Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (5. Zivilsenat) - 5 U 132/14

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 27. Juni 2014 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v. H. des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Der Streitwert der Berufung beträgt 55.658,45 €.

Gründe

I.

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Wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug einschließlich der dort ergangenen Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil (Leseabschrift Bl. 42 - 52 Bd. II d. A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

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Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er die Abweisung der Klage begehrt.

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Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass etwaige Ansprüche verjährt seien. Er meint, als spätest denkbarer Zeitpunkt für eine konkludente Abnahme seiner Leistungen komme der Zeitpunkt der Abnahme der Rohbauleistungen, mithin der 26. August 2005 in Betracht. Die Klägerin habe schon mit der umgehenden Bezahlung seiner Rechnung vom 12. März 2005 zum Ausdruck gebracht, dass sie seine Leistungen als im Wesentlichen vertragsgemäß billige.

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Er hält daran fest, dass nicht feststehe, dass das Bauvorhaben auf Grund seiner Ausführungsplanungen realisiert worden sei. Aus dem Prüfbericht des Prüfstatikers vom 14. April 2005 ergebe sich, dass gegenüber den ursprünglichen Planungen Änderungen durchgeführt worden seien. Insbesondere seien bei dem Rahmensystem im Kellergeschoss die Stahlstützen durch Stahlbetonstützen ersetzt worden. Das Dachgeschoss sei ursprünglich als Holzständerkonstruktion vorgesehen gewesen, sei sodann jedoch als Massivdach ausgeführt worden. Der Prüfstatiker habe in dem Prüfbericht darauf hingewiesen, dass die Bauausführung nur nach geprüften und freigegebenen Ausführungsunterlagen erfolgen dürfe. Die Klägerin habe jedoch offensichtlich derartige Anpassungen der Ausführungsplanungen nicht mehr vorgenommen. Jedenfalls sei ihm die ergänzende Berechnung vom 12. April 2005 mit dem anschließenden Prüfbericht vom 14. April 2005 nicht mehr vorgelegt worden. Auf welcher Grundlage nun das Objekt realisiert worden sei und in welchem Umfang das Dachgeschoss geändert worden sei, sei unklar. Jedenfalls habe die Klägerin aufbauend auf seinen Ausführungsplanungen weitergehende Änderungen und Berechnungen durchführen lassen. Dieser Umstand sowie die Bezahlung der Schlussrechnung vom 12. März 2005 belegten eine konkludente Abnahme. Spätestens in der Abnahme der Rohbauleistungen und damit der realisierten Ausführungsplanung seien seine Leistungen abgenommen. Ohnehin habe die Klägerin durch den von ihr beschäftigten Bauleiter und Bauingenieur A. seine Planungsleistungen bereits vor Fertigstellung des Bauwerks prüfen können. Wenn es, wie die Sachverständige ausgeführt habe, für einen durchschnittlich ausgebildeten Architekten erkennbar gewesen sei, dass die Planung Dehnungsfugen und Maßnahmen zur Gewährleistung der Standsicherheit vorsehen müsse, gelte dies erst recht auch für den von der Klägerin beschäftigten Bauleiter. Mithin seien etwaige Ansprüche spätestens fünf Jahre nach der Rohbauabnahme vom 26. August 2005, mithin am 26. August 2010, verjährt.

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Er meint, entgegen der Annahme des Landgerichts fielen ihm auch keine Pflichtverletzungen zur Last. Das Fehlen erforderlicher Dehnungsfugen sei für ihn als durchschnittlich ausgebildeten Architekten nicht erkennbar gewesen. Selbst wenn man hiervon ausgehe, so sei diese Pflichtverletzung aber wohl nicht kausal für einen etwaigen Schaden. Denn die Klägerin habe nicht bewiesen, dass überhaupt nach seinen Ausführungsplänen gebaut worden sei. Hinzu komme, dass die Klägerin noch nach Fertigstellung seiner Leistungen Planungsänderungen und ergänzende Berechnungen ausführen lassen habe. Vor diesem Hintergrund überzeuge auch die weitere behauptete Pflichtverletzung eines vermeintlich nicht erkannten fehlenden Standsicherheitsnachweises nicht. Die Sachverständige habe angegeben, sie habe nicht über sämtliche Unterlagen verfügt. Demnach handele es sich um eine bloße Vermutung, dass ein Standsicherheitsnachweis nicht erstellt worden sei. Im Übrigen fehle es auch hier an dem Nachweis, dass ein solches Versäumnis kausal für den eingetretenen Schaden sei.

6

Er meint ferner, dass sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen müsse, weil sie ihren Mitarbeiter A. als Erfüllungsgehilfen eingesetzt habe, um das Bauvorhaben mangelfrei entstehen zu lassen und zudem durch nachträgliche Veränderungen der Planungen dafür Sorge getragen habe, dass selbst, wenn man seine Ausführungsplanungen als ursprüngliche Grundlage annehmen wollte, entscheidende Veränderungen durchgeführt worden seien. Umso mehr habe sie und ihre Bauleitung die Verpflichtung getroffen, etwaige Ausführungsplanungen zu prüfen und den Bau zu begleiten. Insbesondere sei in den Fällen, in denen der Bauleiter mit Vollmacht Planungsanordnungen erteile, die sich als fehlerhaft erwiesen und die Ursache für den Mangel des Bauwerks seien, eine Haftung gemäß § 278 BGB gegeben. So liege hier der Fall. Er habe bereits im ersten Rechtszug vorgetragen, dass der Bauleiter der Klägerin entscheidende Planungsanordnungen erteilt und aus Kostengründen auf die Montage von Rückankern und Dehnungsfugen verzichtet habe.

7

Im Rahmen der Bauleitung liege eine Pflichtverletzung regelmäßig dann vor, wenn sie ihrem Wesen nach einem Planungsfehler nahe komme. Dies sei beispielsweise anzunehmen, wenn der Besteller bauen lasse ohne die Prüfstatik abzuwarten. Hier habe sich die Klägerin offensichtlich erst nach Abnahme der Rohbauleistungen bescheinigen lassen, dass dem Prüfstatiker alle bautechnischen Nachweise zur Prüfung vorgelegen hätten. Offensichtlich habe die Klägerin aber die nachträglich durchgeführten Änderungen und vom Prüfstatiker geforderten Nachweise nicht mehr planerisch einarbeiten lassen. Dies stelle einen erheblichen Verstoß gegen die Koordinierungsverpflichtung der Klägerin dar, welche einem Planungsfehler nahe komme.

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Ferner müsse sie sich das Verschulden ihrer Sonderfachleute, hier des ehemaligen Beklagten zu 1., zurechnen lassen. Der Klägerin habe die Obliegenheit getroffen, ihm eine mangelfreie Tragwerksplanung für die Erstellung der Ausführungsplanung zur Verfügung zu stellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe der Besteller dem bauaufsichtsführenden Architekten mangelfreie Pläne zu überlassen. Das gleiche gelte für den Fall, dass der Besteller dem Architekten Pläne eines anderen Fachplaners zur Verfügung stelle, diese Pläne mangelhaft seien und der Fachplaner den Mangel dieser Planung nicht bemerke.

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Der Beklagte stellt den Antrag,

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das am 27. Juni 2014 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin stellt den Antrag,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie meint, eine Abnahme der Leistungen des Beklagten sei erst mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums am 2. April 2007 anzunehmen.

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Eine vorherige Abnahme habe der Beklagte nicht erwarten können. Es wäre nicht zielführend für sie, Architektenleistungen schon weit vor der Abnahme durch die eigenen Auftraggeber abzunehmen, weil sie sich dann in die Gefahr begeben würde, eigene Ansprüche gegenüber den Planern auf Grund eingetretener Verjährung zu verlieren. Sie meint, zudem greife der Hemmungstatbestand des § 203 BGB. Der Beklagte sei vor Ablauf der Verjährungsfrist aufgefordert worden, sich zu den von ihm zu vertretenden Planungsfehlern zu positionieren, woraufhin er mitgeteilt habe, dass er seine Haftpflichtversicherung von dem Anspruch unterrichtet habe.

15

Die Änderungen der Ausführungen, zu denen sich der Prüfbericht des Prüfingenieurs T. verhalte, beträfen nicht das hier streitgegenständliche Detail, nämlich die Brüstung. Dass die Weisungen des Prüfstatikers umgesetzt wurden, ergebe sich daraus, dass er die Bescheinigung nach § 67 BauO LSA erteilt habe. Das streitgegenständliche Baudetail sei auf der Grundlage der Ausführungsplanung des Beklagten ausgeführt worden.

16

Der Bauingenieur A. sei bei ihr als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Die ihm arbeitsvertraglich zugewiesene Aufgabe habe u. a. die Leitung der Baustellen, das Zusammenstellen und Weitergeben der Werksplanung sowie der Statik und aller sonst erforderlichen Unterlagen an die jeweiligen Subunternehmer beinhaltet, nicht jedoch die Prüfung von Planungen. Da er eine Überwachung der Planer nicht geschuldet habe, liege auch die Annahme einer Pflichtverletzung den Planern gegenüber fern.

II.

17

Die Berufung ist zulässig (§§ 511 Abs. 1 und 2, 517, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 2 ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

18

Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 55.658,45 €. Der Beklagte haftet der Klägerin für den auf Grund der mangelhaften Ausführung der Balkonbrüstung am streitgegenständlichen Haus S. in der F.-Straße 18 in H. entstandenen Schaden in Höhe der Nettomangelbeseitigungskosten auf Grund von Planungsfehlern (§§ 631 Abs. 1, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB).

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Zwischen den Parteien steht nunmehr außer Streit, dass zwischen ihnen ein Architektenvertrag zustande gekommen ist, auf dessen Grundlage der Beklagte den Bauentwurf, die Genehmigungsplanung und die Ausführungsplanung für das streitgegenständliche Haus zu erbringen hatte. Ein solcher Vertrag ist als Werkvertrag im Sinne des § 631 Abs. 1 BGB zu beurteilen.

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Die Klägerin ist als Hauptauftraggeberin aktiv legitimiert, die hier in Rede stehenden Mängelrechte geltend zu machen. Der Beklagte ist ihrem Vortrag im ersten Rechtszug, dass sie die Mängelrechte nicht beim Verkauf der Eigentumswohnungen auf die Erwerber übertragen hat, nicht mehr entgegengetreten.

21

Nach dem Ergebnis der vor dem Landgericht verfahrensfehlerfrei durchgeführten Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass die von dem Beklagten im Auftrag der Klägerin erstellte Ausführungsplanung Mängel aufwies und diese ursächlich für den hier in Rede stehenden Schaden war.

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Aufgabe der Ausführungsplanung ist es, die Bauaufgabe derart zu konkretisieren, dass nach ihren Ergebnissen gebaut werden kann, und zwar so, dass das Werk mangelfrei ist. Die Ausführungsplanung ist deshalb besonders bedeutsam, weil sie die letzte und jetzt ganz genaue Planung des Architekten unmittelbar vor der jeweiligen Bauausführung ist. Sie bringt eine Erweiterung des Pflichtenkreises des Architekten mit sich, wie die unter der Leistungsphase 5 aufgeführten Grundleistungen zeigen. Im Wesentlichen handelt es sich um die weitere, nunmehr für die praktische Bauausführung bestimmte und geeignete, ins Einzelne gehende Planung (Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 7. Aufl. 2009, § 15 Rn. 114). Zur Ausführungsplanung gehören das Durcharbeiten der Ergebnisse der Leistungsphasen 3 und 4, die zeichnerische und rechnerische Darstellung des Objekts mit allen für die Ausführung notwendigen Einzelangaben einschließlich Detailzeichnungen, das Erarbeiten der Grundlagen für die anderen an der Planung fachlich Beteiligten, das Integrieren ihrer Beiträge bis zur ausführungsreifen Lösung und das Fortschreiben der Ausführungsplanung während der Objektausführung. Die Planung muss unter Berücksichtigung des bei dem betreffenden ausführenden Unternehmer vorauszusetzenden Fachwissens einen nahtlosen Übergang von der Planung in die Ausführung ermöglichen, und zwar so, dass der ausführende Unternehmer eindeutig das jeweils Gewollte erkennen kann (Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 7. Aufl., § 15 Rn. 116). Mithin muss sich die Ausführungsplanung nur nicht auf solche Einzelheiten der Ausführung erstrecken, die handwerkliche Selbstverständlichkeiten betreffen oder durch DIN-Vorschriften für die Bauausführung jederzeit ersichtlich sind. Sind Details der Ausführung besonders schadensträchtig, müssen diese unter Umständen im Einzelnen geplant und dem Unternehmer in einer jedes Risiko ausschließenden Weise verdeutlicht werden (BGH WM 2000, 1805).

23

Gemessen daran war die Ausführungsplanung des Beklagten mangelhaft. Das Landgericht hat gestützt auf das im vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren eingeholte Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Bauing. (FH) S. H. festgestellt, dass die Risse im Außenputz der in Höhe des Dachgeschosses befindlichen Brüstungsmauer sowie im Anschlussbereich der Brüstungsmauer an die Treppenhauswand auf Spannungen zurückzuführen seien, die durch fehlende Dehnungsfugen und durch die fehlende Rückverankerung des Mauerwerkes verursacht worden seien. Angaben zur Lage sowie die Ausbildung von Dehnungsfugen wären als Bestandteil der Ausführungsplanung vom Planer vorzugeben gewesen, was hier aber nicht erfolgt ist. Das Brüstungsmauerwerk sei auch wegen der fehlenden Rückverankerung als mangelhaft ausgeführt zu bewerten. Die vorgelegten Planunterlagen, so die Ausführungsplanung des Beklagten, die vorgelegten Planunterlagen des ehemaligen Beklagten zu 1. als Statiker sowie die Unterlagen des Prüfstatikers enthielten keine Angaben zur Standsicherheit und zur statischen Rückverankerung des Brüstungsmauerwerkes. Bei der Erstellung der statischen Berechnung des Gebäudes durch den damaligen Beklagten zu 1. wäre es erforderlich gewesen, die Standsicherheit der Brüstung des Umlaufbalkons nachzuweisen. Der fehlende statische Nachweis der Brüstung sowie die fehlende konstruktive Berücksichtigung der Standsicherheit der Brüstung in der Ausführungsplanung des Beklagten seien als Planungsfehler zu bewerten. Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist keine Fehler auf. Sie ist vollständig und überzeugend. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche werden auch mit der Berufung nicht aufgezeigt.

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Wie schon das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist das schlichte Bestreiten des Beklagten, dass das Haus nach seiner Ausführungsplanung errichtet wurde, unbeachtlich. Dahinstehen kann, ob die Ausführungsplanung von einem anderen Planer noch fortgeschrieben wurde, weil dies seinen Verursachungsbeitrag nicht entfallen ließe. Maßgeblich ist, dass schon in seiner Ausführungsplanung keine Angaben zu Dehnungsfugen und zur statischen Rückverankerung des Brüstungsmauerwerks vorgegeben waren. Die fehlenden Dehnungsfugen und die fehlende Rückverankerung sind mithin nicht auf nachträgliche Anordnungen der Bauleitung zurückzuführen. Nach den Feststellungen der Sachverständigen ist zwar das Brüstungsmauerwerk abweichend von der Planung nicht als Kalk-Sandstein-Mauerwerk, sondern aus Porenbeton hergestellt worden. Ferner ist abweichend von der Ausführungsplanung die Unterseite der Balkonplatte nicht gedämmt worden. Sie hat jedoch den Materialwechsel und die fehlende Dämmung als Ursache für die festgestellten Rissbildungen ausschließen können.

25

Entgegen den Ausführungen des Beklagten ist von einem Fehlen des statischen Nachweises der Standsicherheit der Brüstung des Umlaufbalkons auszugehen. Ein solcher befand sich nicht bei den der Sachverständigen zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen. Der Beklagte macht auch selbst nicht geltend, dass ihm ein solcher vorlag. Die fehlende konstruktive Berücksichtigung der Standsicherheit der Brüstung ging hier ersichtlich mit dem fehlenden rechnerischen Nachweis der Standsicherheit der Brüstung einher. Die Aufgabe des Statikers zerfällt in zwei, allerdings ineinandergreifende Teile, nämlich in eine konstruktive und in eine rechnerische Aufgabe. Der Statiker hat einmal im Rahmen der Architektenpläne die Konstruktionsart und die Konstruktionsstärke aller tragenden Teile so festzulegen, dass das Gebäude unter der im Vertrag vorgesehenen Beanspruchung standsicher ist. Seine Konstruktion hat er in Arbeitsplänen festzulegen. Zum anderen hat der Statiker die Standsicherheit der baulichen Anlage und sämtlicher Einzelteile rechnerisch nachzuweisen (KG Berlin, Urteil vom 13. Dezember 2005, 6 U 140/01, juris). Der frühere Beklagte zu 1. hat bei der Erstellung der Statik offensichtlich die Problematik der Standsicherheit der Brüstung nicht bedacht. Dementsprechend hat er in seinen Plänen keine Rückverankerung der Brüstung vorgesehen und die Standsicherheit auch rechnerisch nicht nachgewiesen. Ohne die Rückverankerung war die Standsicherheit rechnerisch gar nicht nachzuweisen.

26

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Einplanung der Dehnungsfugen und der Rückverankerung des Mauerwerks in erster Linie dem ehemaligen Beklagten zu 1. als Statiker oblag, dem Beklagten aber anzulasten ist, dass er das Fehlen der Dehnungsfugen in der Planung des Statikers nicht beanstandet hat. Gleiches gilt aber auch für die fehlende Rückverankerung. Die Ausführungsplanung hatte dem bauausführenden Unternehmen konkrete Vorgaben hinsichtlich der Konstruktion des Brüstungsmauerwerks zu machen, insbesondere hinsichtlich der Anlegung von Dehnungsfugen und der Verankerung zur dauerhaften Standsicherheit. Die Einschaltung von Sonderfachleuten entbindet den Architekten nicht von seiner eigenen Verantwortlichkeit. Er hat deren Gutachten oder Fachplanung nach dem Maß der von ihm als Architekten zu erwartenden Kenntnisse zu überprüfen. Für eine fehlerhafte Planung des Sonderfachmanns ist er u.a. dann mitverantwortlich, wenn er nach den von ihm als Architekten zu erwartenden Kenntnissen den Mangel erkennen konnte (BGH, Urteil vom 19.12.1996, VII ZR 233/95; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06. März 2014, 5 U 84/11, juris). Dass der Bauherr einen Statiker beauftragt hat und dass zusätzlich ein Prüfstatiker eingeschaltet war, entbindet den Architekten nicht davon, die Statik auf für ihn erkennbare Mängel zu prüfen (OLG Hamm, Teilurteil vom 29. November 2011 – 24 U 35/09 –, juris). Der bauleitende Architekt hat daher die ihm zur Verfügung gestellten Planungs- und Ausschreibungsunterlagen auf Fehler und Widersprüche zu prüfen; das betrifft auch statische Unterlagen. Ferner hat er sich dabei zu vergewissern, ob bei Erstellung dieser Unterlagen von den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen worden ist. Zwar werden statische Spezialkenntnisse von einem Architekten nicht erwartet, allerdings wird dort, wo der Architekt die bautechnischen Fachkenntnisse hat, ein "Mitdenken" verlangt. Gehört deshalb die bautechnische Frage zum Wissensbereich eines Architekten, wird dieser sich im Einzelfall vergewissern müssen, ob der Sonderfachmann entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zutreffende bautechnische Vorgaben gemacht hat (OLG Hamm, Teilurteil vom 29. November 2011, 24 U 35/09, juris). Gemessen daran war von dem Beklagten zu erwarten, dass ihm auffällt, dass der Statiker keine Dehnungsfugen und keine Rückverankerung im Bereich der Balkonbrüstung vorgesehen hat und er für deren Planung sorgt.

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Einem mit der Ausführungsplanung betrauten Architekten müssen die einschlägigen Fachregeln der Technik, insbesondere die DIN-Vorschriften und Richtlinien für die Erstellung eines Brüstungsmauerwerkes bekannt sein. Dass sich verschiedene Baustoffe thermisch bedingt unterschiedlich ausdehnen, stellt eine einfache bauphysikalische Grundregel dar, deren Kenntnis sowohl bei einem Statiker als auch bei einem Architekten vorausgesetzt werden kann. Die Anlegung von Dehnungsfugen im Baukörper gehört zu den konstruktiven Aufgaben. Für deren Einplanung ist in erster Linie der Statiker verantwortlich, daneben der planende und, falls nicht sie in den Bauzeichnungen vorgesehen sind, auch der die Bauleitung oder Bauaufsicht führende Architekt. Der Bauherr darf sich bei der Beauftragung eines Statikers und eines Architekten darauf verlassen, dass diese in der erforderlichen Weise zusammen wirken (BGH, Urteil vom 14. Januar 1960, Az.: VII ZR 219/58). Der Architekt haftet daher dem Bauherrn gesamtschuldnerisch mit dem Statiker, wenn er - wie hier - nicht erkannt hat, dass die vom Statiker vorgegebene Konstruktion einer Balkonbrüstung auf Grund der thermisch bedingten Längenbewegungen der verschiedenen Baumaterialien ohne die Anordnung von Dehnungsfugen zu Zwängungen und damit zu Rissbildungen führt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Juni 2007, 21 U 38/05, juris).

28

Aber auch das Wissen um die Nachweispflicht der Standsicherheit einer Balkonbrüstung gehört, wie schon die Sachverständige in ihrem Gutachten ausgeführt hat, zu den Grundkenntnissen eines Architekten. Der Architekt hätte aus technischer Sicht hier seiner Hinweispflicht nachkommen müssen und vom Statiker den Nachweis der Balkonbrüstung einfordern müssen.

29

Der Beklagte hat nicht dargetan, dass er die Planungsmängel nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).

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Einer Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 BGB bedurfte es nicht. Da sich der Mangel des Architektenwerkes bereits in dem Gebäude verwirklicht hat, besteht diesbezüglich keinerlei Nacherfüllungsmöglichkeit mehr (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2007, Az.: VII ZR 65/06).

31

Der Beklagte haftet für den vollen Schaden. Der Klägerin fällt kein Mitverschulden (§ 254 BGB) zur Last.

32

Nach ständiger Rechtsprechung haften Statiker und Architekt dem Bauherrn eigenständig für die von ihnen vertraglich übernommenen Verpflichtungen. Der Bauherr muss sich daher ein Fehlverhalten des Statikers oder des Architekten in deren Verhältnis untereinander nicht zurechnen lassen. Beauftragt der Bauherr selbständig mehrere Sonderfachleute mit Planungsaufgaben für ein Bauvorhaben, so haftet jeder von beiden nur für die Erfüllung der von ihm in seinem Vertrag übernommenen Verpflichtungen. Regelmäßig ist der Statiker nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn in dessen Vertragsverhältnis mit dem Architekten (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002, VII ZR 66/01; OLG Hamm, Urteil vom 9. Juli 2010, 19 U 43/10, juris).

33

Auch der Umstand, dass der Mitarbeiter der Klägerin als Bauingenieur ebenfalls hätte erkennen können, dass die Planung des Brüstungsmauerwerks fehlerhaft ist, führt nicht zur Annahme eines Mitverschuldens. Die Verantwortung von Planern ist nicht dadurch eingeschränkt, dass der Bauherr fachkundig ist oder fachkundiges Personal arbeitsvertraglich gebunden hat. Grundsätzlich trifft den Bauherrn bezüglich der Leistungen seines Architekten keine Überprüfungs- oder Überwachungspflicht. Ein Mitverschulden kann daher nur in Ausnahmefällen angenommen werden, etwa wenn der Bauherr einen Fehler des Architekten bemerkt, ihn aber nicht reklamiert hat oder wenn der Mangel unbekannt geblieben ist, obwohl er offen zutage getreten war, ferner wenn der Bauherr seiner Pflicht zur Mitteilung der notwendigen Vorgaben nicht nachkommt und damit zur Entstehung des Schadens beiträgt (OLG Köln, Urteil vom 17. Oktober 2002, 10 U 48/01, juris). Derartige Umstände sind nicht dargetan.

34

Mithin hat die Klägerin gegen den Beklagten im Wege des Schadensersatzes Anspruch auf Zahlung des Betrages, der aufzuwenden ist, um die Baumängel zu beseitigen. Der Abbruch des vorhandenen und die Neuherstellung eines den technischen Regeln entsprechendes Brüstungsmauerwerkes führt nach den Ausführungen der Sachverständigen zu Nettokosten in Höhe von 58.858,50 €. Wären die Dehnungsfugen und die Rückverankerung im Mauerwerk sogleich ordnungsgemäß ausgeführt worden, hätten die Mehrkosten 3.207,10 € betragen. Nach Abzug dieser Sowiesokosten verbleibt ein Anspruch in Höhe von 55.658,45 € netto.

35

Der Anspruch auf Zinsen folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

36

Der Anspruch der Klägerin ist schließlich nicht verjährt (§ 194 Abs. 1 BGB). Die gem. § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB maßgebliche Verjährungsfrist von fünf Jahren beginnt mit der Abnahme der Architektenleistung (§ 634 a Abs. 2 BGB).

37

Eine ausdrückliche Abnahme (§ 640 Abs. 1 BGB) der Ausführungsplanung ist nicht erfolgt. Eine Abnahme kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent, das heißt durch schlüssiges Verhalten des Auftraggebers, erklärt werden. Konkludent handelt der Auftraggeber, wenn er dem Auftragnehmer gegenüber ohne ausdrückliche Erklärung erkennen lässt, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß billigt. Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen. Ob eine konkludente Abnahme vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 26.09.2013, VII ZR 220/12, juris). Die konkludente Abnahme einer Architektenleistung kann darin liegen, dass der Besteller nach Fertigstellung der Leistung und nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist nach Bezug des fertiggestellten Bauwerks keine Mängel der Architektenleistungen rügt. Vor Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist, deren Länge von der allgemeinen Verkehrserwartung bestimmt wird, kann der Architekt im Regelfall redlicherweise keine Billigung seines Werks erwarten (BGH, Urteil vom 26.09.2013, VII ZR 220/12, juris). Der Besteller benötigt für die Prüfung des Werkes eines Architekten, der mit Planungs- und Überwachungsaufgaben betraut ist, einen angemessenen Zeitraum. Denn er muss verlässlich feststellen können, ob das Bauwerk den vertraglichen Vorgaben entspricht, insbesondere die vereinbarten Funktionen vollständig erfüllt sind und etwaige Beanstandungen auf Fehler des Architekten zurückzuführen sind. Insoweit kann auch ins Gewicht fallen, ob dem Besteller Pläne zur Verfügung stehen, die die Prüfung erleichtern. Dieser für die Prüfung notwendige Zeitraum bestimmt die in jedem Einzelfall zu bestimmende Prüfungsfrist und damit auch den Zeitpunkt, zu dem eine konkludente Abnahme in Betracht kommt. Es ist unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Architekten, den Zeitpunkt der konkludenten Abnahme nicht unangemessen nach hinten zu verschieben (BGH, Urteil vom 26. September 2013, VII ZR 220/12, juris).

38

Nach diesen Grundsätzen konnte der Beklagte nicht vor Ablauf des Jahres 2005 von einer Billigung seiner Leistungen durch die Klägerin ausgehen. Der Beklagte hat seine Leistungen im Jahr 2005 erbracht und am 12. März 2005 Rechnung gelegt. Aus der Bezahlung der Rechnung konnte er noch nicht schließen, dass die Klägerin sein Werk billigt. Eine Billigung ergab sich auch noch nicht daraus, dass diese das Haus auf der Grundlage der Ausführungsplanung des Beklagten errichtete. Dafür, dass sie die Ausführungsplanung vorher überprüfen ließ, hatte er keine Anhaltspunkte. Mithin konnte er nicht erwarten, dass die Klägerin seine Planungsleistung vor der Fertigstellung des Hauses und Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist billigt. Ihr war eine angemessene Frist zuzugestehen, innerhalb der sie prüfen konnte, ob das auf der Grundlage der Ausführungsplanung des Beklagten errichtete Haus Baumängel aufweist, die auf eine mangelhafte Ausführungsplanung zurückzuführen sind. Hierfür war ihr nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Prüfungsfrist, die frühestens mit der Abnahme der Rohbauarbeiten am 26. August 2005 zu laufen begann, von sechs Monaten zuzubilligen.

39

Zudem wurde die Verjährung im September 2010 durch Verhandlungen gehemmt (§ 203 BGB). Der Begriff der Verhandlungen ist weit auszulegen. Der Gläubiger muss klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er diesen stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruches oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (BGH, Urteil vom 14. Juli 2009, XI ZR 18/08). Nachdem der Beklagte auf das Aufforderungsschreiben der Klägerin vom 9. September 2010 am 14. September 2010 mitgeteilt hat, er habe seine Haftpflichtversicherung von dem Schadensersatzanspruch unterrichtet, konnte die Klägerin annehmen, dass er sich auf weitere Erörterungen einlässt.

40

Der Lauf der Verjährungsfrist ist im Übrigen rechtzeitig durch die Zustellung des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens vom 19. Oktober 2010 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB gehemmt worden. Gemäß § 167 ZPO trat die Hemmung bereits mit dem Eingang des Antrags beim Landgericht am 20. Oktober 2010 ein, da der Antrag der Beklagten demnächst, nämlich am 29. Oktober 2010, zugestellt worden ist. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Hemmung bis zum 25. September 2013 angedauert habe und deshalb rechtzeitig vor Ablauf der Hemmung Klage erhoben worden sei (§ 204 Abs. 2 BGB).

41

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 3, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO, 43 Abs. 1, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG.

42

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).


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