel mit Kokain aus Peru organisiert: von Peru aus wurden Pakete mit angeblichen Dokumenten über das Transportunternehmen TNT nach Deutschland versandt. Die Dokumente, bestehend aus bedruckten Papierblättern, wurden zuvor mit Kokain getränkt. Nach Eintreffen dieser Pakete bei den Empfängern informierten diese Kuriere, die die Pakete abholten und in die Niederlanden verbrachten, wo das Kokain zurückgewonnen und durch B oder seine Mittäter gewinnbringend weiterverkauft wurde. Die Rückgewinnung des Kokains erfolgt durch Auflösen der Papiere in Flüssigkeit, Cocainbase fällt aus und der Niederschlag wird abgeschöpft und getrocknet.

1.

40

Das erste der Kokain-Pakete wurde am 05.05.2009 um 12.00 Uhr in Peru aufgegeben. Es war adressiert an Katarzyna C, mithin an die Angeklagte C. Als Absender war vermerkt Armando R, Peru. Das Paket wog 3 kg; die kokaingetränkten Blätter enthielten einen Wirkstoffanteil von mindestens 20 %, mithin 600 g Kokainhydrochlorid.

41

Die Angeklagte C nahm das Paket am 08.05.2009 um 15.59 Uhr in Empfang, wobei die Auslieferung durch die Firma T erst im zweiten Anlauf klappte, da die Angeklagte C beim ersten Auslieferungsversuch um die Mittagszeit nicht zu Hause gewesen war.

42

Die Angeklagte C war zu diesem Zeitpunkt bei ihr zu Besuch und informierte über ihren Verlobten den B, der die Abholung durch den Kurier Maciej K veranlasste. Dieser war, was die Angeklagten wußten, aus Polen gekommen und nahm das Paket zur Abgabe an B

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mit in die Niederlanden, von wo aus das rückgewonnene Kokain gewinnbringend verkauft wurde.

44

Über ihren Verlobten G erhielt die Angeklagte C von B ein Entgelt von 400 Euro in bar, wovon die Angeklagte C 200 Euro erhielt.

2.

45

Über ihren Verlobten G übermittelte B der Angeklagten C, dass das nächste Paket nicht mehr an die Angeklagte C direkt geliefert würde. Die Angeklagte C fragte daher etwa Mitte Mai 2009 bei ihrem Freund Wolfgang G nach, ob er bereit wäre, ein Paket mit Finanzierungsunterlagen für sie in Empfang zu nehmen, was dieser bejahte. Sodann teilte die Angeklagte C der Angeklagten C Name und Anschrift des G mit, die dies dem B übermittelte.

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B veranlasste daraufhin die Übersendung des nächsten Kokain-Pakets aus L. Unter Angabe des Absenders Armando R wurde das 3,18 kg schwere und an Wolfgang G, adressierte Paket (wie sämtliche Pakete etwas größer als DIN A 4 Format und mit Plastikfolie verpackt) am 19.05.2009 um 10.34 Uhr in L über TNT aufgegeben und am 22.05.2009 um 10.39 Uhr an Wolfgang G ausgeliefert. Hierüber informierte dieser die Angeklagte C, wie von ihr verlangt, sofort; diese hatte bereits zuvor einige Male nachgefragt, ob das Paket schon eingetroffen sei. Entweder holte die Angeklagte C noch am selben Tag das Paket bei G ab oder dieser brachte es ihr nach Hause. Jedenfalls gelangte es noch am 22.05.2009 in ihren Besitz. Sie übergab das Paket an die Angeklagte C, die sich bei ihr aufhielt und damit im Zug in die Niederlande zurückkehrte, wo sie es – wohl über ihren Verlobten – B aushändigen ließ. B wiederum verkaufte das rückgewonnene Kokain gewinnbringend weiter.

47

Das Paket enthielt mindestens 636 g Kokainhydrochlorid.

48

Die Angeklagte C lud den G für die geleistete Gefälligkeit zum Essen ein. Sie selbst erhielt von B über die Angeklagte C ein Entgelt von 400 Euro in bar, ebenso wie die Angeklagte C.

3.

49

B bat die Angeklagte C über deren Verlobten um Mitteilung von zwei neuen Adressen in Deutschland, um die Versendung weiterer Kokain-Pakete veranlassen zu können. Hierüber sprachen die Angeklagten C und C auch anläßlich deren Besuchs am 22.05.2009 mit dem Angeklagten K. Dieser wußte aus den Gesprächen mit seiner Verlobten, der Angeklagten C, und deren Freundin, der Angeklagten C, dass die Pakete Kokain enthalten. Der Angeklagte K war mit entsprechenden Lieferungen einverstanden. Er fragte daher bei seinem Vater Klaus-Dieter K und seinem Freund Mathias R nach, ob sie für ihn ein Paket annehmen würde, was beide bejahten.

50

Offenbarte dauerte der Angeklagten C die Rückantwort zu lange, denn mit SMS vom 14.06.2009 um 19.59 Uhr an die Angeklagte C teilt diese mit: „Kasia, ich versuche anzurufen. Ich benötige die zweite ad. Ruf an, sobald du das tel. einschaltest.“Die Angeklagte C teilte daraufhin die Anschriften des Klaus-Dieter K und des Mathias R mit, die Angeklagte C reichte diese an Agnieszka B weiter.

51

B selbst war nicht mehr erreichbar, denn am 02.06.2009 war er aufgrund des europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft H vom 12.05.2009 in den Niederlanden festgenommen worden; die Festnahme war der Angeklagten C Anfang Juni 2009 bekannt geworden.

52

Nachdem die Anschriften übermittelt worden waren, veranlasste Agnieszka B sofort die Versendung weiterer Kokain-Pakete:

53

Am 15.06.2009 um 11.34 Uhr wurde unter dem Absender Carlos A, Peru, ein 4 kg schweres Paket, adressiert an Klaus-Dieter K, über die Firma TNT aufgegeben.

54

Am 16.06.2009, 10.37 Uhr, wurde ein weiteres Paket mit demselben Absender adressiert an Mathias R, aufgegeben, das 3,8 kg schwer war.

55

Nach Kontrolle durch den belgischen Zoll wurde das an K adressierte Paket am 18.06.2009 und das an R adressierte Paket am 19.06.2009 in L sichergestellt; letztlich beschlagnahmte die Gemeinsame Ermittlungsgruppe (GER) L die Pakete und veranlasste in Zusammenarbeit mit den belgischen Behörden deren Austausch durch (kokainfreie) Dubletten. Diese wurden durch den Polizeibeamten M, der als TNT-Mitarbeiter getarnt war, an die beiden Empfänger am 30.06.2009 zugestellt, an K um 09.26 Uhr und an R um 13.23 Uhr.

56

Klaus-Dieter K und auch Mathias R informierten den Angeklagten K jeweils über das eingetroffene Paket. In dem Gespräch, das Mathias R mit dem Angeklagten deswegen führte, forderte ihn der Angeklagte K zweimal eindringlich auf, „keine Experimente“ damit zu machen und es nicht zu öffnen.

57

Noch am 30.06.2009 holte der Angeklagte K zusammen mit der Angeklagten C das eine Paket bei seinem Vater ab.

58

Am 01.07.2009 traf sich der Angeklagte K mit dem Mathias R zur Mittagszeit in Bad L und übernahm das Paket.

59

Nachdem beide Pakete bei K bzw. R eingetroffen waren, informierte die Angeklagte C die Angeklagte C hierüber. Diese veranlasste die Versendung der nunmehr von Agnieszka B gezahlten Entlohnung für die Entgegennahme und Weiterleitung der beiden Pakete von 759,50 Euro über Western Union an die Angeklagte C und übermittelte dieser am 01.07.2009 um 16.21 Uhr per SMS den Code, um die Abhebung des Geldbetrages durchführen zu können: „Code 5980955296 von mir, meine daten. 759 eu, rest in szn. danke!“, womit S gemeint war; noch am Nachmittag desselben Tages (17.25 Uhr) ließ sich die Angeklagte C das Geld auszahlen. Klaus-Dieter K und Mathias R erhielten jeweils 50 Euro. Da zu diesem Zeitpunkt das Geld noch nicht eingetroffen war, mußten die Angeklagten C und K dieses Entgelt zunächst aus eigener Tasche bezahlen.

60

Nachdem sich jetzt beide Pakete im Besitz der Angeklagten C befanden, schickte Agnieszka B erneut den Maciej Tomasz K aus Polen los, die Pakete abzuholen und in die Niederlande zum gewinnbringenden Weiterverkauf zu bringen. Da die Angeklagte C und der Angeklagte K sich aber zunächst einige Tage in Polen aufhielten – die Angeklagte C ließ dort einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen -, konnte K die Pakete erst am Abend des 05.07.2009 bei diesen abholen, um diese in die Niederlande zu Agnieszka B zwecks gewinnbringenden Weiterverkaufs zu transportieren.

61

Kurz danach erfuhren die Angeklagten C und K durch einen Telefonanruf, dass in den beiden Paketen kein kokaingetränktes Papier enthalten war, sondern „normales“ Papier. Daher warnte der Angeklagte K den Rt am Abend des 08.07.2009 um 21.52 Uhr telefonisch, dass die Polizei wegen des Pakets bei ihm erscheinen könnte und instruierte ihn, zu sagen, er habe das Paket weggeworfen, denn „da war Dreck drin (...) da war nur Papierkram drin. Angeblich war dieses Zeug nicht drin (...) Nee ich hab von ihr keine Nachricht bekommen, aber ich habe gesagt, wenn die sich die Nase zuballern da drüben, dann sollen die mir nicht so auf den Sack gehen hier (...) kam aus Amerika, ich hab keine Ahnung, wo das herkam“.

62

Das Landeskriminalamt der Freien und Hansestadt H untersuchte beide sichergestellten Pakete mit folgendem Ergebnis:

63

das an K adressierte Paket enthielt 984,7 g Kokainhydrochlorid, das an R adressierte Paket 1.050 g Kokainhydrochlorid.

64

Hinsichtlich der einzelnen Ergebnisse – das an K adressierte Paket war in vier Untersuchungsmengen unterteilt worden – wird auf das Gutachten

65

Bl. 220 Bd. IV, wegen des Aussehens der Pakete wird auf die Lichtbilder Bl. 221 und 222 Bd. IV und hinsichtlich der vorgenommenen Arbeitsschritte zum Lösen des Kokain auf die Lichtbilder Bl. 224-227 Bd. IV Bezug genommen.

66

Im Verlauf des Monats Juni 2009 erfuhr die Angeklagte C von der Verhaftung des B; spätestens Anfang Juli 2009 zeigte ihr dessen Ehefrau Agnieszka den Haftbefehl.

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Die Telefongespräche der Angeklagten wurden seit dem 30.06.2009 infolge der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme überwacht, aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts H.

68

Die Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift (GER) der Bezirkskriminalinspektion L führte bereits seit 2008 Ermittlungen gegen eine Tätergruppe durch, die im Verdacht stand, Amphetamine und Kokain aus den Niederlanden nach Deutschland einzuführen. Nachdem es im Dezember 2008 in diesem Zusammenhang zu einer Festnahme gekommen war, führten die weiteren Ermittlungen in den Großraum H zu einer Tätergruppe mit Personen vorwiegend polnischer Abstammung. Anfang Juni 2009 kam es zu weiteren Festnahmen, da infolge überwachter Telefongespräche weitere Erkenntnisse gewonnen worden waren; zu den Festgenommenen gehörte auch B. Aus den Telefongesprächen ergab sich, dass Kokain-Paketlieferungen wieder aufgenommen werden sollten. Kokainpakete waren in den Raum H geliefert worden, wobei infolge der gemeinsamen polizeilichen Ermittlungen der GER L und des LKA H diese Lieferungen Ende 2008 endeten. Die neuen Lieferungen sollten in den Raum H erfolgen, was sich nach Sicherstellung der beiden an K und R adressierten Pakete in L bestätigte. Nicht nur Absender, Versandart, Verpackung und Gewicht dieser beiden Pakete waren fast identisch mit den Kokain-Paketen, die bereits 2008 verschickt worden waren, sondern auch die Beschriftung. Seinerzeit waren den Ermittlungsbehörden etwa 35 solcher Kokain-Pakete bekannt geworden, wovon etwa sieben sichergestellt und untersucht werden konnten. Hierbei wurde festgestellt, dass das Gewicht jeweils zwischen 3 bis 4 kg betrug,

69

Nachwiegen ergab, dass die Gewichtsangaben in den Lieferpapieren kaum Abweichungen aufwiesen, mitunter sogar die Pakete schwerer waren, als in den Lieferpapieren angegeben; der reine Kokain-Anteil lag stets bei 1/3 des Gewichts. Erfahrungsgemäß wird 1 kg reines Kokain auf etwa 4 kg Straßenverkaufsgewicht gestreckt, was bei einem durchschnittlichen Straßenverkaufspreis von 50 Euro je Gramm ein Erlös von 200.000 Euro ergibt.

70

Robert B wurde durch das Landgericht H mit Urteil vom 15.12.2009 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 17 Fällen, davon in 8 Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in weiteren 4 Fällen in Tateinheit mit versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, in weiteren 2 Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.

71

B hatte sich geständig eingelassen, auch zu den hier festgestellten Taten, indem er pauschal erklärte, die in den Anklageschriften der Staatsanwaltschaft H erhobenen Vorwürfe seien zutreffend.

72

Nach den Feststellungen dieses Urteils war B bereits im Frühjahr 2008 mit seinem Mitangeklagten J übereingekommen, über eine Quelle B in Peru Pakete mit belanglosen, aber kokaingetränkten Papieren über das Transportunternehmen TNT nach Deutschlanden senden zu lassen, wobei die Pakete 3,3 bis 5,2 kg schwer waren. B und J suchten in der Folgezeit zuverlässige Paketempfänger, die gegen Entgelt im Wissen um den betäubungsmittelhaltigen Inhalt der Pakete diese von den Zustellern von TNT entgegennehmen und an J weiterleiten würden. Es kam sodann im Zeitraum Mai 2008 bis August 2008 zur Lieferung von 7 Paketen nach H, im Mai 2009 folgte ein weiteres Paket, wobei in diesen Paketen jeweils etwa 1000 g reines Kokain enthalten war und der Paketempfänger je Paket ein Entgelt von 2.000 Euro erhielt. Im Mai 2009 bestellte B - ohne J – in weiteren vier Fällen entsprechende Pakete (Dabei handelt es sich um die Pakete, die die erkennende Kammer unter Ziff. II.1. bis 3. festgestellt hat). Darüber hinaus handelte B noch mit Amphetamin.

73

Im hiesigen Strafverfahren hat B von seinem Recht, gem. § 55 StPO im Hinblick auf das noch bei der Staatsanwaltschaft H anhängige Ermittlungsverfahren gegen seine Ehefrau Agnieszka wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Paketlieferungen an K und R) die Aussage zu verweigern, Gebrauch gemacht.

74

Insoweit war der GER L aufgefallen, dass auch nach der Festnahme des B die Lieferung mit Paketen weiterging, so dass sie den Verdacht hegten, jemand müsse dessen Geschäfte übernommen haben. Dieser Verdacht bestätigte sich durch die Angaben der Angeklagten C, die diese in diesem Verfahren tätigte.

75

Die von der hiesigen Staatsanwaltschaft jeweils wegen Verstoßes gegen das BtMG gegen Wolfgang G, Klaus-Dieter K und Mathias R geführten Ermittlungsverfahren sind jeweils gem. § 170 StPO eingestellt worden.

76

Die Angeklagten verfügten nicht über eine Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Einfuhr oder zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.

77

Die Angeklagte C wurde in dieser Sache am 24.07.2009 vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichtes Halle vom 24.07.2009 (Az.: 395 Gs 400/09) in Untersuchungshaft. Vom 05.08.2009 bis einschließlich 15.09.2009 wurde der Vollzug der Untersuchungshaft zur Vollstreckung einer Rest-Ersatzfreiheitsstrafe von 42 Tagen aus dem Gesamtstrafenbeschluss vom 29.01.2008 unterbrochen. Vom 16.09.2009 bis zum 04.11.2009 verbüßte die Angeklagte eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen gemäß Strafbefehl des Amtsgerichtes L vom 08.01.2008.

78

Die Angeklagte C wurde am 23.07.2009 in dieser Sache im D Hauptbahnhof vorläufig festgenommen. Seit dem 24.07.2009 befindet sie sich in dieser Sache aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichtes vom 24.07.2009 (Az.: 395 Gs 403/09) ununterbrochen in Untersuchungshaft.

79

Der Angeklagte K wurde in dieser Sache am 24.07.2009 vorläufig festgenommen und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts H vom 24.07.2009 (Az.: 395 Gs 399/09) seit dem ununterbrochen in Untersuchungshaft.

80

Am 22.09.2009 wurden anläßlich einer Haftraumkontrolle im Haftraum der Angeklagten C Kassiber, die von der ebenfalls in der JVA Halle I einsitzenden Angeklagten C verfasst worden waren, teilweise zerrissen, aufgefunden.

81

Wegen des Aussehens der Kassiber wird auf die Lichtbilder Bl. 71 bis 76 Bd. III und auf die Kassiber selbst Hüllen Bl. 25, 67 bis 70 Bd. III und Bl. 215 Bd. IV (weitestgehend wieder zusammengefügt) verwiesen.

82

Darin erteilt die Angeklagte C der Angeklagten C Anweisung, eine übereinstimmende erfundene Einlassung auswendig zu lernen. Auszugsweise heißt es:

83

„Das Päckchen, welches bei Dir angekommen ist, haben sie entdeckt, ich weiß aber nicht, was mit dem zweiten ist (Matikula) oder Wolfgang. Sag, dass Robert Dich angerufen hat, da ich ihm Deine Nummer gegeben habe (... ) weil ich nach Mallorca gefahren bin. Nach meiner Rückkehr habe ich Dich besucht (in meiner Brieftasche haben sie die Fahrkarte nach H gefunden), um bei der Taufe von Danty dabei zu sein. Zuvor hast Du die bzw. das Päckchen in Empfang genommen (Du wirst erfahren, was sie wissen, wenn der Rechtsanwalt zu mir kommt, er wartet ebenfalls auf die Akten) und Deine Kinder haben das Meiste kaputt gemacht. Maciek hat sie von Dir – 1/3 oder weniger – abgeholt. Du hast speziell überprüft, ob sich in ihnen nicht etwas befindet. Und tatsächlich war nichts außer Papier darin. Da sie zerstört waren, erhielt er kein Geld (...) Kasia, er hat mich hereingelegt. Er müsste hier einsitzen! Die Holländer wollen ihn nicht ausliefern, da er Recht auf Asyl hat. Wir müssen alles auf ihn schieben, sonst werden wir für ihn lange einsitzen! (...) Mitte Mai haben sie in Holland eingelocht. Erst danach habe ich erfahren, weshalb. (...) Als Du mit mir gesprochen hast und Maciek danach die Päckchen abgeholt hat, habe ich Dir gesagt, dass diese nicht so wichtig waren, da er sie zur Probe geschickt hat, die nachfolgenden aber sehr wichtig sein werden und deshalb solltest Du sie so verpacken, dass nichts mehr zerstört wird! Merk Dir das, Kasia, lern das auswendig, damit Du in der Gerichtsverhandlung nichts durcheinander bringst. Unsere Rechtsanwälte müssen miteinander Kontakt aufnehmen, dann können sie alles gemeinsam besprechen, damit unsere Versionen übereinstimmen. Ich werde mich daran halten, dass Du von nichts gewusst hast, dann lässt man Dich frei. Schade nur, dass Du ihnen meine Angaben zur Person gegeben hast (...)“

84

Kasia, es war genauso, wie ich Dir geschrieben habe, Du hast Kwiatek. 1/3 gegeben (...) Wenn Kwiatek jedoch gesteht – sie verfügen nämlich über eine Aufzeichnung des Gesprächs (dort, wo zuletzt) – dann sind wir erledigt, dann ist es besser auszusagen (...)

85

Vom Päckchen an Wolfgang wissen sie nichts. Der Rechtsanwalt hat gefragt, wie die Kinder die Papiere, auf die du Acht geben solltest, zerstören konnten. Ich habe gesagt, dass Du das Mittagessen gekocht hast und die Kinder in dieser Zeit die Papiere mit dem Faserschreiber bekritzelt und bemalt haben und Du sie deshalb weggeworfen hast. Deshalb hat er Dir die nächstfolgenden geschickt und Dir geheißen, sie gut zu verpacken, damit mit ihnen nichts passiert. Zu unserem Glück verfügen sie auch über ein Gespräch, wo Du überprüfen sollst, ob dort zufällig nichts vorhanden ist. Und ich habe ihm gesagt, dass ich Dich vorsichtshalber gebeten habe, zu prüfen, ob dort nicht etwas versteckt ist, z. B. Drogen, deshalb solltest Du sie öffnen und umpacken.

86

Wenn etwas sein sollte, dann haben die Kinder 1 Päckchen kaputtgemacht und 1/3 hast Du K gegeben und kein Geld erhalten, denn ich habe es Dir damals bei der Taufe von Danty gegeben. Dies wissen sie nicht, denn damals haben sie uns nicht abgehört. Gesprochen wurde über die Preise von Häusern und Wohnungen in Spanien, da wir dorthin zu einem Lehrgang fahren wollten. Sie haben nur die 750,00 Euro von Western Union. Sag ihnen also nichts darüber hinaus (...) Kasia, sprich bloß nicht über das Geld. Die 4 sind Freundinnen. Die Kinder haben es kaputt gemacht, Du hast K 1/3 gegeben und deshalb hast Du kein Geld bekommen und ich den Rest auch nicht. Du hast mir Deine Adresse gegeben und ich habe sie dem Robert gegeben (...)

87

Wenn mein Rechtsanwalt und Dein Rechtsanwalt die CD nochmal übersetzen lassen, dann wirst Du sehen, wieviele Fehler dort sind. Neben den Päckchen sind dies ihre einzigen Beweismittel. Wir haben aber von nichts gewusst. Für Unkenntnis können sie uns nicht „für lange Zeit“ verurteilen (...)“

88

„Kasia, ich weiß, dass Du in der kommenden Woche Verhandlung hast, und ich glaube, dass Du raus kommst. Ich bitte Dich, gib nur das zu, was wir schon abgestimmt haben, weil, wenn die sehen, dass wir etwas anderes sagen, dann auf Wiedersehen! (...)“

89

„(...) Wenn die Polizei (der Staatsanwalt) fragt, warum wir Alias-Namen verwendet haben, z. B. Freundinnen, dann sage, dass ich befürchtet habe, ob dort nicht irgend etwas Illegales drin sein würde (Diamanten, Drogen, illegale Dokumente). Du solltest, erinnere Dich, auch prüfen, ob dort zufällig nicht etwas ist (denn schließlich, wenn wir irgendwie gewusst hätten, dass dort irgend etwas ist, dann hätten wir uns nicht darüber unterhalten, dass Du prüfst, ob dort zufällig nicht irgend etwas außer den Papieren ist.( ...)“

90

„Kasia, sie haben ein aufgezeichnetes Gespräch von M und Dir als er sich mit Dir verabredet hat „dort wo letztlich“, daher denken sie, dass dort früher etwas war. Wenn K (M) gesteht, dann haben wir das 1 Päckchen, auch nur über die (...) wurde nicht gesprochen. Ich warte auf den Anwalt. Ich werde dann die Akte sehen, sie haben sogar die Fahrkarte/das Ticket vom 22.05. nach H, weil ich Dumme vergessen habe es wegzuwerfen. Wenn, dann werden wir sagen, dass er mich von Dir abgeholt hat, aber wenn sie von TNT wissen, dass Du etwas bekommen hast, dann sagen wir, dass ich Dir geschrieben habe ... und ich bin bei Dir gewesen, um Danty zu taufen, und das Päckchen 1/3 hat M abgeholt ... Sie glauben mir nicht, dass wir nichts gewusst haben, und selbst mein Anwalt sagt, dass ich besser gestehen sollte ... Ich flehe Dich an, vergiss das nicht, was ich Dir früher geschrieben habe, aber erst sehen wir mal, was die Polizei hat. Um die Situation nicht zu verschlechtern.“

91

„(...) Mit den beschissenen Gesprächen haben wir alles verkackt (oder verfickt, so die Anmerkung des Dolmetschers), dadurch ist alles verdammte Scheiße. Wir haben uns nur das Leben verdorben (...)“

92

„Das ist der letzte Brief, den ich schreibe, weil .... Gerüchte besagen, dass du sie liest und deiner Freundin auf der Zelle übersetzt (...) Lies das niemandem vor.“

93

In einem weiteren Kassiber, der inhaltlich Wiederholungen des vorstehenden enthält, heißt es, an den Rand geschrieben: „Iss (verschlucke) diesen Brief“

III.

1.

94

Die Angeklagten haben sich zu ihren persönlichen Verhältnissen eingelassen wie festgestellt.

2.

95

Sie haben die ihnen zur Last gelegten Taten bestritten.

(1)

96

Die Angeklagte C hat angegeben, ihr Verlobter G und Robert B hätten in den Niederlanden im selben Sportstudio trainiert. B habe ihren Verlobten dort nach Adressen in Deutschland gefragt, weil er wichtige Papiere aus Südamerika, die einen Hotelbau in Peru beträfen, erwarte und es in der Vergangenheit Schwierigkeiten mit der Zustellung in Holland gegeben habe. Dies habe sie geglaubt. Sie habe daraufhin ihrer Freundin, der Angeklagten C (Vorname in der Kurzform „Kasia“), von dem Anliegen B berichtet und diese sei mit der Weitergabe ihrer Anschrift einverstanden gewesen.

97

Als es um die zweite Adresse gegangen sei, habe sie B wieder die Adresse der Angeklagten C angegeben, er habe aber eine neue Anschrift verlangt, da die Zustellung erst beim zweiten Versuch möglich gewesen sei. Die Angeklagte C habe ihr daraufhin Name und Anschrift des G gegeben.

98

B habe noch zwei weitere Adressen haben wollen, da bei der letzten Zustellung wohl nicht die richtigen Dokumente zugestellt worden seien. Daher habe sie erneut bei der Angeklagten C nachgefragt und sodann die Adressen K und R weitergegeben.

99

Nach der Auslieferung der ersten beiden Pakete (Zustelldaten 08.05.2009 und 22.05.2009) sei B verhaftet worden; seit diesem Zeitpunkt habe sie „Böses geahnt“. Die letzten beiden Adressen, nämlich K und R, habe sie noch vor seiner Verhaftung an B weitergegeben. Zugleich räumte sie aber ein, am 14.06.2009 die Angeklagte C per SMS zur Hergabe weiterer Adressen aufgefordert zu haben, dabei könnte es um die Adressen K und R gegangen sein. Erst nach Auslieferung der letzten Pakete, etwa eine Woche später, habe ihr Agnieszka B den Haftbefehl ihres Ehemannes gezeigt und so habe sie erfahren, dass es um Betäubungsmittel gehe; seit dem habe sie es für möglich gehalten, dass Kokain in den Paketen gewesen sein könnte. Zugleich hat die Angeklagte C angegeben, Agnieszka B sei es sehr wichtig gewesen, dass die Pakete für den wichtigen Hotelbau noch ankommen, weshalb sie dieser die letzten beiden Anschriften noch vor der Verhaftung übermittelt habe; sie habe Agnieszka B einen Gefallen tun wollen.

100

Sie habe aber den anderen beiden Angeklagten gegenüber nichts von ihrer Ahnung gesagt.

101

Bei Zustellung des ersten Pakets habe sie sich zufällig bei der Angeklagten C aufgehalten. Gemeinsam mit dieser habe sie das Paket geöffnet, um zu schauen, ob nichts Verdächtiges darin sei. Den B habe sie nicht gut gekannt - ihr Verlobter habe ihm nur einmal sein Auto geliehen, sie selbst habe ihn nur einmal gesehen - und seinen Geschäftspartner in Peru gar nicht. Deshalb habe sie sich vergewissern wollen, ob sich wirklich nur Dokumente im Paket befänden. Dies sei der Fall gewesen, nämlich Dokumente in spanischer Sprache und Skizzen, die Papierbögen seien dick und alt gewesen. Das Paket sei noch in H von K, den B informiert habe, von Polen kommend nach Holland gebracht worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Angeklagte C und sie den K aus S kannten. Dass dieser wiederum Kontakt zu B unterhalte, habe sie bis dahin nicht gewußt.

102

Soweit sie in ihrer polizeilichen Vernehmung angegeben habe, die Kinder der Angeklagten C hätten Papiere entnommen, weil das Paket unbeaufsichtigt herum gelegen habe, diese bemalt und dieser Teil sei dann deshalb weggeworfen worden, B habe gesagt, das sei nicht schlimm, da nur ein Teil der Dokumente fehle, allerdings habe sie ihr versprochenes Geld nicht erhalten, habe sie seinerzeit gelogen. Denn sie habe Angst gehabt.

103

Das zweite Päckchen - sie habe sich erneut zufällig in H wegen eines Immobilientermins aufgehalten - habe sie nicht komplett geöffnet, sondern nur oberflächlich hineingeschaut; Verdächtiges habe sie erneut nicht feststellen können.

104

Nachdem B verhaftet worden sei, habe sie sich doch Sorgen gemacht, dass sich etwas Illegales in den Paketen befinde. Deshalb habe sie die Angeklagte C telefonisch gebeten nachzuschauen, ob etwas Ungewöhnliches in den beiden inzwischen bei dieser befindlichen Pakete sei, diese habe jedoch nichts gefunden. Sie habe deswegen angenommen, es müsse sich um ein sehr kleines Versteck handeln, wenn etwas Illegales darin sei, vielleicht Diamanten. Sie habe sich nicht vorstellen können, dass sich in einem solchen Paket mehr als 100 – 200 g Kokain befänden. Von kokaingetränktem Papier habe sie noch nie etwas gehört, sie sei von der gefundenen großen Menge Kokain völlig überrascht.

105

Als Entgelt habe sie für die ersten beiden Pakete über G von B 400 Euro erhalten, 200 Euro habe sie behalten, für Telefonate und weil sie das zweite Paket mitgebracht habe. Die Angeklagte C habe die restlichen 200 Euro erhalten. Für die letzten beiden Pakete habe Agnieszka B die Überweisung von etwa 750 Euro an die Angeklagte C über Western Union veranlasst. Dieser habe sie den Code zum Abheben übermittelt.

106

In den Telefonaten mit der Angeklagten C hätten sie als Synonym für 400 Euro von 4 Freundinnen gesprochen. Aus ihrer jetzigen Sicht sei das dumm gewesen, denn dadurch hätten sie sich – zu Unrecht – dem Verdacht ausgesetzt, es sei das Synonym für 4.000 Euro. Nach der Verhaftung B - sofort habe sie nicht davon erfahren, aber bald danach – sei sie nicht mehr sicher gewesen, dass wirklich nur Papiere in den Paketen gewesen seien, weshalb sie vorsorglich verschlüsselt gesprochen habe.

107

Die Angeklagte C räumte ein, die Kassiber an die Angeklagte C geschrieben zu haben und gab hierfür verschiedene Erklärungen an:

108

Sie und die Angeklagte C hätten versucht, die Vorwürfe bzw. Anklage zu verstehen. Daher habe sie auch von den bemalten Papieren geschrieben.

109

Sie hätten sich geschrieben, dass sie nichts miteinander absprechen müßten, denn sie würden ja die Wahrheit sagen.

110

Da im Haftbefehl nur die Pakete erwähnt worden seien, die im Juni geliefert worden seien, nicht aber die Mai-Pakete, habe sie die Angeklagte C informieren wollen, dass sie in ihrer Vernehmung ein Mai-Paket genannt habe.

(2)

111

Die Angeklagte C hat sich wie folgt eingelassen:

112

Sie habe nicht gewußt, dass sich in den Paketen Kokain befunden habe. Ende April/Anfang Mai 2009 habe ihre Freundin Justyna C bei ihr angerufen und gefragt, ob sie eine Adresse in Deutschland für den Empfang von Päckchen angeben könne. Sie habe sich natürlich erkundigt, was in den Päckchen sei und warum die Angeklagte C die Päckchen nicht selbst entgegennehme. Die Angeklagte C habe geäußert, die Päckchen enthielten Dokumente und müssten in Deutschland zugestellt werden; auch habe diese nach einer zweiten Adresse in Deutschland gefragt, woraufhin sie eine erneute Zustellung an ihre Adresse vorgeschlagen habe. Die Angeklagte C habe das aber mit der Bemerkung abgelehnt, die Zustellung müsse an eine andere Adresse erfolgen. Deshalb habe sie ihren Bekannten Wolfgang G gefragt, ob er sich 50 Euro für eine Paketzustellung an seine Adresse verdienen wolle. Nachdem das G-Paket angekommen sei, habe die Angeklagte C sie in H besucht und mit ihrem Verlobten und Lebensgefährten, dem Angeklagten K, gesprochen, worüber wisse sie nicht genau, da sie mit dem Wischen des Balkons beschäftigt gewesen sei. Gehört habe sie aber, dass der Angeklagte K die Angeklagte C gefragt habe, was wirklich in den Dokumenten sei, worauf diese geantwortet habe, wirklich nur Dokumente. Damit sei die Skepsis des Angeklagten K zerstreut gewesen und er habe ihr später die Adressen von R und seinem Vater gegeben, welche sie per SMS an die Angeklagte C geschickt habe. Diese Pakete und das erste an sie selbst gesandte Paket seien von K abgeholt worden. Das G-Paket habe die Angeklagte C selbst nach Holland mitgenommen.

113

Sie habe für alle vier Pakete 1.359 Euro erhalten, und zwar 200 Euro in bar, 400 Euro in bar und 759 Euro per Überweisung. Davon hätten G, R und der Vater des Angeklagten K je 50 Euro erhalten. Sie selbst habe das erste Paket nicht geöffnet und nicht gesehen, dass die Angeklagte C dieses Päckchen inspiziert habe. Das zweite Paket habe sie von außen abgetastet, weil sie habe sehen wollen, was darin sei, es habe sich wie Papier angefühlt, deshalb sei sie beruhigt gewesen.

114

Sie habe nur gewusst, dass Dokumente an Adressen in Deutschland gehen sollten, und nie daran gedacht, dass es sich um Drogen handeln könnte.

115

Darüber hinaus hat die Angeklagte C geäußert, dass es der Angeklagten C nicht gepasst habe, dass sie in den Telefonaten das Wort „Paket“ verwende. Dies habe sie beherzigt, indem auch sie in den Telefonaten die Pakete mit „Freundin“, „es“, „das zweite“ umschrieben habe, nicht aber mit dem Wort „Brot“, damit sei tatsächlich Brot gemeint gewesen. Das Wort „Freundin“ hätten sie aber auch manchmal für die Bezeichnung von Euro-Scheinen gebraucht. Im übrigen würden sie immer so miteinander reden.

116

Die Kassiber, die in ihrer Zelle gefunden worden seien, habe sie von der Angeklagten C erhalten und aufgehoben, um sie dem Oberstaatsanwalt zu übergeben, denn diese belegten ihre Unschuld. Hierzu sei es aber wegen der Zellendurchsuchung und der Wegnahme der Kassiber nicht mehr gekommen. Die Angeklagte C habe Angst gehabt und sie deshalb gebeten, gegen B auszusagen.

(3)

117

Der Angeklagte K hat sich wie folgt eingelassen:

118

Er hat angegeben, keine Kenntnis vom Inhalt der Pakete besessen zu haben. Seine Lebensgefährtin, die Angeklagte C, habe ihm gesagt, dass Adressen für die Zustellung von Geschäftspapieren aus Südamerika benötigt würden, da es früher mit den Zustellungen in die Niederlanden Probleme gegeben habe. Geld habe er keines erhalten, er habe von der Western-Union-Überweisung gewußt.

119

Sodann hat er erklärt, die Angeklagte C habe er erst im April 2009 bei einem Besuch in H kennengelernt; anläßlich ihres Besuches im Mai 2009 habe sie „mal kurz“ über Pakete mit wichtigen Dokumenten aus Amerika geredet, von Südamerika habe sie aber nicht gesprochen. Er habe die Adressen seiner Eltern und des R hingegeben. Später habe er die Pakete von seinen Eltern und von R abgeholt. Noch später hätte es einen Anruf gegeben, wonach sich in den Paketen nicht das befunden habe, was drin sein sollte. Die Dokumente aus Amerika hätten sich nicht darin befunden. Er selbst habe kein Geld erhalten, sondern nur jeweils 50 Euro an seinen Vater und R weitergeleitet. Er habe sich sogar bei der Firma TNT telefonisch erkundigt, wo die Pakete blieben; dies hätte er nicht getan, wenn es ihm um eine Beteiligung am BtM-Handel gegangen wäre.

120

Auf Vorhalt des am 08.07.2009 mit R geführten Telefonats hat der Angeklagte erklärt, so würden sie miteinander reden und in Holland sei es ja erlaubt, Drogen zu nehmen.

3.

121

Soweit die Einlassungen der Angeklagten den Feststellungen widersprechen, sind diese widerlegt. Die Gesamtheit folgender Umstände läßt den zweifelsfreien Schluss zu, dass die Angeklagten um den Inhalt der jeweiligen Pakete und um den geplanten Weiterverkauf des Kokains wußten:

122

Die Angeklagte C hat die Tat zu 3. gegenüber dem Polizeibeamten P eingeräumt. Der Versuch, durch ihre Einlassung vor der Kammer dieses Geständnis als „Missverständnis“ darzustellen, musste der Erfolg versagt bleiben:

123

Der Zeuge P hat angegeben, noch am Abend der vorläufigen Festnahme der Angeklagten C als Kriminalbeamter der GER L deren Erstvernehmung in D durchgeführt zu haben. Er habe sie als Beschuldigte belehrt und ihr den Vorwurf erläutert, nämlich an der Einfuhr von Kokain aus Südamerika beteiligt gewesen zu sein, sie müsse keine Angaben machen und dürfe einen Rechtsanwalt hinzuziehen. Die Belehrung sei in deutscher Sprache erfolgt, die anschließende Vernehmung ebenfalls, Anlass, einen Dolmetscher hinzuziehen, habe nicht bestanden, denn eine Verständigung sei möglich gewesen. Wenn sie etwas nicht sofort verstanden habe, habe sie dies gesagt. Möglicherweise hätten sie mitunter Englisch gesprochen, dies erinnere er aber nicht mehr sicher. Eine förmliche Beschuldigtenvernehmung habe er aus mehreren Gründen nicht gefertigt, lediglich einen Aktenvermerk über den Inhalt der Vernehmung niedergelegt. Denn zum einen habe die Angeklagte C gegen Ende der Vernehmung erklärt, sich mit einem Rechtsanwalt besprechen zu wollen, zum anderen sei es ihr im Verlauf des Abends gesundheitlich schlechter gegangen, sie habe über Übelkeit und Magenschmerzen geklagt, habe aber das Angebot, sofort einen Arzt kommen zu lassen abgelehnt. Möglicherweise habe sie sich übergeben müssen, er sei sich nicht mehr sicher, ob er dies selbst erinnere oder er womöglich später davon erfahren habe. Seine während der Vernehmung gestellte Frage, ob sie noch weitermachen könne, habe sie bejaht. Schließlich sei er keiner der Kriminalbeamten gewesen, die unmittelbar mit den Ermittlungen betraut gewesen seien, so dass er keine Details habe vorhalten können oder erfragen können. Dies sollte der späteren Vernehmung durch seine Kollegen und mit Rechtsanwalt vorbehalten bleiben.

124

Inhaltlich habe die Angeklagte C zunächst geleugnet. Als er ihr pauschal vorgehalten habe, die Ermittlungsergebnisse würden aber etwas anderes besagen, sie solle sich überlegen, was sie sage, habe sie geschildert, dass der Kontakt zu B über ihren Lebensgefährten zustande gekommen sei, es sei um Adressen für die Lieferung wichtiger Unterlagen gegangen, hierfür sollte sie entlohnt werden. Sie habe von drei Paketen gesprochen und auf seine Frage, ob sie gewußt habe, dass in den Paketen Kokain gewesen sei, habe sie erklärt, beim ersten, nach H zugestellten, nicht, bei den beiden anderen, die in die Nähe von B gegangen seien, habe sie dies aber gewußt; diese Anschriften habe sie von ihrer Freundin, der Angeklagten C. Die Pakete seien durch einen Kurier in H abgeholt worden.

125

Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen P und an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Der Zeuge hat ausführlich und detailliert die Vernehmungssituation geschildert, soweit er etwas nicht sicher erinnerte, hat er dies offen gesagt.

126

Die Einlassung der Angeklagten C, sie habe nichts zugegeben, ihre in dem Vermerk des Beamten niedergeschriebene geständige Einlassung beruhe auf einem sprachlichen Mißverständnis, ist schon nicht nachvollziehbar und durch die Angaben des Zeugen P widerlegt. Nicht nachvollziehbar, weil die Angeklagte C zugleich erklärt hat, sie sei während der Vernehmung sicher gewesen, er habe sie verstanden, auch vermochte sie den Gang der Vernehmung - übereinstimmend mit den Angaben des Zeugen P – zu schildern, so dass nicht ansatzweise ersichtlich ist, worin das behauptete sprachliche Mißverständnis bestanden haben soll. Dass der Zeuge P das Geständnis erfunden hat, hält die Kammer für ausgeschlossen, zudem es nicht alle Pakete umfasst. Desweiteren ergibt sich aus den Angaben des Zeugen D, dass die Deutschkenntnisse der Angeklagten ein korrektes Verstehen und Kommunzieren erlauben. Der Zeuge D führte mit der Angeklagten am 14.09.2009 eine Beschuldigtenvernehmung durch. Er hat angegeben, zu der Vernehmung sei ein Dolmetscher hinzugezogen worden, allerdings habe die Angeklagte die Übersetzung nicht abgewartet, sondern sogleich auf seine Fragen geantwortet. Sie habe seine Frage, ob sie der deutschen Sprache mächtig sei, bejaht; der Dolmetscher sei hinzugezogen worden, weil sie erklärt habe, manchmal fehlten ihr die Worte.

127

Für die Abgabe des Geständnisses spricht, dass die Einlassung, um das Kokain gewußt zu haben, nahtlos in das Geschehen passt: Die Pakete wurden Mitte Juni abgeschickt, die Verhaftung des B war bereits Anfang Juni erfolgt, von dieser Verhaftung hatte sie noch Anfang Juni erfahren, die beiden Anschriften wurden ihr durch die Angeklagte C erst Mitte Juni mitgeteilt. Der Angeklagten C war klar, dass mit Kenntnis der Verhaftung des B ihr ihre Einlassung, sie habe an Geschäftspapiere geglaubt, für die nach der Verhaftung abgesandten Pakete nicht abgenommen werden würde, mithin ein möglichst frühes Teilgeständnis ratsam erschien. Hierfür spricht auch der der Kassiber-Inhalt, wonach sie die Angeklagte C instruiert, wie der zeitliche Ablauf Verhaftung – Weitergabe Anschriften gewesen sei.

128

Die Angeklagte C ist nicht glaubhaft von dieser zunächst teilgeständigen Einlassung abgerückt. Soweit sie vor der Kammer erklärt hat, sie habe die beiden letzten Anschriften noch vor seiner Verhaftung an B weitergegeben, sie habe daher keinen Anlass gehabt, an den Worten B zu zweifeln, ist dies widerlegt. Denn noch mit SMS vom 14.06.2009 mahnte sie die Angeklagte C, die zwei Adressen zu übersenden. Diese SMS macht nur Sinn, wenn bis dahin die Adressen noch nicht übermittelt worden sind. Auch ist damit – und nur damit – die Bemerkung der Angeklagten C plausibel, sie habe der Agnieszka B einen Gefallen erweisen wollen. Denn unterstellt, sie hätte bereits vor der Verhaftung B die Anschriften an diesen übersandt, wäre kein Raum mehr für irgendein Handeln gewesen, mit dem sie ihr einen Gefallen hätte erweisen können. Der Gefallen war daher der, die Adressen nun an die Ehefrau der B mitzuteilen, weil diese, wie die Angeklagte C erklärt hat, die Geschäfte übernommen hat.

129

Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Angeklagte C bereits bei den Taten zu 1 und 2 um den wahren Inhalt der Pakete gewußt hat:

130

Bereits ihre Einlassung, B habe behauptet, die Anschriften benötige er für die Übersendung wichtiger Dokumente durch seinen Geschäftspartner in Peru für einen Hotelbau, ist, ebenso wie die inhaltsgleiche Einlassung der anderen beiden Angeklagten, lebensfremd, was erst Recht für die Einlassung aller Angeklagten gilt, an die Übersendung von wichtigen Geschäftspapieren geglaubt zu haben.

131

Die Kokain-Pakete waren sehr wertvoll. Der Zeuge D, als Kriminalbeamter der GER zugehörend und daher „Rauschgift“-erfahren, schätzte den Straßenverkaufswert jedes einzelnen Kokain-Pakets, nach Rückgewinnung und Streckung, auf etwa 200.000 Euro, ebenso sein Kollege, der Zeuge K, der seit fast 30 Jahren im Rauschgiftdezernat tätig ist.

132

Alle Angeklagten hatten, im Gegensatz zu G, K und R, deren Ermittlungsverfahren mangels Tatnachweises eingestellt worden sind, eine herausgehobene Stellung inne:

133

Über die Angeklagte C und ihren Verlobten standen sie in fast unmittelbarem Kontakt zu B. B hat vor dem Landgericht H gestanden, der Auftraggeber der Kokain-Pakete gewesen zu sein, mithin selbst die „Befehlsspitze“ gewesen zu sein.

134

Der Kurier K holte die Pakete (Taten 1 und 3) jeweils bei der Angeklagten C, bei der Tat 3 im Beisein auch des Angeklagten K, ab; die Angeklagten wählten nicht den einfachen Weg, die Pakete dort zu belassen, wo sie hingeliefert worden waren, um sie dort durch den Kurier abholen zu lassen, sondern nahmen die Pakete jeweils an sich. Damit kannten nur sie den Kurier und sie brauchten keine unangenehmen Fragen zu beantworten, wieso extra jemand aus Polen kommt - der Pkw des K hatte polnische Kennzeichen, wie der Zeuge B, der am 05.07.2009 den Kurier samt Pkw im Rahmen der Observation der Angeklagten C und K beobachtet und vor der Kammer glaubhaft bekundet hat -, um Pakete, die nach Deutschland verschickt worden waren, weiter in die Niederlande zu bringen. Denn dies hätte, unter Berücksichtigung, dass Peru als Kokainlieferant und die Niederlanden ebenfalls als drogen-nah allgemein bekannt sind, die Adressaten Verdacht schöpfen lassen.

135

Die Angeklagte C hielt sich im Zeitpunkt der ersten beiden Paketlieferungen selbst bei der Angeklagten C auf. Dass dies jeweils zufällig geschah, glaubt die Kammer nicht, vielmehr liegt es nahe, dass diese Besuche einer gewissen Kontrolle dienten und damit der Wichtigkeit und Werthaltigkeit der Paketinhalte geschuldet war.

136

Die Angeklagte C hat gegenüber dem Wolfgang G von Finanzierungsunterlagen gesprochen, wie dieser glaubhaft in seiner Vernehmung vor der Kammer bekundet hat; er hat weiter ausgeführt, sich nicht gewundert zu haben, da auch er Finanzierungen vermittle. Hätte die Angeklagte C aber, wie von ihr behauptet, tatsächlich an Dokumente für einen Hotelbau geglaubt, was hätte näher gelegen, dies dem G als Inhalt der Pakete anzugeben. Statt dessen sprach sie von Finanzierungsunterlagen, weil sie wußte, dass dies dem G plausibel erscheinen und er nicht nachfragen würde.

137

Diese Umstände belegen, dass B von Anfang an offen gelegt hat, was in den Paketen enthalten war. Nur in Kenntnis des enthaltenen wertvollen Kokains kann auf die Pakete „richtig“ aufgepasst werden, das Risiko des Verlustes minimiert werden, konnte B Vertrauen haben, dass die Pakete bei ihm ankommen. Ahnungslosen Empfängern solche Pakete länger als nötig anzuvertrauen, konnte er nicht riskieren. Plausibel ist daher auch das Verhalten der Angeklagten C und K, bei G, R und K sich immer wieder nach der Ankunft der Pakete zu erkundigen und sie möglichst schnell selbst in Besitz zu nehmen. Die Pakete der Tat zu 3 verblieben sogar mehrere Tage bei diesen beiden Angeklagten, was zeigt, welch hohes Vertrauen sie genossen.

138

Hätte es sich – wie die Angeklagten für sich reklamierten – tatsächlich um völlig unverfängliche Dokumente gehandelt, dann ist es schlechterdings unverständlich, weshalb diese noch am 30.06./01.07.2009 bei Klaus-Dieter K bzw. R abgeholt werden mussten, nachdem die Angeklagten C und K für den 02. bis 05.07.2009 eine Fahrt nach Polen planten und durchführten. Erklären lässt sich diese Eile nur damit, dass es allen Angeklagten darum ging, die Kokain-Pakete schnellstmöglich dem Gewahrsam der Nicht-Eingeweihten R und K zu entziehen. Auch das G-Paket hatte die Angeklagte C nach eigener Einlassung noch am Tage der Zustellung bei G abgeholt.

139

In Anbetracht des jeweiligen Paketgewichts und des betriebenen Aufwandes (verschiedene Adressen, Kurierfahrer, Netzwerk aus verschiedenen Personen weltweit) lag es für die Angeklagten auf der Hand, dass es um nicht geringe Mengen Kokain ging.

140

Die Einlassung der Angeklagten C, wenn überhaupt, dann jedenfalls nicht mit mehr als 200 g Kokain je Paket gerechnet zu haben, ist nicht glaubhaft, vielmehr eine reine Schutzbehauptung. Denn es ist nichts ersichtlich, woraus die Angeklagte ihre bloße Hoffnung, auf „nur“ diese Menge hätte gründen können.

141

Die geständige Einlassung des B, die sich auch auf die Feststellungen des Landgerichts H im Urteil vom 15.12.2009 zum Wissen der Paketempfänger bezieht, blieb ohne Einfluss auf die Überzeugungsbildung der Kammer. Denn zum einen hat B vor dem Landgericht H nur pauschal gestanden, ohne irgendwelche Einzelheiten insbesondere zu der vorgenannten Feststellung, zum anderen konnte sich die Kammer kein eigenes Bild von B machen.

142

Ebenso lebensfremd ist die Einlassung, an Geschäftspapiere als Paketinhalt geglaubt zu haben:

143

Die Angeklagte C will B kaum gekannt haben, die Angeklagten C und K kannten ihn überhaupt nicht. Sie alle wußten praktisch nichts über ihn, insbesondere nicht, womit er sein Geld verdient und welche Geschäfte er betreibt. Umgekehrt wußte B angeblich nichts über die Angeklagten, so dass beide Seiten keinen Anlass hatten, einander zu vertrauen. Dieses Vertrauen ist aber erfahrungsgemäß erforderlich, um jemand um seine Anschrift für den Empfang wichtiger Unterlagen zu bitten, zudem hier der Kreis der Zustelladressaten gewollt auf weitere Unbekannte erweitert worden ist. Der Grund, weshalb für jedes Paket eine andere Anschrift erforderlich war, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar, denn die Zustellung wird stets mehrfach versucht. Bei bekanntem Kokaininhalt hingegen machen verschiedene Adressen Sinn, denn wundern sich die Empfänger nicht über die Anzahl der Pakete, schöpfen sie weniger Verdacht. Die Angeklagten wußten aber, dass verschiedene Anschriften genutzt werden.

144

Der Absender Peru hätte ebenfalls Anlass sein müssen, an die Lieferung von Drogen, insbesondere Kokain, zu denken. Dies gilt insbesondere für den Angeklagten K, der nicht nur - wie seine Vorstrafen zeigen - über Drogenerfahrungen im allgemeinen, sondern über Kokainerfahrung im besonderen verfügt. Denn der Zeuge D hat bekundet, den Mathias R als Beschuldigten vernommen zu haben; dieser habe angegeben, vom Angeklagten K immer mal Kokain für den gelegentlichen Konsum zu erhalten. Hierbei ist sich die Kammer des eingeschränkten Beweiswertes der Bekundungen des R bewußt, denn die Kammer konnte sich keinen persönlichen Eindruck verschaffen, da der Zeuge von seinem Recht, gem. § 55 StPO keine Angaben zu machen, Gebrauch gemacht hat.

145

Lebensfremd ist auch, allein für Wartezeiten oder Telefonate Geld mindestens in der festgestellten Höhe zu erhalten. Hinzu kommt, dass die Angeklagten letztlich mehr Geld je Paket erhalten haben als K und R, die nur 50 Euro erhielten. Dass der Angeklagte K keinen Anteil von den überwiesenen 759 Euro erhalten haben soll und das festgestellte Entgelt das einzig gezahlte war, ist ebenfalls nicht glaubhaft. Dagegen spricht der Zusatz in der SMS der Angeklagten C vom 01.07.2009, 16.21 Uhr, in der sie den für die Abhebung bei Western Union erforderlich Code durchgibt und mitteilt, den Rest gebe es in St; tatsächlich hielten sich die Angeklagten C und K sodann in Polen auf, wobei ihnen dort von den Eltern, wohl von einem der aus Polen stammenden Beteiligten, weiteres Geld übergeben wurde.

146

In dem gleich darauf, nämlich noch am 01.07.2009, 16.25 Uhr geführten Telefonat, erkundigt sich die Angeklagte C zunächst, ob die Angeklagte C die SMS „mit dem Dingsda“ erhalten habe, worauf diese antwortet „Ja, ich habe bekommen, aber wieviel haben da seine Eltern für mich?“, die Angeklagte C erwidert „Na weißt du, soviel wie nötig ist. 50 mußte ich haben, weil ich fahren mußte, die lege ich dir für den Rest dazu, was übrig geblieben ist.“ Die Angeklagte C erklärt sodann: „Gehen wir über zu skypen, am Telefon hat es doch keinen Sinn. In zwei Stunden bin ich zu Hause, dann werde ich dir alles in Ruhe erklären. Wenn alles gut ist und du wirst alles haben, dann morgen an Ort und Stelle.“

147

Bereits am 30.06.2009, um 21.34 Uhr, hatte die Angeklagte C der Angeklagten C mitgeteilt, „morgen abend“ zu fahren, worauf diese sagte: „Hervorragend, wunderbar, jeweils 2 Freundinnen gebe ich dir dafür, nicht wahr?“ und die Angeklagte C erwidert: „Ja, gut, gut .... in Ordnung, morgen schickst du es mir. Wir fahren. Dann musst du mir die Adresse schicken, nicht wahr“ und die Angeklagte C versichert, ihr den Code zu schicken.

148

Dieses Telefonat zeigt zugleich, dass die Angeklagten nicht offen von Geld und der Geldhöhe reden, sondern hierfür Synonyme verwenden. Eine plausible Erklärung konnten die Angeklagten C und C nicht geben. Die einzig nachvollziehbare Erklärung ist die, dass gegenüber möglichen Mithörern verschleiert werden sollte, dass über Geld gesprochen wird, so dass sich keine Fragen nach Höhe oder Grund ergeben sollen. Diese konspirative Gesprächsführung kommt in weiteren Gesprächen zum Ausdruck, und dies obwohl doch die Angeklagte C vor der Kammer erklärt hat, weder der Angeklagten C noch dem Angeklagten K über ihren Verdacht, in den Paketen könnte etwas Illegales sein, gesprochen zu haben:

149

Nach der Begrüßung der Angeklagten C und C nimmt das Telefonat vom 01.07.2009, 15.39 Uhr folgenden Verlauf („J“ steht für die Angeklagte Justyna C, „K“ für die Angeklagte Katarzyna C), wobei „Freundin“ hier ersichtlich für die am 30.06.2009 zugestellten Pakete steht, die zu den Angeklagten C und K gelangt waren, bevor das Geld über Western Union abgehoben werden konnte:

150

J: Du wirst dann morgen abends bei seinen Eltern vorbeifahren können. Ja, dann kannst du es abholen. Hast du schon diese Freundin abgeholt?

151

K: Ja, nur verdammt nochmal, da werde ich inzwischen mein eigenes Geld auslegen müssen, verdammt, bis Montag. (..)

152

J: Kasiuana, wenn du alles hast, nimm heraus das ganze und lege es in einen Plastikbeutel und wickle es ein.

153

K: Das andere reinlegen?

154

J: Ja, nimm die beiden da raus und lege es in einen Plastikbeutel und packe es ein.

155

K: Gut, gut.

156

J: Nur bei dem zweiten, schau nach, ob da nicht etwas Verdächtiges ist. Damit nichts passiert.

157

K: Was meinst du? Ich bin erreichbar unter dem Hausanschluss. Aber sieht sehr gut aus, sehr gut.

158

J: Wir wissen, wir wissen, aber du musst da mit jemandem sprechen.

159

K: Gut, ich verstehe.

160

J: Morgen werde ich mich gleich bei dir melden. Dann schicke ich dir auch gleich den Code mit Western Union und dann kannst du das Geld abholen. Damit du es schaffst, wenn ich es dir zukommen lasse, es abzuholen.

161

K: Ich muss noch einmal zum Arzt.

162

J: Gut, dann werde ich dir den Code zuschicken, dass du es dann schaffst.

163

Die in dem Telefonat erfolgte Nachschau nach etwas Verdächtigem läßt in diesem Zusammenhang gerade nicht den Schluss zu, wie von der Angeklagten C behauptet, sie habe Illegales vermutet und deshalb die Angeklagte C nachschauen lassen, denn diese ist ersichtlich in keinster Art und Weise verwundert über die Aufforderung, nachzuschauen, ebensowenig, dass von „Freundin“ statt von Paket gesprochen wird. Die Erläuterung, was die Angeklagte C mit ihrer Bemerkung, „damit da nichts passiert“ meint, will sie nicht am Handy geben, was nachvollziehbar ist, wenn die Überwachung der Gespräche in Betracht gezogen wird. Es liegt vielmehr nahe, dass die Angeklagte nicht nach etwas Illegalem schauen sollte, sondern danach, ob irgendetwas an den Paketen Rückschlüsse auf eine stattgefundene Kontrolle durch die Polizei zulässt, „damit da nichts passiert“. Dies lag nämlich nahe, nachdem die Zustelldauer der beiden Pakete länger als üblich gewesen war und der Angeklagte K bereits nach deren Verbleib geforscht hatte, wie er selbst eingeräumt hat.

164

Auch in der SMS der Angeklagten C an die Angeklagte C am 02.07.2009, 15.30 Uhr heißt es verschleiernd: „Hey, ich hoffe, dass du nicht vergißt, es gut einzupacken.“

165

Die Angeklagten C und C haben eingeräumt, es sei bei dem Telefonat und der SMS jeweils über die Pakete (Tat zu 3) gesprochen worden.

166

Das Telefonat, das der Angeklagte K („K“) am 30.06.2009 mit R („R“) führte, widerlegt die Einlassung, erst nach dem Abholen der (ausgetauschten) Pakete durch K infolge des „Beschwerdeanrufs“ aufmerksam geworden zu sein. Denn bereits am 30.06.2009, 14.01 Uhr, verbietet er dem R, das Paket zu öffnen, nachdem dieser ihn zwei Minuten zuvor über die Ankunft des Pakets informiert hatte und sich zeigte, dass der Angeklagte K es nicht sofort abholen kann:

167

01.07.2009, 13.58 Uhr:

168

K: Ja

169

R: Kannst dir dein Scheiß mal abholen kommen hier.

170

K: Ist da, ja?

171

R: Na klar, habs angenommen, kannst vorbeikommen.

172

K: Ja, alles klar, gegen Abend wirds vielleicht, muss noch nach Magdeburg fahren jetzt noch.

173

R: Ich weiß nicht, ob ich noch da bin (...) Ansonsten müssen wir es morgen machen.

174

K: Vielleicht heute abend um neun oder morgen früh hol ich es ab.

175

R: Wirst sehen, also wenn ich heute abend nicht da bin, denn mach kein Stress, dann morgen vorbei, du.

176

K: Okay, dann bis morgen früh, das ist sowieso besser.

177

R: Ja, ciao

178

K: Gut, bis dann, tschüß.

179

Sogleich, um 14.01 Uhr, ruft der Angeklagte K den R zurück:

180

K: Tu mir einen Gefallen, mach keene Experimente damit.

181

R: Nene, das bleibt schön zu, na klar. Wieso?

182

K: Ich sage nur, keine Experimente, nicht aufmachen.

183

R: Nene, das bleibt schön zu.

184

K: Gut, tschüß

185

Das Telefonat vom 08.07.2009, 21.52 Uhr, das der Angeklagte K mit R geführt hat, enthält keinen Anhaltspunkt, der darauf schließen lassen könnte, der Angeklagte K habe gerade erfahren, dass in dem Paket nicht die erwarteten Dokumente aus Amerika enthalten gewesen seien. Im Gegenteil belegt das Gespräch, dass er genau wußte, dass Kokain hätte enthalten sein müssen, da diese Droge bekanntermaßen am besten geeignet ist, sich „die Nase zuzuballern“, zugleich fordert er ihn auf, nicht anzugeben, dass das Paket zu ihm, dem Angeklagten gelangt war, was nicht nötig wäre, wären nur Dokumente, wenn auch die falschen, zugeschickt worden. Auch belegt das Telefonat, dass er mit Personen, die in das Versenden der Pakete involviert sind - wahrscheinlich die Angeklagte C -, direkt in Kontakt stand:

186

R: Ja

187

K: Du, hör mal.

188

R: Was ist denn?

189

K: Wenn irgend etwas mit den Paketen passiert oder irgend etwas oder falls die Bullen kommen sollten, sag einfach, du hast das Paket weggeworfen.

190

R: Naja, klar.

191

K: Da war Dreck drin, keine Ahnung, wo das herkam, da war nur Papierkram. Du hast das weggeworfen. Angeblich war dieses Zeug nicht drin. Aber, keine Ahnung, wenn was kommen sollte, sagst du, du hast es weggeworfen, war nur Papierkram drin, das andere überall Rotz, ja?

192

R: Ja, jo.

193

K: Ich wollte nur Bescheid sagen, weil ich auf jeden Fall keine neue Nachricht bekommen habe und von daher. Ich sehe es aber nicht ein, scheiß egal, ich hab das Auto kaputt gefahren, ist viel schlimmer.

194

R: Wenn die anderen Penner bei mir an die Tür kloppen, das ist normal, also keine Scheiße.

195

K: Nee, ich hab von ihr keine Nachricht bekommen. Aber ich habe aber gesagt, wenn wenn wenn die sich die Nase zu ballern da drüben, dann sollten die mir nicht so auf den Sack gehen hier.

196

R: Ja, weißt du, die kommen bestimmt, verstehst du.

197

K: Ja, ich sag ja nur vielleicht (... Unverständliche Wortfetzen) gekriegt, kam aus Amerika, ich hab keine Ahnung wo das herkam. Wenn, sagst du keine Ahnung, da war das Zeug nicht drin (...) in Papierkorb und hast weggeworfen.

198

R: Mmh.

199

K: Schön, schön (...) Halle

200

R: (...) Alter, müssen wir mal in Ruhe quatschen.

201

K: Okay, bis dann, tschüß.

202

Auch aus dem am nächsten Tag (09.07.2009, 10.58 Uhr) mit R geführten Telefonat geht hervor, dass der Angeklagte K wußte, dass in dem Paket tatsächlich Drogen hätten enthalten sein müssen; überrascht hierüber wirkt er weiterhin nicht. Nach der Begrüßung und nachdem R ihn darauf hingewiesen hat, dass ihn „Enno“ „anscheißt“ heißt es:

203

R: Das ist genau wie die andere Scheiße, die ich dir erzählt hab, da, weißte?

204

K: Dann mach, dann mach mir keine Vorhaltungen bitte ja.

205

R: Du ziehst mich, du ziehst mich in Dinge rein, die weßte du, die stimmt, du sagst, ich krieg irgendwelches Papier zugeschickt und im Endeffekt ist doch was anderes drin. Das kotzt mich echt an, Alter.

206

K: Frag mich doch ma.

207

R: Ja. Mach, mach, mach doch so was nicht, Alter.

208

K: Ich hab keine Ahnung. Mach, nein, da brauchst dir kenen Kopf machen, hundert pro.

209

R: Hast, hast du Profit dabei?

210

K: Hör jetzt bitte ma zu, jetzt ma hier.

211

R: Hast du heute Profit an der Geschichte? Nä, nä, was, wieso machstn du sowas?

212

K: Mathias, ich hab gestern Bereitschaft und jetzt auch jetzt wieder. Und das is blöde, dass die alle immer so, so viel rauchen, da drüben und kommen nicht klar. Die spinnen rum. Wenn, wenn dann wär wenigstens was passiert, wenn da was gekommen wär, meinst du nicht? Hätten die sich bestimmt längst

213

R: Ja, trotzdem, ich mach mir übelst gerade den Kopp, was ist, wenn, was ist

214

K: (...) voll am Arsch genommen, ganz einfach Matthias.

215

R: Ja

216

K: Was ihr fürn Kopp macht, hier, ich muss mir n Kopp machen, nicht ihr. Mich hätten sie am Arsch genommen, nicht euch. Ich hab die mit her gebracht.

217

R: Ja, wo kams denn hin zu dem ganzen?

218

K: Nee, aber, Dicker. Mann, ihr braucht, wenn, wenn was kommt, braucht ihr bloß sagen, keine Ahnung (...) Da kommt so oder so nichts. Also sonst wär ja schon längst was gekommen.

219

R: Ja, ja.

220

K: Die erzählen bloß Müll da drüben, die Alte.

221

R: Ja, ja

222

(das Gespräch dreht sich nun um den Autounfall)

223

Neben den vorgenannten Umständen, die dafür sprechen, dass die Angeklagte C von Anfang über den Inhalt der Pakete Kenntnis hatte und die beiden übrigen Angeklagten über den Inhalt der Pakete, nämlich Kokain, informiert hat, ist als weiterer Umstand die lange und vertrauensvolle Freundschaft der Angeklagten C und C zu nennen.

224

Sie stammen beide aus derselben Stadt in Polen.

225

Sie sind seit ihrer Schulzeit befreundet, haben den Kontakt zueinander gehalten, obwohl sie bereits seit einigen Jahren in verschiedenen Ländern leben.

226

Sie telefonierten allein in dem hier relevanten Zeitraum vom 30.06. bis 08.07.2009 mehrfach am Tag, wobei aus den Telefonaten zugleich hervorgeht, dass darüber hinaus noch regelmäßig über Skype telefoniert wurde. In zwei der Telefonate vom 30.06.2009, 21.34 Uhr und 23.46 Uhr, heißt es:

227

21.34 Uhr:

228

K: Ja, hallo?

229

J: Na, was ist los Kasiuana?

230

K: Na ja, wir fahren morgen abend.

231

J: Morgen abend? Hervorragend, wunderbar. Jeweils zwei Freundinnen gebe ich dir dafür, nicht wahr?

232

K: Ja, gut, gut.

233

J: Noch für die da, das ist gut.

234

K: In Ordnung und morgen schickst du mir es. Wir fahren. Dann mußt du mir die Adresse schicken, nicht wahr?

235

J: Na, du gibst nur an, von wem es ist und in welches Land, den Code schicke ich dir. Nur diesen Code, Vorname, Zuname und das Land, aus dem es herkommt, das muss ich angeben.

236

K: Ich weiß, worum es geht, was dort läuft. Aber was ist in St, wenn ich da sein werde?

237

J: Für wie lange fährst du da hin, Kasia?

238

K: Wenn ich morgen fahre, wenn nicht zur Beratung bleibe, für drei Tage.

239

J (zu einer Person im Hintergrund): Drei Tage bleibt sie (...).

240

Gut, gut. Nur, brauch ich die genaue Nummer, die habe ich nicht im Gedächtnis.

241

K: Ich schicke es auf die Hausanschrift.

242

J: Du kannst mir dann per Skype das schicken oder eine SMS schicken. Das ist kein Problem.

243

(sie unterhalten sich noch über Abfahrtszeitpunkt und bis wann Abholung am Bahnhof möglich ist, was sich auf die Öffnungszeiten der am Hauptbahnhof in Halle befindlichen Reise-Bank/Western-Union-Bank bezieht; beim Abschied heißt es:)

244

K: Gut dann bis abends, wir telefonieren über Skype.

245

23.46 Uhr:

246

J: Hallo?

247

K: Ich bin da. Und was ist mit Skype?

248

J: Nein, nein, die Eltern schlafen schon.

249

K: Hör zu, du kannst mir durch das Telefon dann

250

J: Ich werde es dir gleich schreiben. Du kannst dann gehen und es dir abholen.

251

K: Das ist das eine und das andere das, was ich dir frühmorgens, schreibe ich dir über Skype.

252

J: Gut, gut. Aber ich habe gedacht, dass ist schon über eine Stunde her, seit du mit mir gesprochen hast.

253

K: Irgendwie ist soviel Gequatsche, der Mund geht gar nicht mehr zu von den Kindern.

254

J: Das ist lustig. Du sprichst viel, aber er, das ist überhaupt schon übertrieben.

255

K: Er quatscht immer soviel.

256

J: Also ich rufe dich früh an und schreibe es dir. Küßchen.

257

Die beiden Angeklagten tauschten sich dabei auch über sehr Persönliches aus, so wußte die Angeklagte um den Schwangerschaftsabbruch, den die Angeklagte C während des Aufenthalts in Polen Anfang Juli 2009 hat durchführen lassen, wie die Angeklagte C in ihrer Einlassung vor der Kammer erklärt hat und worauf Gesprächsinhalte, in denen es um Arzt, Beratung und die Einnahme einer Pille geht, schließen lassen.

258

Dass die Angeklagte C ihr Wissen nicht mit dem Angeklagten K geteilt hat, glaubt die Kammer nicht.

259

Die beiden sind verlobt.

260

Die Angeklagten leben zusammen.

261

Die Telefonate, die der Angeklagte K mit dem R geführt hat, bestätigen sein Wissen.

262

Daher ist die Einlassung, kein Entgelt erhalten zu haben, mithin nichts von dem am 01.07.2009 in bar abgehobenen Geld in Höhe von 759,50 Euro erhalten zu haben, unglaubhaft.

263

Die Angeklagte C hat sich und die Angeklagte C mit den Instruktionen, welche sie dieser mit den sichergestellten Kassibern zukommen ließ, selbst überführt. So sind die Kassiber durch den Versuch geprägt, eine vermeintliche Unkenntnis zu konstruieren und hierzu Versionen abzustimmen

264

(„Merk dir Das, Kasia, lern das auswendig, damit Du in der Gerichtsverhandlung nichts durcheinander bringst. Unsere Rechtsanwälte müssen miteinander Kontakt aufnehmen, dann können sie alles gemeinsam besprechen, damit unsere Versionen übereinstimmen. Ich werde mich daran halten, dass Du von nichts gewusst hast ... Wir haben aber von nichts gewusst. Für Unkenntnis könne sie uns nicht für lange Zeit verurteilen. ... Dies wissen sie nicht, denn damals haben sie uns nicht abgehört.“).

265

Die Erklärungsversuche der Angeklagten C und C, die Kassiber hätten eine andere Bedeutung, sind völlig fernliegend. Die Wahrheit muss bekanntermaßen nicht miteinander abgestimmt werden. Die Kassiber sollten vernichtet werden, so die Aufforderung der Angeklagten C, damit niemand von ihrem Inhalt erfährt, folglich waren sie nicht für den die Ermittlungen leitenden Oberstaatsanwalt bestimmt, wogegen auch spricht, sie in derart kleine Stücke zu zerreißen, dass zur Rekonstruktion die Hilfe der Projektgruppe Manuelle Rekonstruktion der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik benötigt wird.

266

Aus dem Inhalt der Kassiber geht deutlich hervor, dass die Angeklagte C die Angeklagten C darüber in Kenntnis setzen will, dass sie erst nach der Verhaftung des B Verdacht geschöpft habe („Wir müssen alles auf ihn schieben ... Mitte Mai haben sie ihn in Holland eingelocht. Erst danach habe ich erfahren, weshalb“).

267

Die Angeklagte C führt der Angeklagten C die Risiken der Wahrheit deutlich vor Augen, indem sie schreibt: „Wenn K. jedoch gesteht ... dann sind wir erledigt“, „Mit den beschissenen Gesprächen haben wir alles verkackt, dadurch ist alles verdammte Scheiße. Wir haben uns nur das Leben verdorben.“

268

Auch zeigt einer der Kassiber, wie die Angeklagte C dem Telefonat vom 01.07.2009, 15.39 Uhr, in dem sie die Angeklagte C bat, das Paket anzuschauen, eine neue und damit andere Bedeutung „beibringen“ will („Zu unserem Glück verfügen sie auch über das Gespräch, wo du überprüfen sollst, ob dort zufällig nichts vorhanden ist. und ich habe gesagt, dass ich dich vorsichtshalber gebeten habe, zu prüfen, ob dort nicht etwas versteckt ist, z.B. Drogen, deshalb solltest du sie öffnen und umpacken“).

269

Die Gesamtbetrachtung dieser Umstände läßt unzweifelhaft den Schluss zu, dass die Angeklagten wußten, dass sich Kokain in den Paketen befindet, dass es um erhebliche Mengen gehen muss, dass das Kokain nach Deutschland eingeführt wird, um es sodann gewinnbringend weiterzuverkaufen.

270

Die Zeugen K und D haben übereinstimmend angegeben, dass sie zu der GER L gehören und haben, wie festgestellt, den Gang der Ermittlungen und den Verlauf der Vernehmung der Angeklagten C am 24.09.2009 geschildert. Anlass, an deren Angaben zu zweifeln, bestanden nicht.

271

Die Feststellungen zu den Stationen der Pakete beruhen auf den Bekundungen des Zeugen S, der beim Transportunternehmen TNT im Bereich Unternehmenssicherheit tätig ist und anhand seiner Unterlagen Angaben machen konnte zu den Absender- und Empfängeranschriften, dem Lieferweg, den Absende- und Zustelldaten sowie das bei Absendung – gemäß entsprechender Angabe des Versenders - erfasste Gewicht der Pakete Ergänzend hierzu hat der Zeuge M ausgesagt, er habe am 30.06.2009 in der Dienstkleidung eines TNT-Mitarbeiters jeweils eine Paketdublette an Klaus-Dieter K, und Mathias R zugestellt. Der Zeuge B hat glaubhaft bekundet, nach der Paketzustellung an K hätten die Angeklagten K und C den Klaus-Dieter K am Nachmittag des 30.06.2009 besucht und dessen Haus mit einer Plastiktüte in der Hand wieder verlassen. Am Nachmittag des 01.07.2009 habe R dem Angeklagten K in B ein TNT-Paket ausgehändigt.

272

Dass es sich bei dem Kurier um Maciej Tomasz K handelte, folgt zur Überzeugung der Kammer aus der diesbezüglichen Einlassung der Angeklagten C sowie aus der Zeugenaussage B: Der Zeuge B hat auch insoweit glaubhaft bekundet, am 05.07.2009 sei vor dem Haus der Angeklagten C eine wartende Person observiert worden, welche später auf der BAB 2 einer Personenkontrolle unterzogen und als K identifiziert worden sei.

273

Soweit Untersuchungen zum Wirkstoffgehalt mangels Sicherstellung der beiden ersten Kokain-Pakete (Taten zu 1 und 2) nicht durchgeführt werden konnten, hat die Kammer unter Berücksichtigung der Herkunft aller Pakete aus Lima/Peru, der Beteiligung desselben Täterkreises (B), der weiteren vor dem Landgericht H festgestellten Paketlieferungen einschließlich Kokain- Anteil und der beiden bei der Tat zu 3 untersuchten Pakete einen Wirkstoffanteil von etwa 30 % zugrunde gelegt, zugunsten der Angeklagten aber einen Sicherheitsabschlag vorgenommen und daher lediglich einen Wirkstoffanteil von 20 % festgestellt.

274

Keine Zweifel bestehen daran, dass in diesen Paketen überhaupt Kokain enthalten war. In allen durch die Kriminalbeamten der GER L sichergestellten etwa sieben Paketen war Kokain enthalten. Die Angeklagte C beschrieb das Papier des ersten Pakets (Tat zu 1) als dick und alt, was dafür spricht, dass das Papier mit Kokain getränkt war. Anhaltspunkte, dass B sich darüber beschwert hat, dass mit den beiden ersten Paketen nicht stimmte, fehlen; im Gegenteil, die ersten beiden Empfangnahmen einschließlich Weiterleiten der Pakete müssen zu seiner Zufriedenheit gewesen sein, sondern hätte er nicht nach weiteren Adressen gefragt. Hinzu kommt, dass es ja zu Beschwerden über fehlendes Kokain kam, nachdem anläßlich der Tat zu 3 der Austausch vorgenommen worden war.

IV.

275

Die Angeklagten C und C haben sich der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils begangen in drei Fällen, wobei es in einem Fall (Tat zu 3) bei versuchter unerlaubter Einfuhr blieb, strafbar gemacht, §§ 1, 3, 29 a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, 22, 23, 25 Abs. 2, 27 StGB.

276

Ein strafbefreiender Rücktritt vom beendeten Versuch (§ 24 StGB) liegt nicht vor.

277

Die Taten stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit, § 53 StGB.

278

Der Angeklagte K hat sich wegen versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall, nämlich Tat zu 3, strafbar gemacht, §§ 1, 3, 29 a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4 BTMG, 22, 23, 25 Abs. 2, 27, 52 StGB. Auch hier fehlt es an den Voraussetzungen des strafbefreienden Rücktritts vom beendeten Versuch (§ 24 StGB).

279

Die Angeklagten haben vorsätzlich – da wissentlich und willentlich – das auf Betäubungsmittelumsatz gerichtete Verhalten des B unterstützt, indem sie durch ihre Mitwirkung am Versand der Pakete Beihilfe leisteten.

280

Sie sind Mittäter der unerlaubten Einfuhr des Kokain aus Peru nach Deutschland. Denn der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG verlangt nicht das persönliche, eigenhändige Verbringen von Betäubungsmitteln. Es genügt das Verbringenlassen in den Geltungsbereich des Betäubungsmittels durch Dritte oder andere Werkzeuge (z. B. Pakete) und der mittelbare Besitz nebst tatsächlicher Verfügungsmacht über die Betäubungsmittel im Inland.

281

Zugunsten aller Angeklagten ist die Kammer davon ausgegangen, dass die am 30.06.2009 erfolgte Zustellung der beiden letzten Pakete von einem einheitlichen Tatentschluss umfasst war.

282

In allen Fällen war der Grenzwert für die nicht geringe Menge von 5 g Kokainhydrochlorid überschritten.

283

Die Entscheidung über die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel beruht auf § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB.

V.

284

1. Angeklagte C

285

Zunächst war vom Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG auszugehen (§ 52 Abs. 2 StGB), der Freiheitsstrafe von nicht unter 2 Jahren vorsieht.

286

Sodann war zu prüfen, ob jeweils ein minder schwerer Fall der Einfuhr von Betäubungsmitteln vorliegt (§ 30 Abs. 2: Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren), was im Ergebnis zu verneinen war. Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn das Gewicht der Tat unter Berücksichtigung des gesamten Tatbildes einschließlich aller subjektiven Momente und unter umfassender Würdigung der Persönlichkeit des Täters vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Tat wegen des Überwiegens schuldmindernder Umstände in einem solchen Maße abweicht, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen erschiene. Die Prüfung dieser Frage erfordert eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Bewertung der Tat und des Täters von Bedeutung sind, unabhängig davon, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorangehen oder nachfolgen.

287

Die Kammer hat hierbei insbesondere folgende Gesichtspunkte abgewogen:

288

Die Angeklagte ist nur unwesentlich vorbestraft. Sie ist Erstverbüßerin und besonders haftempfindlich, da ihre Familie in Polen lebt, ihr Verlobter in den Niederlanden, sie daher selten Besuch erhalten wird. Sie hatte innerhalb des Organisationsgefüges lediglich die Position eines Kuriers inne. Bei den Taten zu 1 und zu 3 hat sie Aufklärungshilfe im Sinne von § 31 Nr. 1 BtMG geleistet. Denn sie hat durch freiwillige Offenbarung ihres Wissens wesentlich dazu beigetragen, dass die Tat über ihren eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte (§ 31 Nr. 1 BtMG), indem sie gegenüber dem Kriminalbeamten P die Paketlieferung an die Angeklagte C erklärte (Tat zu 1) und gegenüber den Kriminalbeamten D und B benannte und preisgab, dass diese das Kokaingeschäft ihres Mannes übernommen und – nach Verhaftung des Robert B – den Kontakt zu dem unbekannten Mittäter in Peru gehalten habe (Tat zu 3). Die Tat zu 3 blieb infolge der Sicherstellung der Kokain-Pakete im Versuch stecken; das Kokain kam nicht in Umlauf. Die Angeklagte gab B als Auftraggeber an (eine Aufklärungshilfe war hierin nicht zu sehn, da dessen Täterschaft bereits bekannt gewesen war). Sie war zumindest zeitweise - gegenüber dem Kriminalbeamten P - teilgeständig. Das an sie gezahlte Entgelt war nicht so hoch.

289

Kokain gehört zu den gefährlichen Drogen. Die Qualität war durchschnittlich. Die nicht geringe Menge war in allen Fällen erheblich überschritten: bei der Tat zu 1 um das 120-fache, bei der Tat zu 2 um das 127-fache und bei der Tat zu 3 um das 406-fache. Die Taten waren sorgfältig geplant und organisiert worden, mit Hilfe eines weltweiten Netzwerkes nach Peru, Deutschland, Polen und in die Niederlande. Die Festnahme des B hielt die Angeklagte nicht von der Begehung der Tat zu 3 ab.

290

Bei den Taten zu 1 und 3 hat die Kammer von ihrem Ermessen, die Strafe jeweils gem. § 31 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 2 StGB zu mildern, Gebrauch gemacht, so dass sich das Mindestmaß auf das gesetzliche absenkt (§ 38 Abs. 2 StGB), mithin von einem Strafrahmen Freiheitsstrafe von 1 Monat bis zu 15 Jahren auszugehen war.

291

Bei der Tat zu 3 hat die Kammer darüber hinaus von ihrem Ermessen, die Strafe wegen Versuchs zu mildern (§§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB), Gebrauch gemacht, so dass für diese Tat von einem Strafrahmen auszugehen war, der Freiheitsstrafe von 1 Monat bis zu 11 Jahren und 3 Monaten vorsieht.

292

Auf Grundlage der Schuld der Angeklagten und unter Berücksichtigung der Wirkungen, die von der Strafe für ihr künftiges Leben in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB) hielt die Kammer folgende Einzelstrafen für angemessen: für die Taten zu 1 und zu 2 jeweils eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und für die Tat zu 3 eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren.

293

Unter nochmaliger Abwägung insbesondere der oben aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte sowie unter Erhöhung der verwirkten höchsten Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren hat die Kammer auf eine tat- und schuldangemessene Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren erkannt, wobei wegen der sich in zeitlicher, örtlicher und situativer Hinsicht ähnelnden Straftaten ein enger Zusammenzug vorgenommen wurde.

294

2. Angeklagte C

295

Auch hier war zunächst für die Taten 1 bis 3 der Strafrahmen gem. § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zugrunde zu legen.

296

Ein minder schwerer Fall (zu dessen Voraussetzungen siehe oben zu V.1.) gem. § 30 Abs. 2 BtMG mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren war unter Berücksichtigung folgender Umstände im Ergebnis für alle Taten zu verneinen:

297

Die Angeklagte ist Erstverbüßerin und besonders haftempfindlich, da ihre Familie in Polen lebt und sie nicht nur von ihren Kindern getrennt ist, sondern sich diese in staatlicher Obhut befinden. Sie hatte innerhalb des Organisationsgefüges lediglich die Position eines Kuriers inne. Die Tat zu 3 blieb infolge der Sicherstellung der Kokain-Pakete im Versuch stecken; das Kokain kam nicht in Umlauf. Das an sie gezahlte Entgelt war nicht so hoch.

298

Kokain gehört zu den gefährlichen Drogen. Die Qualität war durchschnittlich. Die nicht geringe Menge war in allen Fällen erheblich überschritten: bei der Tat zu 1 um das 120-fache, bei der Tat zu 2 um das 127-fache und bei der Tat zu 3 um das 406-fache. Die Taten waren sorgfältig geplant und organisiert worden, mit Hilfe eines weltweiten Netzwerkes nach Peru, Deutschland, Polen und in die Niederlande. Die Angeklagte ist vorbestraft.

299

Hinsichtlich der Tat zu 3 hat die Kammer von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Strafrahmen gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB zu mildern. Daraus resultiert ein Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 11 Jahren und 3 Monaten Freiheitsstrafe.

300

Bei der konkreten Strafzumessung gemäß § 46 StGB hat die Kammer unter Berücksichtigung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen erachtet: für die Taten zu 1 und 2 eine Freiheitsstrafe von jeweils 3 Jahren und 6 Monaten und für die Tat zu 3 eine Freiheitsstrafe von drei Jahren.

301

Unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung der Person der Angeklagten sowie der einzelnen Straftaten, unter Erhöhung der verwirkten höchsten Einzelfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten hielt die Kammer gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten tat- und schuldangemessen. Dabei wurde der enge zeitliche und situative Zusammenhang der Taten berücksichtigt.

302

3. Angeklagter K

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Die Kammer hat zunächst den Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zugrundegelegt.

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Sodann wurde auch hier geprüft, ob die Gesamtwürdigung der Tat und der Täterpersönlichkeit so gewichtige Umstände ergibt, dass die mildernden Faktoren die erschwerenden Umstände überwiegen und ein minder schwerer Fall gem. § 30 Abs. 2 BtMG anzunehmen ist, was im Ergebnis zu verneinen war:

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Der Angeklagte hatte innerhalb des Organisationsgefüges lediglich die Position eines Kuriers inne. Die Tat blieb infolge der Sicherstellung der Kokain-Pakete im Versuch stecken; das Kokain kam nicht in Umlauf. Der Angeklagte hat nur geringes Entgelt erhalten, nämlich einen Anteil in unbekannter Höhe von „nur“ 759,50 Euro. Er wird die mit Urteil des Amtsgerichts H vom 14.05.2008 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe und den Strafrest aus dem Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer – vom 09.10.2006 verbüßen müssen, da mit einem Widerruf der gewährten Bewährung zu rechnen ist.

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Kokain gehört zu den gefährlichen Drogen. Die Qualität war durchschnittlich. Die nicht geringe Menge war erheblich überschritten, nämlich um das 406-fache. Die Taten waren sorgfältig geplant und organisiert worden, mit Hilfe eines weltweiten Netzwerkes nach Peru, Deutschland, Polen und in die Niederlande. Der Angeklagte ist erheblich und einschlägig vorbestraft. Er stand unter laufender Bewährung. Weder dies noch seine Hafterfahrung haben ihn von der Tatbegehung abhalten können.

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Allerdings hat die Kammer von der Milderungsmöglichkeit gem. §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB Gebrauch gemacht hat, so dass die Strafe aus dem Strafrahmen zu bilden war, der Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 11 Jahren und 3 Monaten vorsieht.

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Unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer auf eine tat- und schuldangemessene Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten erkannt.

VI.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 466 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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