Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 298/17

Tenor

1. Das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. April 2018, Az. 5 Sa 298/17, wird aufrechterhalten.

2. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über Schmerzensgeld-, Schadensersatz- und Auslagenersatzansprüche.

2

Die 1979 geborene Klägerin ist seit 01.02.2013 im Einzelhandelsmarkt des Beklagten als Verkäuferin zu einem Monatsgehalt von zuletzt € 1.390,00 brutto bei einer vereinbarten Arbeitszeit von 37,5 Stunden wöchentlich angestellt.

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Am 28.11.2014 erlitt die Klägerin im Betrieb des Beklagten einen Arbeitsunfall, als ihr eine von ihr wegzuräumende Europalette auf den rechten Fuß fiel. Sie prellte sich den Mittelfuß und brach sich zwei Zehen. Nach diesem Arbeitsunfall war sie bis 08.01.2015 arbeitsunfähig erkrankt. Am 12.04.2016 musste die Klägerin den Markt des Beklagten erschöpft verlassen und war für mehrere Tage arbeitsunfähig krankgeschrieben. Nach Wiederantritt der Arbeit erlitt sie einen weiteren Zusammenbruch. Seit dem 03.05.2016 ist die Klägerin ohne Unterbrechung arbeitsunfähig krankgeschrieben und in ärztlicher Behandlung. Die gesetzliche Krankenkasse gewährte ihr vom 14.06.2016 bis zum 30.10.2017 Krankengeld iHv. kalendertäglich € 28,16 netto. Vom 14.11.2017 bis zum 15.12.2017 nahm die Klägerin an einer ambulanten Rehabilitationsmaßnahme teil, der gesetzliche Rentenversicherungsträger gewährte ihr Übergangsgeld. Ab 16.12.2017 bezieht die Klägerin von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld I iHv. kalendertäglich € 20,59 netto. Die Bezugsdauer endet laut Bewilligungsbescheid vom 03.01.2018 am 30.11.2018. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 24.04.2018 ordentlich zum 31.08.2018 wegen Schließung des Einkaufsmarktes. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage der Klägerin (Az. 8 Ca 1267/18) ist noch beim Arbeitsgericht Koblenz anhängig. Außerdem ist beim Arbeitsgericht Koblenz noch eine Klage gegen den Beklagten auf Zahlung von € 576.000,00 (Az. 8 Ca 3768/17) anhängig. Ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Pfändung des Geschäftskontos des Beklagten (Az. 8 Ga 32/18) schwebt in zweiter Instanz (Az. 5 SaGa 6/18).

4

Die zuständige Berufsgenossenschaft BGHW hat mit Bescheid vom 20.03.2018 (Bl. 1198 d.A.) im Widerspruchsverfahren ein Karpaltunnel-Syndrom beidseits als Berufskrankheit (Nr. 2113 der Berufskrankheitenliste) anerkannt. Im Widerspruchsverfahren sind nach dem Vortrag der Klägerin bei derselben Berufsgenossenschaft noch zwei Verfahren wegen Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule anhängig: Ein Verfahren auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Berufskrankheitenliste, ein Verfahren auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII.

5

Im vorliegenden Verfahren machte die Klägerin mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 31.10.2016 (Bl. 131 ff d.A.) erstinstanzlich zuletzt wegen "grob fahrlässig zugefügten Körperschäden" wegen "gesetzlich verbotener körperlicher Fehl- und Überbelastung" am Arbeitsplatz Schmerzensgeld und Schadensersatz in Höhe von vorläufig € 23.000,00 geltend. Außerdem verlangte sie Aufwendungsersatz für mehrere Fahrten zur Apotheke und zum Arzt, auch nach Bonn, den sie mit vorläufig € 500,00 bezifferte.

6

Im Schriftsatz vom 16.04.2017 (Bl. 548 ff d.A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, führte sie erstinstanzlich abschließend aus, ihr gehe es nicht ausschließlich um Schmerzensgeld für den am 28.11.2014 erlittenen Arbeitsunfall, sondern um Schadensersatz wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, der gegen gesetzliche Vorschriften, ua. das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitssicherheitsgesetz, das Arbeitsschutzgesetz und die Lastenhandhabungsverordnung, verstoßen habe. Der Beklagte habe arbeitnehmerschützende gesetzliche Vorschriften entweder überhaupt nicht oder nur unzureichend eingehalten. Sie habe am 28.11.2014 keinen Arbeitsunfall in Ausübung einer "üblichen" Arbeitstätigkeit, sondern im Verlauf eines vom Beklagten erzwungenen 13-stündigen Arbeitstags erlitten. Ihr sei nach 10-stündigem Durcharbeiten bei Regen - ohne Wetter- und Arbeitsschutzkleidung - gegen 16:30 Uhr eine über 30 kg schwere Europalette aus den Händen geglitten und auf den Fuß gefallen. Obwohl sie sich den Mittelfuß geprellt und zwei Zehen gebrochen habe, habe sie wegen personeller Unterbesetzung noch bis nach 20:00 Uhr weitergearbeitet. Erst am Folgetag habe sie einen Arzt aufgesucht. Der Beklagte habe den Arbeitsunfall zunächst nicht registriert, dieser sei erst am Folgetag vom behandelnden Arzt der Berufsgenossenschaft gemeldet worden. Der Beklagte habe sich zunächst geweigert, die Verletzungen und den sechswöchigen Arbeitsausfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Dem Beklagten seien nach dem Unfall vom 28.11.2014 weder von der zuständigen Berufsgenossenschaft (BGHW) noch von der zuständigen regionalen Gewerbeaufsicht bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord unfallvermeidende und gesundheitsschützende Auflagen (wie Bereitstellung von Arbeitssicherheitsschuhen und Wetterschutzkleidung) auferlegt worden. Außerdem seien keine Maßnahmen ergriffen worden, damit sie keine Getränkeanlieferungen mehr verräumen müsse. Diese Missstände hätten mindestens bis zum 03.05.2016 angedauert. Schwerwiegender sei, dass der Beklagte im Zeitraum von Februar 2013 bis zum 02.05.2016 "vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig" die Schädigung ihrer Gesundheit als Folge rechtswidriger, gesundheitsschädigender Arbeitsbedingungen "verursacht bzw. billigend in Kauf genommen" habe. Seit dem 03.05.2016 sei sie infolgedessen arbeitsunfähig erkrankt und inzwischen zweimal operiert worden. Der Beklagte habe ihr gegenüber unfair agiert, er habe ihre gesundheitliche Schädigung billigend in Kauf genommen und dabei seine Machtstellung ausgenutzt. Der Beklagte werde entgegen § 5 ff ASiG erst seit dem 01.06.2016 arbeitsmedizinisch betreut, also erst nachdem sie am 28.11.2014 verunfallt und ab 03.05.2016 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt sei.

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Mit Schriftsätzen vom 12.04.2017 (Bl. 547 d.A.) und vom 16.04.2017 (Bl. 548 ff d.A.) hat die Klägerin beim Arbeitsgericht Koblenz den Erlass eines Anerkenntnisurteils gegen den Beklagten beantragt. Diesen Antrag hat sie im erstinstanzlichen Kammertermin vom 26.04.2017 erneut zu Protokoll erklärt (Bl. 590 ff d.A.). Das Arbeitsgericht hat diesem Antrag nicht entsprochen.

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Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, ihr Schmerzensgeld, Schadensersatz und den Ersatz der damit verbundenen Aufwendungen für Auslagen in vorläufig bezifferter Höhe von € 23.500,00 zu zahlen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 26.04.2017 Bezug genommen.

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Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage abgewiesen und - zusammengefasst - ausgeführt, der Beklagte sei wegen des Haftungsausschlusses nach § 104 Abs. 1 SGB VII nicht zur Zahlung von Schmerzensgeld, Schadens- oder Auslagenersatz für die von der Klägerin erlittenen Personenschäden verpflichtet. Die Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergebe, dass der Beklagte ihre Gesundheitsschäden vorsätzlich iSv. § 104 Abs. 1 SGB VII herbeigeführt habe. Ihr Vortrag komme über bloße Behauptungen nicht hinaus. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 26.04.2017 (Bl. 624 d.A.) Bezug genommen.

14

Gegen das am 18.05.2017 zugestellte Urteil hat der anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der sich zweitinstanzlich bestellt hat, mit einem am 15.06.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Der Schriftsatz vom 15.06.2017 (Bl. 681 ff d.A.) lautet:

15

"In dem Rechtsstreit [...] lege ich namens und in Vollmacht der Klägerin/Berufungsklägerin im Rahmen bewilligter und beantragter Prozesskostenhilfe gegen das durch das Arbeitsgericht Koblenz am 26.04.2017 ergangene und am 18.05.2017 zugestellte Urteil, Az. 2 Ca 3267/16, Berufung ein."

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Auch die Klägerin persönlich legte mit Schriftsatz vom 14.06.2017 (Bl. 682 d.A.) Berufung ein. Dieser lautet:

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"Im Rahmen bewilligter und hiermit beantragter Prozesskostenhilfe lege ich gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.4.2017, Az. 2 Ca 3267/16, Berufung ein.

18

Wegen menschenrechtswidrigen Anwalts- und Kontrahierungszwangs beantrage ich für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe. ..."

19

Am 11.07.2017 ging die Berufungsbegründungsschrift per Telefax beim Landesarbeitsgericht ein, die vom anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnet ist. Dieser Schriftsatz (Bl. 712 ff d.A.) hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

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"Namens und in Vollmacht der Klägerin Frau [...] wird im Rahmen bewilligter und hiermit beantragter Prozesskostenhilfe das eingelegte Rechtsmittel Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.4.2017, zu Az. 2 Ca 3267/16, wie folgt begründet und es wird beantragt

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1. die Aufhebung des am 26.04.2017, Az. 2 Ca 3267/16, verkündeten Urteils,

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2. die Stattgabe des vom 16.04.2017 gestellten Antrags auf den Erlass eines Anerkenntnisurteils,

23

3. dem Beklagten die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten aus dem erstinstanzlichen und dem Berufungsverfahren, incl. seiner Anwalts und die gegnerischen Anwaltskosten aus dem Berufungsverfahren und die notwendigen Auslagen der Rechtsverteidigung der Klägerin aus dem erstinstanzlichen Verfahren in Höhe von € 500,00 zu ersetzen hat

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4. auf Recht zu erkennen, dass der Beklagte gemäß der Klageerweiterungsschrift vom 31.10.2017, gemäß Ziff. 2, der Klägerin Schadensersatz und Schmerzensgeld in geforderter Höhe von € 23.500,00 verpflichtet ist

25

5. und unter Beachtung der Anpassung des Mindestlohns zum 1. Januar 2017, für die Erstattung monatlich entgangenen Lohns seit Wegfall der Lohnfortzahlung wegen Krankheit ab Mitte Juni 2016 zur Ausgleichszahlung verpflichtet ist. Das seit Mitte Juni 2016, seit 13 Monaten bezogene Krankengeld für die Klägerin beläuft sich gerundet auf € 840,00 monatlich. Der entgangene Lohn beläuft sich bei der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 163,5 Stunden seit dem 1. Januar 2017 und dem geltenden Mindestlohn von € 8,86/ Stunde gemäß dem Lohnrechner und einem Nettolohn von monatlich € 1.077,43 für den Zeitraum von Januar bis einschließlich Juli 2017 auf 237 × 7 = € 1.659,00 und für den Zeitraum Juni bis Dezember 2016 und dem geltenden Mindestlohn von € 8,50 bei 163,5 Arbeitsstunden gemäß Lohnrechner einem monatlichen Nettolohn von € 1.040,41 beläuft sich die Forderung für das KJ 2016 auf 6,5 Monate x € 200,00 = € 1.300,00, so dass sich die anerkannte Forderung aus entgangenem Lohn auf insgesamt € 2.959,00, Stand 31.07.2017, beläuft.

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6. Es wird beantragt festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist der Klägerin nach Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld nach 18 Monaten die Differenz für entgangenen Lohn fortzuzahlen und aus ihrer Berufsunfähigkeit den weitergehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen hat.

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7. Es wird die Verzinsung in Höhe von 6 % über dem Basiszins gemäß der Forderung Ziff. 4 wegen entgangenem Lohn beantragt.
..."

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Die Klägerin macht nach Maßgabe der Schriftsätze, die ihr anwaltlicher Prozessbevollmächtigter unterzeichnet hat, dh. vom 11.07.2017 (Bl. 712 ff d.A.), vom 02.01.2018 (Bl. 1088 ff d.A.) und vom 17.04.2018 (Bl. 1255 ff d.A.), auf die vollinhaltlich Bezug genommen wird, zusammengefasst geltend, der Beklagte habe ihre Gesundheit vorsätzlich geschädigt. Sie habe als Folge unzulässiger körperlicher Zwangsarbeit ua. ein beidseits, operativ behandeltes Karpaltunnel-Syndrom sowie Schädigungen und Bandscheibenvorfälle an der Hals- und Lendenwirbelsäule erlitten.

29

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.04.2018 ist der anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin zwar erschienen, er hat jedoch ausweislich der Sitzungsniederschrift (Bl. 1245 ff d.A.) keine Sachanträge gestellt. Deshalb hat die Kammer die Berufung der Klägerin durch Versäumnisurteil zurückgewiesen (Bl. 1252 d.A.). Gegen das Versäumnisurteil, das dem Rechtsanwalt der Klägerin am 24.04.2018 zugestellt worden ist, hat er am 24.04.2018 Einspruch eingelegt (Bl. 1312 d.A.) und diesen mit Schriftsatz vom 26.04.2018, auf dessen Inhalt vollumfänglich Bezug genommen wird, begründet. (Bl. 1334 ff d.A.). Eine weitere Begründung erfolgte mit Schriftsatz vom 24.07.2018 (Bl. 1375 ff d.A.), auf den wegen aller Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird.

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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin führt zur Begründung des Einspruchs im Schriftsatz vom 26.04.2018 (Bl. 1334 d.A.) - zusammengefasst - aus, die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils am 19.04.2018 hätten nicht vorgelegen. Die Verfahrensrechte der Klägerin seien auch zweitinstanzlich grob verletzt worden, ua. weil sich die Vorsitzende geweigert habe, den erheblichen Beweisanträgen, ua. auf Anhörung von Zeugen und Sachverständigen, Vorlage von Urkunden, Beiziehung von Behördenakten und handschriftlichen Korrespondenzen, die er im Schriftsatz vom 02.01.2018 (Bl. 1088 ff. d.A.) gestellt habe, rechtszeitig vor dem Termin vom 19.04.2018 nachzugehen. Das Arbeitsgericht Koblenz hätte auf Antrag der Klägerin ein Anerkenntnisurteil erlassen müssen. Die Annahme des Arbeitsgerichts, dass der Beklagte nicht für die Gesundheitsschäden der Klägerin haften müsse, weil er in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert und nach § 104 Abs. 1 SGB VII die Haftung für Personenschäden ausgeschlossen sei, sei unrichtig. Der Haftungsausschluss greife nicht bei Vorsatz, auch bei bedingtem Vorsatz. Der Beklagte habe zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Den Beklagten, der arbeitnehmerschützende Vorschriften nicht eingehalten habe, treffe die alleinige Darlegungs- und Beweislast, dass er die Klägerin keinen Arbeitsbedingungen ausgesetzt und ihr keinen Arbeitsplatz zugemutet habe, infolgedessen sie schwere Körperschäden davongetragen habe. Im Einzelhandelsunternehmen des Beklagten habe es bis zum Zeitpunkt ihrer Arbeitsunfähigkeit ab 03.05.2016 weder einen Betriebsarzt noch einen arbeitsmedizinischen Betreuer gegeben. Der Beklagte habe auch die gesetzlichen Auflagen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht erfüllt, weil er keine Schulungen im Hinblick auf Gesundheitsschutz und Unfallverhütung durchgeführt und dokumentiert habe. Der Beklagte habe im Rechtsstreit keine Nachweise vorgelegt, die ihn von seiner Verantwortung für die vorsätzliche Schädigung der Gesundheit der Klägerin entschuldigen könnten. Der Beklagte bestreite alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Er habe seit Klageerhebung auf die Klage nicht erwidert, er bestreite lediglich die Klägerin in ihrer Gesundheit geschädigt und zum Verräumen von Getränkelastzügen ohne technische Hilfsmittel gezwungen zu haben. Der Beklagte, der die Gesundheit der Klägerin vorsätzlich zerstört habe, entziehe sich jetzt seiner Verantwortung, indem er seinen Betrieb verkauft und das Arbeitsverhältnis gekündigt habe. Der Beklagte habe Widerspruch gegen behördliche Auflagen wegen Verstößen ua. gegen das Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetz erhoben. Über seinen Rechtsanwalt habe er nach Akteneinsicht davon Kenntnis erlangt, dass die Gewerbeaufsicht bei der SGD Nord im Juni 2015 vom Verlobten der Klägerin über die bei ihm vorherrschenden gesundheitsgefährdenden und rechtswidrigen Arbeitsbedingungen schriftlich in Kenntnis gesetzt worden sei. Der Beklagte habe die Klägerin aus Rache und verletzter Eitelkeit in ihrer Gesundheit geschädigt. Aus ihren handschriftlichen Aufzeichnungen gehe hervor, dass der Beklagte sie gemobbt habe. Als Bestrafung habe er sie verstärkt gezwungen, an bis zu zwei Tagen in der Woche (jeweils dienstags und donnerstags), die auf bis zu 20 Europaletten mit je 36 bis 40 Kästen angelieferten Getränke mit einem Einzelgewicht je Getränkekasten zwischen 17,5 kg und über 20 kg ohne technische Hilfsmittel, also mehrere 100 Getränkekästen je Anlieferung, einzeln zu verräumen. Der Beklagte habe sie am 05.02.2016 gegen 20:15 Uhr gefragt, ob ihr "Mann" beim Gewerbeaufsichtsamt angerufen habe. Am 15.02.2016 habe er gefragt, ob sie ihrem "Mann" gesagt habe, dass sie zum 01.04.2016 gekündigt sei. Am 16.03.2016 gegen 11:00 Uhr sei der Beklagte in die Getränkeabteilung gekommen und habe sie angewiesen, bis 13:30 Uhr alle Getränke, auch das Bier, zu verräumen. Am 07.04.2016 um 7:20 Uhr sei die Getränkelieferung, bestehend aus 18 Paletten "gemischt", bereits eingetroffen gewesen. Die Klägerin und ein 14-jähriger Praktikant hätten die Kästen von der Palette runterstapeln müssen. Am 12.04.2016 sei die Klägerin trotz Erkältung zur Arbeit gekommen. Die Filialleitung habe ihr gesagt, sie sehe schlecht aus und sie gefragt, ob sie krank sei. Die Klägerin habe ihr erklärt, dass sie trotz Erkältung wegen der Getränkelieferung zur Arbeit gekommen sei, sie habe die Lieferung angenommen und dem Lieferanten das Leergut mitgegeben. Dann habe sie trotz ihrer fiebrigen Erkältung die Getränke verräumen müssen. Die Filialleitung habe ihr mitgeteilt, dass der 14-jährige Praktikant kommen werde, um zu helfen. Die Klägerin habe vor Erschöpfung nicht mehr arbeiten können. Der Beklagte sei erschienen und habe erklärt, dass die Klägerin und der Praktikant noch 40 Bierkästen verräumen könnten. Die Klägerin sei zur Filialleiterin gegangen und habe ihr erklärt, dass sie nicht mehr könne. Daraufhin habe die Filialleiterin erklärt, dass sie nach Hause gehen könne. Am 28.11.2014 habe die Klägerin bei einer unzulässigen 11,5-stündigen Arbeitsschicht von morgens 7:30 Uhr bis abends 20:00 Uhr gegen 16:30 Uhr nach neun Stunden Arbeitszeit den Arbeitsunfall beim Hantieren mit der Getränkepalette erlitten. Der Beklagte habe den Arbeitsunfall später mit Nichtwissen bestritten, weil er angeblich nicht anwesend gewesen sei. Auch die Schichtleiterin sei vom Beklagten im Hinblick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht geschult und eingewiesen worden. Ein Unfallbuch sei beim Beklagten nicht existent. Der Beklagte habe sie nicht nur zu gesundheitsschädigender körperlicher Arbeit, sondern auch zu verbotener Arbeit von über 10 Stunden täglich gezwungen. Die tägliche Arbeitszeit sei vom Beklagten nicht erfasst worden, sie habe für die geleistete Mehrarbeit regelmäßig keine Vergütung oder Freizeitausgleich erhalten. Der Beklagte habe die Mehrarbeit bestritten.

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Mit Schriftsatz vom 24.07.2018 (Bl. 1375 ff d.A.) führt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin - zusammengefasst - weiter aus, der Beklagte sei nicht willens gewesen, arbeitnehmerschützende gesetzliche Vorschriften einzuhalten. Er habe fortlaufend und bewusst das Arbeitsschutzgesetz und die Lastenhandhabungsverordnung nicht eingehalten. Die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften "freilich keinen Vorsatz" indiziere, sei unzutreffend. Diese Schlussfolgerung stehe mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht im Einklang. Der Beklagte habe gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung im Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren unwahre Angaben gemacht. Der Klägerin werde aufgrund dieser wahrheitswidrigen Angaben von der Berufsgenossenschaft und von der Deutschen Rentenversicherung bisher jede Unterstützungsleistung und Rehabilitation verweigert. Lediglich die Erkrankung am Karpaltunnel-Syndrom (beidseits) sei als Berufskrankheit anerkannt worden; dies habe im Hinblick auf eine Erwerbsminderung und Rehabilitation jedoch keine Folgen. Der Einkaufsmarkt des Beklagten sei zweimal wöchentlich, je nach Jahreszeit und Kundennachfrage, mit jeweils bis zu 20 Europaletten Getränkekästen, also bis zu 1000 Kästen pro Anlieferung, beliefert worden. Der Beklagte selbst habe nur in seltenen Fällen die angelieferten Getränkekästen mittels Ziehhaken auf den Boden des Parkplatzes gehievt und in das Lager oder den Verkaufsraum transportiert und einzeln einsortiert. Die Getränkelieferungen seien ohne technische Hilfsmittel, bis auf einen Ziehhaken, einen defekten Handhubwagen und eine antiquierte Sackkarre, auch im Außenbereich des Geschäftsgebäudes, bei Wind und Wetter - ohne Arbeits- und Wetterschutzkleidung - verräumt worden. Diese Arbeiten habe bis zu ihrer andauernden Arbeitsunfähigkeit ab 03.05.2016 - außer einer weiteren Mitarbeiterin - allein die Klägerin verrichtet. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt übereinandergestapelte Getränkekästen von einer Palette nach vorn gekippt und mittels Ziehhaken von der Palette gezogen, sondern die - in der Regel fünf - auf den Paletten übereinandergestapelten Kästen jeweils einzeln von den Paletten auf dem Fußboden abgesetzt und übereinander gestapelt und anschließend mittels Ziehhaken oder Sackkarre in den Verkaufsraum oder das Warenlager transportiert. Das freie Heben schwerer Lasten bis zu über 20 kg durch die Klägerin - und nicht wie vom Beklagten behauptet von nur 15 kg - über Kopf und Schulter bei 100-facher Wiederholung in einer Arbeitsschicht, zweimal wöchentlich, bei stark und bis über 90 Grad nach vorn oder weit zurückgeneigtem Oberkörper belaste die Hals- und Lendenwirbelsäule, die Arme, die Hand- und die Schultergelenke außerordentlich. Diese zu hohe Belastungsdosis habe zwangsläufig zur Schädigung der Hals- und Lendenwirbelsäule, der Gliedmaßen und Gelenke binnen weniger Jahre geführt. Der Beklagte sei gem. §§ 3, 4, 5 ArbSchG verpflichtet gewesen, vor der Anweisung Arbeiten mit erhöhtem Gesundheitsgefährdungspotenzial zu verrichten, zu prüfen, ob die Klägerin bei nur 1,52 m Körpergröße und als Frau überhaupt dazu geeignet sei, bis zu zweimal wöchentlich bis zu jeweils 1000 auf Paletten angelieferte Getränkekästen zu verräumen, indem sie mit nach vorn und nach hinten gebeugtem Oberkörper Getränkekästen mit einem Einzelgewicht bis zu 20 kg über Kopf und Schulter beim Absetzen von den Paletten habe stemmen und wieder aufstapeln müssen. Der Beklagte habe somit ihre Gesundheitsgefährdung nicht nur billigend in Kauf genommen, er habe sie vielmehr wissentlich und wollentlich, ua. wegen Rachegelüsten, schikaniert und gemobbt und auch in ihrer Gesundheit schädigen wollen. Er habe sie auch deswegen geschädigt, weil ihr Verlobter den Behörden die Verletzung von arbeits- und gesundheitsschutzrechtlichen Vorschriften angezeigt habe.

32

Der Verlobte der Klägerin, der im Termin vom 02.08.2018 als Beistand neben dem anwaltlichen Prozessbevollmächtigten aufgetreten ist, führte in der mündlichen Verhandlung (Bl. 1498 ff d.A.) ergänzend aus, die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass eine Verletzung arbeitsrechtlicher Vorschriften, zB. des Arbeitsschutzgesetzes, freilich noch keinen Vorsatz bedinge, sei unzutreffend. Ein Arbeitgeber müsse, um ein Gewerbe ausüben zu dürfen, den Nachweis führen, dass er geeignet sei, in fachlicher und persönlicher Hinsicht personelle Verantwortung zu übernehmen. Diesem Anspruch habe der Beklagte nicht genügt, weil er fortlaufend und bewusst Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz und die Lastenhandhabungverordnung billigend in Kauf genommen habe. Auch dann, als er von der SGD Nord aufgefordert worden sei, diese Vorschriften einzuhalten, habe er sich geweigert. Im Juli 2017 sei beim Getränkeräumen eine Kollegin der Klägerin verunfallt und habe sich den Fuß gebrochen. Die Einhaltung der Lastenhandhabungsverordnung sehe vor, dass Frauen beim häufigen Heben von Lasten niemals die Grenzhublast von 10 kg überschreiten dürften. Die Klägerin habe zuletzt permanent, zweimal wöchentlich, je nach Schichtdienst bis maximal 800 Getränkekästen mit einem Einzelgewicht zwischen 15 und 20 kg von fünf übereinandergestapelten Kästen absetzen, wieder übereinanderstapeln und dann mit einem Ziehhaken über 15 bis 20 Meter in den Verkaufsraum oder ins Lager ziehen müssen. Nach Feierabend, nach der Ableistung von 14-stündigen unbezahlten Doppelschichten, habe sie das auf dem Hof befindliche Leergut - mit bis 40 Europaletten mit einer Bestückung von 36 bis 40 Kästen mit einem Einzelgewicht pro Palette bis 700 kg - mit einem Handhubwagen leicht ansteigendes Gelände zwischen die Regale in den Verkaufsraum ziehen müssen. Er (der Verlobte) habe selbst dabei geholfen. Weil die Klägerin keinen Führerschein besitze, habe er sie jeden Tag zur Arbeit gebracht und geholt. Abends habe er der Klägerin geholfen; er habe an ihrer Stelle mitgeholfen die schweren Paletten mit dem Leergut in den Markt reinzuziehen. Der Beklagte sei von der zuständigen Berufsgenossenschaft im Rahmen des Berufskrankheiten-Feststellungsverfahrens im Hinblick auf die Erkrankung der Klägerin, aufgefordert worden, eine Gefährdungsbeurteilung seines Betriebs durchzuführen. Dies sei am 09.08.2016 geschehen. Der Beklagte habe sich dabei fotografieren lassen, wie er selbst fünf übereinandergestapelte Kästen nach vorn gebeugt und unten mit einem Gegenstand arretiert habe. Der Beklagte habe die Kästen jedoch nicht von der Palette herunterbewegt (siehe Anlage 5sa-3 zum Schriftsatz vom 24.07.2018, Bl. 1397 d.A.). Der Beklagte habe hierbei gegenüber einer Behörde wissentlich falsche Angaben gemacht. Dies habe dazu geführt, dass der Klägerin die Erkrankung ihrer Hals- und Lendenwirbelsäule aufgrund des Nichterreichens der Mindestdosis der Belastung nicht als Berufskrankheit anerkannt worden sei. Die Arbeitsplatzbeschreibung seitens des Arbeitgebers bildet dafür mit die Grundlage.

33

Der anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte im Termin vom 02.08.2018 zunächst,

34

das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19.04.2018 aufzuheben und nach den Anträgen aus dem Schriftsatz vom 11.07.2017 zu erkennen.

35

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragte,

36

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

37

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 04.09.2017 (Bl. 797 ff d.A.).

38

Nach Antragstellung hat der anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 02.08.2018 den Klageantrag zu 5. aus dem Schriftsatz vom 11.07.2017 zurückgenommen. Außerdem stellte er die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts und reduzierte die Zinsforderung. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten äußerte sich zur teilweisen Klagerücknahme nicht.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

40

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld, Schadens- und Auslagenersatz iHv. € 23.500,00 zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsgericht war auf Antrag der Klägerin nicht verpflichtet, ein Anerkenntnisurteil zu erlassen. Die in zweiter Instanz vorgenommene Klageerweiterung war zwar zulässig, sämtliche Klageanträge aus dem Schriftsatz vom 11.07.2017 sind jedoch unbegründet. Den zweitinstanzlich gestellten Klageantrag zu 5. hat die Klägerin im Termin vom 02.08.2018 mangels Einwilligung des Beklagten nicht wirksam zurückgenommen; über ihn war daher zu entscheiden.

I.

41

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

42

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Schriftsatz ihres anwaltlichen Prozessbevollmächtigten vom 15.06.2017 als unbedingte Berufungsschrift, der Schriftsatz vom 11.07.2017 als unbedingte Berufungsbegründung auszulegen.

43

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, der die Berufungskammer folgt, ist die Einreichung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe verbunden mit einem Schriftsatz, der die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift oder an eine Berufungsbegründung erfüllt, regelmäßig als unbedingt eingelegtes und begründetes Rechtsmittel zu behandeln. Die Annahme, ein entsprechender Schriftsatz sei nicht als unbedingte Berufung oder Berufungsbegründung bestimmt, ist in solchen Fällen nur dann gerechtfertigt, wenn sich dies entweder aus dem Schriftsatz selbst oder sonst aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt; denn im Allgemeinen will keine Partei die mit einer Fristversäumung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen (vgl. BGH 03.05.2018 - IX ZB 72/17 - Rn. 6 mwN; BGH 30.05.2017 - VIII ZB 15/17 - Rn. 15 mwN).

44

Im Schriftsatz vom 15.06.2017 hat der anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass er "im Rahmen bewilligter und beantragter" Prozesskostenhilfe gegen das am 18.05.2018 zugestellte erstinstanzliche Urteil Berufung einlegt. Im Schriftsatz vom 11.07.2017 hat er formuliert, dass er "im Rahmen bewilligter und hiermit beantragter Prozesskostenhilfe" das "eingelegte Rechtsmittel Berufung" begründe. Beide Schriftsätze sind als unbedingt eingelegtes Rechtsmittel und als unbedingte Rechtsmittelbegründung auszulegen, denn sie erschöpfen sich nicht in einem Prozesskostenhilfegesuch. Der anwaltliche Prozessbevollmächtigte hat die Einlegung und Begründung der Berufung nicht von der Bedingung abhängig gemacht, dass der Klägerin Prozesskostenhilfe gewährt werde. Die Schriftsätze sind nicht als bloßes Prozesskostenhilfegesuch bezeichnet worden, sondern der Schriftsatz vom 15.06.2017 als Berufung, die - in Fettdruck und zentriert - namens und in Vollmacht der Klägerin eingelegt worden ist. Mit Schriftsatz vom 11.07.2017 wurde "das eingelegte Rechtsmittel Berufung" begründet. Vor diesem Hintergrund lässt der Zusatz, dass "im Rahmen bewilligter und (hiermit) beantragter Prozesskostenhilfe" Berufung eingelegt wird, für sich genommen nicht die erforderliche zweifelsfreie Deutung zu, dass die Berufung nur bedingt unter der Voraussetzung der Gewährung von Prozesskostenhilfe erfolgen sollte. Die paradoxe Wendung "im Rahmen bewilligter und (hiermit) beantragter Prozesskostenhilfe" wiederholt die Klägerin bzw. ihr Verlobter - und zweitinstanzlich auch ihr anwaltlicher Prozessbevollmächtigter - stereotyp zu Beginn fast jeden Schriftsatzes.

45

2. Das sich aus § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG ergebende Vertretungserfordernis war (gerade noch) gewahrt. Die Klägerin war anwaltlich vertreten. Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift tragen den Briefkopf eines Rechtsanwalts und die Unterschrift eines Angehörigen dieses Berufsstandes.

46

Das Erfordernis, sich vor bestimmten Gerichten, ua. den Landesarbeitsgerichten, durch Rechtsanwälte oder andere postulationsfähige Personen vertreten zu lassen, ist nicht gewahrt, wenn Schriftsätze zwar durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet wurden, sie jedoch nicht „aus sich heraus“ erkennen lassen, dass der postulationsfähige Prozessbevollmächtigte selbst den Streitstoff gesichtet, geprüft und rechtlich durchdrungen bzw. durchgearbeitet hat. Die Berufungsbegründung muss Ergebnis der geistigen Arbeit des Berufungsanwalts sein. Das Gebot der eigenständigen Sichtung, Prüfung und Durcharbeitung des Streitstoffs wird nicht nur dann missachtet, wenn die postulationsfähige Person eine von dritter Seite -namentlich durch den Mandanten selbst - verfasste Schrift ausdrücklich (zB. durch eine Bezugnahme hierauf) lediglich „weitergibt“; ein Verstoß gegen das Vertretungserfordernis liegt vielmehr auch dann vor, wenn die Ausführungen der nicht postulationsfähigen Person unter dem Briefkopf eines Rechtsanwalts in Erscheinung treten und durch dessen Unterschrift abgeschlossen werden, aufgrund der Diktion oder des Inhalts des Texts jedoch feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte sie „ohne erkennbare eigenständige Würdigung“ unverändert übernommen hat. Ein dahingehender Schluss ist namentlich dann gerechtfertigt, wenn in solchen Schriftsätzen enthaltene Ausführungen in juristischer Hinsicht abwegig und unhaltbar sind oder aus ihnen hervorgeht, dass dem Verfasser die für ein bestimmtes Rechtsmittel geltenden Begründungsanforderungen nicht geläufig sind (vgl. BayVGH 04.06.2018 - 22 C 18.780 - Rn. 34 ff mwN; BGH 14.03.2017 - VI ZB 34/16 - Rn. 7 ff; BGH 24.01.2008 - IX ZB 258/05 - Rn. 7 ff mwN).

47

Dass die Klägerin bzw. ihr Verlobter im Streitfall Urheber der Schriftsätze des anwaltlichen Prozessbevollmächtigten sind, folgt aus einem Vergleich der Wortwahl, des Satzbaus sowie des sonstigen Sprachstils dieser Zuschriften mit den Schreiben, die die Unterschrift der Klägerin und ihres Verlobten tragen und die sich in großer Zahl in den Gerichtsakten befinden, die dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vorliegen. Denn die stilistischen und typografischen Eigentümlichkeiten, die für die von der Klägerin und ihrem Verlobten stammenden Schreiben kennzeichnend sind, finden sich auch in den Schriftsätzen, die der Rechtsanwalt unter seinem Briefkopf unterzeichnet und eingereicht hat. Im Übrigen haben die Klägerin und ihr Verlobter im ersten Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der Berufungskammer vom 26.09.2017 (dort Seite 12 oben, Bl. 906 d.A.) ausgeführt, dass die Klagebegründungsschrift [offensichtlich gemeint: Berufungsbegründung] zwar von Rechtsanwalt B. eingereicht, jedoch nicht von diesem gefertigt worden sei, sondern von der Klägerin mit Hilfe ihres - nach seiner Einschätzung "als Autodidakt juristisch vorgebildeten"- Verlobten.

48

Obwohl nach den Umständen vieles dafür spricht, dass Rechtsanwalt B. die von der Klägerin bzw. ihrem Verlobten verfassten Schriftsätze ohne eigene Prüfung unterschrieben hat, weil auch die zweitinstanzlichen Schriftsätze in weiten Teilen durch Ausführungen geprägt sind, die juristisch abwegig und unhaltbar sind, geht die Berufungskammer - bei der auch hier gebotenen rechtsschutzfreundlichen Auslegung - davon aus, dass Rechtsanwalt B. die volle Verantwortung für den Inhalt der von ihm unterzeichneten Schriftsätze übernehmen wollte. Er hat die Schriftsätze ohne Vorbehalte und Zusätze unterzeichnet. In den mündlichen Verhandlungen vor der Berufungskammer wurde deutlich, dass er sich dem Verlobten der Klägerin, der als Beistand iSv. § 11 Abs. 6 ArbGG das Wort führte, im Willen untergeordnet hat.

II.

49

In der Sache hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Sämtliche Klageanträge sind unbegründet.

50

1. Das Arbeitsgericht hat den erstinstanzlich allein gestellten Klageantrag (Berufungsantrag zu 4.) auf Zahlung von Schmerzensgeld, Schadens- und Auslagenersatz in vorläufig bezifferter Höhe von € 23.500,00 zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

51

a) Entgegen der abwegigen Rechtsansicht der Klägerin war das Arbeitsgericht nicht verpflichtet, ihrem Antrag auf Erlass eines Anerkenntnisurteils zu entsprechen. Der Beklagte hat keine Anerkenntniserklärung iSd. § 307 ZPO abgegeben. Er hat vielmehr ausdrücklich und unmissverständlich Klageabweisung beantragt.

52

b) Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ersatz materieller oder immaterieller Schäden, weil sie behauptet, dass der Beklagte ihre gesundheitlichen Beschwerden, die zu mehreren Berufskrankheiten geführt haben sollen, vorsätzlich herbeigeführt habe. Das Arbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Beklagte nicht nach §§ 823, 847 BGB bzw. nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 618 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, der Klägerin Schmerzensgeld, Schadens- oder Auslagenersatz wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit zu leisten.

53

Nach der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts ist ein Anspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen, weil dem Beklagten nicht vorgeworfen werden kann, die behaupteten Versicherungsfälle vorsätzlich herbeigeführt zu haben. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung sind unbegründet.

54

aa) Nach § 104 SGB VII sind die Ansprüche eines Versicherten auf Ersatz des Personenschadens gegen den Unternehmer grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmen gelten nur, wenn der Unternehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Versicherungsfälle iSd. § 104 Abs. 1 SGB VII sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII sowohl Arbeitsunfälle als auch Berufskrankheiten.

55

Vorliegend unterfielen die von der Klägerin beschriebenen körperlichen Beschwerden - deren Vorhandensein und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit bei dem Beklagten zu ihren Gunsten unterstellt - entweder dem Katalog der Berufskrankheitenverordnung (Berufskrankheit Nr. 2113 und Nr. 2108) bzw. wären als sog. Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Die Klägerin behauptet, sie habe sich durch ihre rund dreijährige Tätigkeit im Einkaufsmarkt des Beklagten ein Karpaltunnel-Syndrom (beidseits) sowie bandscheibenbedingte und sonstige gesundheitliche Schäden an der Hals- und Lendenwirbelsäule zugezogen. Außerdem - dies ist unstreitig - habe sie sich bei dem Arbeitsunfall am 28.11.2014 den rechten Mittelfuß geprellt und zwei Zehen gebrochen. Die Haftung des Beklagten ist vor diesem Hintergrund auf die vorsätzliche Herbeiführung der betreffenden Gesundheitsstörungen beschränkt.

56

bb) Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz-, Schmerzensgeld- und Aufwendungsersatzansprüche sind Personenschäden iSd. § 104 VII, für die der Haftungsausschluss des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gilt. Eine Vermögensbeeinträchtigung ist dann ein Personenschaden, wenn sie durch die Verletzung eines Menschen verursacht wird; hierunter fällt nicht nur der immaterielle Schaden (Schmerzensgeld), sondern auch jeder mittelbare materielle Vermögensschaden - wie beispielsweise Verdienstausfallschäden, Fahrtkosten im Zusammenhang mit Arzt-, Krankenhaus- oder Apothekenbesuchen - als Folge der Körperverletzung (vgl. BGH 08.03.2012 - III ZR 191/11 - Rn. 8, 9; BAG 22.04.2004 - 8 AZR 159/03 - Rn. 22 mwN).

57

Die gesetzliche Unfallversicherung verlagert den Schadensausgleich bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten aus dem individualrechtlichen in den sozialrechtlichen Bereich. Die zivilrechtliche Haftung des Unternehmers für fahrlässiges Verhalten bei Personenschäden gegenüber dem Arbeitnehmer wird durch die öffentlich-rechtliche Leistungspflicht der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung abgelöst (§ 104 SGB VII). Mit dieser Ablösung einher geht eine entsprechende Haftungsfreistellung des Unternehmers.

58

cc) Zu Unrecht wendet sich die Berufung gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, der Beklagte habe die Gesundheit der Klägerin nicht vorsätzlich geschädigt.

59

(1) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. unter vielen BAG 22.04.2004 - 8 AZR 159/03 - Rn. 36 mwN) ist Vorsatz das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs. Der Handelnde muss den rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Der Erfolg muss von dem Handelnden billigend in Kauf genommen worden sein. Nicht erforderlich ist, dass der Erfolg gewünscht oder beabsichtigt worden ist. Dabei genügt es nicht, dass sich der Vorsatz nur auf die Verletzungshandlung bezieht, sondern dieser muss sich auch auf den Verletzungserfolg, den Personenschaden erstrecken (vgl. nur BGH 08.03.2012 - III ZR 191/11 - Rn. 14 mwN.). Für den Ausschlusstatbestand des Vorsatzes ist - entgegen der Rechtsansicht der Berufung - der Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 27.06.2014 - 7 Sa 112/14 - Rn. 32 mwN; BeckOK SozR/Stelljes SGB VII § 104 Rn. 38 mwN.), also hier die Klägerin.

60

Allein die ggf. vorsätzliche Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften - oder hier der Lastenhandhabungsverordnung - genügt nicht, um ein vorsätzliches Handeln anzunehmen (vgl. BAG 28.04.2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 50; BAG 10.10.2002 - 8 AZR 103/02; LAG Rheinland-Pfalz 27.06.2014 - 7 Sa 112/14 - Rn. 33 mwN). Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, indiziert allein der Verstoß gegen zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzpflichten keinen Vorsatz. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz. Es verbietet sich, die vorsätzliche Pflichtverletzung mit einer ungewollten Folge mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten Berufskrankheit gleichzusetzen (vgl. BAG 20.06.2013 - 8 AZR 471/12 - Rn. 23 ff.; LAG Rheinland-Pfalz 10.11.2016 - 6 Sa 247/16 - Rn. 33 mwN). Ließe man es für Vorsatz - worauf die Argumentation der Berufung hinausläuft - ohne weiteres ausreichen, dass der Arbeitgeber wissentlich und willentlich in Kenntnis der maßgebenden Umstände durch die Missachtung von Arbeitnehmerschutzvorschriften (zB. keine Bereitstellung von Fußschutz bei Arbeiten mit Paletten oder Getränkekästen) eine Gefahrerhöhung vorgenommen hat, so wären kaum noch Fälle denkbar, in denen lediglich grob fahrlässiges Verhalten des Arbeitgebers in Betracht kommt. Die Ausdehnung des Vorsatzbegriffs auf praktisch alle bewussten Handlungen, wie ihn die Klägerin vertritt, würde zu einer Haftung in nahezu allen denkbaren Fällen führen. Das wäre mit dem Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 SGB VII nicht vereinbar.

61

Es gibt allerdings keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine mögliche Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt. Es kann naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (vgl. BAG 20.06.2013 - 8 AZR 471/12 - Rn. 28, 29 mwN). Allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden war (vgl. BGH 20.12.2011 - VI ZR 309/10 - Rn. 11 mwN). Deshalb ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich die Berufungskammer anschließt, immer eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erforderlich.

62

(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann im Streitfall bei einer umfassenden Würdigung sämtlicher Umstände nach Überzeugung der Berufungskammer nicht angenommen werden, dass der Beklagte die von der Klägerin vorgetragenen Gesundheitsschäden zumindest billigend in Kauf genommen hat.

63

Dem umfangreichen, sich wiederholenden und teilweise widersprüchlichen Vorbringen der Klägerin lassen sich auch zweitinstanzlich keine ausreichend konkreten Tatsachen dafür entnehmen, dass der Beklagte den Arbeitsunfall vom 28.11.2014 oder die aufgeführten Berufskrankheiten, die - bis auf das beidseitige Karpaltunnel-Syndrom - von der zuständigen Berufsgenossenschaft BGHW im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren bisher nicht anerkannt worden sind, vorsätzlich herbeigeführt hat. Die bloße Wertung der Klägerin, der Beklagte habe vorsätzlich gehandelt, ersetzt im Zivilprozess keinen Tatsachenvortrag aus dem das Gericht einen entsprechenden Schluss ziehen müsste.

64

Dem Beklagten ist, was die Berufung bei ihrer Argumentation ausblendet, auch nur bedingter Vorsatz selbst dann nicht zwangsläufig vorzuwerfen, wenn man unterstellt, dass Verstöße gegen die von der Klägerin ins Feld geführten Schutzvorschriften (Arbeitszeitgesetz, Arbeitsschutzgesetz, Arbeitssicherheitsgesetz, Lastenhandhabungsverordnung) objektiv vorgelegen haben. Die Klägerin hat auch zweitinstanzlich nichts Substanzielles dafür vorgetragen, dass der Beklagte die von ihr vorgetragenen Schadensfolgen gebilligt hat.

65

Weshalb den Beklagten am Karpaltunnel-Syndrom (beidseits), das als Berufskrankheit (Listenkrankheit Nr. 2113) von der zuständigen Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 20.03.2018 anerkannt worden ist, ein vorsätzliches Verschulden treffen soll, hat die Klägerin nicht ansatzweise vorgetragen. Hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich.

66

Soweit die Berufung auf die - bisher nicht als Berufskrankheit anerkannten - bandscheibenbedingten Erkrankungen an der Hals- und Lendenwirbelsäule abstellt, macht sie geltend, die Klägerin habe im Einkaufsmarkt des Beklagten, in dem sie nur etwa drei Jahre tatsächlich gearbeitet hat, "Getränkelastzüge" bzw. zweimal wöchentlich mehrere 100 Getränkekästen, bis zu jeweils 1000 Kästen, mit einem Einzelgewicht zwischen 17,5 kg und über 20 kg verräumen müssen. Diese pauschalen Behauptungen werden zwar ständig wiederholt, aber nicht durch konkreten Tatsachenvortrag untermauert. Darüber hinaus wechseln die lediglich pauschalen Behauptungen der Klägerin zur Länge ihrer täglichen Arbeitszeit, zum Gewicht der einzelnen Getränkekästen, zur Menge der angelieferten Getränkekästen, zur Anzahl der Personen, die mit dem Verräumen der Getränkekästen beschäftigt worden sind und zu den technischen Hilfsmitteln von Schriftsatz zu Schriftsatz. Zuletzt gab der Verlobte und Beistand der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2018 noch weitere Erklärungen ab. Gleichwohl fehlt es an konkreten Tatsachenbehauptungen, die das Gericht in die Lage versetzen könnten, nachzuprüfen, der Beklagte habe jedenfalls bedingt vorsätzlich die Gesundheit der Klägerin geschädigt.

67

Zum einen ist nicht konkret vorgetragen, an welchen Arbeitstagen genau der Beklagte die Klägerin zu Arbeitsschichten von über 10 Stunden täglich gezwungen haben soll. Es kann deshalb auch nicht geprüft werden, ob die Klägerin an diesen Arbeitstagen die Lieferung von Getränkekästen zu verräumen hatte. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, mit welchen Mitteln der Beklagte den behaupteten "Zwang" ausgeübt haben soll, zumal sie - nach dem Vortrag ihres Beistands in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2018, den sie sich gem. § 11 Abs. 6 Satz 5 ArbGG zurechnen lassen muss - täglich von ihrem Verlobten zur Arbeit gefahren und wieder abgeholt worden ist. Da diesem die gesetzlichen Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz bekannt sind, ist nach dem Eindruck der Kammer nicht vorstellbar, dass er die Verletzung der werktäglichen Höchstarbeitszeit widerspruchslos geduldet hätte. Für die vom Verlobten der Klägerin zuletzt behaupteten 14-stündigen unbezahlten Doppelschichten fehlt es an jedweden Anhaltspunkten.

68

Hinzu kommt, dass die Klägerin nach ihren handschriftlichen Aufzeichnungen zu der erstinstanzlich geltend gemachten Überstundenvergütung (Anlage OAL 2 Seite 1-23 zum Schriftsatz vom 31.10.2016, Bl. 192-214 d.A.), im angegebenen Zeitraum vom 09.01.2015 bis zum 16.01.2016 an insgesamt 263 Arbeitstagen an 10 Arbeitstagen über 10 Stunden im Einkaufsmarkt des Beklagten gearbeitet haben will: nämlich am Montag, 26.01.2015 11,5 Stunden; am Montag, 09.02.2015 11,5 Stunden; am Dienstag, 17.02.2015 11,5 Stunden; am Donnerstag, 26.02.2015 11,5 Stunden; am Freitag, 06.03.2015 11,5 Stunden; am Samstag, 04.04.2015 12,5 Stunden; am Freitag, 17.04.2015 12,5 Stunden mit ¾ Pause, am Freitag, 26.06.2015, 11,5 Stunden; am Montag, 06.07.2015 11,5 Stunden und am Samstag, 25.07.2015 13,0 Stunden. Die Richtigkeit dieser Zeitangaben unterstellt, hätte der Beklagte an 10 von 263 Arbeitstagen objektiv gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, darunter (nur) an 2 Arbeitstagen (dienstags, donnerstags) mit Getränkelieferung. Tatsachen, die im subjektiven Tatbestand auf einen zumindest bedingten Vorsatz schließen lassen, lassen sich daraus nicht ableiten. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass es dem Beklagten als ernsthaft möglich erscheinen musste, dass die Klägerin wegen dieser Überschreitungen der werktäglichen Höchstarbeitszeiten Berufskrankheiten mit schweren und irreversiblen Körperschäden davonträgt.

69

Zum anderen hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen, wie viele Stunden sie an welchen Tagen vom Beklagten konkret damit beschäftigt worden ist, Getränkekästen zu heben, zu stapeln und zu tragen. Ihrem Vortrag lässt sich auch nicht entnehmen, welche konkreten Personen sie wann in welchem Umfang beim Verräumen der Getränkekästen unterstützt haben. Zur personellen Unterstützung gibt die Berufung lediglich an, ohne dies nach der Anzahl der Tage und Arbeitsstunden auch nur annähernd zu konkretisieren, dass der Klägerin teilweise ein 14-jähriger Praktikant geholfen habe, teilweise auch der Beklagte selbst und teilweise eine weitere Mitarbeiterin. Zudem hat der Verlobte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2018 erklärt, dass auch er persönlich mitgeholfen habe, um die Klägerin zu entlasten.

70

Schließlich macht die Klägerin keine konkreten Angaben zum Einzelgewicht der Getränkekästen (Voll- oder Leergut) sowie zur Menge und zum Gesamtgewicht der angelieferten Getränkekästen, die von ihr selbst gehoben, getragen und gestapelt worden sein sollen. Da die Anzahl der Getränkekästen nach der Darstellung der Klägerin je nach Jahreszeit und Kundennachfrage variierte, wären hier konkrete Mengen- und Gewichtsangaben je Lieferung erforderlich gewesen, um die Berufungskammer überhaupt in die Lage zu versetzen, zu prüfen, ob und ggf. wie häufig und mit welcher Intensität, die in der Lastenhandhabungsverordnung oder sonstigen Arbeitnehmerschutzvorschriften geregelten Grenzwerte überschritten worden sind. Es ist auch unklar, welche Hilfsmittel der Klägerin für welche konkrete Tätigkeit an welchen Tagen zur Verfügung gestanden haben (Ziehhaken, Sackkarre, Handhubwagen) und ggf. weshalb sie diese nicht benutzen konnte. Ausmaß, Häufigkeit und Dauer des erforderlichen Kraftaufwandes lassen sich nicht ansatzweise beurteilen. Es ist auch nicht vorgetragen worden, aufgrund welcher konkreten Umstände dem Beklagten bekannt gewesen sein soll, dass die Klägerin aufgrund ihrer Körpergröße und ihrer geschlechtsspezifisch geringeren Muskelmaximalkraft körperlich nicht in der Lage gewesen ist, Getränkekästen im behaupteten Umfang zu verräumen, ohne ihre Gesundheit dauerhaft zu ruinieren. Unter diesen Umständen kann im Streitfall nicht angenommen werden, dass der Beklagte eine starke Gefährdung der Gesundheit der Klägerin für ernstlich möglich gehalten hat. Das Bewusstsein einer ernstlichen Gefahr oder die Billigung des schädigenden Erfolgs liegt nicht nahe. Ein bedingter Vorsatz des Beklagten ist deshalb zu verneinen.

71

Soweit sich die Klägerin bei dem anerkannten Arbeitsunfall vom 28.11.2014 den rechten Mittelfuß geprellt und zwei Zehen gebrochen hat, weil ihr eine nasse Europalette aus den Händen geglitten und auf den Fuß gefallen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte habe den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt. Selbst wenn der Beklagte seine Pflicht verletzt haben sollte, der Klägerin eine persönliche Schutzausrüstung (Sicherheitsschuhe und Regenbekleidung) zur Verfügung zu stellen, spricht nach Auffassung der Berufungskammer alles dafür, dass der Beklagte davon ausgegangen ist, dass sich eine eventuelle Gefahr zu Lasten der Klägerin jedenfalls nicht realisieren werde und daher kein bedingter Vorsatz, sondern allenfalls bewusste Fahrlässigkeit vorgelegen hat, die den Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht zu verhindern vermag. Substantiierter Sachvortrag zu Tatsachen, die Rückschlüsse auf die Erfüllung des subjektiven Vorsatztatbestandes beim Beklagten hätten rechtfertigen können, fehlt auch zum Arbeitsunfall vom 28.11.2014.

72

(3) Mangels konkreten Tatsachenvortrags bedurfte es im Streitfall – entgegen der Ansicht der Berufung - keiner Beweiserhebung. Hinzu kommt, dass die handschriftlichen Aufzeichnungen der Klägerin vom 16.03., 07.04. und 12.04.2016, die mehrfach, ua. als Anlagen "n-out 7 bis "n-out 10" (Bl. 747-749 d.A.) zur Berufungsbegründung vorgelegt worden sind, als Beweismittel ungeeignet sind. Sie ersetzen auch keinen konkreten Sachvortrag. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich bei umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht, dass dem Beklagten Vorsatz zur Last gelegt werden kann. Es ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt. Fahrlässigkeit, auch grobe Fahrlässigkeit, reicht indes nicht aus, um das gesetzliche Haftungsprivileg des § 104 SGB VII zu entsperren.

73

Entgegen der Ansicht der Berufung war die Berufungskammer insbesondere nicht gehalten, den Beweisanträgen der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 02.01.2018 (Bl. 1089 d.A.) nachzugehen. Den Anträgen auf Beiziehung der Akten, die in Angelegenheiten der Klägerin bei der BGHW unter den Aktenzeichen 37 B 10786-16 S und 37 B 19888 - 16 S, bei der SGD Nord (regionale Gewerbeaufsicht) unter dem Aktenzeichen 23/1-132 41.0 - 194/15, beim Sozialgericht Koblenz unter dem Aktenzeichen S 2 U 122/17 und beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz unter dem Aktenzeichen L 2 U 191/17 geführt werden, war nicht nachzugehen. Es ist nicht vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb der Inhalt dieser Akten für das vorliegende Verfahren relevant sein könnte. Die Berufung verkennt, dass allein die zuständige Berufsgenossenschaft und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit darüber zu befinden haben, ob die von der Klägerin angegebenen Berufskrankheiten anerkannt werden und ihr eine Versichertenrente gewährt wird.

74

Die Berufungskammer war auch nicht verpflichtet, den Verlobten der Klägerin oder die anderen benannten Zeugen (G. von der SGD Nord; W. von der BGHW; G. vom Referat IV 4a des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Dr. med. L. von der Fachgruppe 3.1. der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; Dr. med. R. vom Universitätsklinikum Bonn sowie K., S., M. und Sch.) zu vernehmen. Gem. § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (vgl. BAG 25.03.2015 - 5 AZR 368/13 - Rn. 23 mwN). Danach waren auch die Zeugenbeweisantritte der Klägerin unbeachtlich. Sie hat lediglich angegeben, dass sie mit den Zeugenaussagen den Nachweis führen könne, dass der Beklagte ihre Gesundheit vorsätzlich habe schädigen wollen und geschädigt habe. Damit hat die Klägerin kein konkretes Beweisthema zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des behaupteten (bedingten) Vorsatzes des Beklagten bezeichnet.

75

Es war auch nicht erforderlich, den im Termin vom 02.08.2018 als Zuschauer im Sitzungssaal anwesenden (in Deutschland niedergelassenen rumänischen Avocat definitiv) C. P. als Zeugen zu vernehmen. Der im Termin gestellte Beweisantrag war schon mangels Behauptung einer bestimmten Beweistatsache unerheblich. Zum anderen ist es für das zweitinstanzliche Verfahren unerheblich, was der sistierte Zeuge zum Ablauf der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Koblenz am 26.04.2017 zu bekunden hat. Seine schriftliche Aussage vom 24.05.2017 befindet sich mehrfach in der Gerichtsakte (zuletzt als Anlage 5sa-1 zum Schriftsatz vom 24.07.2018, Bl. 1393 d.A.). Seine Ausführungen sind für die Entscheidungsfindung der Berufungskammer belanglos.

76

2. Auch die in der Berufungsinstanz erstmals mit Schriftsatz vom 11.07.2017 gestellten Klageanträge zu 3., 5., 6. und 7. sind unbegründet.

77

a) Auf die hier vorliegende nachträgliche Klageerweiterung sind die Grundsätze der Klageänderung nach §§ 533, 263,264 ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. BAG 14.06.2017 - 10 AZR 308/15 - Rn. 38 mwN). Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen (vgl. BAG 13.04.2016 - 4 AZR 13/13 - Rn. 87 mwN).

78

Danach ist die von der Klägerin vorgenommene Klageerweiterung in der Berufungsbegründungsschrift vom 11.07.2017 sachdienlich. Sie steht in einem inneren tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit den bereits anhängigen Streitgegenständen. Auch aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit führt die Zulassung der zweitinstanzlichen Klageerweiterung zu einer Erledigung des Streits zwischen den Parteien über diese Streitgegenstände.

79

b) Der Klageantrag zu 3. ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr der Beklagte die außergerichtlichen Kosten für das erstinstanzliche Verfahren erstattet. Die gesetzliche Vorschrift des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schließt auch einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch aus, der als Schadensersatzanspruch entstanden ist, gleichgültig, worauf er gestützt wird (vgl. BAG 27.10.2005 - 8 AZR 546/03). Über die Verpflichtung, die Gerichtskosten erster Instanz und die Rechtsmittelkosten zu tragen hat das Berufungsgericht nach § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu entscheiden, also ohne Rücksicht auf Anträge oder Anregungen der Parteien als Folge der letztlich zwischen ihnen ergehenden Sachentscheidung. Da die Klägerin in vollem Umfang unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.

80

c) Der Klageantrag zu 5. ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr der Beklagte in der Zeit des Krankengeldbezugs - vom 14.06.2016 bis zum 30.10.2017 - die Differenz zwischen dem fiktiven Nettolohn und dem Krankengeld als Verdienstausfallschaden ersetzt.

81

aa) Über den Klageantrag zu 5. war zu befinden, weil ihn die Klägerin im Termin vom 02.08.2018 nicht wirksam zurückgenommen hat.

82

Die Klägerin hat zwar - nach Stellung der Anträge - in der mündlichen Verhandlung vom 02.08.2018 ausdrücklich gegenüber dem Gericht erklärt, dass sie den Klageantrag zu 5. zurücknimmt. Die Zurücknahme der Klage ohne Einwilligung des Beklagten ist jedoch gem. § 269 Abs. 1 ZPO nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache möglich. Da der Beklagte bereits den Antrag auf Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 19.04.2018 gestellt hatte, war er bereits in die mündliche Verhandlung zur Hauptsache eingetreten. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat keine Einwilligung in die Klagerücknahme erklärt, sondern sich hierzu nicht geäußert. Damit gilt seine Zustimmung als verweigert (vgl. Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 269 Rn. 15; MüKoZPO/Becker-Eberhard 5. Aufl. § 269 Rn. 31).

83

Die Frage, ob eine doppelte Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vorliegt, ist im erstinstanzlich anhängigen Verfahren auf Zahlung von € 576.000,00 (Az. 8 Ca 3768/17) zu prüfen.

84

bb) Für den Klageantrag zu 5. fehlt eine Anspruchsgrundlage. Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist bei derselben Erkrankung nach § 3 Abs. 1 EntgFG bis zur Dauer von sechs Wochen beschränkt. Dieser Zeitraum ist hier am 13.06.2016 abgelaufen. Seit dem 14.06.2016 leistete die gesetzliche Krankenkasse Krankengeld nach Maßgabe der §§ 44 SGB V ff. Ein Schadensersatzanspruch auf entgangene Arbeitsvergütung (§ 252 BGB) scheitert unter anderem daran, dass dem Beklagten - wie oben unter Ziff. 1b) der Entscheidungsgründe ausgeführt - keine vorsätzliche Verletzung der Gesundheit der Klägerin vorzuwerfen ist.

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d) Der Klageantrag zu 6., der darauf gerichtet ist, festzustellen, dass der Beklagte nach dem Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld verpflichtet ist, der Klägerin zukünftig den Lohn ohne Arbeitsleistung fortzuzahlen und ihr wegen Berufsunfähigkeit weitergehende materielle oder immaterielle Schäden zu ersetzen, ist ebenfalls unbegründet. Wie bereits oben - unter Ziff. 1b) der Entscheidungsgründe - ausgeführt, liegen die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs für Personenschäden nicht vor. Die Haftung des Beklagten ist nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen.

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e) Der Klageantrag zu 7. ist unbegründet. Der Klägerin steht in Ermangelung einer Hauptforderung auch kein Zinsanspruch zu.

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3. Die Berufung ist auch nicht deshalb erfolgreich, weil das Versäumnisurteil vom 19.04.2018 - wie die Klägerin meint - zu Unrecht ergangen ist.

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Unabhängig davon, dass dies gem. § 342 ZPO für das weitere Verfahren prozessual unbeachtlich ist, lag am 19.04.2018 Säumnis vor. Ein Termin ist von einer Partei auch dann versäumt, wenn ihr Rechtsanwalt zwar anwesend ist, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aber nicht verhandelt, weil er die Stellung der Anträge verweigert. Eine mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen, §§ 137 Abs. 1, 297 ZPO. Ein Verhandeln iSd. §§ 333, 345 ZPO liegt nicht vor, wenn eine Partei lediglich Gesuche zur Ablehnung von Richtern anbringt (vgl. BGH 27.05.1986 - IX ZR 152/85 - Rn. 25 mwN).

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Gemessen hieran war die Klägerin am 19.04.2018 säumig. Ausweislich der Sitzungsniederschrift (Bl. 1245 ff d.A.) hat der als Prozessbevollmächtigter der Klägerin zweitinstanzlich aufgetretene Rechtsanwalt B. trotz Aufforderung keinen Sachantrag gestellt, sondern vielmehr ausdrücklich erklärt, keine Anträge stellen zu wollen. Dass die Klägerin und ihr als Beistand iSd. § 11 Abs. 6 ArbGG aufgetretener Verlobter im gleichen Termin nach Zurückweisung der weiteren Befangenheitsanträge weitere Ablehnungsgesuche gegen die Vorsitzende angebracht haben, vermochte ein Verhandeln in der Sache nicht zu ersetzen.

III.

90

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

91

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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