Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (12. Zivilsenat) - 12 W 35/14

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 26. März 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Verfügungskläger zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 3.800,00 Euro.

Gründe

I.

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1. Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers ist zulässig.

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Soweit sie gegen den das Teilanerkenntnisurteil betreffenden Kostenausspruch gerichtet ist, ist sie nach §§ 99 Abs. 2 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, und soweit der Verfügungskläger mit seinem Rechtsmittel die Kostenentscheidung nach einvernehmlicher Erledigungserklärung des restlichen Hauptsacheteils angreift, ist die sofortige Beschwerde nach §§ 91 a Abs. 2 S. 1, 567 Abs. 1 S. 1 ZPO eröffnet und auch im Übrigen gemäß § 569 Abs. 1 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Zugunsten des Verfügungsklägers geht der Senat davon aus, dass auch der Streitgegenstandswert des durch Teilanerkenntnisurteil zugesprochenen Hauptsacheteils (Teil des Klageantrages zu 1) den Wert der Beschwer aus § 511 ZPO übersteigt (§ 99 Abs. 2 S. 2 ZPO).

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2. Das zulässige Rechtsmittel des Verfügungsklägers bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

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Das Landgericht hat dem Verfügungskläger zu Recht die gesamten Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auferlegt. Das Beschwerdevorbringen des Verfügungsklägers rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

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a) Was die Kosten des Teilanerkenntnisurteils anbelangt, so hat das Landgericht die Voraussetzungen des § 93 ZPO, der auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung findet (vgl. OLG Köln NJW 1975, 454; Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 6 zu § 93 ZPO Stichwort: „Einstweilige Verfügung“), zutreffend bejaht und den Verfügungskläger mit den Kosten belastet, denn die Verfügungsbeklagte hat durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens geboten und den Anspruch insofern mit Erwiderungsschriftsatz vom 11. März 2014 sofort anerkannt.

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aa) Veranlassung zur Klageerhebung bzw. hier zur Beantragung einer einstweiligen Verfügung gibt eine beklagte Partei, wenn ihr Verhalten vor Prozessbeginn aus Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht gelangen (vgl. BGH NJW 2006, 2490; Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 3 zu § 93 ZPO). Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes im Sinne der Gefährdung des Verfügungsanspruchs indiziert allerdings nicht automatisch auch eine Klageveranlassung im Sinne des § 93 ZPO. Der Verfügungsgrund darf vielmehr nicht schematisch mit einem Anlass zur Verfahrenseinleitung gleichgesetzt werden, was zur Folge hätte, dass die Anwendung der Norm zu Gunsten der Verfügungsbeklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren aufgrund der Bindung des Gerichts an das Anerkenntnis per se ausscheiden würde (vgl. OLG Zweibrücken MDR 2007, 925; Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 6 zu § 93 ZPO). Die nach einem Anerkenntnis eintretende Bindung des Gerichts, die dem erkennenden Gericht eine sachliche Überprüfung von Verfügungsgrund und Verfügungsanspruch versagt, enthebt es jedoch nicht der Verpflichtung, in dem konkreten Einzelfall zu überprüfen, ob der Verfügungsbeklagte durch sein Verhalten kostenrechtlich relevanten Anlass zur Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegeben hat (vgl. OLG Zweibrücken MDR 2007, 925). Mag auch in den Fällen, in denen der Verfügungsgrund auf ein Verhalten des Verfügungsbeklagten zurückgeht, eine Klageveranlassung häufig anzunehmen sein, ist dies aber nicht notwendig der Fall. Eine differenzierte Betrachtung gebietet bereits die unterschiedliche Zielsetzung des § 93 ZPO und der Vorschriften über den vorläufigen Rechtsschutz. Während letztere das Interesse des Anspruchsberechtigten in den Vordergrund stellen, die Gefahr zu beseitigen, dass bei Durchsetzung des Anspruchs im Erkenntnisverfahren durch den hierfür erforderlichen Zeitaufwand die Verwirklichung seines Rechts nach dem Obsiegen vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, dient § 93 ZPO allein der Kostengerechtigkeit und soll den Beklagten vor allen vor übereilten Klagen schützen (vgl. BGH NJW 2006, 2490). Deshalb verbietet es sich aber, den Verfügungsgrund mit der Veranlassung zur Beantragung der einstweiligen Verfügung im Sinne des § 93 ZPO gleich zu setzen.

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Danach kann hier aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Verfügungsbeklagte durch ihr vorprozessuales Verhalten zur Einleitung des einstweiligen Rechtschutzverfahrens Anlass geboten hat.

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Dass die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger bei dessen unangemeldeten Erscheinen im ihrem Hause am 20. Februar 2014 den Zutritt zu den Wohnräumlichkeiten versagt und die Herausgabe des Nachlasses verweigert hat, reicht hierfür jedenfalls noch nicht aus und hätte den Verfügungskläger nicht veranlassen müssen, direkt am Folgetag den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen. Zwar hat der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte bereits mit Schreiben vom 03. Februar 2014 - zugestellt am 06. Februar 2014 - unter Bezugnahme auf seine Erbenstellung aufgefordert, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Die Verfügungsbeklagte hat hierauf jedoch zeitnah mit anwaltlichen Schreiben vom 14. Februar 2014 geantwortet, dass ihr die von dem Verfügungskläger in Bezug genommene letztwillige Verfügung des Erblassers vom 12. Juni 1995 nicht bekannt sei, der Erblasser vielmehr sie aufgrund eines später erstellten Testamentes vom 02. Februar 2011 zur Alleinerbin eingesetzt habe. Sie hatte daher bis dahin keinen Grund ein entgegen stehendes testamentarisches Erbrecht des Verfügungsklägers überhaupt in Betracht zu ziehen. Vor Übersendung einer Abschrift des ihr bislang unbekannten gemeinschaftlichen Testamentes vom 12. Juni 1995, aus dem der Verfügungskläger seine Erbenstellung ableitete, hatte sie jedoch keinen Grund, auf die Forderung des Verfügungsklägers zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses einzugehen, weil sie aufgrund des ihr vorliegenden späteren Testamentes vom 02. Februar 2011 zunächst von ihrer eigenen Alleinerbenstellung ausgehen durfte. Das gemeinschaftliche Testament vom 12. Juni 1995 wurde der Verfügungsbeklagten erstmals am 19. Februar 2014 per Telefax übermittelt. Dass sie nach Überlassung des Ehegattentestamentes nicht gleich am Folgetag, den 20. Februar 2014 bei dem unerwarteten Besuch des Verfügungsklägers auf dessen sämtliche Forderungen eingegangen ist, kann ihr nicht zum Nachteil gereichen. Denn ihr war nach Übersendung der letztwilligen Verfügung vom 12. Juni 1995 zunächst eine angemessene Überprüfungsfrist der einander widerstreitenden testamentarischen Anordnungen zuzubilligen, um sich Klarheit über die Rechtsnachfolge nach dem Erblasser zu verschaffen. Dabei musste ihr auch ausreichend Zeit eingeräumt werden, um anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen zu können. Der am 21. Februar 2014 bei dem Amtsgericht Halle eingereichte Verfügungsantrag ist mithin noch nicht allein durch die Zutrittsverweigerung vom 20. Februar 2014 aufgrund des unangemeldeten Besuches des Verfügungsklägers veranlasst.

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Soweit der Verfügungskläger des weiteren behauptet und durch Vorlage seiner eigenen eidesstattlichen Versicherung nach §§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht hat, dass seine Lebenspartnerin sowie sein Sohn beobachtet haben wollen, dass verschiedene Personen am 12. Februar 2014 aus dem Haus der Verfügungsklägerin Taschen und weiße Säcke getragen hätten, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Soweit der Verfügungskläger aus dieser Beobachtung ableitet, dass die Verfügungsbeklagte Nachlassgegenstände beiseite schaffe, stellt dies eine durch nichts belegte, ungesicherte Vermutung dar, die insbesondere nicht als Indiz dafür geeignet erscheint, dass der Bestand des Nachlass gefährdet sein könnte, weil sich die Verfügungsbeklagte unberechtigt angemaßt habe, über Nachlassgegenstände zu verfügen. Zu diesem Zeitpunkt am 12. Februar 2014 lag ihr im Übrigen das entgegenstehende gemeinschaftliche Testament des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau vom 12. Juni 1995 auch noch gar nicht vor und sie durfte sich daher zu dieser Zeit noch als Alleinerbin des Erblassers aufgrund der zeitlich späteren testamentarischen Erbeinsetzung vom 02. Februar 2011 wähnen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist der Senat im Übrigen davon überzeugt, dass die Verfügungsbeklagte bereits nach Vorlage des Testaments vom 12. Juni 1995 und Prüfung dessen wechselbezüglichen Verfügungen sich jeglicher Verfügung über den Nachlass enthalten hätte.

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bb) Darüber hinaus hat die Verfügungsbeklagte das Teilanerkenntnis mit ihrem Erwiderungsschriftsatz vom 11. März 2014 jedenfalls auch „sofort“ im Sinne des § 93 ZPO erklärt. Ein sofortiges Anerkenntnis setzt dabei voraus, dass zunächst alle Gründe entfallen sind, die dem Beklagten vorprozessual erlaubten, die Erfüllung zu verweigern (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 4 zu § 93 ZPO). Davon kann hier aber erst nach Vorlage des gemeinschaftlichen Testamentes und Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist zur Feststellung der Rechtslage ausgegangen werden.

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Nach alledem liegen hier die Voraussetzungen, unter denen nach § 93 ZPO die Prozesskosten des Teilanerkenntnisses dem Verfügungskläger aufzuerlegen gewesen waren, schon nach der eigenen Darstellung des Verfügungsklägers vor. Diesen Teil der Kostenentscheidung hat er mit seiner sofortigen Beschwerde insoweit auch nicht weiter sachlich angegriffen.

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b) Die den erledigten Hauptsachenteil betreffende Kostenentscheidung des Landgerichts aus § 91 a ZPO ist gleichfalls nicht zu beanstanden.

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Soweit die Parteien nach Erlass des Teil-Anerkenntnisurteils die Hauptsache im Übrigen einvernehmlich für erledigt erklärt haben, war insoweit nur noch nach § 91 a ZPO über die Kosten des Rechtsstreites unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.

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Dabei ist von den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO auszugehen. Maßgebend ist danach in erster Linie der ohne die Erledigungserklärungen zu erwartende Verfahrensausgang, d.h. es wird in der Regel der die Kosten zu tragen haben, der den Rechtsstreit voraussichtlich verloren hätte und dem sie bei streitigem Fortgang des Verfahrens mithin auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Vorschriften der §§ 91 ff ZPO aufzuerlegen wären, wobei im Hinblick auf die anzustellende Erfolgsprognose auf den Zeitpunkt der Erledigungserklärungen abzustellen ist (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 788; Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 24/25 zu § 91 a ZPO).

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Das Landgericht hat in Anwendung dieser Grundsätze den Verfügungskläger zutreffend auch mit den Kosten des erledigten Hauptsacheteils belastet, weil er ohne die Hauptsacheerledigung voraussichtlich im einstweiligen Verfügungsverfahren unterlegen gewesen wäre bzw. ihm die Kosten in jedem Fall gleichwohl aufzuerlegen wären.

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aa) Der auf Herausgabe diverser Nachlassgegenstände gerichtete Verfügungsantrag zu 1):

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(1) Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zu Recht ausgeführt, dass der auf Herausgabe diverser Nachlassgegenstände gerichtete Verfügungsantrag zu 1) ganz überwiegend mangels Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als unzulässig zurückzuweisen wäre.

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Soweit der Verfügungskläger pauschal die Übergabe von Goldschmuck der Mutter des Antragstellers, eines Sparbuches der S. Sparkasse, Kontoauszügen der S. Sparkasse, einer EC-Karte, eines Buches der Familie K., eines Rentenbescheides des Erblassers, einer religiösen Ikone Holz auf Wand, eines Fahrzeugbriefes sowie der Autoschlüssel für einen Toyota Avensis an den Sequester verlangt hat, ist das Herausgabebegehren - mangels einer ausreichenden Individualisierung der herausverlangten Gegenstände - einer Vollziehung nach Maßgabe der §§ 936, 928, 929, 883 ZPO nicht zugängig gewesen.

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Zwar bestimmt im einstweiligen Verfügungsverfahren das erkennende Gericht im Rahmen der gestellten Anträge gemäß § 938 ZPO nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind, was eine jeweils fallbezogene Konkretisierung des zur Erreichung des Sicherungszweckes Erforderlichen ermöglicht. Die getroffenen Anordnungen müssen aber doch in jedem Fall einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweisen. Das zuständige Vollstreckungsorgan muss die angeordnete Maßnahme dem Tenor der einstweiligen Verfügung mithin zweifelsfrei entnehmen können (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 4 zu § 938 ZPO). Dies aber setzt einen hinreichend bestimmten Antrag für die begehrte Herausgabeverfügung voraus, der die betreffenden Gegenstände so genau wie möglich bezeichnet und individualisiert, damit sie im Falle der Vollziehung nach §§ 936, 928, 929, 883 ZPO identifizierbar sind und der Gerichtsvollzieher keinen Zweifel haben kann, welchen Gegenstand er wegnehmen muss (vgl. Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., Rdn. 17 vor §§ 704 bis 707 ZPO). Die Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gelten mit den aus § 938 Abs. 1 ZPO sich ergebenden Einschränkungen ebenso für das einstweilige Verfügungsverfahren, denn die Vollziehung einer Herausgabeverfügung richtet sich gemäß §§ 936, 930 Abs. 1 ZPO nach den allgemeinen Regeln der Zwangsvollstreckung und jede Herausgabevollstreckung gem. §§ 883 ff. ZPO erfordert einen hinreichend bestimmten Vollstreckungstitel (vgl. OLG Rostock OLGR Rostock 1999, 271; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Auflage, vor § 935 Rz.10 m.w.N.; Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdn.4 zu § 935 ZPO). Die dem Verfügungskläger herauszugebenden Sachen müssen daher im Antrag mit vollstreckungsfähiger Genauigkeit umschrieben werden (vgl. Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., Rdn. 4 zu § 938 ZPO).

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Diesem Bestimmtheitserfordernis genügt der Verfügungsantrag des Verfügungsklägers jedoch in verschiedener Hinsicht nicht. Soweit der Verfügungskläger den Goldschmuck seiner Mutter herausverlangt, hat er versäumt, die einzelnen Schmuckstücke hinreichend genau zu beschreiben. Der Gerichtsvollzieher wird durch die pauschale Angabe „Goldschmuck der Mutter“ nicht in die Lage versetzt, einzelne Schmuckgegenstände der vorverstorbenen Mutter von anderen abzugrenzen. Auch in Ansehung des herausverlangten Sparbuches, der Kontoauszüge sowie der EC-Karte hätte es einer weiteren Konkretisierung des Sparkontos des Erblassers bedurft, die hier jedoch fehlt. Gleiches gilt für das herausverlangte Buch der Familie K., den Rentenbescheid, die religiöse Ikone und den Fahrzeugbrief nebst Fahrzeugschlüssel Auch hierzu wäre die Angabe weiterer individualisierender Merkmale erforderlich gewesen, die dem Gerichtsvollzieher eine hinreichend verlässliche Identifizierung der Gegenstände in dem Wohnhaus erst ermöglicht hätten. Ein Begehren zur Herausgabe der „entsprechenden Fahrzeugpapiere“ ist jedenfalls nicht hinreichend bestimmt (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2005, 1302).

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Der Verfügungsantrag wäre ohne die Erledigungserklärungen mithin mangels Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

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Aber auch hinsichtlich der übrigen, im Antrag hinreichend konkret bezeichneten Gegenstände wäre die Herausgabeverfügung ohne die Erledigungserklärungen der Parteien nicht aussichtsreich gewesen, wie schon das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt hat.

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(2) Soweit der Verfügungskläger seinen Verfügungsanspruch auf possessorische Besitzschutzrechte aus §§ 861, 858 Abs. 2, 857 BGB stützt, hat es zwar keiner gesonderten Darlegungen mehr zum Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO bedurft. Vielmehr kann der ursprüngliche Besitzer, sofern ein Fall verbotener Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB vorliegt, im Eilverfahren die Herausgabe der Sache an sich verlangen, ohne dass er die besondere Dringlichkeit der Verfügung glaubhaft machen muss(vgl. OLG Stuttgart NJW 2012, 625; OLG Köln MDR 2000, 152; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Auflage, Vorbemerkung zu § 935 Rz. 22 m. w. N.; Bassenge in Palandt, BGB,73. Aufl. Rdn. 11 zu § 861 BGB; Staudinger-Bund a.a.O. § 861 RN 18, § 859 RN 24 m.w.N.).

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(3) Wie das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, hat der Verfügungskläger allerdings die anspruchsbegründenden Voraussetzungen eines possessorischen Besitzschutzanspruchs aus §§ 861, 857 BGB nicht in der nach §§ 936, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO gebotenen Weise glaubhaft gemacht.

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Zu Recht hat der Verfügungskläger mit seiner sofortigen Beschwerde darauf verwiesen, dass er mit dem Erbfall gemäß § 857 BGB automatisch in die Besitzstellung des Erblassers eingerückt sei. Als Erbenbesitzer genießt er Besitzschutz gegenüber Eingriffen in den Nachlass nach §§ 859, 861, 862, 867 BGB.

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Die Verfügungsbeklagte hat jedoch ihre Passivlegitimation in prozessual beachtlichter Weise bestritten und behauptet, dass sich weder ein vollständiges Herrengebiss in Zahngold in ihrem Besitz befinde noch eine Rosenthal Porzellan Obstschale, Durchmesser 40 cm. Die herausverlangte Sammelfigur Hutschenreuther „Skifahrerin bunt“ sei dem Erblasser vor ein paar Jahren zu Boden gestürzt und dabei zerbrochen.

27

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt, dass der Verfügungskläger dem diesbezüglichen Bestreiten der Verfügungsbeklagten nicht weiter entgegen getreten ist und den Besitz der Verfügungsbeklagten insbesondere nicht mit Mitteln der Glaubhaftmachung nachgewiesen hat. Soweit das Landgericht einen Herausgabeanspruch aus diesem Grunde verneint hat, hat der Verfügungskläger die zutreffenden Tatsachenfeststellungen des Landgerichts mit seiner Beschwerde auch nicht weiter angegriffen, sondern als gegeben hingenommen.

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bb) Der auf Durchsuchung der Wohnräume im R. Weg 163 in H. gerichtete Verfügungsantrag zu 2):

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(1) Dem Verlangen des Verfügungsklägers, im Rahmen der Zwangsvollstreckung die Durchsuchung der von dem Verfügungskläger genutzten Wohnräume im Hause der Verfügungsbeklagten zu gestatten, hat im anhängigen Verfügungsverfahren nicht entsprochen werden können. Denn für eine derartige auf § 758 a ZPO gestützte Anordnung ist das Amtsgericht der belegenen Sache, in dessen Bezirk die Durchsuchung erfolgen soll, als Vollstreckungsgericht vielmehr ausschließlich zuständig (§§ 758 a, 802 ZPO, OLG Koblenz MDR 2014, 493; OLG Frankfurt JurBüro 1995, 609).

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(2) Darüber hinaus hat dem Antrag auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung hier aber auch das Rechtsschutzinteresse gefehlt. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer solchen Anordnung liegt nur vor, wenn die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass der Schuldner die Durchsuchung seiner Räumlichkeiten nicht freiwillig gestatten werde (vgl. OLG Köln MDR 2000, 152; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., Rdn. 31 zu § 758 a ZPO). Ihm muss daher in jedem Fall zunächst Gelegenheit gegeben werden, die Durchsuchung seines Hauses durch den Gerichtsvollzieher freiwillig zu gestatten.

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(3) Eine Durchsuchungsanordnung setzt darüber hinaus einen vollstreckungsfähigen Titel voraus, aus dem die Vollstreckung betrieben wird. Ein solcher Herausgabetitel fehlt hier jedoch. Denn aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass der auf Herausgabe diverser Nachlassgegenstände gerichtete Verfügungsantrag zu 1) entweder zu unbestimmt gefasst und damit zum Teil unzulässig ist oder aber die anspruchsbegründenden Voraussetzungen eines possessorischen Besitzschutzanspruchs nach §§ 861, 857 BGB nicht glaubhaft gemacht sind.

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cc) Der auf Gewährung des Zugangs und Herausgabe der Hausschlüssel gerichtete Verfügungsantrag zu 3):

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Der auf Gewährung des Zuganges zum Wohnhaus und auf Herausgabe der Hausschlüssel gerichtete Verfügungsantrag zu 3) ist im Zeitpunkt der Erledigungserklärungen der Parteien gleichfalls nicht begründet gewesen, der Verfügungskläger wäre ohne die Hauptsacheerledigung auch mit diesem Antrag vielmehr voraussichtlich unterlegen gewesen.

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(1) Soweit der Verfügungskläger den Anspruch auf Besitzeinräumung an den Wohnräumlichkeiten auf possessorische Besitzschutzrechte aus §§ 861, 857 BGB stützt, sind eine nähere Darlegung eines Verfügungsgrundes aus §§ 935, 940 ZPO und eine Glaubhaftmachung der besonderen Dringlichkeit zwar entbehrlich gewesen, weil diese im Falle der verbotenen Eigenmacht nach § 858 BGB vermutet wird (s.o.).

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(2) Das Landgericht hat im Ergebnis jedoch zu Recht auch insoweit einen Verfügungsanspruch aus §§ 861, 857 BGB verneint.

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(a) Der Erblasser hatte zwar unstreitig neben der Verfügungsbeklagten an den Wohnräumlichkeiten des Hauses Mitbesitz im Sinne des § 866 BGB inne, den er während seines Krankenhausaufenthaltes auch nicht aufgegeben hatte. Richtig ist auch, dass der Verfügungskläger die Besitzposition des Erblassers mit dessen Tode kraft Gesetzes gemäß § 857 BGB erworben hat. Dabei geht die Besitzstellung losgelöst von der eigenen Willensrichtung des Erben so auf diesen über, wie sie der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes innehatte (vgl. Diep in jurisPK, BGB, 7. Aufl., Rdn. 1 zu § 857 BGB). Maßgebend ist insoweit allein die Tatsache des Besitzes, nicht das Recht zum Besitz. Auch wo dieses wie z.B. hier in Ansehung des Wohnrechts mit dem Erbfall erlischt, gilt § 857 BGB (vgl. Lorenz in Erman, BGB, 14. Aufl., Rdn. 1 zu § 857 BGB). Obgleich es sich bei dem erlangten Erbenbesitz um unmittelbaren Besitz ohne tatsächliche Sachherrschaft handelt, genießt der Erbe vollen Besitzschutz (s.o.)

37

Gegenüber der Verfügungsbeklagten als Mitbesitzerin der Räumlichkeiten kann sich der Verfügungskläger jedoch auf einen Besitzschutzanspruch aus § 861 BGB nach § 866 BGB nur berufen, soweit es um die Grenzen des dem einzelnen Mitbesitzer zustehenden Gebrauchs handelt. Diese Grenzen mögen zwar im Falle einer endgültigen Zugangsverweigerung und Besitzentziehung hier möglicherweise erreicht sein. Das Landgericht hat allerdings zutreffend darauf verwiesen, dass die Verfügungsbeklagte den Besitz weder dem Erblasser noch dem Verfügungskläger aufgrund verbotener Eigenmacht entzogen hat und deshalb gegenüber dem Verfügungskläger nicht fehlerhaft nach § 858 Abs. 2 BGB besitzt. Denn in der bloßen Fortdauer des Eigenbesitzes der Verfügungsbeklagten an der Wohnung kann als solches noch keine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB erblickt werden. Der in Hausgemeinschaft mit dem Erblasser lebende Mitbesitzer behält die tatsächliche Gewalt an den Räumlichkeiten ohne besondere Ergreifung des Besitzes, und zwar ohne dass er damit gegenüber den Erben verbotene Eigenmacht verübt (vgl. Lorenz in Erman, BGB, 14. Aufl., Rdn. 3 zu § 857 BGB).

38

Ungeachtet dessen dürfte die Verfügungsbeklagte dem Anspruch des Verfügungsklägers auf Einräumung des Mitbesitzes nach §§ 861, 857 BGB hier aber den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen halten können. Dies folgt hier aus den Besonderheiten des konkreten Falls. Zwar können gegenüber einem possessorischen Besitzschutzanspruch petitorische Einwendungen grundsätzlich nicht geltend gemacht werden (§ 863 BGB). Dies gilt insbesondere auch für den dolo-agit Einwand (vgl. OLG Saarbrücken OLGR Saarbrücken 2007, 105; Bassenge in Palandt, BGB, 73. Aufl., Rdn. 2 zu § 863 BGB).

39

Mit dem Rechtsmissbrauchseinwand kann sich die Verfügungsbeklagte aber gleichwohl zulässigerweise gegenüber dem possessorischen Besitzschutzrecht verteidigen, wenn die Einräumung des Mitbesitzes eine unzumutbare Härte darstellen würde, wovon hier auszugehen ist. Auch Besitzschutzansprüche unterliegen der immanenten rechtlichen Schranke des § 242 BGB (vgl. BGH NJW 1978, 2157; OLG Stuttgart NJW 2012, 625; Bassenge in Palandt, BGB, 73. Aufl., Rdn. 2 zu § 863 BGB). Der Besitzschutzprozess soll zwar grundsätzlich von petitorischen Einwendungen entlastet werden (§ 863 BGB), damit sich der Besitzer möglichst wirksam gegen verbotene Eigenmacht zur Wehr setzen kann. Zumindest aber beim ursprünglichen Mitbesitz, der im Innenverhältnis ohnehin nur geringeren Schutz genießt (§ 866 BGB), endet die Tragfähigkeit dieses Gedankens dort, wo die Wiederherstellung der ursprünglichen Besitzlage nicht zumutbar erscheint. Dies ist hier der Fall. Denn zu berücksichtigen ist, dass dem Erblasser der Mitbesitz an dem Anwesen allein aufgrund der persönlichen Beziehung der Parteien rein tatsächlich eingeräumt wurde, weil die Verfügungsbeklagte mit ihm dort in häuslicher Lebensgemeinschaft wohnte. Mit dem Erben verbindet die Verfügungsbeklagte indessen keinerlei persönliches Verhältnis, das einen Zugang zum häuslichen Lebensraum rechtfertigen könnte.

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(b) Einen Herausgabeanspruch hinsichtlich der Wohnräume kann der Verfügungskläger schließlich weder auf Eigentum nach § 985 BGB stützen, noch aus einem obligatorischen Besitzrecht herleiten.

41

Ein Vindikationsanspruch aus § 985 BGB scheitert schon daran, dass die Verfügungsbeklagte durch Vorlage eines Grundbuchauszuges glaubhaft gemacht hat, dass ihr und nicht dem Verfügungskläger das Alleineigentum an dem Hausgrundstück zusteht.

42

Aber auch auf das dinglich begründete Wohnrecht kann der Verfügungskläger einen petitorischen Herausgabeanspruch nicht stützen, da die zugunsten des Erblassers bewilligte beschränkt persönliche Dienstbarkeit nach § 1093 BGB mit dessen Tod erloschen ist. Ein etwaiges daneben obligatorisch begründendes Nutzungsverhältnis dürfte hier gleichfalls mit dem Tod des Erblassers beendet sein, da es ersichtlich auf die Dauer der Lebenspartnerschaft mit dem Erblasser angelegt war.

43

Die angestellten Erwägungen rechtfertiges es nach alledem aber - unter Berücksichtigung der allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der §§ 91, 93 ZPO - dem Verfügungskläger die Kosten des Rechtsstreites insgesamt aufzuerlegen.

44

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

45

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren bemisst sich nach dem Kosteninteresse des Verfügungsklägers (vgl. OLG Zweibrücken MDR 2007, 925).


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