Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (17. Zivilsenat) - 17 AR 3/21

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin war die Ehefrau des am 10. August 2017 verstorbenen L. N.. Die Ehegatten heirateten am 25. September 1998 und lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Ein Testament existierte nicht. Am 19. September 2017 schlug die Antragstellerin die Erbschaft nach ihrem verstorbenen Ehemann aus. Erbin wurde zunächst die Mutter des Ehemannes. Diese verstarb am 19. August 2017 und wurde von ihrem Enkel Lu. N. (dem Sohn der Antragstellerin und ihres verstorbenen Ehemannes) sowie dessen drei Geschwistern - den Antragsgegnern zu 1. - 3. - beerbt.

2

Mit Antragsschrift vom 21. Dezember 2020, beim Amtsgericht – Familiengericht – Walsrode am selben Tage eingegangen, macht die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren einen Anspruch auf Zugewinnausgleich gemäß § 1371 Abs. 2 BGB (nach der sog. güterrechtlichen Lösung) im Rahmen eines Stufenantrags gegen die drei Antragsgegner geltend.

3

Mit Verfügung vom 07. Januar 2021 hat das Amtsgericht das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass bezüglich der Antragsgegner zu 1. und 3. die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Walsrode nicht gegeben sein dürfte.

4

Mit Anwaltsschriftsatz vom 15. Januar 2021 haben die Antragsgegner die Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin beantragt.

5

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 02. März 2021 hat die Antragstellerin beim Oberlandesgericht Celle einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestellt und beantragt, das Amtsgericht – Familiengericht – Walsrode als zuständiges Gericht für das vorliegende Verfahren zu bestimmen. Sie macht geltend, dass die drei Antragsgegner Mitglieder der ungeteilten Erbengemeinschaft nach der am 19. August 2017 verstorbenen Mutter des Ehemanns der Antragstellerin seien - was unstreitig ist - und daher als gesamtschuldnerisch haftende Miterben in Anspruch genommen würden. Insofern handele es sich um Streitgenossen gemäß §§ 59, 60 ZPO. Da die Antragstellerin und ihr verstorbener Ehemann ihren Wohnsitz in A. gehabt hätten und dieser darüber hinaus auch alleiniger Kommanditist der im Handelsregister des Amtsgerichts Walsrode eingetragenen L. N. I. - und V. mbH & CoKG sowie Gesellschafter-Geschäftsführer der G. K. GmbH mit Sitz .... in B. an der Aller (gelegen im Amtsgerichtsbezirk Walsrode) gewesen sei, wo auch der Antragsgegner zu 2. gemeldet sei, bestehe eine enge örtliche Verbindung des Nachlasses zum Bezirk des Amtsgerichts Walsrode, sodass dieses als zuständiges Gericht zu bestimmen sei.

6

Die Antragsgegner beantragen, den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Sie machen geltend, dass die Antragsgegner zu 1. und 3. im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm wohnhaft seien und die Erblasserin, von der die Antragsgegner geerbt haben, in A. (Amtsgerichtsbezirk Lüdinghausen) verstorben sei.

II.

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Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts war zurückzuweisen.

8

1. Gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 36 Abs. 2 ZPO wird in Fällen, in denen das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist, das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört. Daher ist vorliegend das Oberlandesgericht Celle zur Entscheidung berufen, denn das mit der Sache erstbefasste Amtsgericht Walsrode liegt in dessen Bezirk.

9

2. Eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO - und nur dieser kommt von den Tatbeständen des § 36 Abs. 1 ZPO überhaupt in Betracht - scheidet hier aus. Danach erfolgt eine Bestimmung des Gerichtsstands, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.

10

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil für das Verfahren ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet war, die Antragstellerin aber ihr Wahlrecht gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 35 ZPO gegenüber dem Antragsgegner zu 2. bindend dahingehend ausgeübt hat, dass sie das Amtsgericht Walsrode gewählt hat (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 23 mwN).

11

Im Hinblick auf den Streitgegenstand ist das Verfahren als Güterrechtssache im Sinne von § 261 Abs. 1 FamFG anzusehen. Güterrechtssachen nach § 261 Abs. 1 FamFG, die gemäß § 112 Nr. 2 FamFG zu den Familienstreitsachen gehören, sind Verfahren, die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht betreffen, auch wenn Dritte an dem Verfahren beteiligt sind. Die Formulierung entspricht dem früheren § 621 Abs. 1 Nr. 8 ZPO aF und betrifft Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht nach §§ 1363–1563 BGB (mit Ausnahme der in § 261 Abs. 2 FamFG genannten Verfahren) sowie Vollstreckungsgegenanträge nach § 113 Abs. 1 S. 2 iVm § 767 ZPO, soweit sich diese gegen titulierte Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht richten. Bei Bestehen einer Zugewinngemeinschaft ist Güterrechtssache gemäß § 261 Abs. 1 FamFG der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns unter Lebenden nach § 1378 Abs. 1 BGB sowie - wie vorliegend - im Todesfall gemäß § 1371 Abs. 2 BGB (vgl. Palandt/Siede, BGB, 80. Aufl. 2021, § 1371 Rn. 21; Kohlenberg in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, FamFG § 261 Rn. 2, 3 mwN).

12

Die örtliche Zuständigkeit für Güterrechtssachen richtet sich nach § 262 FamFG. Dessen Absatz 1 Satz 1 begründet während der Anhängigkeit einer Ehesache - die hier indes nicht gegeben ist - eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts, bei dem die Ehesache anhängig ist oder war. Für den vorliegenden Fall, dass eine Ehesache nicht anhängig ist oder war, verweist § 262 Abs. 2 FamFG auf die Zuständigkeitsvorschriften der ZPO, wobei an die Stelle des Wohnsitzes, auf den die ZPO abstellt, der gewöhnliche Aufenthalt tritt. Neben dem allgemeinen Gerichtsstand nach §§ 12, 13 ZPO können die Gerichtsstände des letzten gewöhnlichen Aufenthalts nach §§ 15, 16 ZPO (sofern der Antragsgegner das Recht der Exterritorialität genießt oder weder im In- noch im Ausland einen gewöhnlichen Aufenthalt hat), des Vermögens oder Gegenstands nach § 23 ZPO (wenn der Antragsgegner keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat), des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO sowie nach § 33 ZPO im Fall eines Widerantrags maßgeblich sein (vgl. Kohlenberg in: Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, FamFG § 262 Rn. 5 mwN). In Betracht kommt außerdem der erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft (§§ 27, 28 ZPO). Nach § 27 Abs. 1 ZPO können Klagen, welche die Feststellung des Erbrechts, Ansprüche des Erben gegen einen Erbschaftsbesitzer, Ansprüche aus Vermächtnissen oder sonstigen Verfügungen von Todes wegen, Pflichtteilsansprüche oder die Teilung der Erbschaft zum Gegenstand haben, vor dem Gericht erhoben werden, bei dem der Erblasser zur Zeit seines Todes den allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat. Gemäß § 28 ZPO können in dem Gerichtsstand der Erbschaft auch Klagen wegen anderer Nachlassverbindlichkeiten erhoben werden, solange sich der Nachlass noch ganz oder teilweise im Bezirk des Gerichts befindet oder die vorhandenen mehreren Erben noch als Gesamtschuldner haften.

13

Vorliegend macht die Antragstellerin im Rahmen eines Stufenverfahrens einen Anspruch auf Zugewinnausgleich gemäß § 1371 Abs. 2 BGB gegen die Antragsgegner geltend. Der gegen den Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes gerichtete Anspruch war nach dessen Tod zunächst im Wege der Erbschaft auf die Mutter des Ehemannes übergegangen, § 1922 Abs. 1 BGB. Nach deren Tod sind nunmehr u.a. die Antragsgegner gesamtschuldnerisch haftende Erben geworden. Die Erbschaft umfasst somit auch die zunächst vom Ehemann der Antragstellerin auf dessen Mutter vererbte Verpflichtung aus dem Zugewinnausgleich. Gemäß § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten, wozu nach § 1967 Abs. 2 BGB auch die vom Erblasser herrührenden Schulden (sog. Erblasserschulden) zählen. Dies sind im Zeitpunkt des Erbfalls schon in der Person des Erblassers begründete vererbliche Verpflichtungen gesetzlicher, vertraglicher und außervertraglicher Natur, auch wenn die Folgen erst nach dem Erbfall eintreten (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 80. Aufl. 2021, § 1967 Rn. 2). Beim Anspruch nach § 1371 Abs. 2 BGB handelt es sich nach ganz h.M. um eine Erblasserschuld im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB (vgl. BFH FamRZ 2008, 2109; Palandt/Weidlich, aaO, § 1967 Rn. 5; MüKoBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 1371 Rn. 48; MüKoBGB/Küpper, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 7; Staudinger/Thiele, BGB Neubearbeitung 2017, § 1371 Rn. 67; BeckOGK/Grüne, Stand 15.12.2020, BGB § 1967 Rn. 113; Jauernig/Stürner, BGB, 18. Aufl. 2021, § 1967 Rn. 1; Joachim in: Buhrandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, BGB § 1967 Rn. 11; aA Erman/Horn, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 6: Erbfallschuld).§ 28 ZPO erfasst über den bereits in § 27 ZPO enthaltenen Kreis von Erbfallschulden hinausgehende Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 BGB (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 28 Rn. 2; Gierl in: Buhrandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, ZPO § 28 Rn. 3; Heinrich in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 28 Rn. 3; BeckOK ZPO/Toussaint, 39. Edition Stand 01.12.2020, § 28 Rn. 2). Da die Antragsgegner hier unstreitig noch als Gesamtschuldner (§§ 2058, 421 BGB) haften, war somit ursprünglich der erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft gemäß § 28 ZPO gegeben. Insoweit bestand ein besonderer Gerichtsstand bei dem Gericht, bei dem die Erblasserin (Mutter des verstorbenen Ehemannes) zum Todeszeitpunkt ihren allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat. Vorliegend hat diese zuletzt in .... A. gewohnt, sodass eine besondere örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Lüdinghausen bestanden hat.

14

Eine Bestimmung nach §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 36 Abs. 1 Nr 3 ZPO scheidet hier zudem aus, weil der ursprünglich bestehende gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand der Antragsgegner beim Amtsgericht Lüdinghausen gegenüber dem Antragsgegner zu 2. durch die unwiderrufliche und bindende Zuständigkeitswahl (§ 35 ZPO) eines anderen Gerichts, nämlich des nur für den Antragsgegner zu 2. örtlich zuständigen Amtsgerichts Walsrode, durch die Antragstellerin verloren gegangen ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 2018, 931; NJW-RR 2016, 639; OLG Karlsruhe NJW-Spezial 2016, 648; KG NJW 2006, 2336; OLG Düsseldorf MDR 1969, 672; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 23; Heinrich in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 36 Rn. 18).

 


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