Urteil vom Landgericht Bielefeld - 5 O 134/18
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zur Insolvenzmasse einen Betrag in Höhe von USD 64.113,87 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. März 2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte zu 3) wird ferner verurteilt, an den Kläger aus einem Betrag von USD 64.113,87 weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum zwischen dem 03. Juli 2015 und dem 04. April 2017 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn Dr. A. B. (im Folgenden: Schuldner).
3Mit der Klage nimmt er die Beklagten zu 1) und 2) auf Schadensersatz in Anspruch. Zu Grunde liegt der von ihnen vorgenommene Einzug einer Forderung des Schuldners auf ein schuldnerfremdes Konto. Die Beklagte zu 3) war Inhaberin des Kontos, auf das der Betrag einging; diese nimmt der Kläger aus Insolvenzanfechtung in Anspruch.
4Das Amtsgericht Bielefeld eröffnete am 03.07.2015 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Zu Grunde lagen Gläubigeranträge vom 23.01. und 05.06.2015 sowie ein Eigenantrag des Schuldners vom 31.03.2015.
5Der Schuldner erlangte in den 90er Jahren sowie zu Beginn des neuen Jahrtausends Bekanntheit durch diverse wirtschaftsleitende Funktionen. So war er von November 1998 bis Juli 2002 Vorstandsvorsitzender der D. AG und von Juni 2004 bis Mai 2005 Aufsichtsratsvorsitzender der N. AG (später: O. AG); von Mai 2005 bis Februar 2009 leitete er die N. AG als Vorstandsvorsitzender.
6Spätestens seit dem Jahr 2000 unterhielt der Schuldner geschäftliche Kontakte zu dem Bankhaus T.AG & Co.KGaA (im Folgenden T.), das ihm und seiner Ehefrau Darlehen im Millionenbereich gewährte. Diese dienten überwiegend der Finanzierung von Grundstücksgesellschaften, aber auch dem direkten Erwerb von Immobilien und weiteren Zwecken.
7Mit Schreiben vom 18.10.2011 forderte das Bankhaus T. den Schuldner und dessen Ehefrau auf, ausgelaufene Kredite in einer Gesamthöhe von 51.740.862,74 Euro (inklusive Zinsen) unverzüglich, spätestens bis zum 20.12.2011 zurückzuführen (Anlage TW2, Bl. 16 d.A.). Weitere, über mehrere Jahre geführte Korrespondenz zwischen dem Schuldner bzw. seinen Vertretern und der T. schloss sich an. Dabei erhob der Schuldner gegenüber dem Bankhaus T. Gegenforderungen, die sich ebenfalls im Millionenbereich bewegten.
8In den Rechtsbeziehungen zum T. sowie allgemein in Vermögensfragen beriet den Schuldner insbesondere der Beklagte zu 1). Dieser ist als Rechtsanwalt und namensgebender Seniorpartner der E. Rechtsanwälte Steuerberater Partnergesellschaft mbB (im Folgenden E.) in Berlin tätig. Er ist ferner Mitglied des Verwaltungsrats der Beklagten zu 3) mit Sitz in W. [Schweiz].
9Unter dem 28.10.2011 hatte die I.GmbH (I.) Klage gegen den Schuldner erhoben. In diesem Verfahren wurde der Schuldner von dem Beklagten zu 1) vertreten. Das Verfahren wurde mit einem Vergleich vom 21.08.2012 beendet, in dem sich der Schuldner gegenüber der I. zu der Zahlung eines Betrages von EUR 934.000,00 verpflichtete (Anlage TW63, Bl. 2016 ff. d.A.). Die laut dem Vergleich angestrebte weitergehende Gesamtregelung kam nicht zustande. Nachdem der im Vergleich vereinbarte Vollstreckungsaufschub am 30.09.2013 abgelaufen war, leistete der Schuldner auch in der Folge bis zu der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Zahlung auf den Vergleich. Die I. ließ der E. als Prozessbevollmächtigten des Schuldners am 29.11.2013 eine vollsteckbare Ausfertigung des Vergleichs zustellen. Der Beklagte zu 1) unterzeichnete das Empfangsbekenntnis hierüber am 02.12.2013.
10Die I. beantragte am 17.12.2013 auf der Grundlage des am 21.08.2012 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs die Bestimmung eines Termins zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung des Schuldners zur Vermögensauskunft nach § 802c ZPO.
11Am 24.02.2014 erwirkte die I. gegen den Schuldner sodann einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Bielefeld (Anlage TW 68, Bl. 2026 ff. d.A.), welcher der DS 1 GbR sowie der DS 2 GbR, der DS 3 GbR und der DS 4 GbR als Drittschuldnerinnen zugestellt wurde.
12Die My. GbR i.L. (MY.) hatte ebenfalls am 28.10.2011 gegen den Schuldner Klage erhoben. Auch in diesem Rechtsstreit wurde der Schuldner durch die E. und den Beklagten zu 1) anwaltlich vertreten. Der Rechtsstreit endete ebenfalls am 21.08.2012 mit einem gerichtlichen Vergleich
13Der Schuldner verpflichtete sich darin gegenüber der MY. zu der Zahlung eines Betrages von EUR 1.566.000,00, den er jedoch bis zu der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht leistete. Auch in diesem Vergleich war ein Vollstreckungsaufschub bis 30.09.2013 vereinbart worden. Die MY. ließ der E. als Prozessbevollmächtigten des Schuldners am 29.11.2013 eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs zustellen. Der Beklagte zu 1) unterzeichnete auch das Empfangsbekenntnis hierüber am 02.12.2013.
14Die MY. erwirkte am 06.01.2014 gegen den Schuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Bielefeld (Anlage TW 69, Bl. 2036 ff. d.A.), welcher neben der T. und der DS 1 GbR, der DS 2 GbR, der DS 3 GbR, der DS 4 GbR sowie den weiteren Grundstücksgesellschaften DS 5 GbR, DS 6 GbR, DS 7 GbR und DS 8 GbR als Drittschuldnerinnen zugestellt wurde.
15Der Unternehmer P. erwirkte gegen den Schuldner am 19.02.2014 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main, welcher der Commerzbank AG als Drittschuldnerin zugestellt wurde (Anlage TW60, Bl. 2004 ff. d.A.). Dem PfÜB lag eine Hauptforderung i.H.v. 6.970.000,00 Euro zu Grunde zzgl. Zinsen i.H.v. 288.292,76 Euro und Vollstreckungskosten i.H.v. 8.473,64 Euro. Herr P. erlangte aus dieser Pfändung am 03. und 04.04.2014 Drittschuldnerüberweisungen der Commerzbank AG in Höhe von 18.956,78 Euro, 866,56 Euro und 6.991,89 Euro.
16Unter dem 22.03.2014 schlossen der Schuldner und seine Ehefrau mit der Kx. GmbH einen Geschäftsbesorgungsvertrag, der u.a. in § 1 vorsah, dass die Kx. GmbH die Lebenshaltungskosten des Schuldners und seiner Ehefrau bestreiten sollte. Der Vertrag (Bl. 863 ff. d.A.) wurde von dem Schuldner, der Ehefrau des Schuldners und Herrn Dr. C. als Geschäftsführer der Kx. GmbH unterzeichnet. Herr Dr. C. ist seinerseits auch für die Rechtsanwaltsgesellschaft der Beklagten zu 3) tätig.
17Unter dem 17.06.2014 schlossen sodann die Kx. GmbH und die Beklagte zu 3) einen Treuhandvertrag in deren Rahmen sich die Beklagte zu 3) als Treuhänderin verpflichtete, ein Konto für die Belange der Kx. GmbH einzurichten. Auf die Anlage B5, Bl. 923 ff. d.A. wird Bezug genommen.
18Unter dem 17.06.2014 schlossen der Schuldner und seine Ehefrau, die E. und eine weitere Rechtsanwaltsgesellschaft eine „Vereinbarung zur Honorarsicherung“. In der Vorbemerkung heißt es:
19„(1) Die Rechtsanwaltskanzleien vertreten, beraten und betreuen seit Jahren [den Schuldner] und [seine Ehefrau] in deren sämtlichen Rechtsangelegenheiten. Bedingt durch den Umstand, dass den Eheleuten B. infolge einer umfassenden Geltendmachung eines AGB-Bankenpfandrechts durch das Bankhaus [T.] seit längerem der Zugriff auf große Teile ihres Vermögens verwehrt ist, sind zwischenzeitlich erhebliche Honorarrückstände gegenüber den Rechtsanwaltskanzleien E. und […] aufgelaufen und werden, wie bereits derzeit absehbar, in naher Zukunft weitere Honoraransprüche der Rechtsanwaltskanzleien zur Entstehung gelangen, für welche diese Vorschussleistungen nach § 9 RVG beanspruchen können.
20(2) E. sowie […] haben insoweit in der Vergangenheit noch nicht beglichene anwaltliche Leistungen im Umfang von jeweils mehr als 2.000.000.-€ erbracht.“
21Am 25.07.2014 gab der Schuldner eine Vermögensauskunft ab. Im Rahmen eines Gerichtstermins vor dem Landgericht Essen im August 2014 wurde bei dem Schuldner eine Uhr gepfändet.
22Am 27.07.2014 gab der Schuldner der Deutschen Presseagentur ein Interview. In diesem erklärte er:
23Frage: „Haben sie noch einen Überblick, wer wieviel Geld von Ihnen verlangt, und wieviel Sie umgekehrt fordern?"
24Schuldner: „Der Unternehmensberater P. verlangt von mir 7,5 Millionen Euro davon sind ca. 2 Millionen Euro durch Sicherheiten von mir abgesichert, mein früherer Vermögensverwalter I. 2,5 Millionen Euro, der O.-Insolvenzverwalter 3,4 Millionen Euro, gegen die aber noch Gegenforderungen von mir bestehen beziehungsweise die über die Managerversicherung abgedeckt sind, und die Bank T. ca. 70 Millionen Euro. Umgekehrt verlange ich über 200 Millionen Euro. Ich glaube, das ist eine noch immer überschaubare Relation."
25Frage: „Noch einmal direkt gefragt: Sind Sie pleite?“
26Schuldner: „Ganz klare Antwort: Nein. Aber das Problem ist, dass ich an meine Liquidität nicht herankomme. Deshalb muss ich Wege finden, wie ich bestehende Forderungen bedienen kann. Dazu bin ich gerne bereit. Und an der Umsetzung arbeiten wir mit Hochdruck.“
27Am 14.11.2014 verurteilte das Landgericht Essen den Schuldner wegen Untreue in 27 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und erließ Haftbefehl wegen Fluchtgefahr, der sogleich vollstreckt wurde.
28Am 11.12.2014, während der Haft, ermächtigte der Schuldner den Beklagten zu 1) sowie den Beklagten zu 2), seinen ältesten Sohn, per Generalvollmachten zur umfassenden Wahrnehmung seiner wirtschaftlichen und finanziellen Interessen (Anlage TW 3 Bl. 30 ff. d.A.).
29Unter Verwendung dieser Vollmachten vereinbarten die Beklagten zu 1) und 2) mit einem Darlehensnehmer des Schuldners, Herrn U. (Darlehensnehmer), am 19.12.2014 die vorzeitige Rückzahlung einer Darlehensschuld in Höhe von USD 64.113,87. Vereinbarungsgemäß überwies Herr U. den genannten Betrag auf ein Bankkonto bei der Credit Suisse AG, das die Zusatzbezeichnung „Kx. GmbH“ trug und dessen Kontoinhaberin die Beklagte zu 3) war.
30Der Kläger forderte die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 9.3.2018 auf, den von Herrn U. überwiesenen Betrag in Höhe von 64.113,87 USD bis zum 29.03.2018 an ihn zu zahlen. Das Schreiben ging dem Beklagten zu 1) am 12.3.2018, dem Beklagten zu 2) am 16.3.2018 und der Beklagten zu 3) am 14.3.2018 zu. Die Beklagten wiesen das Zahlungsbegehren jeweils zurück.
31Der Kläger hat zunächst behauptet, die Rückzahlung des Darlehens durch Herrn U. auf das schuldnerfremde Konto der Beklagten zu 3) sei ohne Zustimmung des Schuldners erfolgt und habe seinem Willen und Interesse widersprochen.
32Er ist der Ansicht, durch die Vereinbarung mit Herrn U. hätten die Beklagten zu 1) und 2) den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) verwirklicht. In diesem Zusammenhang bestreitet der Kläger die Behauptung der Beklagten, der Schuldner und seine Ehefrau hätten sämtliche Vermögensrechte aus privaten oder beruflichen Geschäftsbeziehungen an die Q. GmbH abgetreten und diese GmbH sowie später – ab 2011 – die Kx. GmbH hätten die Lebenshaltungskosten der Eheleute B. als Geschäftsbesorgerin übernommen. Der hierzu vorgelegte Geschäftsbesorgungsvertrag sei tatsächlich erst im Oktober 2014, im Zusammenhang mit einer Drittwiderspruchsklage vor dem Landgericht Bielefeld, geschlossen und auf den 12.5.2011 zurückdatiert worden; er sei als Scheingeschäft nichtig.
33Der Kläger entnimmt dem Vortrag der Beklagten die Behauptung, die Rückzahlung des Darlehens auf das Konto der Beklagten zu 3) sei mit ausdrücklicher Zustimmung des Schuldners erfolgt; diesen Vortrag macht er sich hilfsweise zu Eigen. Er ist der Ansicht, die Beklagten zu 1) und 2) hafteten in diesem Fall auf Grund der Beihilfe zu einem Bankrott, §§ 823 Abs. 2 BGB, 27, 283 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB.
34Der Kläger behauptet weiter, der Schuldner sei spätestens seit dem 20.12.2011 zahlungsunfähig gewesen; der Schuldner habe erhebliche fällige Verbindlichkeiten gegenüber dem Bankhaus T., Herrn P. (7,5 Mio. Euro), Herrn I. (2,5 Mio. Euro) sowie dem Insolvenzverwalter der O. AG (3,4 Mio. Euro) gehabt; auch lasse das Verhalten des Schuldners im Jahr 2014 – der Schuldner verließ (insoweit unstreitig) das Gerichtsgebäude am 25.07.2014 über ein rückwärtiges Fenster – auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen.
35Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten jeweils Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gehabt.
36Gegenüber der Beklagten zu 3) vertritt der Kläger die Ansicht, diese schulde die Rückzahlung des von Herrn U. gezahlten Betrages aus Gründen der Insolvenzanfechtung. Da ein Rechtsgrund für die Überweisung des Betrages auf ihr Konto nicht vorliege, sei sie Empfängerin einer unentgeltlichen Leistung im Sinne von § 134 InsO. Ferner habe die Beklagte zu 3) die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gekannt, auf Grund einer Wissensvermittlung durch den Beklagten zu 1), so dass die Zahlung auch gemäß § 133 InsO anfechtbar sei.
37Der Kläger beantragt,
38die Beklagten zu 1., zu 2. und zu 3. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger zur Insolvenzmasse einen Betrag in Höhe von USD 64.113,87 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. März 2018 zu zahlen;
39die Beklagte zu 3. ferner zu verurteilen, an den Kläger aus einem Betrag von USD 64.113,87 weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum zwischen dem 03. Juli 2015 und dem 04. April 2017 zu zahlen.
40Die Beklagten beantragen,
41die Klage abzuweisen.
42Sie behaupten, die Zahlung der Klagesumme auf das Konto der Beklagten zu 3) sei jedenfalls mit dem mutmaßlichen Einverständnis des Schuldners erfolgt. Sie vertreten die Ansicht, dass das mutmaßliche Einverständnis die Erfüllung des Untreuetatbestandes nach § 266 StGB ausschließe. Im Übrigen hätten sie durch Abschluss der Vereinbarung mit Herrn U. keine – jedenfalls keine gravierende, für die Verwirklichung des § 266 StGB ausreichende – Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Schuldner verletzt.
43Sie behaupten, das Geld sei von Herrn U. auf ein Treuhandkonto der Kx. GmbH überwiesen worden; von diesem Konto seien die Lebenshaltungskosten und sonstigen Kosten des Schuldners und seiner Ehefrau getragen worden.
44In Anbetracht der genannten Umstände, insbesondere der Zahlung der Lebenshaltungskosten und weiterer Kosten auch des Schuldners von dem genannten Treuhandkonto, habe die Vereinbarung mit Herrn U. im Interesse des Schuldners gelegen; dieser sei damit mutmaßlich einverstanden gewesen. Auf Grund der Untersuchungshaft des Schuldners habe man seine ausdrückliche Zustimmung nicht rechtzeitig einholen können; die Vollmachten zu Gunsten der Beklagten zu 1) und 2) seien gerade mit Blick auf diese Situation ausgestellt worden.
45Die Beklagten bestreiten eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung durch Herrn U.. Das Bankhaus T. habe die Rückzahlung der Darlehen von dem Schuldner nicht ernsthaft eingefordert. Es habe während der langdauernden Vergleichsverhandlungen Stundungsabreden und Stillhaltevereinbarungen gegeben. Der Schuldner habe seinerseits erhebliche Einwendungen und Gegenforderungen gegenüber dem Bankhaus T. gehabt. Auch habe das Bankhaus T. weiter zugelassen, dass der Schuldner Zahlungen aus Vermögensanlagen erhielt und Immobilien veräußerte, auf die das Bankhaus zum Zwecke der Befriedigung hätte Zugriff nehmen können. Auf eine von Seiten des Bankhauses mögliche Verwertung von Sicherheiten sei bewusst verzichtet worden. Auch eine Vermögensaufstellung des Schuldners aus Dezember 2013 lasse keine Zahlungsunfähigkeit erkennen.
46Jedenfalls hätten sie, die Beklagten, keine Kenntnis von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gehabt.
47Auf Grund der Begleichung von Lebenshaltungskosten und sonstigen Kosten des Schuldners im zeitlichen Zusammenhang mit der Überweisung von Herrn U. sei auch kein Vermögensnachteil auf Seiten des Schuldners eingetreten.
48Zum Insolvenzanfechtungsanspruch behauptet die Beklagte zu 3), sie sei – in wirtschaftlicher Hinsicht – nicht Empfängerin der Darlehensrückzahlung, da es sich bei dem Konto mit der Bezeichnung Kx. GmbH um ein Treuhandkonto handele. Sie – die Beklagte zu 3) – habe als uneigennützige Treuhänderin gehandelt.
49Die Beklagten tragen weiter vor, die streitgegenständliche Forderung sei bereits Gegenstand eines Vergleichs, den der Kläger mit der Ehefrau des Schuldners geschlossen habe. Der Kläger habe Anfechtungsansprüche in Höhe von 4.080.000,- Euro gegen die Ehefrau des Schuldners geltend gemacht und sich mit ihr auf eine Vergleichszahlung in Höhe von 82.000,- Euro geeinigt. Es sei davon auszugehen, dass der im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Betrag Gegenstand der Einigung mit der Ehefrau des Schuldners gewesen sei.
50Im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und den Akteninhalt Bezug genommen.
51Entscheidungsgründe:
52Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.
53I.
54Gegenüber der Beklagten zu 3) mit Sitz in der Schweiz ergibt sich die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld aus Art. 3 Abs. 1 EuInsVO. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 3 Abs. 1 EuInsVO dahin auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig sind, der seinen Wohnsitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats hat (EuGH, Urteil vom 16.1.2014, Az. C-328/12; vgl. auch: BGH, Versäumnisurteil vom 27.3.2014, Az. IX ZR 2/12 – jeweils bei Juris). Örtlich zuständig ist in diesem Fall entsprechend § 19a ZPO, § 3 InsO, Art. 102 § 1 EGInsO das Gericht am Sitz des Insolvenzgerichts (vgl. BGH, a. a. O.), im vorliegenden Fall das Landgericht Bielefeld.
55Im Übrigen ist das Landgericht Bielefeld für die gegen die Beklagten zu 1) und 2) erhobenen Ansprüche nach § 32 ZPO örtlich zuständig. Der Kläger hat einen deliktischen Anspruch aus §§ 830 Abs. 1 S. 1, 823 Abs. 2 S. 1 BGB schlüssig vorgetragen. Der Erfolgsort der deliktischen Handlung liegt in Bielefeld, dem Wohnort des Klägers und Belegenheitsort des Vermögens des Schuldners zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung. Im Übrigen ist die Zuständigkeit des Landgericht Bielefelds von den Beklagten nicht gerügt worden, so dass jedenfalls von einer rügelosen Einlassung i.S.d. § 39 ZPO auszugehen ist.
56II.
571.
58Die im schriftlichen Vorverfahren umfassend vorgetragenen Argumente zu einer Haftung der Beklagten zu 1) und 2) nach § 266 StGB bedürfen im Ergebnis keiner Beantwortung, da gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) jedenfalls ein Anspruch des Klägers in der geltend gemachten Höhe aus §§ 830 Abs. 1 S. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283d Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB besteht.
59Auf diesen – von den Parteien zunächst nicht berücksichtigten – rechtlichen Aspekt hat die Kammer mit Verfügung vom 22.01.2021 (Bl. 2098) gem. § 139 Abs. 2 ZPO hingewiesen.
60Die Beklagten können auch nicht mit dem - streitigen - Vortrag durchdringen, die streitgegenständliche Forderung sei bereits Gegenstand eines Vergleichs zwischen dem Schuldner und seiner Ehefrau gewesen. Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten ist unsubstantiiert. Die Beklagten haben weder konkrete Umstände und Inhalte des Vergleichsschlusses vorgetragen, noch für ihre Behauptung Beweis angeboten.
612.
62Eine Haftung der Beklagten zu 1) und 2) setzt zunächst die Verletzung eines Schutzgesetzes i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB voraus.
63Soweit die Beklagtenseite in Zweifel gezogen hat, dass es sich bei § 283d StGB um ein Schutzgesetz handelt, tritt die Kammer dieser Auffassung nicht bei.
64Kennzeichen eines Schutzgesetzes i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist, dass es sich um eine Norm handelt, die (auch) dem Schutz von Individualinteressen, sei es einzelner Personen oder eines Personenkreises, zu dienen bestimmt ist (BGH NJW 2019, 3003; MüKo-BGB/Wagner, 8. Aufl., § 823 Rdnr. 562).
65Dies ist bei den Insolvenzstraftaten nach §§ 283 ff. StGB und insbesondere auch § 283d StGB der Fall (BeckOGK/Spindler, § 823 Rdnr. 574). Nach der Rechtsprechung des BGH schützt der Straftatbestand des § 283d StGB im Gleichlauf mit § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Befriedigungsinteressen der Gesamtheit der Gläubiger (BGH NJW 1989, 1167, siehe auch Schönke/Schröder-StGB 30. Aufl., § 283d Rdnr. 1). Für den Straftatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB hat der BGH die Schutzgesetzeigenschaft explizit bejaht (BGH NZI 2014, 1046). Aufgrund der gleichlaufenden Schutzrichtung der Normen gilt daher für § 283d StGB nichts anderes.
66Der vorliegend von dem Kläger geltend gemachte Anspruch ist gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) auch vom Schutzbereich des § 283d StGB erfasst. Der Insolvenzverwalter nimmt kraft seines Amtes die Interessen der Gläubiger wahr. Der geltend gemachte Anspruch steht hier in unmittelbarem Zusammenhang mit den Befriedigungsinteressen der Gläubigergesamtheit.
673.
68Zur Überzeugung der Kammer steht zudem fest, dass die Beklagten zu 1) und 2) jedenfalls bedingt vorsätzlich gegen § 283d Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB verstoßen haben.
69a. Objektive Tatbestandsvoraussetzungen
70Die Beklagten zu 1) und 2) haben jeweils dadurch, dass sie unter Nutzung der ihnen erteilten Generalvollmacht die streitgegenständliche Darlehensrückzahlung auf das Konto der Beklagten zu 3) veranlasst haben, Vermögensbestandteile des Schuldners die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, jedenfalls zu dessen Gunsten beiseite geschafft.
71aa.
72Im Ergebnis ist vorliegend von einer mittäterschaftlichen Begehung i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB und § 830 Abs. 1 S. 1 BGB auszugehen, da der Beklagte zu 1) ausweislich des unstreitigen E-Mail-Verkehrs zwischen dem Beklagten zu 2) und dem Darlehensnehmer die Auszahlung auf das Konto der Beklagten zu 3) anordnete und der Beklagte zu 2) diese Anordnung sodann unmittelbar an den Darlehensnehmer weitergab.
73bb.
74Bei der streitgegenständlichen Forderung handelte es sich auch um einen Vermögensbestandteil des Schuldners. Der Schuldner hatte dem Darlehensnehmer persönlich das streitgegenständliche Darlehen gewährt und auch ausgezahlt. Der hieraus entstandene Rückzahlungsanspruch ist – gleich nach welchem Recht er sich richtet – als Vermögensbestandteil zu qualifizieren.
75Der Rückzahlungsanspruch hätte im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch zur Insolvenzmasse gehört.
76cc.
77Mit der von den Beklagten zu 1) und 2) vorgenommenen Tathandlung haben diese den vorgenannten Vermögensbestandteil auch i.S.d. § 283d Abs. 1 StGB beiseitegeschafft. Ein Beiseiteschaffen im Sinne des § 283d Abs. 1 StGB liegt vor, wenn Vermögenswerte in eine veränderte rechtliche oder tatsächliche Lage verbracht werden, in der den Gläubigern der alsbaldige Zugriff unmöglich gemacht oder erschwert wird (MüKo-StGB, 3. Aufl., § 283 Rdnr. 13 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des BGH).
78Die Rückzahlung des streitgegenständlichen Darlehens auf ein schuldnerfremdes Konto führte dazu, dass dem Kläger und damit im Ergebnis auch den Gläubigern der Zugriff auf die streitgegenständliche Summe jedenfalls erheblich erschwert wurde.
79Sofern das Darlehen unmittelbar auf ein eigenes Konto des Schuldners, auf welches der Kläger nach § 80 InsO unmittelbar Zugriff erhalten hätte, zurückgezahlt worden wäre, wäre der streitgegenständliche Betrag unmittelbar zu Gunsten der Insolvenzmasse vereinnahmt worden. Durch die von den Beklagten zu 1) und 2) gewählte Auszahlungsweise war der Kläger indes gezwungen, zunächst außergerichtlich und sodann im Rahmen der hiesigen Klage an die Beklagte zu 3) heranzutreten, um eine Rückführung des Betrages zur Insolvenzmasse erreichen zu können.
80dd.
81Das Beiseiteschaffen erfolgte vorliegend auch – wenn nicht mit Einwilligung – jedenfalls zu Gunsten des Schuldners. Zwar hatte der Schuldner selbst keinen unmittelbaren Zugriff auf das Konto der Beklagten zu 3). Von Beklagtenseite ist jedoch selbst vorgetragen worden, dass von dem Konto der Beklagten zu 3) über die Kx. GmbH umfangreiche Ausgaben zur Erhaltung des Lebensstandards des Schuldners und seiner damaligen Ehefrau getätigt wurden.
82Dass die Zahlung dem Schuldner zu Gute kam, ist durch die vertragliche Ausgestaltung der Schuldverhältnisse zwischen dem Schuldner, der Kx. GmbH und der Beklagten zu 3) belegt.
83Ausweislich der Anlage B1 (Bl. 863 ff. d.A.) hatte die Kx. GmbH im Rahmen einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung die privaten Vermögensbelange der Familie des Schuldners zu betreuen. Explizit sah dieser Vertrag in § 1 vor, dass u.a. auch die Lebenshaltungskosten der Familie des Schuldners durch monatliche Zahlungen der Kx. GmbH bestritten werden sollte.
84Zwischen der Kx. GmbH und der Beklagten zu 3) bestand wiederum ein unentgeltliches Vertragsverhältnis, in dessen Rahmen die Beklagte zu 3) für die Kx. GmbH als Treuhänderin ein Treuhandkonto einrichten sollte (siehe Anlage B5, Bl. 923 ff. d.A.). Die Zahlung des Klagebetrags auf das Konto der Beklagten zu 3) kam damit auch dem Schuldner zu Gute.
85ee.
86Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens seine Zahlungen i.S.d. § 283d Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB eingestellt hatte.
87Zahlungseinstellung liegt – wie im insolvenzrechtlichen Kontext nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO – vor, wenn der Schuldner nach außen erkennbar aufgehört hat, aufgrund eines tatsächlichen oder angeblich dauernden Mangels an liquiden Mitteln gegenüber seinen Gläubigern seine fälligen Geldschulden zu begleichen (MüKo-StGB, 3. Aufl., § 283 Rdnr. 99; siehe zum insolvenzrechtlichen Hintergrund Uhlenbruck-InsO, 15. Aufl., § 17 Rdnr. 152 sowie BGH NZI 2017, 64).
88Nach der Rechtsprechung des BGH kann sich das Tatgericht im Strafprozess die Überzeugung vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 InsO auch auf der Grundlage wirtschaftskriminalistischer Beweisanzeichen bilden, zu denen etwa das Ignorieren von Rechnungen oder Mahnungen sowie gescheiterte Vollstreckungsversuche gehören (BGH NStZ 2019, 83; siehe auch BGH NZI 2017, 64 zur Feststellung der Zahlungseinstellung anhand von Beweisanzeichen). Eine Abgrenzung ist insoweit von der strafrechtlich – und insolvenzrechtlich – nicht relevanten Zahlungsstockung vorzunehmen.
89Nach den Feststellungen der Kammer hatte der Schuldner danach seine Zahlungen jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Taschenpfändung im August 2014 eingestellt und auch nicht wieder aufgenommen.
90Das Bankhaus T. hatte bereits im Jahre 2011 Kredite fällig gestellt, die der Schuldner in der Folge nicht zurückzahlte. Sofern die Beklagten in diesem Zusammenhang eingewendet und behauptet haben, dass dem Schuldner seinerseits Gegenforderungen, die die Darlehen bei weitem überstiegen, zugestanden hätten, handelte es sich, eine Richtigkeit des Beklagtenvortrags unterstellt, nicht um liquide Mittel, die im Rahmen einer Gegenüberstellung zu berücksichtigen gewesen wären.
91Im Ergebnis greift auch die Behauptung der Beklagten, der Schuldner habe mit der T. umfangreiche Stillhaltevereinbarungen getroffen, nicht durch.
92Denn der Schuldner sah sich fälligen Forderungen ausgesetzt, die er auch auf Betreiben der jeweiligen Gläubiger nicht bediente.
93Unstreitig hatten die I. und MY. jeweils im Oktober 2011 Klagen gegen den Schuldner erhoben. Jeweils unter dem 21.08.2012 hatte der Schuldner sodann unter der Federführung des Beklagten zu 1) gerichtliche Vergleiche mit den vorgenannten Gläubigern geschlossen, mithin also zwei vollstreckungsfähige, rechtskräftige Titel in einem Volumen von insgesamt rd. 2,5 Mio. Euro gegen sich geschaffen.
94Eine Zahlung auf die hieraus fälligen Forderungen erfolgte von Seiten des Schuldners nicht, vielmehr begannen die Gläubiger Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten.
95Auch der Unternehmer P. hatte gegen den Schuldner einen Titel bzgl. einer Hauptforderung i.H.v. 6,97 Mio. Euro erwirkt. Auch auf diese Forderung leistete der Schuldner nicht. Stattdessen war der vorgenannte Gläubiger gezwungen, ebenfalls Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, die im Ergebnis aber nur zu einer geringfügigen Reduzierung der Forderung führten.
96Jedenfalls die vorgenannten Forderungen wurden von den Gläubigern im Sinne der Rechtsprechung des BGH ernsthaft eingefordert. An das ernsthafte Einfordern sind keine überspannten Anforderungen zu stellen. So sind rechtskräftig festgestellte Forderungen – wie die vorgenannten – bei der Beurteilung der Krisensituation per se zu berücksichtigen (BGH NStZ 2019, 83). Verschärfend kommt hinzu, dass die Gläubiger aus den rechtskräftig festgestellten Forderungen auch (erfolglos) gegen den Schuldner vorgingen. Dieses Vorgehen zog sich zudem über einen längeren Zeitraum hin und gipfelte in der Abgabe der Vermögensauskunft und Taschenpfändung im Sommer 2014, über die auch eingehend medial berichtet wurde.
97Nach außen erkennbar war damit in der Gesamtbeschau ein Verhalten des Schuldners, welches den Schluss einer bloßen Zahlungsstockung keineswegs rechtfertigte, sondern im Gegenteil nur auf eine Zahlungseinstellung schließen ließ. Auch medial hat der Schuldner im Rahmen von Interviews selbst verlauten lassen, dass „er nicht an sein Geld komme“.
98b.
99Die objektive Bedingung der Strafbarkeit nach § 283d Abs. 4 StGB liegt ebenfalls vor. Unstreitig ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners mit Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 03.07.2015 eröffnet worden.
100c. Subjektiver Tatbestand
101Im Gegensatz zu den subjektiven Voraussetzungen des § 283d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB, der wenigstens dolus directus 2. Grades im Hinblick auf die drohende Zahlungsunfähigkeit erfordert, genügt zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes der Nr. 2 dolus eventualis (MüKo-StGB, 3. Aufl., § 283d Rdnr. 15).
102Dolus eventualis liegt nach der Rechtsprechung des BGH vor, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (statt vieler: BGH NStZ 2020, 217). In Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit darf der Täter nicht darauf vertrauen, dass der Erfolg nicht eintreten werde (BGH NStZ 2008, 392). Bei der Beurteilung sind die objektiven und subjektiven Umstände der Tat heranzuziehen und insgesamt zu würdigen.
103Nach diesen Maßgaben steht zur Überzeugung der Kammer ein vorsätzliches Handeln der Beklagten zu 1) und 2) fest.
104aa. bzgl. des Bekl. zu 1)
105Der Beklagte zu 1) war als Rechtsanwalt des Schuldners umfassend mit den geschäftlichen Vorgängen des Schuldners betraut. Er hatte den Schuldner bereits im Rahmen seiner sich zuspitzenden finanziellen Situation beraten. Insbesondere war der Beklagte zu 1) auch an dem Abschluss der Vergleiche mit I. und MY. als Prozessbevollmächtigter beteiligt.
106Im engen zeitlichen Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Rückzahlung des Darlehens hatte die Rechtsanwaltsgesellschaft des Beklagten zu 1) gemeinsam mit einer weiteren Rechtsanwaltsgesellschaft mit dem Schuldner zudem eine Honorarsicherungsvereinbarung getroffen.
107Der Inhalt der im Tatbestand des Urteils auszugsweise wiedergegebenen Vereinbarung belegt, dass der Schuldner der Kanzlei des Beklagten und einer weiteren Kanzlei nicht nur ausstehende Honorare von 4 Mio. Euro schuldete, sondern auch, dass die Kanzlei des Beklagten zu 1) die Notwendigkeit sah, in Zukunft entstehende Honoraransprüche abzusichern.
108Aufgrund der vorgenannten objektiven Tatsachen besteht für die Kammer kein Zweifel daran, dass der Beklagte zu 1), auch aufgrund seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt, durch die Rückzahlung des Darlehens auf das Konto der Beklagten zu 3) die Möglichkeit der Verwirklichung des § 283d Abs. 1 Nr. 2 StGB als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt hatte. Auch war dem Beklagten zu 1) vor diesem Hintergrund klar, dass die Rückzahlung des streitgegenständlichen Darlehens auf das von ihm selbst benannte Konto der Beklagten zu 3) dazu führen würde, dass der Darlehensbetrag im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners den Gläubigern zu Gunsten des Schuldners entzogen bzw. der Zugriff erschwert werden würde. Dem Beklagten zu 1) waren aufgrund seiner langjährigen beratenden Tätigkeit für den Schuldner auch die vorgenannten Umstände bekannt, die auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen ließen.
109bb. bzgl. des Bekl. zu 2)
110Auch hinsichtlich des Beklagten zu 2) lässt sich ein bedingter Vorsatz zur Überzeugung der Kammer feststellen.
111Bereits nach den unstreitig zu Grunde zu legenden Tatsachen ist es fernliegend, dass der Beklagte zu 2) eine Zahlungseinstellung auf Seiten des Schuldners nicht wenigstens billigend in Kauf genommen haben will. Es ist lebensfremd anzunehmen, dass sich der Beklagte zu 2) ohne nähere Prüfung eine Generalvollmacht für alle Belange des Schuldners einräumen ließ und dass bei seinem Besuch seines Vaters – des Schuldners – in der Haft die finanzielle Situation überhaupt kein Gesprächsthema gewesen sein soll. Auch dass der Beklagte zu 2) ausweislich des E-Mailverkehrs mit dem Darlehensnehmer sich zunächst von dem Beklagten zu 1) instruieren ließ, wohin das streitgegenständliche Darlehen zurückgezahlt werden soll und er diese Informationen völlig unkritisch übernahm, geht über Vertrauen auf das Ausbleiben eines tatbestandlichen Erfolges hinaus, auch wenn der Beklagte zu 2) nicht jedes Detail der finanziellen Situation seines Vaters gekannt haben will.
112Auch die Äußerungen des Beklagten zu 2) im Rahmen der persönlichen Anhörung im Termin vom 22.04.2021 sind Beleg für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes auf Seiten des Beklagten zu 2).
113Der Beklagte zu 2) hat erklärt, dass er jedenfalls aus der Presseberichterstattung über die wirtschaftliche Lage seines Vaters im Jahr 2014 informiert worden sei. Insbesondere war ihm nach eigenen Angaben bekannt, dass sein Vater eine Vermögensauskunft abgeben musste.
114Auf der anderen Seite sei von Seiten der Berater des Schuldners mitgeteilt worden, dass Schadensersatzansprüche gegen die Bank in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe geltend gemacht würden. Es sei eine gewisse Erfolgsaussicht suggeriert worden, so dass der Schluss auf eine wirtschaftliche Krise nicht nahegelegen habe.
115Der Beklagte zu 2) hat weiter ausgeführt, dass er zwar gewusst habe, dass sein Vater auch Konten bei der Commerzbank gehabt habe. Dies sei die Hausbank der Familie gewesen. Kontonummern seien ihm nicht bekannt gewesen. Er habe gewusst, dass das Konto der Beklagten zu 3) auch dazu benutzt worden sei, Ausgaben für die Familie zu begleichen. Er habe deswegen auch nicht in Frage gestellt, dass es sich um einen zulässigen Vorgang gehandelt habe, das Geld auf dieses Konto überweisen zu lassen.
116Er habe auch nicht nachgefragt, weshalb das streitgegenständliche Konto zu benutzen sei, als der Beklagte zu 1) ihm dieses mitgeteilt habe. Er habe auch nicht daran gedacht, die Bank zu kontaktieren, um nachzufragen, auf welches Konto das Geld fließen könnte. Es habe auch kein Anlass bestanden, seine Mutter zu fragen, auf welches Konto der Darlehensbetrag überwiesen werden sollte. Auch seine Mutter habe mit den geschäftlichen Vorgängen des Schuldners nichts zu tun gehabt. Geschäftliche Belange des Schuldners und familiäre seien immer getrennt worden.
117Bei der Gesamtwürdigung kann zu Gunsten des Beklagten zu 2) zu Grunde gelegt werden, dass er offenbar recht plötzlich und ohne zuvor in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners im Einzelnen eingearbeitet gewesen zu sein, finanzielle Belange des Schuldners wahrnehmen musste. Andererseits ist jedoch nur wenig glaubhaft, dass dem Beklagten zu 2), der sich beruflich im Bereich der Unternehmensberatung betätigt, die finanzielle Lage des Schuldners vollständig verborgen geblieben sein soll und er sich quasi blindlings auf etwaige Beschwichtigungen des Schuldners und des Beklagten zu 1), dass „alles in Ordnung sei und nur mit harten Bandagen gekämpft werde“, verlassen hat. Hinzu kommt, dass dem Beklagten zu 2) nach eigenen Angaben auch die unmittelbaren Umstände der Inhaftierung des Schuldners bekannt waren und ihm auch Details der gegen den Schuldner erhobenen Forderungen bekannt waren. Nicht nachvollziehbar ist auch der wiederholte Verweis des Beklagten zu 2) auf die angeblich strenge Trennung privater und geschäftlicher Belange. Auf der einen Seite ordnet der Beklagte zu 2) die Darlehensrückzahlung dem geschäftlichen Bereich des Schuldners zu und will aber gleichzeitig nicht in Frage gestellt haben, dass die Rückzahlung auf ein Konto erfolgen sollte, welches nach seiner Kenntnis privaten Belangen, nämlich der Begleichung von Lebenshaltungskosten der Familie, diente.
118Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2) es jedenfalls als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt hatte, dass die Rückzahlung des Darlehens auf ein nicht unmittelbar dem Schuldner zugehöriges Konto erfolgte und der überwiesene Geldbetrag zu Gunsten des Schuldners und zu Lasten der Gläubiger beiseite geschafft wurde.
1194.
120Vorliegend sind keine Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe erkennbar. Insbesondere ist auch nicht dargetan, dass sich die Beklagten zu 1) und 2) in rechtlich erheblicher Weise über die wirtschaftliche Situation des Schuldners in einem Irrtum befunden hätten.
1215.
122Der Verstoß gegen das Schutzgesetz hat nach § 823 Abs. 2 BGB zur Folge, dass die Beklagten zu 1) und 2) dem Kläger zum Ersatz des hieraus entstandenen Schadens verpflichtet sind. Durch die Handlungen der Beklagten zu 1) und 2) ist der Insolvenzmasse ein Betrag in Höhe der Klageforderung entzogen worden. Sie ist daher dem Kläger zurückzugewähren. Die Beklagten zu 1) und 2) haften dabei als Gesamtschuldner gegenüber dem Kläger, § 830 Abs. 1 S. 1 BGB.
123III.
124Die Beklagte zu 3) haftet dem Kläger auf den geltend gemachten Schadensersatzbetrag aus §§ 129, 133, 143 InsO a.F.
1251.
126Da das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners mit Beschluss vom 03.07.2015 eröffnet wurde, sind vorliegend nach Art. 103j EGInsO die Anfechtungsnormen in der bis zum 04.04.2017 gültigen Fassung anzuwenden.
1272.
128Die im Prozess aufgeworfene Streitfrage, ob die Beklagte zu 3) als gänzlich uneigennützige Treuhänderin als Empfängerin einer unentgeltlichen Leistung nach § 134 InsO haftet, bedarf keiner abschließenden Beantwortung, da jedenfalls die Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO gegeben sind und die Beklagte zu 3) nach § 143 InsO verpflichtet ist, die vereinnahmte Darlehensrückzahlung zur Insolvenzmasse zurückzuführen.
129Die Beklagte kann sich hierbei insbesondere auch nicht auf Entreicherung berufen.
1303.
131Gem. §§ 129 I, 133 I InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, welche die Insolvenzgläubiger benachteiligt, wenn der Schuldner sie in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat und der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
132a.
133Die auf Anweisung der Beklagten zu 1) und 2) erfolgte Überweisung auf das Konto der Beklagten zu 3) bewirkte infolge des damit verbundenen Vermögensabflusses eine objektive Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 I InsO.
134Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, sich somit die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (st. Rspr., siehe nur BGH NJW 2012, 1959). Durch die Überweisung an die Beklagte zu 3) haben die Beklagten zu 1) und 2) zum Nachteil der Gläubiger des Schuldners finanzielle Mittel in Höhe der Klageforderung entäußert, ohne hierfür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten (siehe schon oben Ziff. II.3.a.). Gläubiger des Schuldners hätten das Treuhandguthaben nicht wie dessen Bankguthaben auf Grund eines Vollstreckungstitels gegen den Schuldner pfänden können, so dass ein Zugriffshindernis entstanden ist (BGH NJW 2012, 1959 Rn. 12).
135b.
136Der streitgegenständlichen Vermögensverschiebung liegt auch eine Rechtshandlung des Schuldners zu Grunde, da dieser im Rahmen der den Beklagten zu 1) und 2) erteilten Generalvollmacht von diesen vertreten wurde. Unter einer Rechtshandlung ist jede bewusste Willensbetätigung zu verstehen, die eine rechtliche Wirkung auslöst (vgl. BGH NJW-RR 2010, 118). Deshalb sind nach § 133 Abs. 1 InsO auch mitwirkende Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar (vgl. MüKo-InsO, § 133 Rn. 8). Die von den Beklagten zu 1) und 2) unmittelbar veranlasste Auszahlungshandlung ist dem Schuldner gem. § 164 BGB zuzurechnen und im Übrigen ist auch die Erteilung der Vollmacht als solche als mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners zu qualifizieren.
137c.
138Nach den Feststellungen der Kammer liegen sowohl ein Benachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch eine entsprechende Kenntnis der Beklagten zu 3) vor.
139aa.
140Für die Beurteilung des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners kommt es gemäß § 166 Abs. 1 BGB auf das Wissen und Wollen seiner Vertreter, der Beklagten zu 1) und 2), an (vgl. BGH NJW 1984, 1953).
141Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge – sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils – erkannt und gebilligt hat (BGH NJW 2015, 3503). Im Hinblick auf die Erfüllung des Tatbestandes des § 283d Abs. 1 Nr. 2 1. Var. StGB bei den Beklagten zu 1) und 2) ist bei Gesamtwürdigung der zu Grunde zu legenden Umstände von einem zurechenbaren Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Seiten des Schuldners auszugehen (s.o. Ziff. II.3.).
142bb.
143Gleichermaßen hatte die Beklagte zu 3) Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners.
144Da der Beklagte zu 1), als Vertreter des Schuldners (§ 166 Abs. 1 BGB, s.o.), mit Benachteiligungsvorsatz handelte, kannte auch die Beklagte zu 3) diesen Vorsatz, da der Beklagten zu 3) das Wissen des Beklagten zu 1) als Mitglied des Verwaltungsrats, d.h. dem obersten Exekutivorgan, dem die Führung der Geschäfte einer Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht obliegt (§ 716a Abs. 1 Ziff. 1 Obligationenrecht), zugerechnet wird.
145d.
146Nach § 143 Abs. 1 InsO hat die Beklagte zu 3) die vereinnahmte Darlehensrückzahlung zur Insolvenzmasse zurückzugewähren.
147Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zu 3) die vereinnahmte Darlehensrückzahlung als uneigennützige Treuhänderin entgegengenommen hat, sie den Klagebetrag an die Kx. GmbH weitergeleitet hat oder der Klagebetrag für die Lebenshaltungskosten des Schuldners verbraucht worden ist. Dies entlastet die Beklagte zu 3) jeweils nicht.
148aa.
149Ist der Anfechtungsgegner nicht in der Lage, der ihn nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO treffenden Verpflichtung nachzukommen, hat er nach § 143 Abs. 1 S. 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB Wertersatz zu leisten. Gemäß § 143 Abs. 1 S. 2 InsO gilt der Mangel des rechtlichen Grundes als von Anfang an bekannt, so dass die Beklagte zu 3) als Anfechtungsgegnerin wie ein bösgläubiger Bereicherungsschuldner der verschärften Haftung des § 819 Abs. 1 BGB unterworfen und so zu behandeln ist, als wäre der Rückgewähranspruch gegen sie im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Handlung (§ 140 InsO) rechtshängig geworden (BGH NJW 2012, 1959 Rn. 31).
150bb.
151Die Beklagte zu 3) kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, aus der Entgegennahme der Gelder des Schuldners und einer etwaigen Weiterleitung als uneigennützige Treuhänderin keinen eigenen Vorteil gezogen zu haben.
152Nach der Rechtsprechung des BGH gelten die zum uneigennützigen Treuhänder als Anfechtungsgegner entwickelten Rechtsgrundsätze unabhängig davon, ob dieser die auf ihn vom Schuldner übertragenen Vermögensgegenstände weisungsgemäß an einen Dritten weitergeleitet hat oder ob er dabei behilflich war, sie auf andere Weise, etwa durch eine verdeckte Rückführung an den Schuldner, beiseite zu schaffen (BGH NJW 2015, 3503). Diese rechtliche Bewertung ist mit Rücksicht auf den Zweck der Insolvenzanfechtung, im Interesse der Wiederherstellung des Schuldnervermögens bestimmte, als ungerechtfertigt angesehene Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen, allein sachgerecht (BGH a.a.O.). Versagte der Wertersatzanspruch gegen einen uneigennützigen Treuhänder, könnte der Schuldner durch Einsatz einer solchen Person sein Vermögen verheimlichen und beiseiteschaffen, indem er es zunächst auf einen Treuhänder überträgt und sich sodann unter möglichst undurchsichtigen und unkontrollierbaren Umständen wieder zurückgewähren lässt. Er hätte damit die Möglichkeit, die der Gläubigergleichbehandlung verpflichtete Insolvenzanfechtung auf einfachstem Wege zu unterlaufen (BGH NJW 2012, 1959). Es wäre ein widersinniges Ergebnis, wenn eine als Treuhänder eingesetzte Person ihm vor Verfahrenseröffnung von dem Schuldner zwecks Vereitelung eines Zugriffs vorübergehend übertragene Vermögenswerte vor oder nach Verfahrenseröffnung ohne Anfechtungsrisiko heimlich zurückgewähren könnte (vgl. BGH NJW 1994, 726). Damit würden sogar Fälle eines kollusiven Zusammenwirkens von Schuldner und Treuhänder allgemein der Anfechtung entzogen (BGH NJW 2015, 3503).
153Die Zwischenschaltung der Beklagten zu 3) als uneigennützige Treuhänderin der Kx. GmbH diente vorliegend als Vehikel, um Zahlungen an die Kx. GmbH einzunehmen, die wiederum später zur Erhaltung des Lebensstandards der Familie des Schuldners aufgewendet wurden. Die gegenüber der Beklagten zu 3) vorgenommene Rückzahlung des Darlehens ist anfechtbar und von der Beklagten zu 3) zurückzugewähren, da die Abwicklung über die Beklagte zu 3) allein dazu diente, eine etwaige Rückforderung zur Insolvenzmasse unter Hinweis auf die Uneigennützigkeit der Treuhandschaft der Beklagten zu 3) zurückweisen zu können. Dem so formulierten Versuch der Beklagten zu 3), eine eigene Haftung zu vermeiden, hat der BGH zu Recht im Sinne des Gläubigerschutzes eine Absage erteilt.
154Der Kläger muss sich insoweit auch nicht – wie die Beklagten meinen – allein auf eine etwaige Anfechtung gegenüber der Kx. GmbH verweisen lassen.
155cc.
156Die streitgegenständliche Klageforderung ist damit auch von der Beklagten zu 3) nach § 143 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse zurückzugewähren.
157IV.
1581.
159Ein Anspruch auf die mit dem Klageantrag zu Ziff. 1 geltend gemachten Zinsen ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB. Der Kläger hatte die Beklagten außergerichtlich erfolglos mit Frist bis zum 29.03.2018 zur Zahlung aufgefordert.
1602.
161Hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu Ziff. 2 geltend gemachten Zinsen ergibt sich der Anspruch aus § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. mit § 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291 S. 2, 288 Abs. 1 S. 2 BGB i. V. mit Art 103j Abs. 1 EGInsO (BGH, Urteil vom 1.2.2007, Az. IX ZR 96/04, NJW-RR 2007, 557 [558]). Gemäß § 103j Abs. 2 S. 2 EGInsO endet diese Verzinsung am 04.04.2017.
162V.
163Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
164VI.
165Der Streitwert wird auf 54.500,19 EUR festgesetzt. Er orientiert sich an dem Referenzkurs der EZB am 16.07.2018 (Eingang der Klage; 1 USD = 0,85 EUR; vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 13.07.2016, 6 U 152/11, BeckRS 2016, 15565).
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