Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 4 U 149/19

Tenor

I. Die Berufung des Klägers wird verworfen, soweit er eine um 348,07 EUR höhere Freistellung von Rechtsanwaltskosten begehrt.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 15.03.2019 (Az. 1 O 66/18 Bm) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.889,10 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.06.2018

Zug um Zug gegen

Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Caddy Maxi Trendline 7-Sitzer, 2,0 l TDI, Fahrzeug-Ident-Nr. ....

III. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziff. 1 genannten Fahrzeugs in Verzug befindet.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

V. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

VI. Das Urteil des Senats und - im Umfang der Zurückweisung der Berufung - das des Landgerichts Heilbronn sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VII. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 38.007,50 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus dem Kauf eines vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffenen Dieselfahrzeugs geltend.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind wechselseitige Rechtsmittel der Parteien.
1.
Der Kläger, ein Taxiunternehmer, erwarb aufgrund schriftlicher Bestellung vom 11.08.2015 von der Beklagten, vertreten durch die Fa. ..., ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug VW Caddy Maxi Trendline 7-Sitzer, 2,0 l TDI, mit Taxiausstattung, Fahrzeug-Ident-Nr.: ... bei einem Kilometerstand von 10 km. Aus der verbindlichen Bestellung ergibt sich ein Kaufpreis einschließlich Sonderausstattungen, Überführungspauschale und Kraftfahrzeugbrief-Gebühr von insgesamt 38.007,50 EUR einschließlich Umsatzsteuer sowie ein Nachlass von 20 % (Anlage K 1, Bl. 20). Das Fahrzeug unterliegt der Schadstoffnorm Euro 5 und ist mit einem von der Beklagten produzierten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Die Beklagte hat eine Übereinstimmung des Fahrzeugs mit der EG-Typgenehmigung bestätigt.
Die Motorsteuerung des Fahrzeugs war mit einer Software ausgestattet gewesen, die erkannt hatte, wenn das Fahrzeug auf einem Prüfstand den „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) zur Ermittlung des Abgasausstoßes durchfuhr. (Nur) In diesem Fall wurde die Abgasrückführung erhöht und der Schadstoffausstoß, insbesondere von Stickoxiden (NOx), vermindert („Modus 1“). Die gesetzlichen Grenzwerte wurden in diesem Modus eingehalten. Im regulären „Straßenbetrieb“ war die erhöhte Abgasrückführung nicht aktiviert, der Schadstoffausstoß war höher („Modus 0“).
Das Kraftfahrtbundesamt hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2015 verpflichtet, die Motorsteuerung der Fahrzeuge mit den Motoren EA 189 nach Euro 5 dahin anzupassen, dass eine Unterscheidung zwischen Prüfstandsmodus und Alltagsbetrieb entfällt. Der Kläger hat am 20.06.2016 eine von der Beklagten zur Verfügung gestellte technische Maßnahme (Softwareupdate, ggf. mit kleineren technischen Anpassungen) an seinem Fahrzeug vornehmen lassen, durch welche die Motorsteuerung in einem adaptierten Modus betrieben wird.
Der Kläger hat mit Klage vom 11.05.2018 geltend gemacht, die Beklagte habe die Käufer der von ihr hergestellten Fahrzeuge im Rahmen einer massenhaften Verbrauchertäuschung betrogen und in sittenwidriger Weise geschädigt. Im Jahr 2004 habe die R. B. GmbH im Auftrag der A. AG eine Motorsteuerungssoftware als Abschalteinrichtung für Dieselmotoren entwickelt, die später in der Abteilung Antriebstechnik, Motoren und Übertragung unter Leitung von W. H. weiterentwickelt worden sei. In der Folgezeit habe der Vorstand der Beklagten durch personelle Überschneidungen genaue Kenntnis von den Vorgängen gehabt. Der Vorstandsvorsitzende der A. AG von 2002 bis 2007, M. W., sei im Jahr 2007 Vorstandsvorsitzender der Beklagten geworden, mit ihm sei Herr H. zur Beklagten gewechselt. Der seit 2002 bei der A. AG beschäftigte leitende Chefentwickler U. H. sei 2007 zur Beklagten gekommen und von 2013 bis 2015 zur A. AG zurückgekehrt. Die Entwicklungsingenieure der Beklagten hätten festgestellt, dass eine angestrebte Optimierung (Verringerung) der Stickoxidwerte durch eine erhöhte Abgasrückführung zu Problemen führe. Es komme zu einem schnellen Zusetzen der Partikelfilter, und das wiederholte Freibrennen und die Beschleunigung der Vorgänge im Partikelfilter hätten dazu geführt, dass die Partikelfilter bereits nach einer Laufleistung von um die 50.000 km ihren Dienst einstellten. Man habe sich deshalb Ende 2006 in Kenntnis des Vorstandes dafür entschieden, die bereits genannte Software in der Weise einzusetzen, dass ausschließlich für den Prüfbetrieb eine Motoreinstellung vorgenommen werde, welche die gesetzlichen Stickstoffoxidwerte einhalte. Obwohl es sich dabei um eine verbotene Abschalteinrichtung i. S. v. Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 handle, seien für die betroffenen Fahrzeuge massenhaft Übereinstimmungsbescheinigungen ausgestellt und die Verbraucher ebenso wie die Zulassungsbehörden darüber getäuscht worden, dass die in Verkehr gebrachten Fahrzeuge den geltenden Vorschriften entsprächen. Das Verhalten des Vorstandes sei der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen. Der damalige Vorstandsvorsitzende M. W. habe aus Gewinnsucht und in Betrugsabsicht gehandelt. Weiterer Vortrag sei dem Kläger mangels Einblicks in die inneren Abläufe bei der Beklagten nicht möglich. Es sei Sache der Beklagten darzulegen, wie es zu einem von ihr behaupteten Einbau der Software ohne Kenntnis des Vorstandes hätte kommen sollen. Der Kläger hätte den Pkw nicht gekauft, wenn er davon Kenntnis gehabt hätte, dass die Steuerung der Abgasreinigung manipuliert gewesen sei. Nach dem Aufspielen des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Softwareupdates laufe der Motor in einem Betriebsmodus, der nie vorgesehen gewesen sei. Dadurch werde der Motor stärker belastet, verbrauche mehr Treibstoff und erzeuge mehr Abgase. Fahrzeuge mit den betroffenen Dieselmotoren seien nicht mehr verkäuflich, zumal nach Aufspielen des Softwareupdates. Spätestens durch das Update habe der Motor die Betriebszulassung verloren. Dem Kläger drohten weitere Nachteile, etwa eine nachträgliche Inanspruchnahme als „Handlungsstörer“. Der Kläger könne bestimmte Länder nicht bereisen, etwa die Schweiz, in mehreren deutschen Städten drohe ein Einfahrverbot für Dieselfahrzeuge. Dem Kläger stünden gegen die Beklagte deshalb Schadensersatzansprüche aus Betrug gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB und vorsätzlicher sittenwidrige Schädigung zu, §§ 826, 31 BGB. Eine Nutzung des nicht zulassungsfähigen Fahrzeugs müsse sich der Kläger nicht anrechnen lassen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zinsen aus § 849 BGB in Höhe von 4 % seit dem Kaufdatum zu sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Ablauf der gesetzten Leistungsfrist, §§ 286, 288 BGB, spätestens mit Rechtshängigkeit.
Der Kläger hatte beantragt, die Beklagte zur Erstattung des Kaufpreises von 38.007,50 EUR nebst Zinsen zu verurteilen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Pkws. Außerdem beantragte er die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten, die Feststellung der Ersatzpflicht für Schäden aus der Manipulation des erworbenen Fahrzeugs und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf Basis einer 1,8 Geschäftsgebühr in Höhe von 1.590,91 EUR.
Die Beklagte war der Klage entgegengetreten und hatte geltend gemacht, eine Täuschungshandlung der Beklagten gegenüber dem Kläger liege nicht vor. Die öffentlich-rechtlichen Normen des Fahrzeuggenehmigungsrechts entfalteten keinen Drittschutz zugunsten des Fahrzeugerwerbers und könnten daher nicht als Schutzgesetze im Sinne des Deliktsrechts herangezogen werden. Das Fahrzeug verfüge über eine wirksame Typgenehmigung. Die im Rahmen der Motorsteuerung eingesetzte Software stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Eine unterschiedliche Abgasbehandlung auf dem Prüfstand und im Alltagsbetrieb sei unerheblich, da es keine gesetzlich vorgegebene Korrelation zwischen den Prüfstandswerten und den Emissionswerten im normalen Fahrbetrieb gebe. Zudem fehle es an einem schuldhaften Handeln auf Seiten der Beklagten. Eine Kenntnis leitender Mitarbeiter oder Organe der Beklagten habe der Kläger nicht substantiiert vorgetragen, geschweige denn einen Schädigungsvorsatz in dem Zeitpunkt, in dem der Kläger seinen Kaufvertrag abgeschlossen habe. Eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten bestehe nicht. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien. Die Beklagte bestreite daher, dass einzelne Vorstandsmitglieder die Entwicklung oder Verwendung der streitgegenständlichen Software in Auftrag gegeben hätten, an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder im Zeitpunkt der Entwicklung von der Software gewusst und deren Einsatz gebilligt hätten. Ebenso bestreite die Beklagte, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten oder andere Vorstände im aktienrechtlichen Sinne im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses 11.08.2015 von der Verwendung der Software im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp Kenntnis gehabt hätten. Auch fehle es an einem Schaden des Klägers, der das Fahrzeug seit seinem Erwerb durchgehend uneingeschränkt nutzen könne. Aus der verwendeten Software resultiere kein Wertverlust. Die am Fahrzeug vorgenommene technische Maßnahme sei durch Bestätigung des Kraftfahrtbundesamtes vom 01.06.2016 freigegeben worden (Bl. 68 f., Anlage B 9 mit Schwärzungen), die Behauptungen des Klägers zu negativen Auswirkungen des Software-Updates seien unsubstantiiert. Für den Fall einer Abwicklung des Kaufvertrages schulde der Kläger jedenfalls eine Nutzungsentschädigung. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zinsen nach § 849 BGB oder anderen Vorschriften. Auch befinde sich die Beklagte nicht im Annahmeverzug.
2.
Das Landgericht Heilbronn hat mit Urteil vom 15.03.2019 der Klage unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung überwiegend stattgegeben. Allerdings sei der Feststellungsantrag auf Verpflichtung zum Schadensersatz (Ziff. 3 der Klage) unzulässig. Das im Feststellungsantrag als zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis sei mit dem Begriff „Manipulation“ nicht ausreichend bezeichnet, zudem fehle es an einer Abgrenzung zum (bezifferten) Klageantrag Ziff. 1. Die Beklagte wurde unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 24.162,05 EUR nebst Zinsen von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.08.2015 und von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.06.2018 zu zahlen sowie den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 1.242,84 EUR freizustellen. Im Widerspruch zu den Entscheidungsgründen (S. 11 des Urteils) wurde im Tenor keine Zug-um-Zug-Leistung hinsichtlich der Übereignung des Fahrzeugs ausgesprochen.
10 
Das Landgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB zu. Die schädigende Handlung der Beklagten liege im Inverkehrbringen von Motoren mit einer gesetzeswidrigen Programmierung unter Verschweigen derselben. Die Beklagte habe eine Schädigung der Käufer von mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeugen aus eigennützigen Motiven, nämlich aus bloßem Gewinnstreben, in sittlich anstößiger Weise billigend in Kauf genommen. Der Kläger habe zu einer Zurechnung nach § 31 BGB ausreichend vorgetragen, die Beklagte habe den Vortrag im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht ausreichend bestritten. Ein Schaden des Klägers sei bereits durch die Belastung mit der Kaufpreiszahlungsverpflichtung eingetreten, die er bei Kenntnis des Manipulationsvorgangs nicht eingegangen wäre.
11 
Der Kläger müsse für die während der Besitzzeit gezogene Nutzung eine Entschädigung bezahlen. Ausgehend von einer Fahrleistung von 109.281 km und einem Kaufpreis von 38.007,50 EUR ergebe sich ein Nutzungsvorteil von 13.845,45 EUR, so dass dem Kläger unter Berücksichtigung dieses Vorteilsausgleichs ein Zahlungsanspruch in der zugesprochenen Höhe von 24.162,05 EUR zustehe, der zunächst nach §§ 849, 246 BGB und ab Rechtshängigkeit nach §§ 291, 288 BGB zu verzinsen sei. Andere Zinsansprüche, etwa aus Verzug, habe der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Nachdem die Beklagte auf einer Weigerung der Abwicklung beharre, befinde sie sich im Annahmeverzug. Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten stünden dem Kläger auf Basis einer 1,3 Geschäftsgebühr zu und damit in Höhe von 1.242,84 EUR.
3.
12 
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil, soweit das Landgericht eine Nutzungsentschädigung abgezogen hat. Er begehrt weiterhin Zahlung des vollen Kaufpreises einschließlich Umsatzsteuer und ohne Nachlass von 38.007,50 EUR Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.
13 
Zum Haftungsgrund trägt der Kläger ergänzend vor, der „amtierende VW-Chef“ Dr. H. D. habe in der TV-Show „Markus Lanz“ selbst einen Betrug zugegeben. Weiter macht der Kläger geltend, es widerspreche dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes nach einer sittenwidrigen Schädigung, wenn der Schädiger durch den Abzug einer Nutzungsentschädigung entlastet werde. Selbst wenn man von einem Nutzungsersatz ausgehe, sei im Rahmen der Berechnung eine zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von wenigstens 500.000 km anzusetzen. Zudem stehe dem Kläger eine Verzinsung des Zahlungsbetrages von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2018 (nicht erst seit 06.06.2018), und eine Freistellung von Rechtsanwaltskosten von 1.590,91 EUR (statt 1.242,84 EUR) zu. Die Abweisung seines Klageantrags auf Feststellung der Schadensersatzpflicht durch das Landgericht hat der Kläger mit der Berufung nicht angegriffen.
14 
Den von der Beklagten erst mit Schriftsatz vom 18.12.2019 gehaltenen Vortrag, der Kaufpreis des Fahrzeugs habe nur 29.674,79 EUR brutto betragen, rügt der Kläger im Hinblick auf früheren Vortrag der Beklagten als verspätet.
15 
Der Kläger beantragt:
16 
Unter Abänderung des am 15.03.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Heilbronn:
17 
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 38.007,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.08.2015 sowie 5 Prozentpunkten seit dem 01.03.2018 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Caddy Maxi KO Trend 10, Fahrgestellnummer: ...
18 
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1 genannten Fahrzeugs in Verzug befindet.
19 
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.590,91 Euro freizustellen.
20 
Die Beklagte beantragt,
21 
1. die Berufung des Klägers im Hinblick auf den Antrag zu Ziffer 3) bereits als unzulässig zu verwerfen,
22 
2. die Berufung des Klägers im Übrigen zurückzuweisen,
23 
3. hilfsweise, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
24 
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist. Der Tenor des landgerichtlichen Urteils müsse aber wegen eines offenkundigen Fehlers unter Ziff. 1 dahin berichtigt werden, dass eine Zug-um-Zug-Leistung mit aufzunehmen sei.
25 
Mit ihrer eigenen Berufung macht die Beklagte geltend, die Klage sei abweisungsreif. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Die Beklagte habe die gesetzlichen Vorschriften eingehalten. Der Kläger könne sich nicht auf den Inhalt der Verordnung (EG) 715/2007 berufen, da deren Schutzbereich nicht die Entscheidungsfreiheit des Klägers beim Abschluss eines Kaufvertrages über einen Pkw betreffe. Das Landgericht habe das Handeln der Beklagten zu Unrecht als sittenwidrig eingestuft: Die vom Landgericht hervorgehobenen Motive, etwa das Ziel, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen oder ein Gewinnstreben, stellten keine Indizien für eine sittenwidrige Schädigung dar. Fehlerhaft habe das Landgericht der Beklagten Handlungen Dritter zugerechnet. Die Voraussetzungen einer sekundären Darlegungslast seien nicht erfüllt. Der Beklagten sei es nicht zumutbar, ausführlichere Informationen vorzutragen. Eine Kausalität zwischen der in Frage stehenden Software und seiner Kaufentscheidung habe der Kläger nicht unter Beweis gestellt. Schließlich sei das Landgericht von einem Schaden des Klägers ausgegangen, ohne diesen konkret festzustellen. Der neue Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz, der Vorstandsvorsitzende der Beklagten habe im Fernsehen einen Betrug eingeräumt, sei irreführend und betreffe nicht den vorliegenden Fall. Die vom Kläger zitierte Äußerung habe sich vielmehr auf einen Abgasskandal in Kalifornien in den 1970er Jahren bezogen.
26 
Erstmals mit Schriftsatz vom 18.12.2019 hat die Beklagte eine Rechnung zum Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit Datum vom 22.08.2015 vorgelegt (Anlage BB 4) und vorgetragen, der durch ein Darlehen finanzierte Kaufpreis für das Fahrzeug habe sich auf nur 24.936,80 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer von 4.737,99 EUR, insgesamt 29.674,79 EUR belaufen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Umsatzsteuer im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung als Vorsteuer geltend gemacht habe, so dass ihm in dieser Höhe kein Schaden entstanden sei.
27 
Die Beklagte beantragt,
28 
das am 15. März 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Heilbronn, Az. Bm 1 O 66/18, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
29 
Der Kläger beantragt,
30 
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
31 
Bei Schluss der mündlichen Verhandlung am 22.01.2020 betrug die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs 144.934 km (Protokoll Bl. 624).
4.
32 
Auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und Anlagen, die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 (Bl. 622 ff.) wird ergänzend verwiesen.
II.
33 
Der Antrag der Beklagten vom 24.07.2019 auf Berichtigung des Urteilstenors (Bl. 460 ff.) ist nach § 319 ZPO zulässig. Das Rechtsmittelgericht kann die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten vornehmen, solange es mit dem Rechtsstreit im Rahmen einer Anfechtung der Entscheidung befasst ist (BGH, Urt. v. 10.07.1991, IV ZR 155/90, NJW-RR 1991, 1278; Musielak in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 319 Rn. 14 m. w. Nachw.).
34 
Der Berichtigungsantrag ist begründet. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich, dass das Landgericht von einer Zug-um-Zug-Verurteilung ausgegangen ist und diese nur versehentlich nicht tenoriert hat (S. 11 des Urteils, Bl. 371), dies folgt auch aus der Tenorierung des Annahmeverzugs in Ziff. 2 des Urteils. Der Kläger ist dem nicht entgegen getreten. Die Berichtigung erfolgt im Rahmen der Tenorierung der Berufungsentscheidung.
III.
35 
I. Die Berufung des Klägers ist nur teilweise zulässig.
36 
a) Soweit sich der Kläger im Rahmen des Vorteilsausgleichs gegen den Abzug einer Nutzungsentschädigung für die Verwendung des Fahrzeugs dem Grunde und der Höhe nach wendet, ist die Berufung zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt und begründet.
37 
b) Auch hinsichtlich der vom Kläger begehrten höheren Verzinsung des ihm zugesprochenen Zahlungsbetrages für die Zeitspanne vom 01.03.2018 bis 05.06.2018 ist die Berufung zulässig. Dass der Kläger in seiner Berufungsbegründung hierzu keine Ausführungen gemacht hat, führt insoweit nicht zu einer Unzulässigkeit der Berufung (§§ 520 Abs. 1, 522 Abs. 1 ZPO). Denn ein von der Anfechtung betroffener Streitgegenstand muss jedenfalls im Hinblick auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels dann nicht besonders gerechtfertigt werden, wenn er von einem anderen unmittelbar abhängt, wie eine Zins- von der Hauptforderung (BGH, Urt. v. 17.03.1994, IX ZR 102/93, NJW 1994, 1656, 1657; Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 520 Rn. 45).
38 
c) Die Berufung des Klägers ist jedoch unzulässig, soweit er eine Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.590,91 EUR begehrt und damit von einem um 348,07 EUR höheren Betrag als vom Landgericht zugesprochen. Hinsichtlich dieser rechtlich selbständigen Schadensersatzforderung fehlt es an einer Darlegung in der Berufungsbegründungsschrift, weshalb das erstinstanzliche Urteil fehlerhaft sein soll, §§ 520 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 2, Nr. 3, 522 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der pauschale Verweis des Klägers auf sein erstinstanzliches Vorbringen am Ende des Begründungsschriftsatzes genügt den Begründungsvoraussetzungen nicht. Denn auch bei in Bezug genommenen Schriftsätzen muss es sich um einen konkreten Angriff gegen das Urteil handeln (BGH, Urt. v. 07.10.1997, XI ZR 233/96, NJW 1998, 602, 603 m. w. Nachw.; Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, Rn. 73). Soweit der Kläger mit seinem Berufungsantrag Ziff. 3 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten über den vom Landgericht zugesprochenen Betrag von 1.242,84 EUR hinaus verlangt, ist das Rechtsmittel des Klägers deshalb als unzulässig zu verwerfen, § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO.
39 
I. Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung der Beklagten, die insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet ist, bestehen nicht.
IV.
40 
Die Berufung des Klägers ist - soweit sie zulässig ist - unbegründet.
41 
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Heilbronn vom 15.03.2019 beruht weder auf einer Rechtsverletzung zu Lasten des Klägers noch rechtfertigen zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung zu seinen Gunsten (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat der Schadensbemessung zu Recht einen Vorteilsausgleich für die Nutzung des streitgegenständlichen Pkws durch den Kläger zugrunde gelegt. Auch dass das Landgericht im Rahmen der ihm gem. § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO zustehenden Schätzungsmöglichkeit die Höhe der Nutzungsentschädigung linear auf Basis einer angenommenen Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 300.000 km anhand der mit dem Pkw tatsächlich zurückgelegten Fahrstrecke ermittelt hat, ist nicht zu beanstanden. Ein Anspruch auf Verzugszinsen steht dem Kläger nicht zu.
42 
Demgegenüber ist die Berufung der Beklagten teilweise begründet.
43 
Zwar hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg, soweit sie sich gegen eine Haftung dem Grunde nach richtet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. §§ 826, 31 BGB zu. Die Berufung der Beklagten ist jedoch erfolgreich, soweit sie sich gegen die Höhe der zugesprochenen Schadensersatzforderung richtet. Nach der von der Beklagten vorgelegten Rechnung vom 22.08.2015 (Anlage BB 4) und der Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers ist der Schadensersatzanspruch des Klägers nicht auf Basis eines Kaufpreises von 38.007,50 EUR brutto, sondern von 24.936,80 EUR netto zu berechnen. Unter Berücksichtigung einer bei Schluss der mündlichen Verhandlung am 22.01.2020 aufgelaufenen Nutzungsentschädigung von 12.047,70 EUR ergibt sich ein Schadensersatzbetrag des Klägers von 12.889,10 EUR. Zinsen nach § 849 BGB schuldet die Beklagte nicht.
44 
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 826, 31 BGB.
45 
Die Beklagte hat den Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise geschädigt, wobei die verantwortlichen Führungspersonen der Beklagten, deren Handeln der Beklagten zugerechnet wird, wenigstens mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben. Die Beklagte hat, um den Absatz ihrer Fahrzeuge mit Dieselmotoren der Serie EA 189 zu steigern, die Abgasreinigung der Motoren so gefertigt oder fertigen lassen und in Verkehr gebracht, dass bei dem Betrieb auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) die mit diesem Motor ausgestatteten Fahrzeuge in einen Zustand versetzt waren, in dem die für die Fahrzeugprüfung maßgeblichen Abgasgrenzwerte eingehalten werden. Demgegenüber wurde im Alltagsbetrieb eine Abgasreinigung nicht in gleicher Weise durchgeführt, was von vornherein zu einem höheren Schadstoffausstoß geführt hat. Die Beklagte hat durch ihr Vorgehen eine Schädigung der Käufer der betroffenen Dieselfahrzeuge aus eigennützigem Gewinnstreben in sittlich anstößiger Weise billigend in Kauf genommen und dadurch im vorliegenden Fall einen Schaden des Klägers verursacht, der Käufer eines betroffenen Kraftfahrzeugs ist (vgl. zu ähnlich gelagerten Fällen etwa OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, BeckRS 2019, 30073; Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.07.2019, 17 U 160/18; Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, WM 2019, 881; OLG Koblenz, Urt. v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Köln, Beschl. v. 29.04.2019, 16 U 30/19; Beschl. v. 03.01.2019, 18 U 70/18, NJW-RR 2019, 984; OLG Oldenburg, Urt. v. 30.10.2019, 14 U 93/19; Urt. v. 02.10.2019, 5 U 47/19; OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019, 13 U 149/18, NJW-RR 2019, 1428; a. A. OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019, 7 U 134/17, DAR 2019, 261).
46 
a) Das haftungsbegründende Verhalten der Beklagten i. S. v. § 826 BGB ergibt sich aus dem Herstellen und Inverkehrbringen eines Fahrzeugs unter gezieltem Einsatz eines Schadstoffreinigungssystems, das auf dem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) für die Einhaltung der für die EG-Typengenehmigung erforderlichen Emissionswerte gesorgt, im Alltagsbetrieb jedoch keine gleichwertige Reinigung vorgenommen hat. Die Betriebserlaubnis betroffener Fahrzeuge stand im Hinblick auf die im Rahmen des EG-Typgenehmigungsverfahrens nicht offengelegte streitgegenständliche „Umschaltlogik“ in Frage. Soweit ein Hersteller nicht ausdrücklich Abweichendes mitteilt, bringt er mit dem Herstellen und Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, das nicht ausdrücklich ohne Straßenzulassung angeboten wird, zum Ausdruck, dass der Einsatz des Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist (OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, ZIP 2019, 863, Rn. 10 OLG Koblenz, Urt, v, 12.06.2019, 5 U 1318/18, Rn. 18, NJW 2019, 2237, 2238). Ein Fahrzeugkäufer geht berechtigterweise davon aus, dass die insoweit notwendige Typgenehmigung und Betriebszulassung nicht mit rechtlichen Unsicherheiten behaftet sind, die sich daraus ergeben, dass sie durch Verheimlichen der Umschaltlogik gegenüber den maßgeblichen öffentlichen Stellen erschlichen wurden (OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19; OLG Köln, Beschl. v. 03.01.2019, 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 253 Rn. 42).
47 
Vorliegend war der dauerhafte Betrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Straßenverkehr im Zeitpunkt des Inverkehrbringens ebenso wie bei Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger gefährdet. Der Pkw zeigte nach unstreitigem Vortrag auf einem Prüfstand - jedenfalls im Genehmigungsverfahren nach dem NEFZ - ein anderes Abgasreinigungsverhalten als im Alltagsbetrieb. Während auf dem Prüfstand die maßgeblichen Grenzwerte (wohl) eingehalten worden sind, war der Schadstoffausstoß im Alltagsbetrieb, der den Kläger betrifft, höher, und zwar nicht etwa nur aufgrund anderer Rahmenbedingungen, sondern bereits aus technischen Gründen. Bei der im Fahrzeug des Klägers vorhanden gewesenen Steuerung, die bei einem erkannten Prüfstandslauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert hatte, handelte es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 vom 29.06.2007; OLG Stuttgart, Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19; BGH, Beschl. v. 08.01.2019, VIII ZR 225/17, Rn. 6 ff., NJW 2019, 1133, 1134 m. w. N.).
48 
b) Der Schaden des Klägers liegt bereits im Abschluss des Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug, denn dieses war für die Zwecke des Klägers nicht uneingeschränkt brauchbar.
49 
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Der Schadensbegriff des § 826 BGB ist auch subjektbezogen, so dass bei wertender Betrachtung Vermögensminderungen umfasst sind wie – bei Eingriff in die Dispositionsfreiheit – die Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung oder die Vermögensgefährdung durch das Eingehen eines nachteiligen Geschäfts. Maßgeblicher Zeitpunkt ist bei dem Abschluss eines Vertrages unter Eingriff in die Dispositionsfreiheit der des Vertragsschlusses, nicht erst die tatsächliche Realisierung eines Schadens zu einem späteren Zeitpunkt (OLG Stuttgart, Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19; BGH, Urt. v. 28.10.2014, VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 275, 276 Rn. 19; Urt. v. 21.12.2004, VI ZR 306/03, NJW-RR 2005, 611, 612; Urt. v. 19.07.2004, II ZR 217/03, NJW 2004, 2668, 2669).
50 
(1) Im vorliegenden Fall entsprachen die Eigenschaften des erworbenen Fahrzeugs nicht den berechtigten Erwartungen des getäuschten Klägers, die sich auf eine dauerhafte Nutzbarkeit des Fahrzeugs richteten. Dem Kläger drohte eine Nebenbestimmung zur EG-Typgenehmigung oder deren Widerruf mit der Folge einer Stilllegung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Die erhaltene Gegenleistung war somit für die Zwecke des Klägers nicht voll brauchbar (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2014, VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 276, 276 Rn. 18).
51 
Bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung beim Kraftfahrt-Bundesamt als zuständiger Behörde (§ 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; im Folgenden: EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 FZV dürfen Fahrzeuge nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Stellt das Kraftfahrtbundesamt nach Erteilung einer formell wirksamen Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge zum einen gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen (vgl. VG Magdeburg, Beschl. v. 02.07.2018, 1 B 268/18, Rn. 11 f.). Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug ‒ im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung ‒ keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen (OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, ZIP 2019, 863, Rn 11).
52 
Aufgrund der das Abgasreinigungssystem des Fahrzeugs beeinflussenden unzulässigen Abschalteinrichtung drohte dem Kläger als Erwerber des streitgegenständlichen Fahrzeugs der Widerruf der erteilten, aber lediglich formal wirksamen EG-Typgenehmigung und in der Folge die Betriebsuntersagung oder -beschränkung auf öffentlichen Straßen gem. § 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung in der zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung (im Folgenden: FZV; OLG Stuttgart, Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19 BGH, Beschl. v. 08.01.2019, VIII ZR 225/17, Rn. 18 ff., NJW 2019, 1133, 1135). Die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr und damit der Hauptzweck des abgeschlossenen Kaufvertrages war somit unmittelbar gefährdet. Denn wird die EG-Typgenehmigung widerrufen, droht die Stilllegung, werden Nebenbestimmungen angeordnet, ist die fortdauernde Nutzbarkeit von einer Nachrüstung des Fahrzeugs durch den Hersteller abhängig, das heißt, im Auslieferungszustand droht ebenfalls die Stilllegung (OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, ZIP 2019, 863, Rn. 18).
53 
(1) Der bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eingetretene Schaden ist nicht dadurch entfallen, dass in das Fahrzeug nachträglich ein Software-Update implementiert worden ist, das die Beklagte aufgrund der nachträglich vom Kraftfahrt-Bundesamt erlassenen Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung zur Verfügung gestellt hat. Denn § 826 BGB schützt auch die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Geschädigten, ohne dass es darauf ankäme, dass sich ein Wertverlust bereits realisiert hat. Es kommt deshalb maßgeblich auf die im Zeitpunkt des Ankaufs durch den Kläger bestehende Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs an (OLG Köln, Beschl. v. 29.04.2019, 16 U 30/19, BeckRS 2019, 11997, Rn. 19; BGH, Urt. v. 14.10.1971, VII ZR 313/69, NJW 1972, 36; Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 43). Es kann deshalb dahin stehen, ob das Software-Update im Hinblick auf seine umstrittenen Folgen überhaupt geeignet ist, das Fahrzeug in einen Zustand zu bringen, in dem es tatsächlich die ursprünglichen gesetzlichen Vorgaben der Abgasnorm Euro 5 ohne Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung unter Beibehaltung der ursprünglichen Fahreigenschaften einhält, ohne dabei die Funktionsfähigkeit, die Dauerhaltbarkeit und den Wartungsbedarf nachteilig zu verändern. Ebenso kommt es aus den genannten Gründen nicht darauf an, dass die Beklagte das Update nicht aus Gründen der Schadenswiedergutmachung entwickelt und bei den betroffenen Fahrzeugen aufgespielt hat, sondern weil sie öffentlich-rechtlich zur Durchführung des Software-Updates gezwungen war (OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19; OLG Koblenz, Urt. v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237, 2245 Rn. 79), und dass die Funktionsweise des Updates von der Beklagten nicht im Detail offengelegt wird, so dass eine Beurteilung und Folgenabschätzung von vornherein nicht möglich ist (OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19 unter Verweis auf OLG Köln, Beschl. v. 03.01.2019, 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 253 Rn. 43).
54 
c) Der Schaden in Form des Kaufvertragsabschlusses wurde durch das Handeln der Beklagten verursacht.
55 
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Fall der sittenwidrigen Vertragserschleichung genügt es, dass der Geschädigte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19 BGH, Urt. v. 12.05.1995, V ZR 34/94, NJW 1995, 2361, 2362).
56 
Der Kläger hat vorgetragen, dass er bei Kenntnis von der die Abgasreinigung durch unterschiedliche Modi beeinflussenden Software das Fahrzeug nicht erworben hätte. Dies deckt sich mit der allgemeinen Lebenserfahrung: Ein Käufer wird regelmäßig erwarten, sein Fahrzeug dauerhaft nutzen zu können, ohne dass die Gefahr einer Stilllegung aufgrund eines Erlöschens der EG-Typgenehmigung bzw. der Betriebserlaubnis droht. Diese Erwartung prägt maßgeblich den Wert des Fahrzeugs und stellt ein wesentliches Kriterium für die Anschaffungsentscheidung dar. Nach der Lebenserfahrung ist praktisch auszuschließen, dass ein potentieller Fahrzeugkäufer wie der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug zu denselben Bedingungen erworben hätte, wenn er gewusst hätte, dass das Zulassungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde und deshalb die dauernde Nutzbarkeit des Fahrzeugs im Straßenverkehr gefährdet war (OLG Stuttgart, Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19; OLG Köln, Beschl. v. 03.01.2019, 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 253 juris Rn. 42). Die weiteren für den Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugmodells im Einzelfall maßgeblichen Motive treten demgegenüber in den Hintergrund (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, ZIP 2019, 863, Rn. 26).
57 
d) Das Handeln der Beklagten geschah in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise.
58 
(1) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19; BGH, Teilversäumnis- und Endurt. v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250, 251 f. Rn. 16; Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 9 f., 19 ff. m. w. Nachw.).
59 
Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (BGH, Urt. v. 19.07.2004, II ZR 217/03, NJW 2004, 2668, 2670 f.). In der Autoindustrie spielt die Einhaltung von Umweltstandards eine große Rolle, da angesichts der in hohen Stückzahlen produzierten Fahrzeuge systematische Defizite eine große Auswirkung auf die Umweltbelastung haben. Die Verkehrserwartung geht dahin, dass die Hersteller sich an die gesetzlichen Vorgaben im Zulassungsverfahren halten und sich nicht durch falsche Angaben oder Manipulationen im Rahmen des Prüfverfahrens mit nicht vergleichbaren Angaben zu Verbrauchs- und Emissionswerten einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschaffen. An die Redlichkeit werden insoweit besonders hohe Erwartungen gestellt, weil der Käufer nicht zu einer eigenen Überprüfung in der Lage und deshalb auf die Richtigkeit der Angaben durch den Hersteller angewiesen ist (so auch OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362, 367 Rn. 48).
60 
(1) Gegen diese berechtigte Verkehrserwartung hat die Beklagte, die als Entwicklerin und Herstellerin des Motors und des streitgegenständlichen Fahrzeugs für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben verantwortlich war, in erheblichem Maße verstoßen. Die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Prüfstandserkennung widersprach offensichtlich den Vorgaben der VO (EG) 715/2007. Denn ein Fahr- und Emissionsverhalten eines geprüften Fahrzeugs, das durch eine spezielle Steuerungssoftware allein auf das Prüfverfahren abgestimmt war und somit keinerlei Rückschlüsse auf die tatsächlichen Eigenschaften des Fahrzeugs im Normalbetrieb erlaubt, widersprach dem erkennbaren Zweck der Vorschrift (ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362, 367 Rn. 49).
61 
Als Beweggrund für das Handeln der Beklagten ist allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung ersichtlich. Es erscheint lebensfremd, dass die Beklagte das mit der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen wäre (OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362, 367 Rn. 50; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, ZIP 2019, 863 Rn. 31; OLG Köln, Beschl. v. 16.07.2018, 27 U 10/18, juris Rn. 20). Zwar ist ein Handeln aus Gewinnstreben allein noch nicht als verwerflich anzusehen. Die Sittenwidrigkeit resultiert jedoch insbesondere aus den zur Gewinnmaximierung angewandten unlauteren und gesetzeswidrigen Mitteln in Kombination mit dem Ausmaß des angerichteten Schadens. Dabei ist die große Zahl der betroffenen Fahrzeuge ebenso zu berücksichtigen wie der den Käufern drohende erhebliche Schaden in Form einer Stilllegung ihrer Fahrzeuge. Hinzu kommt die Art und Weise der Täuschung seitens der Beklagten, die sich für den Absatz ihrer Motoren und Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht hat. Die Beklagte hat Behörden wie Käufer getäuscht und dabei deren Schädigung ebenso wie eine Schädigung der Umwelt allein aus Profitstreben in Kauf genommen (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, BeckRS 2019, 30073 Rn. 41; Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074 Rn. 54; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362, 367 Rn. 51; OLG Koblenz, Urt. v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237, 2239 f., Rz. 37 ff.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, ZIP 2019, 863, Rn. 33 ff.; OLG Köln, Beschl. v. 29.04.2019, 16 U 30/19, Rn. 5).
62 
(1) Dieses Ergebnis ist auch nicht, wie die Beklagte einwendet, unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren. Grundsätzlich beschränkt sich die Haftung auf die Schäden, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen, also in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen (BGH, Urt. v. 11.11.1985, II ZR 109/84, NJW 1986, 837, 838; Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 22). Anders als etwa eine vom Kläger ebenfalls geltend gemachte Haftung der Beklagten gem. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit europarechtlichen Normen knüpft der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB aber vorliegend gerade nicht unmittelbar an den Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 an, sondern folgt aus der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von Bedeutung, weil über einen Umstand getäuscht wird, der die Kaufentscheidung wesentlich beeinflusst hat (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, BeckRS 2019, 30073 Rn. 43 f.; Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074 Rn. 55 f.; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362 Rn. 52 f.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, ZIP 2019, 863 Rn. 40 f.; a. A. OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019, 7 U 134/17, DAR 2019, 261, Rn. 172 ff.).
63 
(1) Auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 826 BGB liegen vor.
64 
(a) Der erforderliche Schädigungsvorsatz im Rahmen von § 826 BGB, der getrennt von der Sittenwidrigkeit, und zwar auch von deren subjektiver Seite, festzustellen ist (BGH, Urt. v. 12.07.1966, VI ZR 1/65, WM 1966, 1148; Urt. v. 28.06.1966, VI ZR 287/64, WM 1966, 1150), bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Fahrlässigkeit, auch grobe, genügt nicht (BGH, Urt. v. 06.06.1962, V ZR 125/60, NJW 1962, 1766; Teilversäumnis- und Endurt. v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 25). Der Vorsatz muss sich auf den Schaden erstrecken, eine nur allgemeine Vorstellung über eine etwa mögliche Schädigung reicht nicht aus (BGH, Urt. v. 24.04.2001, VI ZR 36/00, NJW 2001, 2880, 2882). Andererseits ist eine Schädigungsabsicht nicht erforderlich. Es genügt, dass der Schädiger den Schadenseintritt vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt oder jedenfalls im Sinne eines bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urt. v. 20.11.2012, VI ZR 268/11, NJW-RR 2013, 550, Rn. 32; Teilversäumnis- und Endurt. v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250, 253 Rn. 25; BGH, Urt. v. 13.09.2004, II ZR 276/02, NJW 2004, 3706, 3710; Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl. 2020, § 826 Rn. 11 f.). Eine genaue Vorstellung von dem zu erwartenden Kausalverlauf ist nicht erforderlich. Insbesondere muss der Schädiger nicht wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden (BGH, Urt. v. 19.07.2004, II ZR 402/02, NJW 2004, 2971, 2973 m. w. Nachw.). Für den eigens festzustellenden subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (BGH, Urt. v. 13.09.2004, II ZR 276/02, NJW 2004, 3706, 3710).
65 
(b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagte kannte vorliegend die Umstände, welche die Sittenwidrigkeit rechtfertigen, und hat mit Schädigungsvorsatz gehandelt.
66 
Die Beklagte hat sich entsprechend § 31 BGB das Wissen und Wollen ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter (sog. Repräsentanten) zurechnen zu lassen. Eine „mosaikartige“ Zurechnung von Wissen mehrerer Personen eines Unternehmens scheidet dabei in der Regel aus. Sämtliche subjektiven Tatbestandselemente müssen angesichts des personalen Charakters der sittenwidrigen Schädigung vielmehr grundsätzlich in einer natürlichen Person verwirklicht sein (BGH, Urt. v. 28.06.2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250, Rn. 23). Entsprechend § 31 BGB findet eine Zurechnung des Handelns von Organen im aktienrechtlichen Sinne, also insbesondere von Vorstandsmitgliedern, aber auch anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter statt. Der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ wird dabei weit, nämlich im Sinne eines Repräsentanten des Unternehmens ausgelegt (BGH, Urt. v. 30.10.1967, VII ZR 82/65; NJW 1968, 391, 392; Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, § 31 Rn. 6), um zu verhindern, dass sich insbesondere Großunternehmen allein aufgrund ihrer Größe und durch ihre arbeitsteilige Organisationsstruktur einer Haftung für schuldhaftes Verhalten ihrer Mitarbeiter ohne weiteres entziehen können (OLG Stuttgart, Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074 Rn. 59). Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht ist nicht erforderlich. Es genügt, dass einer Person durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und sie die juristische Person insoweit repräsentiert (BGH, Urt. v. 30.10.1967, VII ZR 82/65, NJW 1968, 391, 392 Urt. v. 21.09.1971, VI ZR 122/70, NJW 1972, 334; Urt. v. 05.03.1998, III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1856). Der personelle Anwendungsbereich von § 31 BGB deckt sich in etwa mit dem Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des Arbeitsrechtes (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, § 31 Rn. 6).
67 
Der Kläger hat zu einer Kenntnis und zum Handeln einschließlich der Motivation leitender Personen innerhalb der Beklagten, namentlich des damaligen Vorstandsvorsitzenden M. W. und des in wechselnden Zeitspannen sowohl bei der A. AG als auch der Beklagten beschäftigen Chefentwicklers H., bereits in I. Instanz substantiiert vorgetragen, soweit ihm dies möglich war. Auf die nähere Darstellung unter Ziff. I. 1. der Gründe wird Bezug genommen.
68 
Dagegen hat die Beklagte den Vortrag des Klägers bezüglich einer Kenntnis und Billigung des Handelns durch ihre Repräsentanten nicht ausreichend bestritten, jedenfalls ihrer sie insoweit treffenden sekundären Darlegungslast nicht genügt. Der Vortrag: „Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand liegen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt waren.“ (S. 47 der Klageerwiderung, Bl. 81 d. A.) kann bereits als unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO angesehen werden (zu einer vergleichbaren Formulierung OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.07.2019, 17 U 160/18, BeckRS 2019, 14948 Rn. 113 ff.).
69 
Jedenfalls hätte die Beklagte durch substantiierten Vortrag die Behauptung des Klägers erschüttern müssen, dass ein Repräsentant Kenntnis von der Verwendung der offensichtlich unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines Prüfstandmodus hatte. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass eine nicht beweisbelastete Partei ausnahmsweise eine Substantiierungslast treffen kann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht kennt, während sie der anderen Partei bekannt sind und ihr nähere Angaben zuzumuten sind (st. Rspr., so BGH, Versäumnisurt. v. 24.10.2014, V ZR 45/13, NJW 2015, 619, 621, Rn. 22; Urt. v. 03.05.2016, II ZR 311/14, NJW 2017, 886, 887 Rn. 19 f.). Der insoweit sekundär Darlegungspflichtige kann dabei im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen und Mitteilung der Ergebnisse verpflichtet sein (vgl. BGH, Urt. v. 30.03.2017, I ZR 19/16, NJW 2018, 65, Rn. 14 ff.; Urt. v. 11.06.2015, I ZR 75/14, NJW 2016, 953, 955 - Sekundäre Darlegungslast eines Internetanschlussinhabers – Tauschbörse III, Rn. 37 ff.). Für die Beurteilung ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass es um die Zurechnung einer objektiv feststehenden gezielten Manipulationsstrategie geht. Einer solchen Vorgehensweise immanent ist die Verschleierung der Verantwortlichkeit für den Fall, dass die Manipulation entdeckt wird. Wenn aber eine objektiv sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB vorgenommen und hierbei naturgemäß dafür Sorge getragen wird, dass die Zurechnung einer solchen Schädigung zu einzelnen verantwortlichen Personen verschleiert wird, ist es nicht Aufgabe des Geschädigten, der nicht einmal bei unterbliebener Verschleierung hinreichenden Einblick in die Entscheidungsvorgänge und Verantwortlichkeiten hat, die Zurechnung zu verantwortlichen Entscheidungsträgern darzulegen (LG Heilbronn, Urt. v. 24.04.2018, Ve 6 O 26/18).
70 
Der Kläger hat im vorliegenden Fall substantiiert behauptet, dass der Vorstand der Beklagten von der Entwicklung und der späteren Verwendung der streitgegenständlichen Software zur Motorsteuerung gewusst habe, und plausibel dargelegt, er habe mit seinem Klagevortrag alles in seiner Möglichkeit Stehende vorgebracht. Dies genügt im vorliegenden Fall, um eine sog. sekundäre Darlegungslast der Beklagten auszulösen, zumal der Kläger im Rahmen des § 138 Abs. 1 ZPO auch gehalten ist, keine reinen Behauptungen „ins Blaue hinein“ aufzustellen (vgl auch OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, BeckRS 2019, 30073 Rn. 48 f.; Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074 Rn. 60; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362, 368 f. Rn. 64 ff.; OLG Köln, Beschl. v. 03.01.2019, 18 U 70/18, NZV 2019, 249, 251 f. Rn. 28 ff.; a. A. OLG München, Beschl, v, 25.07.2017, 13 U 566/17, Rn. 5 ff.).
71 
Die Beklagte ist der Behauptung des Klägers nicht substantiiert entgegengetreten. Unstreitig haben Mitarbeiter der Beklagten die streitgegenständliche Software in Kenntnis von deren Funktionsweise in die Motorsteuerung sämtlicher Motoren der Generation EA 189 Euro 5 integriert, die konzernweit in vielen Millionen Dieselfahrzeugen zum Einsatz kommen sollten. Die beschriebene Funktion widersprach für jeden offensichtlich dem Verbot einer Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007. Angesichts der Tragweite der Entscheidung über die riskante Gestaltung der Motorsteuerungssoftware in einer solch hohen Anzahl von Motoren liegt es fern, dass die Entscheidung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung des Vorstands erfolgt ist und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte. Es handelt sich der Sache nach um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den gesamten Konzern und massiven persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen, denen bei untergeordneten Konstrukteuren in Anbetracht der möglichen nachteiligen arbeits- und strafrechtlichen Folgen kein annähernd adäquater wirtschaftlicher Vorteil gegenübersteht. In Anbetracht der Tatsache, dass die fragliche Software jedenfalls zunächst durch einen Zulieferer programmiert und geliefert wurde und es sich bei der Motorsteuerung um ein Kernstück des Motors handelt, widerspräche es jeder Lebenswahrscheinlichkeit, wenn die Führungsebene des Unternehmens in diese Vorgänge nicht eingebunden worden wäre. Wer die Zustimmung zur Entwicklung und zum Einsatz einer Software in der Motorsteuerung für Millionen von Neufahrzeugen erteilt und damit ein Geschäftsmodell begründet, muss eine wichtige Funktion in einem Unternehmen haben und mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet sein. Soweit es sich dabei nicht um einen Vorstand im aktienrechtlichen Sinne handelt, spricht im Hinblick auf das Gewicht der Entscheidung zumindest eine starke tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um einen Repräsentanten im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt, weil er Entscheidungen trifft, die üblicherweise der Unternehmensführung vorbehalten sind.
72 
Die Beklagte durfte sich als Folge der sie treffenden Darlegungslast daher nicht auf das Bestreiten der seinerzeitigen Kenntnis oder Billigung von „einzelnen Vorstandsmitgliedern“ beschränken. Die Beklagte hätte mindestens zu den von ihr behaupteten internen Untersuchungen und Ermittlungen durch beauftragte externe Personen im Einzelnen vortragen und darlegen müssen, welche Personen die Entwicklung der Softwarefunktion beauftragt bzw. bei dem Zulieferer bestellt haben und wie die üblichen Abläufe innerhalb der Beklagten bei einem solchen Auftrag bzw. einer Entscheidung von derartiger Tragweite sind (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, BeckRS 2019, 30073 Rn. 47; Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074 Rn. 60; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362, 368 f. Rn. 63; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, ZVertriebsR 2019, 178, 184 Rn. 55 ff., 186 Rn. 70 ff. m. w. N.; OLG Köln, Beschl. v. 16.07.2018, 27 U 10/18 Rn. 26; Heese NJW 2019, 257, 260). Der Beklagten ist eine genaue Darlegung auch zumutbar und wird von ihrem Vorstand explizit befürwortet (etwa in der am 22.09.2015 veröffentlichten Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG, die als oberstes Ziel des Vorstands aufführt, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und Schaden von den Kunden abzuwenden, gefolgt von der Ankündigung, der Konzern werde die Öffentlichkeit über den weiteren Fortgang der Ermittlungen fortlaufend und transparent informieren).
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e) Die Beklagte hat dem Kläger den aus der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schaden zu ersetzen.
74 
Der Geschädigte, der durch die Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, hat im Rahmen der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) einen Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen dieses Vertrags, das heißt: Ausgleich der für den Vertrag getätigten Aufwendungen durch den Schädiger gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten (BGH, Urt. v. 19.07.2004, II ZR 402/02, NJW 2004, 2971, 2974 Urt. v. 28.10.2014, VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 275, 277 Rn. 26).
75 
Der Kläger kann deshalb die Erstattung der von ihm für den Erwerb des Fahrzeugs verauslagten Kosten verlangen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs an die Beklagte. Von der Schadensersatzforderung des Klägers sind als Vorteilsausgleich die gezogenen Nutzungen durch den tatsächlichen Gebrauch des Fahrzeugs abzuziehen.
76 
(1) Die vom Kläger verauslagten Anschaffungskosten ergeben sich aus der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 18.12.2019 vorgelegten Rechnung vom 22.08.2015 (Anlage BB 4). Dass entsprechender Vortrag der Beklagten - ebenso wie Vortrag des Klägers hierzu, vgl. § 138 Abs. 1 ZPO - entgegen § 282 Abs. 1 ZPO erst in der Berufungsinstanz erfolgt ist, hindert die Berücksichtigung nicht. Zwar hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30.12.2019 eingewandt, die Vorlage der Rechnung durch die Beklagte sei verspätet. Der Kläger hat die in der Rechnung vom 22.08.2015 genannten Beträge, insbesondere einen Mengennachlass von 10 % und einen weiteren Sondernachlass von 10 %, jedoch ebenso wenig bestritten wie die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe im Rahmen der Umsatzsteuermeldung die Vorsteuer bei den Finanzbehörden geltend gemacht und den zunächst bezahlten Umsatzsteueranteil von 4.737,99 EUR aus der Rechnung vom Finanzamt erstattet bekommen. Im Gegenteil hat der Kläger im Rahmen seiner Anhörung im Termin vom 22.01.2020 sowohl einen Nachlass von 7.437,50 EUR (der sich im Übrigen auch bereits aus der verbindlichen Bestellung vom 11.08.2015 ergibt, Anlage K 1) als auch eine Vorsteuerabzugsberechtigung ausdrücklich eingeräumt (Protokoll Bl. 623). Die Höhe der von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Anschaffungskosten beläuft sich deshalb auf 24.936,80 EUR netto (Rechnung vom 22.08.2015, Anlage BB 4), vorbehaltlich eines vorzunehmenden Vorteilsausgleichs.
77 
(1) Der Kläger hat das streitgegenständliche Fahrzeug herauszugeben und an die Beklagte zu übereignen.
78 
(1) Die Schadensersatzforderung des Klägers reduziert sich um Nutzungen im Wert von 12.047,70 EUR die er mit dem Fahrzeug gezogen hat.
79 
(a) Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dürfen dem Geschädigten neben seinem Ersatzanspruch nicht zusätzlich die Vorteile verbleiben, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren (BGH, Urt. v. 12.03.2009, VII ZR 26/06, NJW 2009, 1870, 1871 Rn. 15 Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Auflage 2020, vor § 249 Rn. 71). Soweit Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten (BGH, Urt. v. 23.06.2015, XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160 Rn. 22).
80 
(b) Eine Berücksichtigung der vom Kläger gezogenen Nutzungen entfällt weder aufgrund der sittenwidrigen Schädigung der Beklagten noch unter verbraucherrechtlichen Gesichtspunkten.
81 
Der Kläger hat das streitgegenständliche Fahrzeug über einen mehrjährigen Zeitraum genutzt und auf diese Weise einen erheblichen geldwerten Vorteil erlangt. Auch angesichts des Umstandes, dass der Beklagten eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorzuwerfen ist, ist die Berücksichtigung dieses Vorteils nicht unbillig und führt insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Entlastung des Schädigers. Der Kläger hätte auch ohne das schädigende Ereignis ein Kraftfahrzeug geführt und die daraus resultierenden Nutzungsvorteile auf eigene Kosten für sich in Anspruch genommen. Demgegenüber ist es regelmäßig nicht Aufgabe des Schadensrechts, das Verhalten des Schädigers in einer über die faktische Rückabwicklung des Vertrages hinausgehenden Weise zu sanktionieren (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, BeckRS 2019, 30073 Rn. 51; Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074 Rn. 64; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362, 369 Rn. 72 f.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.11.2019, 17 U 146/19, BeckRS 2019, 28963 Rn. 99 ff.; OLG Koblenz, Urt. v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, NJW 2019, 2239, 2245 Rn. 84).
82 
Der Berücksichtigung des Nutzungsvorteils im Wege der Vorteilsausgleichung stehen im Übrigen weder die gesetzlichen Regelungen noch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Verbrauchsgüterkauf entgegen.
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Der Kläger hat das streitgegenständliche Fahrzeug nicht als Verbraucher (§ 13 BGB), sondern als Taxiunternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB) erworben, § 474 Abs. 1 BGB, so dass die Ausnahmevorschrift des § 475 Abs. 3 S. 1 BGB, wonach ein Wertersatz beim Verbrauchsgüterkauf ausnahmsweise nicht erfolgen soll, nicht einschlägig ist.
84 
Die Entscheidung des EuGH vom 17.04.2008 (1. Kammer, C 404/06, NJW 2008, 1433 – Kein Wertersatz für Nutzung vertragswidrigen Verbrauchsguts – Quelle AG), nach der im Rahmen der Nachlieferung bei einem Verbrauchsgüterkauf Wertersatz für die zurück zu gewährende zuerst gelieferte mangelhafte Sache nicht verlangt werden kann, ist nicht auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Im streitgegenständlichen Fall ist kein Verbrauchsgüterkauf, sondern ein deliktischer Anspruch gegen den Hersteller des Fahrzeugs zu beurteilen. Zum anderen ist die vorliegende Konstellation allenfalls einem Rücktritt vergleichbar, nicht aber der Nachlieferung einer mangelfrei geschuldeten Sache. Für den Rücktritt aber ordnet § 346 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB ausdrücklich die Verpflichtung zur Herausgabe gezogener Nutzungen bzw. zum Wertersatz an. § 475 Abs. 3 S. 1 BGB erklärt die Nutzungsherausgabe bzw. den Wertersatz nur für den Fall der Nachlieferung beim Verbrauchsgüterkauf für unanwendbar (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, BeckRS 2019, 30073 Rn. 51; Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074 Rn. 64; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362, 369 Rn. 74 f.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.11.2019, 17 U 146/19, BeckRS 2019, 28963 Rn. 99 ff.; OLG Koblenz, Urt. v. 12.06.2019, 5 U 1318/18, NJW 2019, 2239, 2245 Rn. 84).
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(c) Die Höhe des anzurechnenden Nutzungsersatzes ist im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO zu ermitteln.
86 
Dabei ist es sachgerecht, entsprechend der Rückabwicklung beim Fahrzeugkauf die vom Käufer tatsächlich gefahrenen Kilometer ins Verhältnis zum Kaufpreis und der bei Vertragsabschluss zu erwartenden Restlaufleistung zu setzen (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, BeckRS 2019, 30073 Rn. 52; Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074 Rn. 65; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362, 369 Rn. 76; OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.11.2019, 17 U 146/19, BeckRS 2019, 28963 Rn. 99 ff.; BGH, Urt. v. 17.05.1995, VIII ZR 70/94, NJW-RR 1995, 2159, 2161). Die vom Kläger mit der Berufung geltend gemachte Gesamtlaufleistung von „mindestens 500.000 km“ erscheint dabei deutlich zu hoch. Die kurze Begründung, aufgrund „der vorhandenen Technologie neuerer Dieselfahrzeuge“ sei von einer derartigen Laufleistung auszugehen, überzeugt nicht. Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen von Kfz-Sachverständigen, die vom Senat in zahlreichen anderen Rechtsstreitigkeiten zu der erwartbaren Laufleistung vergleichbarer Kraftfahrzeuge befragt worden sind, ist bei der Gesamtlaufleistung, die sich nicht nur aus der Haltbarkeit des Motors, sondern des Fahrzeugs insgesamt ergibt, von 300.000 km auszugehen (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, BeckRS 2019, 30073 Rn. 52; Urt. v. 24.09.2019, 10 U 11/19, ZVertriebsR 2019, 362, 369 Rn. 76; für eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km: OLG Stuttgart, Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074 Rn. 65; OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.11.2019, 17 U 146/19, BeckRS 2019, 28963 Rn. 108; BGH, Beschl. v. 09.12.2014, VIII ZR 196/14, BeckRS 2015, 1267).
87 
Bei Ansatz einer beim Kauf noch zu erwartenden Restlaufleistung des Fahrzeugs von 299.990 km – wie auch vom Landgericht Heilbronn seiner Entscheidung zugrunde gelegt – ergibt sich als Wert der vom Kläger gezogenen Nutzungen nach der Formel: Nutzungsentschädigung = Kaufpreis x gefahrene km / Restlaufleistung bei Vertragsschluss ein Betrag von 24.936,80 EUR x 144.934 km / 299.990 km = 12.047,70 EUR.
88 
Hieraus ergibt sich eine Differenz zu den unter (1) dargelegten Anschaffungskosten (24.936,80 EUR netto) von 12.889,10 EUR.
89 
f) Einen Verzug der Beklagten mit der Zahlung des Schadensersatzbetrages hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Die Beklagte schuldet deshalb lediglich Rechtshängigkeitszinsen ab dem Folgetag der Klagezustellung am 06.06.2018 (Bl. 26 d. A.), §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
90 
2. Ein Anspruch des Klägers auf Zinsen aus § 849 BGB besteht nicht.
91 
Zwar kann die Vorschrift des § 849 BGB jeden Sachverlust durch ein Delikt erfassen und erstreckt sich auch auf Geld (BGH, Versäumnisurt. v. 26.11.2007, II ZR 167/06, NJW 2008, 1084). Der Regelung des § 849 BGB kann aber kein allgemeiner Rechtssatz dahin entnommen werden, dass deliktische Schadensersatzansprüche stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen seien (so ausdrücklich BGH, Urt. v. 12.06.2018, KZR 56/16, NJW 2018, 2479, 2482 Rn. 45). Der Zweck der Vorschrift richtet sich darauf, einen Verlust an der Nutzbarkeit der weggegebenen Sache als pauschalierten Mindestbetrag auszugleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 849 Rn. 2). Bei Anwendung des § 849 BGB ergibt sich ein pauschalierter Mindestbetrag unabhängig von einer im Einzelfall tatsächlich gezogenen Nutzung, die Vorschrift hat deshalb eine andere Zielrichtung als die im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigende konkret vorgenommene Fahrzeugnutzung. Im vorliegenden Fall hat der Kläger als Käufer des streitgegenständlichen Fahrzeugs den bezahlten Kaufpreis nicht ersatzlos weggeben, sondern im Gegenzug Eigentum und Besitz am streitgegenständlichen Pkw einschließlich der damit verbundenen abstrakten Nutzungsmöglichkeit erhalten, wobei die Möglichkeit zur Nutzung für den Kläger nicht fühlbar eingeschränkt gewesen war (OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, BeckRS 2019, 30073 Rn. 55; Urt. v. 26.11.2019, 12 U 142/19, BeckRS 2019, 30074 Rn. 68; OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019, 13 U 149/18, Rn. 81; OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019, 13 U 37/19 Rn. 131 ff. m. Nachw.; Riehm, NJW 2019, 1105, 1109). Für die Anwendung des § 849 BGB ist unter diesen Umständen kein Raum. Der abweichenden Auffassung, die etwa vom Oberlandesgericht Oldenburg (Urt. v. 02.10.2019, 5 U 47/19, Rn. 41 ff.), vom 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Urt. v. 19.11.2019, 17 U 146/19, Rn. 110 ff., BeckRS 2019, 28963) oder vom Oberlandesgericht Koblenz vertreten worden ist, das bei wirtschaftlicher Betrachtung zumindest einen teilweisen Entzug des Kaufpreises gesehen hat (Urt. v. 16.09.2019, 12 U 61/19, r+s 2019, 657, 662 f.), schließt sich der Senat deshalb nicht an.
92 
Der Senat sieht im Übrigen auch nicht eine Vergleichbarkeit des vorliegend zu beurteilenden Sachverhalts mit demjenigen, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.6.2018 (NJW 2018, 2479 ff, RZ 44- 46 nach juris) zugrunde lag. Ungeachtet der dort zu beachtenden Besonderheit eines Kartellrechtsverstoßes, bei dem nach Auffassung des Kartellsenats des BGH eine entsprechende Anwendung von § 849 BGB einem unionsrechtlichen Postulat genügen sollte, kann hier schon wegen der uneingeschränkten Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger nicht erkannt werden, dass und inwieweit von diesem ein überhöhter Preis im Sinne der kartellrechtlichen Erwägungen des BGH gezahlt worden wäre.
93 
3. Der Kläger hat gegen die Beklagte wegen §§ 274 Abs. 2, 300 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Feststellung, dass sich diese mit der Entgegennahme des Pkws im Annahmeverzug befindet. Da die Beklagte die Ansprüche des Klägers in vollem Umfang abgelehnt hat, war ein tatsächliches Angebot i. S. v. § 294 BGB entbehrlich.
94 
4. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Es fehlt an schlüssigem Vortrag zu einem entsprechenden Auftrag und einem außergerichtlichen Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten des Klägers.
V.
95 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, S. 2, 709 S. 2 ZPO.
VI.
96 
Die Revision wird gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen.
97 
Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts. In einer Vielzahl vergleichbarer Rechtsstreitigkeiten, in denen sich die gleichen Rechtsfragen stellen wie im vorliegenden Fall, sind divergierende obergerichtliche Entscheidungen ergangen.

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