Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Kammer) - 1 Sa 354/06

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 9. November 2006 - 2 Ca 1307/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 13.6.2006 zum 31.12.2006 beendet worden ist.

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Die 1951 geborene Klägerin ist in einem seit 1976 bestehenden Arbeitsverhältnis beim Beklagten beschäftigt; sie hat zuletzt als Reinigungskraft in der Schule in W. gearbeitet. Der Amtsausschuss hat am 8.6.2006 beschlossen, die Reinigungsarbeiten in der Schule ab 1.1.2007 nicht mehr mit eigenem Personal, sondern durch eine Privatfirma erledigen zu lassen. Nachdem die tatsächliche Durchführung der beschlossenen Maßnahme erstinstanzlich zunächst bestritten war, ist im Anschluss an die Berufungsbeantwortung des Beklagten und die im Zusammenhang damit vorgelegten Unterlagen nicht mehr streitig, dass im 2. Halbjahr 2006 eine Ausschreibung durchgeführt und der Reinigungsauftrag an ein Privatunternehmen vergeben worden ist.

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Die Klägerin rügt weiterhin, dass der Beschluss des Amtsausschusses vom 8.6.2006 unwirksam gewesen sei, weil sich an der Abstimmung Vertreter von Gemeinden beteiligt hätten, die nicht als betroffene Gemeinde abstimmungsberechtigt gewesen seien. Nach dem Protokoll vom 8.6.2006 hatten von 29 anwesenden Amtsausschussmitglieder die 16 Mitglieder aus den Gemeinden Bernitt, Tarnow, W., Baumgarten, Dreetz, Klein Belitz, Penzin und Jürgenshagen teilgenommen.

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Das Arbeitsgericht Rostock hat mit Urteil vom 9.11.2006 für Recht erkannt:

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1. Die Klage wird abgewiesen.

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2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

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3. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 4.186,77 EUR.

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4. Die Berufung wird zugelassen.

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Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht sinngemäß ausgeführt: Die Kündigung sei sozial gerechtfertigt; bei dem Beschluss des Amtsausschusses zur Fremdvergabe der Reinigungsarbeiten handele es sich um eine unternehmerische Entscheidung, die weder willkürlich noch offensichtlich unsachlich sei. Der Beschluss des Amtsausschusses sei auch wirksam zustande gekommen. Nach Maßgabe der §§ 134 und 127 der Kommunalverfassung (KV) hätten die Vertreter der acht betroffenen Gemeinden abstimmen dürfen. Die von der Klägerin erhobene Rüge fehlender Personalratsbeteiligung sei nicht berechtigt, da beim Amt kein Personalrat gebildet war und der bei der Stadt Bützow gebildete Personalrat nicht zuständig gewesen sei, da die Stadt Bützow lediglich für das Amt die Aufgaben einer geschäftsführenden Gemeinde wahrnehme.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachstandes und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts im Ganzen Bezug genommen.

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Gegen das am 16.11.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin - anwaltlich vertreten - am 7.12.2006 Berufung eingelegt und diese am 12.1.2007 begründet.

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Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus: Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit der Rüge der fehlenden Vollmacht des Amtsvorstehers befasst, die aus der Unwirksamkeit des vom Amtsausschuss gefassten Beschlusses folge. Der Amtsvorsteher sei zwar nach außen generell vertretungsberechtigt, im Innenverhältnis sei seine Vollmacht jedoch beschränkt auf die Durchführung der Beschlüsse des Amtsausschusses. Dass demnach ohne Vertretungsmacht vorgenommene Rechtsgeschäft sei gemäß § 180 BGB nichtig. Der Beschluss des Amtsausschusses sei nicht wirksam zustande gekommen, weil Vertreter nicht betroffener Gemeinden mit gestimmt hätten.

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Während die Klägerin in der Berufungsbegründungsschrift die Auffassung vertritt, dass die Vertreter der Gemeinden Dreetz, Bernitt, Klein Belitz, Penzin und Jürgenshagen nicht hätten mit abstimmen dürfen, weil aus diesen Gemeinden keine Schüler in die Schule in W. gingen, vertritt sie in ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 15.3.2007 die Auffassung, es hätten überhaupt nur die Vertreter der Gemeinde W. abstimmen dürfen, da die Gemeinde W. ursprünglich alleiniger Träger der dortigen Schule gewesen sei. Gerade von den Vertretern der Gemeinde W. seien aber nach Kenntnis der Klägerin auch die drei Gegenstimmen gekommen.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Rostock - 2 Ca 1307/06 - vom 9.11.2006 festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 13.6.2006 nicht beendet worden ist.

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Das Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

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Das Beklagte erwidert, der Beschluss des Amtsausschusses sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Stimmberechtigt seien die 16 Vertreter der acht Gemeinden gewesen, die teils durch Beschluss, teils durch öffentlich-rechtlichen Vertrag ihre Schulträgerschaft auf das Amt übertragen hatten. Unterlagen über die entsprechenden Beschlüsse und Kopien der entsprechenden öffentlich-rechtlichen Verträge hat das Beklagte mit Schriftsatz vom 26.2.2007 vorgelegt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszuge wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 12.1.2007 und 15.3.2007 sowie auf die Schriftsätze des Beklagten vom 13.2.2007 und 26.2.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden.

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Das Arbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Gründe bedingt ist. Der Entschluss eines Arbeitgebers, einen bestimmten Tätigkeitskreis wie hier die Reinigungsaufgaben nicht mehr mit eigenen Arbeitskräften wahrzunehmen, sondern durch ein Fremdunternehmen erledigen zu lassen, ist vom Arbeitsgericht zu Recht als eine nur auf Willkür und offensichtliche Unsachlichkeit zu überprüfende unternehmerische Entscheidung angesehen worden. Dass die beschlossene Fremdvergabe der Reinigungsarbeiten an ein Privatunternehmen auch tatsächlich durchgeführt worden ist, ist im Anschluss an die mit der Berufungsbeantwortungsschrift vorgelegten Unterlagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht letztlich unstreitig gewesen.

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Da die Klägerin die letzte an Schulen des Amtsbezirks beschäftigte Reinigungskraft war und auch sonst nicht geltend gemacht hat, dass es vergleichbare, im Rahmen einer Sozialauswahl weniger schutzwürdige Arbeitnehmer gegeben hätte, ist die Kündigung auch nicht gemäß § 1 Abs. 3 KSchG rechtsunwirksam.

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Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlender Personalratsbeteiligung unwirksam. Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der bei der Gemeinde Bützow gebildete Personalrat für die Arbeitnehmer des Amtes nicht zuständig war. Hiergegen hat die Klägerin im Berufungsrechtszuge auch keine weiteren Einwendungen erhoben. Das Berufungsgericht kann sich deshalb darauf beschränken, auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu verweisen.

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Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Beschluss des Amtsausschusses nicht wirksam zustande gekommen sei und deshalb nicht zur Grundlage der Kündigungsentscheidung hätte gemacht werden dürfen.

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Gemäß § 134 Abs. 3 der Kommunalverfassung haben bei der Beschlussfassung über Aufgaben, die dem Amt nach § 127 Abs. 4 KV übertragen worden sind, die Mitglieder des Amtsausschusses, deren Gemeinden von der Übertragung nicht betroffen sind, kein Stimmrecht. Wie das Beklagte mit den mit Schriftsatz vom 26.2.2007 vorgelegten Unterlagen belegt hat, haben die acht Gemeinden, deren Vertreter an der Abstimmung im Amtsausschuss teilgenommen haben, ihre Schulträgerschaft teils durch einzeln gefasste Beschlüsse, teils durch öffentliche Verträge mit mehreren Beteiligten auf das Amt übertragen. Die Richtigkeit der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen ist von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen worden.

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Bei der Übertragung der Schulträgerschaft auf das Amt handelt es sich um die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben gemäß § 127 Abs. 4 KV. Nach Ansicht der Berufungskammer dürften auch alle Gemeinden, die ihre Schulträgerschaft auf das Amt übertragen haben, an der Abstimmung über Maßnahmen, die eine aufgrund dieser Übertragung vom Amt verwaltete Schule betreffen, teilnehmen. Die Übertragung der Schulträgerschaft auf das Amt war gemäß § 104 Abs. 1 Schulgesetz MV grundsätzlich zulässig.

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Entgegen der Ansicht der Klägerin vermag die Berufungskammer aus den Regelungen des § 102 Schulgesetz über die mit der Schulträgerschaft verbundenen Aufgaben nicht herzuleiten, dass die Übertragung der Schulträgerschaft sich jeweils nur auf eine bestimmte Schule beziehen könne. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - nicht alle vom Beklagten vorgelegten Unterlagen über die Übertragung der Schulträgerschaft einen ausdrücklichen Bezug gerade zu der Schule in W. aufweisen.

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Im Übrigen würde auch ein aus der Beteiligung der ein oder anderen nicht betroffenen Gemeinde folgender Mangel des Beschlusses des Amtsausschusses nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

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Es ist zwar richtig, wenn die Klägerin darauf hinweist, dass der Amtsvorsteher trotz seiner allgemeinen Vertretungsbefugnis nach außen durch § 138 Abs. 2 S. 2 KV intern gebunden ist, die Beschlüsse des Amtsausschusses auszuführen und dass er, wie aus § 140 KV folgt, rechtswidrige Beschlüsse nicht ausführen darf, sondern diesen zu widersprechen hat. Der Amtvorsteher hat jedoch dem Beschluss des Amtsausschusses nicht widersprochen, sondern ihn ausgeführt.

29

Entgegen der Vorstellung der Klägerin führt eine etwaige Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Beschlusses nicht zur Unwirksamkeit der im Zuge der Ausführung vom Amtsvorsteher nach außen abgegebenen Willenserklärungen. Die Berufung der Klägerin auf § 180 BGB ist insoweit gänzlich verfehlt, denn die Regelungen der §§ 164 bis 185 BGB befassen sich ausschließlich mit der rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht.

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Der Amtsvorsteher ist jedoch gemäß § 143 Abs. 1 KV gesetzlicher Vertreter des Amtes. Als solcher hat er hinsichtlich der Erklärung von Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern des Amtes eine vergleichbare Stellung wie der Geschäftsführer einer GmbH, für den das Bundesarbeitsgericht schon wiederholt entschieden hat, dass er zum Wegfall von Arbeitsplätzen führende unternehmerische Entscheidungen auch dann durchführen und rechtswirksam die daraus folgenden Kündigungen aussprechen kann, selbst wenn kein - im Falle einer Betriebsstilllegung womöglich erforderlicher wirksamer Beschluss der Gesellschafterversammlung zugrunde liegt (z. B. Urteil vom 5.4.2001, 2 AZR 696/99, AP Nr. 117 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung = NZA 2001, 949; Urteil vom 11.3.1998, 2 AZR 414/97, AP Nr. 43 zu § 111 BetrVG 1972 = NZA 1998, 879).

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Wie das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 5.4.2001, II 3 der Gründe) ausführt, ist die "Wirksamkeit" der unternehmerischen Entscheidung durch ein Organ der Gesellschaft "zwar unter gesellschaftsrechtlicher Betrachtung eine Frage des Dürfens, kündigungsrechtlich aber eine Frage des Könnens. Ergibt eine Prognose im Kündigungszeitpunkt, dass die Entscheidung zur Betriebsstilllegung tatsächlich durchgeführt wird und deshalb für den gekündigten Arbeitnehmer mit Ablauf der Kündigungsfrist keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehen wird, ist die Kündigung grundsätzlich im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Die Überschreitung des gesellschaftsrechtlich internen Dürfens durch das die Betriebsstilllegung betreibende Organ der Gesellschaft würde unter diesen Umständen nur dann auf die Wirksamkeit der Kündigung durchschlagen, wenn die Rechtsordnung dies zum Schutze der Arbeitnehmer, also extern, vorsehen würde."

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In gleicher Weise ist davon auszugehen, dass, wenn hier der Amtsvorsteher einen - auch womöglich fehlerhaft zustande gekommenen - Beschluss des Amtsausschusses, der zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt, nicht beanstandet, sondern tatsächlich durchführt und die entsprechende Kündigung ausspricht, deren Unwirksamkeit nicht ohne Weiteres aus der Fehlerhaftigkeit des zugrunde liegenden Beschlusses hergeleitet werden kann.

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Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat die Klägerin gemäß § 97 ZPO zu tragen.

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Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

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