Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (4. Zivilsenat) - 4 U 63/12

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 23. August 2012 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg, Az.: 11 O 486/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 23. August 2012, Az.: 11 O 486/12, ist ebenfalls ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

1

Der Kläger nimmt die Beklagte nach erklärtem Widerspruch und Widerruf nebst vorsorglicher Anfechtung eines fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrages auf Zahlung eines Betrages von 8.849,10 € unter dem Aspekt der ungerechtfertigten Bereicherung, hilfsweise gestützt auf Schadensersatz wegen eines der Beklagten angeblich zur Last fallenden Beratungsverschuldens in Anspruch.

2

Am 19. August 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht (Bl. 70, 71 Bd. I d. A.).

3

Die Beklagte hat den Antrag anschließend angenommen und dem Kläger den Versicherungsschein vom 16. Oktober 2002, der am Ende eine Widerspruchsbelehrung enthält (Bl. 21 Rücks. Bd. I d. A.), zusammen mit weiteren, zwischen den Parteien im Einzelnen umstrittenen Versicherungsunterlagen übersandt.

4

Auf Wunsch des Klägers wurde mittels eines Nachtrags zum Versicherungsschein vom 04. Februar 2002 die ursprünglich vereinbarte monatliche Beitragszahlung von 200,-- € auf 100,-- € reduziert und fortan eine ursprünglich vereinbarte Beitragsdynamik ausgeschlossen (Bl. 74 - 77 Bd. I d. A.).

5

Mit Schreiben vom 14. Februar 2011 (Bl. 23 - 26 Bd. I d. A.) erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten „den Widerspruch gemäß § 5 a VVG a. F. bzw. den Widerspruch nach § 8 VVG, bzw. den Widerruf nach § 355 BGB, höchstvorsorglich die Anfechtung nach § 119 I BGB, hilfsweise die Kündigung.

6

Daraufhin bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 16. März 2011 (Bl. 85 Bd. I d. A.) die Kündigung des Versicherungsvertrages und zahlte einen errechneten Rückkaufswert von 7.567,08 € an den Kläger aus.

7

Mit der Klage macht der Kläger nunmehr auf der Grundlage eines seines Erachtens nach § 818 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 287 ZPO gerechtfertigten Zinssatzes von 7 % jährlich auf die jeweils monatlich erbrachten Prämienzahlungen einen Betrag von insgesamt 8.849,10 € geltend, der sich wie folgt zusammensetzt (Bl. 4 Bd. I d. A.):

8

Rückzahlung aller geleisteten Versicherungsprämien in Höhe von         

11.400,-- €

+ Zinsen jeweils 7 % p.a. (vgl. Anlage K 3, Bl. 25 - 26 d. A.)

+ 5.016,18 €

./. Rückkaufswert

- 7.567,08 €

= Klageforderung

8.849,10 €

9

Daneben begehrt er die Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.393,97 € nebst Zinsen.

10

Der Kläger hat gemeint und meint nach wie vor, eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung der geleisteten Prämien ergebe sich unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigen Bereicherung. Er sei nämlich weiterhin berechtigt, dem Rentenversicherungsvertrag gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. widersprechen zu können, da die Widerspruchsfrist mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. nicht zu laufen begonnen habe. So sei die im Versicherungsschein enthaltene Widerspruchsbelehrung nicht nur drucktechnisch unzureichend hervorgehoben, sondern zudem auch inhaltlich zu beanstanden, da aus ihr nicht hervorgehe, was mit einem Widersprechen in Textform gemeint sei, die Ausführungen zum Beginn der Widerspruchsfrist unklar wären und keine Erwähnung gefunden habe, dass es sich um Verbraucherinformationen nach § 10 a VAG handele. Daneben fehle die Angabe des Widerspruchsadressaten.

11

Auf die Regelung des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. könne sich die Beklagte hingegen nicht berufen, da die Vorschrift europarechtswidrig sei und deshalb zu keiner Beschränkung des Widerspruchsrechts führen könne. Zumindest sei das Verfahren mit Blick auf den Vorlagebeschluss des BGH vom 28. März 2012, Az.: IV ZR 76/11, bis zu einer Entscheidung des EuGH hierüber auszusetzen. Ungeachtet dessen sei, so die weitere Argumentation des Klägers, das gesamte dem § 5 a VVG a. F. zugrunde liegende Policenmodell europarechtswidrig, weshalb ihm ganz gleich, ob die Voraussetzungen des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. vorliegen sollten oder nicht, in jedem Fall ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht zuzubilligen sei.

12

Daneben lasse sich sein Klagebegehren allerdings auch auf einen Schadensersatzanspruch wegen fehlender (nachträglicher) Aufklärung seitens der Beklagten über ein bestehendes Widerspruchsrecht stützen.

13

Der Kläger hat beantragt,

14

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.849,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. März 2011 sowie Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 1.393,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Die Beklagte hat behauptet, dem Kläger, so wie bei ihr üblich, zusammen mit dem Versicherungsschein auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation mit übersandt zu haben. Die in dem Versicherungsschein enthaltene Widerspruchsbelehrung sei ausreichend und nicht zu beanstanden, weswegen auf die von dem Kläger nicht gewahrte vierzehntägige Frist des § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. abzustellen sei. Vor diesem Hintergrund müssten auch Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem vom Kläger behaupteten Beratungsverschulden bereits dem Grunde nach ausscheiden.

18

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. August 2012 (Bl. 152 - 157 Bd. I d. A.) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Rentenversicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen, da die Voraussetzungen des § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. erfüllt worden seien und deshalb die nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. maßgebliche Widerspruchsfrist von vierzehn Tagen hier nicht gewahrt sei. Deshalb komme es auf eine eventuelle Europarechtswidrigkeit der Vorschrift des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. nicht an. Das Bestreiten des Klägers, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation zusammen mit der Übersendung des Versicherungsscheins erhalten zu haben, lasse hingegen die erforderliche Substanz vermissen und sei deshalb unerheblich.

19

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung und verfolgt unter Vertiefung seines bisherigen Vortrags sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter.

20

Der Kläger beantragt,

21

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte, wie in erster Instanz beantragt, zu verurteilen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wendet sich mit ihrem Vortrag vor allem gegen eine Europarechtswidrigkeit des dem § 5 a VVG a. F. zugrunde liegenden Policenmodells.

II.

25

Der gemäß § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO statthaften und auch sonst formell zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegten und begründeten Berufung des Klägers bleibt in der Sache ein Erfolg versagt.

26

Mit seiner Rüge einer vermeintlich fehlerhaften Besetzung des Landgerichts Magdeburg bei Abfassung des angefochtenen Urteils kann der Kläger nicht durchdringen. Denn wie von Amts wegen ermittelt und mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert, handelt es sich bei der im Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 12. Juli 2012 aufgeführten Richterin B. und der Richterin D., die das am 23. August 2012 verkündete Urteil unterzeichnet hat, um ein und dieselbe Person. Die unterschiedlichen Namen ergeben sich aus der zwischenzeitlichen Hochzeit der Richterin.

27

Auch in materieller Hinsicht hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen, da dem Kläger gegen die Beklagte weder ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung aller geleisteten Prämien nebst Zinsen abzüglich des erstatteten Rückkaufswertes (1) noch ein hilfsweise geltend gemachter Schadensersatzanspruch wegen eines behaupteten Beratungsverschuldens (2) zusteht. Ebenso wenig ergeben sich Bedenken gegen die Höhe des von der Beklagten ausgezahlten Rückkaufswertes (3).

1.

28

Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der geleisteten Prämien gemäß § 812 Abs. 1 BGB, entweder wegen fehlenden Rechtsgrundes nach Satz 1, 1. Altern. oder wegen weggefallenen Rechtsgrundes nach Satz 2, 1. Altern. der Vorschrift, jeweils in Verb. mit § 818 Abs. 1 BGB hinsichtlich der zusätzlich verlangten Zinsen, scheitert daran, dass die gezahlten Prämien nicht ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind, sondern ihre Grundlage in dem Rentenversicherungsvertrag finden, der mangels rechtzeitigen Widerspruchs seitens des Klägers wirksam gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. zwischen den Parteien zustande gekommen ist.

29

Auf den im Jahr 2002 zustande gekommenen Rentenversicherungsvertrag hat nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung Anwendung zu finden.

30

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Rechtsgrund für den Vertrag nicht durch den erstmals mit Schreiben vom 14. Februar 2011 erklärten Widerspruch entfallen, da die dafür geltende Frist des § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. von vierzehn Tagen wegen der insoweit für den Fristbeginn erfüllten Voraussetzungen des § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. (a) bereits abgelaufen war.

31

Auf die Regelung des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F., wonach das Recht zum Widerspruch abweichend von der Regelung in Satz 1 spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, kam es deshalb ebenso wenig an wie auf die in diesem Zusammenhang bestehenden europarechtlichen Bedenken (b). Dahingehende Bedenken, dass das Policenmodell als solches und damit ebenso die Vorschrift des § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. europarechtswidrig sein könnten, bestehen hingegen nicht (c). Ein Recht zum Widerruf des Vertrages stand dem Kläger ebenfalls nicht zu, noch war er zur Anfechtung berechtigt (d).

32

a) Das Zustandekommen des Rentenversicherungsvertrages ist nicht durch einen rechtzeitigen Widerspruch des Klägers nach § 5 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. verhindert worden, weil der Kläger alle in § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. vorgesehenen Unterlagen erhalten hat (aa) und zugleich in hinreichender Form über sein Widerspruchsrecht informiert worden ist (ab), sodass der erstmals mit Schreiben vom 14. Februar 2011 erklärte Widerspruch des Klägers zweifelsfrei verspätet war.

33

aa) Mangels zulässigen Bestreitens nach § 138 Abs. 4 ZPO ist es gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen, dass der Kläger zusammen mit dem Versicherungsschein auch die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation erhalten hat, sodass es auf die an sich der Beklagten als Versicherer obliegende Darlegungs- und Beweislast für den Zugang der Unterlagen nach § 5 a Abs. 2 Satz 2 VVG a. F. nicht mehr ankommt.

34

Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen ebenso wie das hier im Ergebnis auf dasselbe hinauslaufende Bestreiten des Klägers im mündlichen Termin vom 12. Juli 2012 vor dem Landgericht (Bl. 123 Bd. I d. A.), wonach er, anders als ursprünglich in der Klageschrift (Bl. 4 Bd. I d. A.) zugestanden, die Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation nicht zusammen mit dem Versicherungsschein, sondern irgendwann einmal erhalten habe, nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Parteien noch Gegenstand ihrer Wahrnehmung gewesen sind, anderenfalls hat sich die Partei wahrheitsgemäß und vollständig zu den von der Gegenseite behaupteten Umständen zu erklären. Nur ausnahmsweise, wenn eine Partei nach der Lebenserfahrung glaubhaft macht, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern zu können, kommt auch insoweit zulässigerweise ein Bestreiten mit Nichtwissen in Betracht (vgl. etwa BGH, NJW 1995, 130; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., 2013, § 138 Rn. 20).

35

Wenn der Kläger allerdings in der Lage gewesen ist, in Abrede zu stellen, die maßgeblichen Unterlagen zusammen mit dem Versicherungsschein übersandt bekommen zu haben, muss er zumindest eine gewisse Vorstellung davon besitzen, wann und wie er letztlich Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation erhalten haben will. Sein Vortrag, die Unterlagen habe er irgendwann einmal erhalten, ist angesichts dessen ohne jede Substanz und deshalb nicht dazu angetan, hier eine Ausnahme von dem prozessual grundsätzlich unzulässigen Bestreiten mit Nichtwissen zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass das völlig substanzlose Bestreiten des Klägers angesichts des ursprünglich zugestandenen Erhalts der Unterlagen zusammen mit dem Versicherungsschein völlig unglaubhaft erscheint, da es erst im Anschluss an die Erörterung der Sach- und Rechtslage in der Sitzung vom 12. Juli 2012 als offensichtliche Reaktion auf den Hinweis des Landgerichts zu den fehlenden Erfolgsaussichten der Klage erfolgt ist.

36

Zudem kann bei feststehendem Zugang des Versicherungsscheins auch der Zugang der weiteren Unterlagen regelmäßig vermutet werden, da bei dem hier vorliegenden Policenmodell der Versicherungsschein in aller Regel – wie von der Beklagten auch vorgetragen – mit allen vertragsrelevanten Unterlagen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen notwendigerweise gemeinsam versandt wird (vgl. AG Bonn, VersR 1999, 1096, zitiert nach juris; Looschelders/Pohlmann, VVG, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 76; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 5 a Rdnr. 54 b; Schimikowsky, in: Rüffer/Halbach/Schimikowsky, VVG, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 34).

37

ab) Der Kläger ist auch entsprechend § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden. Vor allem ist die Belehrung auf Seite 4 Rückseite des Versicherungsscheins (Bl. 21 Rücks. Bd. I d. A.) anhand des durchgängigen Fettdrucks des gesamten Belehrungstextes drucktechnisch in besonderer Weise hervorgehoben und vom übrigen Fließtext merklich abgesetzt. Einen derartigen Fettdruck, der sich nicht nur auf einzelne Zeilen, sondern wie hier bei der Widerspruchsbelehrung auf eine längere Passage bezieht, weist der übrige Text des Versicherungsscheins nicht auf, weshalb die Belehrung auch für einen unbefangenen Verbraucher bereits bei einem bloßen Überfliegen des Versicherungsscheins ins Auge sticht und nicht unbeachtet bleiben kann.

38

Inhaltlich ist der Belehrungstext gleichfalls nicht zu beanstanden. Weitergehende Ausführungen dazu, was mit Textform gemeint ist, dass der Widerspruch – was ohnehin naheliegend ist – bei der Beklagten zu erheben ist oder dass es sich um die Verbraucherinformation nach § 10 a VAG handelt, bedurfte es nicht, da der eindeutige Gesetzeswortlaut keine derartige Aufklärung des Versicherungsnehmers vorschreibt. Ebenso wenig ist die Belehrung hinsichtlich des Fristbeginns missverständlich, da dort für den Widerspruch eine Frist von vierzehn Tagen nach Erhalt der Unterlagen genannt ist.

39

b) Im Ergebnis kommt es danach auf eine mögliche Europarechtswidrigkeit des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. nicht an, da diese Vorschrift mangels Abweichung von den in § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. bestimmten Vorgaben keine Anwendung mehr findet.

40

Mangels Entscheidungserheblichkeit jener Vorschrift scheidet auch eine vom Kläger angeregte Aussetzung des Berufungsverfahrens entsprechend § 148 ZPO im Hinblick auf die diesbezügliche Vorlage des BGH laut Beschluss vom 28. März 2012, Az.: IV ZR 76/11, ebenso aus wie eine eigene Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zwecks Klärung einer Richtlinienkonformität des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F.

41

c) Für eine vom Kläger darüber hinaus argumentativ ins Feld geführte Europarechtswidrigkeit des gesamten der Regelung des § 5 a VVG a. F. zugrunde liegenden Policenmodells, mit der Folge eines in jedem Fall zeitlich unbegrenzten Widerspruchsrechts, selbst dann, wenn wie hier, die Voraussetzungen für einen Fristbeginn nach § 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 VVG a. F. vorliegen, ist hingegen nichts Stichhaltiges ersichtlich.

42

Vor allem der im Hinblick auf Art. 31 Abs. 1 in Verb. mit Anhang II A der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 17. November 1992 bzw. in Bezug auf Art. 36 Abs. 1 in Verb. mit Anhang III A der Richtlinie 2002/83/EG gebrachte Einwand, die notwendigen Informationen müssten bereits vor Vertragsschluss erfolgen, verkennt bereits grundlegend die rechtliche Konstruktion des Policenmodells, wonach der Vertrag nicht schon durch die Zusendung der Versicherungsunterlagen, sondern erst danach bei fehlendem bzw. nicht fristgerecht erklärtem Widerspruch des Versicherungsnehmers bindend zustande kommt, und berücksichtigt des Weiteren auch nicht, dass die hier allein maßgebliche Regelung des § 5 a Abs. 2 Satz 1 in Verb. mit Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. gerade auch im Sinne der europarechtlichen Vorgaben sicherstellt, dass der Versicherungsnehmer die notwendigen Informationen bereits vor dem Vertragsschluss erhalten hat. Ungeachtet dessen hat sich das Zustandekommen eines Versicherungsvertrages generell nach nationalem Recht zu richten und wird gerade nicht durch die genannten Richtlinien oder anderes Gemeinschaftsrecht vorgegeben, weshalb die rechtliche Ausgestaltung eines Vertragsschlusses nach dem Policenmodell in § 5 a VVG a. F. nicht contra legem durch eine vermeintlich richtlinienkonforme Auslegung überspielt werden darf, was überdies zu einem zeitlich völlig unbeschränkten sachlich deplacierten, vertraglich unangemessenen und damit jeder Billigkeit widersprechenden Widerspruchsrecht führen würde.

43

Auch sonst werden in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte grundsätzliche Bedenken gegen eine Europarechtswidrigkeit des Policenmodells nicht erhoben, wie verschiedene Entscheidungen in jüngster Zeit – zu nennen sind etwa zwei Urteile des OLG München vom 25. September 2012 (Az.: 25 U 1828/12) und vom 20. September 2012 (Az.: 14 U 1511/12) (beides zitiert nach juris) wie auch ein Beschluss des OLG Stuttgart vom 16. Juli 2012 (Az.: 7 U 54/12, VersR 2012, 1373 ff.) – zur Genüge verdeutlichen. Auf der gleichen Linie liegt der zitierte Vorlagebeschluss des BGH vom 28. März 2012, Az.: IV ZR 76/12. Denn der 4. Zivilsenat des BGH hat dem EuGH allein die für problematisch erachtete Regelung des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. zur Prüfung vorgelegt, nicht jedoch Bedenken gegen eine Europarechtskonformität des Policenmodells im Ganzen zum Gegenstand der Vorlage gemacht, was im Umkehrschluss nichts anderes bedeutet und bedeuten kann, dass insoweit keine Zweifel an einer Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht gesehen werden.

44

d) Ein dem Kläger zur Seite stehendes Widerrufsrecht lässt sich auch nicht aus den §§ 495 Abs. 1, 355 BGB herleiten.

45

Dies scheitert bereits daran, dass es sich bei der Vereinbarung unterjähriger (hier: monatlicher) Prämienzahlungen nicht um eine Gewährung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs im Sinne des § 506 Abs. 1 BGB handelt, sodass weder der effektive Jahreszins auszuweisen noch über ein Widerrufsrecht zu belehren war (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. August 2011, Az.: 20 U 51/11; OLG Köln, Beschluss vom 05. Februar 2010, Az.: 20 U 150/09; OLG Hamm, Urteil vom 18. November 2011, VersR 2012, 41; OLG Celle, Urteil vom 09. Februar 2012, Az.: 8 U 191/11, Rdnr. 51 - 57, allesamt zitiert nach juris).

46

Genauso wenig steht dem Kläger ein Anfechtungsrecht gemäß den §§ 119, 123 BGB zu, das, mit der Folge eines Bereicherungsanspruches, gemäß § 142 BGB den Rechtsgrund des Rentenversicherungsvertrages rückwirkend hätte entfallen lassen können.

47

Für eine arglistige Täuschung nach § 123 BGB seitens der Beklagten ist weder etwas dargetan noch sonstwie ersichtlich. Ein Anfechtungsrecht nach § 119 BGB wird durch die insoweit vorrangige Regelung eines Widerspruchsrechts nach Maßgabe des § 5 a VVG a. F. verdrängt.

2.

48

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Verletzung einer vorvertraglichen Beratungspflicht durch die Beklagte aus den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 249, 252 BGB kommt gleichfalls nicht in Betracht.

49

Einen solchen Schadensersatzanspruch kann der Kläger insbesondere nicht darauf stützen, dass die Beklagte ihn bei Vertragsschluss nicht darüber in Kenntnis gesetzt hätte, dass ein wesentlicher Teil der Versicherungsprämie der Befriedigung von Provisionsansprüchen der Agenten und der Deckung von Verwaltungs- und Abschlusskosten dient, da dieser Umstand nicht aufklärungsbedürftig war. Die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage einer Aufklärung über sogenannte Kick-Backs, wonach ein Kreditinstitut ihren Kunden im Rahmen einer Kapitalanlageberatung auf an sie zurückgeflossene Rückvergütungen hinzuweisen hat (vgl. etwa BGH, VersR 2011, 1061), ist auf die Vermittlung von Versicherungsverträgen nicht übertragbar, weil die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen auftretende Interessenkollision bei einer Lebens- oder Rentenversicherung wie im vorliegenden Fall nicht besteht (vgl. OLG Köln, VersR 2011, 248; OLG Hamm, Beschluss vom 31. August 2011, Az.: 20 U 81/11, und OLG Celle, Urteil vom 02. Dezember 2012, Az.: 8 U 125/11, jeweils zitiert nach juris).

50

Ein Beratungsverschulden der Beklagten wegen fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung des Klägers über sein Widerspruchsrecht ist ebenfalls zu verneinen, weil die Beklagte die nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. zu beachtenden Förmlichkeiten eingehalten hat und diesen Vorschriften als lex specialis ein abschließender Regelungscharakter zukommt, was Schadensersatzansprüche gleicher Herkunft ausschließt.

3.

51

Die Höhe des von der Beklagten errechneten und ausgezahlten Rückkaufswertes der vorzeitig beendeten Rentenversicherung hat der Kläger nicht weiter beanstandet, weshalb es hierzu an sich keiner weiteren Ausführungen bedarf.

52

Erwähnt sei jedoch der Klarstellung halber, dass die bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nach altem Recht im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung als Mindestbetrag vom Versicherer zurückzuzahlende Hälfte des sogenannten ungezillmerten Deckungskapitals dem Kläger bereits zugeflossen ist. Diese Summe ist wegen des stets notwendigen Abzugs von Risikoanteilen und laufenden Verwaltungskosten in jedem Fall geringer als die Hälfte der gezahlten Prämien (vgl. BVerfG, NJW 2006, 1783, namentlich Rdnr. 64 f. und Rdnr. 71 - 78, unter Verweis auf BGH, NJW 2005, 3559, 3564). Hier wurde allerdings sogar mehr als deren Hälfte dem Kläger als Rückkaufswert erstattet.

III.

53

Die Kostenentscheidung zulasten des mit seinem Rechtsmittel erfolglos bleibenden Klägers folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

54

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit dieses und des landgerichtlichen Urteils jeweils ohne Sicherheitsleistung entspricht den §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 Satz 1, 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.

55

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nicht ersichtlich. Weder hat die von den Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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