Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 5 K 28261/19
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Polizeipräsidiums E1. vom 13. Juni 2019 verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag des Klägers vom 00.00.0000 auf Übernahme des Schmerzensgeldes in Höhe von 400,00 Euro zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger steht als Polizeivollzugsbeamter in den Diensten des Beklagten.
3Am 00.00.0000 wurde der Kläger bei Ausübung seines Dienstes durch den am 00.00.0000 verstorbenen Herrn P. T. verletzt. Dieser trat den Kläger und schlug mehrfach mit den Fäusten auf dessen Kopf ein. Der Kläger erlitt eine Schädelprellung mit zwei Prellmarken und Schwellungen sowie eine Knieprellung.
4Mit Schreiben vom 00.00.0000 forderte der Kläger von Herrn T. die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 400,00 Euro. Mangels Reaktion des Herrn T. beantragte der Kläger bei dem Amtsgericht I1. – 17-1819783-0-2 – den Erlass eines Mahnbescheids, der unter dem 00.00.0000 erging. Am 00.00.0000 erließ das Amtsgericht I1. einen am 00.00.0000 zugestellten Vollstreckungsbescheid. In der Folgezeit führte der Kläger einen Vollstreckungsversuch durch, der erfolglos blieb.
5Mit Schreiben vom 20. Juni 2018 beantragte der Kläger beim Polizeipräsidium E1. die Übernahme des Schmerzensgeldes durch den Dienstherrn.
6Zum 00.00.0000 wurde der Kläger vom Polizeipräsidium E1. zum Polizeipräsidium N. versetzt.
7Mit mittels Schreiben vom 11. September 2019 übermitteltem Bescheid vom 13. Juni 2019 lehnte das Polizeipräsidium E1. den Antrag des Klägers auf Zahlung von Schmerzensgeld ab. Zur Begründung führte es aus, dass ein Vollstreckungsbescheid einem Endurteil nicht gleichgestellt werden könne.
8Der Kläger hat am 00.00.0000 Klage zum Verwaltungsgericht E1. erhoben, welches das Verfahren mit Beschluss vom 12. November 2019 – 23 K 7653/19 – an das erkennende Gericht verwiesen hat. Er ist der Ansicht, der Bescheid sei durch eine unzuständige Behörde ergangen. Zudem habe er Anspruch auf Übernahme des Schmerzensgeldes durch den Beklagten. Ein rechtskräftiger Vollstreckungsbescheid sei von einem rechtskräftigen Endurteil umfasst. Der Vollstreckungsbescheid stehe einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. Ein Versäumnisurteil sei ein Endurteil. Der Gefahr des Missbrauchs werde durch die Ermessensvorschrift des § 82a LBG NRW begegnet. Die Geltendmachung eines Schmerzensgeldes durch Mahn- und Vollstreckungsbescheid sei zudem die kostengünstigste Variante, einen entsprechenden Titel zu erwirken. Nur hierfür stehe auch der Dienstherr ein (vgl. Runderlass des Innenministeriums – 24-1.42-2/08 – und des Finanzministeriums – IV-B 1110-85.4-IV A 2 – vom 7. Juli 2008).
9Der Kläger beantragt,
10den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Polizeipräsidiums E1. vom 13. Juni 2019 zu verpflichten, in Bezug auf die Übernahme des Schmerzensgeldes aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts I1. gegen P. T. eine neue Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen.
11Der Beklagte beantragt unter Vertiefung der Begründung im streitgegenständlichen Bescheid,
12die Klage abzuweisen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des vom Amtsgericht I1. in der Mahnsache 17-1819783-0-2 vorgelegten Aktenauszugs und des vorgelegten Verwaltungsvorgangs verwiesen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15I. Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
161. Die Klage ist zulässig.
17a) Die auf Neubescheidung gerichtete Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO statthaft. Das Begehren des Klägers ist nicht auf ein Realhandeln, die Zahlung von Geld, sondern auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet, über den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW erneut zu entscheiden. Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Wendungen „Die Entscheidung trifft…“ in § 82a Abs. 3 Satz 4 LBG NRW und „Der Dienstherr kann Leistungen… ablehnen…“ in § 82a Abs. 2 LBG NRW.
18Ungeachtet der Frage, ob zulässigerweise allein ein Bescheidungsbegehren im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO erhoben werden könnte, steht es dem Kläger aufgrund seiner Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand jedenfalls frei, lediglich eine Bescheidung und nicht unmittelbar die Verpflichtung zu beantragen.
19Vgl. die Nachweise in BVerwG, Urteil vom 31. März 2004 – 6 C 11.03 -, juris, Rn. 43.
20b) Vor Erhebung der Klage bedurfte es nicht der erfolglosen Durchführung eines Vorverfahrens.
21Nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 VwGO i. V. m. § 103 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW findet für Klagen der Beamtinnen und Beamten, Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen und Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis ein Widerspruchsverfahren nicht statt. Dies gilt nach § 103 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW nicht für Maßnahmen, denen die Bewertung einer Leistung im Rahmen einer berufsbezogenen Prüfung zugrunde liegt, sowie für Maßnahmen in besoldungs-, versorgungs-, beihilfe-, heilfürsorge-, reisekosten-, trennungsentschädigungs- und umzugskostenrechtlichen Angelegenheiten. Anlass für den Gesetzgeber für die Herausnahme von Maßnahmen in letzteren Angelegenheiten vom grundsätzlichen Ausschluss des Widerspruchsverfahrens war die Eröffnung eines schnellen und kostengünstigen Rechtsbehelfs für diese Gegenstände der Massenverwaltung, die mit einer gewissen systemimmanenten Fehleranfälligkeit verbunden sind.
22Vgl. Schrapper/Günther, Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage 2017, § 103 Rn. 2.
23Vor diesem Hintergrund liegt dem Bescheid vom 13. Juni 2019 kein eine Ausnahme nach § 103 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW begründender Sachverhalt zugrunde. Es liegt insbesondere keine versorgungsrechtliche Angelegenheit vor. § 82a LBG NRW stellt nach der Gesetzesbegründung eine Ergänzung zu dem bereits im Rahmen der Unfallfürsorge bestehenden umfassenden Ausgleich für besonders gelagerte Fälle dar.
24Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drucks. 16/13702, 122.
25Dies macht § 82a LBG NRW jedoch nicht selbst zu einer Regelung der Unfallfürsorge. Die Norm, die der Gesetzgeber in das Landesbeamtengesetz und nicht in das Landesbeamtenversorgungsgesetz eingefügt hat, stellt eine sonstige Leistung des Dienstherrn mit Fürsorgecharakter dar, die weder zur Besoldung noch zur Versorgung gehört, vgl. § 79 Abs. 1 und 2 LBG NRW.
26Vgl. Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 82a LBG NRW, Rn. 22; zum Fürsorgecharakter vgl. auch Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 16/13702, 122.
27§ 82a LBG NRW erfasst auch keine Sachverhalte, die Gegenstände der Massenverwaltung sind. Vielmehr ist die Norm schon ausweislich der Gesetzesbegründung als Sondertatbestand für Einzelfälle konzipiert, in denen Beamtinnen und Beamte in einem dienstlichen Zusammenhang einen Schaden erleiden, die Regelungen der Unfallfürsorge als Ausgleich für die eingetretenen materiellen und immateriellen Schäden nicht ausreichen und die Uneinbringlichkeit des Schmerzensgeldes wegen Vermögenslosigkeit des Schädigers zu einer unbilligen Härte führt.
28Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 16/13702, S. 122; zum Vorstehenden insgesamt auch bereits VG N. , Urteil vom 9. Januar 2020 – 5 K 408/19 -, S. 4 – 6 des Urteilsabdrucks.
29c) Das erkennende Gericht ist schon aufgrund des bindenden Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts E1. vom 12. November 2019 – 23 K 7653/19- gemäß § 83 Satz 2 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG örtlich zuständig.
302. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der Kläger hat Anspruch auf die – allein geltend gemachte – erneute Bescheidung seines Begehrens auf Übernahme des gegenüber Herrn T. titulierten Schmerzensgeldanspruchs durch den Beklagten.
31a) Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 82a Abs. 1 LBG NRW. Hiernach soll der Dienstherr, wenn eine Dritte oder ein Dritter durch rechtskräftiges Endurteil eines deutschen Gerichts verurteilt wird, an eine Beamtin oder einen Beamten wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) zu zahlen, diese Entschädigung auf Antrag ganz oder teilweise bewirken, sofern der Schaden entstanden ist, weil die Dritte oder der Dritte den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung der Beamtin oder des Beamten schuldhaft und im dienstlichen Zusammenhang verletzt hat (Nr. 1), trotz des Versuchs der Vollstreckung in das Vermögen der oder des Dritten die Schmerzensgeldforderung der Beamtin oder des Beamten noch in Höhe von mindestens 250 Euro besteht (Nr. 2), dem Endurteil kein Verfahren nach §§ 592 bis 600 der Zivilprozessordnung zugrunde liegt (Nr. 3) und dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist (Nr. 4).
32aa) § 82a LBG NRW findet auf den vorliegenden Fall Anwendung, auch wenn das den Schmerzensgeldanspruch begründende schädigende Ereignis bereits am 1. Dezember 2016 stattfand. Die Norm wurde erst mit Wirkung vom 22. April 2017 durch Art. 7 des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung bei Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 7. April 2017 (GV. NRW. S. 414) in das Landesbeamtengesetz NRW eingeführt und trat am 22. April 2017 in Kraft (Art. 16 Abs. 5 des Gesetzes). Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Anspruchs nach § 82a Abs. 1 LBG NRW, der Erlass eines rechtskräftigen Endurteils bzw. hier eines rechtskräftigen Vollstreckungsbescheids (05. Mai 2017), sind erst nach diesem Zeitpunkt entstanden.
33Unabhängig hiervon wäre § 82a LBG NRW nach der gesetzgeberischen Intention auch dann anwendbar, wenn auf die Frage abzustellen wäre, dass der Schmerzensgeldanspruch vor dem Inkrafttreten der Norm entstanden ist. Dem Willen des nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers entsprechend sollen auch solche Schmerzensgeldansprüche vorbehaltlich der Wahrung der Ausschlussfrist gegenüber dem Dienstherrn geltend gemacht werden können.
34Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 16/13702, 122; BeckOK, BeamtenR NRW, Stand 1. Oktober 2019, LBG NRW, § 82a Rn. 2.
35Eine Übertragung der zu Art. 97 BayBG ergangenen (abweichenden) Rechtsprechung vgl. VG Regensburg, Urteil vom 20. Juli 2016 – RO 1 K 16.690 -, juris, Rn. 33 ff., scheidet aus, da diese Norm anders als Art. 82a LBG NRW schon anspruchsbegründend an den „tätlichen rechtswidrigen Angriff“ anknüpft und vergleichbare Äußerungen des Gesetzgebers nicht vorliegen.
36§ 82a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBG NRW, der an eine durch ein schuldhaftes Verhalten herbeigeführte Verletzung des Körpers anknüpft, stellt sich demgegenüber nicht als ein anspruchsbegründendes, sondern ein anspruchsbeschränkendes Tatbestandsmerkmal dar.
37bb) Die formellen Anspruchsvoraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat innerhalb der zweijährigen Ausschlussfrist von zwei Jahren nach der Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids bei seinem Dienstherrn in Gestalt der für ihn im damaligen Zeitpunkt zuständigen Behörde einen Antrag nach § 82a LBG NRW gestellt (§ 82a Abs. 1 und 3 LBG NRW).
38cc) Die materiellen Anspruchsvoraussetzungen des § 82a Abs. 1 Satz 1 LBG NRW liegen vor.
39aaa) Der Kläger ist Beamter des Beklagten.
40bbb) Mit Herrn T. ist ein Dritter durch den einem rechtskräftigen Endurteil eines deutschen Gerichts gleichzustellenden rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts I1. vom 30. März 2017 – 17-1819783-0-2 – verurteilt worden, an den Kläger wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) zu zahlen. Die Gleichstellung von rechtskräftigem Endurteil und rechtskräftigem Vollstreckungsbescheid im Rahmen des § 82a Abs. 1 Satz 1 LBG NRW ergibt sich aufgrund einer an gesetzlicher Systematik, Gesetzeshistorie sowie Sinn und Zweck der Norm orientierten Auslegung (1). Jedenfalls ist die Vorschrift entsprechend anzuwenden (2).
41(1) Rechtskräftiges Endurteil und rechtskräftiger Vollstreckungsbescheid sind im Rahmen des § 82a Abs. 1 Satz 1 LBG NRW einander gleichzustellen. Mit dem Begriff des Endurteils nimmt das Landesbeamtengesetz auf prozessuale Begrifflichkeiten Bezug. Das (rechtskräftige) Endurteil ist eine instanzabschließende Endentscheidung eines Gerichts. Auch der auf der Grundlage eines Mahnbescheids ergehende (rechtskräftige) Vollstreckungsbescheid schließt die Instanz ab. Der Entscheidungsreife beim Endurteil nach § 300 Abs. 1 ZPO steht beim Vollstreckungsbescheid der nicht rechtzeitige Widerspruch gegen den erlassenen Mahnbescheid gleich (§ 699 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ebenso wie das Endurteil ist auch der Vollstreckungsbescheid der Rechtskraft fähig: Wird der Einspruch verworfen oder legt der im Zivilprozess Beklagte nicht rechtzeitig Einspruch ein, wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig. Er unterliegt in materiell-rechtlicher Hinsicht nach §§ 794 Abs. 1 Nr. 4, 795 ZPO der Vollstreckungsabwehrklage des § 767 ZPO, wobei nach § 796 Abs. 2 ZPO Einwendungen gegen den Anspruch selbst nur insoweit zulässig sind, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Zustellung des Vollstreckungsbescheids entstanden sind. Der Vollstreckungsbescheid kann weiterhin, wie sich aus § 584 Abs. 2 ZPO ergibt, mit der Wiederaufnahmeklage angegriffen werden. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Vollstreckungsbescheid mithin nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig.
42Vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2005 – VIII ZR 299/04 -, juris, Rn. 31; BeckOK ZPO (Stand 1. Januar 2020), § 700 Rn. 12; MünchKomm ZPO, 5. Aufl. 2016, § 700 Rn. 9.
43Darüber hinaus ist der Vollstreckungsbescheid ein Vollstreckungstitel, der dem Versäumnisurteil gleichgestellt wird (§ 700 Abs. 1 ZPO).
44Vgl. Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 700 Rn. 1; BeckOK ZPO, Stand 1. Januar 2020, § 700 Rn. 1.
45Die Wirkung des Vollstreckungsbescheids entspricht der eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteils. Das Versäumnisurteil wiederum ist ein nach § 331 ZPO der Rechtskraft fähiges Endurteil. Diese Wirkung des Vollstreckungsbescheids ist insofern sachgemäß, als wie beim Versäumnisurteil auch die mangelnde Reaktion des Antragsgegners auf das Begehren des Antragstellers durch den Erlass einer Sachentscheidung sanktioniert wird, die zugleich einen Vollstreckungstitel darstellt (§ 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO): So beruht das Versäumnisurteil darauf, dass der Beklagte entweder im frühen ersten Termin nicht erschienen ist bzw. nicht verhandelt hat oder im schriftlichen Verfahren seine Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt hat (§§ 331 Abs. 3 Satz 1, 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO), während im Mahnverfahren die Nichterhebung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid zum Erlass des Vollstreckungsbescheids führt.
46Vgl. Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 700 Rn. 2.
47Eine weitere Nähe zum Versäumnisurteil zeigt sich im Verfahren nach Einspruchseinlegung: Einer Partei, die gegen ein Versäumnisurteil Einspruch einlegt, aber in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung oder in derjenigen Sitzung, auf welche die Verhandlung vertagt ist, nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt, steht gegen das Versäumnisurteil, durch das der Einspruch verworfen wird, ein weiterer Einspruch nicht zu (§ 345 ZPO). Diese Regelung gilt für den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid vergleichbar: Der Einspruch darf gemäß § 700 Abs. 6 Hs. 1 i. V. m. § 345 ZPO verworfen werden, soweit die Voraussetzungen des § 331 Abs. 1, Abs. 2 Hs. 1 ZPO für ein Versäumnisurteil vorliegen (Schlüssigkeitsprüfung).
48Dieses Verständnis von Gleichstellung von Endurteil und Vollstreckungsbescheid im Rahmen des § 82a Abs. 1 LBG NRW entspricht der Gesetzeshistorie. In der Gesetzesbegründung ist festgehalten: „Für die gerichtliche Verfolgung der Ansprüche können die Beamtinnen und Beamten Rechtsschutz durch den Dienstherrn in Anspruch nehmen. Die spätere Vollstreckung des erwirkten Titels kann jedoch an der fehlenden Liquidität des Schädigers scheitern.“
49Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drucks. 16/13702, 122 (Hervorhebung durch das Gericht).
50Hiermit lehnt sich der Landesgesetzgeber an die Begründung des Bundesgesetzgebers für den vergleichbaren § 78a BBG an, die sich ebenso umfassend auf alle rechtskräftig festgestellten Schmerzensgeldansprüche bezieht: „Für die gerichtliche Verfolgung ihrer Ansprüche kann zwar Rechtsschutz durch den Dienstherrn in Anspruch genommen werden, jedoch scheitert die spätere Vollstreckung des erwirkten Titels häufig an der fehlenden Liquidität des Schädigers. Daher ist bei rechtskräftig festgestellten, aber nicht erfolgreich vollstreckbaren Schmerzensgeldansprüchen eine Vorleistung durch den Dienstherrn geboten.“
51Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 158/16, S. 26 (Hervorhebung durch das Gericht).
52Die Umformulierung der landesgesetzlichen Norm im Vergleich zur ursprünglich engeren Anlehnung an § 78a BBG erfolgte erst auf der Grundlage des gemeinsamen Änderungsantrags der Fraktion von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und beschränkte sich auf sprachliche Umschreibungen, ohne dass hiermit eine inhaltliche Distanzierung zur bundesrechtlichen Regelung verbunden gewesen wäre.
53Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, LT-Drs. 16/14676, S. 23 ff., 76.
54Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Begrenzung der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale im Sinne eines Ausschlusses anderweitiger rechtskräftiger Titel angestrebt werden sollte. Rechtskräftiges bzw. für vorläufig vollstreckbares Endurteil und Vollstreckungsbescheid sind jeweils vollstreckbare Titel (vgl. §§ 704, 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).
55Es ist nach dem parlamentarischen Begründungsgang auch nichts dafür ersichtlich, dass sich der nordrhein-westfälische Gesetzgeber von bereits anderweitig in Kraft getretenen vergleichbaren Regelungen distanzieren und rechtskräftige Vollstreckungsbescheide ausdrücklich ausnehmen wollte. So stellt der seit dem 1. Januar 2015 gültige Art. 97 Abs. 1 BayBG allein auf die rechtskräftige Feststellung eines Schmerzensgeldanspruchs ab (und erfasst damit auch rechtskräftige Vollstreckungsbescheide) und setzt dieser einen unwiderruflichen und angemessenen Vergleich gleich. Vielmehr ist dem parlamentarischen Gang nichts dafür zu entnehmen, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber die bayerische Rechtslage in den Blick genommen (und ablehnend gewürdigt) hätte; er lehnt sich von der Formulierung des § 82a LBG NRW vielmehr unbesehen an § 78a BBG an.
56Dieses Verständnis von Gleichstellung von Endurteil und Vollstreckungsbescheid entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 82a LBG NRW. Diese Norm ist Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und dient der Entlastung des Beamten. Insoweit spricht alles dafür, dem Beamten das kostengünstige Mahnverfahren (vgl. Nr. 1100 Anlage 1 zum GKG) zwecks Titelerlangung zu eröffnen und ihn nicht auf das kosten- und zeitintensivere Prozessverfahren zu verweisen. Ansonsten wäre ein Beamter selbst bei offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit seines Schädigers gehalten, den Klageweg einzuschlagen. Dies steht aber im Widerspruch zum Fürsorgegedanken der Norm. Zudem riskiert der Beamte in einem solchen Fall die Unterstützung seines Dienstherrn bei der Gewährung von Rechtsschutz in Zivilsachen, wonach nur zur Bestreitung der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung ein Vorschuss oder zinsloses Darlehen gewährt werden kann (vgl. III. 1. des Gemeinsamen Runderlasses des Innenministeriums – 24-1.42-2/08 – und des Finanzministeriums – IV-B 1110-85.4-IV A 2 – vom 7. Juli 2008).
57Nichts Abweichendes ergibt sich aus dem Einwand des Beklagten, dass es beim Erlass eines Vollstreckungsbescheids an der Prüfung der Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs durch das Gericht fehle. Denn auch im zivilgerichtlichen Verfahren, das zum Erlass eines Endurteils führt, wird gerichtlich gegebenenfalls lediglich die Schlüssigkeit des Klagevorbringens geprüft (so im Fall des Versäumnisurteils, § 331 Abs. 2 ZPO; ebenso nach Säumnis nach einem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid, § 700 Abs. 6, Hs. 1 ZPO) und wird unbestrittenem Klagevortrag nicht von Amts wegen nachgegangen. In Anbetracht des im Zivilprozess geltenden Verhandlungs- bzw. Beibringungsgrundsatzes ist überdies selbst die Schlüssigkeitsprüfung als Schutzmechanismus zugunsten des Dienstherrn vor einem kollusiven Zusammenwirken zwischen dem Beamten und dem Dritten nicht geeignet. Wenn übereinstimmend die Unwahrheit behauptet oder sie schlicht vom Beamten behauptet und vom Dritten nicht bestritten wird (§ 138 Abs. 3 ZPO), vermag auch die Überprüfung der Schlüssigkeit des Anspruchs dem nichts entgegenzusetzen. Schließlich liegt auch dem vollstreckbaren Vergleich, der nach dem Willen des Gesetzgebers den Anspruch nach § 82a LBG zu begründen vermag (vgl. § 82a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW), keine gerichtliche Sachprüfung zugrunde. Ein Vergleich ist in besonderem Maße Ausdruck der prozessualen Dispositionsfreiheit der Parteien. Zwar dürften sowohl die materiell-rechtlichen Willenserklärungen als auch die diesbezüglichen Prozesshandlungen gemäß bzw. entsprechend § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sein, wenn sie darauf gerichtet sind, durch kollusives Zusammenwirken einen in der Sache ungerechtfertigten Anspruch aus § 82a Abs. 1 LBG NRW zu titulieren. Gleichwohl erfolgt auch hier insoweit keinerlei Prüfung durch das Zivilgericht. Soweit die Zivilprozessordnung etwa in § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO eine Mitwirkung des Gerichts an einem Vergleich vorsieht, ist diese rein deklaratorischer Natur.
58Vgl. Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 278 Rn. 15.
59Hinsichtlich titulierter, aber überzogener Schmerzensgeldansprüche oder solcher, denen kollusives Zusammenwirken von Beamten und Schädiger zugrunde liegt, steht dem Dienstherrn im Rahmen seiner Ermessensentscheidung („soll“) auf der Grundlage des § 82a Abs. 1 Satz 1 LBG NRW eine Kontrollmöglichkeit zur Verfügung. Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausdrücklich ausgegangen.
60Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 16/13702, 122.
61§ 82a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBG NRW, wonach dem Endurteil kein Urkundenprozess nach §§ 592 bis 600 ZPO zugrunde liegen darf, steht dem Verständnis, dass der rechtskräftige Vollstreckungsbescheid dem rechtskräftigen Endurteil gleichzustellen ist, nicht entgegen. Die Motivation zum Ausschluss dieser Verfahrensart liegt vielmehr in den beschränkten Verteidigungsmöglichkeiten des im Zivilprozess Beklagten (vgl. § 598 ZPO) und den Regelungen zum Vorbehaltsurteil und Nachverfahren (§ 599 ff. ZPO), die sich zu Lasten des Dienstherrn auswirken würden.
62(2) Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der rechtskräftige Vollstreckungsbescheid dem rechtskräftigen Endurteil nicht gleichzustellen ist, ist § 82a Abs. 1 Satz 1 LBG NRW auf einen solchen Fall jedenfalls analog anzuwenden, wobei sich dasselbe Ergebnis im Rahmen einer analogen Anwendung des § 82a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW erzielen ließe.
63Eine analoge Anwendung der von einer Norm angeordneten Rechtsfolge auf Sachverhalte, die dieser Norm nicht unterfallen, setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Der Anwendungsbereich der Norm muss wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein. Eine derartige Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte. Dabei darf der erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht beiseitegeschoben und durch eine autark getroffene richterliche Abwägung der Interessen ersetzt werden. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen. Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich vielmehr darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so im Parlament nicht erreichbar war.
64Vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07 -, juris, Rn. 74 f.
65Gemessen an diesen Vorgaben liegt zunächst eine Regelungslücke vor. Unterstellt, der rechtskräftige Vollstreckungsbescheid wäre dem rechtskräftigen Endurteil nicht – wie oben ausgeführt – ohnehin schon gleichzustellen, würde § 82a Abs. 1 LBG NRW den rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid nicht erfassen. Diese Regelungslücke wäre planwidrig. Anhaltspunkte dafür, dass der Landesgesetzgeber den rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid bewusst vom Anwendungsbereich des § 82a LBG NRW ausschließen wollte, bestehen nicht. Den Gesetzesmaterialien lässt sich – wie bereits oben ausgeführt – hierzu nichts entnehmen. Der Umstand, dass § 82a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW ausdrücklich auf § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (Zwangsvollstreckung aus Vergleichen), nicht aber auf § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (Zwangsvollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden) verweist, lässt die Planwidrigkeit der Regelungslücke unberührt. Dieser gesetzlichen Verweisung lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber den Vergleich mitaufnehmen, den Vollstreckungsbescheid aber ausschließen wollte. Mit § 82a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW hat der Gesetzgeber lediglich den Anwendungsbereich des § 82a Abs. 1 Satz 1 LBG NRW auf den Vergleich erweitert, der einem rechtskräftigen Endurteil in keiner Weise gleichsteht, da er keine gerichtliche Entscheidung darstellt. Anders verhält es sich – wie bereits ausgeführt – mit dem rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid.
66Die Interessenlage ist vergleichbar. Es entspricht dem Fürsorgecharakter der Norm, sie auf den vorliegenden Sachverhalt zu erstrecken. Der Beamte hat ein Interesse daran, dass bei dienstlich erlittenen Schäden im Falle der Uneinbringlichkeit eines Anspruchs anstelle des zahlungsunfähigen Schuldners der Dienstherr einspringt. Der Dienstherr wird seiner Fürsorgepflicht gerecht, indem er solchermaßen in Ausübung des Dienstes erlittene Schäden ausgleicht. Die berechtigten Belange des Dienstherrn – keine Inanspruchnahme bei überzogenen Forderungen – bleiben gewahrt. So hat der Gesetzgeber ausweislich des § 82a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW selbst erkannt, dass es mit dem vollstreckbaren Vergleich Titel gibt, die keiner zwingenden gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen. Dem begegnet der Gesetzgeber insoweit mit dem Erfordernis der Angemessenheitskontrolle durch den Dienstherrn, im Übrigen mit der Fassung der Anspruchsgrundlage als bloßer Soll-Vorschrift.
67Zur Vergleichbarkeit der Interessenlage kommt hinzu: Das Mahn- und Vollstreckungsbescheidverfahren ist ein gängiges, kostengünstiges und zielstrebiges prozessuales Vorgehen, das dasselbe Ziel wie das Urteilsverfahren hat, den Erhalt eines vollstreckbaren Titels. Dasselbe Ziel, den Erhalt eines vollstreckbaren Titels, billigt der Landesgesetzgeber durch die ausdrückliche Erweiterung der anspruchsbegründenden Norm durch § 82a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW. Wenn aber schon ein vollstreckbarer Vergleich, mit welchem ein Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis, über das die Parteien verfügen können, im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird, dem rechtskräftigen Endurteil gleichgestellt wird, muss dies erst recht für einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid gelten, der die Besonderheit aufweist, dass sich der im Zivilprozess Beklagte gegen die Forderung überhaupt nicht (rechtzeitig) verteidigen will. Ob der (zahlungsunwillige) Beklagte einen Vollstreckungsbescheid gegen sich ergehen lässt oder sich im „normalen“ Klageverfahren, ggf. durch den Erlass eines Versäumnisurteils verurteilen lässt oder den geltend gemachten Anspruch mit der Folge eines Anerkenntnisurteils (§ 307 ZPO) anerkennt, macht aus der Sicht des Dienstherrn keinen Unterschied. Soweit in all diesen Fällen eine gerichtliche Inhaltskontrolle ausscheidet, obliegt es dem Dienstherrn, im Rahmen seines Ermessens bei etwaigen Verdachtsumständen auf kollusives Zusammenwirken eine Kontrolle hinsichtlich des Anspruchsgrundes oder im Übrigen jedenfalls hinsichtlich der Angemessenheit der Höhe des titulierten Schmerzensgeldes durchzuführen.
68ccc) Der Kläger hat einen Nichtvermögensschaden erlitten, der dadurch entstanden ist, dass Herr T. seinen Körper und seine Gesundheit schuldhaft (vorsätzlich) und im dienstlichen Zusammenhang verletzt hat (§ 82a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBG NRW).
69ddd) Trotz des Versuchs der Vollstreckung in das Vermögen des Herrn T. besteht die Schmerzensgeldforderung des Klägers noch in Höhe von mindestens 250 Euro, nämlich 400 Euro (§ 82a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG NRW).
70eee) Dem Vollstreckungsbescheid liegt kein Verfahren nach §§ 592 – 600 ZPO zugrunde (§ 82a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBG NRW).
71fff) Die Zahlung durch den Dienstherrn ist zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig (§ 82a Abs. 1 Nr. 4 LBG NRW). Die unbillige Härte ist bereits dadurch indiziert, dass der Kläger in Ausübung seines Dienstes einen die gesetzlich angenommene Bagatellgrenze von 250 Euro überschreitenden Nichtvermögensschaden erlitten hat, der mangels Liquidität des Schädigers nicht kompensiert werden kann.
72Vgl. hierzu exemplarisch die ausdrückliche Rechtskonstruktion in Art. 97 Abs. 2 Satz 1 BayBG und § 78a Abs. 2, Hs. 1 BBG.
73Dass § 82a Abs. 1 Nr. 4 LBG NRW das Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte anders als z. B. Art. 97 Abs. 2 Satz 1 BayBG und § 78a Abs. 2, Hs. 1 BBG eigenständig fasst und das Überschreiten der Bagatellgrenze nicht den Härtefall indiziert, ist allein auf eine redaktionelle Umformulierung des Gesetzesvorschlags der Landesregierung im Rahmen des Ausschussverfahrens zurückzuführen. Eine abweichende inhaltliche Regelung sollte hiermit nicht getroffen werden.
74Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, LT-Drs. 16/14676, S. 23 ff., 76.
75Selbst wenn dem Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte eine eigenständige Bedeutung zukommen sollte, lägen die inhaltlichen Voraussetzungen hierfür vor. Eine unbillige Härte liegt vor, wenn der Beamte ein nicht zu vertretendes Sonderopfer für die Allgemeinheit erbracht hat.
76Vgl. zum Begriff der besonderen Härte in anderem Regelungszusammenhang BVerwG, Urteil vom 4. September 1990 – 1 C 7.88 –, juris, Rn. 24.
77Der Gesetzgeber hat diesbezüglich darauf hingewiesen, dass es trotz der in §§ 35 ff. LBeamtVG normierten Unfallfürsorge nach tätlichen Angriffen durch Dritte zu besonderen Härten kommen kann, die mit den vorhandenen Leistungstatbeständen nicht angemessen abgedeckt werden.
78Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drucks. 16/13702, 122.
79Das Polizeipräsidium E1. hat mit internem Schreiben vom 2. Mai 2019 daher zu Recht ausgeführt: „Ebenfalls liegt ein Fall von unbilliger Härte vor. Der Antragsteller wurde während einer Streife unvermittelt in seinem Wagen angegriffen und massiv geschlagen. Hierbei handelt es sich nicht um ein vom Beamten zu akzeptierendes Verhalten im Rahmen des allgemeinen Berufsrisikos. Der Antragsteller hat insoweit ein Sonderopfer für die Allgemeinheit erbracht, von einer unbilligen Härte gemäß § 82a I Nr. 4 LBG NRW ist auszugehen.“
80ggg) Es mag erwogen werden, für den Fall der Gleichstellung von rechtskräftigem Endurteil und rechtskräftigem Vollstreckungsbescheid bzw. bei entsprechender Anwendung des § 82a Abs. 1 Satz 1 LBG NRW auf einen solchen Fall zugleich die (einschränkenden) Voraussetzungen des § 82a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW anzuwenden. Hiernach steht ein vollstreckbarer Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO über die Zahlung eines Schmerzensgeldes einem Endurteil nach § 82a Abs. 1 Satz 1 LBG NRW gleich, soweit die vereinbarte Höhe der Entschädigung angemessen ist. Übertragen auf den rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid, bei dem es ebenfalls an einer eigenständigen gerichtlichen Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen fehlt, mag ebenfalls die Angemessenheit der Höhe der Entschädigung als tatbestandliche Anspruchsvoraussetzung zu werten sein. Dies bedarf vorliegend jedoch keiner weiteren Entscheidung, da der vom Kläger gegenüber Herrn T. titulierte Schmerzensgeldanspruch in Anbetracht der konkreten Umstände des Falls (Erheblichkeit der Einwirkung auf den Körper des Klägers, Geringfügigkeit des titulierten Anspruchs) als angemessen anzusehen ist. Auch der Beklagte hat diesbezüglich keine Einwendungen geführt.
81b) Der Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag ist nicht durch Erfüllung erloschen. Die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist schon deswegen defizitär im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO, weil der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die das Ermessen eröffnenden tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage nicht gegeben sind.
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Referenzen
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- ZPO § 278 Gütliche Streitbeilegung, Güteverhandlung, Vergleich 1x
- ZPO § 345 Zweites Versäumnisurteil 2x
- ZPO § 584 Ausschließliche Zuständigkeit für Nichtigkeits- und Restitutionsklagen 1x
- ZPO § 767 Vollstreckungsabwehrklage 1x
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- § 79 Abs. 1 und 2 LBG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 2x
- ZPO § 592 Zulässigkeit 1x
- ZPO § 704 Vollstreckbare Endurteile 1x
- VwGO § 68 1x
- VwGO § 114 1x
- § 82a Abs. 1 LBG 5x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 593 Klageinhalt; Urkunden 1x
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- § 82a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG 1x (nicht zugeordnet)
- § 103 Abs. 1 Satz 1 LBG 1x (nicht zugeordnet)
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- VwGO § 42 1x
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- ZPO § 796 Zwangsvollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden 1x
- ZPO § 794 Weitere Vollstreckungstitel 5x
- §§ 35 ff. LBeamtVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 78a BBG 3x (nicht zugeordnet)
- BGB § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher 1x
- ZPO § 594 1x
- ZPO § 599 Vorbehaltsurteil 2x
- ZPO § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht 1x
- ZPO § 331 Versäumnisurteil gegen den Beklagten 2x
- ZPO § 700 Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid 1x
- VwGO § 83 1x
- ZPO § 300 Endurteil 1x
- § 82a Abs. 1 Nr. 4 LBG 2x (nicht zugeordnet)
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- ZPO § 699 Vollstreckungsbescheid 1x
- ZPO § 598 Zurückweisung von Einwendungen 2x
- ZPO § 600 Nachverfahren 1x