Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht (4. Zivilsenat) - 4 U 194/16

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 10.11.2016 - Az.: 327 O 59/16 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 29.976,42 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 7.818,12 € ab dem 27.03.2013, auf 6.716,33 € ab dem 23.05.2013, auf 7.373,43 € ab dem 22.08.2013, auf 172,01 € ab dem 20.09.2013, auf 4.400,47 € ab dem 18.11.2013, auf 1.217,37 € ab dem 05.01.2015, auf 320,40 € und auf 1.957,68 € ab dem 23.04.2015 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten der I. Instanz tragen die Parteien wie folgt: Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin und die Beklagte zu 1) je zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) hat die Klägerin zu tragen.

Die Kosten der II. Instanz tragen die Parteien wie folgt: Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1) zu 1/3 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) hat die Klägerin zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn der jeweilige Vollstreckungsgläubiger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 29.976,42 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zahlung anwaltlicher Honorarforderungen.

2

Die Klägerin ist eine deutsche Anwaltssozietät. Die Beklagte zu 1) ist eine Gesellschaft dänischen Rechts mit Sitz in Risskov, Dänemark, welche am 27.08.2014 im Rahmen einer Restrukturierung der mittlerweile insolventen ... A/S gegründet wurde. Der Beklagte zu 2) ist ein in Dänemark zugelassener Rechtsanwalt sowie ehemaliges gemeinschaftlich vertretungsberechtigtes Aufsichtsratsmitglied der ... A/S. Daneben war er als Justiziar bei dem Unternehmen ... A/S beschäftigt.

3

Der Beklagte zu 2) wandte sich mit E-Mail vom 20.12.2012 (Anlage K 2) an die Klägerin und bat diese um rechtliche Unterstützung im Rahmen einer Streitigkeit um Ausgleichsansprüche der Beklagten zu 1) gegen die deutschen ... GmbH. Darin erklärte er zu Beginn:

4

„I am a member of the board of directors in the company ... A/S.“

5

Die E-Mail enthielt dem Text folgend eine elektronischen Visitenkarte, welche unter dem Logo „ ... " den Namen des Beklagten zu 2) und den Zusatz „Corporate Legal Counsel - Advocat (H)“ aufwies.

6

Im Folgenden vertrat die Klägerin die ... A/S außergerichtlich gegenüber der ... GmbH im Rahmen von Verhandlungen über einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 8.404.470,90 dänischen Kronen.

7

Mit E-Mail vom 21.02.2014 (Anlage K 3) setzte der Beklagte zu 2) die Klägerin darüber in Kenntnis, dass aufgrund der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der ... A/S eine neue Gesellschaft gegründet werden sollte. In diesem Zusammenhang führte er aus:

8

„Payment of your past costs will be provided by the newco.“

9

Zudem teilte der Beklagte zu 2) der Klägerin mit E-Mail vom 30.07.2014 (Anlage K 8) mit:

10

„Apo DK Aps will be pleased to pay your old invoices to ... and your future fees provided that such payment can be synchronized with a settlement with ... GmbH.“

11

Nach entsprechender Bevollmächtigung durch den Geschäftsführer der Beklagten zu 1) (Anlage K 6 - Power of Attorney vom 20.11.2014) wurde die Klägerin in der Folgezeit für die Beklagte zu 1) im Zusammenhang mit den von dieser erworbenen Ansprüchen gegen die ... GmbH tätig.

12

In einer E-Mail des Beklagten zu 2) an die Klägerin vom 11.12.2014 (Anlage K 4) führte dieser aus:

13

„Please send me a short overview of your total costs until now, so that these can be paid.“

14

Im Verlauf dieser Vorgänge erstellte und übersandte die Klägerin regelmäßig Rechnungen für ihre Tätigkeit auf Stundensatzbasis (Anlage K 1) über insgesamt 30.691,61 Euro an die ... A/S und sodann an die Beklagte zu 1), von denen am 11.05.2015 eine Teilrechnung in Höhe von 715,19 Euro beglichen wurde. Unter dem 05.05.2015 übersandte die Klägerin der Beklagten zu 1) eine Rechnung über insgesamt 16.503,87 Euro (Anlage K 19), was einer Vergütung nach dem RVG entspricht. Mit E-Mail vom 08.06.2015 (Anlage K 30) wies die Klägerin darauf hin, dass der offene Rechnungsbetrag insgesamt 30.327,88 € betrage.

15

Die Klägerin hat insbesondere die Auffassung vertreten, aus dem E-Mail-Verkehr ergebe sich, dass der Beklagte zu 2) für die Beklagte zu 1) die Übernahme der Honorarforderungen der Klägerin gegen die ... A/S zugesagt habe und damit eine Abrechnung auf Stundenbasis akzeptiert habe. Eine solche Vereinbarung sei nach dänischem Recht formlos möglich. Die Beklagte zu 1) sei anstelle der ... A/S in den Anwaltsvertrag eingetreten oder habe zumindest deren Schuld übernommen.

16

Der Beklagte zu 2) hafte nach Ziffer 5.7 der CCBE-Berufsregeln für Europäische Rechtsanwälte, bei der es sich um gewohnheitsrechtlich anerkanntes Standesrecht handele. Deren Anwendbarkeit ergebe sich aus Ziffer 4.2 des dänischen Verhaltenskodex für Rechtsanwälte wegen des Vorliegens einer innereuropäischen grenzübergreifenden Tätigkeit eines dänischen Rechtsanwalts. Diese Vorschrift sei über Art. 17 Rom II-VO beziehungsweise Art. 4 der Richtlinie 77/249/EWG und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 98/5/EG anwendbar.

17

Die Klägerin hat beantragt,

18

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 29.976,42 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 7.818,12 € ab dem 27.03.2013, auf 6.716,33 € ab dem 23.05.2013, auf 7.373,43 € ab dem 22.08.2013, auf 172,01 € ab dem 20.09.2013, auf 4.400,47 € ab dem 16.11.2013, auf 1.217,37 € ab dem 04.01.2014, auf 320,40 € und auf 1.957,68 € ab dem 23.04.2015 zu zahlen.

19

Die Beklagten haben beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Die Beklagte zu 1) hat die Auffassung vertreten, die Aussagen zu den Zahlungen seien stets vage gewesen, sodass darin keine verbindliche Zusage gesehen werden könne. Zudem hätten die Parteien keine Honorarvereinbarung geschlossen, sodass lediglich eine Vergütung nach dem RVG geschuldet sein könne.

22

Der Beklagte zu 2) hat vorgetragen, eine ihn treffende Haftung aufgrund von Ziffer 5.7 der CCBE-Berufsregeln komme nicht in Betracht, da er nicht als Rechtsanwalt, sondern als Aufsichtsratsmitglied der ... A/S tätig geworden sei. Es fehle zudem an der Qualität der CCBE-Berufsregeln als Anspruchsgrundlage, da diese lediglich Standesrecht seien.

23

Wegen des weitergehenden erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

24

Das Landgericht hat die Beklagte zu 1) mit Urteil vom 10. November 2016 (Az.: 327 O 59/16) zur Zahlung von 16.503,87 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.06.2015 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

25

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich ein entsprechender Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) aus § 611 Abs. 1 BGB ergebe. Diese sei an Stelle der ... A/S unter Übernahme sämtlicher Altforderungen in den Anwaltsvertrag mit der Klägerin eingetreten.

26

Der Höhe nach sei gemäß § 612 Abs. 2 BGB eine Vergütung nach dem RVG geschuldet, da keine anderweitige Vereinbarung getroffen worden sei. Der Haftungsumfang der ... A/S sei in dem Schriftverkehr nicht thematisiert worden. Auch sei im Rahmen der Vertragsübernahme durch die Beklagte zu 1) keine Vereinbarung über eine Änderung der Abrechnungsart der Klägerin im Sinne eines Stundensatzhonorars getroffen worden. Den gegenständlichen E-Mails und der vorbehaltlosen Begleichung einer Rechnung sei der für ein konstitutives Schuldanerkenntnis erforderliche Rechtsbindungswille nicht zu entnehmen. Für die Annahme eines Anerkenntnisses fehle es zudem an der dafür erforderlichen Interessenlage, da zwischen den Parteien kein Streit oder Ungewissheit über die Forderungshöhe bestanden habe.

27

Ein Anspruch gegen den Beklagten zu 2) bestehe nicht, da das anwendbare deutsche Recht keine Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte akzessorische Haftung enthalte.

28

In Bezug auf die Forderungen, die der Klägerin gegen die ... A/S zugestanden haben, seien die Voraussetzungen der Ziffer 5.7 der CCBE-Berufsregeln nicht erfüllt gewesen. Der Beklagte zu 2) sei ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied und nicht in als Rechtsanwalt an die Klägerin herangetreten.

29

Hinsichtlich der Forderungen der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) nach Vertragsübernahme entfalle eine Haftung, da Ziffer 5.7 der CCBE-Berufsregeln in Deutschland nicht mehr als Anspruchsgrundlage angewendet werden könne, da es sich nicht um deutsches materielles Zivilrecht handele.

30

Wegen der weiteren Ausführungen des Landgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 10. November 2016 verwiesen.

31

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil, soweit in diesem der Klageantrag abgewiesen worden ist.

32

Zur Begründung trägt sie vor, aus dem vorgelegten Schriftverkehr (Anlagen K 3, K 4 und K 8) gehe hervor, dass die Parteien sich auf eine zeitabhängige Vergütung geeinigt hätten. Aus den dort verwendeten Formulierungen ergebe sich, dass auch die Beklagten nicht von einer Pauschalvergütung, sondern von einer Stundenhonorarvereinbarung ausgegangen seien. Geschuldet sei daher die für zeitaufwandabhängige Rechtsdienstleistungen übliche Vergütung, welche sich vorliegend für eine große und renommierte Kanzlei auf die abgerechneten Stundensätze von 330,00 € netto für Partner und 280,00 € netto für angestellte Rechtsanwälte belaufe. Die Stundenhonorarvereinbarung sei trotz mangelnder Einhaltung der Formanforderungen des § 3a RVG wirksam, weil Art. 11 Abs. 2 Rom-I-VO anwendbar sei. Da es nach dänischem Recht nicht erforderlich sei, eine entsprechende Honorarvereinbarung schriftlich oder in Textform abzufassen, folge daraus auch eine Wirksamkeit aus deutscher Sicht.

33

Das Landgericht habe außerdem verkannt, dass der geltend gemachte Anspruch auch aus einem abstrakten Schuldanerkenntnis der Beklagten zu 1) folge. Ein solches sei in der E-Mail vom 17.12.2014 (Anlage K 21) zu sehen. Entscheidend sei, dass der Beklagte zu 2) sich im Namen der Beklagten zu 1) darin ausdrücklich auf die zuvor übermittelte Abrechnung der Klägerin über einen Betrag in Höhe von 28.400,00 € bezogen und deren Zahlung angekündigt habe. Dadurch habe die Beklagte zu 1) die Zahlung des Stundenhonorars zugesichert. Zu diesem Zeitpunkt habe auch Unsicherheit über den eigentlichen Kostenschuldner und die Höhe des geschuldeten Betrags bestanden, sodass alle Voraussetzungen für ein Anerkenntnis gegeben gewesen seien.

34

Darüber hinaus habe das Landgericht den Parteivortrag der Klägerin unvollständig und falsch gewürdigt, da es das Vorliegen eines beweiserleichternden Anerkenntnisses zugunsten der Klägerin durch die Anzeige der Erfüllungsbereitschaft seitens der Beklagten zu 1) nicht problematisiert habe. Die widerspruchslose Entgegennahme zahlreicher gleichförmiger Rechnungen auf der Basis von Stundensätzen, die Begleichung einer Teilrechnung und die mehrfache Zusicherung der Zahlung der Gebühren der Klägerin seien zumindest Indizien für das Vorliegen einer entsprechenden stillschweigenden Vergütungsvereinbarung. Dies führe zu einer Beweislastumkehr, sodass den Beklagten der Gegenbeweis für das Bestehen einer anderen Vereinbarung oblegen hätte.

35

Das Landgericht habe des Weiteren materielles Recht verletzt, da ein Anspruch gegen den Beklagten zu 2) aus Ziffer 5.7 der CCBE-Berufsregeln in Verbindung mit Ziffer 4.2 des dänischen Verhaltenskodexes für Rechtsanwälte folge.

36

Bei den CCBE-Berufsregeln handele es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts um einen Teil des deutschen Rechts. Dies folge unter anderem aus Art. 4 der Dienstleistungsrichtlinie 77/249/EWG, welcher den Grundsatz der doppelten Standesregelung festlege, sowie aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 98/5/EG vom 16. Februar 1998.

37

Hilfsweise berufe sie sich darauf, dass hinsichtlich der Standesregeln dänisches Recht gelte und die CCBE-Berufsregeln Teil des dänischen Rechts seien. Das anwaltliche Berufsrecht sei eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die nach Art. 1 Abs. 1 Rom-I-VO nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung falle.

38

Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht schließlich verkannt, dass die Voraussetzungen der Ziffer 5.7 der CCBE-Berufsregeln zu jedem maßgeblichen Zeitpunkt erfüllt gewesen seien. Der Beklagte zu 2) habe sich zum Zeitpunkt der Mandatierung der Klägerin in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt an diese gewandt, was durch die Verwendung der Signatur und die Rechtsausführungen in der gegenständlichen E-Mail zum Ausdruck komme. Zudem gelte der 5.7 der CCBE-Berufsregeln auch für Rechtsanwälte, die sich zusätzlich als Aufsichtsratsmitglied gerierten, da diese Stellung einen Rechtsanwalt nicht von der Einhaltung seiner standesrechtlichen Berufsregeln befreie.

39

Die Klägerin beantragt,

40

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10.11.2016, 327 O 59/16, abzuändern und wie folgt zu tenorieren:

41

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 29.976,42 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 7.818,12 € ab dem 27.03.2013, auf 6.716,33 € ab dem 23.05.2013, auf 7.373,43 € ab dem 22.08.2013, auf 172,01 € ab dem 20.09.2013, auf 4.400,47 € ab dem 16.11.2013, auf 1.217,37 € ab dem 04.01.2014, auf 320,40 € und auf 1.957,68 € ab dem 23.04.2015 zu zahlen;

42

hilfsweise:

43

2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin weitere 13.472,55 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten seit dem 09.06.2015 zu zahlen.

44

Die Beklagten beantragen,

45

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

46

Die Beklagten verteidigen das landgerichtliche Urteil. Zur Begründung führen sie aus, das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass eine Stundenhonorarvereinbarung zwischen den Parteien nicht getroffen worden sei. Auch ein diesbezügliches Anerkenntnis seitens der Beklagten sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt.

47

Eine Honorarhaftung des Beklagten zu 2) scheide bereits deshalb aus, weil dieser bei der Auftragserteilung nicht als Anwalt gehandelt habe.

48

Zudem weise das anwendbare deutsche Recht keine Regelung für eine entsprechende Haftung auf. Auch bei dem dänischen „Code of Conduct" handele es sich allenfalls um dänisches Standesrecht, welches eine zivilrechtliche Haftung in keinem Fall begründen könne.

49

Ergänzend zum Parteivorbringen wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

50

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 517, 519, 520 ZPO) der Klägerin ist im tenorierten Umfang begründet.

1.

51

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich ein Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) aus § 611 Abs. 1 BGB ergibt.

a)

52

Die Höhe des Anspruchs ergibt sich nach der Auffassung des Senats gemäß § 612 Abs. 2 BGB nicht aus den Gebührensätzen des RVG, sondern aus der zeitabhängigen Abrechnung der Klägerin auf Stundenbasis. Eine Vergütungspflicht ergibt sich zunächst aus § 612 Abs. 1 BGB aufgrund des Bestehens einer objektiven Vergütungserwartung für die Tätigkeit der Klägerin. Gemäß § 612 Abs. 2 BGB bestimmt sich die Höhe der geschuldeten Vergütung in der dort festgelegten Reihenfolge entweder nach Vereinbarung, taxmäßiger Vergütung oder üblicher Vergütung.

53

Unstreitig haben die Parteien keine ausdrückliche Vergütungsvereinbarung in Bezug auf die konkrete Höhe des Honorars getroffen. Jedoch ergibt sich aus dem Schriftverkehr zwischen den Parteien, dass diese durch konkludentes Verhalten zumindest eine Vereinbarung dahingehend getroffen haben, dass eine Abrechnung in Abhängigkeit vom Zeitfaktor erfolgen sollte. Zu Recht weist die Berufung darauf hin, dass aus den ausgetauschten E-Mails zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2) eindeutig hervorgeht, dass die Parteien übereinstimmend von einer zeitabhängigen Vergütungsvereinbarung ausgingen. Dies ergibt bereits daraus, dass die dort gewählten Formulierungen der Beklagtenseite mit der Annahme einer Pauschalvergütungsvereinbarung nicht in Einklang zu bringen sind.

54

Das anwaltliche Gebührenrecht nach dem RVG beruht auf einem System der aufwandunabhängigen Vergütung nach einheitlichen Gebührentatbeständen, welche sich am Gegenstandswert orientieren. Der Zeitfaktor kann für eine entsprechende Abrechnung grundsätzlich nur insoweit Berücksichtigung finden, als dass er im Rahmen der Angemessenheit einer Gebühr die Einstufung innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens beeinflussen kann (vgl. beispielsweise Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 01. August 2016 - L 5 SF 22/16 E -, juris) . Entsprechend diesem System des einmaligen Gebührenanfalls regelt § 8 Abs. 1 RVG, dass die Vergütung erst fällig wird, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist, da sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts pauschal abgegolten werden. Auch aus § 15 Abs. 1 und 2 RVG ergibt sich das dem RVG zugrundeliegende Prinzip der Pauschalierung.

55

Aus dem Schriftverkehr zwischen den Parteien ergibt sich jedoch, dass auch seitens der Beklagten nicht von einer solchen Kosteneinheit ausgegangen wurde. Der Beklagte zu 2) verwies im Namen der ... A/S und der Beklagten zu 1) nicht nur allgemein auf die Kosten der Klägerin, sondern schrieb von „past costs", „old invoices", „future fees" und „costs until now" (vgl. Anlagen K 3, K 4, K 8). Die dadurch zum Ausdruck kommende Abhängigkeit der Kosten vom Zeitfaktor widerspricht einer Pauschalvereinbarung zur Vermeidung von Einzelberechnungen. Eine Aufteilung der Kosten in vergangene und künftige ergibt nur vor dem Hintergrund einer zeitabhängigen Vergütungsvereinbarung unter Abwendung von dem Einmalprinzip und der Pauschalierung einen Sinn.

56

Aufgrund der Annahme einer zeitabhängigen Vergütungsvereinbarung kann die Höhe der Vergütung nicht nach dem RVG im Sinne einer taxmäßigen Vergütung bestimmt werden, da das RVG keine bestimmten Sätze für Stundenhonorare enthält. Fehlt eine maßgebende Taxe, ist hilfsweise die übliche Vergütung geschuldet. Relevant ist daher die Höhe der Vergütung, die an dem betreffenden Ort in gleichen oder ähnlichen Gewerben oder Berufen für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse bezahlt zu werden pflegt (vgl. Fandel/Kock in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 612 BGB Rn. 25). Welcher Betrag die übliche Vergütung im vergleichbaren Wirtschaftskreis darstellt, ist gemäß § 287 Abs. 2 ZPO auf eine richterliche Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu stützen (BeckOK ArbR/Joussen, 42. Edition 1.12.2016, BGB § 612 Rn. 33). Für die Beurteilung können die in § 14 Abs. 1, Abs. 4 RVG aufgeführten Kriterien, also der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie das Verhältnis zwischen der Leistung, der Verantwortung und dem Haftungsrisiko des Anwalts herangezogen werden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 07. Juli 2015 - I-28 U 189/13, BeckRS 2015, 16181). Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass sofern die übliche Vergütung nicht in einem festen Betrag, sondern in einer Bandbreite besteht, der Dienstverpflichtete gemäß §§ 316, 315 Abs. 1 BGB die Höhe der Vergütung innerhalb dieses Spielraums nach billigem Ermessen bestimmt (vgl. Fandel/Kock in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 612 BGB, Rn. 25). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sind nach Auffassung des Senats die von der Klägerin geforderten Stundensätze nicht zu beanstanden. Der in Deutschland durchschnittlich gezahlte Stundensatz eines Rechtsanwaltes beträgt etwa 180 Euro (vgl. beispielsweise LG Saarbrücken, Urteil vom 17. Mai 2016 - 14 O 152/15, BeckRS 2016, 09589), wobei je nach den Einzelfallumständen Sätze von 30,00 bis mehr als 500,00 Euro verlangt werden (vgl. Weidenkaff in: Palandt, BGB, 76. Auflage, § 612 BGB Rn. 11). Unter Berücksichtigung der Kriterien der §§ 14 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 2 RVG und der Umstände des Einzelfalls, wie insbesondere der Ausrichtung, Standort, Größe sowie Spezialisierung der Klägerin und der Internationalität des Mandats hat der Senat - unter Berücksichtigung eigener Erfahrungswerte aus ähnlich gelagerten Streitfällen - keine Bedenken, den Stundensatz zwischen 280,00 Euro und 330,00 Euro netto für die Tätigkeit der Klägerin als angemessen und üblich anzusehen. Insbesondere handelt es sich bei der Klägerin um eine international tätige Großkanzlei am Kanzleistandort Hamburg, deren Stundensätze auch unter Einbeziehung der Kostenstruktur aufgrund der teuren Mieten und einem großen und kostspieligen Personalbestand eher im oberen Bereich einzustufen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. November 2011 - I-24 U 192/10, BeckRS 2012, 04346).

57

Darüber hinaus hat der Beklagte zu 2) im Namen der Beklagten zu 1) sowohl die Höhe der seitens der Klägerin in Rechnung gestellten Stundensätze, als auch die jeweils hinzukommende Auslagenpauschale in Höhe von 3% der Gebühren deklaratorisch anerkannt. Gleiches gilt auch für den Umfang der Tätigkeit der Klägerin im Sinne der Anzahl der von ihr berechneten Stunden. Durch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis wird eine bereits bestehende Schuld bestätigt und es entfaltet insoweit eine kausale Feststellungswirkung (vgl. Linck in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Auflage 2015, § 59 Rn. 69). Voraussetzung für die Annahme eines solchen Anerkenntnisses ist eine Einigung, die nicht auf die Begründung einer neuen, selbstständigen Forderung, sondern auf Bestätigung der alten gerichtet ist, die auf eine sichere Grundlage gestellt werden soll (vgl. Stadler in: Jauernig, Kommentar zum BGB 16. Auflage 2015, Anmerkungen zu den §§ 780, 781 BGB Rn. 16).

58

In seiner E-Mail vom 17.12.2014 (K 21) bezog der Beklagte zu 2) sich ausdrücklich auf die zuvor von der Klägerin als offenen Rechnungsbetrag angegebenen 28.400,00 Euro und machte darauf folgend ein Vergleichsangebot. Abschließend merkte er an, die offenen Abrechnungen noch vor Weihnachten erledigen zu wollen. Dadurch brachte er zum Ausdruck, das grundsätzliche Bestehen der offenen Schuld in der in Bezug genommenen Höhe bestätigen zu wollen. Da der Beklagtenseite durch die regelmäßige Zusendung der Rechnungen durch die Klägerin zu diesem Zeitpunkt auch die Berechnungsgrundlage der Forderungshöhe (Höhe der Stundensätze, Auslagenpauschale von 3% und Umfang der abgerechneten Stunden) bekannt war, ist ein pauschales Bestreiten dieser Punkte nicht möglich und daher als unbeachtlich zu bewerten. Etwas anderes gilt auch nicht für die erst nach der genannten E-Mail in Rechnung gestellten Forderungen. Diese konnten zwar naturgemäß als zukünftige Schuld nicht anerkannt werden, jedoch wirkte die Bestätigung der gleichbleibenden Berechnungsgrundlage der Vergütungsforderungen auch im Hinblick auf diese Forderungen fort.

b)

59

Der Annahme einer zeitabhängigen Vergütungsvereinbarung steht auch nicht deren Formunwirksamkeit mangels Textform entgegen. Gemäß Art. 11 Abs. 2 Rom I-VO genügt es im Rahmen von grenzüberschreitenden Distanzgeschäften, wenn alternativ das Geschäftsstatut, die Rechtsordnungen, in dessen Staaten sich die Beteiligten oder deren Vertreter bei Vertragsschluss befinden oder diejenigen des gewöhnlichen Aufenthalts der Parteien den Vertrag für formwirksam erklären (vgl. HK-BGB/Ansgar Staudinger, 9. Aufl. 2017, Rom I Art. 11 Rn. 3). Zwar ist nach deutschem Recht für die Wirksamkeit einer entsprechenden Honorarvereinbarung gemäß § 3a Abs. 1 RVG eine Textform erforderlich, jedoch sieht das dänische Recht ein solches Formerfordernis nicht vor. Grundsätzlich können Anwaltsverträge nach dänischem Recht mündlich oder schriftlich geschlossen werden. Die Ziffern 14 und 15 des dänischen Verhaltenskodex für Rechtsanwälte statuieren zwar Preisinformationspflichten gegenüber dem Mandanten, jedoch wird Schriftlichkeit („in written") gemäß Ziffer 15.1 nur dann gefordert, wenn der Mandant Verbraucher ist. Im Gegensatz dazu sieht Ziffer 14.1 als vorliegend relevante Regelung für das Verhältnis eines Rechtsanwalts zu einem Unternehmer als Mandanten ein solches Formerfordernis in Bezug auf die Informationspflicht hinsichtlich der Vergütung nicht vor.

c)

60

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 und 3, 288 Abs. 1 und 2 BGB. Bei den Honorarforderungen handelt es sich um nach § 271 BGB fällige Entgeltforderungen. Der Beklagten zu 1) gingen auch diesbezügliche Rechnungen der Klägerin (Anlage K 1) zu, sodass diese wegen Ausbleibens der Zahlungen nach Ablauf von 30 Tagen gemäß § 286 Abs. 3 BGB in Verzug geriet. Nach der Rechtsprechung verlängert sich die Frist, wenn der dreißigste Tag nach Zugang ein Samstag oder Sonntag ist, in (entsprechender) Anwendung von § 193 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 1.2. 2007 - III ZR 159/06, BeckRS 2007, 03613). In Abweichung von dem Antrag der Klägerin datiert der Verzugseintritt daher in Bezug auf die Rechnung vom 17.10.2013 auf den 18.11.2013 und hinsichtlich der Rechnung vom 05.12.2014 auf den 05.01.2015.

2.

61

Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung den Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) verneint.

a)

62

Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht von einer Berufung deutschen Sachrechts gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO ausgegangen.

63

Anknüpfungsgegenstand ist vorliegend die akzessorische Haftung des Beklagten zu 2) für die vertraglichen Ansprüche der Klägerin gegen die ... A/S beziehungsweise die Beklagte zu 1) und damit der zugrundeliegende Dienstleistungsvertrag als maßgebliches Schuldverhältnis.

64

Der Einwand der Klägerin, der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung sei gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO nicht eröffnet, da es sich bei dem anwaltlichen Berufsrecht um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit handele, greift nicht durch.

65

Unter dem Anknüpfungsgegenstand versteht man einen System- oder Sammelbegriff, der ein umfassendes Bündel von materiell-rechtlichen Fragen zusammenfasst (beispielsweise „Rechtsnachfolge von Todes wegen" oder „Vertrag"). Maßgeblicher Anknüpfungsgegenstand ist vorliegend die Haftung für die Zahlung eines Honorars aus einem Rechtsanwaltsvertrag als zivilrechtliches Schuldverhältnis im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO. Alleine der Umstand, dass im Rahmen dieser Haftung für den vertraglichen Anspruch gegebenenfalls das anwaltliche Berufsrecht relevant wird, macht die Frage nach einer zivilrechtlichen Haftung nicht zu einer verwaltungsrechtlichen Angelegenheit.

66

Für die Abgrenzung zum öffentlichen Recht ist wesentlich, wie Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO und Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO mit dem Ausschluss von „Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte" verdeutlichen, ob an dem relevanten Rechtsverhältnis ein ... Hoheitsträger beteiligt ist, der in Ausübung staatlicher Hoheitsbefugnisse gehandelt hat. Hoheitliches Handeln zeichnet sich dadurch aus, dass eine Seite, in der Regel eine staatliche Institution, in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben agiert und dabei gegebenenfalls Gewalt in Form unmittelbarer Anordnungsbefugnisse auszuüben berechtigt ist, die dem Privaten nicht zu Gebote steht (vgl. Staudinger/Magnus (2016), ROM-I-VO, Art 1 Rom I-VO, Rn. 19-20).

67

Vorliegend handelt es sich nicht um ein Schuldverhältnis, das im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse steht und ihr dient. Insbesondere geht es auch nicht um die Ahndung eines Verstoßes gegen das anwaltliche Berufsrecht durch die Rechtsanwaltskammer nach den Vorschriften der BRAO in Form eines berufsrechtlichen Aufsichtsverfahrens oder anwaltsgerichtlichen Verfahrens, sodass ein Subordinationsverhältnis nicht gegeben ist. Gegenstand sind vielmehr etwaige zivilrechtliche Wirkungen im Sinne einer akzessorischen Forderungshaftung, die die Rechtsbeziehung zwischen gleichberechtigten Rechtssubjekten und damit ein Gleichordnungsverhältnis betreffen.

b)

68

Hinsichtlich der Forderungen, die der Klägerin gegen die ... A/S zustanden, hat das Landgericht zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen der Ziffer 5.7 der CCBE-Berufsregeln und damit eine Haftung nach § 29 BORA a.F. verneint. Der Senat folgt der Auffassung des Landgerichts, wonach sich aus der E-Mail vom 20.12.2012 (Anlage K 2) ergibt, dass der Beklagte zu 2) nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt, sondern als Aufsichtsratsmitglied an die Klägerin herangetreten ist. Dies wird dadurch deutlich, dass der Beklagte zu 2) gleich zu Anfang der E-Mail auf seine Stellung als Organ der Gesellschaft hinwies und dies dadurch zur Grundlage der folgenden Mandatierung machte.

69

Daran vermag auch der Einwand der Berufung, diese Mitteilung habe lediglich der Einführung in den Streitstand gedient, nichts zu ändern. Vielmehr ist nicht ersichtlich, welche Relevanz die Position des Beklagten zu 2) als Mitglied des Aufsichtsrats für ein Mandat betreffend Ausgleichsansprüche der ... A/S gegenüber der ... GmbH haben sollte.

70

Etwas anderes folgt auch nicht unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts der E-Mail in Form der Signatur und den enthaltenen Rechtsausführungen. Zwar enthält die elektronische Visitenkarte durch den Zusatz „Corporate Legal Counsel - Advocat (H)“ einen Verweis auf die Eigenschaft des Beklagten zu 2) als Rechtsanwalt. Jedoch ändert dies nichts daran, dass dieser zuvor eindeutig klargestellt hat, dass er als Aufsichtsratsmitglied agiert und nicht als Anwalt der Gesellschaft. Hinzu kommt, dass die elektronische Visitenkarte unter dem Logo „ ... “ einen deutlichen Hinweis auf eine andere Gesellschaft enthält, bei der der Beklagte zu 2) zu diesem Zeitpunkt als Justiziar beschäftigt war. Daran, dass der Beklagte zu 2) jedoch in keinem Fall in der Eigenschaft als Rechtsanwalt für die ... A/S handelte, können keine Zweifel bestehen. Auch aus der Tatsache, dass der Beklagte zu 2) in der gegenständlichen E-Mail Ausführungen machte, die als rechtlich einzustufen sind, ergibt sich keine andere Bewertung. Die Verwendung von juristischen Ausführungen ist nicht Rechtsanwälten Vorbehalten und lässt keine zwingende Schlussfolgerung darauf zu, in welcher Eigenschaft der Beklagte zu 2) auftrat.

71

Auch aus der E-Mail des Beklagten zu 2) vom 17.12.2014 (Anlage K 21) ergibt sich nicht, dass dieser bei Vertragsschluss in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt aufgetreten ist. Denn aus dem Inhalt dieser Nachricht lässt sich nur entnehmen, dass er selbst gegenüber der Beklagten zu1) und deren Rechtsvorgängerin auf einen Teil seiner Forderungen verzichten wird. Soweit er in seiner E-Mail den Begriff „fees“ verwendet hat, so lässt sich dieser Begriff nicht zwangsläufig als „Rechtsanwaltskosten“ übersetzen („legal fees“). Vielmehr lässt sich diese Formulierung auch mit „Entgelt“, „Gebühren“ und „Kosten“ im allgemeinen Sprachgebrauch ins Deutsche übertragen. Darüber hinaus lassen die verwendeten Formulierungen in der E-Mail keine Rückschlüsse auf die Umstände bei Beauftragung der Klägerin im Dezember 2012 (Anlage K 2) zu.

72

Der Einwand der Klägerin, der 5.7 der CCBE-Berufsregeln gelte auch dann, wenn eine Person, die Anwalt sei, als Aufsichtsrat auftrete, geht fehl. Insofern ist auf den ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift zu verweisen, die voraussetzt, dass es sich um den „beruflichen Verkehr zwischen Rechtsanwälten" handelt. Ein solcher liegt eben nicht alleine deshalb vor, weil eine Person, die das Mandat erteilt, zufällig auch Rechtsanwalt ist. Für die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereiches ist es erforderlich, dass die handelnde Person anlässlich anwaltlicher Berufsausübung tätig wird, was vorliegend aus den zuvor dargelegten Gründen nicht der Fall war. Die Auffassung, dadurch werde eine Gestaltungsmöglichkeit begründet, die es jedem Rechtsanwalt erlaube, sich von dem Standesrecht zu befreien, vermag nicht zu überzeugen. Denn entgegen den Ausführungen der Berufung geht es vorliegend nicht um eine Konstellation, in der der Beklagte zu 2) eine zusätzliche Stellung „irgendwo" eingenommen hat und durch Hinweis darauf von seinen Pflichten befreit ist. Vielmehr war der Beklagte zu 2) Organ gerade der juristischen Person, die das Mandat erteilte. Insofern ist nicht ersichtlich, inwieweit dieses Verständnis eine Missbrauchsmöglichkeit für Rechtsanwälte eröffnen sollte.

c)

73

Eine Haftung des Beklagten zu 2) scheidet auch im Hinblick auf die Forderungen, die der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) nach der Vertragsübernahme zustehen, aus. Diesbezüglich ist das Landgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass Ziffer 5.7 der CCBE-Berufsregeln in Deutschland nicht mehr als Anspruchsgrundlage herangezogen werden kann.

74

Die CCBE-Berufsregeln sind entgegen der Auffassung der Berufung nicht mehr Teil des deutschen Rechts. Grundsätzlich handelt es sich bei den CCBE-Berufsregeln um unverbindliches Verbandsrecht einer Anwaltsorganisation (vgl. Schwärzer, in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Auflage 2016, CCBE Rn. 3). Dieses kann auf nationaler Ebene für verbindlich erklärt werden oder in das nationale Recht übernommen werden, vor dieser Umsetzung jedoch keine Wirkungen entfalten. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass mit Aufhebung des § 29 BORA a.F. und der darin enthaltenen Verweisung auf Ziffer 5.7 der CCBE-Berufsregeln dieser nationale zivilrechtliche Haftungstatbestand entfallen ist. In dem neu aufgenommen § 29b BORA ist die zuvor geregelte Haftungspflicht des Anwalts in eine reine berufsrechtliche Informationspflicht umgestaltet worden. Dies hat zur Folge, dass die Vorschrift keine eigene Anspruchsgrundlage dafür bildet, dass der eingeschaltete Anwalt gegen den anderen Anwalt einen Honoraranspruch hat. Dies ist allein eine Frage des allgemeinen Zivilrechts (vgl. BeckOK BORA/Römermann/Praß, 15. Ed. 01.03.2017, BORA § 29a Rn. 30). Die CCBE-Regeln, auf welche § 29 BORA fur die grenzüberschreitende Anwaltstätigkeit bislang verwies, sind damit nicht mehr Teil des deutschen Berufsrechts (vgl. Eichele/Wolf in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage 2014, Vorwort, S. VII). Sie können somit allenfalls Beachtung als Teil einer ausländischen Berufsordnung finden, welche hier jedoch nicht zur Anwendung berufen ist.

75

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Berufung vorgelegten Ausdruck der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer (Anlage K 38). Den dort enthaltenen Ausführungen zu dem anwaltlichen Berufsrecht ist nicht zu entnehmen, dass die CCBE-Berufsregeln Teil des deutschen Rechts sind. Der allgemein gehaltene Hinweis darauf, dass der Anwalt bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten innerhalb Europas die Regelungen der CCBE zu beachten habe, lässt keinen entsprechenden Rückschluss zu. Im Gegensatz zu dem ebenfalls enthaltenen Hinweis auf die Geltung des EuRAG, bezieht sich die gegenständliche Passage zu den CCBE-Berufsregeln vielmehr gerade nicht ausdrücklich auf die Tätigkeit ausländischer Rechtsanwälte in Deutschland.

76

Auch die von der Klägerin zitierten Kommentare vermögen kein anderes Ergebnis zu begründen. Vielmehr bestätigen diese, dass es sich bei den CCBE-Berufsregeln nicht um deutsches Recht handelt. Die zitierte Fundstelle in Römermann/Praß, Beckscher Onlinekommentar BORA, 13. Auflage, Stand: 01.06.2016, Rn. 55, formuliert ausdrücklich, dass „nach Streichung des § 29 BORA die CCBE-Berufsregeln in Deutschland keine Anwendung mehr finden“. Zudem werden die Unterschiede zwischen dem in Deutschland geltenden Recht und den CCBE-Berufsregeln aufgezeigt. In der aktuellen Auflage der angegebenen Fundstelle wird unter der Überschrift „Abschied von den CCBE-Berufsregeln“ ausgeführt, dass das deutsche Berufsrecht unter Abkehr von den CCBE-Berufsregeln mit den §§ 29a, 29b BORA eigene Regelungen für den grenzüberschreitenden Verkehr geschaffen hat (vgl. BeckOK BORA/Römermann/Praß, 15. Ed. 01.03.2017, BORA § 29a Rn. 6).

77

Auch der Kommentar von Schwärzer, in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Auflage 2016, CCBE Rn. 5, bestätigt entgegen der Auffassung der Berufung nicht, dass die CCBE-Berufsregeln in Deutschland gelten. Dort wird vielmehr lediglich darauf hingewiesen, dass die CCBE-Regeln in Einzelfällen zu beachten sein können. Im Folgenden wird dies näher konkretisiert und ausgeführt, dass dies der Fall sein könne, „wenn ein ausländischer Rechtsanwalt mit Bezug auf Deutschland Rechtsdienstleistungen (...) erbringt und in dem ausländischen Staat die CCBE-Regeln gelten“. Zum einen ergibt sich daraus keine Aussage über die Einstufung der CCBE-Berufsregeln als deutsches Recht. Vorangestellt wird vielmehr ausdrücklich klargestellt, dass mit der Aufhebung des § 29 BORA die CCBE-Regeln nicht mehr Gegenstand des deutschen Berufsrechts sind und nunmehr aus deutscher Sicht nur die BORA Anwendung findet. Zum anderen wird deutlich gemacht, dass es sich um Einzelfälle handelt, in denen die CCBE-Berufsregeln über die Geltung in einem ausländischen Staat in Deutschland mittelbar zur Anwendung kommen. Ein solcher Einzelfall liegt jedoch in der streitgegenständlichen Konstellation nicht vor, da nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nur das deutsche Recht nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO berufen ist. Die Verweisung auf Ziffer 5.7 der CCBE-Berufsregeln in Ziffer 4.2 des dänischen Verhaltenskodex für Rechtsanwälte kann daher als dänisches Recht hier nicht zur Anwendung kommen. Klarstellend wird schließlich die Qualität der CCBE-Berufsregeln als reines Verbandsrecht betont und erläutert, die CCBE-Berufsregeln können „bei Geltung deutschen Sachrechts Zivilrechtsverhältnisse nicht abweichend vom ... BGB gestalten, etwa indem einzelne CCBE-Regeln als Anspruchsgrundlage (...) behandelt werden".

78

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass sich eine zivilrechtliche Haftung nach deutschem Recht auch nicht aus Art. 4 der Dienstleistungsrichtlinie 77/249/EWG oder aus Art. 6 Abs. 1 der Niederlassungsrichtlinie 98/5/EG ergibt. Hierbei handelt es sich um Rechtsakte, die zwar für die Mitgliedstaaten verbindlich bezüglich des avisierten Ziels sind. Wie beziehungsweise mit welchen Mitteln dieses erreicht wird, bleibt jedoch den Mitgliedstaaten selbst überlassen, denen daher ein Handlungsspielraum zukommt. Es handelt sich daher bei den Richtlinien bereits nicht um in Deutschland geltendes Recht, welches eine zivilrechtliche Haftung im Sinne einer Anspruchsgrundlage begründen könnte. Die Umsetzung der Richtlinien erfolgte in Deutschland durch das EuRAG, welches keine Regelung in Bezug auf zivilrechtliche Haftungsfragen enthält, sondern bei Verstößen gegen Berufspflichten allenfalls die Durchführung eines Disziplinarverfahrens vorsieht (vgl. § 9 EuRAG). Ein Anspruch aus den danach alleine maßgeblichen zivilrechtlichen Haftungsgrundlagen ist nicht ersichtlich.

d)

79

Ein Anspruch auf Zahlung des anwaltlichen Honorars ergibt sich schließlich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 29b BORA.

80

Eine unmittelbare zivilrechtliche Wirkung entfaltet die BORA nicht. Die Informationspflicht nach § 29b BORA ist nur eine berufsrechtliche Pflicht, die sich aus der Satzungsermächtigung aus § 59b BRAO ergibt (Feuerich/Weyland/Bruggemann, BRAO, 9. Auflage 2016, Rn. 3). § 59b BRAO verleiht keine Kompetenz, zivilrechtliche Beziehungen - auch nicht solche zwischen Rechtsanwälten - zu regeln. Die Bestimmungen der BORA bedeuten weder ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB noch sind sie Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (Henssler/Prütting/Busse, BRAO Kommentar, 4. Auflage 2014, § 59b BRAO, Rn. 17und Einl.BORA, Rn. 12.). Mittelbare zivilrechtliche Wirkungen der BORA über die Transportnormen des BGB sind grundsätzlich abzulehnen.

81

In Ausnahmefällen kann zwar bei schwerwiegenden Berufsordnungsverletzungen ein Verstoß gegen die guten Sitten nach §§ 138, 826 BGB vorliegen. Ein solcher Ausnahmefall ist aber nur dann zu bejahen, wenn in dem Berufsverstoß zugleich nach allgemeinen Wertvorstellungen eine Verletzung der Rechts- und Sittenordnung liegt, die zum Schutz der Rechtsgemeinschaft nicht hingenommen werden kann. Von einem solchen Ausnahmefall kann hier aber mangels weiterer Anhaltspunkte, die auf ein (verwerfliches) Verhalten des Beklagten zu 2) schließen lassen, nicht ausgegangen werden.

82

Da bereits deutsche anwaltliche Standesrichtlinien keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, kann auch den Standesrichtlinien des dänischen Rechtsanwaltes eine solche Bedeutung nicht zukommen.

3.

83

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Alt. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10,711 ZPO.

4.

84

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.

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