Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 8 U 518/08 - 142

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 7.10.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 8 O 155/08 – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 16.10.2007 (Az.: 07-0760157-0-5) wird in Höhe der Hauptforderung von 8.180,67 EUR nebst 10% Zinsen hieraus für die Zeit vom 15.1.2001 bis zum 15.11.2006 aufrechterhalten. Im Übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Der am 17.3.2001 verstorbene Vater des Beklagten, der von dem Beklagten allein beerbt wurde, traf mit seiner Lebensgefährtin, der Zeugin T., am 15.1.2001 eine privatschriftliche Vereinbarung (GA 121), derzufolge er bestätigte, von Frau T. am 21.12.2000 ein Darlehen in Höhe von 3.000,-- DM und am 11.1.2001 ein solches in Höhe von 13.000,-- DM (insgesamt: 16.000,-- DM) erhalten zu haben. Weiter heißt es in der Vereinbarung, dass die Rückzahlung des Darlehens erst nach Ablauf von 10 Jahren ab dieser Vereinbarung mit einer monatlichen Rate in Höhe von 360,-- DM beginne und das Darlehen mit 10% p. a. zu verzinsen sei.

Mit Schreiben vom 25.11.2006 (GA 122) und vom 16.1.2007 (GA 130) kündigte die Zeugin T. das Darlehen gegenüber dem Beklagten fristlos.

Der Kläger hat behauptet, die Zeugin T. habe ihren Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung des Darlehens am 15.8.2007 an ihn abgetreten. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung des Darlehens sei gemäß § 490 Abs. 1 BGB und gemäß § 314 BGB wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse und sich abzeichnender Zahlungsunfähigkeit des Beklagten gerechtfertigt.

Auf Antrag des Klägers hat das Amtsgericht Uelzen am 7.9.2007 einen Mahnbescheid (Az.: 07-0760157-0-5) erlassen, der dem Beklagten am 12.9.2007 unter der Anschrift , , der Wohnanschrift der Zeugin T. und damaligen Meldeadresse des Beklagten, unter der dieser jedoch seit Anfang des Jahres 2001 nicht mehr wohnte, im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden ist. Nachdem gegen den Mahnbescheid kein Widerspruch erhoben worden war, hat das Amtsgericht Uelzen am 16.10.2007 einen Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung in Höhe von 8.180,67 EUR (= 16.000,-- DM) nebst 10% Zinsen hieraus seit dem 15.1.2001 und nebst weiteren Nebenforderungen erlassen. Dieser Vollstreckungsbescheid ist dem Beklagten am 18.10.2007 unter derselben Anschrift wie der Mahnbescheid im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt worden. Gegen den Vollstreckungsbescheid hat der Beklagte mit am 23.1.2008 beim Amtsgericht Uelzen eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom selben Tag Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid sei verspätet. Dessen Zustellung unter der Meldeadresse des Beklagten sei wirksam. Zudem sei zwischen der Zeugin T. und dem Beklagten eine mündliche Vereinbarung getroffen worden, wonach die Zeugin T. die Post des Beklagten sammle und lagere. Von dem Vollstreckungsbescheid hätten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten bereits am 19.12.2007 Kenntnis erlangt.

Der Kläger hat erstinstanzlich den Antrag aus dem Mahnbescheid gestellt.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid sei rechtzeitig erfolgt, da dieser ihm nicht wirksam zugestellt worden sei und seine Prozessbevollmächtigten erstmals am 11.1.2008 durch einen von dem Amtsgericht Uelzen übersandten Aktenausdruck aus der Mahnakte Kenntnis von dem Vollstreckungsbescheid erlangt hätten. Die von der Zeugin T. ausgesprochene fristlose Kündigung des Darlehensvertrags hat er für unwirksam erachtet, da die Rückzahlung des Darlehens durch das unstreitig im Eigentum des Beklagten stehende Grundstück in der in ausreichend gesichert sei.

Durch das angefochtene Urteil (GA 249 - 253), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Beklagten nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur Zahlung von 8.180,67 EUR nebst 10% Zinsen seit dem 15.1.2001 und Nebenforderungen in Höhe von 48,50 EUR verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens, dessen Abtretung an den Kläger durch die glaubhafte Aussage der Zeugin T. sowie die Urkunde vom 15.8.2007 (GA 148) bewiesen sei, sei gemäß § 488 BGB aufgrund der wirksamen Kündigung vom 16.1.2007 zur Rückzahlung fällig. Die Kündigung sei nach § 490 Abs. 1 BGB gerechtfertigt, weil sich die Vermögensverhältnisse des Beklagten verschlechtert hätten und hierdurch die Rückzahlung des Darlehens gefährdet sei. Eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Beklagten sei dadurch eingetreten, dass er nicht in der Lage sei, seine Verbindlichkeiten gegenüber der , seinen früheren Rechtsanwälten und gegenüber seiner Schwester aus einem mit dieser geschlossenen gerichtlichen Vergleich zu befriedigen, und die sowie die früheren Rechtsanwälte des Beklagten mittlerweile die Zwangsvollstreckung in das allein verwertbare Vermögen des Beklagten, das Grundstück in der in , betrieben. Hinzu komme, dass das Einkommen des Beklagten, das dieser auch nicht regelmäßig beziehe, unter der Pfändungsfreigrenze liege, am 13.8.2008 erfolglos eine Pfändung bei dem Beklagten durchgeführt worden sei und dieser am 29.8.2008 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Da für den streitgegenständlichen Darlehensrückzahlungsanspruch keine Sicherheit bestellt worden sei, komme es auf die Werthaltigkeit von Sicherheiten nicht an.

Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 10.10.2008 zugestellt worden (GA 254). Mit am 10.11.2008 bei dem Saarländischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag haben die Prozessbevollmächtigten des Beklagten unter Beifügung einer Erklärung über dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse sowie eines Entwurfs der Berufungsbegründung beantragt, dem Beklagten für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen (GA 279 ff.). Mit Beschluss vom 9.7.2009 (GA 294 ff.), der den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 16.7.2009 zugestellt worden ist (GA 316), hat der Senat dem Beklagten für das beabsichtigte Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt. Mit am 16.7.2009 vorab per Telefax beim Saarländischen Oberlandesgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom selben Tag hat der Beklagte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt und diese begründet sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung beantragt.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage mit der Maßgabe weiter, dass auch der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 16.10.2007 aufgehoben werden soll. Er macht geltend, das Landgericht habe übersehen, dass er die Echtheit der Unterschrift seines Vaters auf der Vereinbarung vom 15.1.2001 bestritten habe. Zudem habe das Landgericht die Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB zu Unrecht bejaht. Die Rückerstattung des Darlehens sei durch die Möglichkeit der Verwertung der Sicherheiten in dem das Grundstück des Beklagten betreffenden Zwangsversteigerungsverfahren nicht gefährdet.

Der Beklagte beantragt (GA 306 f., 329),

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 16.10.2007, Az: 07-0760157-0-5, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt (GA 323, 329),

die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 16.10.2007 (Az.: 07-0760157-0-5) hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe von 8.180,67 EUR nebst 10% Zinsen hieraus seit dem 15.1.2001 aufrechterhalten und im Übrigen aufgehoben wird.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seiner früheren Argumente entgegen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 29.10.2009 (GA 329 - 331) Bezug genommen.

B.

I.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft sowie gemäß den §§ 513, 519 und 520 Abs. 3 ZPO formgerecht eingelegt und begründet worden. Zwar sind die Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung (§§ 517, 520 Abs. 2 ZPO) versäumt. Insoweit ist dem Beklagten jedoch auf seinen form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten, mithin zulässigen Antrag (§ 234 Abs. 1, Abs. 2, § 236 ZPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn der Beklagte war ohne Verschulden gehindert, die Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung einzuhalten. Die Versäumung einer Frist durch eine Partei ist unverschuldet, wenn die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung wegen des wirtschaftlichen Unvermögens der Partei (Mittellosigkeit) unterbleibt und sie innerhalb der versäumten Frist einen vollständigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen bei dem zuständigen Gericht einreicht (vgl. BGH BGHReport 2005, 1614, 1615; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 234 Rn. 8; MünchKomm.ZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rdnr. 43 ff.; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 233 Rdnr. 23 Stichwort „Prozesskostenhilfe“). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Beklagte ist – wie sich aus dem von seinen Prozessbevollmächtigten innerhalb der Berufungsfrist zu den Akten gereichten (vollständigen) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergibt – finanziell nicht dazu in der Lage, die Kosten des von ihm beabsichtigten Berufungsverfahrens allein zu tragen. Nachdem der Beklagte nach Ablauf der Berufungsfrist und Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Senat Berufung eingelegt und diese begründet hat, ist ohne weiteres davon auszugehen, dass sein wirtschaftliches Unvermögen für die Fristversäumung kausal war.

II.

In der Sache hat die Berufung des Beklagten lediglich in geringfügigem Umfang – nämlich soweit infolge einer (versehentlichen) Nichtberücksichtigung des vorangegangenen Vollstreckungsbescheids eine nochmalige Verurteilung des Beklagten erfolgt ist sowie hinsichtlich eines Teils der in dem Vollstreckungsbescheid zugesprochenen Zinsen und der weiteren Nebenforderungen in Höhe von 48,50 EUR – Erfolg. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 16.10.2007 ist hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe von 8.180,67 EUR nebst 10% Zinsen hieraus für die Zeit vom 15.1.2001 bis zum 15.11.2006 aufrechtzuerhalten. Im Übrigen ist er aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1. Das Landgericht hat – ebenso wie die Parteien bei den von ihnen erstinstanzlich gestellten Anträgen – nicht berücksichtigt, dass gegen den Beklagten bereits am 16.10.2007 ein diesem am 18.10.2007 zugestellter Vollstreckungsbescheid erlassen worden ist. Gemäß § 700 Abs. 1 ZPO steht der Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. Aufgrund des Einspruchs des Beklagten vom 23.1.2008 gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 16.10.2007 ist der Prozess in die Lage vor Erlass des Vollstreckungsbescheids zurückversetzt worden (§ 342 ZPO i. V. mit § 700 Abs. 1 ZPO). Der Einspruch ist zulässig (§§ 338 ff. ZPO i. V. mit § 700 Abs. 1 ZPO). Insbesondere ist er fristgerecht eingelegt worden, da die zweiwöchige Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 1 ZPO i. V. mit § 700 Abs. 1 ZPO) mangels wirksamer Zustellung des Vollstreckungsbescheids nicht in Gang gesetzt worden ist.

a) Die hier gewählte Form der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten nach § 180 ZPO setzt voraus, dass das zuzustellende Schriftstück in einen zu der Wohnung des Zustellungsadressaten gehörenden Briefkasten eingelegt worden ist. Für den Begriff der Wohnung kommt es nicht auf den Wohnsitz i. S. des § 7 BGB sowie darauf an, ob der Adressat dort polizeilich gemeldet ist (vgl. Zöller/Stöber, a. a. O., § 178 Rdnr. 4). Zur Wohnung gehören vielmehr die Räume, in denen der Zustellungsadressat zur Zeit der Zustellung tatsächlich lebt und insbesondere schläft (vgl. BGH NJW-RR 2005, 415 f. Rdnr. 14, zit. nach juris; Zöller/Stöber, a. a. O.). Steht fest, dass dies nicht mehr der Fall ist, so kommt weder der Nichtanzeige des Umzugs bei der Meldebehörde und/oder der unterbliebenen Beseitigung des Namenschildes an der alten Wohnung noch der Möglichkeit, sie weiterhin aufzusuchen und die dort eingegangene Post zur Kenntnis zu nehmen, als bloßen Indiztatsachen eine entscheidende Bedeutung zu (vgl. BGH, a. a. O.).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die erfolgte Ersatzzustellung des Vollstreckungsbescheids unwirksam, da der Beklagte unstreitig seit Beginn des Jahres 2001 unter der Zustelladresse in nicht mehr gelebt und geschlafen, also gewohnt hat. Den von dem Kläger hiergegen angeführten Indiztatsachen, der Beklagte sei dort weiterhin polizeilich gemeldet gewesen, auf dem Briefkasten sei sein Namensschild noch befestigt gewesen und er habe immer noch einen Haustürschlüssel gehabt, kommt vor diesem Hintergrund – wie ausgeführt – keine entscheidende Bedeutung zu. Nichts anderes gilt hinsichtlich der von dem Beklagten bestrittenen Behauptung, zwischen ihm und der Zeugin T. sei mündlich vereinbart gewesen, dass die Zeugin T. die bei ihr eingehende Post des Beklagten sammle und lagere. Hierdurch ist die Zustelladresse nicht zur Wohnung des Beklagten geworden.

c) Eine wirksame Zustellung läge im Übrigen selbst dann nicht vor, wenn der Beklagte noch unter der Zustelladresse gewohnt hätte. In diesem Fall hätte es sich – wie sich aus dem Vorbringen des Klägers, auf „dem“ Briefkasten sei noch ein Namensschild des Beklagten befestigt, ergibt – um einen gemeinschaftlichen Briefkasten des Beklagten sowie der Zeugin T. gehandelt. Eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den gemeinsamen Briefkasten ist in entsprechender Anwendung des § 178 Abs. 2 ZPO unwirksam, soweit es sich um Zustellung von Schriftstücken unter Prozessgegnern handelt (vgl. OLG Nürnberg NJW-RR 2004, 1517 f. Rdnr. 4, zit. nach juris; Zöller/Stöber, a. a. O., § 180 Rdnr. 3). Zwar ist die Zeugin T. im vorliegenden Rechtsstreit nicht Prozessgegnerin des Beklagten. Allerdings macht der Kläger einen Anspruch aus abgetretenem Recht der Zeugin T. geltend. Dies rechtfertigt es, eine Ersatzzustellung auch im Falle des Einlegens in einen von dem Beklagten und der Zeugin T. gemeinsam genutzten Briefkasten als unwirksam anzusehen. Der Sinn und Zweck des § 178 Abs. 2 ZPO besteht darin, die aufgrund der Interessenkollision bestehende Gefahr, dass der Zustellungsgegner das zuzustellende Schriftstück nicht erhält, von vornherein auszuschließen (vgl. Zöller/Stöber, a. a. O., § 178 Rdnr. 22). Die Bestimmung ist daher unter Berücksichtigung ihres Schutzzwecks weit auszulegen und umfasst über ihren Wortlaut hinaus auch Zustellungen, bei denen eine konkrete Interessenkollision besteht, etwa die Zustellung an Personen, die dem Gegner des Rechtsstreits nahe stehen (vgl. Zöller/Stöber, a. a. O., § 178 Rdnr. 23 f.). Dies trifft auch im Falle einer Ersatzzustellung durch Einlegen in einen Briefkasten, der von dem Zustellungsadressaten und demjenigen, der die im Streit stehende Forderung an den Prozessgegner abgetreten hat, gemeinsam genutzt wird, jedenfalls dann zu, wenn – wie hier – ein Grund für die erfolgte Abtretung nicht ersichtlich ist. In einem solchen Fall ist von einer den Belangen des Zustellungsadressaten entgegenstehenden Kollision zwischen den Interessen des Zustellungsadressaten einerseits und des Zedenten andererseits auszugehen, die eine wirksame Ersatzzustellung nach § 180 ZPO ausschließt.

d) Der Zustellungsmangel ist auch nicht nach § 189 ZPO geheilt worden.

aa) Nach dieser Bestimmung gilt ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Adressat das Dokument tatsächlich erhalten („in die Hand bekommen“) und somit die Möglichkeit erlangt hat, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH WM 2001, 1124 ff. Rdnr. 21, zit. nach juris; Zöller/Stöber, a. a. O., § 189 Rdnr. 4).

bb) Diese Voraussetzungen sind nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien bis heute nicht erfüllt. Weder der Kläger noch der Beklagte hat behauptet, dass der am 18.10.2007 zugestellte Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 16.10.2007 zu einem späteren Zeitpunkt in die Hände des Beklagten oder nach deren Bevollmächtigung in die Hände seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten gelangt sei. Dass die Prozessbevollmächtigten des Beklagten dem Vorbringen des Klägers zufolge bereits am 19.12.2007 (bei dem in dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 8.4.2008, Seite 4 = GA 118, genannten Datum „19.12.2008“ handelt es sich um ein offenkundiges Versehen) Kenntnis von der Existenz eines Vollstreckungsbescheids gegen den Beklagten erlangt haben, genügt ebenso wenig wie der von den Prozessbevollmächtigen des Beklagten selbst vorgetragene Umstand, sie hätten am 11.1.2008 durch Übersendung eines Aktenausdrucks aus der Mahnakte durch das Amtsgericht Uelzen erstmals Kenntnis von dem Vollstreckungsbescheid erlangt (vgl. BayObLG NJW 2004, 3722 f. Rdnr. 9, zit. nach juris; Zöller/Stöber, a. a. O., § 189 Rdnr. 4).

2. In der Sache führt der zulässige Einspruch dazu, dass der Vollstreckungsbescheid – unter seiner Aufhebung und Abweisung der Klage im Übrigen – hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe von 8.180,67 EUR nebst 10% Zinsen hieraus für die Zeit vom 15.1.2001 bis zum 15.11.2006 aufrechtzuerhalten ist.

a) Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht der Zeugin T. (§ 398 BGB) gemäß 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Darlehensrückerstattungsanspruch in Höhe von 8.180,67 EUR (= 16.000,-- DM) zu, für den der Beklagte als Erbe seines Vaters gemäß § 1967 Abs. 1 BGB einzustehen hat.

aa) Nach dem unstreitigen Vorbringen des Klägers (vgl. Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 8.4.2008, Seite 2 = GA 116) gewährte die Zeugin T. dem Vater des Beklagten am 21.12.2000 ein Darlehen in Höhe von 3.000,-- DM und am 11.1.2001 ein solches in Höhe von 13.000,-- DM. Ausweislich des unstreitigen Teils des Tatbestands des angefochtenen Urteils trafen die Zeugin T. und der Vater des Beklagten hierüber am 15.1.2001 eine Vereinbarung, wonach der Vater des Beklagten bestätigte, die Darlehen erhalten zu haben, diese nach Ablauf von 10 Jahren zurückzuzahlen und mit 10% p. a. zu verzinsen sind.

(1) Nach § 314 ZPO liefert der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Die Beweiswirkung erstreckt sich auch darauf, ob eine bestimmte Behauptung bestritten ist oder nicht (vgl. BGH BGHReport 2005, 1618). Der Beweis durch den Urteilstatbestand kann nur durch das Sitzungsprotokoll, nicht aber durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden, so das bei einem Widerspruch zwischen dem Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und der Wiedergabe des Parteivorbringens im Urteilstatbestand die Ausführungen im Tatbestand maßgeblich sind (vgl. BGH BGHReport 2005, 1618).

(2) Demnach ist, da es an einer Entkräftung durch die erstinstanzlichen Sitzungsprotokolle fehlt, davon auszugehen, dass die Zeugin T. mit dem Vater des Beklagten am 15.1.2001 unstreitig eine Vereinbarung des vorstehend geschilderten Inhalts traf. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass die Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit Schriftsatz vom 11.3.2008 (Seite 5 = GA 77) vorsorglich die Echtheit der Unterschrift des Vaters des Beklagten auf der Vereinbarung vom 15.1.2001 bestritten haben. Selbst wenn hierin zugleich ein Bestreiten des Zustandekommens der Vereinbarung vom 15.1.2001 zwischen der Zeugin T. und dem Vater des Beklagten zu sehen sein sollte, wäre dieses Bestreiten – wie ausgeführt – durch den Tatbestand des angefochtenen Urteils, der für das Vorbringen am Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung Beweis erbringt, überholt. Da eine unstreitige Behauptung keines Beweises bedarf, ist die Echtheit der Unterschrift des Vaters unter der Urkunde vom 15.1.2001 nicht relevant. Keiner Würdigung bedarf daher auch der Umstand, dass die Prozessbevollmächtigten des Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 11.3.2008 (Seite 5, Absätze 1 bis 5) selbst vom Zustandekommen der Vereinbarung vom 15.1.2001 ausgegangen sind und dies auch in dem vom Senat mit Urteil vom 23.7.2009 (8 U 338/08 - 95 -) entschiedenen Rechtsstreit zwischen den Parteien unstreitig war.

bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass jedenfalls die von der Zeugin T. mit Schreiben vom 16.1.2007 ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrags nach § 490 Abs. 1 BGB gerechtfertigt sei.

(1) Nach dieser Bestimmung kann der Darlehensgeber den Darlehensvertrag nach Auszahlung des Darlehens in der Regel fristlos kündigen, wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückerstattung des Darlehens gefährdet wird. Der Begriff der Vermögensverhältnisse umfasst die gesamte wirtschaftliche und finanzielle Situation des Darlehensnehmers (vgl. MünchKomm.BGB/Berger, 4. Aufl., § 490 Rdnr. 4). Eine Verschlechterung kann etwa vorliegen, wenn die Zwangsvollstreckung gegen den Darlehensnehmer eingeleitet wird oder er zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO vorgeladen wird (vgl. BGH NJW-RR 1988, 1449 f. Rdnr. 2 ff., zit. nach juris; MünchKomm./Berger, a. a. O., § 490 Rdnr. 5). Da bereits der drohende Eintritt einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse ausreicht, ist der Darlehensgeber nicht gezwungen, den tatsächlichen Eintritt der Vermögensverschlechterung abzuwarten. Vielmehr kann er bereits dann kündigen, wenn sich die Vermögensverschlechterung und die daraus resultierende Gefährdung der Rückzahlung des Darlehens aufgrund objektiv verifizierbarer Indizien sichtbar abzeichnen (vgl. MünchKomm.BGB/Berger, a. a. O., § 490 Rdnr. 7).

(2) Diese Voraussetzungen lagen nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen sowie dem weiteren, sich aus den Akten ergebenden unstreitigen Sachvortrag der Parteien zum Zeitpunkt der Kündigung vor. Danach haben sich die Vermögensverhältnisse des Beklagten gegenüber denjenigen seines Vaters bei Darlehensgewährung zum Kündigungszeitpunkt in einer den Rückerstattungsanspruch bei dessen Fälligkeit im Januar 2011 gefährdenden Weise nachhaltig verschlechtert. Der Beklagte verfügte im Gegensatz zu seinem Vater lediglich über ein unregelmäßiges, unterhalb der Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO liegendes Einkommen. Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Pflichtteilsberechtigten S. D. aus einem gerichtlichen Vergleich vom 3.3.2005 in Höhe von 58.000,-- EUR vermochte der Beklagte ebenso wenig zu erfüllen wie Zahlungsansprüche seiner früheren Rechtsanwälte in Höhe von rund 10.000,-- EUR und der in Höhe von 30.677,51 EUR, weshalb inzwischen sowohl die Rechtsanwälte als auch die die Zwangsversteigerung in den einzigen verwertbaren Vermögensgegenstand des Beklagten, das Grundstück in der in , betreiben. Zum Kündigungszeitpunkt konnte daher nicht damit gerechnet werden, dass der Beklagte bei Eintritt der vertraglich vereinbarten Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs im Januar 2011 zur Zahlung der vereinbarten monatlichen Raten in Höhe von 184,07 EUR (= 360,-- DM) in der Lage sein würde.

(3) Zwar folgt daraus, dass der Darlehensgeber den Darlehensvertrag nach Valutierung nur in der Regel fristlos kündigen kann, dass im Einzelfall unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage Ausnahmen möglich sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn es sich nur um eine vorübergehende Vermögensverschlechterung handelt (vgl. OLG Düsseldorf MDR 2006, 919 Rdnr. 18 f.; MünchKomm.BGB/Berger, a. a. O., § 490 Rdnr. 17). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr war angesichts der Häufung der von dem Beklagten nicht erfüllten Verbindlichkeiten sowie der inzwischen eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von einer nicht nur vorübergehenden Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse auszugehen, so dass es der Zeugin T. nicht zumutbar war, dem Beklagten das Darlehen weiterhin zu belassen.

(4) Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es auch nicht darauf an, ob nach Beendigung der eingeleiteten Zwangsversteigerung des ihm gehörenden Grundstücks unter Berücksichtigung der vorrangigen Befriedigung der Grundpfandrechtsgläubiger mit einem Erlös zu rechnen ist, der zur Befriedigung auch des Darlehensrückzahlungsanspruchs des Klägers ausreicht. Dies wäre lediglich dann entscheidend, wenn der Rückerstattungsanspruch des Klägers durch ein Grundpfandrecht an dem dem Beklagten gehörenden Grundstück ausreichend gesichert wäre. Denn eine werthaltige Sicherheit schließt eine Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs aus (vgl. MünchKomm.BGB/Berger, a. a. O., § 490 Rdnr. 9). Daran fehlt es hier. Die Zeugin T. gewährte dem Vater des Beklagten das Darlehen nämlich ohne Gestellung einer Sicherheit.

cc) Das Landgericht hat für bewiesen erachtet, dass die Zeugin T. den ihr gegen den Beklagten zustehenden Rückerstattungsanspruch an den Kläger abgetreten hat. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird mit der Berufung auch nicht angegriffen.

b) Die geltend gemachten Zinsen in Höhe von 10% p. a. sind allerdings nur für die Zeit vom 15.1.2001 bis zum 15.11.2006 gerechtfertigt. Denn ausweislich der von der Zeugin T. in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 27.5.2008 überreichten Abtretungserklärung (GA 148) hat diese die Zinsforderung nur für diesen Zeitraum an den Kläger abgetreten. Da dieser Zeitraum vor Ausspruch der ersten Kündigung des Darlehensvertrags vom 25.11.2006 endet, kommt es nicht darauf an, ob für die Zeit nach Beendigung des Darlehensvertrags der bisherige Vertragszins als Schadensersatz verlangt werden könnte (vgl. hierzu BGH NJW 2000, 1408 f. Rdnr. 11 f., zit. nach juris; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 246 Rdnr. 12; Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 488 Rdnr. 20).

c) Soweit in dem Vollstreckungsbescheid Nebenforderungen in Höhe von 48,50 EUR zuerkannt worden sind, werden diese von dem Kläger in der Berufungsinstanz ausweislich des gestellten Antrags nicht mehr weiterverfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Einer gesonderten Kostenentscheidung gemäß § 238 Abs. 4, § 344 ZPO i. V. mit § 700 Abs. 1 ZPO bedurfte es nicht, da der Beklagte die übrigen Kosten des Rechtsstreits ohnehin in vollem Umfang zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen fehlt (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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