Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (3. Senat für Familiensachen) - 4 UF 43/14

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts B. vom 20. Januar 2014, Az.: 4 F 378/13 UK, teilweise abgeändert und in der Sache wie folgt neu gefasst:

Die Antragstellerin ist in Abänderung der Jugendamtsurkunde des Landkreises B. vom 28. Mai 2002, Urkunden-Register-Nr.: ... / 2002, ab August 2011 gegenüber dem Antragsgegner nicht mehr zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet.

2. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt der Antragsgegner, wobei Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden.

3. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 6.580,-- € festgesetzt.

4. Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung für die Beschwerdeinstanz unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... zu seiner Vertretung bewilligt.

5. Der Beschluss ist sofort wirksam.

Gründe

I.

1

Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 63 Abs. 1 und 3, 64 FamFG eingelegte und fristgerecht nach § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG in Verb. mit § 112 Nr. 1 FamFG begründete Beschwerde der Antragstellerin (Bl. 41 - 43 d. A.) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 20. Januar 2014 (Bl. 24, 25 d. A.), der, was die angefochtene teilweise Zurückweisung des gegenständlichen Abänderungsantrags anbelangt, nicht auf einer Säumnis der Antragstellerin beruht und deshalb unbeschadet der Vorschrift des § 514 ZPO (in Verb. mit § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG) der unbeschränkten Anfechtung unterliegt, hat auch in der Sache Erfolg.

2

Über das zulässige Rechtsmittel kann der Senat nach entsprechendem Hinweis gem. § 117 Abs. 3 FamFG in. Verb. mit § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da von einer erneuten Verhandlung in zweiter Instanz keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren.

3

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Amtsgericht das Begehren der Antragstellerin als Abänderungsantrag nach § 239 FamFG betrachtet. Ein zur Zeit der Minderjährigkeit des Kindes ergangener Titel über die Zahlung von Kindesunterhalt behält seine Gültigkeit, auch wenn das Kind volljährig wird, weil sich hierdurch am Grund der Unterhaltsverpflichtung, nämlich der Verwandtschaft in gerader Linie (§ 1601 BGB), nichts ändert.

4

Der Eintritt der Volljährigkeit des Antragsgegners stellt, wovon offenbar auch das Amtsgericht ausgegangen ist, eine neue Tatsache im Sinne des § 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG dar, die es hier nach Maßgabe des Abs. 2 der Vorschrift und den Grundsätzen des § 313 BGB über die Störung der Geschäftsgrundlage erforderlich macht, unter Abänderung der Jugendamtsurkunde den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung festzustellen.

5

Angesichts seiner Volljährigkeit und einer damit einhergehenden erhöhten eigenen Erwerbsobliegenheit und einer seither auch bestehenden Mithaftung seines Vaters für den Barunterhalt ist der Antragsgegner in diesem Verfahren darlegungs- und beweispflichtig sowohl dafür, dass ein Unterhaltsanspruch fortbesteht, als auch für den Umfang der Mithaftung des anderen Elternteils. An einem derartigen Vortrag des Antragsgegners fehlt es hier. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner nach Erreichen der Volljährigkeit sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befindet und deshalb in privilegierender Weise nach § 1602 Abs. 2 Satz 2 BGB einem minderjährigen unverheirateten Kind gleichzustellen wäre oder aber im Rahmen einer Erstausbildung nach Maßgabe des § 1610 Abs. 2 BGB noch Unterhalt verlangen dürfte.

6

Nicht zu folgen vermag der Senat dem Amtsgericht indes hinsichtlich der in der angefochtenen Entscheidung nicht weiter begründeten Ansicht, ein Wegfall der Unterhaltspflicht und damit eine Abänderung der Jugendamtsurkunde komme erst ab der ergebnislosen Aufforderung in Betracht. Hierbei hat das Amtsgericht offensichtlich nicht beachtet, dass die für eine Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen nach § 238 Abs. 3 FamFG vorgesehene zeitliche Sperrwirkung in Ermangelung einer entsprechenden Vorschrift im hier maßgeblichen Anwendungsbereich des § 239 FamFG nicht gilt (vgl. Lorenz, in: Zöller, ZPO, 30. Auflage, 2014, § 239 FamFG Rdnr. 3), weshalb Jugendamtsurkunden auch rückwirkend für die Zeit vor einem Auskunfts- oder Verzichtsverlangen abgeändert werden können.

7

Überzeugende Gründe dafür, weshalb hier der Antragstellerin eine derartige Abänderung der Jugendamtsurkunde für die Vergangenheit verwehrt sein sollte, sind nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen, dass nach Erreichen seiner Volljährigkeit offenbar noch kein Unterhalt an den Antragsgegner geleistet worden ist, wäre dieser selbst bei Abänderung der Jugendamtsurkunde gegen eine Rückforderung überzahlten Unterhalts nach Maßgabe der §§ 818 Abs. 3, 242 BGB ausreichend geschützt (BGH, FamRZ 1990, 990). Was hingegen noch nicht beglichenen, in die Zeit nach Erreichen der Volljährigkeit fallenden Unterhalt anbelangt, ist unter Billigkeitsgesichtspunkten kein plausibler Grund erkennbar oder dargetan, warum es dem Antragsgegner gestattet sein sollte, einen solchen, ihm materiellrechtlich nicht mehr zustehenden Unterhalt noch gegenüber seiner Mutter geltend machen zu dürfen.

II.

8

Angesichts seines vollständigen Unterliegens entspricht es nach § 243 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 FamFG billigem Ermessen, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wobei gerichtliche Beschwerdekosten entsprechend § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG außer Ansatz zu bleiben haben.

9

Der danach nur noch für die außergerichtlichen Kosten und die diesbezügliche Verfahrenskostenhilfe bedeutsame Beschwerdewert ist gemäß den §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 51 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FamGKG festgesetzt worden.

10

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht ersichtlich noch dargetan.

11

Weder hat die Rechtssache grundsätzlich Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im konkreten Fall eine Entscheidung des Beschwerdegerichts.

12

Da die Rechtsbeschwerde mangels Zulassung gemäß § 70 Abs. 1 FamFG nicht statthaft ist, bedarf es entgegen § 39 FamFG, welche Vorschrift grundsätzlich nach § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG Anwendung findet, im vorliegenden Fall keiner Rechtsbehelfsbelehrung mehr.

13

Der Ausspruch zur sofortigen Wirksamkeit des Beschlusses entspricht § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG.

III.

14

Dem Antragsgegner war Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung unter notwendiger Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten gemäß den §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 und 2, 121 Abs. 1 ZPO (in Verb. mit. den §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 114 Abs. 1 FamFG) zu gewähren.


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