Urteil vom Oberlandesgericht Koblenz (6. Zivilsenat) - 6 U 266/21

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 12.02.2021 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Senats vom 26.08.2021 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.645,45 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 17.701,95 €, der sich Tag für Tag linear auf 16.645,45 € ermäßigt, für die Zeit vom 23.10.2020 bis zum 25.08.2021 sowie aus einem Betrag von 16.645,45 € seit dem 26.08.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke … vom Typ … mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) … nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein und Kfz-Brief (Zulassungsbescheinigung Teil I und II).

Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.072,77 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 15 % und die Beklagte 85 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 16 % der Klägerin und zu 84 % der Beklagten auferlegt.

4. Dieses und - soweit es Bestand hat - das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Kauf eines von der Beklagten hergestellten Neuwagens, der mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet ist.

2

Aufgrund einer Bestellung vom 06./14.05.2014 erwarb die Klägerin beim Autohaus ...[A] GmbH in ...[Z] einen fabrikneuen Pkw … mit EA 189-Dieselmotor zum Preis von 27.750 € mit einer Laufleistung von 0 km.

3

Die bei den von der Beklagten hergestellten Motoren der Baureihe EA 189 verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird, und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgebend war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxid-Grenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

4

Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung der vorbeschriebenen Software in den Dieselmotoren der Baureihe EA 189 ein. Unter dem 15.10.2015 erging gegen sie deshalb ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweit zu gewährleisten. Im Jahre 2016 wandte sich die Beklagte deswegen mit einem Informationsschreiben u.a. auch an die Klägerin und unterrichtete sie über das geplante Update sowie den mit dem KBA abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan. Das zur Beseitigung der Abschalteinrichtung entwickelte Software-Update wurde auf das Fahrzeug der Klägerin aufgespielt.

5

Die Vertreter der Klägerin forderten die Beklagte mit Schreiben vom 20.08.2020 (Anlage K 29, LG 305 ff.) erfolglos zur Rücknahme des Fahrzeugs gegen Zahlung eines Schadensersatzbetrags von 27.750 €, ggf. unter Abzug eines Nutzungsersatzes auf der Basis einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km für die bis zu diesem Zeitpunkt gefahrenen 88.100 km auf. Der Musterfeststellungsklage schloss sich die Klägerin nicht an. Sie begehrt von der Beklagten die Erstattung des Kaufpreises für das Fahrzeug abzüglich einer anzurechnenden Nutzungsentschädigung, für deren Berechnung sie eine Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km unterstellt, Zug um Zug gegen Übereignung des Pkw.

6

Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 25.01.2021 betrug der Kilometerstand 93.947 und am Schluss der Berufungsverhandlung (26.08.2021) 100.041.

7

Die Klägerin hat vorgetragen,

8

wenn sie gewusst hätte, dass die Abgaswerte ihres Fahrzeugs durch die Motorsoftware manipuliert waren und sogar mit Fahrverboten oder Stilllegungen zu rechnen war, hätte sie vom Erwerb des Fahrzeugs abgesehen. Die Organe der Beklagten hätten Kenntnis von der Manipulation gehabt und diese gebilligt. Auch nach dem Aufspielen des Software-Updates lägen die Abgaswerte ihres Fahrzeugs über den zulässigen Grenzwerten; das Software-Update wirke sich zudem technisch nachteilig aus. Durch die Manipulation habe ihr Fahrzeug einen Wertverlust erlitten.

9

Die Klägerin hat mit der am 22.10.2020 zugestellten Klage zuletzt beantragt:

10

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.600,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.09.2020 zu zahlen. Die Verurteilung erfolgt Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke … von Typ … mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) … nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein und Kfz-Brief.

11

Hilfsweise:

12

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 durch die Beklagte in das Fahrzeug der Marke … vom Typ … mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) … resultieren.

13

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in vorgenannten Klageanträgen genannten Zug-um-Zug-Leistung in Annahmeverzug befindet.

14

4. Es wird festgestellt, dass der im Antrag zu 1. bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt.

15

5. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.077,74 € freizustellen.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Die Beklagte hat vorgetragen,

19

die geltend gemachten Ansprüche seien verjährt. Der Klägerin sei auch kein durch ein Verhalten der Beklagtenseite kausal hervorgerufener Schaden entstanden; das von ihr erworbene Fahrzeug sei technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt.

20

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Beklagte nach einem gerichtlichen Hinweis erklärt, die Verjährungseinrede nicht mehr aufrechtzuerhalten; der teilweisen Erledigungserklärung der Klägerseite im Hinblick auf die Differenz des Nutzungsersatzes zum Zeitpunkt der Klageeinreichung und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung werde widersprochen.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

22

Das Landgericht hat - unter Abweisung der Klage im Übrigen - einen Anspruch der Klägerin nach § 826 BGB, § 31 BGB (analog) bejaht und die Beklagte verurteilt, an sie 19.059,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem - nach Berichtigung - 23.09.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Außerdem hat es festgestellt, dass sich die Klage hinsichtlich eines Teilbetrags von 540,85 € erledigt habe, sich die Beklagte mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung in Annahmeverzug befinde und der Anspruch der Klägerin aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrühre. Schließlich hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, die Klägerin von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.348,27 € freizustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Verhalten der Beklagten sei sittenwidrig gewesen und habe zu einem Schaden der Beklagten geführt, der im Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug liege. Unter Zugrundelegung einer auf 300.000 km geschätzten Gesamtfahrleistung des streitgegenständlichen Pkw sei für die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zurückgelegten 93.947 km vom Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung von 8.690,10 € abzuziehen, während zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Höhe der anzurechnenden Nutzungen nur 8.149,25 € betragen habe. Hinsichtlich der Urteilsbegründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

23

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie erneut die Einrede der Verjährung erhebt. Die Klägerin habe spätestens im Jahr 2016 aufgrund eines Informationsschreibens der Beklagtenseite positive Kenntnis von der individuellen Betroffenheit ihres Fahrzeugs im Hinblick auf die Abgasproblematik erlangt. Ein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB bestehe nicht. Die Vorschrift sei nicht anwendbar, weil der Klägerin kein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei und sie außerdem an der Musterfeststellungsklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig hätte teilnehmen können. Zudem habe sie - die Beklagte - nichts auf Kosten der Klägerin erlangt. Das Landgericht habe die Nutzungsentschädigung fehlerhaft nach der linearen Wertberechnungsmethode ermittelt. Zutreffend sei der Nutzungsvorteil unter Abzug des aktuellen Wiederverkaufswerts des streitgegenständlichen Fahrzeugs (8.040 €) vom Kaufpreis zu berechnen; jedenfalls sei die Annahme einer Gesamtlaufleistung über 250.000 km nicht gerechtfertigt. Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bejaht und diesen auf der Grundlage eines überhöhten Gegenstandswerts berechnet. Sie - die Beklagte - befinde sich auch nicht in Annahmeverzug, weil die Klägerin die Zahlung eines deutlich überhöhten Betrags verlangt und damit kein zur Begründung des Annahmeverzugs geeignetes Angebot abgegeben habe.

24

Die Beklagte beantragt,

25

das am 12.02.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Mainz, Az. 1 O 189/20, im Umfang ihrer Beschwer abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

26

Die Klägerin beantragt,

27

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

28

Die Klägerin macht geltend, die Erhebung der Verjährungseinrede sei treuwidrig, weil die Beklagte durch das nach Genehmigung des KBA erfolgte Aufspielen des Software-Updates bei den Fahrzeugeigentümern den Eindruck erweckt habe, dass die im Fahrzeug installierte Abschalteinrichtung beseitigt werde und das Fahrzeug anschließend den EU-Vorschriften entspreche. Tatsächlich sei durch das Update zwar eine Abschalteinrichtung in Form der Prüfstandserkennung beseitigt worden, nunmehr liege aber eine unzulässige temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung vor. Jedenfalls bestehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Herausgabe des erlangten Kaufpreises, der der Beklagten zumindest in Höhe von 85 % zugeflossen sei. Mit ihrer eigenen Berufung verfolgt die Klägerin den erstinstanzlichen Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in vollem Umfang weiter.

29

In der Berufungsverhandlung vom 26.08.2021 haben die Parteien einen aktuellen Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 100.041 unstreitig gestellt und im Hinblick darauf hinsichtlich des Berufungsantrags zu 1. wegen der inzwischen gezogenen weiteren Nutzungen den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend in Höhe von 563,69 € für erledigt erklärt, wobei die Berechnung auf der Grundlage einer hypothetischen Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km erfolgt ist.

30

Die Klägerin beantragt nunmehr:

31

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.496,21 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2020 zu zahlen. Die Verurteilung erfolgt Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke … von Typ … mit der Fahrzeug-Identifi-kationsnummer (FIN) … nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein und Kfz-Brief.

32

Hilfsweise für den Fall der Unbegründetheit des Berufungsantrags zu 1.:

33

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 durch die Beklagte in das Fahrzeug der Marke … vom Typ … mit der Fahrzeug-Identifika-tionsnummer (FIN) … resultieren.

34

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in vorgenannten Klageanträgen genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.

35

4. Es wird festgestellt, dass der im Antrag zu 1. bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt.

36

5. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.077,74 € freizustellen.

37

Wegen des Sach- und Streitstands in seinen weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Berufungsverhandlung (eA 210 ff.) Bezug genommen.

II.

38

Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg (nachfolgend A.), während die ebenfalls zulässige Berufung der Klägerin unbegründet ist (B.).

39

A. Zutreffend hat das Landgericht dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte bejaht. Der Anspruch ist indes aufgrund der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede nicht mehr durchsetzbar (§ 214 Abs. 1 BGB; nachfolgend 1.). Der Klägerin steht jedoch nach § 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte ein Restschadensersatzanspruch auf Zahlung von 16.645,45 € Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu (2.). Darüber hinaus kann sie die Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen ab dem 23.10.2020 verlangen (3.). Der zulässige Antrag auf die Feststellung des Annahmeverzugs ist entgegen der Auffassung des Landgerichts unbegründet (4.). Gleiches gilt für den Antrag auf Feststellung, dass der klägerische Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt (5.). Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten besteht nur in Höhe von 1.072,77 € (6.). Im Umfang der vom Landgericht überschießend zuerkannten Klageanträge ist die Berufung der Beklagten erfolgreich und die Klage abzuweisen.

40

1. Der Durchsetzbarkeit des der Klägerin gegen die Beklagte zustehenden Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826 BGB, 31 BGB steht die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegen.

41

a) Die Beklagte hat die Klägerin vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.

42

aa) Die Schädigungshandlung liegt darin, dass die Beklagte den im Fahrzeug verbauten Dieselmotor EA 189 hergestellt und zum Zweck des Einbaus in Fahrzeuge des …konzerns in Verkehr gebracht hat, wobei dessen Steuerungssoftware so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte durch eine im Vergleich zum Normalbetrieb höhere Abgasrückführungsrate nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Die Dieselmotoren der Baureihe EA 189 waren planmäßig so konzipiert, dass der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand geringer war als im Realbetrieb des Fahrzeugs, um (allein) auf dem Prüfstand gesetzeskonforme Abgaswerte zu erzielen. Sie enthielten damit eine nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung, so dass die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht gegeben waren und den betroffenen Fahrzeugen die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung anhaftete (BGH, Beschluss v. 08.01.2019 - VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 6 ff.; Urteil v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 21; Urteil v. 30.07.2020 - VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 33; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237 Rn. 25 ff. - alle Entscheidungen, soweit nicht anders angegeben, zitiert nach juris). Der planmäßige Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in den Dieselmotoren der Baureihe EA 189 erfolgte unter Ausnutzung des Umstands, dass der Käufer eines davon betroffenen Fahrzeugs - gleichgültig, ob er das Fahrzeug neu oder gebraucht erwirbt - die Einhaltung der Zulassungsvorschriften arglos als selbstverständlich voraussetzt. Ein solches Verhalten steht einer bewussten arglistigen Täuschung derjenigen, die ein solches Fahrzeug erwerben, gleich (BGH, Urteil v. 25.05.2020, a.a.O., Rn. 25).

43

bb) Das Handeln der Beklagten war gegenüber den Käufern der betroffenen Fahrzeuge - und damit auch gegenüber der Klägerin - sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB. Der auf der Grundlage einer strategischen Entscheidung über Jahre hinweg erfolgte systematische Einsatz der gegenüber der zuständigen Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde, dem KBA, arglistig geheim gehaltenen unzulässigen Abschalteinrichtung mit dem Ziel des gewinnorientierten Absatzes nicht vorschriftsmäßiger Fahrzeuge unter in Kauf genommener Täuschung der Kunden stellt sich als besonders verwerflich dar (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 16 ff.; Urteil v. 26.01.2021 - VI ZR 405/19, MDR 2021, 356 Rn. 12 f.; OLG Koblenz, a.a.O., Rn. 45 ff.). Die Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten erhellt auch aus seinen Folgen (OLG Koblenz, Urteil v. 20.11.2019 - 10 U 731/19, MDR 2020, 603 Rn. 71). Die im Umsatzinteresse erfolgte Umgehung der gesetzlichen Vorgaben, welche eine geringere Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und damit den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung bezweckten, offenbart eine rücksichtslose und gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßende Gesinnung (BGH, a.a.O., Rn. 27). Darüber hinaus bestand für die Käufer die Gefahr, dass bei einem Bekanntwerden des Sachverhalts die Nutzung ihrer Fahrzeuge nach § 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) beschränkt oder untersagt werden und damit der Zweck des Fahrzeugerwerbs vereitelt würde.

44

cc) Das Verhalten der Beklagten geschah vorsätzlich, wobei sie sich das Handeln der in ihrem Haus für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen analog § 31 BGB zurechnen lassen muss.

45

(1) Die Zurechnung erfasst neben den Vorstandsmitgliedern und verfassungsmäßig berufenen besonderen Vertretern über den Wortlaut hinaus auch sog. Repräsentanten, d. h. Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (BGH, Urteil v. 14.03.2013 - III ZR 296/11, BGHZ 196, 340 Rn. 12 m.w.N.). Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt. Hierzu zählt auch der Personenkreis der leitenden Angestellten (BGH, Urteil v. 05.03.1998 - III ZR 183/96, NJW 1998, 1854 Rn. 18 m.w.N.).

46

(2) Die Klägerin hat hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis der im Bereich der Entwicklung maßgebend tätigen Mitarbeiter der Beklagten sowie der für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorstände von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen. Diese ergeben sich daraus, dass es sich bei der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung um eine grundlegende, weltweit alle Fahrzeuge mit Motoren der Serie EA 189 betreffende, mit erheblichen Risiken für den Konzern und die eingebundenen Personen behaftete Strategieentscheidung handelte und die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte wie die hierfür bestehenden technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten von herausragender Bedeutung für die Geschäftstätigkeit der Beklagten waren (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, a.a.O., Rn. 39). Soweit die Beklagte demgegenüber erstinstanzlich bestritten hat, dass ihr damaliger Vorstand im aktienrechtlichen Sinn im Kaufvertragszeitpunkt im Mai 2014 von der Programmierung oder von der Verwendung der Software Kenntnis gehabt hätten, ist dies unzureichend. Denn im Rahmen einer sekundären Darlegungslast hätte es der Beklagten oblegen, näher zu den konzerninternen Entscheidungsvorgängen in Bezug auf den Einsatz der Software vorzutragen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 34 ff.). Dem ist die Beklagte trotz der vielfachen gegen sie gerichteten Verfahren nicht nachgekommen. Der klägerische Vortrag einer Kenntnis der maßgeblichen Entscheidungsträger der Beklagten ist damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu werten.

47

dd) Der Klägerin ist durch die Verletzungshandlung auch ein Schaden entstanden, denn sie ist aufgrund des sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten eine ungewollte Verpflichtung eingegangen; schon eine ungewollte Verpflichtung kann einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden darstellen (vgl. BGH, Urteil v. 26.09.1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302 Rn. 24; Urteil v. 28.10.2014 - VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 275 Rn. 19).

48

(1) Voraussetzung ist, dass die Leistung für die Zwecke des Erwerbers in dem Sinn nicht voll brauchbar ist (BGH, Urteil v. 26.09.1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302 Rn. 28), dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiver Sicht als Schaden angesehen wird, sondern auch die Verkehrsanschauung anhand der Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (BGH, Urteil v. 25.05.2020, a.a.O., Rn. 54).

49

(2) So verhält es sich hier. Das von der Klägerin erworbene Fahrzeug war mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet. Mithin war bei Inverkehrbringen des Fahrzeugs und seinem Erwerb durch die Klägerin im Jahre 2014 die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs im Straßenverkehr gefährdet, weil bei Bekanntwerden der unzulässigen Abschalteinrichtung eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV drohte und zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbar war, ob dieses Problem behoben werden kann. Bei einem zur eigenen Nutzung erworbenen Kraftfahrzeug sind dessen Gebrauchsfähigkeit und ständige Verfügbarkeit für den Eigentümer von so großer Bedeutung, dass die vorübergehende Entziehung eines Kraftfahrzeugs auch bei der Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs einen Vermögensschaden darstellt. Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs wirkt sich typischerweise als solcher auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant aus; bei generalisierender Betrachtung erfolgen Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen Vorteils willen, der in der Zeitersparnis liegt. Das rechtfertigt nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Annahme, dass ein Käufer, der - wie hier die Klägerin - ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei der bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 51), ohne dass es des Vortrags und Nachweises weiterer Umstände bedarf. Insbesondere kommt es nicht darauf an, welche Motive die Klägerin gerade zum Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs bewogen haben.

50

Dass sich die Stilllegungsgefahr nicht verwirklicht hat, sondern das Fahrzeug durch die Klägerin tatsächlich genutzt worden ist, steht der Annahme des im Kaufvertragsschluss liegenden Vermögensschadens nicht entgegen. Maßgeblich für den Schadenseintritt ist der Zeitpunkt des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Klägerin im Mai 2014. Aus der damaligen Ex-ante-Sicht war es vom Zufall abhängig, ob der unerkannt bestehende Mangel aufgedeckt und die Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs in der Folge eingeschränkt wird (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 54). Bei Berücksichtigung dieser Umstände stellt sich der Erwerb des Fahrzeugs nach der Verkehrsanschauung als objektiv unvernünftig dar und rechtfertigt die Annahme, dass die Klägerin bei Kenntnis vom Vorhandensein der illegalen Abschalteinrichtung vom Kauf abgesehen hätte. Unabhängig davon, dass die Beklagte im Berufungsverfahren keine entsprechende Rüge erhoben hat, bedurfte es nicht der von der Beklagten erstinstanzlich angebotenen Parteivernehmung der Klägerin zu der Behauptung, sie hätte das Fahrzeug auch in Kenntnis der streitgegenständlichen Steuerungssoftware erworben. Eine ordnungsgemäße, zur Vermeidung einer arglistigen Täuschung gebotene Aufklärung der Klägerin vor dem Kauf hätte nach dem Vorgesagten eine Unterrichtung auch über das drohende Stilllegungsrisiko wegen der dem KBA verschwiegenen unzulässigen Abschalteinrichtung erfordert. Dass die Klägerin das Fahrzeug im Falle einer solchen Aufklärung über den vollständigen Sachverhalt in Kenntnis des Stilllegungsrisikos erworben hätte, hat die Beklagte nicht behauptet und unter Beweis gestellt.

51

(3) Der Schaden ist auch nicht etwa dadurch entfallen, dass das Fahrzeug zwischenzeitlich das Software-Update zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung erhalten hat. Dies ändert nichts daran, dass die Klägerin mit einer ungewollten Verbindlichkeit belastet ist. Der im Mai 2014 unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der Klägerin sittenwidrig herbeigeführte ungewollte Vertragsschluss wird durch ein Jahre später aufgespieltes Software-Update nicht rückwirkend zu einem gewollten Vertragsschluss (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 58). Die Möglichkeit einer Nachbesserung sieht das Deliktsrecht nicht vor. Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass die Käufer das Software-Update nicht aus Gründen der Schadensbeseitigung haben durchführen lassen, sondern weil die Fahrzeuge von der vom KBA angeordneten Rückrufaktion betroffen waren und anderenfalls eine Betriebsuntersagung gedroht hätte (OLG Koblenz, Urteil v. 20.11.2019 - 10 U 731/19, MDR 2020, 603 Rn. 94).

52

ee) Auch ein Schädigungsvorsatz der bei der Beklagten handelnden Personen ist zu bejahen. Schon nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass den maßgebenden Mitarbeitern in der Entwicklungsabteilung und den für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorständen bei der strategischen Entscheidung zum Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung bewusst gewesen ist, dass ein mit dem Risiko der Betriebsuntersagung oder -beschränkung belastetes Fahrzeug ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden Abschlag vom Kaufpreis keinen Käufer finden würde (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 63).

53

b) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin nach §§ 826, 31 BGB ist verjährt.

54

aa) Die Beklagte hat mit ihrer Erklärung vor dem Landgericht, die Verjährungseinrede nicht mehr aufrechtzuerhalten, nicht etwa bindend auf die Verjährungseinrede verzichtet.

55

Ein ausdrücklicher materiell-rechtlicher Verzicht auf die künftige Erhebung der Einrede ist mit der prozessualen Erklärung, die Verjährungseinrede werde fallen gelassen, nicht verbunden (vgl. BGH, Urteil v. 29.11.1956 - III ZR 121/55, BGHZ 22, 267 Rn. 12 f.; OLG Koblenz, Urteil v. 15.06.2021 - 3 U 183/21 Rn. 34 ff.). Die Beklagte hat mit dieser Erklärung auch nicht konkludent verzichtet. Ein entsprechender Verzichtswille, an den strenge Anforderungen zu stellen sind und der unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände unmissverständlich sein muss (vgl. BGH, Urteil v. 21.03.2018 - VIII ZR 17/17, NJW 2018, 2254 Rn. 46 m.w.N.), ist der Erklärung nicht zu entnehmen. Es handelte sich erkennbar um eine prozesstaktische Reaktion der Beklagten auf den zuvor erfolgten Hinweis des Landgerichts, dass trotz Verjährung des originären Schadensersatzanspruchs ein Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB in Betracht komme (vgl. Protokoll vom 25.01.2021, LG 685). Im Zweifel ist nicht anzunehmen, dass die Beklagte in Ansehung der Möglichkeit einer anderen rechtlichen Einschätzung des Berufungsgerichts auf die Verjährungseinrede endgültig verzichten wollte. Für den von ihr verfolgten Zweck war es ausreichend, das Verteidigungsvorbringen in erster Instanz dahin zu beschränken, dass die Verjährungseinrede derzeit nicht erhoben wird (vgl. BGH, Urteil v. 29.11.1956, a.a.O., Rn. 17, 20 f.).

56

bb) Nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt der deliktische Schadensersatzanspruch in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Verjährung ist hiernach spätestens zum Jahresende 2019 eingetreten, so dass die erst im September 2020 beim Landgericht eingegangene und am 22.10.2020 zugestellte Klage keine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB mehr bewirken konnte.

57

(1) Die Klägerin macht geltend, dass sie den Pkw … im Jahre 2014 nicht erworben hätte, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass im Motor eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert ist. Ihr Schaden liegt mithin in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit (vgl. dazu BGH, Urteil v. 25.05.2020, a.a.O.). Der auf Befreiung von dieser ungewollten Verbindlichkeit gerichtete Schadensersatzanspruch ist bereits mit dem Abschluss des Kaufvertrags im Jahre 2014 entstanden.

58

(2) Es ist unstreitig, dass die Klägerin von dem im Herbst 2015 bekannt gewordenen sog. Dieselskandal Kenntnis genommen hat. Außer Streit ist des Weiteren, dass die Klägerin im Jahre 2016 von der Beklagten schriftlich über den vom KBA wegen der Prüfstandserkennungssoftware veranlassten Rückruf informiert worden ist. Ihr ist damit die Kenntnis vermittelt worden, dass auch ihr Fahrzeug von den in der Öffentlichkeit diskutierten Unregelmäßigkeiten im Rahmen des sog. Abgasskandals betroffen ist. Jedenfalls aber hätte sich die Klägerin in Anbetracht der ihr bekannten Berichterstattung über die Prüfstandserkennungssoftware der Beklagten - in den Medien als “Schummelsoftware“ bzw. „Manipulationssoftware“ bezeichnet (vgl. BGH, Urteil v. 17.12.2020 - VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 21) - einer solchen Erkenntnis in grob fahrlässiger Weise verschlossen (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der Klägerin wäre es damit zumutbar gewesen, (spätestens) bereits im Jahre 2016 Klage zu erheben (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil v. 17.12.2020 - VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 21), was einen Verjährungseintritt (spätestens) mit dem Schluss des Jahres 2019 zur Folge hat.

59

(3) Ein späterer Verjährungsbeginn lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass die Rechtslage - wie die Klägerin meint - bis zur Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 (a.a.O.) ungeklärt gewesen wäre. Sowohl die Kriterien, nach welchen ein Verhalten als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB zu bewerten ist, als auch die Grundsätze der sekundären Darlegungslast im Hinblick auf die subjektiven Anspruchsvoraussetzungen waren aus der bis Ende 2015 ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ersichtlich; Gleiches gilt für die Annahme, dass ein Schaden in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit liegen kann (vgl. BGH, Urteil v. 17.12.2020, a.a.O., Rn. 27). Dass nach 2015 Teile der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur Ansprüche gegen die Beklagte aus rechtlichen Gründen verneint haben, verschiebt den Beginn der Verjährungsfrist nicht nach hinten. Denn dies geschah erst nach dem insoweit gemäß § 199 Abs. 1 BGB maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. BGH, Urteil v. 28.10.2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 45; Urteil v. 17.12.2020, a.a.O.). Abgesehen davon konnten die Senate der Oberlandesgerichte und Stimmen in der Literatur, die Ansprüche aus § 826 BGB bejahten, ihre Auffassung auf die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stützen. Damit wurde auch nach 2015 die Rechtslage nicht in einem solchen Maße zweifelhaft und ungeklärt, dass eine Klage keine hinreichende Erfolgsaussicht mehr gehabt hätte und als unzumutbar anzusehen gewesen wäre. Das Risiko, dass erst eine abschließende Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wie sie dann mit dem Urteil vom 25.05.2020 (a.a.O.) erging, Gewissheit bringen würde, war der Klägerin zuzumuten (vgl. BGH, Urteil v. 17.12.2020, a.a.O., Rn. 28).

60

cc) Vor Klageerhebung ist keine Hemmung der Verjährung eingetreten. Die Klägerin hat sich nicht zur Musterfeststellungsklage angemeldet (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB). Auch sonst ist kein Hemmungstatbestand gegeben.

61

dd) Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte ist nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Die Beklagte hat die Klägerin durch ihr Verhalten weder von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten noch sie nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung des Anspruchs zu erzielen sein (vgl. BGH, Urteil v. 21.01.1988 - IX ZR 65/87, NJW 1988, 2245 Rn. 39; Ellenberger in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, vor § 194 Rn. 17). Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen (BGH, a.a.O.; Ellenberger, a.a.O.).

62

(1) Der Umstand, dass die Beklagte jedenfalls bis zur Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316) eine sittenwidrige Schädigung der Erwerber von Fahrzeugen mit der streitgegenständlichen Abschalteinrichtung in Abrede gestellt hat, war nicht geeignet, Geschädigte wie die Klägerin von einer Klageerhebung abzuhalten. Im Gegenteil mussten sie in Anbetracht der Abwehrhaltung der Beklagten gerade davon ausgehen, ohne eine gerichtliche Geltendmachung ihrer Ansprüche nicht zu ihrem Recht zu kommen.

63

(2) Die Beklagte hat die Klägerin auch nicht dadurch in unredlicher Weise von verjährungshemmenden Maßnahmen abgehalten, dass sie das Software-Update zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Verfügung gestellt hat. Dies gilt selbst dann, wenn man mit der Klägerin unterstellen wollte, dass das Software-Update eine weitere Abschalteinrichtung in Form einer Temperatursteuerung implementiert hat. Der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatz folgt aus dem ungewollten Abschluss des Kaufvertrags vom Mai 2014 und der hieraus resultierenden Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, a.a.O.; Rn. 48). Dieser Schaden konnte durch die spätere Bereitstellung eines Software-Updates nicht mehr beseitigt werden, auch wenn durch seine Implementierung jegliche unzulässige Abgasbeeinflussung eliminiert worden wäre. Es bestand mithin bei der gebotenen objektiven Betrachtung kein Anlass, wegen des Software-Updates von einer Klageerhebung abzusehen. Dass etwaige rechtsunkundige Käufer im Hinblick auf das angekündigte Software-Update am Vorliegen eines Schadens zweifelten, steht der Verjährung nicht entgegen (BGH, Urteil v. 17.12.2020, a.a.O., Rn. 27) und begründet kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten.

64

2. Nach Verjährung des Ersatzanspruchs steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Restschadensersatzanspruch gemäß § 852 Satz 1 BGB zu (vgl. bereits OLG Koblenz, Urteil v. 29.07.2021 - 6 U 934/20, Rn. 57 ff. und vom 09.09.2021 - 6 U 263/21, unter II. B. 2. - letztere Entscheidung bislang unveröffentlicht).

65

Nach § 852 Satz 1 BGB ist der Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet; die insoweit geltende Verjährungsfrist von zehn Jahren (§ 852 Satz 2 BGB) ist nicht abgelaufen. Die Verweisung in § 852 BGB auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung bezieht sich nicht auf die Voraussetzungen, sondern auf den Umfang der Bereicherungshaftung. Bei § 852 BGB handelt es sich nicht um einen Bereicherungsanspruch, sondern um einen sog. Restschadensersatzanspruch, also einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, der in Höhe der Bereicherung nicht verjährt ist (BGH, Urteil v. 15.01.2015 - I ZR 148/13, NJW 2015, 3165 Rn. 29).

66

a) Die Anwendbarkeit von § 852 Satz 1 BGB kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deshalb verneint werden, weil der Klägerin mit dem ungewollten Kaufvertragsschluss nur ein normativer und kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist (so aber OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss v. 05.01.2021 - 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1641 Rn. 16 ff. - zitiert nach beck-online; OLG Koblenz, Urteil v. 25.06.2021 - 15 U 19/21 - bislang unveröffentlicht). Für eine derartige einschränkende Auslegung der Norm besteht kein Anlass. Hierfür ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Regelung Anhaltspunkte. Der Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB behält vielmehr die Rechtsnatur des originären deliktischen Schadensersatzanspruchs (vgl. BGH, Urteil v. 14.02.1978 - X ZR 19/76, BGHZ 71, 86 Rn. 61 zu § 852 Abs. 3 BGB a. F.). Er hat den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung; der verjährte Deliktsanspruch bleibt als solcher bestehen und wird nur in seinem durchsetzbaren Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung Erlangte beschränkt (BGH, Urteil v. 26.03.2019 - X ZR 109/16, BGHZ 221, 342 Rn. 19; Spindler, a.a.O., Rn. 1). Dementsprechend muss es im Rahmen von § 852 Satz 1 BGB genügen, dass der Klagepartei nach den Ausführungen unter 1. a) dd) ein gemäß § 826 BGB zu ersetzender Schaden entstanden ist (vgl. auch OLG Oldenburg, Urteil v. 22.04.2021 - 14 U 225/20, Rn. 43 ff.).

67

b) Der Anwendungsbereich von § 852 Satz 1 BGB ist entgegen der von der Beklagten im Anschluss an das in ihrem Auftrag erstellte Rechtsgutachten von Martinek (jM 2021, 56) vertretenen Auffassung auch nicht teleologisch auf Fälle zu reduzieren, in denen der Verletzte sich besonderen Prozessrisiken ausgesetzt sieht mit der Folge, dass ein Anspruch des Klägers, dem ein Anschluss an die Musterfeststellungsklage möglich gewesen wäre, zu verneinen wäre. Der Sinn und Zweck der Bestimmung erfordert die Anerkennung solcher Ausnahmen nicht (vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 31.03.2021 - 7 U 1602/20, BB 2021, 1234 Rn. 47 ff.). Durch die Vorschrift soll es dem deliktisch Geschädigten ermöglicht werden, trotz Kenntnis von den haftungsbegründenden Umständen und der Person des Schädigers von der alsbaldigen gerichtlichen Geltendmachung des Deliktsanspruchs abzusehen, weil beispielsweise das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen oder die Rechtslage zweifelhaft ist, oder auch nur, weil dem zu Verklagenden aktuell die nötigen wirtschaftlichen Mittel fehlen, um den Ersatzanspruch zu befriedigen (Wagner, in: MünchKomm BGB, 8. Aufl. 2020, § 852 Rn. 3). Die Begründung zum Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes benennt in diesem Zusammenhang den Beispielsfall, dass der Dieb behauptet, das Diebesgut „versetzt“ und den Erlös verbraucht zu haben; der Geschädigte soll dann über die reguläre Verjährungsfrist hinaus Überlegungszeit erhalten, ob er den Täter auf Herausgabe der Bereicherung verklagen will (BT-Drs. 14/6040, S. 270). Nach der hieraus ableitbaren gesetzgeberischen Wertung ist der Deliktsschuldner im Hinblick auf die ihm verbliebene Bereicherung im Allgemeinen nicht schutzwürdig und demnach dem deliktisch Geschädigten ein größerer zeitlicher Spielraum bei der Verfolgung des Herausgabeanspruchs zuzugestehen. Auf tatsächliche prozessuale Erschwernisse des Geschädigten bei der Durchsetzung seines Anspruchs kommt es hierbei nicht an.

68

Darüber hinaus stünde die von der Beklagten angestrebte teleologische Reduktion im Widerspruch zum Regelungsanliegen der zivilprozessualen Musterfeststellungsklage, mit der die Rechtsdurchsetzung für Verbraucher verbessert (und nicht verschlechtert) sowie dem Umstand begegnet werden sollte, dass infolge der Klagezurückhaltung von Betroffenen ein unrechtmäßig erlangter Vermögensvorteil beim Anspruchsgegner verbleibt und so zu einem ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern führt (BT-Drs. 19/2507, S. 1). Mit dieser Zwecksetzung ist es nicht zu vereinbaren, wenn die nicht genutzte Möglichkeit zum Anschluss an eine Musterfeststellungsklage den Verlust des Restschadensersatzanspruchs nach § 852 Satz 1 BGB zur Folge hätte (OLG Oldenburg, Urteil v. 22.04.2021, a.a.O., Rn. 49).

69

c) Die Beklagte hat durch die Implementierung der geheimen Prüfstandserkennungssoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug den von der Klägerin für das Fahrzeug aufgewandten Kaufpreis abzüglich eines dem Händler zugeflossenen Anteils von nicht mehr als 15 % des Kaufpreises erlangt.

70

aa) Durch die Täuschung des KBA und der Erwerber der mit der unzulässigen Prüfstandserkennungssoftware versehenen Fahrzeuge hat die Beklagte unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der Klägerin sittenwidrig einen von dieser ungewollten Vertragsschluss herbeigeführt und sich hierdurch auf deren Kosten bereichert. Ihr ist infolge des Fahrzeugerwerbs der Klägerin der von ihr gezahlte Kaufpreis zugeflossen, vermindert durch den an den zwischengeschalteten Händler Autohaus ...[A] GmbH gezahlten Kaufpreisanteil. Es ist anerkannt, dass sich die Vermögensverschiebung nicht unmittelbar zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vollziehen muss; vielmehr ist die Bereicherung auch dann herauszugeben, wenn der Schädiger über einen Vertragspartner auf Kosten des Geschädigten den Vermögensvorteil erlangt hat (vgl. BGH, Urteil v. 14.02.1978 - X ZR 19/76, a.a.O., Rn. 62 f.; Spindler, in: BeckOK BGB, 58. Ed. 01.05.2021, § 852 Rn. 3). Entscheidend ist, dass der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger verursacht hat (BGH, Urteil v. 26.03.2019 - X ZR 109/16, BGHZ 221, 342 Rn. 21; OLG Stuttgart, Urteil v. 09.03.2021 - 10 U 339/20, NJW-RR 2021, 681 Rn. 43). Dies ist bei dem hier streitgegenständlichen Neuwagenkauf der Fall (ebenso OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 45; OLG Oldenburg, Urteil v. 22.04.2021, a.a.O., Rn. 55). Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung hat nicht etwa der zwischengeschaltete (Vertrags-)Händler, sondern die Beklagte den von der Klägerin gezahlten Kaufpreis aus dem Erstverkauf erlangt, lediglich reduziert um die tatsächlich abgeflossene Händlermarge.

71

bb) Unerheblich ist demgegenüber, in welcher Höhe die Beklagte mit dem Absatz des streitgegenständlichen Fahrzeugs Gewinn erwirtschaftet hat. Im Rahmen des § 852 Satz 1 BGB finden, wie ausgeführt, die Rechtsfolgen der §§ 812 ff. BGB Anwendung. Das Erlangte im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB ist gegenständlich zu verstehen; herauszugeben ist hiernach exakt der Vermögensvorteil, der der Beklagten aufgrund der zum Nachteil der Klägerin verübten unerlaubten Handlung zugeflossen ist (vgl. Schwab, in: MünchKomm BGB, a.a.O., § 812 Rn. 1 und § 818 Rn. 129; Wendehorst, in: BeckOK BGB, a.a.O., § 818 Rn. 104). Das ist der (durch die Händlermarge verminderte) Kaufpreis für das Fahrzeug und nicht nur der der Beklagten unter Abzug der Herstellungskosten verbleibende Gewinn. Ein Abzug der Herstellungskosten kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil der Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 826 BGB nur Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte besteht. Der im Fahrzeug verkörperte Herstellungsaufwand kommt somit der Beklagten wieder zugute. Eine Minderung des Bereicherungsanspruchs nach § 818 Abs. 3 BGB wegen sonstiger Aufwendungen, wie sie die Beklagte insbesondere im Zusammenhang mit den Kosten für die Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung geltend macht, scheidet aus dem gleichen Grund aus. Die Entwicklung und Zurverfügungstellung des Software-Updates geschah zudem im eigenen Interesse der Beklagten, der vom KBA aufgegeben worden war, die unzulässige Abschalteinrichtung zu entfernen und die Einhaltung der Grenzwerte anderweit zu gewährleisten. Im Übrigen war die Beklagte sowohl bei der Herstellung des Fahrzeugs als auch im Zeitpunkt der Veräußerung an den Kläger im Sinne von §§ 819, 818 Abs. 4 BGB bösgläubig und kann sich daher grundsätzlich nicht auf eine Minderung oder den Wegfall der Bereicherung berufen (vgl. Sprau, in: Palandt, a.a.O., § 818 Rn. 53 m.w.N.).

72

cc) Der in Abzug zu bringende Händleranteil betrug nach dem nicht bestrittenen und damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestandenen Klägervorbringen 15 % des Kaufpreises, mithin 4.162,50 €. Demnach hat die Beklagte aus der gegenüber der Klägerin verübten unerlaubten Handlung gemäß §§ 852 Satz 1, 812 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Geldbetrag von 23.587,50 € (27.750 € - 4.162,50 €) erlangt.

73

d) Der Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB wird in der Höhe begrenzt durch den Anspruch, der der Klägerin nach § 826 BGB zustünde, wenn keine Verjährung eingetreten wäre. Nach §§ 826, 249 Abs. 1 BGB kann die Klägerin von der Beklagten die Erstattung des Kaufpreises von 27.750 € abzüglich der genossenen Nutzungsvorteile des Fahrzeugs verlangen (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, a.a.O., Rn. 64 ff.). Hieraus ergibt sich ein Ersatzanspruch gegen die Beklagte von 16.645,45 €.

74

aa) Bei Kraftfahrzeugen wird die Höhe des Nutzungsersatzes gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage einer in der Rechtsprechung entwickelten Formel berechnet, nach der der vereinbarte (Brutto-) Kaufpreis durch die voraussichtliche Restlaufleistung des Fahrzeugs (zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer) geteilt und mit den gefahrenen Kilometern multipliziert wird (vgl. BGH, Urteil v. 09.04.2014 - VIII ZR 215/13, NJW 2014, 2435 Rn. 6, 11 f.; Beschluss v. 09.10.2014 - VIII ZR 196/14, Schaden-Praxis 2015, 277 Rn. 3; Urteil v. 25.05.2020, a.a.O., Rn. 80).

75

(1) Der Senat schätzt die Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs unter Berücksichtigung des Fahrzeugtyps und der Motorgröße von 1,6 l Hubraum - abweichend vom Landgericht - auf 250.000 km (vgl. auch OLG Hamm, Urteil v. 31.03.2020 - 27 U 141/19, Rn. 88; OLG Schleswig, Urteil v. 19.03.2020 - 7 U 100/19, Rn. 88; ). Auch wenn eine nicht unerhebliche Anzahl von Fahrzeugen dieser Art eine höhere Gesamtlaufleistung erreichen mag, ändert dies nichts daran, dass bei einer Gesamtbetrachtung aller mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeuge mit einer Gesamtlaufleistung von durchschnittlich 250.000 km zu rechnen ist. Denn es muss davon ausgegangen werden, dass es zahlreiche Fahrzeuge gibt, die eine Laufleistung von 250.000 km nicht erreichen.

76

(2) Im Streitfall ergibt sich daher ausgehend von dem Kilometerstand von 0 km bei Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin, die der Senat in Ermangelung anderer Anhaltspunkte unter Berücksichtigung der Anlage K 1 (LG 92 f.) auf den 14.05.2014 datiert, und dem Kilometerstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von 100.041 folgende Berechnungsformel:

77

27.750 € : 250.000 km x 100.041 km = 11.104,55 € Nutzungsentschädigung. Die Klägerin kann mithin im Ergebnis nur Zahlung von 16.645,45 € (27.750 € - 11.104,55 €) verlangen, Zug um Zug gegen Übereignung des ….

78

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht kein Anlass, von der vorstehend dargestellten, anerkannten Schätzmethode abzuweichen und die Höhe der Nutzungsentschädigung nach dem aktuellen Wiederverkaufswert des betroffenen Fahrzeugs zu bemessen. Die Klägerin hat einen Ausgleich für tatsächlich gezogene Nutzungen zu leisten, die ihr durch Fahrten mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug zugeflossen sind. Die Entwicklung des Wertverlusts ihres Fahrzeugs ist für die Bemessung dieser Nutzungsvorteile ohne Belang.

79

3. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 1 ZPO ein Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.10.2020 zu.

80

a) Die Zustellung der Klage erfolgte am 22.10.2020; in entsprechender Anwendung von § 187 BGB beginnt die Verzinsungspflicht mit dem Folgetag, mithin am 23.10.2020 (vgl. Ellenberger, in: Palandt, a.a.O., § 187 Rdnr. 1 m.w.N.).

81

b) Zu berücksichtigen ist im Rahmen der geschuldeten Zinsleistung, dass die Klägerin die auf den Kaufpreiserstattungsanspruch anzurechnenden Nutzungsvorteile zum Teil erst zwischen dem Eintritt des Verzugs und dem Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung erlangt hat (vgl. BGH, Urteil v. 30.07.2020 - VI ZR 397/19 -, NJW 2020, 2806 Rn. 38). In Ermangelung anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Fahrleistung mit dem erworbenen Fahrzeug im Zeitraum zwischen dem Verzugseintritt und dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26.08.2021 gleichmäßig erbracht hat. Für den Zeitpunkt des Verzugseintritts errechnet sich nach der oben unter 2. d) aa) dargestellten Formel unter Berücksichtigung einer damaligen Fahrleistung von 90.523 km (nach der Darstellung im anwaltlichen Aufforderungsschreiben vom 20.08.2020 88.100 km in 2.291 Tagen bis zum 20.08.2020, mithin 90.523 km in 2.354 Tagen bis zum 22.10.2020) eine Nutzungsentschädigung von 10.048,05 €. Am 22.10.2020 schuldete die Beklagte mithin einen Schadensersatzbetrag von 17.701,95 € (27.750 € abzüglich 10.048,05 €), der sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung sukzessive Tag für Tag um die jeweiligen Nutzungsvorteile auf den schließlich zuzuerkennenden Betrag von 16.645,45 € ermäßigt (vgl. BGH, a.a.O.).

82

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht keine Verzinsungspflicht schon für die Zeit ab dem 24.09.2020. Der Ablauf der im vorgerichtlichen Aufforderungsschreiben gesetzten Zahlungsfrist war nicht geeignet, Schuldnerverzug auszulösen, weil die Klägerin die Zahlung des Kaufpreises von 27.750 € unter Anrechnung einer unzutreffend zu niedrig bemessenen Nutzungsentschädigung verlangt hat (vgl. dazu sogleich unter 4.). Die Klägerin hat damit in erheblichem Umfang eine Mehrleistung verlangt, die sie nicht hätte beanspruchen dürfen. Der Schuldner kann indes mit der geschuldeten Zahlung nur in Verzug geraten, wenn der Gläubiger die ihm obliegende Gegenleistung ordnungsgemäß anbietet (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, a.a.O., Rn. 86 m.w.N.).

83

4. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht begründet. Die Beklagte befindet sich nicht in Annahmeverzug gemäß §§ 293, 295 BGB. Die Klägerin hat die Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu keinem Zeitpunkt zu den Bedingungen angeboten, von denen sie sie tatsächlich hätte abhängig machen dürfen; es fehlt deshalb an einem zur Begründung von Annahmeverzug geeigneten Angebot (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, a.a.O., Rn. 85; Urteil v. 20.07.2005 - VIII ZR 275/04, NJW 2005, 2848 Rn. 30).

84

a) In dem vorgerichtlichen Aufforderungsschreiben der Klägervertreter vom 20.08.2020 (Anlage K 29, LG 305 ff.) hat die Klägerin lediglich angeboten, einen Nutzungsersatz auf der Basis einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km in Abzug zu bringen. Dies bedeutet nach der oben unter 2. d) aa) dargelegten Berechnungsformel für den Kilometerstand von 88.100 km am 20.08.2020 den Abzug einer Nutzungsentschädigung von lediglich 8.149,25 €, was zu einem geforderten Zahlungsbetrag von 19.600,75 € führt (27.750 € abzüglich 8.149,25 €). Berechtigt war zu diesem Zeitpunkt bei zutreffender Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km jedoch lediglich ein Zahlungsanspruch in Höhe von 17.970,90 € (27.750 € abzüglich 9.779,10 €). Unter diesen Umständen hat die Klägerin ihr Rückgabeangebot an die Erfüllung einer erheblich überhöhten Forderung geknüpft mit der Folge, dass kein zur Begründung von Annahmeverzug geeignetes Angebot vorliegt.

85

b) Der in der Klageschrift angesetzte Nutzungsvorteil war in gleicher Weise zu gering bemessen, auch die mit Schriftsatz vom 07.12.2020 geänderten Klageanträge berücksichtigen die anzurechnenden Gebrauchsvorteile nicht zutreffend. Entsprechendes gilt für die Antragstellung in der Berufungsinstanz.

86

5. Die Berufung der Beklagten hat auch insoweit Erfolg, als der Antrag der Klägerin, festzustellen, dass der im Klageantrag zu 1. bezeichnete Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrührt (Klageantrag zu 4.), unzulässig ist. Es fehlt an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse.

87

a) Das Feststellungsinteresse für einen Antrag dieser Art kann sich grundsätzlich aus den erweiterten Vollstreckungsmöglichkeiten des § 850 f Abs. 2 ZPO oder § 302 Nr. 1 InsO ergeben (vgl. BGH, Beschluss v. 03.03.2016 - IX ZB 33/14, BGHZ 209, 168 Rn. 23). Beide Erleichterungen beziehen sich indes auf die Durchsetzung von Ansprüchen gegen natürliche Personen und greifen bei der Beklagten, einer Aktiengesellschaft, daher nicht (vgl. OLG Koblenz, Urteil v. 30.06.2020 - 3 U 1869/19, Rn. 54).

88

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht das Feststellungsinteresse auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass nach § 393 BGB die Aufrechnung gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht zulässig ist. Das in der Rechtsprechung, wie vorstehend ausgeführt, anerkannte Feststellungsinteresse hat seinen Grund in der begrenzten Prüfungskompetenz des Vollstreckungsgerichts in Zwangsvollstreckungsverfahren (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss v. 26.09.2002 - IX ZB 180/02, BGHZ 152, 166). Eine hiermit vergleichbare Situation besteht jedoch bei der Aufrechnung gegenüber dem Klageanspruch nicht. Beruft sich der Schuldner einer titulierten Forderung auf eine Aufrechnung, kann er diesen Einwand im Streitfall mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend machen. Zuständig für die Entscheidung ist das Prozessgericht des ersten Rechtszugs, das unter den Voraussetzungen des § 767 Abs. 2 ZPO eine uneingeschränkte materiell-rechtliche Prüfung, mithin auch im Hinblick auf eine etwaige Unzulässigkeit der Aufrechnung nach § 393 BGB, vorzunehmen hat. Ein rechtliches Interesse, die Voraussetzungen des § 393 BGB schon vorab im Hinblick auf eine mögliche spätere Aufrechnungserklärung seitens des Schuldners feststellen zu lassen, besteht deshalb nicht, zumal sich der Umstand, dass die Forderung des Klägers auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten nach § 826 BGB beruht, den Gründen des vorliegenden Urteils eindeutig entnehmen lässt. Insoweit würde es sich auch lediglich um ein bloßes Element oder eine Vorfrage eines künftig (möglicherweise) entstehenden Rechtsverhältnisses handeln, die nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein können (BGH, Urteil v. 17.06.2016 - V ZR 272/15, NJW-RR 2016, 1404 Rn. 9; Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 256 Rn. 3 f., jew. m.w.N.).

89

6. Ein Anspruch der Klägerin auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 826, 31 BGB ist verjährt, vgl. § 214 Abs. 1 BGB. Insoweit besteht nach den oben unter 2. dargelegten Grundsätzen jedoch ein Restschadensersatzanspruch nach § 852 Satz 1 BGB, allerdings nur in Höhe von 1.072,77 €.

90

a) Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf die durch die Geltendmachung eines (berechtigten) Schadensersatzanspruchs verursachten zweckentsprechenden Kosten der Rechtsverfolgung (vgl. Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., § 249 Rn. 56 f.). Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war für die Klägerin angesichts der Materie und schon aufgrund des Umstands, dass sie sich einem rechtlich beratenen Gegner gegenübersah, erforderlich und zweckmäßig.

91

b) Der für die Berechnung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten maßgebende Gegenstandswert ermittelt sich aus dem aufgewandten Kaufpreis von 27.750 € abzüglich der im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Anwaltstätigkeit bereits gezogenen Gebrauchsvorteile. Wie oben unter 4. a) dargelegt, ergibt sich ausgehend von dem im Schreiben der Klägervertreter vom 20.08.2020 mitgeteilten Kilometerstand von 88.100 die Gebührenstufe von bis zu 19.000 €. Die Abweichung zur vom Landgericht zugrunde gelegten Gebührenstufe folgt aus der vom Senat mit 250.000 km statt wie vom Landgericht auf 300.000 km geschätzten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs. Unter Zugrundelegung der vom Landgericht zutreffend berechneten (dazu sogleich B.) 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus dem genannten Gegenstandswert (904,80 €) zuzüglich Entgeltpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (20 €) und der im zweiten Halbjahr 2020 geltenden Umsatzsteuer von lediglich 16 % kann die Klägerin die Befreiung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.072,77 € verlangen.

92

c) Dem danach grundsätzlich bestehenden, auf Freistellung von der Verbindlichkeit gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten gerichteten Ersatzanspruch der Klägerin aus §§ 826, 31 BGB steht jedoch aus den oben unter 1. b) genannten Gründen die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegen.

93

aa) Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich der Schadenseintritt bei mehreren Schadensfolgen für die Zwecke des Verjährungsrechts anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit bestimmt. Danach gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte. Die Verjährung des Ersatzanspruchs erfasst auch solche nachträglich eintretenden Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren. Zur Hemmung der Verjährung, die mit dem früheren Schadenseintritt begonnen hat, ist die Erhebung einer Feststellungsklage erforderlich. Tritt eine als möglich voraussehbare Spätfolge ein, wird für sie keine selbständige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil v. 08.11.2016 - VI ZR 200/15, MDR 2017, 149 Rn. 15 f. m.w.N.).

94

bb) Dementsprechend ist der als möglich voraussehbare Schaden, der in der Eingehung einer Zahlungsverpflichtung gegenüber den Prozessbevollmächtigten zur Durchsetzung von Ansprüchen der Klägerseite liegt, in verjährungsrechtlicher Hinsicht bereits mit Abschluss des Kaufvertrags im Jahr 2014 entstanden, auch wenn die anwaltliche Tätigkeit erst im Jahr 2020 stattgefunden hat. In Ermangelung verjährungshemmender Maßnahmen ist - wie bereits dargelegt - Verjährung spätestens zum Jahresende 2019 eingetreten, bevor im Jahr 2020 Klage erhoben wurde.

95

d) Indes besteht nach den oben unter 2. dargelegten Grundsätzen ein unverjährter Restschadensersatzanspruch nach § 852 Satz 1 BGB auch im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Form eines Freistellungsanspruchs, vgl. § 257 Satz 1 BGB. Da die Summe der erstattungsfähigen Beträge von 16.645,45 € und 1.072,77 € (17.718,22 €) die Höhe der der Beklagten zugeflossenen Bereicherung von zumindest 23.587,50 € (27.750 € abzüglich 15 %) nicht übersteigt, kann die Klägerin Freistellung von der gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten eingegangenen Verbindlichkeit in Höhe von 1072,77 € verlangen.

96

B. Wie sich aus den Ausführungen unter A. ergibt, bleibt der Berufung der Klägerin der Erfolg versagt.

97

1. Die Klägerin ist durch das angefochtene Urteil lediglich beschwert, soweit das Landgericht die Beklagte zur Freistellung von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.348,27 € anstelle von 2.077,74 € verurteilt hat (Differenzbetrag: 729,47 €). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten jedoch nicht eine 2,0-fache Geschäftsgebühr anzusetzen, sondern lediglich der 1,3-fache Gebührensatz. Im Zeitpunkt der Beauftragung der klägerischen Prozessbevollmächtigten im Jahre 2020 war die im September 2015 aufgedeckte Dieselproblematik bereits seit mehreren Jahren bekannt. Unter diesen Umständen ist eine Überschreitung der Schwellengebühr von 1,3 nach Nr. 2300 RVG-VV nicht angezeigt, weil die Sache jedenfalls nicht mehr überdurchschnittlich schwierig oder umfangreich war; es handelte sich vielmehr um ein Massenphänomen (vgl. OLG Celle, Urteil v. 22.01.2020 - 7 U 445/18, MDR 2020, 571 Rn. 79; OLG Schleswig, Urteil v. 19.03.2020 - 7 U 100/19, Rn. 104). Unter Zugrundelegung des oben unter A. 6. b) ermittelten Gegenstandswerts besteht ein Befreiungsanspruch in noch geringerer als vom Landgericht angenommener Höhe von lediglich 1.072,77 € (vgl. oben).

98

2. Einer Bescheidung des Hilfsantrags (Berufungsantrag zu 2.) bedarf es nicht, weil die Bedingung, unter der der Antrag gestellt worden ist - die (vollständige) Unbegründetheit des Berufungsantrags zu 1. - nicht eingetreten ist.

99

C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 91a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen, weil die Klägerin ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses (Ziehen weiterer Nutzungsvorteile durch Fahrten mit dem Pkw) in dem Rechtsstreit voraussichtlich obsiegt hätte.

100

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

101

D. Die Revision ist in Anbetracht der unterschiedlichen Anwendung von § 852 Satz 1 BGB in den zahlreichen Fällen der EA 189-Problematik (wie hier: OLG Koblenz, Urteil v. 31.03.2021 - 7 U 1602/20, BB 2021, 1234; OLG Oldenburg, Urteil v. 22.04.2021 - 14 U 225/20; OLG Stuttgart, Urteil v. 09.03.2021 - 10 U 339/20, NJW-RR 2021, 681; a.A. OLG Oldenburg, Beschlüsse v. 05.01.2021 und 21.01.2021 - 2 U 168/20, BeckRS 2021, 1641 und 1642; OLG Frankfurt, Beschluss v. 21.01.2021 - 19 U 170/20; OLG Koblenz, Urteil v. 25.06.2021 - 15 U 19/21 - bislang unveröffentlicht; vgl auch OLG Stuttgart, Urteil v. 10.02.2021 - 9 U 402/20, BeckRS 2021, 5498) gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen. Darüber hinaus wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt, ob in Fällen wie dem vorliegenden die Feststellung verlangt werden kann, dass der Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrührt (wie hier etwa: OLG Koblenz, Urteil v. 30.06.2020, a.a.O.; a.A. OLG Koblenz, Urteil v. 04.12.2019 - 10 U 738/19, BeckRS 2019, 31781 Rn. 95 - zitiert nach beck-online).

102

E. Der Senat hat beschlossen, den Streitwert für das Berufungsverfahren gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf 19.789,06 € festzusetzen (Wert der Berufung der Beklagten: 19.059,60 €; Wert der Berufung der Klägerin: 729,47 €).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen