Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (4. Zivilsenat) - 4 U 78/13

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 22. November 2013, Az.: 11 O 1142/13, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Auf die Widerklage des Beklagten wird festgestellt, dass der streitgegenständliche Krankenversicherungsvertrag mit der Vertragsnummer ... weder durch die mit Schreiben vom 21. Februar 2013 erklärte Anfechtung der Klägerin noch den dort hilfsweise erklärten Rücktritt beendet worden ist und bislang auch, entgegen dem Schreiben der Klägerin vom 16. März 2009, kein Ruhen der Leistungen in der Krankheitskosten-Vollversicherung eingetreten ist, sondern die abgeschlossene Krankheitskosten-Vollversicherung uneingeschränkt fortbesteht.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

1

Die Klägerin, eine private Krankenversicherung, begehrt von dem bei ihr seit Anfang 2009 versicherten Beklagten die Zahlung rückständiger Versicherungsbeiträge nebst einem Säumniszuschlag von 1% für jeden angefangenen Monat für die Zeit von Dezember 2009 bis November 2012 in Höhe von insgesamt 5.645,57 € nebst außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, gegen welche Forderung der Beklagte in erster Instanz hilfsweise aufgerechnet hat und in zweiter Instanz primär die Aufrechnung erklärt mit drei kontrovers beurteilten Kostenerstattungsforderungen.

2

Der Beklagte beantragte bei der Klägerin am 05. Dezember 2008 im unmittelbaren Anschluss an eine Vorversicherung bei der D.-Versicherung den Abschluss einer privaten Krankenversicherung und Pflegepflichtversicherung zum 01. Januar 2009.

3

Die Fragen im Antragsformular und die dort vom Beklagten durch Ankreuzen und zwei handschriftliche Ergänzungen gemachten „Angaben zum Gesundheitszustand“ (Bl. 58 Bd. I d. A.) stellen sich wie folgt dar:

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4

Dem durch Annahme der Klägerin zustande gekommenen Krankenversicherungsvertrag liegen die Allgemeine(n) Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB/KK) zugrunde (Bl. 62 - 68 Bd. II d. A.), die zur Aufrechnung folgende Regelung enthalten:

5

§ 12 Aufrechnung

6

Der Versicherungsnehmer kann gegen Forderungen des Versicherers nur aufrechnen, soweit die Gegenforderung unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist.

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Mit Schreiben vom 21. Februar 2013 (Bl. 43 Bd. I d. A.) hat die Klägerin die Anfechtung des Krankenversicherungsvertrages gemäß § 22 VVG in Verb. mit § 123 BGB sowie hilfsweise gemäß den §§ 19 ff. VVG den Rücktritt erklärt. Zur Begründung gab sie an, dass anlässlich der Überprüfung eingereichter Arztrechnungen festgestellt worden sei, dass der Beklagte im Aufnahmeantrag vom 05. Dezember 2008 nicht über die Diagnosen Angina pectoris, Hyperlipoproteinämie, Imgingement-Syndrom [recte: Impingement] Schulter und Stress informiert habe, derentwegen er in der Zeit bis zur Antragstellung ärztlich untersucht oder behandelt worden sei.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten und meint weiterhin, sie habe mit jenem Schreiben das Versicherungsverhältnis wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten bzw. hilfsweise den Rücktritt erklärt, weil der Beklagte die Fragen zu Ziffer 6.5 und 6.6 im Antragsformular vom 05. Dezember 2008 wider besseres Wissen falsch beantwortet habe. Er hätte sie über die diagnostizierten Krankheiten, derentwegen er sich in ärztlicher Behandlung befunden habe, wahrheitsgemäß informieren müssen. Gerade wegen der Risikoerheblichkeit dieser Erkrankungen sei von einem bewussten Verschweigen des Beklagten zwecks Erlangung des Versicherungsschutzes bei der Antragstellung auszugehen. Der Beklagte sei auch, falls Anfechtung und Rücktritt unwirksam sein sollten, auf der Grundlage des dann fortbestehenden Versicherungsvertrages zum Ausgleich der rückständigen Versicherungsbeiträge unter dem Aspekt des Verzuges verpflichtet. Eine Versicherung des Beklagten im Basistarif sei nicht möglich gewesen, weil die dafür geltenden Prämien wesentlich höher als die Vertragsprämien seien und ab dem 01. Januar 2012 monatlich 592,88 € betragen hätten. Wegen des schon im Jahre 2009 korrekt festgestellten Ruhens der Versicherungsleistungen habe eine Verpflichtung zur Erstattung nur solcher Aufwendungen bestanden, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderlich gewesen seien, was hinsichtlich der vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Arztrechnungen nicht der Fall sei und bestritten werde.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.645,57 € zuzüglich eines Säumniszuschlags in Höhe von 1% pro angefangenen Monat

11

auf jeweils 129,44 € zum 2. eines jeden Monats für die Zeit von Dezember 2009 bis April 2010,

12

auf jeweils 147,43 € zum 2. eines jeden Monats für die Zeit von Mai 2010 bis April 2011,

13

auf jeweils 166,16 € zum 2. eines jeden Monats für die Zeit von Mai 2011 bis April 2012 und

14

auf jeweils 176,47 € zum 2. eines jeden Monats für die Zeit von Mai bis November 2012

15

sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 15,-- € und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 € zu zahlen.

16

Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Er hat bestritten und bestreitet weiterhin nachdrücklich, bei der Antragstellung falsche Angaben gemacht zu haben, das Vorliegen eines Anfechtungs- oder Rücktrittsgrundes sei damit nicht gegeben. In den letzten fünf Jahren vor Dezember 2008, so hat er vorgetragen, habe er einmal seine W. Hausärztin, die Diplom-Medizinerin K. H., zwecks Abklärung eines stressbedingten Unwohlseins aufgesucht. Die Ärztin habe aber nichts feststellen können und daher weitere Untersuchungen im Krankenhaus vornehmen lassen. Nach zwei Tagen stationären Aufenthalts sei er ohne Befund aus dem Krankenhaus entlassen worden, auch ohne dass eine Medikation oder Weiterbehandlung erfolgt sei. Ob damals über Cholesterinwerte gesprochen worden sei, könne er heute nicht mehr sagen. Ein Problem mit der Schulter habe er im Jahre 2000 gehabt, also lange vor der maßgeblichen Fünf-Jahresfrist, und mittlerweile habe er keine Beschwerden mehr an der Schulter.

19

Der Beklagte hat in erster Instanz noch hilfsweise die Aufrechnung mit folgenden drei Gegenforderungen erklärt:

20

Endrechnung des H. Klinikums W.-B. GmbH
vom 03.01. 2013 (Bl. 45 Bd. I d. A.)

770,62 €

Rechnung der H. Apotheke I.
vom 04.01. 2013 (Bl. 46 Bd. I d. A.)

715,30 €

Kostenrechnung des Klinikums Q. GmbH
vom 23.04. 2013
wegen eines stationären Aufenthalts
vom 20. bis 28. Dezember 2012 (Bl. 47 - 49 Bd. I d. A.)   

6.068,13 €

21

Das Landgericht hat mit Urteil vom 22. November 2013 (Bl. 94 - 100 Bd. I d. A.), auf dessen Tatbestand wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen wird, der Klage vollen Umfanges stattgegeben und zur Begründung namentlich folgendes ausgeführt:

22

Die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Versicherungsbeiträge in Höhe von 5.645,57 €. Da sie rückständige Prämien geltend mache, die einen Zeitraum vor der erklärten Anfechtung bzw. des hilfsweise erklärten Rücktritts beträfen, könne dahingestellt bleiben, ob Anfechtung bzw. Rücktritt wirksam seien. Denn wären die Erklärungen unwirksam gewesen, hätte das Vertragsverhältnis unverändert bestanden und der Beklagte sei dann vertraglich zum Ausgleich der rückständigen Prämien verpflichtet. Anderenfalls hätte der Beklagte gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VVG bis zum Wirksamwerden der Anfechtungs- oder Rücktrittserklärung mit deren Zugang die bis dahin angefallenen Versicherungsbeiträge zahlen müssen.

23

Die Forderung der Klägerin sei auch nicht durch die hilfsweise Aufrechnung des Beklagten mit Gegenforderungen aus Arztrechnungen gemäß den §§ 387, 389 BGB erloschen. Denn gemäß § 12 AVB/KK sei nur die Aufrechnung des Versicherungsnehmers mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen möglich, die hier nicht vorlägen.

24

Den Säumniszuschlag könne die Klägerin als Verzugsschaden gemäß den §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286, 288 BGB in Verb. mit § 193 Abs. 6 Satz 8 VVG (a. F.) verlangen.

25

Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die Berufung des Beklagten.

26

Er rügt, das Landgericht habe bei der Entscheidung übersehen, dass die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen von der Klägerin tatsächlich nicht substantiiert bestritten worden seien. Sie habe nur in Abrede gestellt, dass es sich bei den Rechnungen um solche handele, die eine Behandlung wegen akuter Erkrankungen oder Schmerzzustände beträfen. Dabei lägen sämtlichen vorgelegten Rechnungen - wie sich bereits aus deren Wortlaut ergebe - Notfallbehandlungen entweder im H. Klinikum oder im Klinikum Q. zugrunde. Entgegen der Auffassung des Landgerichts komme es auf die Wirksamkeit der Anfechtung an. Denn bei Unwirksamkeit der Anfechtungserklärung sei er zur Aufrechnung mit den Gegenforderungen berechtigt.

27

Im Übrigen trägt der Beklagte ergänzend vor, die Diplom-Medizinerin H. habe bei ihm seinerzeit nach der CT-Auswertung keine Schultererkrankung diagnostiziert, sondern sei von einer bloßen Überbeanspruchung der Schulter wegen der von ihm verrichteten schweren körperlichen Arbeit ausgegangen, weshalb er die der CT-Untersuchung zugrunde liegenden Beschwerden als nicht offenbarungspflichtig betrachtet habe.

28

Der Beklagte beantragt,

29

1.

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

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2.

im Wege der Zwischenfeststellungswiderklage festzustellen, dass die streitgegenständliche Krankenversicherung weder durch die mit Schreiben vom 21. Februar 2013 erklärte Anfechtung der Klägerin noch den dort hilfsweise erklärten Rücktritt beendet worden sei und bislang auch kein Ruhen der Leistungen oder des Vertrages eingetreten sei, sondern die abgeschlossene Krankenversicherung uneingeschränkt fortbestehe.

31

Die Klägerin beantragt,

32

die Berufung einschließlich des Feststellungsantrags zurückzuweisen.

33

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und meint, der Aufrechnung mit den Gegenforderungen aus den Arztrechnungen substantiiert entgegengetreten zu sein. Sie habe bereits in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 05. August 2013 nicht nur bestritten, dass die mit den Gegenforderungen beanspruchten Aufwendungen zur Behandlung akuter Erkrankungen oder Schmerzzustände erforderlich gewesen seien. Vielmehr habe sie auch dargelegt, dass wegen ihrer Anfechtungserklärung jegliche Leistungsverpflichtung ex tunc weggefallen sei.

34

Hilfsweise sei zudem bestritten worden und bleibe bestritten, dass eine Verpflichtung zur Zahlung der fraglichen Rechnungen bestehe, da sie bereits im Jahr 2009 mit Schreiben vom 16. März (Bl. 13 Bd. II d. A.) nach vorheriger Mahnung vom 23. Februar (Bl. 11/12 Bd. II d. A.) das Ruhen der Leistungen in der Krankheitskostenversicherung festgestellt habe. Als Konsequenz dessen sei die Leistungspflicht nach § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG a. F. beschränkt auf den Ersatz von Aufwendungen zur Behandlung akuter Erkrankungen oder Schmerzzustände, die indes nicht vorgelegen hätten.

II.

35

Die gemäß § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst formell zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte und begründete Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg.

36

Unabhängig von der Wirksamkeit der Anfechtung oder Rücktrittserklärung ist ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des für die Zeit von Dezember 2009 bis November 2012 unstreitig in Höhe von 5.645,57 € entstandenen Prämienrückstandes an sich, sei es vertraglich oder sonst, im Falle der wirksamen Anfechtung oder des Rücktritts, gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VVG kraft Gesetzes, in jedem Falle gegeben (1).

37

Der Anspruch ist allerdings durch die vom Beklagten - in zweiter Instanz primär - erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen auf Erstattung stationärer und ambulanter Heilbehandlungs- sowie Rezeptkosten gemäß den §§ 387, 388, 389 BGB ex tunc erloschen, da eine wirksame Beendigung des Versicherungsvertrages infolge Anfechtung oder Rücktritt der Klägerin nicht festgestellt werden kann und es auf ein eventuelles Ruhen der Leistungen nach § 193 Abs. 6 Satz 2 und 3 VVG a. F. insoweit nicht ankommt, weil selbst dann eine Haftung der Klägerin gemäß § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG a. F. für die offenkundig zur Behandlung akuter Erkrankungen angefallenen Aufwendungen bestanden hätte (2).

38

Schließlich erweist sich die zulässigerweise gemäß § 256 Abs. 2 in Verb. mit § 525 Satz 1 ZPO erst zweitinstanzlich erhobene Zwischenfeststellungswiderklage des Beklagten ebenfalls in der Sache mangels nachträglich mittels Anfechtung oder Rücktritt aufgehobener oder zwischenzeitlich ruhebedingt eingeschränkter Leistungspflicht der Klägerin vollen Umfanges als begründet (3).

39

1. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des eingeklagten Prämienrückstands für die Zeit von Dezember 2009 bis Ende November 2012 ist in Höhe von 5.645,57 €, abgesehen von den zu Unrecht gemäß § 193 Abs. 3 Satz 8 VVG a. F. bzw. § 8 Abs. 6 Satz 5 AVB/KK mangels wirksam festgestellten Ruhens der Leistungen verlangten Säumniszuschlägen (s. dazu des Näheren unten unter Punkt 2 d und 3), gemäß § 8 Abs. 1 AVB/KK unabhängig von der Wirksamkeit der Anfechtungserklärung und des hilfsweise erklärten Rücktritts vom Krankenversicherungsvertrag an sich gegeben.

40

Denn gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VVG steht dem Versicherer die Prämie, selbst wenn das Versicherungsverhältnis durch Rücktritt auf Grund des § 19 Abs. 2 in Verb. mit § 21 Abs. 1 VVG oder durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß den §§ 123, 142 BGB in Verb. mit § 22 VVG beendet wird, bis zum Wirksamwerden seiner Rücktritts- oder Anfechtungserklärung mit deren Zugang beim Versicherungsnehmer zu.

41

Die Anfechtung des Vertrages gemäß § 22 VVG in Verb. mit § 123 BGB und hilfsweise den Rücktritt gemäß § 19 Abs. 2 VVG hat die Klägerin erst in ihrem Schreiben vom 21. Februar 2013, dessen Zugang der Beklagte nicht in Abrede gestellt hat, erklärt, sodass die vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Gestaltungserklärung durch Zugang beim Beklagten gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB liegenden Prämienzeiträume unberührt bleiben.

42

Erst recht kann oder könnte die Klägerin natürlich die vertraglich vereinbarte Prämie verlangen, wenn die Krankheitskostenversicherung, wie letztlich anzunehmen, nicht durch Anfechtung oder Rücktritt beendet worden ist.

43

2. Der so oder so gegebene Prämienzahlungsanspruch der Klägerin in Höhe der sich auf 5.645,57 € belaufenden Klageforderung ist allerdings rückwirkend durch die vom Beklagten zweitinstanzlich primär erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen gemäß den §§ 387, 388, 389 BGB in dem Zeitpunkt erloschen, in welchem die wechselseitigen Forderungen zur Aufrechnung geeignet - das war im Januar und April 2013 - einander gegenübergetreten sind.

44

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 10. Juni 2014 nach entsprechendem Hinweis des Senats klarstellend die notwendigerweise exakte Reihenfolge bestimmt, in der die Gegenforderungen, deren Gesamtbetrag die Klageforderung übersteigt, gegen die Prämienforderung der Klägerin aufgerechnet werden, nämlich an erster Stelle die Forderung aus der Rechnung des H. Klinikum W. vom 03. Januar 2013 über 770,62 €, dann diejenige aus den Rezeptrechnungen der H. Apotheke vom 04. Januar 2013 über 715,30 € und schließlich die - nicht mehr vollends, sondern nur noch in Höhe von 4.159,65 € zur Aufrechnung benötigte -Forderung aus der Rechnung des Klinikums Q. vom 23. April 2013 über 6.068,13 €.

45

Die vom Beklagten nunmehr in präziser Reihenfolge zur Aufrechnung gestellten vertraglichen Gegenforderungen auf Erstattung der krankheitsbedingten Aufwendungen sind oder wären auch begründet für den Fall eines zuvor wirksam festgestellten Ruhens der Leistungen gemäß § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG a. F. (a), und sie unterliegen auch keinem Aufrechnungsausschluss nach § 12 AVB/KK (b).

46

Gegenstandslos hätten die vertraglich korrekt zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen nur dann werden können, wenn der Vertrag rückwirkend seine Grundlage eingebüßt hätte, und zwar entweder gemäß § 142 BGB durch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder die alternativ hilfsweise vorgenommene Rücktrittserklärung der Klägerin wegen vorsätzlicher Anzeigepflichtverletzung gemäß den §§ 19 Abs. 1 und 2, 21 Abs. 1 VVG. Eine arglistige Täuschung des Beklagten oder ein zumindest vorsätzliches Verhalten seinerseits, was die behauptete Verletzung der Anzeigepflicht betrifft, lässt sich indessen nicht feststellen (c).

47

Schließlich erstreckte sich die Aufrechnung gleichermaßen auf die Hauptforderung wie auch auf die damit verbundenen, hier allerdings nicht gegebenen Nebenforderungen (d).

48

a) Der vertragliche Anspruch auf Erstattung der krankheitsbedingten Aufwendungen steht oder stünde dem Kläger auch im Falle eines wirksam festgestellten Ruhens der Leistungen nach § 193 Abs. 6 Satz 2 bis 4 VVG a. F. zu, da auch dann eine auf Notfälle beschränkte Leistungspflicht der Klägerin gemäß § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG a. F. hier zu konstatieren wäre.

49

Der notfallbedingte Charakter der Aufwendungen, die zur Behandlung einer akuten Erkrankung gemäß jener Vorschrift wegen eines Herzinfarkts erforderlich gewesen sind, ergibt sich bereits unmissverständlich aus dem Wortlaut der vorgelegten und von der Klägerin inhaltlich auch nicht bestrittenen Krankenhausrechnungen sowie den für die weitere Behandlung ausgestellten Rezepten. Das gleichwohl unsubstantiierte Bestreiten allein der abstrakten Voraussetzungen des § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG a. F. seitens der Klägerin ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unbeachtlich anzusehen.

50

b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Aufrechnung der Gegenforderungen des Beklagten auch nicht die Vorschrift des § 12 AVB/KK entgegen, wonach der Versicherungsnehmer nur gegen Forderungen des Versicherers aufrechnen kann, soweit die Gegenforderung unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist.

51

Denn die Gegenforderungen, die sich allesamt auf die akut notfallbedingte Behandlung des Beklagten infolge eines Herzinfarkts der Vorderwand beziehen, sind hier als solche unbestritten im Sinne von § 12 AVB/KK, da die Klägerin die offenkundig akute Erkrankung der den Arzt- und Rezeptkosten zugrunde liegenden Behandlungen des Beklagten wegen eines Herzinfarkts weder bestritten hat noch redlicherweise hätte bestreiten können.

52

Soweit die Parteien über die wirksame Beendigung des Krankenkostenversicherungsvertrages an sich streiten, vermag der kontroverse Fortbestand des Vertrages als solcher es nicht, die dem Grunde und der Höhe nach unbestrittenen Gegenforderungen wegen der Behandlungskosten wiederum als bestritten und daher als der Aufrechnungsbefugnis entzogen ansehen zu müssen. Einer Klauselauslegung gemäß den §§ 133, 157 BGB im Sinne der von der Klägerin vertretenen Auffassung stünde neben dem gerade auf eine unbestrittene Gegenforderung abstellenden Wortlaut der Bestimmung zudem die Vorschrift des § 305 c Abs. 2 BGB entgegen, weil dann zwei verschiedene Auslegungsvarianten des § 12 AVB/KK möglich wären und als Folge der mehrdeutigen Auslegung nur die dem Versicherungsnehmer günstigere Auslegung Wirksamkeit beanspruchen könnte, nämlich diejenige, welche die Aufrechnung gegen Forderungen des Versicherers auch dann zulässt, soweit und solange die Gegenforderung selbst unbeschadet eines Streits der Parteien über den Fortbestand des Vertrages im Übrigen unbestritten bleibt.

53

c) Die somit entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob eine arglistige Täuschung oder eine vorsätzliche Anzeigepflichtverletzung des Beklagten zu einem Leistungsausschluss der Klägerin in Ansehung der aufgerechneten Gegenforderungen geführt hat, muss im Ergebnis verneint werden.

54

ca) Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer arglistigen Täuschung des Beklagten gemäß § 123 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 22 VVG bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen im Antragsformular vom 05. Dezember 2008 mit der Folge eines rückwirkenden Wegfalls der vertraglichen Leistungspflicht für die Klägerin aus § 142 Abs. 1 BGB liegen nicht vor.

55

Der Beklagte hat die Frage zu Ziffer 6.5 nach ambulanten oder stationären Behandlungen im Antragsformular vom 05. Dezember 2008 mit dem handschriftlichen Zusatz Routineuntersuchung - ohne Befund hinsichtlich der im Krankheits- und Befundbericht der Diplom-Medizinerin H. vom 05. Februar 2013 (Bl. 8 Bd. II d. A.) aufgeführten Vorerkrankungen und der gleichzeitigen Angabe des ihn seinerzeit behandelnden Hausarztes im Ergebnis doch noch wahrheitsgemäß beantwortet, zumindest aber, wovon in Anbetracht aller Umstände auszugehen ist, subjektiv wahrheitsgemäß beantworten wollen. Denn der handschriftliche Zusatz mag zwar aus Sicht der Beklagten als Versicherer unangemessen pauschal ausgefallen sein, ist jedoch weder versteckt noch unerfindlich oder unaufklärbar in Bezug auf den damaligen Behandlungsumfang einschließlich der stationären Untersuchung, sondern enthält bei der gebotenen Gesamtschau aller beantworteten Gesundheitsfragen mit der Angabe des Hausarztes einen - jedenfalls zum Ausschluss eines arglistigen Verhaltens, um das es hier einzig geht - noch hinreichend deutlichen Verweis auf alle von diesem behandelten Vorerkrankungen, zumal die genauen, im Ergebnis stets folgenlosen Diagnosen des Arztes dem ohnedies nur sehr sporadisch und jahrelang gar nicht, wie dem Bericht zu entnehmen, die Sprechstunde aufgesucht habenden Beklagten, dem auch nie Medikamente verordnet worden sind, nicht oder jedenfalls nicht mehr etliche Jahre später unbedingt präsent sein mussten.

56

Gegen eine von der Klägerin zu beweisende, da ihr günstige Arglist des Beklagten (vgl. BGH, VersR 1991, 1404), bewusst und gewollt über unvollständige oder gar falsche Angaben Einfluss auf eine für ihn positive Willensentscheidung der Klägerin nehmen zu wollen, weil sonst womöglich der Vertrag nicht oder nur zu erschwerten Bedingungen abgeschlossen worden wäre, sprechen auch die Kürze, der rein untersuchungsbedingte Zweck der stationären Aufnahme an nur zwei Tagen und die relative Bedeutungslosigkeit der damals untersuchten Symptome, die unstreitig keiner Nachbehandlung oder Medikation bedurften, zumal auch nicht festgestellt noch vorgetragen ist, dass die akuten Erkrankungen des Beklagten, die den streitgegenständlichen Rechnungen aus dem Jahr 2013 zugrunde liegen, in irgendeinem medizinischen Zusammenhang mit den Beschwerden stehen, die im Jahr 2007 Anlass für die stationäre Untersuchung waren.

57

Ein arglistiges Verschweigen des Beklagten kann auch nicht im Hinblick auf die im Antragsformular objektiv unzutreffend verneinte Frage zu Ziffer 6.6 nach Beschwerden, Krankheiten, Krankheits- oder Unfallfolgen in den letzten fünf Jahren angenommen werden, da sich mittelbar aus der im Großen und Ganzen doch noch korrekten Bejahung der vorherigen Frage nach ambulanten oder stationären Untersuchungen in demselben Zeitraum unschwer das Gegenteil ergab und die nicht im Einzelnen angegebenen, allesamt folgenlos gebliebenen Beschwerden auch nicht, jedenfalls subjektiv aus der Sicht des Beklagten, nicht zwingend als im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG erheblich einzustufen waren.

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Schließlich spricht auch noch generell gegen eine Arglist des Beklagten dessen fehlendes Motiv bei der objektiv unzulänglichen bzw. unzutreffenden Beantwortung der Gesundheitsfragen im Antragsformular der Klägerin. Denn für ihn bestand zum damaligen Zeitpunkt bereits eine private Krankheitskostenversicherung bei der D.-Versicherung. Sein Wechsel erfolgte einzig infolge einer Abwerbung durch einen Versicherungsvermittler der Klägerin unter Hinweis auf deren günstigere Prämien. Es bestand für den Beklagten somit kein vernünftiger Anlass, im Zuge des Versichererwechsels Vorerkrankungen arglistig zu verschweigen und sich dergestalt bewusster maßen des erheblichen Risikos einer Beendigung des Krankenversicherungsvertrages durch Anfechtung oder Rücktritt seitens der Klägerin auszusetzen und so Gefahr zu laufen, den existenziell wichtigen Versicherungsschutz unter Umständen ganz zu verlieren.

59

cb) Nichts anderes kann und muss letztlich auch, im Wesentlichen bereits aus den vorstehenden Gründen, gelten für den hilfsweise wegen angeblich vorsätzlicher Verletzung der Anzeigepflicht von der Klägerin erklärten Rücktritt vom Vertrag gemäß den §§ 19 Abs. 1 und 2, 21 Abs. 1 und 3 VVG, da nämlich ausnahmsweise auch hier die Klägerin, abweichend vom Regelfall des § 19 Abs. 2 und 3 VVG, nach § 194 Abs. 1 Satz 4 in Verb. mit § 21 Abs. 3 Satz 2 VVG ein vorsätzliches Handeln des Beklagten in Bezug auf die Ungenauigkeiten bzw. Unstimmigkeiten der Angaben im Antragsformular zu beweisen hat, jedoch wegen der allemal in concreto verbleibenden Zweifel letztlich nicht zu beweisen vermag.

60

Die Monatsfrist zur Geltendmachung des Rücktritts nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VVG zwischen Kenntniserlangung von der Anzeigpflichtverletzung am 11. Februar 2013 und der schriftlichen Geltendmachung am 21. Februar 2013 hat die Klägerin gewahrt.

61

Die in § 194 Abs. 1 Satz 4 VVG für die Krankenversicherung abweichend von der in § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG geltenden fünfjährigen Frist auf drei Jahre abgekürzte und von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist des Versicherers zur Geltendmachung seiner Rechte nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG, die hier seit Abschluss des Krankenversicherungsvertrages im Dezember 2008 und der Rücktrittserklärung der Klägerin im Februar 2013 unzweifelhaft abgelaufen war, verlängert sich gemäß § 21 Abs. 3 Satz 2 VVG nur dann noch auf zehn Jahre, wenn jetzt der Versicherer den ihm günstigen Umstand einer vorsätzlichen oder arglistigen Anzeigepflichtverletzung vonseiten des Versicherungsnehmers nachweist bzw. nachzuweisen vermag. Allein davon kann in Anbetracht aller Umstände, wie bereits aufgezeigt, nicht die Rede sein.

62

Die Annahme einer vorsätzlichen Anzeigepflichtverletzung des Beklagten bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen im Antragsformular vom 05. Dezember 2008 ist, zumal in Abgrenzung zur allemal eher wahrscheinlichen groben Fahrlässigkeit, im vorliegenden Fall mehr als zweifelhaft. Ob der Beklagte sich tatsächlich des Umstandes bewusst war, bezüglich seines Gesundheitszustandes falsche Angaben auf dem Antragsformular zu machen, oder dies auch nur, bedingt vorsätzlich handelnd, in Kauf genommen hat, lässt sich nicht zuverlässig mit einem jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Gewissheitsgrad feststellen. Möglich bleibt oder bliebe auch immer noch ein grob fahrlässiges Verhalten, das sich nicht sonderlich um die Einzelheiten der verschiedenen Fragen schert und alles Weitere gewissermaßen der Recherche der ja über den Hausarzt informierten Versicherung überantworten will. Somit letztlich stets verbleibende und zu einem prozessualen Non liquet führende Zweifel an einer vorsätzlichen Verhaltensweise des Beklagten trägt hier, abweichend von der sonst geltenden Regelung des § 19 Abs. 3 VVG ausnahmsweise nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen die Klägerin, weil nur noch, nach Ablauf der durch § 194 Abs. 1 Satz 4 VVG auf drei Jahre verkürzten Frist des § 21 Abs. 3 Satz 1 VVG, eine vorsätzliche Anzeigepflichtverletzung des Beklagten die für sie günstigere zehnjährige Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 Satz 2 VVG wieder zu eröffnen vermocht hätte.

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d) Die wirksame Aufrechnung des Beklagten bewirkt gemäß § 389 BGB das rückwirkende Erlöschen von Haupt- und Gegenforderungen, soweit sie sich, wie vorhin ausgeführt, decken. Davon sonst mit erfasste Nebenforderungen kommen hier allerdings nicht zum Tragen.

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Da die Gegenforderungen des Beklagten wegen Behandlungs- und Rezeptkosten sämtlich aus dem Jahr 2013 stammen, könnte die Klägerin ungeachtet der sich darauf nicht gemäß § 389 BGB erstreckenden Aufrechnung an sich noch einen Säumniszuschlag oder Verzugszinsen auf ihre zuvor begründete Prämienforderung für den Zeitraum von Dezember 2009 bis Ende November 2012 verlangen.

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Einen Säumniszuschlag von 1 % des Beitragsrückstandes für jeden angefangenen Monat anstelle von Verzugszinsen kann die Klägerin gemäß § 193 Abs. 6 Satz 8 VVG a. F. bzw. § 8 Abs. 6 Satz 5 AVB/KK jedoch nicht verlangen. Denn nach seiner systematischen Stellung bezieht § 193 Abs. 6 Satz 8 VVG a. F. - im Gegensatz zu § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG n. F. - zweifelsfrei die vorangehenden Vorschriften des Absatzes ein, sodass die Regelung nur Anwendung findet, sofern ein Ruhen der Leistung wirksam nach § 193 Abs. 6 Satz 1 bis 4 VVG a. F. festgestellt worden ist, woran es hier, wie nachfolgend unter Ziffer 3 erläutert, mangelt. Eine gegenteilige Regelung zulasten des Versicherungsnehmers ist oder wäre nach § 208 Satz 1 VVG unwirksam.

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Von daher trat auch die besondere Regelung des § 193 Abs. 6 VVG a. F. für den Fall des Beitrittsrückstandes einer Abs. 3 der Vorschrift unterfallenden Krankheitskostenversicherung generell an die Stelle der allgemeinen, einen Verzugszins regelnden Vorschriften des Bürgerlichen Rechts, weshalb der Rückgriff auf eine verzugsabhängige Zinsforderung gemäß den §§ 284 ff. BGB anstelle des Säumniszuschlags ebenfalls ausgeschlossen ist.

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3. Die im Berufungsverfahren erhobene, nicht der Regelung des § 533 ZPO unterfallende und somit auch bei erstmaliger Erhebung in der Berufungsinstanz gemäß § 256 Abs. 2 ZPO in Verb. mit § 525 Satz 1 ZPO statthafte (vgl. BGH, NJW 2007, 82; NJW 1970, 425) Zwischenfeststellungswiderklage des Beklagten ist gleichermaßen zulässig wie begründet.

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Es fehlt nicht an der nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderlichen Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits. Mit der positiven oder wie hier negativen Zwischenfeststellungswiderklage wird es dem Beklagten ermöglicht, neben einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Aufrechnung auch eine solche über nach § 322 Abs. 1 ZPO der Rechtskraft nicht fähige streitige Rechtsverhältnisse herbeizuführen, auf die es für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt. Die begehrte Feststellung muss sich dementsprechend auf einen Gegenstand beziehen, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht. Für eine Zwischenfeststellungswiderklage ist daher kein Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt werden (vgl. BGH, NJW 2007, 82; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., 2014, § 256 Rdnr. 26).

69

Das ist hier indessen nicht der Fall. Zwar hängt der Erfolg der Hauptaufrechnung des Beklagten allein davon ab, ob und inwieweit die geltend gemachten Prämienforderungen der Klägerin infolge der Aufrechnung mit Gegenforderungen in gleicher Höhe erloschen sind. Mit der Entscheidung, dass die Klage abgewiesen wird, weil die Aufrechnung durchgreift, steht rechtskraftfähig fest, dass die Gegenforderung im Umfang der Klageforderung erloschen ist (vgl. Zöller/Greger, § 322 Rdnr. 21 m.w.N.). Der Beklagte berühmt sich allerdings weiterer, über die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen hinausgehender, nicht rechthängiger Gegenforderungen wegen stationärer und ambulanter Heilbehandlungskosten und macht zudem plausibel bzw. einsichtig geltend, dass in Zukunft jederzeit weitere Forderungen zu erwarten oder zu befürchten sind. Insoweit ist die nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderliche Vorgreiflichkeit des dem Anspruch des Beklagten zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gegeben. Denn über die Gesamtheit seiner Gegenforderungen ist nicht erschöpfend und der Rechtskraft fähig bereits im Rahmen der Hauptklage entschieden worden bzw. konnte darüber gar nicht entschieden werden.

70

Für die weiteren Forderungen des Beklagten wegen Heilbehandlungskosten kommt es somit wesentlich auf die Frage des rechtlichen Fortbestandes des Krankenversicherungsvertrages nach Arglistanfechtung und Rücktritt durch die Klägerin an. Der Bestand des Krankenversicherungsvertrages zwischen den Parteien wird allerdings durch die mit Schreiben der Klägerin vom 21. Februar 2013 erklärte Argleistanfechtung und den hilfsweise erklärten Rücktritt vom Vertrag nicht berührt, weil die Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung bzw. eines Rücktritts nicht vorliegen, wozu auf die vorstehenden Ausführungen unter Punkt II 2 c verwiesen werden kann.

71

Darüber hinaus hat der Beklagte in Anbetracht des unzutreffenderweise das Gegenteil festzustellenden Schreibens der Klägerin vom 23. Februar 2009 auch ein besonderes und berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass ein wirksames Ruhen der Leistungen mit den weitreichenden Folgen namentlich des § 193 Abs. 6 Satz 6, 8 und 9 VVG a. F. oder des ähnliche Folgen zeitigenden Wechsels in den Notlagentarif nach § 193 Abs. 7 VVG n. F. in Verb. mit Art. 7 EGVVG nicht eingetreten ist.

72

Der Antrag ist auch deshalb insoweit begründet, weil ein Ruhen der Leistung im vorliegenden Fall nicht eingetreten bzw. nicht wirksam festgestellt worden ist. Denn in ihrer § 193 Abs. 6 Satz 1 VVG a. F. unterfallenden Mahnung vom 23. Februar 2009 hat die Klägerin nicht, wie für ein wirksames Ruhen gemäß § 193 Abs. 6 Satz 4 VVG a. F. vonnöten, auf die Rechtsfolge des vorhergehenden Satzes 3 hingewiesen, wonach das Ruhen der Leistungen erst drei Tage nach Zugang der Mitteilung beim Versicherungsnehmer eintritt, sondern für den Fall des Ablaufs der zweiwöchigen Frist zur Begleichung des Prämienrückstandes lediglich allgemein, und damit unzureichend, auf die Verzugsfolgen aufmerksam gemacht, die nach Ablauf der Zweiwochenfrist auf den Beklagten zukommen würden.

73

Unbeschadet dessen hat der Beklagte auch den Zugang der den Beitragsrückstand bzw. das Procedere nach § 193 Abs. 6 Satz 1 bis 4 VVG a. F. betreffenden Schreiben der Klägerin vom 23. Februar, 16. und 24. März 2009 bestritten, sodass es an dem nach § 193 Abs. 6 Satz 3 VVG a. F. notwendigen Zugang der schriftlichen Mitteilung der Klägerin fehlt und auch aus diesem Grund kein Ruhen der Leistungen aus der Krankheitskostenversicherung eingetreten sein kann.

74

Daher war antragsgemäß festzustellen, dass die streitgegenständliche Krankenversicherung weder durch die mit Schreiben der Klägerin vom 21. Februar 2013 erklärte Anfechtung noch den dort hilfsweise erklärten Rücktritt beendet worden ist und bislang auch kein Ruhen der Leistungen oder des Vertrages eingetreten ist, sondern die abgeschlossene Krankenversicherung uneingeschränkt fortbesteht.

III.

75

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

76

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils entspricht den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO.

IV.

77

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nicht ersichtlich. Weder hat die maßgeblich von den Besonderheiten des Einzelfalles geprägte Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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