Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 87/09

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 01. Juli 2009 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird zurück gewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 115.260,82 Euro festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz und Schmerzensgeldzahlung wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler im Zusammenhang mit drei Revisionsoperationen an seinem linken Hüftgelenk sowie wegen Aufklärungsversäumnissen im Vorfeld der Operationen in Anspruch. Ferner begehrt er die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Folgeschäden.

2

Dem Kläger wurde im Februar 1993 in der Einrichtung der Beklagten zu 1) eine Endoprothese links eingesetzt, die ihm über einen Zeitraum von 10 Jahren keine Beschwerden bereitete. Seiner Tätigkeit als Bauleiter im Industrieanlagenbau konnte er uneingeschränkt nachgehen.

3

Da bei dem Kläger ab März 2003 starke Schmerzen in der rechten Hüfte sowie dem rechten Kniegelenk auftraten, konsultierte er noch im März 2003 den Beklagten zu 2), der als Direktor das orthopädische Klinikum in der Einrichtung der Beklagten zu 1) leitet. Dieser empfahl nach röntgenologischer Untersuchung des Klägers neben einer Implantatversorgung der rechten Hüfte zugleich einen Pfannenwechsel an der linken Hüfte.

4

Vor dem operativen Eingriff, der auf den 15. Mai 2003 angesetzt war, wurde dem Kläger am 14. Mai 2003 zur Aufklärung über die Risiken und den Verlauf der Wechseloperation ein Film auf DVD vorgeführt. Im Anschluss hieran erhielt er Gelegenheit, Fragen an den Stationsarzt Dr. med. He.                 zu richten, und unterzeichnete darauf hin den ihm zu dem geplanten Eingriff "Wechsel einer Hüft-Endoprothese" ausgehändigten Aufklärungsbogen, in dem es zu den Risiken auszugsweise wie folgt heißt:

5

"Trotz strengster Hygiene und Sterilität sind Infektionen nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen. Oberflächliche Wundinfekte heilen meist problemlos aus, sie verzögern lediglich die Wundheilung. Tiefe Infekte, die bis auf die Prothese reichen, sind weitaus komplizierter und machen oft eine nochmalige Operation, in komplizierten Fällen einen Ausbau der Prothese erforderlich.

6

Nach der Operation weist Sie der Arzt auf risikoreiche Bewegungen des operierten Beins hin, die in den ersten Monaten nach der Operation vermieden werden sollten. Solche Bewegungen sind beispielsweise das Überschlagen des operierten Beins über das andere Bein, ein Auswärtsdrehen des Beins und die Beugung des Hüftgelenks über 90 °. Manchmal müssen sie bestimmte Bewegungen auf Dauer meiden, um ein Ausrenken der Prothese zu verhindern. Zu einem solchen Ausrenken kann es jedoch auch bei Unfällen und einem Sturz kommen. Dann ist in der Regel ein Einrenken unter Narkose erforderlich. Springt ein Gelenk häufig heraus, ist eine nochmalige Operation meist der einzige Weg, um eine dauerhafte Heilung zu erreichen.

7

Meist früher als nach dem Ersteinsatz einer Prothese kann es zu einer Lockerung des künstlichen Gelenks kommen, so dass ein erneuter Prothesenwechsel erforderlich wird. Entzündungen können ebenfalls zur vorzeitigen Lockerung führen. In diesen Fällen wird ein Prothesenausbau und gegebenenfalls der zeitweilige Einbau eines Platzhalters notwendig, bis nach Ausheilung der Infektion ein neues künstliches Gelenk eingebaut werden kann."

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vordruck des Aufklärungsgesprächs vom 14. Mai 2003 – Band I Blatt 157 – 158 d.A. verwiesen.

9

In der OP am 15. Mai 2003 ersetzte der Beklagte zu 2) zunächst das rechte Hüftgelenk durch eine zementfreie Endoprothese und führte anschließend am linken Hüftgelenk einen Pfannenwechsel nach vorausgegangener Knochenplastik unter Verwendung des rechten Hüftkopfes durch. Die neue Hüftpfanne wurde mit drei Schrauben augmentiert und ein sog. "Offset-Inlay" gewählt, welches weiter aus der Pfanne heraus stand, um zusätzliche Stabilität zu verleihen.

10

Der Kläger wurde zeitnah nach dem Eingriff unter Vollbelastung mobilisiert.

11

Während der sich anschließenden Heilbehandlung im T. Bad in B. stellte der Kläger eine Verdickung des unteren Narbengewebes an der linken Hüfte fest. Im Juli 2003 suchte er erneut den Beklagten zu 2) auf, der im Folgenden mehrere Punktionen im Narben- und Gelenkbereich vornahm.

12

Da die Beschwerden anhielten, führte der Beklagte zu 2) am 09. Oktober 2003 eine Revisionsoperation an der linken Hüfte durch und nahm dabei einen Schaftwechsel vor. Im Vorfeld des Eingriffs unterzeichnete der Kläger am 08. Oktober 2003 erneut eine Aufklärungserklärung, die dem Vordruck vom 14. Mai 2003 inhaltlich entsprach.

13

Am 27. Oktober, 27. November und 31. Dezember 2003 kam es bei dem Kläger zu Luxationen (Ausrenkungen) des linken Hüftgelenkes, die im Klinikum … stationär und am 31. Dezember 2003 ambulant behandelt werden mussten. Am 12. Januar 2004 konsultierte der Kläger erneut den Beklagten zu 2). Anschließend trat wiederum eine Luxation auf, die der Kläger im Klinikum … ambulant behandeln ließ.

14

Nach vorheriger Unterzeichnung eines Aufklärungsbogens am 14. Januar 2004 nahm der Beklagte zu 2) am 15. Januar 2004 einen weiteren operativen Eingriff an der linken Hüfte vor, in dem er die Hüftpfanne nochmals umsetzte und ein Luxationsband anbrachte.

15

Im Anschluss an die Nachuntersuchung vom 13. April 2004 trat bei dem Kläger am 30 April 2004 erneut eine Luxation auf, die im Klinikum … ambulant gerichtet wurde. Der Kläger ließ sich darauf hin am 21. Juni 2004 im Universitätsklinikum … an der linken Hüfte operieren. Dort wurde ihm ein neuer Gelenkkopf eingesetzt.

16

Im Oktober 2004 leitete der Kläger vor der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern ein Schlichtungsverfahren ein. Auf der Grundlage des von der Schlichtungsstelle eingeholten orthopädischen Gutachtens des Prof. Dr. med. H. vom 06. Juni 2005 stellte die Schlichtungsstelle in ihrem Votum vom 25. Oktober 2005 ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen des Beklagten zu 2) fest, das sie in der Hauptsache in einer fehlerhaften Positionierung der Hüftpfanne im Zuge des operativen Pfannenwechsels und einer sofortigen Mobilisierung des Patienten im Rahmen der Nachsorge erblickte. Den in der nachfolgenden Revisionsoperation vom 09. Oktober 2003 durchgeführten Schaftwechsel hielt die Schlichtungsstelle zunächst zwar nicht für indiziert, diese Bewertung korrigierte sie allerdings mit weiterem Schreiben vom 23. Februar 2006 und führte insoweit ergänzend aus, dass die Schaftwechseloperation wegen des Verdachts einer Infektion gerechtfertigt erschienen sei.

17

Wegen der Einzelheiten des Schlichtungsverfahrens nimmt der Senat auf das orthopädische Gutachten des Prof. Dr. H. vom 06. Juni 2005 – Anlage K 2 – Band I Blatt 27 – 48 d.A. –, das Votum der Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen der norddeutschen Ärztekammern vom 25. Oktober 2005 – Anlage K 1 Blatt 23 bis 26 d.A. – sowie die ergänzende Stellungnahme vom 23. Februar 2007 – Band I Blatt 135 – 137 d.A. – Bezug.

18

Der Beklagte ist ab dem 01. November 2004 in den vorzeitigen Ruhestand getreten und bezieht seither Altersrente.

19

Der Kläger hat behauptet, er sei vor dem Eingriff am 15. Mai 2003 nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Operation aufgeklärt worden. Insbesondere sei er nicht darüber belehrt worden, dass nach einer Revisions-OP vermehrt Luxationen auftreten könnten. Weder habe man mit ihm den vorgeführten OP-Film im einzelnen besprochen, noch sei ihm der Aufklärungsbogen erläutert worden, diesen habe er vielmehr unbesehen unterzeichnet. Wäre er über die Risiken des Eingriffs ordnungsgemäß aufgeklärt worden, so hätte er einem Pfannenwechsel nicht zugestimmt.

20

Des weiteren hat er behauptet, dass der Wechsel der Hüftpfanne allenfalls relativ indiziert gewesen sei. Da er seinerzeit noch unter keinerlei Beschwerden an der linken Hüfte gelitten habe, habe aus seiner Sicht auch keine Veranlassung zu einer Revisionsoperation bestanden. Die Operation hätte vielmehr ohne weiteres noch zeitlich verschoben werden können.

21

Er hat überdies die Ansicht vertreten, dass die Implantation der neuen Hüftpfanne am 15. Mai 2003 nicht dem fachärztlich geschuldeten Behandlungsstandard entsprochen habe. Hierzu hat er behauptet, dass die Pfanne zu steil und mit zu geringer Neigung  (Anteversion) implantiert worden sei, so dass Luxationen geradezu vorprogrammiert gewesen seien. Auch sei die Pfanne auf der linken Seite nicht so eingesetzt worden, dass eine ausreichende knöcherne Integration habe erwartet werden können. Der Beklagte zu 2) habe überdies versäumt, intraoperativ eine Überprüfung der Beweglichkeit der Pfanne vorzunehmen.

22

Als behandlungsfehlerhaft habe sich auch die postoperative Nachbehandlung erwiesen, da der Beklagte zu 2) nicht für eine ausreichend lange Immobilität und Entlastung der Hüftregion Sorge getragen habe, sondern den Kläger aus der stationären Behandlung unter Vollbelastung der Hüfte entlassen habe. Diese postoperative Vorgehensweise habe weitere Hüftluxationen begünstigt. Im September 2003 habe er zwei Hüftluxationen erleiden müssen, wobei es ihm seinerzeit gelungen sei, durch Strecken, Dehnen sowie Drehen des Beins das Gelenk wiederum selbst einzurenken.

23

Auch die weitere Revisionsoperation vom 09. Oktober 2003 habe nicht den Regeln der fachärztlichen Kunst entsprochen. Eine Indikation für einen Schaftwechsel habe nicht bestanden. Ein erneuter Wechsel der Pfanne mit besserer Positionierung und die Anbringung eines Luxationsringes wäre ausreichend gewesen und hätte die durch den Schaftwechsel hervor gerufenen Komplikationen vermieden. Eine Infektionssituation habe keineswegs vorgelegen. Im übrigen hätte eine etwaige Infektion ohne weiteres durch ein Breitbandantibiotikum behandelt werden können.

24

Die Tatsache, dass im Nachgang der in der Universitätsklinik in … im Juni 2004 durchgeführten Operation keine weiteren Luxationen aufgetreten seien, weise darauf hin, dass alle vorangegangenen, in dem Klinikum der Beklagten zu 1) von dem Beklagten zu 2) ausgeführten Eingriffe des Beklagten zu 2) behandlungsfehlerhaft gewesen sein müssten, da sie den gewünschten Behandlungserfolg nicht hätten herbei führen können.

25

Mit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung, innerhalb der ihm eingeräumten Schriftsatzfrist eingegangenen Schriftsatz vom 18. Juni 2009 hat der Kläger behauptet, dass der Beklagte zu 2) die dritte Operation vom 15. Januar 2004 hätte so durchführen müssen, wie sie anschließend in der Universitätsklinik in … am 21. Juni 2004 ausgeführt worden sei, nämlich durch Implantation eines größeren Gelenkkopfes.

26

Er ist zudem der Meinung gewesen, dass die Beklagten ihm jedenfalls wegen einer unzureichenden Aufklärung haften müssten. Denn auch im Vorfeld der OP vom 09. Oktober 2003 sei er über die möglichen Behandlungsalternativen nicht hinreichend aufgeklärt worden.

27

Im Hinblick auf Art und Intensität der erlittenen Beeinträchtigungen und der eingetretenen Schmerzchronifizierung stünde ihm wegen des behandlungsfehlerhaften Vorgehens des Beklagten zu 2) ein Schmerzensgeld in Höhe von zumindest 44.789,68 Euro zu. Seinen Beruf als Bauleiter habe er infolge der aus der Fehlbehandlung resultierenden Beschwerden letztlich aufgeben müssen, was bei ihm zuweilen depressive Verstimmungen auslöse. Er ist zudem der Ansicht gewesen, dass sich sowohl die acht als äußerst schmerzhaft empfundenen Luxationen als auch das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten schmerzensgelderhöhend auswirken müssten. Ihm stehe überdies ein Anspruch auf Ersatz seines Haushaltsführungsschadens für den Zeitraum vom 01. August 2003 bis 31. August 2006 zu. Hierzu hat er behauptet, dass er vor seiner Operation regelmäßig ca. 22 h pro Woche im Haushalt mit geholfen habe, wozu er nunmehr körperlich nicht mehr in der Lage sei. Bei Einsatz einer Hilfskraft zu einem Stundenlohn von 8,- Euro wären in dem Zeitraum vom 01. August 2003 bis 31. August 2006 Haushaltsführungskosten von insgesamt 13.193,14 Euro entstanden. Der Senat nimmt im übrigen auf die Schadensaufstellung des Klägers auf Seite 14 bis 16 der Klageschrift vom 15. November 2006 Bezug.

28

Da er durch die Fehlbehandlung der Beklagten seine Erwerbsfähigkeit eingebüßt habe, könne er des weiteren ab 01. August 2003 einen Erwerbsschaden geltend machen. Der Erwerbsschaden sei für den Zeitraum vom 01. August 2003 bis zum 31. Oktober 2004 als Differenzbetrag zwischen seinem Nettoeinkommen und dem empfangenen Kranken- und Übergangsgeld in Höhe von 4.164,77 Euro zu berechnen. In dem Zeitraum ab Eintritt in die Altersruhezeit am 01. November 2004 bis zum 31. Oktober 2006 belaufe sich der Erwerbsschaden als Differenz zwischen ursprünglich erzieltem Nettoeinkommen und Renteneinkünften auf insgesamt 15.958,40 Euro. Darüber hinaus sei ihm aufgrund von Zuzahlungen zu den ärztlichen Untersuchungen und Hilfsmitteln sowie den Arzthonoraren gemäß seiner Aufstellung auf Seite 19 der Klageschrift vom15. November 2006 ein weiterer materieller Schaden in Höhe von 1.386,29 Euro entstanden. Aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei mit zukünftigen materiellen und immateriellen Folgeschäden zu rechnen.

29

Der Kläger hat beantragt,

30

I. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nicht unter 44.789,68 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 20. Dezember 2006 zu zahlen;

31

II. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 30.537, 83 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 20. Dezember 2006 zu zahlen.

32

III. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Zukunftsschäden ab 20. Dezember 2006 zu ersetzen, die ihm aus der fehlerhaften Behandlung durch die Beklagte resultieren, sofern nicht diese Ansprüche auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

33

Die Beklagten haben beantragt,

34

die Klage abzuweisen.

35

Sie haben behauptet, dass die Revisionsoperation an der linken Hüfte am 15. Mai 2003 mit dem durchgeführten Pfannenwechsel medizinisch absolut indiziert gewesen sei. Eine röntgenonologische Untersuchung der linken Hüfte habe nämlich eine auffällige Veränderung im Hüftgelenk mit Dezentrierung des Hüftkopfes aufgrund eines massiven Polyäthylenabriebes ergeben. Zudem seien Osteonekrosen im Pfannenbereich (Osteolysen = Knochenabbau) festzustellen gewesen. Es habe ein erhebliches Knochendefizit vorgelegen, das eine umgehende operative Behandlung erfordert habe, da bei einem weiteren Zuwarten das Risiko bestanden habe, dass die Osteolysen und Nekrosen eine Dimension einnehmen, die eine Rekonstruktion nicht mehr zugelassen hätte. Im Extremfall hätte es zu einer Beckendiskontinuität (Durchtrennung des Beckens aufgrund der Osteolysen) kommen können. Da auf der rechten Seite der Einsatz einer Endoprothese ohnehin geplant gewesen sei, habe es sich im Hinblick auf den progredienten osteolytischen Prozess der linken Seite angeboten, den operativen Eingriff an beiden Hüftgelenken in einem Termin durchzuführen. Der Vorteil einer beidseitigen Operation habe im übrigen auch darin bestanden, dass körpereigene Knochensubstanz der rechten Hüftseite zur Ausfüllung der entsprechenden Knochendefekte auf der linken Seite hätte verwendet werden können und auf diese Weise Abstoßungsreaktionen vermieden würden. Die OP selbst habe in jeder Hinsicht den internationalen fachärztlichen Standards entsprochen, insbesondere sei die Hüftpfanne keinesfalls zu steil implantiert worden. Der Beklagte zu 2) habe in jedem Fall auch intraoperativ das Hüftgelenk auf Beweglichkeit und Luxationsstabilität hin überprüft. Dass der Beklagte zu 2) in der postoperativen Nachbehandlungsphase nicht eine zeitweilige Entlastung und Immobilisation angeordnet habe, sondern vielmehr eine volle Belastbarkeit des operierten Patienten für sinnvoll erachtet habe, sei ebenfalls nicht als behandlungsfehlerhaft zu werten. Die Tatsache, dass die Pfanne mit drei Schrauben zusätzlich stabilisiert worden sei, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Die Verschraubung sei im Hinblick auf die durchgeführte Wechseloperation sinnvoll gewesen, um eine zusätzliche Rotationsstabilität bei im übrigen geschwächter Knochensituation zu erreichen. Auch der in der zweiten Revisionsoperation am 09. Oktober 2003 durchgeführte Schaftwechsel sei medizinisch indiziert gewesen. Bereits anlässlich der Vorstellung am 21. Juli 2003 habe der Kläger über starke Schmerzen in der linken Hüfte geklagt. Die durch den Beklagten zu 2) veranlasste röntgenonologische Überprüfung habe Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich der Schaft im proximalen Teil zunehmend gelockert habe, d.h. eine wachsende Atrophie des Knochens bestanden habe. Im unteren Bereich des Schaftes seien zystische Veränderungen zu erkennen gewesen, die eine Ausgliederung des Gesamtsystems als naheliegend erscheinen ließen. Da der Kläger auch in den Nachfolgeterminen über Schmerzen und Schwellungs- und Rötungserscheinungen am unteren Narbenpol (Verwölbung am unteren Wundpol) geklagt habe, habe der Verdacht einer Infektion (low grade Infektion) bestanden, bei der sich Granulationsgewebe (infiziertes Gewebe) nach außen durcharbeite. Der Schaftwechsel sei sowohl aufgrund des low grade Infektes mit Granulationsgewebebildung und der Gefahr eines Durchbruches als auch aufgrund der drohenden Schaftlockerung angezeigt gewesen. Die low grade Infektion habe allein mit Antibiotika nicht behandelt werden können. Behandlungsalternativen habe es nicht gegeben. Die Beklagten haben zudem behauptet, dass der Kläger vor den operativen Eingriffen über deren Verlauf und Risiken umfassend aufgeklärt worden sei. Er habe sich am 14. Mai 2003 zunächst allein und anschließend nochmals im Beisein des Stationsarztes Dr. med. He. eine DVD über die geplante Revisionsoperation angeschaut. Im Anschluss hieran habe der Stationsarzt den Aufklärungsbogen mit dem Kläger im einzelnen durchgesprochen, der ihn sodann unterzeichnet habe. Der Kläger hätte einer Operation in jedem Fall zugestimmt, weil sich bereits aus den Röntgenaufnahmen eine absolute Operationsindikation ergeben habe und sich überdies aufgrund der am 15. Mai 2003 ohnehin geplanten Operation der rechten Hüfte optimale Voraussetzungen für einen gleichzeitigen Pfannenwechsel im linken Hüftbereich geboten hätten. Jede weitere Verzögerung der Revisionsoperation an der linken Hüfte hätte nämlich größere Risiken auslösen können.

36

Die von dem Kläger behaupteten körperlichen Folgebeeinträchtigungen und Einschränkungen in der persönlichen Lebensführung des Klägers haben die Beklagten in Abrede gestellt und die Schmerzensgeldvorstellungen des Klägers überdies für weit übersetzt gehalten. Den geltend gemachten Haushaltsführungsschaden sowie den Erwerbsschaden und die sonstigen materiellen Schadenspositionen haben sie nach Grund und Höhe bestritten.

37

Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 26. Juni 2007 Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen PD Dr. med. K. M. vom 07. August 2008 Bezug genommen (Band II Blatt 72 bis 124 d.A.), das er in dem Termin der mündlichen Verhandlung vom 03. Juni 2009 mündlich erörtert hat (Band II Blatt 192 – 197 d.A.). Das Landgericht hat den Kläger und den Beklagten zu 2) des weiteren informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörungen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 03. Juni 2009 Bezug genommen (Band II Blatt 191 – 199 d.A.).

38

Mit dem am 01. Juli 2009 verkündeten Urteil (Band III Blatt 2 – 23 d.A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass eine Schadensersatzhaftung der Beklagten wegen eines Aufklärungsversäumnisses nicht in Betracht komme, denn die von dem Kläger unterzeichneten Aufklärungsbögen, denen als Privaturkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit zukommen würde, belegten, dass der Kläger sowohl im Vorfeld der Operation vom 15. Mai 2003 als auch vor der Folgeoperation am 09. Oktober 2003 umfassend aufgeklärt worden sei. Der Kläger sei insbesondere über die Dringlichkeit des Eingriffs informiert worden. Wie der Sachverständige Dr. med. M. in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt habe, habe eine absolute Operationsindikation bestanden, auch wenn der Kläger selbst noch nicht über Beschwerden geklagt habe. Dass sich der Kläger in einem präoperativen Entscheidungskonflikt befunden hätte, wenn er über die Möglichkeit einer zeitlichen Verschiebung der Operation aufgeklärt worden wäre, sei nach dem Ergebnis seiner persönlichen Anhörung nicht ersichtlich. Echte Behandlungsalternativen habe es nicht gegeben, so dass den Beklagten auch insoweit kein Aufklärungsversäumnis angelastet werden könne. Auch die Aufklärung vor der Folgeoperation am 09. Oktober 2003 sei nicht zu beanstanden, zumal auch insoweit keine aufklärungsbedürftigen Behandlungsalternativen vorgelegen hätten. Die Beweisaufnahme habe zudem auf der Grundlage des Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. med. M. ergeben, dass den Beklagten weder anlässlich der Operation am 15. Mai 2003 noch anlässlich des am 09. Oktober 2003 durchgeführten Folgeeingriffs ein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Auch die sofortige Mobilisation des Klägers begegne nach den überzeugenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen keinen Bedenken. Da das Gutachten des Sachverständigen PD Dr. med. M. eine ausreichende Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung geboten habe, habe sich das Landgericht - trotz der Abweichungen zu den Feststellungen des durch die Schlichtungsstelle eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. med. H. - nicht zur Einholung eines Obergutachtens nach § 412 ZPO veranlasst gesehen.

39

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiter verfolgt.

40

Er vertritt die Ansicht, dass die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts auf einem erheblichen Verfahrensfehler beruhen würden. Das Landgericht hätte mit Blick auf die entscheidungserheblichen Widersprüche zwischen dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen PD Dr. med. M. und den Ausführungen des vorprozessual eingeschalteten Schlichtungsgutachters Prof. Dr. med. H. dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Obergutachtens Folge leisten müssen, zumal der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. med. M. bei seiner Anhörung selbst eingeräumt habe, dass er weder den Inklinations- noch den Neigungswinkel anhand der Röntgenaufnahmen zuverlässig habe feststellen können. Das Landgericht habe darüber hinaus das weitere Vorbringen des Klägers aus dessen nachgereichten Schriftsatz vom 18. Juni 2009, mit dem er die Operation vom 15. Januar 2004 als fehlerhaft angegriffen habe, in verfahrenswidriger Weise übergangen. Die Erklärungen des Sachverständigen in seiner mündlichen Anhörung, dass nach mehreren Luxationen ein größerer Kopf hätte implantiert werden können, ließen darauf schließen, dass der Beklagte zu 2) jedenfalls die dritte Operation vom 15.Januar 2004 hätte so ausführen müssen, wie es sodann am 21. Juni 2004 in der Universitätsklinik in … geschehen sei. Den Beklagten sei aber zumindest ein Aufklärungsverschulden anzulasten. Denn sie hätten den Kläger weder über das erhöhte Risiko einer Pfannenlockerung noch über die Gefahr von Luxationen ausreichend belehrt. Auch eine Aufklärung über die Gefahr einer "Low-Grade-Infektion" habe nicht statt gefunden. Zu Unrecht habe sich das Landgericht mit dem Fehlen eines Entscheidungskonfliktes bei dem Kläger befasst. Denn ohne den Einwand einer hypothetischen Einwilligung sei dem Gericht versagt, auf die Plausibilität eines Entscheidungskonfliktes überhaupt einzugehen.

41

Der Kläger beantragt,

42

I. das am 01. Juli 2009 verkündete Urteil des Landgerichts Halle abzuändern und

43

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nicht unter 44.789,68 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 20. Dezember 2006 zu zahlen;

44

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 30.537, 83 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 20. Dezember 2006 zu zahlen.

45

3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Zukunftsschäden ab 20. Dezember 2006 zu ersetzen, die ihm aus der fehlerhaften Behandlung durch die Beklagte resultieren, sofern nicht diese Ansprüche auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

46

II. hilfsweise den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an  das Landgericht Halle zurück zu verweisen.

47

Die Beklagten beantragen,

48

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

49

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Was den Vortrag des Klägers aus dem nach Anhörung des Sachverständigen eingegangenen Schriftsatz vom 18. Juni 2009 im Hinblick auf den Eingriff vom 15. Januar 2004 anbelangt, so rügen die Beklagten die Verspätung dieses neuen Vortrages. Im übrigen halten sie daran fest, dass der Kläger – unterstellt, es sei nicht ordnungsgemäß aufklärt worden - einer gleichzeitigen Operation beider Hüftgelenke in jedem Fall auch bei Kenntnis sämtlicher Operationsrisiken zugestimmt hätte.

50

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

51

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

52

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden wegen eines Behandlungsfehlers des als Klinikdirektor in der Einrichtung der Beklagten zu 1) tätigen Beklagten zu 2) im Zusammenhang mit der operativen Versorgung der linken Hüfte des Klägers verneint. Auch eine Haftung der Beklagten wegen eines Aufklärungsversäumnisses muss im Streitfall ausscheiden.

I.

53

Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB) wegen einer angeblichen fehlerhaften operativen Behandlung des linken Hüftgelenkes weder aus dem Behandlungsvertrag mit der Beklagten zu 1) nach §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 611, 278 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB noch aus unerlaubter Handlung nach §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2, 31, 89 BGB ein Anspruch auf Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden zu.

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1. Revisionsoperation vom 15. Mai 2003: Pfannenwechsel an der linken Hüfte

55

Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen die erstinstanzliche Feststellung des Landgerichts, dass dem Beklagten zu 2) bei dem operativen Eingriff am 15. Mai 2003 ein Behandlungsfehler nicht unterlaufen ist.

56

Das Landgericht hat, gestützt auf die gutachterlichen Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen PD Dr. med. M. in dessen Gutachten vom 07. August 2008, den Wechsel der Hüftpfanne zutreffend als medizinisch indiziert erachtet und überdies beanstandungsfrei festgestellt, dass die Durchführung der Operation den Regeln der fachärztlichen Kunst entsprochen habe.

57

Der Senat sieht für eine Neubewertung der durch das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachengrundlage keinen Anlass. Die Beweiserhebung des Landgerichts lässt weder Rechtsfehler erkennen, noch sind konkrete Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen begründen und eine Wiederholung der Beweisaufnahme gebieten könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

58

Das Landgericht hat die fachkundigen Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen PD Dr. med. M. in dessen Gutachten vom 07. August 2008, das er im Termin der mündlichen Verhandlung am 03. Juni 2009 mündlich erörtert hat, vielmehr erschöpfend und zutreffend gewürdigt. Die Berufungsangriffe des Klägers gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts sind nicht geeignet, dessen tatsächliche Feststellungen zu der Vornahme des Pfannenwechsels nachhaltig zu erschüttern.

59

a) Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Tatsachenfeststellung gebieten.

60

Konkreter Anhaltspunkt im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lässt, kann dabei jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen sein. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber dagegen ausschließen (vgl. Rimmelspacher in MünchKomm-ZPO/Aktualisierungsband, 2. Auflage, § 529 Rdn. 11 f.; Musielak/Ball, ZPO, 3. Auflage, § 529 Rdn. 9 f.; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 529 Rdn. 3; Rimmelspacher, NJW-Sonderheft zum 2. Hannoveraner ZPO-Symposion, 2003, 11, 15; derselbe, Bruno Rimmelspacher, Die Berufungsgründe im reformierten Zivilprozess NJW 2002, 1897, 1900 f.). Konkrete Anhaltspunkte können sich dabei insbesondere aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sein mögen (vgl. BGH NJW 2004, 2825, 2826; BGH NJW 2004, 2828 m.w.N.). Zweifel im Sinne der Vorschrift liegen dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also die Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGH NJW 2003, 3480, 3481; BGH NJW 2004, 2825, 2826; Heßler in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 529 ZPO Rdn. 3 m.w.N). Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen, die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind (vgl. BGH NJW 2003, 3480, 3481; BGH NJW 2004, 2825, 2826; Heßler in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 529 ZPO Rdn. 9).

61

b) Ein solcher, für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung sprechender konkreter Anhaltspunkt ist von der Berufung im Hinblick auf die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts zu der ersten Revisionsoperation vom 15. Mai 2003 indessen nicht aufgezeigt worden. Die Berufungsangriffe des Klägers erschöpfen sich vielmehr ausschließlich darin, dass er die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen abweichend gewürdigt wissen will.

62

Keinen Bedenken begegnet, dass sich das Landgericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung auf die in sich stichhaltigen Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. med. M. in dessen orthopädischen Gutachten vom 07. August 2008 (Band II Blatt 72 bis 123 d.A.) sowie auf das Ergebnis der mündlichen Anhörung des Sachverständigen in dem Termin der mündlichen Verhandlung vom 03. Juni 2009 (Band II Blatt 191 bis 199 d.A.) gestützt hat.

63

Der Sachverständige hat nach Untersuchung des Klägers und sorgfältiger Auswertung der ihm zur Verfügung gestellten Behandlungsunterlagen in seinem schriftlichen Gutachten vom 08. August 2008 überzeugend ausgeführt, dass die Revisionsoperation vom 15. Mai 2003 den fachärztlichen Standards entsprochen habe und ein Fehler des Beklagten zu 2) bei Vornahme des Pfannenwechsels nicht feststellbar sei.

64

aa) Indikation der OP:

65

Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Eingriff an der linken Hüfte des Klägers medizinisch indiziert gewesen sei, auch wenn der Kläger selbst noch unter keinen klinischen Beschwerden gelitten haben möge. Bei dem Kläger habe zweifelsfrei eine Osteolyse (Auflösung und Abbau von Knochengewebe) im Bereich des Pfannenbodens vorgelegen. Der fortschreitende Knochenabbau habe erstmals anhand einer Röntgenaufnahme aus dem Jahre 2000 festgestellt werden können und sich bis zum Jahre 2003 sichtbar vergrößert. Die Osteolyse sei mit großer Wahrscheinlichkeit auf Abriebpartikel zurück zu führen. Der Polyäthylenabrieb lasse sich hier dadurch nachweisen, dass ab dem Jahre 2000 eine Asymmetrie im Bereich des linken Hüftgelenkes zu beobachten gewesen sei. Der Polyäthylenabrieb führe zu einer Schädigung des Knochenlagers. In der internationalen Literatur werde er als Hauptursache für eine aseptische Hüft-TEP-Lockerung beschrieben. Im Hinblick auf diesen Befund sei ein Pfannenwechsel und eine Rekonstruktion des knöchernen Lagers geboten gewesen. Eine andere Behandlungsalternative als ein operativer Eingriff habe nicht bestanden. Hätte der Kläger mit der Operation weiter zugewartet, hätte sich in der Zwischenzeit der Knochendefekt vergrößern können, was die notwendige Revision letztlich erschwert hätte. Im übrigen hätte die Gefahr bestanden, dass es zu einem Kollaps des Pfannensystems auf Grund der Osteolysen gekommen wäre. Dass der Kläger seinerzeit noch nicht über klinische Beschwerden geklagt habe, sei nicht ungewöhnlich, denn die aseptische Pfannenlockerung entwickele sich häufig über einen längeren Zeitraum völlig unbemerkt. Klage der Patient über gluteale Schmerzen, liege bereits eine ausgeprägte Osteolyse vor, bei der die Rekonstruktion mit großem Aufwand, höheren Operationsrisiken und Funktionseinschränkungen verbunden sei. Da der Kläger ohnehin an der rechten Hüfte habe operiert werden müssen, habe es sich angeboten, die Revisionsoperation an der linken Hüfte zeitgleich durchzuführen. Der Vorteil einer beidseitigen Hüft-OP habe insbesondere darin bestanden, dass zum Ausfüllen des Knochendefektes eigene Knochensubstanz aus dem rechten Hüftlager habe Verwendung finden können.

66

Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung hat er diesen Befund erneut bestätigt und hierzu ergänzend ausgeführt, dass die Osteolyse hinter der Pfanne aufgetreten sei, der Hüftkopf sei nach außen gerutscht und habe nicht mehr im eigentlichen Zentrum gestanden.

67

Der Senat hegt keine Zweifel an der Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen des Sachverständigen PD Dr. med. M. . Der Sachverständige ist im Rahmen seiner Begutachtung von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen, die er unter Berücksichtigung seiner Fachkunde erschöpfend gewürdigt hat. Er hat die ihm zur Verfügung gestellten Röntgenbilder und sonstigen Behandlungsunterlagen umfassend und sorgfältig ausgewertet und hierauf seine nachvollziehbar begründete und stichhaltige Beurteilung gestützt. Die Ausführungen des Sachverständigen sind in sich stimmig und erkennbar von seiner Sachkunde auf dem Gebiet der Orthopädie getragen. Der Senat hegt keine Zweifel an der Fachkompetenz des gerichtlich bestellten Sachverständigen, die auch von dem Kläger in keiner Weise in Frage gestellt wird.

68

Die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen zur Indikation der Wechseloperation stehen im übrigen im Einklang mit den Ausführungen des im Rahmen des Schlichtungsverfahrens von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammer beauftragten Schlichtungsgutachters Prof. Dr. med. H. . Der Schlichtungsgutachter Prof. Dr. med. H. hat in seinem orthopädischen Gutachten vom 06. Juni 2005 (Band I Blatt 27 ff d.A.) gleichfalls festgestellt, dass sich im Röntgenverlauf eine zunehmende zystische Formation im Pfannengrund auf der linken Seite abgebildet habe, die als Hinweis auf eine beginnende Lockerung der Hüftpfanne in Verbindung mit einer Dezentrierung des Hüftkopfes zu werten sei, auch wenn dies seinerzeit klinisch noch nicht symptomatisch gewesen sei. Der Schlichtungsgutachter hat insoweit bestätigt, dass eine frühzeitige Wechseloperation sachgerecht gewesen sei, um eine weitergehende Destruktion des Prothesenlagers zu vermeiden, die durch vermehrten Polyäthylabrieb auftreten könne. Für einen gleichzeitigen Wechsel der Hüftpfanne links mit einer Prothesenimplantation rechts habe hier gesprochen, dass aufgrund dieser Kombination autologe Knochen von der rechten Hüfte für die Substitution des Pfannendefektes links verfügbar gewesen seien.

69

Der Senat hat nach alledem im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass die Durchführung der Wechseloperation medizinisch indiziert war.

70

bb) Behandlungsfehlerfreie Durchführung der Revisionsoperation:

71

Dass das Landgericht auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen PD Dr. med. M. vom 07. August 2008 einen Behandlungsfehler bei Durchführung der Revisionsoperation verneint hat, begegnet gleichfalls keinen Bedenken.

72

(1) Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat – nach sorgfältiger Analyse der Krankenunterlagen und Vermessung der Röntgenbilder - im einzelnen ausgeführt, dass Hinweise auf ein unsachgemäßes, fehlerhaftes Vorgehen bei der OP nicht festzustellen gewesen seien. Insbesondere sei die Positionierung der Hüftpfanne aus fachärztlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die Stellung der Pfanne weiche nicht von dem fachärztlich geschuldeten Behandlungsstandard ab. Die ursprünglich im Jahre 1993 eingesetzte Hüftpfanne habe ausweislich der vorliegenden Röntgenbilder einen Inklinationswinkel von 49 bis 50 ° aufgewiesen (Neigung zur Waagrechten); die am 15. Mai 2003 gewechselte Hüftpfanne sei in einem Inklinationswinkel von 51 ° implantiert worden, so dass zunächst keine größere Abweichung zum präoperativen Zustand bestanden habe. Die späteren Kontrolluntersuchungen hätten dann allerdings eine Vergrößerung des Inklinationswinkels ergeben, so dass in der Folgezeit eine erneute Revision erforderlich geworden sei. Der vergrößerte Inklinationswinkel habe sich demzufolge erst zu einem späteren Zeitpunkt postoperativ heraus gebildet und dadurch das Risiko von Luxationen erhöht. In seiner mündlichen Anhörung hat er ergänzend ausgeführt, dass es keinen festen Richtwert für einen optimalen Inklinationswinkel gebe. Im allgemeinen werde ein Winkel von 45 ° angestrebt mit einem Toleranzbereich von +/ - 10 °. Eine Pfannenposition mit einem Inklinationswinkel von 50 ° habe sich daher noch innerhalb des Toleranzbereiches bewegt. Des weiteren sei der Neigungswinkel (Anteversion) zu beachten, der im allgemeinen bei 15 ° mit einem Spielraum von ebenfalls +/- 10 ° liege. Es komme allerdings stets auf die bei der Revision vorgefundene Behandlungssituation an, insbesondere auf die vorgefundene Knochensubstanz bzw. auf das Vorliegen von Knochendefekten. Je nach den Umständen könne es daher sein, dass eine Pfanne in Einzelfällen auch mit einem abweichenden Inklinationsgrad implantiert werden müsse, um eine stabile knöcherne Integration zu erreichen. Der Beklagte zu 2) habe die Revisionspfanne auf der linken Seite im Ergebnis so eingesetzt, dass eine ausreichende knöcherne Integration durch den ortsständigen Knochen habe erwartet werden können. Dem Operationsbericht sei in diesem Zusammenhang zu entnehmen gewesen, dass der Beklagte zu 2) die Pfannensituation intraoperativ überprüft und als absolut stabil eingeschätzt habe.

73

(2) Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen nach eigener kritischer Würdigung an. Die gutachterliche Beurteilung des Inklinationswinkels beruht auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage. Der Sachverständige hat die präoperativ und postoperativ angefertigten Röntgenbilder im einzelnen konkret vermessen und sorgfältig analysiert. Soweit er bei seiner Anhörung eingeräumt hat, dass einer Winkelausmessung anhand der Röntgenaufnahmen Grenzen gesetzt seien und er Feststellungen zu einem Neigungswinkel nicht habe treffen können, hat dies den Beweiswert seiner Feststellungen nicht in Frage stellen können. Seine Angaben zu den vermessenen Inklinationswinkeln vermögen aber jedenfalls als Annäherungswerte einen gewissen Aufschluss über die richtige Positionierung der Hüftpfanne zu geben. Die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen zu dem Operationsverlauf sind fachlich fundiert, in sich stimmig und nachvollziehbar. Das Gutachten ist insgesamt folgerichtig und plausibel aufgebaut. Mit den gegen sein Gutachten erhobenen Einwendungen des Klägers hat sich der Sachverständige zudem im Rahmen seiner erstinstanzlichen Anhörung überzeugend auseinander gesetzt.

74

(3) Die Tatsache, dass die Feststellungen des Sachverständigen zur Positionierung der Hüftpfanne von dem im vorprozessualen Schlichtungsverfahren eingeholten Gutachten des Schlichtungsgutachters Prof. Dr. med. H. inhaltlich abweichen, hat dem Senat im Ergebnis keine Veranlassung zu einer weitergehenden Beweiserhebung durch Einholung eines Obergutachtens (§ 412 ZPO) geboten.

75

(a) Der Senat verkennt nicht, dass von dem Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert ist, wenn eine Partei ein medizinisches Gutachten vorlegt, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht. Gerade in Arzthaftungsprozessen sind Äußerungen medizinischer Sachverständiger kritisch auf ihre Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit hin zu überprüfen. Dies gilt nicht nur für Widersprüche zwischen einzelnen Erklärungen desselben Sachverständigen, sondern insbesondere auch für Widersprüche zwischen Äußerungen mehrerer Sachverständiger, selbst wenn es dabei um ein Privatgutachten geht. Das erkennende Gericht darf in diesem Fall den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass es ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einen von ihnen den Vorzug gibt (vgl. BGH VersR 2009, 975 – 976 zitiert nach juris; BGH VersR 2009, 499 – 500 zitiert nach juris; BGH VersR 2008, 1676 – 1677 zitiert nach juris; BGH NJW 2004, 1871 – 1872 zitiert nach juris; BGH NJW-RR 2009, 387 – 389 zitiert nach juris). Erkennbare Unklarheiten und Widersprüchen hat der Tatrichter vielmehr nachzugehen, sie dem Sachverständigen konkret vorzuhalten und im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung erforderlichenfalls ein weiteres Gutachten einzuholen (vgl. BGH NJW 2004, 1871 – 1872 zitiert nach juris; BGH NJW-RR 2009, 387 – 389 zitiert nach juris).

76

(b) Diesen Anforderungen vermag die erstinstanzliche Beweiswürdigung jedoch durchaus zu genügen. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kann der Senat insoweit nicht feststellen.

77

Der gerichtlich bestellte Sachverständige PD Dr. med. M. hat sich mit dem Ergebnis des Vorgutachtens des Schlichtungsgutachters Prof. Dr. med. H. sowie dem Votum der Schlichtungsstelle vom 25. Oktober 2005 (Band I Blatt 23 – 26 d.A.) in seinem Gutachten eingehend auseinander gesetzt und seine abweichende Beurteilung überzeugend begründet. Die Beantwortung der Beweisfragen des Beweisbeschlusses des Landgerichts vom 26. Juni 2007, in dem unter Abschnitt B 12) auf das Gutachten des Schlichtungsgutachters Prof. Dr. med. H. unmittelbar Bezug genommen worden ist, erforderte eine Auseinandersetzung mit der Einschätzung des Schlichtungsgutachters zu der Positionierung der Hüftpfanne. Dem hat sich der Sachverständige Dr. med. M. auch gestellt, worauf er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 01. Oktober 2008 (Band II Blatt 146 d.A.) hingewiesen hat. Der Sachverständige erklärt sich die unterschiedliche Bewertung dadurch, dass der Schlichtungsgutachter Prof. Dr. med. H. den Kläger weder klinisch untersucht noch sämtliche Röntgenbilder ausgemessen habe. Im Unterschied zu dem Schlichtungsgutachter habe er dagegen weitergehende und vertiefte Erkenntnisse aus der körperlichen Untersuchung des Klägers und der Vermessung der Röntgenbilder gewinnen können.

78

Das Landgericht ist den entscheidungserheblichen Widersprüchen zwischen dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen einerseits und den Ausführungen des Schlichtungsgutachters andererseits sowie den Gründen für die unterschiedliche Bewertung darüber hinaus dadurch weiter nachgegangen, dass es den Sachverständigen im Termin der mündlichen Verhandlung vom 03. Juni 2009 hierzu angehört und mit den abweichenden Ausführungen des Schlichtungsgutachters konfrontiert hat. Der Sachverständige hat die Feststellungen aus seinem Gutachten vom 07. August 2008 im Rahmen seiner mündlichen Anhörung bekräftigt und im übrigen hervor gehoben, dass ihm alle Röntgenaufnahmen vorgelegen hätten, die er sämtlich vermessen habe, wobei er allerdings angegeben hat, dass das Ausmessen des exakten Inklinationswinkels anhand des Röntgenbildes durchaus mit Schwierigkeiten verbunden sei. Den Neigungswinkel (Anteversion) habe er anhand der Röntgenbilder nicht ausmessen können. Er gehe jedoch davon aus, dass sich die Lage der Pfanne nach der Operation verändert habe. Er hat darüber hinaus ausgeführt, dass es bei der Positionierung der Pfanne keine festen Richtwerte gebe, sondern ohnehin immer die konkreten Umstände des Falles, insbesondere die vorgefundene Knochenstruktur, zu berücksichtigen seien. Durch die mündliche Anhörung des gerichtlich bestellten Sachverständigen unter Konfrontation mit den Aussagen des Gutachters im Schlichtungsverfahren hat sich das Landgericht eine hinreichend sichere Grundlage für seine Überzeugungsbildung geschaffen, welchem der Gutachter folgt.

79

Der Senat hält im Ergebnis einer umfassenden Würdigung der einander widerstreitenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen PD Dr. med. M. einerseits und des Schlichtungsgutachters Prof. Dr. med. H. andererseits die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen für überzeugend und richtig. Dessen Gutachten beruht auf einer dichteren Tatsachen- und damit Erkenntnisgrundlage als das des Schlichtungsgutachters. Letzterem standen zwar gleichfalls die Krankenunterlagen und Röntgenaufnahmen für seine Begutachtung zur Verfügung. Dass er die Röntgenbilder jedoch konkret vermessen habe, geht aus seinem Gutachten nicht hervor. Der Schlichtungsgutachter hat vielmehr nur recht pauschal festgestellt, dass bei Betrachtung sämtlicher Röntgenaufnahmen eine relativ steil implantierte Hüftpfanne mit wenig Anteversion (Neigung) auffalle (Band I Blatt 42/45 d.A.), ohne jedoch zugleich anzugeben, ob er seine Einschätzung auf konkrete Messergebnisse und Untersuchungen stützt. Eine annähernd exakte Bestimmung der Position der gewechselten Hüftpfanne lässt sich dem Gutachten nicht entnehmen. Ohne Angabe von Vergleichswerten und ohne nähere Begründung der getroffenen Feststellung vermag der Senat eine Abweichung von dem üblichen Behandlungsstandard indessen nicht zuverlässig einzuschätzen.

80

Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat darüber hinaus nachvollziehbar ausgeführt, dass die Positionierung der Pfanne insbesondere auch von der vorgefundenen Knochensubstanz abhängig sei, die sich bei dem Kläger wegen vorhandener Knochendefekte als problematisch erwiesen habe. In Revisionssituationen komme es nicht selten vor, dass eine optimale Pfanneninklinationsposition deshalb nicht gewählt werden könne, weil eine stabile knöcherne Integration hierdurch nicht sicher gestellt werden könne. Die Pfanne müsse aber in jedem Fall so plaziert werden, dass die nach Lage der Dinge bestmögliche Stabilität und knöcherne Integration gewährleistet werden könne.

81

Mit diesen Faktoren, die für die Wahl der richtigen Pfannenposition gleichfalls maßgeblich sein können, hat sich der Schlichtungsgutachter Prof. Dr. med. H. dagegen in seinem Gutachten nicht auseinander gesetzt. Seine Bewertung erschöpft sich vielmehr in der recht pauschalen Feststellung, dass eine "noch steilere Position der Hüftpfanne" auffalle. Worauf er seine Einschätzung stützt, dass der Fehler hätte vermieden werden können, wenn die Hüftpfanne weniger steil implantiert worden wäre mit etwas mehr Anteversion, geht aus dem Schlichtungsgutachten nicht hervor. Dabei hat der Schlichtungsgutachter in seinem Gutachten zugleich auf das Risiko hingewiesen, dass bei Wechseloperationen von Hüftendoprothesen Luxationsereignisse aus unterschiedlichen Gründen gehäuft auftreten könnten. Er geht danach selbst davon aus, dass die Gefahr von Luxationen nicht allein auf die Positionierung der Hüftpfanne zurück zu führen sei, sondern unterschiedliche Ursachen haben könne.

82

Die Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. M. lassen eine differenziertere Betrachtung der Befunde und eine fundierte Durchdringung der Materie erkennen, was dem Gutachten insgesamt eine hohe Überzeugungskraft zu verleihen vermag. Dass sich das Landgericht bei seiner Überzeugungsbildung im Zusammenhang mit der richtigen Positionierung der Hüftpfanne – nach ergänzender Anhörung des Sachverständigen - auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. M. gestützt und die Einholung eines Obergutachtens nach § 412 ZPO nicht für notwendig erachtet hat, ist nach alledem nicht zu beanstanden.

83

cc) Nachbehandlung bzw. postoperative Nachsorge:

84

Die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen lassen auch insoweit keine Rechtsfehler erkennen, als das Landgericht - im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme - ein unsachgemäßes und damit fehlerhaftes postoperatives Vorgehen des Beklagten zu 2) während der Nachbehandlungsphase als nicht erwiesen angesehen hat.

85

Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. med. M. hat überzeugend begründet, dass eine Immobilisation des Klägers nach Durchführung einer Pfannenwechseloperation nicht zu empfehlen gewesen sei. Gerade weil der Kläger an beiden Hüftgelenken operiert worden sei (Implantierung einer Endoprothese rechts und Revisionsoperation links), hält der Sachverständige eine Entlastung oder Immobilisation des linken Beines für nicht sachgerecht. Er hat hierzu ausgeführt, dass eine zementfreie Hüftgelenkspfanne im allgemeinen sofort als belastungsstabil eingeordnet werde, sofern sie rotationsstabil in einem guten knöchernen Lager verankert sei. Dem Operationsbericht sei zu entnehmen gewesen, dass die Hüftpfanne im Becken stabil eingepasst worden sei. Eine Vollbelastung habe sich insofern auch deshalb als sinnvoll erwiesen, weil hierdurch nicht nur die Dauer eines Krankenhausaufenthaltes habe verkürzt werden können, sondern insbesondere eine Muskelatrophie verhindert und die körperliche Leistungsfähigkeit am schnellsten wieder hergestellt werde. Eine länger andauernde Entlastung der Hüftgelenke habe eine bessere knöcherne Integration und die Vermeidung von Luxationen dagegen nicht garantieren können. Im Gegenteil habe eine schnelle Mobilisation unter Vollbelastung an zwei Unterarmstützen zur Vermeidung einer Muskelatrophie beitragen und so eine Luxationstendenz vermindern können. Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige auf konkrete Nachfrage des Landgerichts ergänzend ausgeführt, dass das Anheben eines Beins ähnliche Kräfte wie eine Gehbelastung an Unterarmstützen erfordere und auch mit Rücksicht hierauf eine Belastung an Unterarmstützen nicht fehlerhaft, sondern gängige Praxis auch in seiner Klinik sei.

86

Soweit der gerichtlich bestellte Sachverständige auch in diesem Punkt von dem im vorprozessual angestrengten Schlichtungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. med. H. abweicht, ist ebenfalls den gutachterlichen Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen - im Ergebnis einer umfassenden Würdigung und Gegenüberstellung der abweichenden Standpunkte - der Vorzug zu geben. Er hat sich mit den abweichenden Ausführungen des Schlichtungsgutachters auseinander gesetzt und hierzu ausgeführt, dass in der orthopädischen Praxis im allgemeinen Einigkeit bestehe, dass die postoperative Nachbehandlung nach einer Hüftprothesenrevision auf eine schnellstmögliche Mobilisation des Patienten abzielen müsse, um zusätzliche Komplikationen wie Muskelatrophie, Embolien und Thrombosen zu vermeiden, zumal eine vollständige Entlastung eines endoprothetisch versorgten Hüftgelenkes auch kaum möglich sei. Auch die Tatsache, dass im Bereich der linken Hüfte eine Pressfitpfanne mit drei zusätzlichen Schrauben verwendet worden sei, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Schlichtungsgutachters hat er bei seiner mündlichen Anhörung ergänzend festgestellt, dass nicht die Rede davon sein könne, dass die Hüftpfanne hier auf einer "schwimmenden Knochenmasse" aufgebracht worden sei. Eine solche Feststellung habe er nicht treffen können. Dem Operationsbericht habe er vielmehr entnehmen können, dass die Knochenmasse verfestigt und die Pfanne stabil mittels dreier Schrauben fixiert worden sei. Diese überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. M. hat der Kläger mit seiner Berufung nicht weiter angegriffen.

87

Im übrigen geht aus dem Schlichtungsgutachten des Prof. Dr. med. H. hervor, dass der Kläger auch nach der letzten Operation in der Universitätsklinik in … postoperativ unmittelbar mobilisiert worden ist, ohne dass dies zu Nachteilen für den Kläger geführt hat.

88

2. Operativer Eingriff vom 09. Oktober 2003: Schaftwechsel

89

Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist dem Beklagten zu 2) ein zum Schadensersatz verpflichtender schuldhafter Behandlungsfehler auch nicht bei der zweiten Revisionsoperation an der linken Hüfte vom 09. Oktober 2003 unterlaufen.

90

Die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen begegnen auch insoweit keinen Bedenken (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

91

1. Mit Recht hat das Landgericht - auf der Grundlage der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. M. - den am 09. Oktober 2003 durchgeführten Schaftwechsel für medizinisch indiziert angesehen.

92

Der Sachverständige hat die Behauptung des Klägers, dass ein erneuter Wechsel der Pfanne mit besserer Positionierung und das Einbringen eines Luxationsringes als Behandlungsalternative ausreichend gewesen wäre, nicht bestätigen können. Er hat vielmehr ausgeführt, dass in der konkreten Behandlungssituation ein kompletter Schaftwechsel nach dem geschuldeten Behandlungsstandard geboten gewesen sei. Die Auswertung der Behandlungsunterlagen habe nämlich ergeben, dass sich der Schaft in der Zeit von Mai bis Oktober 2003 offensichtlich gelockert haben müsse. Dies könne auf Osteolysen, die sich im Schaftbereich entwickelt hätten und zu einer einer lokalen Osteoporose ähnlichen Situation geführt hätten, zurück zu führen seien. Des weiteren habe hier im Hinblick auf die rezidivierende Ergussbildung und die Punktionen der Verdacht bestanden, dass eine sog. "Low grade Infektion" aufgetreten sei, bei der Keime allerdings nicht hätten nachgewiesen werden können. Bei der intraoperativen Kontrolle habe letztlich einen Reizzustand des operierten Gelenkes festgestellt werden können. Granulationsgewebe sei nicht nur im unteren Wundbereich zu erkennen gewesen, sondern habe auch den Tractus durchdrungen und sich im Gelenk selbst nachweisen lassen, was den Verdacht einer "low grade Infektion" bestärkt habe. Bei Verdacht auf eine "Low grade Infektion" sei ein kompletter Prothesenwechsel jedoch angezeigt. Im übrigen habe aufgrund der Osteolysen im Schaftbereich keine ausreichende Festigkeit bestanden, was gleichfalls einen Wechsel der Implantate habe erforderlich werden lassen.

93

Die in sich stichhaltigen und fachlich fundierten Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. M. vermögen auch insoweit zu überzeugen. Der Sachverständige hat seine Diagnose auf die von ihm ausgewerteten Krankenblätter und den Operationsbericht vom 09. Oktober 2003 gestützt und für den Senat nachvollziehbar begründet. Mit den Einwendungen des Klägers gegen seine gutachterlichen Ausführungen hat er sich im Rahmen seiner mündlichen Anhörung auseinander gesetzt und diese im Ergebnis zu entkräften vermocht. So hat er etwa auf die Behauptung des Klägers, den low grade Infekt hätte man ohne Operation mit einem Breitbandantibiotikum behandeln können, entgegnet, dass der vorliegende Gelenkinfekt mit Antibiotika allein nicht mehr habe therapiert werden können. Vor einer Operation würden zwar in der Regel Antibiotika verabreicht werden, diese hätten einen operativen Eingriff hier jedoch keinesfalls ersetzen können.

94

Die Tatsache, dass die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. med. M. im Widerspruch zu dem orthopädischen Gutachten des Schlichtungsgutachters Prof. Dr. med. H. vom 06. Juni 2005 stehen, der die Indikation für einen Schaftwechsel als überraschend bewertet hat (Band I Blatt 42 d.A.), vermag den Beweiswert des Gutachtens nicht nachhaltig in Frage zu stellen. Eine ergänzende Beweiserhebung hat der Senat auch insoweit nicht für geboten erachtet.

95

Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. M. beruhen auf einer Auswertung des Operationsberichts vom 09. Oktober 2003 sowie des Krankenblattes. Darin ist dokumentiert, dass der Kläger unter erheblichen Schmerzen im Wundbereich gelitten habe und mehrfach Punktionen am unteren Wundpool vorgenommen werden mussten, was auf eine low grade Infektion hingewiesen habe. Intraoperativ habe sich eine fehlende Stabilisierung des Hüftschaftes ergeben, der ohne Schwierigkeiten habe entfernt werden können. Von dem Operateur sei um den Schaft herum eine ausgiebige Osteoporosesituation beschrieben worden. Die gutachterlichen Feststellungen des Schlichtungsgutachters Prof. Dr. med. H. erschöpfen sich dagegen allein in der Bewertung, der Schaftwechsel sei überraschend, weil keine Hinweise auf eine Fehlpositionierung gegeben seien. Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat, hat sich der Schlichtungsgutachter mit der Möglichkeit einer low-grade Infektion und eines Polyäthylenabriebes, welche der gerichtliche Sachverständige Dr. med. M. als ursächlich für die Schaftlockerung ansieht, dagegen nicht auseinander gesetzt.

96

Die Schlichtungsstelle ist dem von ihr vorprozessual eingeholten Schlichtungsgutachten des Prof. Dr. med. H. in diesem Punkt im Ergebnis ebenfalls nicht gefolgt. Nach erneuter Überprüfung der Angelegenheit hat sie in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 23. Februar 2006 (Band I Blatt 135 d.A.) hierzu vielmehr festgestellt, dass die Schaftwechseloperation aufgrund des Verdachtes einer Infektion indiziert gewesen sei. Der Umstand, dass sich eine Vorwölbung am unteren Wundpol gebildet habe, habe auf eine Infektion hingewiesen. Danach aber steht das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. med. M. im Einklang mit dem Abschlussvotum der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammer vom 23. Februar 2006.

97

2. Dass das Landgericht auch insoweit von der Einholung eines beantragten Obergutachtens in erster Instanz nach § 412 ZPO abgesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Einholung eines neuen Gutachtens nach § 412 ZPO haben nicht vorgelegen. Allein der Umstand, dass der gerichtliche Sachverständige teilweise zu anderen, von dem Schlichtungsgutachten des Prof. Dr. med. H. abweichenden Ergebnissen gelangt ist, rechtfertigt die Beauftragung eines neuen Sachverständigen nach § 412 ZPO als solches noch nicht (vgl. BGH MDR 1980, 662 zitiert nach juris; Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 412 ZPO Rdn. 3), zumal der Senat im Rahmen der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung unter besonderer Berücksichtigung des Ergebnisses der mündlichen Anhörung des gerichtlich bestellten Sachverständigen – wie ausgeführt - zu der Überzeugung gelangt ist, dass dem Gutachten des Sachverständigen Dr. med. M. die größere Überzeugungskraft beizumessen ist.

98

Wie schon das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, weist das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen PD Dr. med. M. weder inhaltliche Mängel bzw. Unzulänglichkeiten auf, noch ist der Sachverständige von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen. Dass der Sachverständige nicht über die erforderliche Sachkunde verfüge, behauptet der Kläger selbst nicht. Die der Begutachtung zugrunde liegenden Anschlusstatsachen haben sich in der Zwischenzeit zudem weder verändert noch ist hier erkennbar, dass ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel oder Erfahrungen verfügt.

99

3. Dritte Revisionsoperation vom 15. Januar 2004

100

Der Kläger hat im Ergebnis der in zweiter Instanz ergänzten Beweisaufnahme schließlich auch nicht den Nachweis zu erbringen vermocht, dass der Beklagte zu 2) bei der dritten Revisionsoperation am 15. Januar 2004 den Regeln der fachärztlichen Kunst zuwider operiert habe.

101

a) Der Senat hat sich zu einer ergänzenden Beweiserhebung veranlasst gesehen, weil das Landgericht in erster Instanz versäumt hat, zu der dritten Revisionsoperation, in deren Verlauf der Beklagte zu 2) das Inlay wechselte und dorsal-kaudal um 20° umsetzte sowie eine Zuggurtungsosteosynthese des Trochander Major vornahm, und den klägerseits hierzu behaupteten Behandlungsmängeln Feststellungen zu treffen. Der Kläger hat die dem erstinstanzlichen Urteil insoweit zugrunde liegende Tatsachenfeststellungen mit seiner Berufung zu Recht als unvollständig beanstandet, denn für das Landgericht bestand nach dem Vorbringen der Parteien durchaus Anlass, den gerichtlichen Sachverständigen PD Dr. med. M. zu den bei der dritten Operation ergriffenen Behandlungsmaßnahmen ergänzend zu befragen. Spätestens mit dem ihm nachgelassenen Schriftsatz vom 18. Juni 2009 hat der Kläger sein Vorbringen zu dem Gesamtbehandlungskomplex "Revisionsoperation der linken Hüfte" nämlich dahingehend konkretisiert, dass er dem Beklagten zu 2) vorwirft, trotz der bekannten Luxationsneigung nicht schon bei der Operation am 15. Januar 2004 einen größeren Hüftkopf eingesetzt zu haben, so wie es schließlich auch in der Universitätsklinik in … am 21. Juni 2004 mit Erfolg geschehen sei.

102

Dieser streitigen Behauptung hätte das Landgericht in erster Instanz - nach Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO - nachgehen müssen.

103

Soweit der Kläger mit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz eingegangenen Schriftsatz vom 18. Juni 2009 den dritten operativen Eingriff vom 15. Januar 2004 als behandlungsfehlerhaft angegriffen hat, ist dies nicht als gänzlich neues, über eine Stellungnahme zu den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen hinausgehendes und damit nach § 296 a ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähiges Vorbringen zu werten gewesen.

104

Ob ein konkretisiertes Sachvorbringen neu ist, hängt im wesentlichen davon ab, wie allgemein es zunächst gehalten war. Wenn bereits schlüssiges Vorbringen durch weitere Tatsachenbehauptungen lediglich zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (vgl. zu § 531 Abs. 2 ZPO : BGHZ 159, 245 - 254 zitiert nach juris), ist es nicht als neu zu bewerten. So liegen die Dinge auch hier. Die dritte Revisionsoperation gehört zu dem hier streitgegenständlichen Gesamtbehandlungskomplex Revision des linken Hüftimplantates durch den Beklagten zu 2) und sollte - gewissermaßen als Nachbesserungsmaßnahme - dem angestrebten Ziel dienen, die postoperativ im Zusammenhang mit dem Pfannenwechsel am 15. Mai 2003 und dem Schaftwechsel am 09. Oktober 2003 aufgetretenen Beschwerden zu beheben. Der für den Streitgegenstand maßgebliche Lebenssachverhalt hat sich hier ersichtlich auf das gesamte Behandlungsgeschehen einschließlich der einzelnen Folgeoperationen und dem daraus resultierenden Gesundheitsschaden bezogen. Insoweit hat der Kläger bereits in erster Instanz behauptet, dass der Erfolg der in der Universitätsklinik in … am 21. Juni 2004 durchgeführten Operation belege, dass alle vorangegangenen, in der Einrichtung der Beklagten zu 1) von dem Beklagten zu 2) durchgeführten Eingriffe fehlerhaft gewesen sein müssten, weil bereits in einem früheren Stadium ein qualitätsgerechter größerer Hüftkopf hätte eingesetzt werden müssen. Bei der Feststellung, ob neuer Vortrag vorliegt, ist hier überdies zu berücksichtigen gewesen, dass an die Substantiierungspflicht der Partei im Arzthaftungsprozess nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürfen, weil vom Patienten regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden kann. Lücken im Vortrag betreffend den medizinischen Sachverhalt dürfen der Partei nicht angelastet werden. Sie darf sich vielmehr im allgemeinen auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes auf Grund der Folgen für den Patienten gestattet (vgl. BGH VersR 2003, 1541, 1542; BGHZ 159, 245 – 254 zitiert nach juris; OLG Oldenburg MDR 2008, 527 zitiert nach juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 07. Oktober 2008,  1 U 93/07 zitiert nach juris).

105

Unter Berücksichtigung dieser für den Arzthaftungsprozess geltenden Darlegungserleichterungen stellt sich der Vortrag des Klägers, spätestens bei der Operation am 15. Januar 2004 hätte der Beklagte zu 2) wegen der vorangegangenen Luxationen einen größeren Hüftkopf wählen müssen, im Streitfall aber lediglich als eine weitere Konkretisierung und Verdeutlichung des schlüssigen Vorbringens zur Behandlungsfehlerhaftigkeit der Eingriffe im Zusammenhang mit der Revision der linken Hüftendoprothese dar. Der Kläger hat im übrigen erstmals bei der mündlichen Anhörung des Sachverständigen im Termin der mündlichen Verhandlung vom 03. Juni 2009 erfahren, dass der Operateur im Falle vermehrt aufgetretener Luxationen unter Umständen einen größeren Hüftkopf in Erwägung ziehen könnte. Diese auf der Grundlage der mündlichen Anhörung des Sachverständigen gewonnene neue Erkenntnis hat den medizinisch nicht sachkundigen Kläger aber erst in die Lage versetzt, sein bisheriges Vorbringen zur Behandlungsfehlerhaftigkeit der Revisionsoperationen mit Blick auf den dritten Eingriff zu konkretisieren und zum Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung zu machen.

106

Unter diesen Umständen wäre eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO geboten gewesen, um den Sachverständigen zu der dritten Revisionsoperation vom 15. Januar 2004 ergänzend zu befragen. Dies hat der Senat nunmehr in zweiter Instanz nachgeholt und ist auf der Grundlage der ergänzend eingeholten gutachterlichen Stellungnahme des gerichtlich bestellten Sachverständigen PD. Dr. med. M. zu der Überzeugung gelangt, dass sich die bei dem dritten Eingriff vorgenommenen Maßnahmen, nämlich das Wechseln des Inlays und die Umstellung dorsal-kaudal um 20 ° sowie die zusätzliche Einbringung einer Zuggurtungsosteosynthese des Trochander Major, als insgesamt sachgerecht und den Regeln der fachärztlichen Kunst entsprechend erwiesen haben. Der Beklagte zu 2) hat sich auch in Anbetracht der vorangegangen Luxationen nicht zwingend veranlasst sehen müssen, bei der Operation am 15. Januar 2004 einen größeren Hüftkopf zu implantieren.

107

2. Der Sachverständige PD Dr. med. M. hat – nach Auswertung der verfügbaren Behandlungsunterlagen – in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 19. April 2010, die er dem Senat im Termin der mündlichen Verhandlung vom 08. Juni 2010 mündlich erläutert hat, hierzu überzeugend ausgeführt, dass der Beklagte zu 2) mit dem von ihm im Verlauf der dritten Operation ergriffenen Maßnahmen gerade bezweckt habe, der permanenten Luxationstendenz wirkungsvoll zu begegnen. Aus diesem Grund habe er das Inlay entfernt, Knochenvorsprünge ventral abgetragen und das PE-Inlay so auf Rand umgesetzt, so dass der Überstand nach dorsal kaudal zu liegen gekommen sei. Nach Einschätzung des Sachverständigen habe nun selbst bei maximaler Beugung und Abduktion absolute Stabilität bestanden. Der Sachverständige hat zum Operationsverlauf des weiteren dargelegt, dass der Beklagte zu 2) die Medioseite angefrischt und mit dem Meißel so aufbereitet habe, dass blutende Knochenstrukturen vorhanden seien, da der Trochanter bislang keinen Anschluss gefunden habe. Den Trochanter hab er sodann mit zwei Drähten an der Prothese fixiert und eine Drahtcerclage als Zuggurtung um die Drähte gelegt und diese verdrillt. Zusätzlich habe er ein Titanband um den Trochanter gelegt.

108

Der Sachverständige gelangt zu dem Ergebnis, dass der Beklagte zu 2) insbesondere mit dem Wechsel und Umsetzen des Inlays das seinerseits Erforderliche unternommen habe, um die Gefahr zukünftiger Luxationen möglichst zu reduzieren.

109

Im Termin der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige auf Befragen des Klägers hierzu ergänzend ausgeführt, dass Hüftgelenkluxationen ein typisches Behandlungsrisiko einer endoprothetischen Behandlung darstellten, das sich bei dem Kläger bedauerlicherweise verwirklicht habe. Eine sichere Operationsmethode, die die Gefahr von Luxationen zu 100 % ausschließen könne, gebe es allerdings nicht. Hier komme hinzu, dass mit der Anzahl der operativen Eingriffe auch das Risiko von Luxationen steige. Im übrigen komme es auf die persönliche Konstitution des Patienten an. Bei bekannter Luxationsneigung versuche der behandelnde Operateur daher, intraoperativ eine bestmögliche Stabilität zu erreichen. Dem habe der Beklagte zu 2) im Streitfall entsprochen, indem er das Inlay gewechselt und auf Rand umgesetzt habe. Die Situation habe sich für den Beklagten zu 2) intraoperativ auch als stabil dargestellt, so dass aus seiner Sicht ein Hüftkopfwechsel auf einen längeren Kopf nicht erforderlich gewesen sei. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang nämlich, dass das Einsetzen eines größeren Hüftkopfes für den Patienten mit erheblichen Nachteilen verbunden sei. Der größere Hüftkopf führe zu einer Beinlängendifferenz und einer Verringerung der Beweglichkeit, was den Patienten postoperativ erheblich Probleme bereiten könne. Im Hinblick auf die mit der operativen Maßnahme verbundenen Nachteile habe der Operateur eine komplexe Betrachtung und Bewertung anzustellen und die angestrebte Stabilität jeweils mit den durch den Eingriff verbundenen Nachteilen abzuwägen. Der Beklagte zu 2) habe hier im übrigen als einen weiteren Umstand berücksichtigen müssen, dass der Trochanter keinen Anschluss gefunden habe. Auch dieser besonderen "Trochanter-Situation" habe der Beklagte zu 2) intraoperativ Rechnung tragen müssen.

110

Der Senat schließt sich auch insoweit den in sich stichhaltigen Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. med. M. nach eigener kritischer Würdigung an. Der Sachverständigen hat nach sorgfältiger Analyse der ihm verfügbaren Anknüpfungstatsachen überzeugend begründet, warum die Implantation eines größeren Hüftkopfes bei der dritten Revisionsoperation nicht erforderlich erschien. Seine fachlich fundierten Angaben sind in sich stimmig und frei von inneren Widersprüchen.

111

Der Kläger hat eine Fehlbehandlung durch den Beklagten zu 2) in der Klinik der Beklagten zu 1) nach alledem nicht beweisen können. Die operative Versorgung des linken Hüftgelenkes stellt sich vielmehr insgesamt als fach- und sachgerecht dar.

II.

112

Der Kläger kann die geltend gemachten Ansprüche schließlich auch nicht mit Erfolg auf ein Versäumnis der Beklagten bei der Patientenaufklärung stützen.

113

Die Beklagten haften dem Kläger nicht unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Aufklärung über die mit einer Wechseloperation des Hüftgelenkes verbundenen Risiken aus dem Behandlungsvertrag der Parteien nach §§ 611, 280 Abs., 281 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB bzw. mangels wirksamer Einwilligung aus unerlaubter Handlung nach §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB.

114

1. Die Beklagten sind verpflichtet gewesen, den Kläger über das erhöhte Risiko einer Pfannenlockerung sowie von Luxationen nach einer Revisionsoperation aufzuklären und ihn darüber hinaus über die Gefahr von Infektionen zu belehren.

115

Nur auf der Grundlage einer entsprechenden umfassenden Aufklärung über die Indikation und mögliche Komplikationen und Gefahren ist der Kläger zu einer umfassenden und informierten Risikoabwägung in der Lage gewesen, was aber eine unabdingbare Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung darstellt. Die Einwilligung des Klägers in die Revisionsoperationen an der linken Hüfte ist nur dann geeignet, dem Eingriff als selbstbestimmte medizinische Behandlung Rechtmäßigkeit zu verleihen, wenn der Kläger die Tragweite seiner Zustimmung zur Zeit der Abgabe der Erklärung auch erkannte. Die Vermittlung der erforderlichen Entscheidungsgrundlage obliegt dabei dem behandelnden Arzt.

116

Zwar muss die Aufklärung nicht jede, noch so entfernt liegende Gefahrenmöglichkeit umfassen. Der Patient muss vielmehr nur "im Großen und Ganzen" wissen, worin er einwilligt. Dazu muss er jedoch über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Der behandelnde Arzt muss dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermitteln, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern (vgl. BGH VersR 2009, 257 – 259 m.w.N. zitiert nach juris). Die Aufklärung hat patientenbezogen und damit den Umständen des konkreten Falls entsprechend zu erfolgen. Der Aufklärungsumfang wird hierbei einerseits durch das Gewicht der medizinischen Indikation bestimmt, das sich wiederum aus der Notwendigkeit des Eingriffs, seiner zeitlichen Dringlichkeit und den Heilungschancen ergibt, andererseits ist insbesondere die Schwere der Schadensfolgen für die Lebensführung des Patienten im Fall der Risikoverwirklichung mitbestimmend (vgl. BGH VersR 2009, 257 – 259 zitiert nach juris; OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 2008, 969 f zitiert nach juris; Geiß/ Greiner a.a.O., Kapitel C, Rn. 8 f.).

117

2. Der Senat kann im Ergebnis dahin gestellt sein lassen, ob die Beklagten diesen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung haben genügen können. Insbesondere bedarf es keiner weitergehenden Feststellungen des Senates zu der zwischen den Parteien streitigen Tatsache, ob der Kläger vor den operativen Eingriffen an seiner linken Hüfte auf das erhöhte Risiko von Luxationen, die Gefahr einer Pfannenlockerung sowie eine diese begünstigende Infektion gesondert hingewiesen worden ist. Von einer Vernehmung des von Beklagtenseite zu Inhalt und Verlauf des streitigen Aufklärungsgesprächs benannten Zeugen Dr. med. He. hat der Senat letztlich absehen können.

118

a) Die im Hinblick auf Inhalt und Verlauf des Aufklärungsgesprächs darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten haben allerdings durchaus "einigen Beweis" erbracht, dass der Kläger im Vorfeld der Revisionsoperationen anhand eines ihm auf dem Stationscomputer vorgeführten multimedialen Films umfassend aufgeklärt worden ist. Der Kläger hat im Rahmen seiner nach § 141 ZPO angeordneten informatorischen Parteianhörung in erster Instanz überdies eingeräumt, dass ihm eine DVD über den Operationsverlauf und die wesentlichen Risiken vorgeführt worden sei und ihm im Anschluss Gelegenheit geboten worden sei, an den Stationsarzt Fragen zu richten. (Band II Blatt 197/198 d.A.).

119

Ebenso wie das bloße Übermitteln eines Merkblattes vermag eine Videoaufklärung für eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung zwar grundsätzlich noch nicht zu genügen, da sowohl bei der Hingabe eines Merkblattes wie bei dem Vorspielen eines Filmes das kommunikative Element fehlt und es letztlich dem Patienten auferlegt wird, sich um eine erschöpfende Aufklärung selbst zu bemühen. Die Aufklärung erfordert daher in der Regel ein persönliches Arzt- Patienten-Gespräch, dessen verantwortliche Führung die Rechtsprechung dem Arzt an die Hand gibt. Ein solches persönliches Gespräch kann durch die bloße Aushändigung von Informationsbroschüren und das Vorführen von Videofilmen im allgemeinen nicht ersetzt werden (vgl. BGH NJW 2006, 2108; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., C Rdn. 87; Martis/ Winkhart, Arzthaftrecht, 3. Aufl., Rdn. A 2280).

120

Einen Anhaltspunkt für eine hinreichende Aufklärung hat das Landgericht hier jedoch zu Recht darin gesehen, dass der Kläger sowohl vor dem Operationstermin am 15. Mai 2003 als auch vor dem operativen Eingriff am 09. Oktober 2003 und der letzten Revisionsoperation am 15. Januar 2004 das ihm ausgehändigte, jeweils inhaltsgleiche Merkblatt zum Aufklärungsgespräch unterzeichnet hat.

121

In dem Aufklärungsbogen (vgl. Band I Blatt 137 d.A.) ist auf die hier in Rede stehenden Risiken im einzelnen hingewiesen worden. Es wird darin unter anderem ausgeführt, dass "trotz strengster Hygiene und Sterilität" Infektionen nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden können. Insbesondere könnten sich tiefe Infekte, die bis auf die Prothese reichen, als ausgesprochen kompliziert erweisen und unter Umständen einen Ausbau der Prothese erfordern. Auch das Risiko einer Luxation hat in dem Aufklärungsbogen der Beklagten Erwähnung gefunden. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass bei einem gehäuften Auftreten von Luxationen eine nochmalige Operation der einzige Weg sei, um eine dauerhafte Heilung zu erreichen. Darüber hinaus enthält der Aufklärungsbogen auch den Hinweis, dass es meist früher als nach dem Ersteinsatz der Prothese zu einer Lockerung der künstlichen Gelenkes kommen könne, so dass ein erneuter Prothesenwechsel erforderlich werde. Weiter heißt es in dem Aufklärungsbogen:

122

"Entzündungen können ebenfalls zur vorzeitigen Lockerung führen. In diesen Fällen wird ein Prothesenausbau und gegebenenfalls der Einbau eines Platzhalters notwendig, bis nach Ausheilung der Infektion ein neues künstliches Gelenk eingebaut werden kann."

123

Der von Beklagtenseite zu führende Nachweis kann zwar nicht allein mit Hilfe des Aufklärungsbogens geführt werden. Der von dem Kläger unterzeichneten formularmäßigen Einwilligungserklärung ist aber jedenfalls eine gewichtige indizielle Wirkung beizumessen, dass ein Aufklärungsgespräch mit dem schriftlich nieder gelegten Inhalt tatsächlich statt gefunden hat (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1431-1433 zitiert nach juris; BGH MDR 1999, 37 – 38 zitiert nach juris). Der Inhalt des unterzeichneten Aufklärungsbogens unterliegt insofern der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 286 ZPO) und ist aufgrund seiner Indizwirkung geeignet, den für eine Parteivernehmung des behandelnden Arztes nach § 448 ZPO erforderlichen Anfangsbeweis zu erbringen (vgl. BGH VersR 1999, 190, 191; OLG Naumburg, Urteil vom 11. Juli 2006, 1 U 1/06 zitiert nach juris; OLG Düsseldorf OLGR Düsseldorf 2009, 199 – 201 zitiert nach juris; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdn. A. 2281; Martis, MDR 2009, 611, 617; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Kapitel C Rdn. 88 m.w.N.). Eine informatorische Parteianhörung des Beklagten zu 2) nach § 141 ZPO bzw. dessen Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO ist hier allerdings deshalb nicht in Betracht gekommen, weil der Beklagte zu 2) das Aufklärungsgespräch nicht persönlich mit dem Kläger geführt hat, sondern die Aufklärung unstreitig auf seinen Stationsarzt, den Zeugen Dr. med. He. delegierte, den die Beklagten auch als Zeugen benannt haben.

124

3. Auf eine ergänzende Beweiserhebung über den Inhalt des Aufklärungsgespräches durch Vernehmung des Zeugen Dr. med. He. hat der Senat hier jedoch verzichten können, da sich die Beklagten daneben vorsorglich auch auf den Einwand einer hypothetischen Einwilligung berufen haben.

125

a) Selbst wenn eine ordnungsgemäße Aufklärung des Klägers im Vorfeld der Revisionsoperationen nicht nachgewiesen werden könnte, führt dies jedenfalls dann nicht zu einer Haftung der Beklagten, wenn diese darlegen und beweisen können, dass der Kläger auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den konkreten durch den behandelnden Arzt vorgenommenen Eingriff eingewilligt hätte. Der Einwand der Behandlungsseite, der Patient hätte sich dem Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung über dessen Risiken unterzogen, ist grundsätzlich beachtlich (vgl. BGH VersR 2009, 257 – 259 zitiert nach juris; Martis/ Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdn. A 1884 m.w.N.; Geiß/ Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Kapitel C Rdn. 137 m.w.N.). Hat sich die Behandlungsseite auf eine hypothetische Einwilligung berufen, muss der Patient darlegen, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einen Entscheidungskonflikt darüber befunden hätte, ob er den tatsächlich durchgeführten Eingriff vornehmen lassen sollte (vgl. BGH VersR 2007, 66, 68; BGH VersR 2009, 257 – 259 zitiert nach juris; OLG Stuttgart VersR 1998, 1111 zitiert nach juris; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, C 138; Marties/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdn. A.1900 ff). Dabei sind vom Patienten keine genauen Angaben dafür zu verlangen, wie er sich wirklich verhalten hätte; er kann und soll lediglich einsichtig machen, daß ihn die vollständige Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er zustimmen solle oder nicht (vgl. BGH vom 7.2.1984 - VI ZR 174/82 - BGHZ 90 103 [105 ff.] = VersR 84, 465 [466 f.]; vom 14.2.1989 - VI ZR 65/88 - BGHZ 106, 391 [394] = VersR 89, 514 [515]; vom 11.12.1990 - VI ZR 151/90 - VersR 91, 315; OLG Stuttgart VersR 1998, 1111 zitiert nach juris).

126

b) Entgegen der Ansicht des Klägers haben die Beklagten den Einwand hypothetischer Einwilligung nicht erst im zweiten Rechtszug erhoben, so dass er als neues Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO zu behandeln wäre (vgl. BGH VersR 2009, 257 – 259 zitiert nach juris). Sie haben vielmehr bereits in ihrer Klageerwiderung vom 13. Februar 2007 (Band I Blatt 120/ 121 d.A.) vorgetragen, dass der Kläger dem operativen Eingriff auch bei vollständiger Kenntnis sämtlicher Risiken, insbesondere der erhöhten Luxationsneigung, in jedem Fall mangels sonstiger Behandlungsalternativen vorbehaltlos zugestimmt hätte. Dem Beklagtenvortrag ist insoweit zu entnehmen, dass sich die Beklagten nicht nur auf die behauptete ordnungsgemäße Aufklärung, sondern daneben vorsorglich auch auf eine fiktive Einwilligungssituation bezogen haben. Sie haben dementsprechend schon in erster Instanz schlüssig dargetan und unter Beweis gestellt, dass der Kläger auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die konkreten operativen Eingriffe eingewilligt hätte.

127

c) Den Einwand der hypothetischen Einwilligung hat der Klägerin nicht zu entkräften vermocht. Im Rahmen der nach § 141 ZPO zu diesem Zweck angeordneten informatorischen Parteianhörung hat der Kläger dem Senat nicht plausibel vermitteln können, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden hätte, ob er die Operation – wie tatsächlich durchgeführt – vornehmen lassen sollte (vgl. BGH VersR 2007, 1273, 1276; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdn. A 1900; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Kapitel C Rdn. 138 m.w.N.).

128

Bei seiner Anhörung vor dem Senat hat der Kläger zwar erklärt, dass er eine Revisionsoperation "garantiert" abgelehnt hätte, wenn er über die Risiken ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre. Nachvollziehbare Gründe für eine Ablehnung des medizinisch indizierten operativen Eingriffs und das Vorliegen eines echten Entscheidungskonfliktes hat er hingegen nicht angeben können, zumal der Eingriff sachlich klar indiziert war und echte Behandlungsalternativen nicht zur Verfügung standen.

129

Die erstinstanzliche Beweisaufnahme hat auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen PD Dr. med. M. hierzu ergeben, dass sowohl der Pfannenwechsel am 15. Mai 2003 wie auch die Folgeoperationen am 09. Oktober 2003 und am 15. Januar 2004 medizinisch indiziert waren. Der Sachverständige PD Dr. med. M. hat in seinem Gutachten zu der ersten Revisionsoperation vom 15. Januar 2003 überzeugend ausgeführt, dass sich bei dem Kläger im Bereich des Pfannenbodens eine Osteolyse entwickelt habe, die eine Revision der Hüftpfanne erforderlich werden ließ. Die einzige Lösung, um eine Osteolyse oder Knochendestruktion auf der Basis eines Polyäthynolabriebes zu behandeln, sei ein Pfannenwechsel sowie die Rekonstruktion des knöchernen Lagers gewesen. Auch zu dem am 09. Oktober 2003 vorgenommenen Schaftwechsel habe es keine denkbare Behandlungsalternative gegeben, wie der Sachverständige in seinem Gutachten vom 07. August 2008 in sich stimmig und nachvollziehbar dargestellt hat. Dies aber stützt den Einwand der Beklagten, der Kläger hätte sich dem Eingriff auch bei zutreffender Aufklärung über die Risiken in jedem Fall unterzogen.

130

Eine kategorische Ablehnung einer Revisionsoperation lässt sich im übrigen auch nicht mit dem sonstigen Inhalt der Parteierklärung des Klägers in Einklang bringen. In seiner Anhörung hat der Kläger nämlich zum Ausdruck gebracht, dass es ihm sehr daran gelegen gewesen sei, die Implantatversorgung der rechten Hüfte mit der Revisionsoperation der linken in einer Operation zu verbinden. Insoweit hat er bestätigt, dass der Beklagte zu 2) ihn im Vorfeld des ersten operativen Eingriffs vom 15. Mai 2003 mehrfach auf die Notwendigkeit einer Revisionsoperation an der linken Hüfte hingewiesen habe. Mit Blick hierauf habe er darum gebeten, dass die Operationen dann "in einem Ritt" durchgeführt werden sollten, woraufhin der Beklagte zu 2) auf die Schwere des Eingriffs verwiesen habe. Die zeitgleiche Operation beider Hüften in einem Termin hat danach aber gerade seinem erklärten Wunsch entsprochen. Damit aber lässt sich seine Behauptung nicht vereinbaren, dass er bei Kenntnis sämtlicher Risiken mit der medizinisch indizierten Revision des linken Hüftgelenkes noch weiter zu gewartet hätte.

131

Für ein bloßes Aufschieben des Eingriffs, etwa um die Entwicklung der Beschwerden abzuwarten, hat im vorliegenden Fall auch kein nachvollziehbarer Anlaß bestanden.

132

Der erste Eingriff im Jahr 1993 war komplikationslos verlaufen. Der Kläger durfte sich bei dem Beklagten - immerhin der Direktor der orthopädischen Klinik eines Universitätsklinikums - in guten Händen fühlen (vgl. OLG Stuttgart VersR 1998, 1111 zitiert nach juris und OLG München VersR 92, 834 , die u. a. das Vertrauen in die Person des Arztes besonders würdigen). Es bestand für den Kläger seinerzeit kein Anlaß, die Empfehlung zur  Operation oder die Gewichtung des Risikos in Zweifel zu ziehen. Allein der Umstand, dass der medizinisch indizierte Eingriff zeitlich hätte hinausgeschoben werden können, begründet nämlich dann keinen Entscheidungskonflikt, wenn der Patient nicht plausibel darlegen kann, wozu er die Zeit genutzt hätte (vgl. OLG Stuttgart VersR 1998, 1111; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdn. A. 1912). Eine plausible Darlegung zu den Gründen für ein Verschieben des Operationstermins ist der Kläger schuldig geblieben. Hier kommt hinzu, dass ein weiteres Zuwarten im Hinblick auf den sich permanent vergrößernden Knochendefekt offensichtlich unvernünftig gewesen wäre, wie der gerichtlich bestellte Sachverständige PD Dr. med. M. in seinem Gutachten ausgeführt hat.

133

Nach alledem hält die Darstellung des Klägers zu seiner seinerzeitigen Entscheidungssituation einer Plausibilitätskontrolle nicht stand. Eine schlüssige Motivation für ein zeitliches Hinausschieben des medizinisch angezeigten Eingriffs hat er – ex ante betrachtet - nicht angegeben. Die Haftung der Beklagten wegen eines Aufklärungsversäumnisses entfällt danach hier jedenfalls unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der hypothetischen Einwilligung.

III.

134

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

135

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

136

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 1 ZPO zuzulassen, weil der Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

137

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 S. 1, 39 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.


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