Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 L 222/07
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Aufhebung von BAföG-Leistungsbescheiden und die Rückforderung von Ausbildungsförderung.
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Der am (..) Mai 1980 geborene Kläger stellte unter dem Datum des 17. September 2002, eingegangen bei dem Beklagten am 08. Oktober 2002, einen Antrag auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG – für den Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003. In dem vom Kläger verwendeten Antragsformular wurden zu den Rubriken „Angaben zu meinem Einkommen im Zeitpunkt der Antragstellung“ (Zeile 70 ff.), „Angaben zu meinem Vermögen im Zeitpunkt der Antragstellung“ (Zeile 91 ff.), „Meine Schulden und Lasten im Zeitpunkt der Antragstellung“ (Zeile 91 ff.), „Freizustellende Vermögenswerte“ (Zeile 107 ff.) keine Angaben gemacht und versichert, dass die Angaben richtig und vollständig sind. Mit dem Antrag wurden u. a. Erklärungen der Eltern des Klägers zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen nebst einem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2000 sowie eine vom Vater des Klägers unterzeichnete „Zusätzliche Erklärung zu(m) Kind J. A.“ zur Sachakte gereicht, welche sämtlich vom 15. September 2002 datieren. Mit Antrag vom 29. September 2003, eingegangen bei dem Beklagten am 30. Oktober 2003, stellte der Kläger einen weiteren Antrag auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von Oktober 2003 bis September 2004; das verwendete Antragsformular enthält zu den genannten Rubriken ebenfalls keine Angaben.
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Der Beklagte leistete daraufhin an den Kläger aufgrund der Bewilligungsbescheide vom 29. November 2002 und vom 30. Januar 2004 Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003 in Höhe von 466,00 Euro mtl. sowie für den Bewilligungszeitraum Oktober 2003 bis September 2004 in Höhe von 456,00 Euro mtl.
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Eine Anfrage des Beklagten an das Bundesamt für Finanzen ergab, dass der Kläger im Jahre 2002 von der Kapitalertragssteuer freigestellte Kapitalerträge in Höhe von 1.104,00 Euro erzielt hat. Mit Schreiben vom 10. November 2004 hörte der Beklagte den Kläger zu diesem Sachverhalt an.
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Der Vater des Klägers teilte daraufhin dem Beklagten mit Schreiben vom 18. November 2004 mit, im Jahr 1995 habe er seinem – damals 15-jährigen – Sohn 10.000,00 DM geschenkt, die er für ihn – auf seinen Namen – bei der Sparkasse D. angelegt habe. Da das Geld für den Start in das Berufsleben gedacht gewesen sei, habe er mit der Bank einen Vertrag mit einer Laufzeit von sieben Jahren abgeschlossen. Er habe erwartet, dass sein Sohn bis dahin die von ihm beabsichtigte Schreinerlehre abgeschlossen haben würde. Die Vertragsdauer habe am 27. Juni 2002 geendet; zu diesem Zeitpunkt sei die letzte Zinsgutschrift in Höhe von 517,12 Euro erfolgt. Im Jahre 1998 habe sein Sohn 10.000,00 DM von seinem Großvater als Geschenk erhalten. Dieses Geld, ergänzt durch eine fällige Ausbildungsversicherung, sei bei der Raiffeisenbank A-Stadt angelegt worden, die später mit der Raiffeisenbank S. fusioniert habe. Im Jahre 2002 seien Zinsgutschriften in Höhe von 587,14 Euro erfolgt; die letzte Gutschrift am 19. September 2002. Der Ausbildungsverlauf seines Sohnes habe sich anders gestaltet als ursprünglich gedacht. Da er keine Lehrstelle gefunden habe, habe er für drei weitere Jahre die Fachoberschule besucht, wozu ein praktisches Jahr gehört habe. Während dieses Praktikumsjahres habe er enormen Kapitalbedarf gehabt. Er habe zu wechselnden Einsatzstellen fahren müssen, die er mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht habe erreichen können. Deshalb habe er seinem Sohn ein Moped für einen Preis von mehr als 7.000, - DM gekauft; auch habe sein Sohn Geld für den Erwerb des Führerscheins benötigt. Da er an das Geld auf der Bank nicht herangekommen sei, habe er – der Vater – ihm jedes Mal den benötigten Betrag geliehen. Im Jahre 1999 sei sein Sohn zum Wehrdienst eingezogen worden und in Holland eingesetzt gewesen. Er habe deshalb ein Auto benötigt. Er – der Vater – habe ihm hierfür und den benötigten Autoführerschein das erforderliche Geld geliehen. Im Jahre 2000 habe sein Sohn dann eine Schreinerlehrstelle erhalten. Er sei aus der elterlichen Wohnung ausgezogen und habe sich eine eigene Wohnung eingerichtet; das hierfür erforderliche Geld habe er – der Vater – ihm geliehen. Die Lehre habe sein Sohn – nach einem vorausgegangenen Wechsel der Lehrstelle – nach einem Jahr abgebrochen und ein freiwilliges soziales Jahre in der Nähe von P. abgeleistet. Da er dort nur ein Taschengeld erhalten habe, habe er seinem Sohn Geld für den täglichen Bedarf geliehen. Im Sommer 2002 seien schließlich die Schulden höher als das Guthaben auf der Bank gewesen. Es sei nun für seinen Sohn an der Zeit gewesen, seine Schulden zu begleichen. Da er – der Vater – seiner Tochter „unter die Arme habe greifen wollen“, habe er veranlasst, dass das Konto bei der Kreissparkasse D. auf seine Tochter übertragen worden sei. Die Übertragung des Guthabens sei am 24. September 2002 in voller Höhe, einschließlich Zinsen erfolgt. Das Konto bei der Raiffeisenbank S. sei am 19. September 2002 aufgelöst worden und das Guthaben auf Konten der Eltern des Klägers eingezahlt worden. Nach allem habe sein Sohn beide Male korrekt die Fragen zum Vorhandensein von Vermögenswerten verneint.
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Unter dem 14. Dezember 2004 bestätigte der Kläger die Angaben seines Vaters durch Übersendung einer von ihm unterzeichneten Kopie des Schreibens vom 18. November 2004. Mit ergänzendem Schreiben des Vaters des Klägers vom 16. Dezember 2004 wurden verschiedene Nachweise und Rechnungsbelege – u. a. eine Rechnung vom 02. Juli 1996 über den Erwerb eines Moped zum Preis von 5.300, - DM, ein Rechnung vom 24. März 1999 über den Einsatz eines Notarztes in Höhe von 377,40 DM und eine Rechnung vom 22. März 1999 über den Einsatz eines Krankentransportwagens/ Rettungswagens in Höhe von 485,00 DM – zur Akte gereicht; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorganges (Bl. 105 – 133 d. Beiakte A) Bezug genommen.
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Mit Bescheiden vom 31. Mai 2005 setzte der Beklagte unter Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 29. November 2002 und 30. Januar 2004 die Leistung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003 auf Null und für den Bewilligungszeitraum Oktober 2003 bis September 2004 auf 333,00 Euro monatlich fest und forderte vom Kläger einen Betrag in Höhe von 7.068, - Euro zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung am 08. Oktober 2002 über Vermögen in Höhe von zumindest 11.472,07 Euro und zum Zeitpunkt der Antragstellung am 30. Oktober 2003 über Vermögen in Höhe von 12.362,14 Euro verfügt habe. Da der Kläger diese Beträge bei Stellung seiner Anträge nicht angegeben habe, sei die Rückforderung gerechtfertigt. Auf schützenswertes Vertrauen könne er sich nicht berufen, da die Bewilligungsbescheide auf unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben beruht hätten, die er zumindest grob fahrlässig gemacht habe. Es sei von einer rechtsmissbräuchlichen Übertragung von Vermögenswerten auszugehen, da er im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme seiner förderungsfähigen Ausbildung Vermögen unentgeltlich und ohne gleichwertige Gegenleistung an seine Eltern übertragen habe. Die von seinen Eltern zur Verfügung gestellten Geldbeträge seien als Darlehensverpflichtung nicht berücksichtigungsfähig, da die Darlehensbedingungen nicht den finanzgerichtlichen Kriterien des Fremdvergleichs entsprächen. Mündliche Darlehensverträge seien ohne Bedeutung.
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Der Kläger hat am 10. Juni 2005 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zur Begründung seiner Klage im Wesentlichen geltend gemacht:
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Seine Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen bei seinen Antragstellungen am 08. Oktober 2002 und am 30. Oktober 2003 seien zutreffend gewesen; er habe „über die Konten kaum Kenntnis gehabt“. Das Geld sei von seinem Vater und seinem Großvater für ihn angelegt worden, Kontoauszüge oder das Sparbuch habe er nie erhalten. Sein Vater sei über beide Konten verfügungsberechtigt gewesen; auch habe er alles geregelt. Weil er gewusst habe, dass irgendwo ein Konto für ihn existierte, habe er immer mal wieder spontan Geld verlangt, welches ihm sein Vater gegeben habe. Er sei davon ausgegangen, dass sein Vater seine Konten belasten würde. Überprüft habe er dies aber nicht. Im Sommer 2002 habe ihm sein Vater dann mitgeteilt, dass das Geld aufgebraucht sei. Als ihm sein Vater mitgeteilt habe, dass die Konten noch vorhanden seien, habe er ihn aufgefordert, diese aufzulösen. Auf Nachfrage habe ihm sein Vater erneut versichert, dass das Geld aufgebraucht sei und die Beträge auf den Konten Teil des Vermögens seines Vaters seien. Genauso wie bei der Einrichtung der Konten sei auch die Auflösung der Konten von seinem Vater veranlasst worden. Die dazu benötigten Unterlagen seien ihm von seinem Vater zugeschickt, von ihm – dem Kläger –unterschrieben und alsdann zurückgeschickt worden. Als er am 08. Oktober 2002 den ersten Antrag auf Bewilligung von Ausbildungsförderung eingereicht habe, sei er somit zu Recht davon ausgegangen, dass er kein Vermögen mehr besitze.
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Als er 16 Jahre alt gewesen sei, habe er ein Moped-Führerschein gemacht und ein Moped gekauft, um zu den Einsatzstellen seines Praktikums zu gelangen. Er habe seinen Vater gebeten, ihm das Geld hierfür kurzfristig vorzustrecken, was er getan habe. Er sei davon ausgegangen, dass er anschließend sein Konto belaste. Es sei niemals davon die Rede gewesen, dass er ihm ein längerfristiges Darlehen gewähren solle. Über ein Darlehen sei niemals gesprochen worden. Insofern fehle es selbstverständlich auch an nachprüfbaren Darlehensverträgen mit Konditionen usw.. Dies bedeute, es habe nie einen Darlehensvertrag gegeben, weder mündlich noch schriftlich. Das kurzfristige „Vorstrecken“ von Geld „bei kurzfristigen finanziellen Engpässen“ sei in seiner Familie üblich gewesen. Auch habe sein Vater von ihm nie Zinsen verlangt. Ebenso habe kein Grund bestanden, mit dem vom Großvater geschenkten Geld das “Darlehen“ beim Vater zu tilgen, weil es ein solches Darlehen gar nicht gegeben habe. Allerdings habe er gewusst, dass das vom Vater geschenkte Geld verbraucht gewesen sei; die eingereichten Nachweise würden dies belegen. Demzufolge habe er seine Vermögenswerte auch nicht unentgeltlich auf seine Eltern übertragen und dadurch ohne Not seine Mittellosigkeit herbeigeführt. Vielmehr habe sein Vater zuvor einen rechtlichen Anspruch auf die Kontenübertragung erlangt, den er vorher nicht realisiert habe. Sein Vater habe ihm zwischenzeitlich mitgeteilt, dass er gewollt habe, dass er – der Kläger – weiter die Zinsen bekomme, um einen kleinen Zuschuss zu haben zu seinem Praktikantengehalt bzw. zum Wehrsold und dem Taschengeld während des freiwilligen sozialen Jahres. Im Übrigen sei zunächst gar nicht beabsichtigt gewesen, dass er ein Studium beginnen und Ausbildungsförderung beantragen werde. Daher habe er erst nach dem Ausfüllen des ersten Antrages von seinem Vater erfahren, dass auf seinen Namen noch Konten existieren würden. Andernfalls hätte er kaum erst den Förderungsantrag ausgefüllt und dann erst die Konten übertragen bzw. aufgelöst. Er habe von einer Überprüfung der von seinem Vater verwalteten Konten abgesehen, weil er seinem Vater vertraut habe. Es sei auch nicht richtig, dass er – wie der Beklagte behaupte – leichtfertig geglaubt habe, dass die Konten auf seinem Namen geführt würden, ohne dass er hierfür rechtlich verantwortlich sei. Er sei der Annahme gewesen, dass die Konten überhaupt nicht mehr existieren würden. Die 10.000 DM seien ihm zudem von seinem Vater als Unterhaltsvorauszahlung für die kommenden Jahre übertragen worden. Dieses Geld sei verbraucht worden, bevor er 18 Jahre alt geworden sei (Moped, Versicherung, Steuern, Schutzkleidung, Benzin). Es sei nie beabsichtigt gewesen, ihm über die zugewendeten Beträge hinaus weiteres Geld oder Sachwerte zu schenken.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Bescheide des Beklagten vom 31. Mai 2005 aufzuheben, soweit Entscheidungen über die Bewilligungszeiträume Oktober 2002 bis September 2003 und Oktober 2003 bis September 2004 getroffen werden.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat er eingewandt, das Vorbringen des Klägers sei unschlüssig, wenn er behaupte, er habe keine kurz- oder längerfristigen Darlehen erhalten. Wenn dies richtig wäre, dann hätte der Vater des Klägers auch keinen – wie der Kläger behaupte – Rückübertragungsanspruch erworben. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum der Vater des Klägers, seinen Rückforderungsanspruch nicht sogleich mit der Geldschenkung des Großvaters im Jahre 1998 verrechnet habe, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt der Schuldenstand 10.000,00 DM erreicht habe. Dies lasse nur den Schluss zu, dass dem Kläger der vermögenswerte Vorteil der Schenkung durch den Vater erhalten bleiben sollte, die erworbenen Gegenstände ihm geschenkt worden seien oder aber die Leistungen in Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung erbracht worden seien. Bei den Konten habe es sich auch nicht um Festgeldkonten gehandelt.
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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13. Juni 2007 die Bescheide vom 31. Mai 2005 aufgehoben, soweit mit ihnen Entscheidungen über die Bewilligungszeiträume Oktober 2002 bis September 2003 und Oktober 2003 bis September 2004 getroffen wurden. Die Leistung von Ausbildungsförderung an den Kläger in der Zeit von Oktober 2002 bis September 2004 sei rechtswidrig gewesen, weil der Kläger über anrechenbares Vermögen im Sinne der §§ 28 ff. BAföG verfügt habe, welches seinen Bedarf überstiegen habe. Das Guthaben des Klägers auf dem Festgeldkonto bei der Raiffeisenbank S. und die Sparanlage bei der Sparkasse D. stellten anrechenbares Vermögen dar. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass es im Zeitpunkt der Antragstellung am 08. Oktober 2002 nicht mehr auf den Konten verfügbar gewesen sei, weil der Kläger zuvor einen Betrag in Höhe von 10.000,00 DM an seine Schwester abgetreten und einen weiteren Betrag in Höhe von 10.000,00 DM an seine Eltern übertragen habe. Die Guthaben seien dem Kläger förderungsrechtlich gleichwohl als Vermögen zuzuordnen, weil die Vermögensverfügungen rechtsmissbräuchlich erfolgt seien. Davon sei dann auszugehen, wenn ein Auszubildender im Hinblick auf eine konkret geplante oder schon begonnene Ausbildung, für die Ausbildungsförderung in Anspruch genommen werden solle, Vermögen unentgeltlich an einen Dritten übertrage, um eine Anrechnung zu vermeiden. So verhalte es im vorliegenden Fall. Die Vermögensverfügungen des Klägers seien zeitnah zur Antragstellung und ohne gleichwertige Gegenleistung erfolgt; dies widerspreche dem Gesetzeszweck. Der Vortrag des Klägers, er habe bei seinem Vater Schulden in einer den Guthaben entsprechenden Höhe gehabt, weshalb im September 2002 ein Ausgleich vorgenommen worden sei, vermöge nicht zu überzeugen. Der Kläger habe das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung zur Begleichung einer solchen Forderung und das Bestehen einer aktuell durchsetzbaren Verbindlichkeit jedenfalls nicht in der gebotenen Weise dargetan.
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Der Rücknahme der Bewilligungsbescheide stehe allerdings die Vorschrift des § 45 Abs. 2 SGB X entgegen. Der Kläger könne sich nach § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, weil ein Ausnahmefall im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X nicht vorliege. Die angefochtenen Bescheide beruhten nicht auf Angaben, die der Kläger (zumindest) grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Bei seiner Antragstellung am 08. Oktober 2002 habe er die den Zeilen 91 ff. des Antragsformulars entsprechenden Angaben gemacht. In Zeile 102 des Formulars sei ein Barvermögen, Bank- und Sparguthaben, Bauspar- und Prämiensparguthaben nur einzutragen, wenn es insgesamt über 10.000, - DM (5.200 Euro) liege. Hiervon ausgehend habe der Kläger auf eine Eintragung verzichten dürfen. Das Guthaben von 20.000,00 DM sei bereits im Zeitpunkt der Antragsstellung nicht mehr dem Kläger zuzuordnen gewesen, weil es bereits wirksam übertragen gewesen sei. Die Tatsache, dass das Vermögen ausbildungsförderungsrechtlich dennoch angerechnet werde und sich der Kläger sich so behandeln lassen müsse, als ob er noch über das Vermögen vorhanden sei, andere daran nichts. Es fehle an einem diesbezüglichen Hinweis im Antragsformular. Auch werde nicht danach gefragt, ob der Auszubildende Vermögen besessen, zwischenzeitlich aber wieder verloren habe; vielmehr werde ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt. Ebenso sei der Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 1. Halbsatz SGB X nicht erfüllt. Zwar könne als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass staatliche Mittel nur in Anspruch genommen werden können, wenn eigene Mittel nicht zur Verfügung stehen. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Durch die vorgenommene Vermögensübertragung haben dem Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt keine finanziellen Mittel (mehr) zur Verfügung gestanden. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über die weitere Zurechnung des Vermögens im Fall einer rechtsmissbräuchlichen Übertragung von Vermögenswerten habe bekannt sein müssen; diese Kenntnis sei weder Gemeingut noch sei dies im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers zu erwarten gewesen.
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Im vorliegenden Fall könne schließlich dahingestellt bleiben, ob die nach § 45 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB X regelmäßig bestehende Schutzwürdigkeit des Vertrauens womöglich deshalb entfalle, weil hier ein den in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis Nr. 3 SGB X genannten Sonderfällen vergleichbarer Fall vorliege, der den Ausschluss der Schutzwürdigkeit des Vertrauens rechtfertige. Zwar dürfte dies nach Auffassung der Kammer hier der Fall sein; dies bedürfe hier aber keiner Vertiefung, weil in einem solchen Fall eine Rücknahme für die Vergangenheit ausgeschlossen sei. Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X sei eine Rücknahme für die Vergangenheit nämlich nur in den Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X möglich.
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Auf Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 20. Oktober 2009 die Berufung zugelassen und der Beklagte die Berufung fristgerecht wie folgt begründet:
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Das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Urteil zwar rechtsfehlfrei festgestellt, dass der Kläger sein Vermögen in Höhe von 20.000,00 DM in rechtsmissbräuchlicher Weise kurz vor Einreichung seines Erstantrages am 08. Oktober 2002 teilweise an seine Schwester und teilweise an seinen Vater übertragen habe. Trotz der Feststellung einer rechtsmissbräuchlichen Übertragung von Vermögenswerten und der damit verbundenen Rechtswidrigkeit der ergangenen Förderungsbescheide für die Bewilligungszeiträume von Oktober 2002 bis September 2004 habe es aber dem Kläger zu Unrecht Vertrauensschutz aufgrund der Regelung gem. § 45 Abs. 2 SGB X zugebilligt.
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Unzutreffend gehe das Verwaltungsgericht zudem davon aus, dass die aufgehobenen Bewilligungsbescheide vom 29. November 2002 und vom 30. Januar 2004 nicht auf Angaben beruhen würden, die der Kläger zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe, weil ihm das Guthaben von 20.000, - DM, welches er zuvor bereits zivilrechtlich wirksam übertragen habe, im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr zuzuordnen gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe insoweit zu Unrecht auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Ausbildungsförderung am 08. Oktober 2002 abgestellt und unberücksichtigt gelassen, dass er den Antrag unter Verwendung des Formblattes 1 bereits am 17. September 2002 ausgefüllt und unterschrieben habe. Zu diesem Zeitpunkt hätten dem Kläger die rechtsmissbräuchlich übertragenen Vermögenswerte noch in voller Höhe zur Verfügung gestanden. Dies ergäbe sich daraus, dass die entsprechenden Übertragungen auf die Schwester und seine Eltern erst am 19. bzw. 24. September 2002 veranlasst worden seien. Hieraus folge, dass der Kläger im Zeitpunkt, in dem er das Antragsformular ausgefüllt und unterschrieben habe, unrichtige und unvollständige Angaben gemacht habe. Der Kläger könne sich daher nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz gem. § 45 SGB X berufen unter Hinweis darauf, dass der Antrag erst am 08. Oktober 2002 und somit erst nach Übertragung der Vermögenswerte auf seine Verwandten bei dem Beklagten eingegangen sei.
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Schließlich könne sich der Kläger auch deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe in dem BAföG-Antrag “formal“ keine unrichtige Angaben gemacht, weil das den Vertrauensschutz beseitigende Verhalten, soweit es nicht auf die vorsätzlich oder grob fahrlässig gemachten Angaben gestützt werden könne, in dem vorangegangenen Verhalten der rechtsmissbräuchlichen – weil ohne Rechtsgrund erfolgten – Weggabe des Vermögens begründet liege.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 13. Juni 2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger, der in der mündlichen Verhandlung anwaltlich nicht vertreten war, hat keinen Antrag gestellt.
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Er trägt ergänzend vor, der Beklagte stelle bei der Frage, ob er grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht habe, zu Unrecht auf den Zeitpunkt des Ausfüllens und der Unterzeichnung des Erstantrages ab. Dies werde dem tatsächlichen Geschehen nicht gerecht. Er habe am 17. September 2002 davon ausgehen können, dass die streitgegenständlichen Vermögenswerte nicht mehr existieren würden.
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Erst anlässlich eines Besuchs seines Vaters bei der Einrichtung seiner neuen Wohnung am Studienort am 18. September 2002 habe er, nachdem er seinem Vater gegenüber erwähnt habe, dass er einen BAföG-Antrag gestellt habe, von diesem erfahren, dass die vermeintlich „längst erledigten“ Konten noch existieren würden. Daraufhin habe er von seinem Vater verlangt, dass er die Konten sofort auflöse. Sein Vater habe alsdann das bei der Raiffeisenbank S. bestehende Konto aufgelöst, ohne dass er – der Kläger – hierüber irgendwelche Informationen erhalten habe. Gleiches sei mit dem bei der Sparkasse D. bestehenden Konto geschehen, dessen Guthaben am 24. September 2002 auf die Schwester übertragen worden sei. Im Ergebnis würden damit die Bewilligungsbescheide vom 29. November 2002 und 30. Januar 2004 nicht auf Angaben beruhen, die er grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Auch sei bei der Frage nach dem Vorliegen grober Fahrlässigkeit neben den Umständen des Einzelfalles auf die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen abzustellen. Soweit er Tatsachen richtig angegeben, aber falsch gewürdigt habe, sei ihm keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass nach seiner Auffassung die Guthaben auf beiden Konten verbraucht gewesen seien. Die Konten seien eröffnet worden, als er noch minderjährig gewesen sei bzw. die Volljährigkeit erreicht habe. Sein Vater habe Kontovollmacht hinsichtlich beider Konten gehabt. Von ihm selbst sei niemals Kontobewegungen veranlasst oder Geld abgehoben worden. Auch habe er nie Kontoauszüge erhalten.
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Es könne entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Übertragung des Vermögens ausgegangen werden, da die Übertragung nicht unentgeltlich erfolgt sei. Es habe zwischen seinem Vater und ihm eine Darlehensabrede bestanden. Die Darlehensschuld sei auch wirksam begründet worden; bei der Frage nach dem Bestehen einer Darlehensschuld unter Angehörigen sei entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht zwingend ein sog. Fremdvergleich anzustellen. Eine solche Voraussetzung lasse sich der Regelung zu § 28 Abs. 3 Satz 2 BAföG nicht entnehmen. Bereits im Anhörungsverfahren habe sein Vater zu den Ausgaben vorgetragen, die für ihn - den Kläger – getätigt worden seien, und diese durch Belege nachgewiesen (Anschaffung eines Mopeds – 5.390,00 DM / Versicherungsbeiträge 1996, 1997 und 1998 – 341,70 DM, 691,18 DM und 691,10 DM / Wohnungseinrichtungsgegenstände – 1.460,00 DM). Auch das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag zu seinem „gebrochenen Lebens- und Ausbildungsverlauf“ nicht ausreichend gewürdigt und aufgeklärt, wonach davon auszugehen sei, dass er eine Tischlerlehre begonnen und nach einem Wechsel des Ausbilders abgebrochen, den Wehrdienst abgeleistet sowie ein freiwilliges soziales Jahr durchgeführt habe. Der von ihm insoweit gewählte Ausbildungsverlauf sei für seine Eltern ein Schock gewesen. Soweit das Verwaltungsgericht objektive Anhaltspunkte für eine Abgrenzung einer Darlehensabrede von einer Unterhaltsgewährung bzw. „verschleierten Schenkung“ vermisse, berücksichtige es nicht den Umstand, dass er eine Ausbildungsvergütung, Wehrsold und Einkommen im Rahmen des FSJ erhalten habe, was einen Unterhaltsanspruch mangels Bedürftigkeit ausgeschlossen habe. Wenn das Verwaltungsgericht schließlich aus der nicht erfolgten Verrechnung offener Darlehensbeträge zum Zeitpunkt der Schenkung von 10.000,00 DM durch den Großvater im Jahre 1998 auf das Fehlen einer aktuell durchsetzbaren bzw. ernsthaften Verbindlichkeit schließe, stehe dies im Widerspruch zum Wortlaut der Regelung des § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG, wonach gerade nicht auf die Fälligkeit einer (Darlehens-)Forderung abgestellt werde.
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Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört und zu den Gründen und den Umständen der von ihm veranlassten Vermögensübertragungen Beweis erhoben durch Vernehmung seines Vaters als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der informatorischen Befragung und der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift sowie wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten A und B), die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die vom Kläger angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 31. Mai 2005 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Aufhebung bzw. Änderung der Bewilligungsbescheide vom 29. November 2002 und vom 30. Januar 2004 erfolgte zu Recht, da diese rechtswidrig waren und die Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 2 bis 5 SGB X vorliegen; gem. § 50 SGB X besteht zugleich ein Anspruch des Beklagten auf Erstattung der an den Kläger zu Unrecht geleisteten Ausbildungsförderung.
I.
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Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch nach Unanfechtbarkeit unter den Voraussetzungen der Absätze 2 bis 4 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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1. Die Bewilligungsbescheide vom 29. November 2002 und vom 30. Januar 2004 waren rechtswidrig, § 45 Abs. 1 SGB X. Die Voraussetzungen für eine Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG - lagen nicht bzw. nicht in der festgesetzte Höhe vor, da das anrechenbare Vermögen des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Antragstellungen der ihm gewährten Förderung ganz bzw. teilweise entgegenstand.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Vermögens ist gem. § 28 Abs. 2 und 4 BAföG der Zeitpunkt der Antragstellung. Hinsichtlich des Zeitpunktes der Antragstellung ist dabei entgegen der Auffassung des Beklagten auf den Zeitpunkt des Zugangs des BAföG-Antrages bei der Behörde abzustellen, mithin dem Zeitpunkt, in dem der Antrag tatsächlich in die Verfügungsgewalt der Behörde gelangt ist. Denn die Erklärungen im BAföG-Antrag werden erst dann rechtswirksam, wenn diese derart in den Herrschaftsbereich des Empfängers geraten sind, dass dieser unter normalen Verhältnisse vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen kann (Kopp / Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. § 31 Rdnr. 22, 42 Rdnr. 80 m. w. N.). Auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen selbst oder auf den Zeitpunkt des Ausfüllens und des Unterzeichnens des Antragsformulars, kommt es hingegen nicht an – und zwar auch ungeachtet dessen, dass die Erklärung mit einem Datum versehen worden ist –, weil allein mit dem Ausfüllen und Unterzeichnen des Formulars der Antrag noch nicht in den Rechtsverkehr gelangt ist. Dies ändert allerdings nichts daran, dass bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage, namentlich bei der Frage, ob im Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig unzutreffende oder unvollständige Angaben gemacht wurden, auch die Erklärungen und Erkenntnisse des Auszubildenden zum Zeitpunkt des Ausfüllens und des Unterzeichnens des Formulars einbezogen werden können und dass bei zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen unrichtige oder unvollständige Angaben zu berichtigen bzw. zu ergänzen sind.
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Gem. § 11 Abs. 2 BAföG ist auf den Bedarf das Vermögen des Auszubildenden anzurechnen, wobei hierzu gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG auch Guthaben bei Banken, Bausparkassen und Wertpapiere wie etwa Sparbücher gehören. Der Kläger besaß zu den maßgeblichen Stichtagen der Beantragung von Leistungen nach dem BAföG Vermögen in Form von Bankguthaben überhalb des Freibetrages von 5.200, - Euro (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG). Denn das in Rede stehende Vermögen war dem Kläger ungeachtet der vorausgegangenen Vermögensverfügungen im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Antragstellung (ausbildungs-)förderungsrechtlich (noch) zuzuordnen, und zwar auch dann, wenn – wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist – auf den Zeitpunkt des Eingangs der Anträge beim Beklagten, mithin auf den 08. Oktober 2002 (Eingang des Erstantrages) und auf den 30. Oktober 2003 (Eingang des Wiederholungsantrages) abgestellt wird. Dabei ist von Folgendem auszugehen:
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Maßgeblich für die Zuordnung des Vermögens ist grundsätzlich das geltende Recht, wie es sich insoweit insbesondere aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ergibt (vgl. Rothe / Blanke, BAföG-Kommentar, Stand: Januar 2004, § 27 Rdnr. 8.1).
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Der Kläger war – zumindest bis zu der von ihm vorgenommenen Übertragung des Vermögens auf seine Angehörigen – zivilrechtlich Inhaber der genannten Konten und damit Gläubiger der entsprechenden Auszahlungsforderungen. Kontoinhaber und Gläubiger des darauf eingezahlten Betrages ist, wer im konkreten Fall nach dem erkennbaren Willen des Kunden im Zeitpunkt der Kontoeröffnung Gläubiger des Guthabens werden sollte (std. Rspr. d. BGH, vgl. u. a. Urt. v. 18.10.1994 - XI ZR 237/93 - BGHZ 127, 229 (231); Urt. v. 02.02.1994 - IV ZR 51/93 - NJW 1994, 931; Urt. v. 18.01. 2005 - X ZR 264/02 - NJW 2005, 980 = juris; BVerwG, Urt. v. 04.09.2008 - 5 C 30.07 - BVerwGE 132, 10 = juris). Dies war hier der Kläger. Die Konten sind auf seinen Namen eröffnet worden. Er war ungeachtet dessen, dass sein Vater hinsichtlich beider Konten eine Vollmacht besaß, grundsätzlich auch verfügungsberechtigt, selbst wenn es sich bei den Konten um langfristig angelegte Festgelder gehandelt hat.
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An der zivilrechtlichen Eigentums- bzw. Forderungsinhaberschaft des Klägers ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger bei der zugrunde liegenden Schenkung seiner Eltern und der Errichtung des Kontos bei der Sparkasse D. im Jahre 1995 noch minderjährig war. Der zugrunde liegendende Schenkungsvertrag konnten die Eltern des Klägers trotz des Verbots des Selbstkontrahierens, dem auch gesetzliche Vertreter eines unter elterliche Gewalt stehenden Kindes unterliegen (§§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB), rechtswirksam abschließen, da das Verbot des Selbstkontrahierens gem. § 181 BGB nicht für solche Geschäfte gilt, die dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen (vgl. Palandt, BGB, 60. Aufl. Rdnr. 9 zu § 181 m. w. N.).
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Auch ist vom Kläger weder behauptet worden noch sonst wie ersichtlich, dass die angelegten Gelder nicht für ihn bestimmt waren, sondern etwa nur von ihm verwahrt wurden, weil in Wirklichkeit jeweils ein sog. verdecktes Treuhandverhältnis vorgelegen hätte. Denn jedenfalls haben sowohl der Kläger als auch sein Vater übereinstimmend erklärt, dass es sich bei der Zuwendung des Vaters im Jahre 1995 als auch bei der Zuwendung seines Großvaters im Jahre 1998 jeweils um „Schenkungen“ gehandelt habe. Seitens des Senats bestehen hieran keine durchgreifenden Zweifel. Daran ändert auch der letztlich Umstand nichts, dass seitens des Vaters des Kläger bei seiner Vernehmung als Zeuge in der mündlichen Verhandlung erstmals von „einer Schenkung ... als Vorausleistung auf den Unterhalt“ die Rede ist und der Vater insoweit bereits Unterhaltsansprüche hat erfüllen wollen, die möglicherweise in ferner Zukunft von seinem Sohn beansprucht werden.
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Aber selbst dann, wenn die in Rede stehenden Guthaben im Rahmen eines Treuhandverhältnisses allein aus steuerlichen Gründen auf die Konten des Klägers eingezahlt worden wären und insoweit durch die treuhänderische Übertragung dem Fiskus in rechtswidriger Weise zu versteuernde Zinserträge hätten vorenthalten werden sollen, wäre dies ein Umstand, der gem. §§ 134, 138 BGB zur Nichtigkeit des Treuhandvertrages führen würde. Denn Rechtsgeschäfte sind dann nichtig im Sinne der genannten Vorschriften, wenn sich eine mit dem Vertrag verbundene Steuerverkürzung als der Hauptzweck des Vertrages darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.09.2008, a.a.O. unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 30.01.1985 - VIII ZR 292/83 - WM 1985, 647 und Urt. v. 02.11.2005 - IV ZR 57/05 - NJW-RR 2006, 283; OLG Hamm, Urt. v. 10.01.1989 - 26 U 77/87 - BB 1989, 651).
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Bezogen auf den Zeitpunkt des Eingangs des Erst-Antrages beim Beklagten am 08. Oktober 2002 (sowie des Eingangs des Wiederholungsantrages am 30. Oktober 2003) ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger nicht mehr Inhaber der Konten und damit zivilrechtlich nicht mehr im Besitz des in Rede stehenden Vermögens war. Denn ausweislich der zur Sachakte gereichten Unterlagen des Klägers waren zum genannten Zeitpunkt die Bankkonten bei der Raiffeisenbank S. und bei der Sparkasse D. bereits aufgelöst und das Guthaben übertragen bzw. abgetreten worden.
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Allerdings bleibt – auch bei Zugrundelegung des Zivilrechts für die Zuordnung des Ver-mögens – fraglich, ob nach der erfolgten Auflösung der Konten und Vermögensdispositionen, mithin im Zeitpunkt des Eingangs der BAföG-Anträge beim Beklagten, seitens des Klägers nicht ein Rückforderungsanspruch gegen seine Angehörigen gem. § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB bestand, welcher anrechenbares Vermögen im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 1 BAföG wäre. Nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Schenker, wenn er nach Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs dürften hier erfüllt sein, denn der Kläger kann nach Übertragung seines Vermögens seinen Lebensunterhalt und die Kosten seiner Ausbildung nicht (mehr) bestreiten, wie sein Antrag auf Ausbildungsförderung belegt. Dieser Frage braucht hier aber nicht weiter nachgegangen zu werden.
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Denn selbst dann, wenn – wie zuvor ausgeführt worden ist – die ausbildungsförderungsrechtliche Zuordnung des Vermögens grundsätzlich an die zivilrechtlichen Eigentums- und Inhaberverhältnisse anknüpft, gilt dies nicht ausnahmslos. So hat das Bundesverwaltungsgericht eine Vermögensübertragung des Auszubildenden unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit im Fall eines Rechtsmissbrauchs, der eine Fallgruppe des Verstoßes gegen Treu und Glauben darstellt, für unbeachtlich erklärt (BVerwG, Urt. v. 13.01.1983 - 5 C 103.80 - NJW 1983, 2829 (2830); Urt. v. 04.09.2008 a.a.O.; Beschl. v. 19.05.2009 - 5 B 111.08 -, juris; vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 08.08. 2007 - 12 B 07. 475 - m. w. N., juris; VGH BW, Urt. v. 21.02.1994, FamRZ 1995, 62 = juris; ebenso Ramsauer/ Stallbaum/ Sternal, BAföG, 4. Aufl. 2005, § 28 Rdnr. 10). Hat der Auszubildende im Einzelfall rechtsmissbräuchlich Vermögen an Dritte übertragen, so ist ihm das Vermögen weiterhin zuzurechnen. Ein Auszubildender handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er im Hinblick auf eine konkret bevorstehende oder bereits begonnene Ausbildung, für die Ausbildungsförderung in Anspruch genommen werden soll, Vermögen an Dritte überträgt, um eine Vermögensanrechnung zu vermeiden, anstatt das Vermögen für seinen Lebensunterhalt einzusetzen. Es genügt dabei ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Vermögensverfügung und Antragstellung, das Fehlen einer gleichwertigen Gegenleistung sowie der Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck. Hingegen ist – so das Bundesverwaltungsgericht – nicht erforderlich, dass der Auszubildenden zugleich verwerflich gehandelt, mithin der objektive Missbrauchstatbestand die Vermögensdisposition zugleich von dem Willen getragen ist, die Guthaben einer Vermögensanrechnung zu entziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.01.1983, a.a.O.).
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Nach diesen Kriterien erweisen sich die Vermögensübertragungen des Klägers am 19. und 24. September 2002 als rechtsmissbräuchlich: Die Übertragung der Vermögenswerte steht in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der erstmaligen Beantragung von Ausbildungsförderung durch den Kläger, dessen erster BAföG-Antrag am 17. September 2002 ausgefüllt und unterzeichnet wurde und am 08. Oktober 2002 beim Beklagten eingegangen ist. Dem Rechtsmissbrauch steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die Auflösung der Konten und Guthabensübertragung nicht selbst vorgenommen hat, sondern dass er seinen Vater mit dem Vollzug beauftragt hat, zumal er nach eigenen Angaben die insoweit erforderlichen schriftlichen Erklärungen abgegeben und seine Unterschriften geleistet hat. Eine solche gleichsam mit der Antragstellung einhergehende Vermögensübertragung steht im Widerspruch zu dem mit dem Bundesausbildungsförderungsgesetz verfolgten Gesetzeszweck, der darauf abzielt, dass Vermögen vorrangig für Ausbildung und Lebensunterhaltung eingesetzt wird, bevor staatliche Leistungen der Ausbildungsförderung in Anspruch genommen werden. Auch fehlt es im vorliegenden Fall an einer Gegenleistung für die vom Kläger vorgenommene Vermögensübertragung. Der Kläger kann sich nämlich – wie noch auszuführen sein wird – zur Überzeugung des Senats nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe mit der Übertragung eine bestehende Verbindlichkeit erfüllt bzw. Schuld getilgt. Denn jedenfalls besaßen seine Eltern keinen Rechtsanspruch auf die ihnen übertragenen Vermögenswerte; zumindest aber ist ein solcher Rechtsanspruch vom Kläger nicht in der gebotenen Weise nachgewiesen worden. In Einzelnen ist dabei von Folgendem auszugehen:
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Nach § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG sind die im Zeitpunkt der Antragstellung "bestehenden Schulden und Lasten" abzuziehen. Den Bankguthaben des Klägers standen zur Überzeugung des Senats indes keine rechtliche Verbindlichkeit bzw. zu tilgende Schuld gegenüber, und zwar weder in Form einer Darlehensverbindlichkeit noch in Form einer sonstigen Schuld wie etwa aufgrund einer rechtsgrundlos erbrachten Leistung.
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Für die Frage, ob ein Darlehen – wie vom Kläger zunächst behauptet – als bestehende Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG anzuerkennen ist, ist allein maßgeblich, ob ein Darlehensvertrag zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist und dies von dem insoweit darlegungspflichtigen Auszubildenden auch nachgewiesen werden kann. Weil und soweit der für den Auszubildenden förderungsrechtlich günstige Umstand, ob und in welchem Umfang er vermögensmindernde Schulden hat, seine Sphäre betrifft, obliegt ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade auch im Ausbildungsförderungsrecht die Gefahr des Missbrauchs bestehen kann, wenn der Auszubildende die Behauptung aufstellt, er habe mit einem nahen Angehörigen einen sein Vermögen mindernden Darlehensvertrag geschlossen. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, ist es geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit der Verträge strenge Anforderungen zu stellen. Dies setzt etwa voraus, dass sich die Darlehensgewähr auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt. Die Ämter für Ausbildungsförderung und die Tatsachengerichte haben insoweit ihrerseits zur Klärung der Frage, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist und welchen Inhalt dieser gegebenenfalls hat, alle Umstände des Einzelfalles sorgsam zu ermitteln und umfassend zu würdigen. Soweit die relevanten Umstände in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, die häufig nicht zweifelsfrei feststellbar sind, ist es gerechtfertigt, für die Frage, ob ein entsprechender Vertragsschluss vorliegt, äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen (BVerwG, Urt. v. 04.09.2008, a.a.O.; BVerfG, Beschl. v. 07.11.1995 - 2 BvR 802/90 - m. w. Nachw., BB 1995, 2624 (2625) = juris).
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Dem Kläger ist allerdings einzuräumen, dass die Annahme einer wirksam begründeten Darlehensschuld unter Angehörigen nicht zwingend einem strikten Fremdvergleich in dem Sinne standhalten muss, dass sowohl die Gestaltung (z.B. Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden - insbesondere mit einem Kreditinstitut - Üblichen zu entsprechen hat (s. zur diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs: BFH, Urt. v. 04.06.1991 - IX R 150/85 - BFHE 165, 53; Beschl. v. 25.06.2002 - X B 30/01 - BFH/NV 2002, 1303). Dass etwa eine schriftliche Vereinbarung getroffen worden ist, dass Abreden über Zinsen bestehen sowie die getroffene Vereinbarung vorsieht, dass der Rückzahlungsanspruch jedenfalls bei längerer Laufzeit ausreichend (dinglich) gesichert ist, ist auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Missbrauchsabwehr ausbildungsförderungsrechtlich nicht zwingend zu verlangen (BVerwG, Urt. v. 04.09.2008, a.a.O.). Denn derartige Anforderungen eines strengen Fremdvergleichs gehen über das gesetzliche Erfordernis der bestehenden Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG hinaus und lassen sich der Vorschrift nicht entnehmen. Sie ergeben sich als gesondertes, neben die zivilrechtlichen Anforderungen tretendes Erfordernis auch nicht aus oder in Verbindung mit allgemeinen Grundsätzen. Vielmehr werden die mit dem strengen Fremdvergleich verbundenen Beschränkungen für die Vertragsgestaltung (wie insbesondere Schriftlichkeit, dingliche Sicherung und Verzinsung) weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der grundsätzlich durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen Respektierung familiärer Vertrauensbeziehungen gerecht. Das gilt jedenfalls dann, wenn im Hinblick auf die familiäre Vertrauensbeziehungen – wie sie auch der Kläger anführt – auf die genannten Modalitäten der Vertragsgestaltung verzichtet worden ist. Eine strenge Anwendung eines Fremdvergleichs mit der Forderung einer dinglichen Sicherung des Rückzahlungsanspruchs wird im Übrigen auch der differenzierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht gerecht, die den Fremdvergleich nur auf bestimmte Fallgruppen (insbesondere die sogenannten Umwandlungsfälle) anwendet, während ansonsten Darlehensverträge unter nahen Angehörigen auch ohne eine ausdrückliche Sicherheitsbestellung als steuerrechtlich wirksam anerkannt werden können (vgl. BFH, Urt. v. 28.01.1993 - IV R 109/91 - BFH/NV 1993, 590 und Urt. v. 04.06.1991 a.a.O. zur steuerlichen Anerkennungsfähigkeit von Baudarlehen oder Anschaffungsdarlehen unter nahen Angehörigen).
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Ein Rückgriff auf die objektiven Merkmale des sogenannten Fremdvergleichs ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 04.09.2008, a.a.O.) stattdessen allein bei der anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles vorzunehmenden Prüfung geboten, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist und damit eine Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG besteht. Dabei sind die für und gegen einen wirksamen Vertragsabschluss sprechenden Indizien, deren nachfolgende Aufzählung sich hier nicht als abschließend versteht, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu gewichten und zu würdigen. Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (wie der Vereinbarung der in § 488 Abs. 1 BGB genannten Vertragspflichten) kann als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Demgegenüber spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substanziiert dargelegt werden. Gleiches gilt, wenn ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann oder der bezeichnete Grund nicht dazu geeignet ist, eine genügende Abgrenzung gegenüber einer Schenkung oder einer freiwilligen Unterstützung bzw. Unterhaltszahlung zu ermöglichen. Zweifel am Vertragsschluss können ferner berechtigt sein oder bestätigt werden, wenn die Durchführung des Darlehensvertrages nicht den Vereinbarungen entspricht und die Abweichung nicht nachvollziehbar begründet werden kann. Ebenso lässt es sich als Indiz gegen einen wirksamen Vertragsschluss werten, wenn der Auszubildende eine etwaige Darlehensverpflichtung nicht von vornherein in seinem Antragsformular bezeichnet, sondern gewissermaßen zum Zwecke der Saldierung erst angegeben hat, nachdem er der Behörde gegenüber nachträglich einräumen musste, anrechenbares Vermögen zu besitzen. Dagegen kann es für das Vorliegen eines beachtlichen Darlehensverhältnisses während eines in der Vergangenheit liegenden Bewilligungszeitraums sprechen, wenn das Darlehen bereits zu dem Zeitpunkt zurückgezahlt worden war, zu dem es der Auszubildende zum ersten Mal offenlegte und sich damit erstmals die Frage seiner ausbildungsförderungsrechtlichen Anrechnung stellte (BVerwG, Urt. v. 04.09.2008, a.a.O.).
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In Anlegung der genannten Kriterien rechtfertigt sich zur Überzeugung des Senats nicht die Annahme, dass zwischen dem Kläger und seinem Vater bzw. seinen Eltern eine rechtsverbindliche Darlehensvereinbarung getroffen worden ist; jedenfalls ist das Bestehen einer solchen Darlehensschuld vom Kläger nicht in der gebotene Weise nachgewiesen worden. Überdies sprechen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den finanziellen Zuwendungen an den Kläger bzw. bei den zu seinen Gunsten an Dritte erbrachten finanziellen Leistungen und Aufwendungen, welche nach Angaben des Klägers den Rechtsgrund der Darlehensschulden bilden, um Unterhaltsleistungen oder aber freiwillige Unterstützungsleistungen gehandelt hat; jedenfalls ist aufgrund des klägerischen Vortrags die gebotene klare Abgrenzung des konkreten Rechtsgrundes in Bezug auf die für den Kläger getätigten Ausgaben nicht möglich. Soweit es schließlich sonstige Absprachen gegeben haben sollte, können diese förderungsrechtlich nicht als Rechtsgrund für die Vermögensübertragung angesehen werden. Im Einzelnen ist von Folgendem auszugehen:
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Ein schriftlicher Darlehensvertrag ist nach eigenem Bekunden des Klägers zwischen ihm und seinem Vater zu keiner Zeit abgeschlossen worden, wobei im vorliegenden Fall ohnehin von einer Vielzahl von Darlehensvereinbarungen auszugehen wäre, weil nach dem Vortrag des Klägers die für ihn im Laufe der Zeit jeweils getätigten Ausgaben den Anlass für die Darlehensvereinbarung(en) gebildet haben sollen. Dies spricht zwar nicht zwingend gegen das Zustandekommen solcher Vereinbarungen, da die Schriftlichkeit keine notwendige Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen einer solchen Vereinbarung ist und dieser Umstand im Einzelfall in den familiären Gepflogenheiten begründet sein kann. Allerdings ist festzustellen, dass damit zugleich ein bedeutsames Indiz für den Abschluss einer Darlehensvereinbarung fehlt.
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Es kommt erschwerend hinzu, dass nach dem Vortrag des Klägers sowohl Inhalt als auch Anzahl der behaupteten Darlehensvereinbarungen völlig unbestimmt geblieben sind. Welche konkreten Abreden getroffen worden sind, ist nicht – wie es erforderlich gewesen wäre – substanziiert und in nachvollziehbarer Weise dargelegt worden. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich Fälligstellung der vermeintlichen Darlehensverträge. Eine wie auch immer geartete Rückzahlungsvereinbarung und sei es nur „bei Abschluss der Lehre“, „wenn er ausgelernt hat“ oder „wenn er selbst verdient“ hat es nach den Einlassungen des Klägers offenbar nicht gegeben.
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Ferner ist der Gesamtbetrag der vom Kläger angeblich geschuldeten (Darlehens-)Beträge zu keiner Zeit konkret beziffert worden; zudem sind die Angaben zu den für den Kläger im Verlauf der Jahre getätigten Aufwendungen hinsichtlich Anlass und Höhe uneinheitlich (in der Erklärung des Vaters des Klägers vom 18.11.2004 ist z. B. davon die Rede, es sei ein Moped für „mehr als 7.000, - DM“ gekauft worden [Bl. 101 d. Sachakte], während die später vorgelegte diesbezügliche Kaufquittung nur einen Preis von 5.390, - DM ausweist [Bl. 113 d. Sachakte]) und auch nur zum Teil durch Belege nachgewiesen. Der Vater des Klägers hat hierzu in seinem Schreiben vom 16. Dezember 2004 an den Beklagten angegeben: „Wenige Papiere habe ich noch in seinem alten Schrank (gemeint ist der Schrank des Sohnes) gefunden, davon habe ich Kopien gemacht.“ Damit wurde vom Vater des Klägers zunächst der Eindruck vermittelt, dass sich die einzelnen Ausgaben nicht mehr vollständig belegen lassen. Demgegenüber hat der als Zeuge vernommene Vater des Klägers in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen: „Ich habe die Aufwendungen in eine Liste eingetragen. Dort wurden sämtliche Aufwendungen notiert. Diese Liste hatte ich im Jahr 2005 noch, jetzt aber ist sie nicht mehr vorhanden.“ Ein solcher Vortrag ist unstimmig und auch nicht plausibel, da dem Kläger und auch seinem Vater bewusst sein musste, dass der Vorlage einer solchen Liste eine besondere Bedeutung beizumessen war. Die Einlassungen des Vaters sind daher nicht geeignet, die Angaben zu den angeblichen Darlehensschulden als glaubhaft anzusehen.
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Nicht nachvollziehbar ist überdies, dass die Geldanlage einerseits nach eigenen Angaben dazu diente, dem Kläger einen „gesicherten Berufseinstig“ zu ermöglichen und um dem Kläger zugleich einen finanziellen Zinsvorteil zu verschaffen, andererseits aber zu einem Zeitpunkt, als er ein Studium aufzunehmen beabsichtigte und er insoweit „bedürftig“ und auf das vorhanden Guthaben angewiesen war, das Darlehen fällig gestellt bzw. die ausstehenden Verbindlichkeiten bereinigt wurden. Der Hinweis auf den unvorhergesehenen Verlauf der Ausbildung des Klägers vermag diesen Widerspruch nicht plausibel aufzulösen. Zudem spricht gegen die Annahme einer (rechtlich verbindlichen) Darlehensvereinbarung mit einem entsprechenden Rückzahlungsanspruch des Vaters, dass – worauf auch das Verwaltungsgericht zutreffend abgestellt hat – die „ausgelegten“ 10.000, - DM nicht bereits im Jahre 1998, mithin im Zeitpunkt der erfolgten weiteren Schenkung von 10.000, - DM durch den Großvater des Klägers, die angeblich bereits vorhandenen Schulden gegenüber dem Vater getilgt worden sind, was nach Auffassung des Senats naheliegend gewesen wäre. Stattdessen wurde dieser Betrag auf einem vom Kläger neu eröffneten Konto als verzinsliches Guthaben angelegt.
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Gegen die Annahme des Bestehens von Darlehensverträgen spricht schließlich auch der Umstand, dass der Kläger im Antragsformular zu seinem BAföG-Antrag keinerlei Angaben zu irgendwelchen Schulden, Verbindlichkeiten oder gar zur Existenz von Darlehensverträgen gemacht hat. Soweit der Kläger (sinngemäß) geltend macht, er sei davon ausgegangen, sein Vater aus den vorhandenen Guthaben seine Darlehensschulden bereits beglichen, vermag diese Behauptung schon deshalb nicht zu überzeugen, weil es sich zum einen um Festgeld gehandelt und der Kläger auch Freistellungsaufträge hinsichtlich der Kapitalerträge gestellt hat.
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Aber auch dann, wenn man davon ausginge, dass im Zusammenhang mit den für den Kläger im Lauf der Zeit getätigten Ausgaben entsprechende Darlehen vereinbart worden wären, wären hierdurch – jedenfalls soweit es jene Ausgaben betrifft, die vom Vater vor dem (..) Mai 1998 getätigt worden sind – keine rechtsverbindlichen Rückzahlungsverpflichtungen begründet worden. Denn die insoweit vereinbarten Darlehensverträge wären nicht rechtswirksam zustande gekommen. Der am (..) Mai 1980 geborenen Kläger war damals noch minderjährig und im Hinblick auf die sich aus § 181 BGB ergebende Beschränkung konnten demzufolge mit dem Kläger entsprechende Darlehensverträge ohne eine vormundschaftliche Genehmigung nicht rechtswirksam abgeschlossen werden, weil hiermit nicht – wie es erforderlich gewesen wäre – für den Kläger allein ein rechtlicher Vorteil begründet wurde. Damit wäre selbst dann, wenn vor dem (..) Mai 1998 eine wie auch immer geartete vertragliche Vereinbarungen zur Rückzahlung der für den Kläger getätigten Ausgaben getroffen worden wären, ein entsprechender Rückzahlungsanspruch des Vaters nicht begründet worden. Dies betrifft im vorliegenden Fall insbesondere auch die Ausgaben des Vaters für das laut Rechnung vom 2. Juli 1996 käuflich erworbene Moped in Höhe von 5.300, - DM und die Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins.
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Darüber hinaus dürfte es sich bei den Ausgaben für den Kläger – soweit diese nicht freiwillig und ohne jede Rückzahlungsverpflichtung getätigt wurden, um das nach Angaben des Vaters des Klägers „für den Start in das Berufsleben“ vorgesehene Bankguthaben zu schonen – um solche gehandelt haben, welche dem Kläger von den unterhaltsverpflichteten Eltern geschuldet wurden. Die Eltern waren dem Kläger in dem in Rede stehenden Zeitraum unterhaltspflichtig; gem. § 1610 Abs. 1 BGB bestimmt sich dabei das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der jeweiligen Lebensstellung des Bedürftigen. Soweit der Unterhaltsbedürftige – hier der Kläger – selbst noch keine eigene Lebensstellung erlangt hatte, wie dies bei minderjährigen Kindern der Fall ist und bei Kindern, die trotz ihrer Volljährigkeit noch keine angemessene Berufsausbildung absolviert haben, bleiben die Eltern daher unterhaltspflichtig. Wurden die getätigten Ausgaben dem Kläger indes im Rahmen der Unterhaltsverpflichtungen der Eltern geschuldet, bestand insoweit auch kein Anspruch der Eltern auf Rückzahlung dieser mit Rechtsgrund erfolgten Zahlungen. Dafür, dass es sich vorliegend zumindest überwiegend um Unterhaltsleistungen gehandelt hat, sprechen jedenfalls gewichtige Anhaltspunkte, wie bereits die folgenden Erwägungen deutlich machen:
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Soweit vom Kläger (bzw. seinem Vater) als Beleg für die Ausgaben des Vaters zugunsten des Klägers eine Rechnung über den Einsatz eines Notarztes vom 24. März 1999 in Höhe von 377,40 DM und eine weitere Rechnung über den Einsatz eines Rettungswagens vom 22. März 1999 in Höhe von 485,00 DM vorgelegt hat, besteht kein Erstattungsanspruch des Vaters. Denn diese Ausgaben (ebenso wie etwa die Kosten einer Krankenversicherung) sind von den Eltern des Klägers diesem im Rahmen eines Anspruchs auf einen angemessenen Unterhalt gem. § 1610 BGB geschuldet (vgl. OLG Koblenz - Senat für Familiensachen -, Urt. v. 19.01.2010 - 11 UF 620/09 -, juris; s. auch zum Anspruch auf Übernahme kieferorthopädischer Behandlungskosten als unter unterhaltsrechtlicher Sonderbedarf i. S. d. § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB: OLG Celle - Senat für Familiensachen -, Urt. v. 04.12. 2007 - 10 UF 166/07 - m. w. Nachw., juris). Nach allem kann offen bleiben, ob und inwieweit die Kosten für den Notfalleinsatz nicht ohnehin von der Krankenkasse des Klägers übernommen worden sind, der nach eigenen Angaben bei seinen Eltern mitversichert war.
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Ebenso verhält es sich u. a. auch hinsichtlich der Anschaffung eines Mopeds am 02. Juli 1996 und der Kosten für den Erwerb eines Autos einschließlich der damit verbundenen Betriebskosten (Kfz-Steuer etc.). Denn die Unterhaltspflicht der Eltern umfasst grundsätzlich auch den Transport zur Ausbildungsstätte; es handelt sich insoweit um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf (vgl. u. a. OLG Karlsruhe - Senat für Familiensachen -, Urt. v. 21.09. 2007 - 5 UF 3/07 -, juris). Darauf, dass sie ihrer diesbezüglichen Unterhaltspflicht auch in anderer Weise hätten erfüllen können, ändert jedenfalls nichts daran, dass es sich jedenfalls um eine Unterhaltsleistung gehandelt hat. Ähnlich dürfte es sich hinsichtlich der Kosten für die Einrichtung einer Unterkunft für den Kläger verhalten.
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Nach allem lässt sich nicht – was als solches ausreichend ist – bezogen auf die einzelnen Ausgaben die vom Kläger behauptete Darlehensgewähr jedenfalls nicht klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen. Dies geht ebenfalls zu Lasten des Klägers.
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Im Übrigen ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 1602 Abs. 2, 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB, dass ein minderjähriges Kind gegenüber seinen Eltern grundsätzlich auch dann unterhaltsberechtigt bleibt, wenn es über eigenes Vermögen verfügt. Diese Vorschriften werden durch § 1642 und § 1649 Abs. 1 und 2 BGB ergänzt, wonach Vermögenseinkünfte einem Unterhaltsanspruch des Kindes erst dann entgegengehalten werden können, wenn bei ordnungsgemäßer Verwaltung ein Überschuss verbleibt (Münchener Kommentar / Hinz, BGB, 3. Aufl. § 1649 Rdnr. 11). D. h. grundsätzlich hat die Einhaltung des Kindesvermögens Vorrang. Eltern dürfen nur dann auf einen Vermögensstamm des Kindes zurückgreifen, wenn sie durch die Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Kind die Grenzen ihrer eigenen Leistungsfähigkeit überschritten und ihr eigener angemessener Unterhalt nicht mehr gewährleistet wäre, § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB. Von dieser Ausnahme abgesehen, darf für den Unterhalt des Kindes nur aus dem Vermögensstamm fließende Einkünfte (z. B. Zinsen) zurückgegriffen werden (FG Hamburg, Urt. v. 19.11.1998 - VI 208/97 -, juris).
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Schließlich bestand auch kein Anspruch aus einem Treuhandverhältnis. Ein solches scheitert schon daran, weil es – wie eingangs bereits ausgeführt – an einer entsprechenden schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen einem Treugeber und Treuhänder fehlt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 04.09.2008, a.a.O.).
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Aber selbst dann, wenn für die Schenkungen steuerliche Gründe den Ausschlag gegeben haben sollten, würde es sich objektiv (§§ 133, 157 BGB) um eine Schenkung (§ 516 Abs. 1 BGB) handeln. Ein gegenteiliger Wille des Vaters wäre nach § 116 Satz 1 BGB unbeachtlich und eine Anfechtung wegen etwaigen Erklärungsirrtums hätte nach § 121 BGB unverzüglich erfolgen müssen. Für eine unentgeltliche Zuwendung spricht zudem, dass bei den jeweiligen Vermögensanlagen verfügt war, dass die Zinsen dem Kläger zukommen und das Guthaben nach Fälligkeit dem Girokonto des Klägers gutgeschrieben werden sollte. Hätte der Vater des Klägers keine Schenkung gewollt, hätte er gegenüber der Bank bei den jeweiligen Vermögensanlagen veranlassen können, dass sowohl die Zinsen als auch die Guthaben bei Fälligkeit ihm zufließen. Auch steuerrechtlich wäre die Übertragung nur bei tatsächlichem Vorliegen einer Schenkung anzuerkennen gewesen.
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Zudem sind Forderungen nur dann vom Vermögen des Auszubildenden abzuziehen, wenn eine verbindliche (schuld-)rechtliche Verpflichtung zu ihrer Begleichung besteht (vgl. Sächs.OVG, Beschl. v. 03.09.2007 - 5 E 165/07 - m. w. N., juris; Beschl. v. 02.02.2009 - 1 A 50/08 -, juris). D. h. es muss sich um tatsächlich bestehende Schulden im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG handeln und damit um eine wirksame und vom auszubildenden nachzuweisende Verbindlichkeit handeln (BVerwG, Urt. v. 04.09. 2008, a.a.O.). Es muss insoweit eine konkrete, mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zustande gekommene Absprache nachgewiesen werden. Eventuelle sonstige familieninterne Beschränkungen und Bindungen sowie interne Absprachen, welche die rechtliche Zuordnung und Zugriffsmöglichkeit unberührt lassen, können prinzipiell angesichts der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung die Herausnahme aus der Vermögensanrechnung nicht begründen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.2000 - 5 B 182/99 -, juris; OVG Bremen, Urt. v. 21.01.2007 - 2 A 245/05 -, juris; BayVGH, Beschl. v. 16.05.2007 - 12 C 07.359 -, juris; Beschl. v. 06.03.2007 - 12 ZB 06.2726 -, juris; Beschl. v. 28.02.2007 - 12 ZB 06.2581 -, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.05.2007 - 4 LA 88/07 -, juris) und bewirken daher rechtlich gesehen auch kein Verwertungshindernis im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG.
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Schließlich ändert auch die Tatsache, dass sich der Kläger womöglich seinen Eltern gegenüber moralisch verpflichtet fühlte, für bestimmte Ausgaben aufzukommen, nichts an der Rechtsmissbräuchlichkeit seines Handels. Denn dem Kläger musste bewusst sein, dass er zunächst alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen muss, bevor er auf die Möglichkeiten der Förderung nach dem BAföG zurückgreifen kann (Grundsatz der Nachrangigkeit der staatlichen Förderung).
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Der Kläger hat somit den Senat im Ergebnis auch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass dem anzurechnenden Vermögen Schulden oder sonstige rechtliche Verbindlichkeiten gegenüber standen; der Kläger ist seiner diesbezüglichen besonderen Darlegungs- und Nachweispflicht jedenfalls nicht in der gebotenen Weise nachgekommen. Dies geht zu seinen Lasten.
II.
- 66
Der Kläger ist in seinem Vertrauen auf den Bestand der Bewilligung der Ausbildungsförderung nicht schutzwürdig im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach Satz 2 der Vorschrift ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte – wovon hier auszugehen ist – die erbrachten Leistungen verbraucht oder aber eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Allerdings kann sich nach der Begünstigte unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen.
- 67
1. Im Falle des Klägers sprechen zudem gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X erfüllt sind. Danach kann sich der Begünstigte auf Vertrauensschutz nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
- 68
Der Kläger hat zunächst in objektiver Hinsicht bei seiner Antragstellung in wesentlicher Beziehung unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht. Zwar waren im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung, mithin bei Eingang des (ersten) BAföG-Antrages beim Beklagten am 08. Oktober 2002, die Konten bereits aufgelöst und damit die in Rede stehenden Vermögensdispositionen schon erfolgt. Auch ist dem Kläger einzuräumen, dass im Antragsformular nicht nach vorausgegangenen Vermögensverfügungen gefragt worden ist. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Angaben (objektiv) unrichtig und unvollständig waren, weil (ausbildungs-)förderungsrechtlich nicht von einer wirksamen Vermögensübertragung auszugehen ist. Denn die vom Kläger vorgenommene Vermögensübertragung erfüllt – wie eingangs ausgeführt – den Missbrauchstatbestand mit der Folge, dass dem Auszubildenden das Vermögen jedenfalls (ausbildungs-)förderungsrechtlich weiterhin zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 04. 09.2008, a.a.O.; Beschl. v. 19.05.2009, a.a.O.). Auch standen dem Vermögen keine entsprechenden Schulden oder sonstige Verbindlichkeiten gegenüber, so dass er etwa – mit Blick auf eine mögliche Saldierung – nur “formal“ unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht hätte.
- 69
Zu prüfen bleibt somit nur mehr, ob der Kläger auch in subjektiver Hinsicht, mithin vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig, in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, indem er beim Ausfüllen und Unterzeichnen des Antragsformulars keinerlei Angaben zu den vorhandenen Konten und Guthaben (sowie ggf. auch zu den angeblichen Schulden bzw. Verbindlichkeiten) gemacht hat bzw. – stellt man auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung ab – indem er es unterlassen hat, die von ihm abgegebenen Erklärungen gegenüber dem Beklagten zu berichtigen bzw. zu ergänzen.
- 70
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger beim Ausfüllen und Unterzeichnen des Formulars am 17. September 2002 darum wusste, dass die Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen in Wirklichkeit unzutreffend sind. Ihm war – wovon der Senat insbesondere auch nach der in der mündlichen Verhandlung erfolgten informatorischen Anhörung des Klägers und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einvernahme seines Vaters als Zeugen überzeugt ist – damals bekannt, dass die Konten noch existent waren und dass er Inhaber der insoweit vorhandenen Guthaben war.
- 71
Die Behauptung des Klägers, er habe von der Existenz der Konten und den insoweit vorhandenen Guthaben keine Kenntnis gehabt, erscheint dem Senat angesichts des Umstandes, dass der Kläger selbst Kontoinhaber war, die Konten im Zusammenhang mit an ihn erfolgten Schenkungen auf seinen Namen eingerichtet wurden und es sich überdies bei den Bankguthaben um ein Festgeldkonten handelte, nicht nachvollziehbar und plausibel. Immerhin hat der Kläger selbst vorgetragen, er sei davon ausgegangen, dass sein Vater hinsichtlich der für ihn getätigten Ausgaben mit den Bankguthaben eine Art Sicherheit gehabt habe. Es kommt hinzu, dass der Kläger für die jeweiligen Kapitalerträge Freistellungsaufträge gestellt und sich dabei als Gläubiger der Kapitalerträge bezeichnet hat. Die Einschätzung des Senats, dass der Kläger von der Existenz der Konten durchaus Kenntnis hatte, wird zur Überzeugung des Senats letztlich auch dadurch bestätigt, dass der Kläger seine u. a. auch dahingehend eingelassen hat, er habe „kaum Kenntnis“ davon gehabt, dass die Konten noch existent waren.
- 72
Vor allem sind aber auch die Angaben des Klägers und des als Zeugen vernommenen Vaters des Klägers, soweit es den Zeitpunkt betrifft, zu dem der Kläger erst von der Existenz der Konten Kenntnis erlangt haben will, nicht überzeugend, weil nicht frei von Widersprüchen. Soweit der Kläger behauptet hat, er habe das Antragsformular am 17. September 2002 ausgefüllt, aber erst am anlässlich des Besuchs seines Vaters am 18. September 2002, nachdem er seinen Vater anlässlich eines Besuches vom BAföG-Antrag unterrichtet habe, davon Kenntnis erlangt, dass die in Rede stehenden Konten noch existent seien, ist dieser Vortrag ersichtlich unzutreffend. Hierzu steht nämlich im Widerspruch, dass sein Vater eine Einkommenserklärung zum BAföG-Antrag sowie im Zusammenhang hiermit eine ergänzende Erklärung seine Tochter betreffend abgegeben hat, die jeweils vom 15. September 2002 datieren. Auch hat sein Vater bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung, auf den Vorhalt hin, dass die Schilderungen zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom BAföG-Antrag und damit von der Kenntniserlangung des Klägers von der Existenz der Konten nicht zutreffend sein könne, an seiner vorausgegangenen Einlassung, er habe erst am 17. September 2002 von dem BAföG-Antrag Kenntnis erlangt, nicht mehr festgehalten.
- 73
Der Kläger hat den Senat auch nicht davon zu überzeugen vermocht, dass er fälschlicherweise davon ausgegangen ist, dass dem Vermögen auf den Konten Darlehensverbindlichkeiten oder sonstige Schulden gegenüber standen. Gegen eine solche Annahme spricht bereits der Umstand, dass der Kläger ein solches Darlehen oder sonstige Schulden beim Ausfüllen und Unterzeichnen des Antrages am 17. September 2002 nicht im Antragsformular nicht angegeben hat. Zudem hat er nur wenige Tage nach Abgabe seiner Erklärungen und noch vor Zugang seines Antrages beim Beklagten durch entsprechenden Beauftragung seines Vaters selbst veranlasst, dass die Konten aufgelöst und die vorhandene Bankguthaben auf andere Familienmitglieder übertragen wurden. Hierfür hätte jedoch bei Bestehen von Darlehensverbindlichkeiten oder sonstigen Schulden keine Veranlassung bestanden. Vielmehr hätte er diese – im Übrigen auch bei nachträglicher Kenntniserlangung von der Existenz der Konten – den anzurechenden Guthaben im Antragsformular gegenüberstellen können. Das Verhalten des Klägers lässt daher zur Überzeugung des Senats nur den Schluss zu, dass es dem Kläger mit der Auflösung der Konten und der Vermögensübertragung gerade darum ging zu verhindern, dass die Vermögenswerte bei der Entscheidung über den BAföG-Antrag zur Anrechnung gelangen würden. Wäre er hingegen davon ausgegangen, dass ihm das Guthaben auf den Konten wegen einer Darlehensvereinbarung bzw. wegen der für ihn in der Vergangenheit getätigten Ausgaben nicht mehr zuordnen gewesen wären oder dass den Guthaben zumindest Schulden in derselben Höhe gegenüber standen, hätte es einer derartigen – gleichsam “überhasteten“ – Vermögensübertragung nicht bedurft.
- 74
Nach allem ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Vermögensübertragungen des Klägers darauf abzielten, eine Vermögensanrechnung zu verhindern. Damit tritt zum Vorliegen des (objektiven) Missbrauchstatbestandes – welcher eine Verwerflichkeit des Handelns nicht voraussetzt - im vorliegenden Fall die erforderliche subjektive Komponente hinzu, nämlich in Form eines vorsätzlichen Handelns. Damit stellt sich – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht mehr die Frage, ob dem Kläger die (ausbildungs-)förderungsrechtliche Anrechenbarkeit des den Angehörigen bereits übertragenen Vermögens hätte bekannt sein können oder müssen und ihm insoweit der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens zu machen ist. Denn jedenfalls diente das Verhalten gerade dazu, eine Vermögensanrechnung aufgrund noch vorhandener Bankguthaben zu verhindern, so dass er zumindest insoweit vorsätzlich handelte.
- 75
Von der Frage, ob der Kläger eine rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung vorgenommen hat, ist die Frage zu unterscheiden, ob der Kläger zugleich „vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig unrichtige Angaben“ gemacht hat. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass – stellt man auf den Zeitpunkt des Eingangs des BAföG-Antrages beim Beklagten am 8. Oktober 2002 ab – bei Antragstellung die Vermögensübertragung bereits erfolgt war und der Antrag insoweit „formal“ keine unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben gemacht hat; zum anderen ist zu berücksichtigen, dass im Antragsformular nach vorausgegangenen Vermögensübertragungen nicht (ausdrücklich) gefragt wird und eine entsprechende Belehrung oder auch nur ein Hinweis hierauf sowohl im Antragsformular als auch in den Erläuterungen hierzu fehlen.
- 76
Unstreitig liegt Vorsatz oder zumindest grobe Fahrlässigkeit vor, wenn Tatsachen nicht angegeben bzw. verschwiegen werden, nach denen ausdrücklich gefragt wurde oder über deren förderungsrechtliche Relevanz der Auszubildende belehrt worden ist. In diesem Fall verletzt der Auszubildende – soweit er nicht vorsätzlich handelt – die im Verkehr erforderliche Sorgfaltspflicht in besonders schwerem Maße. Fraglich bleibt indessen, ob (Vorsatz und) grobe Fahrlässigkeit zu verneinen ist, wenn unvollständige oder unrichtige Angaben auf unklaren formularmäßigen Fragebögen beruhen und eine (ausdrückliche) Belehrung über die förderungsrechtlicher Relevanz auch vorausgegangener Vermögensdispositionen fehlt (verneinend u. a. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29. 04.2009 - 12 S 2493/06 -, juris; VG Stuttgart, Urt. v. 24.11.2009 - 11 K 2370/09 -, juris; Urt. v. 18.12.2006 - 11 K 1606/06 -, juris; VG Minden, Urt. v. 15.12.2005 - 9 K 4304/04 -, juris; VG Augsburg, Urt. v. 02.10.2007 - Au 3 K 06.01444 -, juris; s. auch Ramsauer/ Stallbaum/ Sternal, a.a.O. Anhang § 20 Rdnr. 5).
- 77
Zwar steht es dem Auszubildenden nicht zu, von sich aus zu beurteilen, ob und welche Schulden und Lasten anrechenbar bzw. in Abzug zu bringen sind. Auch folgt aus § 60 Abs. 1 SGB X die Verpflichtung, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistungen erheblich sind. Der Auszubildende wird überdies – worauf der Beklagte insbesondere hinweist – vor der Unterschriftszeile (textlich hervorgehoben) auf seine Pflicht zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben hingewiesen. Schließlich muss sich der Auszubildende auch bei Vorliegen von Zweifeln durch das Amt für Ausbildungsförderung über seine Pflichten beraten lassen. Ob sich im Hinblick hierauf im Falle eines im Antrag „formal“ korrekt ausgefüllten, jedoch unterbliebenen (zusätzlichen) Hinweises des Antragstellers auf eine vorausgegangene förderungsrechtlich relevante Vermögensdisposition, welche nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht notwendigerweise verwerflich sein muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 13. 01.1983, a.a.O.), stets schon der Vorwurf begründen lässt, der Betroffene habe die gebotene Sorgfalt in besonders schwerwiegender Weise außer Acht gelassen, erscheint zweifelhaft und dürfte einzelfallabhängig sein.
- 78
Anders verhält es sich nach Auffassung des Senats aber dann, wenn ein Fall des Rechtsmissbrauchs vorliegt und wenn dieser – wie hier – zugleich das Wissen um die rechtsmissbräuchliche Art der Vermögensdisposition impliziert, so dass die Annahme vorsätzlichen Handelns gerechtfertigt ist. D. h. in derartigen Fällen befreit der Umstand, dass im Antragsformblatt selbst nicht nach einer rechtsmissbräuchlich unentgeltlichen an Dritte übertragenes Vermögen gefragt wird, den Auszubildenden nicht davon, dieses Vermögen anzugeben, wenn er sich nicht dem Vorwurf vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässig gemachter unvollständiger Angaben aussetzen will. Davon ist auch beim Kläger auszugehen, dessen Handeln zur Überzeugung des Senats auf eine Umgehung der Vermögensanrechnung abzielte, und der deshalb die der Antragstellung am 8. Oktober 2002 vorausgegangene Vermögensübertragung dem Beklagten nicht verschweigen durfte, selbst wenn hiernach im Antragsformblatt nicht gefragt und nicht belehrt wurde und er insoweit das Antragsformular insoweit „formal“ zutreffend ausgefüllt hat. Diese besondere Obliegenheit folgt aus dem der Antragstellung vorausgegangenen Handeln des Klägers und der sich hieraus ergebenden Offenbarungspflicht gegenüber dem Beklagten.
- 79
2. Ungeachtet dessen sind im Falle des Klägers die Voraussetzungen gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 1. Halbsatz SGB X erfüllt, wonach sich der Begünstigte auf Vertrauensschutz nicht berufen kann, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
- 80
Der Senat ist im Falle des Klägers – wie bereits dargelegt – davon überzeugt, dass er die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide kannte und billigend in Kauf genommen hat. D. h. es ist dem Kläger durchaus bewusst gewesen, dass sich die Vermögenswerte, wie sie mit den im Zeitpunkt des Ausfüllens und Unterzeichnens des BAföG-Antrages auf seinen Konten noch vorhanden waren, nach dem BAföG als förderungsschädlich erweisen würden. Aus eben diesem Grunde hat der die Auflösung der Konten und Übertragung der Vermögenswerte veranlasst. Dass er sich insoweit in einem Irrtum befunden hätte, vermag den Senat nicht zu überzeugen; seine Einlassungen, namentlich auch bei seiner informatorische Anhörung in der mündlichen Verhandlung, hat eine solche Annahme nicht zu begründen vermocht.
- 81
Aber selbst dann, wenn der Kläger nicht vorsätzlich gehandelt hätte, wäre ihm jedenfalls der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu machen. Denn der Kläger hätte bei der gebotenen Sorgfalt die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide erkennen können und müssen.
- 82
Die Legaldefinition der groben Fahrlässigkeit ist in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X enthalten und auch im Rahmen der Nr. 2 der Vorschrift heranzuziehen (vgl. OVG d. Saarlandes, Urt. v. 27.05.2008 - 3 A 373/07 -, juris; ebenso Wulffen, SGB X 5. Aufl. § 45 Rdnr. 22). Danach handelt grob fahrlässig, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt hat. Die Feststellung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist in der Regel einzelfallabhängig und erfordert ein gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit sowohl objektiv als auch subjektiv gesteigertes Verschulden (vgl. OVG d. Saarlandes, a. a. O.; VGH Mannheim, Urt. v. 11.06.2003 - 7 S 1697/02 -, juris; OVG NRW, Urt. v. 11.02.2008 - 2 A 959/05 -, juris). Dies ist etwa anzunehmen, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sind und das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
- 83
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Auszubildende gehalten ist, dazu beizutragen, rechtswidrige Leistungen von Ausbildungsförderung an ihn zu vermeiden; daraus ergibt sich zugleich auch die Verpflichtung, Bewilligungsbescheide zu prüfen und auf Überzahlungen zu achten (BVerwG, Beschl. v. 28.05.2004 - 5 B 52.04 -, juris; Urt. v. 21.01.1987 - 5 C 54.78 -, Buchholz 436.36 § 20 Nr. 24; Beschl. v. 26.10.1978 - 5 B 54.78 -, Buchholz 436.36 § 20 BAföG Nr. 6). Ergeben sich Zweifel, ist der Auszubildende zudem gehalten, sich durch Rücksprache Klarheit zu verschaffen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.05.2004, a.a.O.; VGH Mannheim, Urt. v. 11.06. 2003, a. a. O.; OVG des Saarlandes, a. a. O.).
- 84
Der Kläger hätte – selbst wenn man darauf abstellt, dass die Angaben bei Antragstellung “formal“ zutreffend waren und er sich seiner Offenbarungspflicht im Zusammenhang mit der Antragstellung nicht bewusst gewesen sein sollte – jedenfalls erkennen können und müssen, dass in Anbetracht der von ihm kurzfristig veranlassten Vermögensübertragungen die Bewilligung von Sozialleistungen in Form von Ausbildungsförderung nicht rechtens sein konnten. Denn der Kläger hätte bereits bei Anspannung geringer Sorgfalt – allzumal bei Nachfrage bei dem Beklagten – erkennen können, dass er im Zeitpunkt der Antragstellung über anzurechnendes Vermögen verfügte.
- 85
Es gehört zur allgemeinen Kenntnis auch rechtlich unerfahrener Personen, dass ein Anspruch auf staatliche Sozialleistungen nur dann besteht, wenn und soweit die für den Lebensunterhalt erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Dieser Grundsatz ist auch in § 1 BAföG gesetzlich verankert. Es liegt für jeden Auszubildenden auf der Hand, dass er eigenes Vermögen nicht ohne sachlichen Grund weggeben darf, um erst so die Leistungsvoraussetzungen des Ausbildungsförderungsgesetzes herbeizuführen, anstatt es für den Lebensunterhalt während der Ausbildung einzusetzen. Der Kläger hat damit einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt. Hierzu gehört auch die Erkenntnis, dass es nicht angehen kann und sich als Missbrauch darstellen muss, wenn man sich selbst im zeitlichen Zusammenhang mit der Beantragung von Sozialleistungen durch Vermögensübertragungen bedürftig macht und alsdann Sozialleistungen beantragt. Wenn der Kläger gleichwohl auf die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides vertraut haben sollte, hat er damit die Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.
IV.
- 86
Genießt der Kläger bereits aus den genannten Gründen keinen Vertrauensschutz, bleibt im Hinblick auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts lediglich ergänzend anzumerken, dass sich der Kläger auch dann nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen könnte, wenn die Voraussetzungen nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X nicht vorlägen. Denn auch dann, wenn man die Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X nicht als erfüllt ansähe, könnte sich der Kläger in Anwendung des in § 45 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 SGB X normierten Grundsatzes nicht mit Erfolg auf einen Vertrauensschutz berufen. Nach diesem allgemeinen Grundsatz dürfen (unanfechtbare) rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte für die Vergangenheit zurück-genommen werden, wobei dies (nur) dann und auch nur für den Regelfall ausgeschlossen ist, wenn der Begünstige auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung der mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.
- 87
Ein Rückgriff auf diesen allgemeinen Grundsatz mit der Folge, dass ein schutzwürdiges Vertrauen nicht anzuerkennen ist, verbietet sich auch nicht im Hinblick auf die speziellen Regelungen des § 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X. Diese normieren den Ausschluss des Vertrauensschutzes nicht abschließend; es handelt sich hierbei lediglich um Regelbeispiele. Andernfalls dürfte im Hinblick auf den zugrunde liegenden Gesetzeszweck auch eine Analogie in Betracht zu ziehen sein. Deshalb ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein mit den in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X legal definierten typischen Sonderfällen vergleichbarer Sonderfall vorliegt, der den Ausschluss der Schutzwürdigkeit des Vertrauens rechtfertigt. So verhält es sich hier. Aufgrund des Umstandes, dass im vorliegenden Fall von einer missbräuchlichen Vermögensübertragung auszugehen ist, welche zur Überzeugung des Senats vom Kläger auch in vorwerfbarer Weise herbeigeführt worden ist, erweist es sich im Hinblick auf den gesetzgeberischen Zweck der Regelungen sachgerecht und angemessen, den Fall eines missbräuchlichen Verhaltens den in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X angeführten Fällen gleichzustellen, selbst wenn er in der genannten Vorschrift nicht ausdrücklich angeführt wird. Denn den Tatbeständen zu Nr. 1 bis 3 der genannten Regelung ist gemein, dass aufgrund der bestehenden Bösgläubigkeit des Leistungsempfängers diesem ein Vertrauensschutz nicht zugebilligt werden kann. Dies muss gleichermaßen für ein missbräuchliches Verhalten gelten, so dass auch in diesen Fällen ein schutzwürdiges Vertrauen nicht anzuerkennen ist. Denn auf ein rechtsmissbräuchlichen Verhalten kann ein schützenswertes Vertrauen selbst dann nicht gegründet werden, wenn davon auszugehen sein sollte, dass der Auszubildende in dem BAföG-Antrag „formal“ keine unrichtigen Angaben gemacht hat, weil in dem Antragsformular nicht nach solchermaßen missbräuchlich übertragenen Vermögen gefragt wird (vgl. auch VG München, Urt. v. 14.09.2006 - M 15 K 05.5931 -, juris).
- 88
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht der Aufhebung der angefochtenen Bescheide für die Vergangenheit auch nicht die Regelung gem. § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X entgegen, wonach der Verwaltungsakt nur in den Fällen von § 45 Absatz 2 Satz 3 und – hier nicht einschlägig – von Absatz 3 Satz 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zugenommen wird. Ist indes – wie zuvor dargelegt – hinsichtlich der Regelungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X bei Vorliegen vergleichbarer Sonderfälle eine ergänzende Auslegung bzw. entsprechende Anwendung geboten, hat auch im Rahmen des § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X nichts anders zu gelten. D. h. die genannte Vorschrift schließt entsprechend der zu § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gebotenen Gesetzesinterpretation ebenfalls Fälle mit ein, die denen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vergleichbar sind. Andernfalls läge nicht nur bei der konkreten Rechtsanwendung, sondern auch im Hinblick auf den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck ein nicht nachvollziehbarer Systembruch vor; denn jedenfalls ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass in Fällen, die denen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vergleichbar sind, eine Rückforderung für die Vergangenheit ausgeschlossen sein sollte.
V.
- 89
Die vom Beklagten bei der Rücknahme der zugrunde liegenden Verwaltungsakte getroffene Ermessensentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
VI.
- 90
Rechtlichen Bedenken begegnen die Bescheide der Beklagten vom 31. Mai 2005 auch insoweit nicht, als mit ihnen die in der Zeit vom Oktober 2002 bis September 2004 geleistete Ausbildungsförderung zurückgefordert wird. Rechtsgrundlage des vom Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 50 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 SGB X, wonach die erbrachten Leistungen zu erstatten sind, soweit der zugrunde liegende Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
VII.
- 91
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
- 92
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 93
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
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