Urteil vom Oberlandesgericht Braunschweig (2. Zivilsenat) - 2 U 54/15

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig, Az. 9 O 191/13 vom 29. April 2015 – 9 O 191/13 -, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Auf den Hilfsantrag der Klägerin wird die Beklagte zu 1. verurteilt, an die Klägerin aus abgetretenem Recht der M. S. GmbH 77.922,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden ferner verurteilt, der Klägerin unter Vorlage von Einkaufsbelegen Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie Arzneimittelpackungen in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebracht haben, die mit einer oder mehrerer der nachfolgenden Marken

SERONO   (Nr.3659125)

Abbildung(Nr.1679505)

MERCK SERONO   (Nr.918929)

Abbildung   (Nr.940857)

und zusätzlich mit einer oder mehrerer der nachfolgenden Marken

Abbildung(Nr. 2627172)

Abbildung(Nr. 5558572)

REBIF  (Nr.3002805)

gekennzeichnet sind,

sofern auf der Rückseite der jeweiligen Arzneimittelpackung im Bereich der „Blue Box“ ein Aufkleber mit einer der Pharmazentralnummern 08914604, 00101936, 05352755, 05352761, 06575871, 06575865 (Rebif) bzw. 03515584, 07652616, 07652622, 07652639 (Gonal-F) und Angaben zu gentechnologisch gewonnenen Bestandteilen des Arzneimittels aufgebracht war wie beispielhaft nachstehend wiedergegeben:

Abbildung

3. Im Übrigen, nämlich in Bezug auf die mit dem Hauptantrag geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche (einschließlich der hilfsweise aus abgetretenem Recht der A. T. S. A. geltend gemachten Ansprüche), wird die Klage abgewiesen.

4. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Ferner wird die weitergehende Anschlussberufung zurückgewiesen, also in Bezug auf die gegen den Beklagten zu 2 aus abgetretenem Recht der M. S. GmbH geltend gemachten Zahlungsansprüche sowie in Bezug auf den weitergehenden Zinsanspruch aus dem geltend gemachten Anspruch gegen die Beklagte zu 1.

5. Die Widerklagen werden als unzulässig abgewiesen.

6. Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Klägerin zu 41 %, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 31 % und die Beklagte zu 1. zu weiteren 28 %. Die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 31 % und die Beklagte zu 1. zu weiteren 28 %. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Beklagten zu 1. zu 14 % und die außergerichtlichen Kosten erster Instanz des Beklagten zu 2. zu 69 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Die Gerichtskosten zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 39 %, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 34 % und die Beklagte zu 1. zu weiteren 27 %. Die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 34 % und die Beklagte zu 1. zu weiteren 27 %. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Beklagten zu 1. zu 11% und die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz des Beklagten zu 2. zu 66 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

7. Dieses Urteil und das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Braunschweig - soweit aufrechterhalten - sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung hinsichtlich der Auskunft durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können beide Parteien die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung eines Betrages in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

8. In Bezug auf die Haftung der Beklagten zu 1. dem Grunde nach aufgrund von Ansprüchen der Klägerin aus abgetretenem Recht der M. S. GmbH wird die Revision zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz, Auskunft und Schadensersatzfeststellung wegen des Inverkehrbringens von Arzneimitteln in Deutschland unter Verwendung von Pharmazentralnummern, die der mit der Klägerin durch einen Gewinnabführungsvertrag verbundenen M. S. GmbH zuzuordnen sind.

2

Bei der Klägerin handelt es sich um ein großes Pharmaunternehmen, das unter anderem die Produkte Rebif und Gonal-F vertreibt. Dies geschieht in Deutschland über ihre Tochtergesellschaft M. S. GmbH. Diese Medikamente sind über die EMA (Europäische Arzneimittelagentur) zugelassen und können in allen europäischen Ländern vertrieben werden. Auf den Verpackungen der Arzneimittel sind eine Reihe von Kennzeichen aufgebracht. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Gemeinschaftsmarken:

3

SERONO

Abbildung

MERCK SERONO

Abbildung
Abbildung
Abbildung

REBIF 

4

Damit die Medikamente in Deutschland in den Handel gebracht werden können, ist eine Pharmazentralnummer (nachfolgend PZN genannt) erforderlich. Anhand dieser PZN identifizieren die Apothekenabrechnungsstellen den „Pharmazeutischen Unternehmer“. Die Apotheken sind verpflichtet, den Krankenkassen für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag zu gewähren. Dieser Rabatt ist von den Pharma-Unternehmen an die Apotheken zu erstatten. Der Rabatt wird dann über die Apothekenabrechnungsstellen gegenüber demjenigen Pharma-Unternehmen geltend gemacht, das entsprechend der PZN als Pharmazeutischer Unternehmer in Bezug auf dieses Medikament identifiziert wird.

5

Die Beklagte zu 1 ist ein österreichisches Pharmahandelsunternehmen, dessen Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist. Die streitgegenständlichen Arzneimittelpackungen der Medikamente Rebif und Gonal-F, die für den Vertrieb in Österreich gedacht waren, wurden an die Beklagte zu 1 bzw. mit dieser verbundene Unternehmen geliefert. Nach Lieferung von Deutschland nach Österreich wurden die Verpackungen der Medikamente bei der Beklagten zu 1 umetikettiert. In der sogenannten „Blue Box“ der nach Österreich gelieferten Verpackungen befanden sich ausschließlich Informationen für den österreichischen Markt. Die Umetikettierung der Medikamente erfolgte in der Weise, dass auf der Rückseite der Verpackung in der „Blue Box“ ein Aufkleber aufgebracht wurde, der die deutsche PZN der M. S. GmbH mit Strichcode sowie Angaben zu gentechnisch hergestellten Bestandteilen des Arzneimittels enthält.

6

Die Klägerin behauptet, aufgrund des Anbringens des Aufklebers mit der PZN und des anschließenden Vertriebs der Arzneimittel in den veränderten Verpackungen in Deutschland sei der Klägerin bzw. der M. S. GmbH ein Schaden entstanden, weil für diese über die Apotheken in den Handel gebrachten Packungen der M. S. GmbH der nach § 130a Abs. 1 SGB V vorgesehene Zwangsrabatt in Höhe von 16 % auf den Abgabepreis in Rechnung gestellt worden sei. Die Klägerin errechnet einschließlich zusätzlicher Rabatte aufgrund von Rabattverträgen einen Schaden in Höhe von insgesamt 123.473,27 €. Hiervon macht sie im Wege der Teilklage 63,109 %, mithin 77.922,77 € geltend.

7

Nachdem die Klägerin die betroffenen Markenrechte zunächst nicht in eine Reihenfolge gebracht hat, hat sie auf Hinweis des Senats im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 02.03.2018 ihre Schadensersatzansprüche unter Aufrechterhaltung des Antrags in der Berufungserwiderung hilfsweise in nachfolgender Reihenfolge geltend gemacht:

8

Hinsichtlich der 584 Packungen „Rebif“:

9

 1.    

 Abbildung

 2.    

 MERCK SERONO

 3.    

 Abbildung

 4.    

 REBIF

 5.    

 Merck

 6.    

Abbildung

10

Hinsichtlich des Arzneimittels „Gonal-f“:

11

 1.    

 Abbildung

 2.    

 SERONO

 3.    

Abbildung

12

Die Beklagte ist der Auffassung, der M. S. GmbH sei durch etwaige Zahlungen von „Herstellerabschlägen“ kein Schaden entstanden. Die M. S. GmbH sei die richtige Schuldnerin des Herstellerabschlags gemäß § 130a Abs. 1 SGB V gewesen. Gemäß § 130a Abs. 1 SGB V sei der pharmazeutische Unternehmer und damit gemäß der Legaldefinition in § 4 Abs. 18 AMG vor allem der Zulassungsinhaber zur Zahlung des „Herstellerabschlags“ verpflichtet. Die Zahlungspflicht des Zulassungsinhabers entspreche damit dem erklärten Willen des Gesetzgebers. Die M. S. GmbH sei - was unstreitig ist - die örtliche Repräsentantin der Zulassungsinhaberin M. S. Europe Limited und habe für diese die Pflicht zur Zahlung der „Herstellerabschläge“ übernommen.

13

Im übrigen bestreiten die Beklagten, dass die M. S. GmbH die jeweiligen „Herstellerabschläge“ gezahlt hat. Zudem sei ein möglicher Schaden der Klägerin schon durch die Zahlung der Pharmahändlerin H. P. GmbH im Zusammenhang mit einem Verfahren bei dem Landgericht Hamburg wegen des Vertriebs der streitgegenständlichen Arzneimittel teilweise kompensiert.

14

Mit Teil-Anerkenntnisurteil vom 03.03.2014 (Bl. 205 ff. d.A.) hat das Landgericht die Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 2.925,60 € sowie Auskunft darüber verurteilt, in welchem Umfang sie Arzneimittelpackungen in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebracht haben, die mit einer oder mehreren der oben genannten Marken versehen waren. Das Landgericht hat ferner in dem Teil-Anerkenntnisurteil festgestellt, dass die Beklagten den weiteren Schaden zu ersetzen haben, der der Klägerin durch das Inverkehrbringen dieser Arzneimittelpackungen entstanden ist oder noch entstehen wird.

15

Soweit die Klägerin ihren Auskunfts- bzw. Schadensersatzfeststellungsanspruch zunächst auch auf eine Verletzung der Wort- sowie der Wort- und Bildmarke „Merck“ gestützt hat, hat sie klargestellt, dass die Ansprüche nur auf Marken gestützt würden, mit denen die betreffenden Arzneimittelpackungen auch tatsächlich gekennzeichnet gewesen seien. Dies ist in Bezug auf die Wortmarke und Wort- und Bildmarke „Merck“ zwischenzeitlich unstreitig nicht der Fall.

16

Erstinstanzlich standen somit noch der Schadensersatzanspruch der Klägerin aufgrund der durch die M. S. GmbH gezahlten „Herstellerrabatte“ sowie der Auskunftsanspruch, soweit dieser auf die Vorlage von Einkaufsbelegen gerichtet war, im Streit.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erste Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 2 - 20 = Bl. 380 - 397 d.A.) Bezug genommen.

18

Das Landgericht hat der restlichen Klage weitestgehend stattgegeben und die Beklagten mit Urteil vom 29.04.2015 zur Zahlung von 77.922,75 € sowie zur Auskunft unter Vorlage von Einkaufsbelegen verurteilt.

19

Der Klageantrag sei ausreichend bestimmt. Es gehe um bestimmte Verpackungen, die mit mehreren Zeichen versehen seien. Es werde auch kein Unterlassungsanspruch geltend gemacht, der auf verschiedene Zeichen gestützt werde, sondern ein konkret berechneter Schaden. Dies sei kein Fall der unzulässigen alternativen Klagehäufung.

20

Die Beklagte zu 1 habe durch das Umetikettieren und Anbringen des Aufklebers, der die PZN und den Barcode des Originalherstellers und Angaben zu dem gentechnischen Erzeugnis enthielt, eine Markenverletzung begangen. Die hiermit verbundene Neuetikettierung sei als ein „Umverpacken“ zu bewerten. Das „Umverpacken“ sei auch nicht wegen Erschöpfung zulässig. Zumindest zwei der hierfür von dem Europäischen Gerichtshof aufgestellten Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Beklagte zu 1 habe nämlich nicht kenntlich gemacht, dass der Aufkleber auf der „Blue Box“ von ihr stamme. Sie habe die Markeninhaber bzw. Zulassungsinhaber auch nicht über die Umetikettierung informiert.

21

Der M. S. GmbH sei hierdurch der geltend gemachte Schaden in Form von abzuführenden Rabatten für die Medikamente entstanden. Die Beklagte könne sich insoweit auch nicht auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten berufen. Bei ordnungsgemäßer Kennzeichnung hätte nämlich der Beklagten zu 1 eine eigene PZN zugeordnet werden müssen. Diese wäre dann auch zur Zahlung des „Zwangsrabattes“ verpflichtet gewesen. Der Schaden sei auch vom „Schutzzweck der Marke“ umfasst. Hätten die Beklagten die Vorgaben des EuGH für ein markenrechtlich zulässiges Umverpacken eingehalten, hätten sie eine neue PZN auf dem neuen Aufkleber anbringen müssen.

22

Es handele sich bei dem für die Arzneimittel abzuführenden Rabatt auch um einen kausalen Schaden. Auf Grund der Beweisaufnahme und der vorgelegten Unterlagen sei nach der Überzeugung des Gerichts der Beweis geführt, dass der geltend gemachte Schaden in Form von in Rechnung gestellten Rabatten auch tatsächlich entstanden sei. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und die Aussagen der Zeugen unter Berücksichtigung der unstreitigen Gesamtumstände seien als ausreichende Schätzungsgrundlage anzusehen.

23

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der zu leistenden Schadensersatz wegen der in dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg, 327 O 688/12, geleisteten Schadensersatzzahlung (in Form von Verletzergewinn durch die H. P. GmbH) nicht zu mindern. Der Verletzte könne grundsätzlich von jedem Verletzer Schadensersatz fordern, da die Verletzer keine Gesamtschuldner seien. Jeder Verletzer verursache durch den Eingriff in das Schutzrecht einen eigenen Schaden.

24

Der Beklagte zu 2 hafte als Geschäftsführer und gesetzlicher Vertreter der Beklagten zu 1. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass dieser von der Umetikettierung und dem Verkauf der verpackten Arzneimittel nach Deutschland Kenntnis gehabt habe.

25

Die Klägerin habe ferner über den im Teil-Anerkenntnisurteil bereits tenorierten Anspruch hinaus einen weitergehenden Auskunftsanspruch gemäß § 125b Nr. 2 MarkenG i.V.m. § 242 BGB auf Vorlage der Einkaufsbelege. Für den Fall, dass die Klägerin ihre Schadensberechnung noch ändern wolle, sei die Vorlage von Einkaufsbelegen erforderlich. Eine Änderung der Schadensberechnung sei auch noch in zweiter Instanz zulässig.

26

Gegen dieses am 12.05.2015 zugestellte Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer am 05.06.2015 eingegangen Berufung, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit am 06.08.2015 eingegangen Schriftsatz wie folgt begründen:

27

Die Klage sei erstinstanzlich bereits unzulässig gewesen. Es habe eine unzulässige alternative Klagehäufung vorgelegen. Nach der Rechtsprechung des BGH bilde jedes Schutzrecht für sich einen eigenen Streitgegenstand. Die Klägerin habe sich erstinstanzlich nicht dazu geäußert, in welchem Verhältnis sie ihre Ansprüche aus den verschiedenen Marken geltend mache. Sie habe lediglich erklärt, dass eine Markenverletzung immer schon dann vorliege, wenn auf der Packung auch nur eines der genannten Kennzeichen abgebildet sei. Die Klägerin habe trotz Hinweises des Landgerichts ausdrücklich an dieser alternativen Klagehäufung festgehalten.

28

Die Klage sei darüber hinaus auch unschlüssig.

29

In Bezug auf die Wortmarke „REBIF“, die Wort-/Bildmarke „REBIF“, die Wort-/Bildmarke „Gonal-f“, die Wortmarke „Serono“ und die Wort-/Bildmarke „Serono“ scheide ein Anspruch aus eigenem Recht aus, da unstreitig nicht die Klägerin, sondern die A. T. S.A. Inhaberin dieser Marken gewesen sei. Ein Anspruch aus abgetretenem Recht aufgrund einer Vereinbarung mit der A. T. S.A. scheiterte daran, dass der A. T. S.A. kein Schaden entstanden sei. Diese habe weder selbst „Herstellerabschläge“ gezahlt, noch sei sie von etwaigen Zahlungen der M. S. GmbH betroffen gewesen.

30

Die Klägerin könne ihren Anspruch auch nicht auf eine Verletzung der Wortmarke „Merck Serono “ stützen. In Bezug auf das Arzneimittel GONAL-f folge dies bereits daraus, dass es nicht mit diesem Zeichen gekennzeichnet gewesen sei. In Bezug auf das Medikament „Rebif“ fehle es an der erforderlichen haftungsausfüllenden Kausalität. Etwaige Zahlungen von „Herstellerabschlägen“ durch die M. S. GmbH würden keinen Markenschaden der Klägerin darstellen. Nach der deutschen Regelung zur Entrichtung von „Herstellerabschlägen“ gemäß § 130a Abs. 1 SGB V sei der pharmazeutische Unternehmer zur Zahlung der Abschläge verpflichtet, mithin gemäß der Legaldefinition in § 4 Abs. 18 AMG der Inhaber der Zulassung. Dieser lasse sich in Deutschland von der M. S. GmbH vertreten. Die „Herstellerabschläge“ seien daher von der richtigen Schuldnerin bezahlt worden.

31

Dies gelte auch in Bezug auf etwaige Rabatte, die aufgrund von Rabattverträgen gemäß § 130a Abs. 8 SGB V gezahlt worden seien. Danach hätte die M. S. GmbH Rabatte für die „verordneten und abgegebenen Packungen“ zu leisten.

32

Die Zahlung von Herstellerabschlägen nach § 130a SGB V stelle auch keinen Markenschaden dar. Eine Marke diene nicht dazu, die Erfüllung sozialrechtlicher Pflichten zur Zahlung von „Herstellerabschlägen“ zu regeln. Weder die Zahlung von „Herstellerabschlägen“ noch die PZN hätten mit der Marke etwas zu tun. Hinzu komme, dass ein etwaiger Schaden der M. S. GmbH nicht einer etwaigen Markenverletzung gegenüber der Klägerin zuzurechnen sei. Es sei unstreitig, dass die „Herstellerabschläge“ nicht bei der Klägerin angefallen seien, sondern bei der M. S. GmbH. Dass sich etwaige Herstellerabschläge auf das Ergebnis der Klägerin auswirkten, sei allein auf den in eigener Verantwortung abgeschlossenen Gewinnsabführungsvertrag zurückzuführen, nicht jedoch auf die Stellung der Klägerin als Markeninhaberin.

33

Darüber hinaus sei auch nach der Beweisaufnahme der geltend gemachte Schaden der Klägerin weder hinreichend substantiiert dargelegt noch bewiesen. Auch im Rahmen der Beweisaufnahme sei nicht konkret dargelegt worden, auf der Grundlage welcher konkreten Daten die Klägerin unter anderem die Quoten für die gesetzlichen und privaten Krankenkassen bestimmt und den Umfang der Erstattung für GONAL-f ermittelt habe. Zudem sei auch die Zahlung der Abschläge offen geblieben sowie eine plausible Erklärung für die Diskrepanzen zwischen den Abrechnungsunterlagen der Klägerin und den Überweisungsnachweisen. Das gleiche gelte in Bezug auf die Höhe und den Umfang von Rabattforderungen aus Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V.

34

Das Landgericht habe auch zu Unrecht die Zahlungen der H. P. GmbH nicht in Abzug gebracht. Im Rahmen der von der Klägerin gewählten konkreten Schadensberechnung sei die tatsächliche Vermögenslage mit der hypothetischen Vermögenslage ohne Schadensereignis zu vergleichen. Im Rahmen der tatsächlichen Vermögenslage seien dabei gezahlte Schadensersatzansprüche Dritter zu berücksichtigen.

35

Die vorstehenden Erwägungen würden in gleicher Weise für die Wort-/Bildmarke „Merck Serono “ gelten.

36

Auch der noch verbliebene Auskunftsantrag sei aufgrund einer unzulässigen alternativen Klagehäufung unzulässig. Er sei zudem unbegründet, weil die Klägerin ausdrücklich keine Auskunft über die Herkunft der streitgegenständlichen Arzneimittel begehrt habe. Eine Vorlage von Belegen gemäß § 242 BGB sei daher nicht zur Kontrolle einer Auskunft erforderlich.

37

Die - geänderte - Widerklage sei schließlich zulässig und begründet. Die Klägerin mache in dem vorliegenden Verfahren nur einen Teil des behaupteten Schadensersatzanspruches geltend, während sie den übrigen Teil trotz der hier ursprünglich erhobenen negativen Feststellungswiderklage in einer neuen Leistungsklage anhängig gemacht habe. Die Beklagten hätten daher schon aus Gründen der Prozessökonomie ein Interesse daran, dass im Fall von Klageabweisungen die Feststellung des Nichtbestehens des jeweils zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses aus diesem Verfahren in Rechtskraft erwachse, damit sie sich im Parallelverfahren darauf berufen könnten.

38

Die Beklagten beantragen,

39

(1)

Das Urteil des Landgerichts Braunschweig, Az. 9 O 191/ 13 vom 29.04.2015 - 9 O 191/13 -, teilweise abzuändern und die Klage, soweit noch anhängig, vollumfänglich abzuweisen.

40

Nachdem die Beklagten zunächst widerklagend beantragt haben, festzustellen, dass sie nicht verpflichten sind, an die Klägerin (weitere) 45.550,52 Euro zu zahlen, beantragen sie nun in Abänderung dieser Widerklage vom 6. August 2015 gemäß § 533 ZPO, hilfsweise (d.h. unter der innerprozessualen Bedingung, dass eine Änderung der Widerklage als unzulässig erachtet wird) im Wege einer weiteren Widerklage

41
(2) festzustellen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. kein Rechtsverhältnis besteht, aus dem die Beklagte zu 1.

42
1. wegen einer Verletzung der Marke REBIF (GM 3002805),
43
2. wegen einer Verletzung der Marke  Abbildung (GM 5558572)
44
3. wegen einer Verletzung der Marke Abbildung (GM 2627172)
45
4. wegen einer Verletzung der Marke SERONO (GM 3659125)
46
5. wegen einer Verletzung der Marke Abbildung(GM 1679505)
47
6. wegen einer Verletzung der Marke MERCK (GM 283986)
48
7. wegen einer Verletzung der Marke Abbildung (GM 2372266)
49
8. wegen einer Verletzung der Marke MERCK SERONO  (GM 918929),

50

oder

51
9. wegen einer Verletzung der Marke Abbildung (GM 940857),

52

verpflichtet ist, an die Klägerin Schadensersatz für Zahlungen zu leisten, die die M. S. GmbH zur Erfüllung von Forderungen auf Zahlung von Herstellerabschlägen bzw. Rabatten gemäß § 130a SGB V und/oder § 1 AMRabG für Arzneimittel geleistet hat, die von den Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht wurden und die mit einer oder mehreren der nachfolgenden Marken

53

SERONO   (Nr.3659125)

Abbildung(Nr.1679505)

MERCK SERONO   (Nr.918929)

Abbildung   (Nr.940857)

54

und zusätzlich mit einer oder mehrerer der nachfolgenden Marken gekennzeichnet waren

55

Abbildung(Nr. 2627172)

Abbildung(Nr. 5558572)

REBIF  (Nr.3002805)

56

sofern auf der Rückseite der jeweiligen Arzneimittelpackung im Bereich der „Blue Box“ ein Aufkleber mit einer der Pharmazentralnummern 08914604, 00101936, 05352755, 05352761, 06575871, 06575865 (Rebif) bzw. 03515584, 07652616, 07652622, 07652639 (Gonal-F) und Angaben zu gentechnologisch gewonnenen Bestandteilen des Arzneimittels aufgebracht war wie beispielhaft nachstehend wiedergegeben:

Abbildung
Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

57
(3) festzustellen, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2. kein Rechtsverhältnis besteht, aus dem die Beklagte zu 2.

58
1. wegen einer Verletzung der Marke REBIF (GM 3002805),
59
2.  wegen einer Verletzung der Marke Abbildung (GM 5558572)
60
3. wegen einer Verletzung der Marke Abbildung (GM 2627172)
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4. wegen einer Verletzung der Marke SERONO (GM 3659125)
62
5. wegen einer Verletzung der Marke Abbildung(GM 1679505)
63
6. wegen einer Verletzung der Marke MERCK (GM 283986)
64
7. wegen einer Verletzung der Marke Abbildung (GM 2372266)
65
8. wegen einer Verletzung der Marke MERCK SERONO  (GM 918929),

66

oder

67
9. wegen einer Verletzung der Marke Abbildung (GM 940857),

68

verpflichtet ist, an die Klägerin Schadensersatz für Zahlungen zu leisten, die die M. S. GmbH zur Erfüllung von Forderungen auf Zahlung von Herstellerabschlägen bzw. Rabatten gemäß § 130a SGB V und/oder § 1 AMRabG für Arzneimittel geleistet hat, die von den Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht wurden und die mit einer oder mehreren der nachfolgenden Marken

69

SERONO   (Nr.3659125)

Abbildung(Nr.1679505)

MERCK SERONO   (Nr.918929)

Abbildung   (Nr.940857)

70

und zusätzlich mit einer oder mehrerer der nachfolgend Marken gekennzeichnet waren

71

Abbildung(Nr. 2627172)

Abbildung(Nr. 5558572)

REBIF  (Nr.3002805)

72

sofern auf der Rückseite der jeweiligen Arzneimittelpackung im Bereich der „Blue Box“ ein Aufkleber mit einer der Pharmazentralnummern 08914604, 00101936, 05352755, 05352761, 06575871, 06575865 (Rebif) bzw. 03515584, 07652616, 07652622, 07652639 (Gonal-F) und Angaben zu gentechnologisch gewonnenen Bestandteilen des Arzneimittels aufgebracht war wie beispielhaft nachstehend wiedergegeben:

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Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen

73

Die Klägerin beantragt,

74

die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.

75

Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig.

76

Soweit sich die Beklagte mit der Berufung gegen die Feststellung einer Markenverletzung wendeten oder meinen würden, dass die M. S. GmbH den Rabatt ohnehin hätte abführen müssen und der Anspruch dem Grunde nach nicht bestehe, sei eine Prüfung durch das Berufungsgericht ausgeschlossen. Einer solchen Überprüfung stehe die Rechtskraft des Teil-Anerkenntnis-Urteils vom 3.3.2014 entgegen, in dessen Ziffer 3 festgestellt sei, dass die Beklagten den aus den näher bezeichneten markenverletzenden Handlungen resultierenden Schaden zu ersetzen hätten. Mit der gesamten Argumentation zum Vorliegen der Markenverletzung und eines „Markenschadens“, zur Frage, wer die Rabatte nach  § 130a SGB V zu tragen habe und ob die Schäden vom „Schutzzweck der Marke“ umfasst seien, würden sich die Beklagten gegen ihre Schadenersatzverpflichtungen dem Grunde nach wenden. Dies sei jedoch aufgrund des Anerkenntnisses ausgeschlossen.

77

Der Klageantrag sei auch hinreichend bestimmt. Die Klägerin mache einen einheitlichen Schadensersatzanspruch wegen der von den Beklagten vorgenommenen Umetikettierungen von Verpackungen der Arzneimittel „Rebif“ und „Gonal-F“ geltend. Das Umetikettieren habe, da auf den unterschiedlichen Verpackungen jeweils mehrere Kennzeichen der Klägerin oder ihrer Konzerngesellschaften aufgebracht seien, mehrere Kennzeichen verletzt. Es sei hierfür unerheblich, in welcher Reihenfolge die unterschiedlichen Kennzeichen zueinander stünden. Lediglich hilfsweise würden die verletzten Kennzeichen in der Berufungsinstanz deshalb in eine Reihenfolge gebracht.

78

Der Klägerin stehe der Schadensersatzanspruch auch dem Grunde nach zu. Für die Zuweisung des Schadens sei zunächst entscheidend, dass die M. S. GmbH die Beträge abgeführt habe. Da mit der Klägerin ein Gewinnsabführungsvertrag bestehe, habe der bei der M. S. GmbH eingetretene Verlust unmittelbar zu einem Vermögensnachteil bei der Klägerin geführt. Darin liege ein ersatzfähiger Schaden. Sollte man die zu Unrecht abgeführten Rabattbeträge als Schaden des Lizenznehmers M. S. GmbH bewerten, müsse die Klägerin diesen Schaden geltend machen, weil der Lizenznehmer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keinen eigenen Schadensersatzanspruch geltend machen könne. Entsprechendes gelte für Rabattbeträge, die für die Arzneimittel „Gonal-F“ abgeführt worden seien. Hier habe die M. S. GmbH einen Schaden als Lizenznehmer der A. T. S.A. erlitten, den sie wiederum nicht selbst geltend machen könne. Hilfsweise stützt die Klägerin ihre Ansprüche in Bezug auf das Arzneimittel „Gonal-F“ auf abgetretenes Recht der A. T. S.A., die ihrerseits einen Schaden ihres Lizenznehmers M. S. GmbH liquidiere.

79

Höchst hilfsweise macht die Klägerin den Schaden wegen sämtlicher Umetikettierungen, also hinsichtlich der Packungen „Rebif“ und „Gonal-F“, aus abgetretenem Recht der M. S. GmbH geltend. Dieser Gesellschaft stünden Zahlungsansprüche in der geltend gemachten Höhe auch auf der Grundlage von §§ 687 Abs. 2, 678 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und gemäß § 826 BGB zu.

80

Es liege auch ein „Markenschaden“ vor. Hätten die Beklagten die aus der gefestigten kennzeichenrechtlichen Rechtsprechung folgenden Verpflichtungen erfüllt, wäre der geltend gemachte Schaden nicht eingetreten. Die Klägerin hätte nämlich, sofern die Beklagten einen Parallelhandel unter Verwendung der PZN der M. S. GmbH angezeigt hätten, diesen sofort im Wege der einstweiligen Verfügung unterbunden.

81

Die M. S. GmbH sei auch nicht zur Abführung der Rabatte verpflichtet gewesen. Der Zwangsrabatt gemäß § 130a Abs. S. 5 SGB V sei allein für solche Fertigarzneimittel zu entrichten, deren „Apothekenabgabepreis aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG“ gebildet oder die im Rahmen der ambulanten Versorgung durch Hausapotheken abgegeben würden. Hieraus folge, dass weder die M. S. GmbH noch eine andere Konzerngesellschaft der Klägerin zur Abführung von Zwangsrabatten nach § 130a Abs. 1 SGB V für solche Produkte verpflichtet sei, die sie im Ausland erstmals in den Verkehr bringe.

82

Der Anspruch ergebe sich auch unter dem Gesichtpunkt einer angemaßten Eigengeschäftsführung aus §§ 687 Abs. 2, 678 BGB. Indem die Beklagte zu 1 eine der M. S. GmbH zugeordnete PZN auf die nicht für den deutschen Markt bestimmten Packungen der Arzneimittel aufgebracht und die so umetikettierten Arzneimittel anschließend in den Verkehr gebracht habe, habe sie ein Geschäft des Vertriebsunternehmens als eigenes behandelt, obwohl sie gewusst habe, dass sie hierzu nicht berechtigt gewesen sei. Indem die Beklagte zu 1 eine der M. S. GmbH zugewiesene PZN für ihren rechtswidrigen Parallelhandel verwendet habe, habe sie in den durch die eindeutige Zuordnung der PZN zu einem bestimmten pharmazeutischen Unternehmer vermittelten Zuweisungsgehalt dieses Unterscheidungszeichens eingegriffen.

83

Daneben bestehe der Anspruch auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB, für den auch die Beklagte zu 1 gemäß § 31 BGB hafte. Der Beklagte zu 2 habe sich durch das Aufbringen der neuen Etiketten, die Einfuhr der umetikettierten Arzneimittel in die Bundesrepublik Deutschland und die Abgabe an Großhandel und Apotheken jedenfalls eines Betrugs in mittelbarer Täterschaft zulasten des Vertriebsunternehmens der Klägerin strafbar gemacht. Es stehe fest, dass der Beklagte zu 2 das gesamte Tatgeschehen vom Bezug der Arzneimittel über das Aufbringen der neuen Etiketten in Österreich und die Einfuhr in die Bundesrepublik Deutschland bis zur Abgabe an Großhandel und Apotheken als Zentralgestalt organisiert, institutionalisiert und kontrolliert habe.

84

Schließlich stehe der Klägerin der Anspruch auch gemäß § 826 BGB zu. Die Beklagten hätten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise der Klägerin bzw. ihrem Vertriebsunternehmen vorsätzlich Schaden zugefügt, wobei der Beklagten zu 1 das Handeln ihres Organs wiederum gemäß § 31 BGB zugerechnet werde.

85

Die Klägerin ist der Auffassung, die Angriffe der Berufung gegen die Beweiswürdigung würden nicht durchgreifen. Vorsorglich überreicht die Klägerin die Schreiben zahlreicher Apothekenabrechnungszentren, wonach im relevanten Tatzeitraum die Herstellerrabattforderungen vollständig erfüllt worden seien.

86

Die Klägerin erklärt keine Zustimmung in Bezug auf die Erhebung, die spätere Änderung und die (hilfsweise) Erhebung einer weiteren Widerklage.

87

Die Beklagten sind der Auffassung, dass sie aufgrund des Teil-Anerkenntnisurteils vom 3.3.2014 nicht gehindert seien, die oben genannten Einwendungen zu erheben. Die Feststellung der Ersatzpflicht beziehe sich nur auf den Schaden, der der Klägerin selbst entstanden sei, und nicht auf solche Schäden, die Lizenznehmern oder sonstigen Dritten entstanden seien. Von dem Feststellungsurteil sei zudem nicht die Frage umfasst, ob es sich bei dem geltend gemachten Anspruch auf Ersatz von gesetzlichen oder vertraglichen Herstellerabschlägen, welche die M. S. GmbH gezahlt haben solle, um einen Schaden handele, der unter diese Schadensersatzpflicht falle. Dies sei im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zu ermitteln.

88

Der primär geltend gemachte Klageantrag sei auch nicht hinreichend bestimmt. Es sei entgegen der Ansicht der Klägerin nicht unerheblich, auf welches Kennzeichnen der Anspruch gestützt sei. Gerade auch im vorliegenden Fall hätten die Klagemarken verschiedene Inhaber und verschiedene Begleitumstände. So komme es bei den Klagemarken der A. T. S. A. unter anderem darauf an, in welchem Verhältnis dieses Unternehmen zur M. S. GmbH stehe und ob Ansprüche wirksam an die Klägerin abgetreten worden seien. Soweit die Klägerin nunmehr den geltend gemachten Zahlungsanspruch hinsichtlich der 584 Packungen Rebif vorrangig auf die „Wort-/Bildmarke“ MERCK SERONO  und den Zahlungsanspruch hinsichtlich des Arzneimittels GONAL-F auf die Wort-/Bildmarke Serono stütze, bestreiten sie vorsorglich, dass tatsächlich auf sämtlichen streitgegenständlichen Rebif- und Gonal-F-Packungen genau diese Wort-/Bildmarke angebracht gewesen sei.

89

Die Beklagten bestreiten weiter, dass die Klägerin sowie die A. T. S. A. der M. S. GmbH für die Zwecke des Produktvertriebes Lizenzen an den Klagemarken eingeräumt hätten. Sie rügen insoweit zudem Verspätung.

90

Darüber hinaus sei weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die M. S. GmbH die streitgegenständlichen Arzneimittel in der Bundesrepublik Deutschland eigenhändig in den Verkehr gebracht habe. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, läge darin kein erstmaliges Inverkehrbringen. Die Arzneimittel seien von der I. P. Se. S.p.A. mit Sitz in R. hergestellt worden, sodass diese an die M. S. GmbH hätten geliefert werden müssen. Bereits dies habe aber ein erstmaliges Inverkehrbringen in der EU begründet.

91

Die Klägerin könne auch etwaige Abschlagszahlungen der M. S. GmbH nicht im Wege der Drittschadensliquidation als eigenen Schaden geltend machen. Ein Lizenzverhältnis zwischen der Klägerin und der M. S. GmbH sei streitig und der diesbezügliche Vortrag der Klägerin wegen Verspätung unbeachtlich. Es liege auch kein Fall einer zufälligen Schadensverlagerung vor, da die Klägerin weder als Markeninhaberin noch aus anderem Grund verpflichtet gewesen sei, gesetzliche oder vertragliche „Herstellerabschläge“ aufgrund eines Rabattvertrages zwischen der M. S. GmbH und einer gesetzlichen Krankenkasse zu zahlen.

92

Entsprechendes gelte für die Ausführungen der Klägerin zu einem eigenen Schaden aufgrund eines Gewinnsabführungsvertrages. Auch diese Konstellation sei dadurch gekennzeichnet, dass der Schaden nicht bei dem Schutzrechtsinhaber anfalle, weil dieser das Schutzrecht nicht selbst verwerte, sondern durch einen Lizenznehmer verwerten lasse. Maßgeblich sei auch in solchen Fällen, dass der Schaden ohne Lizenzkonstellation typischerweise beim Markeninhaber angefallen wäre. Auch insoweit müsse es sich um einen markentypischen Schaden handeln.

93

An dem Fehlen eines Markenschadens ändere auch der Vortrag der Klägerin nichts, dass im Fall einer Vorabinformation die Klägerin den Parallelhandel sofort im Wege der einstweiligen Verfügung unterbunden hätte. Dies würde voraussetzen, dass der Klägerin unabhängig von einer Vorabinformation und einem Umpackhinweis ein Unterlassungsanspruch gegen die Verwendung der PZN der M. S. GmbH zugestanden hätte. Dies sei nicht der Fall.

94

Der Klägerin stünden auch keine Ansprüche aus abgetretenem Recht zu. In Bezug auf sämtliche nicht markenrechtliche Ansprüche erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.

95

Es liege auch keine unberechtigte Geschäftsanmaßung vor. Das Anbringen derjenigen Angaben, die zur Herstellung der Vertriebsfähigkeit in der Bundesrepublik Deutschland erforderlich seien, sei von der Rechtsprechung des EuGH zum Parallelimport gedeckt. Insoweit gehe der Eingriff in die Markenware nicht über das hinaus, was sonst beim Parallelimport passiere.

96

Es würde auch gegen die Grundsätze des freien Warenverkehrs verstoßen, wenn der Zulassungs- oder Markeninhaber Unterlassungsansprüche gegen einen Parallelimporteur geltend machen könne, nur weil der Parallelimporteur die Angaben auf dem parallel importierten Arzneimittel anbringe, die der Zulassungsinhaber eigentlich von Beginn an selbst hätte anbringen müssen. Insoweit regen die Beklagten die Vorlage der Frage an den EuGH an.

97

Der Klägerin stehe schließlich kein Anspruch gegen den Beklagten zu 2 aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB zu. Auch insoweit erhebt er die Einrede der Verjährung. Es liege auch kein Betrug vor. Die PZN sei richtig angegeben, da sie den pharmazeutischen Unternehmer bzw. dessen örtlichen Vertreter bezeichnet habe. Es fehle zudem an einer Stoffgleichheit, die Voraussetzung für einen Betrugstatbestand wäre. Schließlich hätten die Beklagten auch nicht in einer gegen die guten Sitte verstoßenden Weise der Klägerin bzw. der M. S. GmbH vorsätzlich einen Schaden zugefügt.

98

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin R.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2018 (Bl. 613 - 619 d.A.) Bezug genommen.

II.

1.

99

Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 511 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 1, 517, 519 f. ZPO) ist im Hinblick auf die mit dem Hauptantrag  geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche begründet. Der von der Klägerin verfolgte Schadensersatzanspruch ergibt sich jedoch gegen die Beklagte zu 1. aus den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Ansprüchen aus abgetretenem Recht der M. S. GmbH. Insoweit ist die zulässige Anschlussberufung der Klägerin (§ 524 Abs. 2 ZPO) begründet.

a)

100

In Bezug auf den primär geltend gemachten Hauptantrag sowie den im ersten Eventualverhältnis geltend gemachten Hilfsantrag ist die Klage unzulässig.

101

Die Klägerin hat den Zahlungsantrag ausdrücklich vorrangig auf eine Verletzung der oben genannten Marken gestützt, ohne diese in eine Reihenfolge zu bringen. Hilfsweise hat die Klägerin sich hinsichtlich des Arzneimittels „Rebif“ vorrangig auf die Gemeinschafts-Wort/Bildmarke

Abbildung

102

vom 01.06.2007 (Nr. 940857)

103

und hinsichtlich des Arzneimittels „Gonal-F“ vorrangig auf die Gemeinschafts-Wort/Bildmarke

Abbildung

104

vom 29.05.2000 (Nr. 1679505) gestützt.

105

Lediglich im Wege eines weiteren Eventualverhältnisses hat die Klägerin „hilfsweise“ sämtliche Schutzrechte in eine Reihenfolge gebracht.

106

Bei dem vorrangig gestellten Hauptantrag handelt es sich um eine unzulässige alternative Klagehäufung. Eine solche verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

107

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet jedes Schutzrecht für sich einen eigenen Streitgegenstand. Die Klägerin hat in ihrem vorrangig gestellten Antrag nicht klargestellt, in welchem Verhältnis sie ihre Ansprüche aus den verschiedenen Marken geltend macht. Sie hat auf diese Weise dem Gericht die Auswahl überlassen, auf welches Schutzrecht dieses seine Entscheidung stützt. Dies stellt eine unzulässige alternative Klagehäufung dar. Gleiches gilt für den hilfsweise gestellten Antrag, der zwar vorrangig ein Schutzrecht benennt, im Übrigen aber die Auswahl dem Gericht überlässt.

108

Der Streitgegenstand wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - I ZR 195/06, BGHZ 180, 77 Rn. 18 - UHU; Urteil vom 19. April 2012 - I ZR 86/10, GRUR 2012, 1145 Rn. 17 = WRP 2012, 1392 - Pelikan). Der Klagegrund umfasst alle Tatsachen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Klageantrag zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47, 51; Urteil vom 26. April 2012 - VII ZR 25/11, NJW-RR 2012, 849 Rn. 15). Bei einem einheitlichen Klagebegehren liegen allerdings verschiedene Streitgegenstände vor, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1993 - III ZR 59/92, NJW 1993, 2173; Beschluss vom 16. September 2008 - IX ZR 172/07, NJW 2008, 3570 Rn. 9). Das ist etwa der Fall, wenn der Kläger sein Klagebegehren auf ein Schutzrecht und auf ein wettbewerbswidriges Verhalten des Beklagten stützt oder seinen Anspruch aus mehreren Schutzrechten herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 - I ZR 75/10, GRUR 2012, 621 Rn. 31 = WRP 2012, 716 - OSCAR; Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 137/10, GRUR 2012, 630 Rn. 14 = WRP 2012, 824 - CONVERSE II). Dann liegen auch bei einem einheitlichen Klagebegehren mehrere Streitgegenstände vor (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - I ZR 60/11 -, Rn. 13, juris). In einem solchen Fall muss der Kläger, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, die Reihenfolge bezeichnen, in der er die Streitgegenstände geltend machen will (BGH, Beschluss vom 24.03.2011 - I ZR 108/09 , BGHZ 189, 56).

109

So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat erstinstanzlich in ihrem Schriftsatz vom 04.12.2013 (S. 8 ff., Bl. 156 ff. d.A.) zwar klargestellt, dass sich die geltend gemachten Verletzungen der Wortbildmarke „Rebif“, der Wortmarke „Rebif“, der Wortbildmarke „Merck Serono “ und der Wortmarke „Merck Serono “ auf die Packung des Arzneimittels Rebif beziehen und die geltend gemachten Verletzungen der Wortbildmarke „Serono“, der Wortmarke „Serono“ sowie der Wortbildmarke „Gonal-f“ auf das Arzneimittel Gonal-f. Sie hat jedoch nicht klargestellt, in welchem Verhältnis sie ihre Ansprüche aus diesen Schutzrechten untereinander geltend macht. Dies war auch nicht entbehrlich. Insbesondere genügte insoweit nicht der Hinweis, dass eine anspruchsbegründende Markenverletzung immer schon dann vorliege, wenn auf der Packung auch nur eines der genannten Kennzeichen abgebildet sei. Dies ergibt sich bereits daraus, dass im vorliegenden Fall die Klagemarken unterschiedliche Inhaber haben und so die Prüfung etwaiger Ersatzansprüche in Bezug auf die einzelnen Marken zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können.

110

Diese Erwägungen gelten auch für den mit der Berufungsbegründung vom 25.10.2015 hilfsweise geltend gemachten Antrag, mit dem die Ansprüche vorsorglich in Bezug auf das Arzneimittel „Rebif“ auf die Verletzung der Wort/Bildmarke „Merck Serono “ und in Bezug auf das Arzneimittel „Gonal-f“ auf die Verletzung der Wort/Bildmarke „Serono“ gestützt werden. Auch hierdurch hat die Klägerin - da die Reihenfolge in Bezug auf die übrigen Schutzrechte dem Gericht überlassen bleibt - die Anforderungen an ein zulässiges Eventualverhältnis der prozessualen Ansprüche nicht erfüllt. Der vorrangig geltend gemachte Hauptantrag und der im ersten Eventualverhältnis geltend gemachte Hilfsantrag sind danach unzulässig.

b)

111

Mit Schriftsatz vom 02.03.2018 hat die Klägerin in einem weiteren Eventualverhältnis die Reihenfolge für sämtliche geltend gemachten Schutzrechte bestimmt.

112

Diese Bestimmung konnte auch noch im Berufungsverfahren erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.03.2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56). Soweit die Beklagten im Rahmen der Berufungsreplik bestreiten, dass die Wort/Bildmarke „Merck Serono “ und die Wort/Bildmarke „Serono“ auf sämtlichen betroffenen Packungen vorhanden waren, stellt dies keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der geltend gemachten Ansprüche dar. Unabhängig hiervon ist dieses Bestreiten aber auch gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich. Dem entsprechenden Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 04.12.2013 (S. 8 - 10, Bl. 156 - 158 d.A.) sind die Beklagten erstinstanzlich nicht entgegengetreten.

c)

113

Die Klägerin hat keinen Anspruch aus Art. 102 GMV i.V.m. § 125 b Nr. 2 MarkenG und § 14 Abs. 6 MarkenG gegen die Beklagten.

aa)

114

Zwar sind die Aktivlegitimation der Klägerin für die geltend gemachten Ansprüche und das Vorliegen einer Markenverletzung durch die Beklagten rechtskräftig festgestellt.

115

Mit Teil-Anerkenntnisurteil vom 03.03.2014 hat das Landgericht Braunschweig festgestellt, dass die Beklagten den weiteren Schaden zu ersetzen haben, der der Klägerin durch die in Ziffer 2.) des Urteils bezeichneten Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird. Ziffer 2.) des Urteils betrifft das Inverkehrbringen von Arzneimittelpackungen in der Bundesrepublik Deutschland, die mit einer der nachfolgenden Marken

116

SERONO

Abbildung

MERCK SERONO

Abbildung

und zusätzlich mit einer oder mehrerer der nachfolgenden Marken

Abbildung
Abbildung

REBIF 

117

gekennzeichnet sind, sofern auf der Rückseite der jeweiligen Arzneimittelpackung im Bereich der „Blue Box“ ein Aufkleber mit bestimmten, den Unternehmen der Klägerin zuzuordnenden PZN und Angaben zu gentechnologisch gewonnenen Bestandteilen des Arzneimittels aufgebracht waren.

118

Wird einer positiven Feststellungsklage stattgegeben, ist das Bestehen des Rechts oder Rechtsverhältnisses rechtskräftig festgestellt (BGH, Urteil vom 23.01.1979 - VI ZR 199/77, juris-Rn. 13). Dies gilt auch dann, wenn das Gericht nicht alle einschlägigen Aspekte gesehen und zutreffend gewürdigt hat (BGH, a.a.O.). Einwendungen, die sich auf Tatsachen stützen, die schon zur Zeit der letzten Tatsachenverhandlung vorgelegen haben, können nicht mehr berücksichtigt werden, soweit sie das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen (BGH, Urteil vom 15.06.1982 - VI ZR 179/80).

119

Nach diesen Maßgaben sind die Beklagten mit den von ihnen erhobenen Einwendungen gegen den Anspruchsgrund ausgeschlossen. Durch das Teil-Anerkenntnisurteil ist rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin den durch das Inverkehrbringen von Arzneimittelpackungen mit den im einzelnen genannten Marken entstandenen Schaden zu ersetzen haben. Damit ist sowohl rechtskräftig festgestellt, dass die Klägerin für die Geltendmachung von ihr durch diese Handlungen entstandene Schäden aktivlegitimiert ist, als auch, dass die genannten Handlungen rechtswidrige Verletzungshandlungen darstellten.
Letzteres nehmen die Beklagten auch nicht in Abrede. Die Angriffe in der Berufungsbegründung beziehen sich vielmehr auf das Vorliegen eines kausalen, insbesondere vom Schutzzweck der Norm umfassten Schadens.

120

Mit den in der Berufungsbegründung gegen die Aktivlegitimation der Klägerin vorgebrachten Argumenten sind die Beklagten hingegen nach den oben dargestellten Grundsätzen ausgeschlossen. Dies gilt auch, soweit die Klägerin Ansprüche auf die Verletzung von Schutzrechten stützt, deren Inhaber die A. T. S.A. ist. Die Rechtskraft des Teilanerkenntnisurteils bezieht sich auch auf die Aktivlegitimation für die Geltendmachung von Schäden aufgrund der Verletzung dieser Schutzrechte. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von den Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.10.2007 - I ZR 24/05. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung entschieden, dass der Schadensersatzanspruch der Markeninhaberin als Lizenzgeberin von dem dortigen Klageantrag nicht umfasst sei, weil sich dieser nur auf die Feststellung des der Klägerin und nicht ihrer Lizenzgeberin entstandenen Schadens beziehe. Hiermit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Der Feststellungstenor in Ziffer 3 des Teilanerkenntnisurteils vom 03.03.2014 nimmt ausdrücklich auf die konkreten in Ziffer 2 des Urteils bezeichneten Handlungen Bezug. Danach besteht die Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin für das Inverkehrbringen in der p Deutschland in Bezug auf sämtliche Arzneimittelpackungen, die mit einer oder mehrerer der dort genannten Marken gekennzeichnet sind. Hieraus folgt die Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin in Bezug auf jedes der in Ziffer 2 des Tenors genannten Schutzrechte.

bb)

121

Der geltend gemachte Schaden ist jedoch von dem Schutzzweck des § 14 Abs. 6 MarkenG in Verbindung mit § 125b Nr. 2 MarkenG und Art. 9 Abs. 1a GMV nicht umfasst. In Bezug auf diese Frage wirkt sich die Rechtskraft des Teil-Anerkenntnisurteils nicht aus.

122

Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt; es muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist (BGH, Urteil vom 26.02.2013 - VI ZR 116/12, juris-Rn. 12). Der Nachteil muss zu der von dem Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang stehen; eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht (BGH, a.a.O.).

123

Nach diesen Maßgaben stellen die zu zahlenden „Herstellerrabatte“ keinen Nachteil dar, der aus dem Bereich der Gefahren stammt, zu deren Abwendung die markenschützenden Vorschriften des MarkenG bzw. der GMV erlassen wurden.

124

Hierfür spricht bereits, dass der Markeninhaber und der Schuldner des „Herstellerrabattes“ nicht identisch sein müssen und dies regelmäßig auch nicht sein werden.

125

Der „Herstellerrabatt“ ist gemäß § 130a Abs. 1 S. 1 SGB V von dem pharmazeutischen Unternehmer zu entrichten. Der pharmazeutische Unternehmer ist gemäß der Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 18 AMG bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln der Inhaber der Zulassung oder Registrierung und derjenige, der Arzneimittel unter seinem Namen in Verkehr bringt. Der Pharmazeutischer Unternehmer kann danach der Markeninhaber sein, muss dies aber nicht. Bereits dies spricht dagegen, dass der Markenschutz auch dem Schutz des pharmazeutischen Unternehmers vor der Inanspruchnahme wegen „Herstellerrabatten“ nach dem Sozialgesetzbuch dienen soll.

126

Dies zeigt sich gerade auch im vorliegenden Fall. Die Inhaberinnen der streitgegenständlichen Marken sind die A. T. S.A. und die Klägerin. Der „Herstellerrabatt“ wurde hingegen der M. S. GmbH als pharmazeutischer Unternehmerin in Rechnung gestellt. Lediglich aufgrund des hier vorliegenden Gewinnabführungsvertrags hat sich der Schaden bei der Klägerin realisiert.

127

Dass der eingetretene Nachteil nicht in einem inneren Zusammenhang mit der Markenverletzung steht, zeigt sich auch darin, dass eine identische Markenverletzung vorgelegen hätte, wenn die Beklagten anstelle der PZN des klägerischen Unternehmens eine eigene PZN verwendet hätten. Die Beklagten hätten die Anforderungen des EuGH an die Erschöpfung des Markenrechts in diesem Fall in identischer Weise nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 7 II MarkenRichtl/§ 24 Abs. 2 MarkenG nicht anzuwenden, d.h. der Erschöpfungseinwand greift durch, wenn folgende fünf Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. EuGH GRUR Int. 1996, 1144 Tz. 79-Bristol-Myers Squibb; BGH , Urteil vom 24.4.2008, I ZR 30/05,Lefax/Lefaxin, abgedr. in BeckRS 2008, 21533):

128

(1)
Es ist erwiesen, dass die Geltendmachung der Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der mit einem neuen Aufkleber versehenen Ware unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedsstaaten beitragen würde.

129

(2)
Es ist dargetan, dass die Neuetikettierung den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann.

130

(3)
Auf der Verpackung ist klar angegeben, von wem der neue Aufkleber der Ware angebracht worden ist und wer deren Hersteller ist.

131

(4)
Das mit diesem neuen Aufkleber versehene Erzeugnis ist nicht so aufgemacht, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann; das Etikett darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein.

132

(5)
Der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen des mit einem neuen Aufkleber versehenen Erzeugnisses und liefert ihm auf Verlangen ein Muster dieser Ware.

133

Die Beklagten haben im vorliegenden Fall die Voraussetzungen zu Ziffer 3. und 5. nicht erfüllt. Dies wäre in gleicher Weise der Fall gewesen, wenn die Beklagten eine eigene PZN verwendet hätten. Trotz der identischen Markenverletzung wäre der Klägerin in diesem Fall kein Nachteil entstanden.

134

Umgekehrt hätte auch ein markenrechtlich nicht zu beanstandendes Verhalten der Beklagten zu einer Abrechnung der „Herstellerrabatte“ bei der M. S. GmbH geführt. Hätten nämlich die Beklagten zwar die der M. S. GmbH zuzuordnenden PZN verwendet, im übrigen aber sämtliche oben genannten Voraussetzungen für die Erschöpfung des Markenrechts beachtet, wäre das Verhalten der Beklagten markenrechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl wären die „Herstellerrabatte“ durch die Zuordnung der PZN zu der M. S. GmbH gegenüber dieser abgerechnet worden. Hiervon ist die Frage zu trennen, ob die Beklagten zur Verwendung der der M. S. GmbH zuzuordnenden PZN berechtigt waren. Allein hierauf bezieht sich letztlich der Vorwurf der Klägerin. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine markenrechtliche Fragestellung.

135

Eine andere Bewertung folgt auch nicht aus dem Gesichtspunkt, dass die Klägerin im Falle einer - vom EuGH geforderten (s.o.) - ordnungsgemäßen Unterrichtung von dem beabsichtigten Parallelvertrieb in die Lage versetzt worden wäre, diesen im Wege einer einstweiligen Verfügung zu unterbinden. Die Pflicht zur Vorabinformation des Markeninhabers soll diesem die Prüfung ermöglichen, ob das Umpacken nicht in einer Weise vorgenommen wird, die den Originalzustand der Ware unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt, und ob deren Aufmachung nach dem Umpacken nicht den Ruf der Marke schädigt (vgl. EuGH, GRUR Int 2002, 739, 744 Boehringer/Swingward). Zudem erleichtert dieses Erfordernis es dem Markeninhaber, sich vor den Aktivitäten von Fälschern zu schützen (vgl. EuGH, a.a.O.). Die Vorabinformation dient danach allein der Prüfung etwaiger markenbezogener Verstöße. Der Import ist hingegen ohne weiteres zulässig, wenn die genannten Regeln zum Umverpacken eingehalten sind (Ströbele/Hacker, a.a.O., § 24 Rn. 27). Auf eine Zustimmung des Markeninhabers zum Parallelimport kommt es dann nicht an (Ströbele/Hacker, a.a.O.).

136

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass die von dem EuGH aufgestellte Verpflichtung zur Vorabinformation nicht dazu dienen soll, die Verwendung fremder PZN zu unterbinden. Die Klägerin hätte - im Falle der Beachtung der übrigen Regeln zum Umverpacken durch die Beklagten - nämlich keine markenrechtliche Möglichkeit gehabt, die Verwendung der der M. S. GmbH zuzuordnenden PZN zu verhindern. Hiervon ist wiederum die Frage zu trennen, ob die M. S. GmbH selbst die Nutzung der ihr zugewiesenen PZN durch die Beklagten hätte verhindern können. Hierbei handelt es sich nämlich - wie bereits ausgeführt - gerade nicht um eine markenrechtliche Fragestellung.

137

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs soll der Markenschutz schließlich sicherstellen, dass die Marke ihre Funktionen erfüllen kann, so dass die Ausübung des Markenrechts auf Fälle beschränkt bleiben muss, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der Marke und insbesondere ihre Hauptfunktion, d. h. die Gewährleistung der Herkunft der Ware gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (Urteile vom 12. November 2002, Arsenal Football Club, C-206/01, Slg. 2002, I-10273, Rdnr. 51, vom 16. November 2004, Anheuser-Busch, C-245/02, Slg. 2004, I-10989, Rdnr. 59, und vom 25. Januar 2007, Adam Opel, C-48/05, Slg. 2007, I-1017, Rdnr. 21). Zu diesen Funktionen gehört nicht nur die Hauptfunktion der Marke, die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber den Verbrauchern, sondern es gehören dazu auch ihre anderen Funktionen wie u. a. die Gewährleistung der Qualität dieser Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktionen (EuGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - C-487/07, GRUR 2009, 756).

138

Keine dieser Funktionen ist hier in der Weise betroffen, dass der eingetretene Schaden aus ihrer Beeinträchtigung resultieren würde. Dies gilt auch für die Herkunftsfunktion. Zwar schafft ein Umpacken der Ware durch Neuetikettierung der mit der Marke versehenen Arzneimittel tatsächliche Gefahren für die Herkunftsgarantie, welche durch die Marke gewährleistet werden soll (vgl. EuGH, Urteil vom 26.04.2007 - C-348/04, GRUR 2007, 586 Rdnr. 14f., 29f.). Allerdings ergibt sich die Zuordnungsverwirrung der Arzneimittel, d. h. die Zuordnung der einzelnen Packungen zur Klägerin bzw. der M. S. GmbH als pharmazeutischer Unternehmerin nicht aus dem Gebrauch der Marke, sondern der Verwendung der der M. S. GmbH zugeordneten PZN. Die die M. S. GmbH aufgrund dieser Zuordnung nach § 130a SGB V treffende (Zwangs-)rabattierung führt zu einem Schaden, der sich allein aus den spezifischen Eigenheiten der nationalen Rechtsetzung ergibt. Der Schutz vor dem Eintritt eines solchen Schadens ist indes nicht Sinn und Zweck des von der GMV gewährleisteten europarechtlichen Schutzes einer Gemeinschaftsmarke.

139

Die von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche sind danach von dem Schutzzweck des § 14 Nr. 6 MarkenG nicht umfasst.

d)

140

Soweit die Beklagten zur Auskunft unter Vorlage von Einkaufsbelegen verurteilt wurden, bleibt die Berufung ohne Erfolg. Die Berufung der Beklagten richtet sich nicht gegen den Auskunftsanspruch als solchen - insoweit liegt aufgrund des Teil-Anerkenntnisurteils vom 03.03.2014 bereits eine rechtskräftige Entscheidung vor -, sondern betrifft nur noch die Verurteilung zur Vorlage von Einkaufsbelegen.

141

Insoweit besteht ein Anspruch der Klägerin aus § 125b Nr. 2 MarkenG i.V.m. § 242 BGB. Es handelt sich bei dem Auskunftsanspruch um einen unselbständigen Hilfsanspruch des Schadensersatzanspruches. Der Auskunftsanspruch soll den Markeninhaber in die Lage versetzen, seinen Schadensersatzanspruch der Höhe nach zu beziffern (vgl. Ströbele/Hacker, 11. Auflage, § 14 Rn. 574).

142

Die Klägerin hat sich in diesem Verfahren für eine konkrete Schadensersatzberechnung entschieden, wobei ihre Inanspruchnahme in Form des Herstellerrabatts nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst wird (s.o.). Allerdings erlischt das Wahlrecht des Gläubigers, im Rahmen der dreifachen Art der Schadensberechnung von der einen zur anderen Berechnungsart überzugehen, erst durch Erfüllung oder rechtskräftige Zuerkennung des Anspruchs; durch Erhebung einer Zahlungsklage unter Zugrundelegung einer bestimmten Berechnungsart wird es nicht berührt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - I ZR 107/90, GRUR 1993, 55 - Tchibo/Rolex II). Da die Klägerin also noch zu einer Schadensberechnung in Form der Herausgabe des Verletzergewinns übergehen kann, hat sie auch Anspruch auf Vorlage der Einkaufsbelege. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erstreckt sich der Auskunftsanspruch nach § 242 BGB, bei dem es sich um einen Hilfsanspruch zum Schadensersatzanspruch handelt, bei einer Kennzeichenverletzung im Allgemeinen auf die Einkaufspreise und Gestehungskosten sowie Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreise widerrechtlich gekennzeichneter Waren (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012 - I ZR 82/11, GRUR 2013, 638 Rn. 53 - Völkl).

143

Soweit die Klägerin auf Seite 17 im Schriftsatz vom 02.10.2014 (Blatt 286 der Akte) vortragen lassen hat, sie benötige die Einkaufsbelege, um aufgrund ihrer arzneimittelrechtlichen Verantwortung in der Lage zu sein, den Vertriebsweg zu überprüfen, wird dieses Informationsinteresse von dem den Schadensersatzanspruch vorbereitenden Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zwar nicht mit umfasst. Ein Übergehen auf eine andere Form der Schadensersatzberechnung hat die Klägerin ansonsten aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. dazu ihre Ausführungen auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 20.05.2014, Blatt 231 der Akte).

2.

144

Auch die von der Klägerin hilfsweise im Wege der Drittschadensliquidation aufgrund eines Schadens ihrer Lizenznehmerin der M. S. GmbH geltend gemachten Ansprüche bestehen nicht.

145

Ein (etwaiger) Schaden der M. S. GmbH in ihrer Eigenschaft als Lizenznehmerin der Klägerin ist ebenfalls nicht vom Schutzzweck der schadensersatzbegründenden Normen umfasst. Es greifen die gleichen Erwägungen zum Schutzzweck der Markenrechte wie in Bezug auf die Markeninhaberin. Der Umstand, dass die Lizenznehmerin hier (zufällig) identisch mit dem pharmazeutischen Unternehmer bzw. deren Inlandsvertreterin ist, führt nicht zu einer anderen Beurteilung.

3.

146

Gleiches gilt auch für die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus abgetretenem Recht der A. T. S.A., die ihrerseits einen Schaden ihres Lizenznehmers M. S. GmbH geltend macht.

4.

147

Die Klägerin hat aber einen Anspruch auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht der M. S. GmbH aus §§ 687, 678 BGB gegen die Beklagte zu 1. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sowie aus § 826 BGB aus abgetretenem Recht bestehen gegen die Beklagten hingegen nicht.

148

Bei diesen erst in der Berufungserwiderung geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich um einen neuen prozessualen Anspruch. Macht der Kläger den auf ein einheitliches Klageziel gerichteten Anspruch kumulativ oder sukzessive aus eigenem Recht und später aufgrund einer Abtretung geltend, liegen mehrere Streitgegenstände vor (vgl. BGH, Urteil vom 19.09.1985 - VII ZR 15/85).

a)

149

Die in der Geltendmachung der Ansprüche liegende Klageänderung im Sinne des § 533 ZPO ist zulässig. Sie ist insbesondere sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO. Durch die Klageänderung kann einem weiteren Prozess vorgebeugt werden. Sie kann auch auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Die Klageerweiterung enthält keinen neuen Sachvortrag. Ebenso ist die hierin liegende Anschlussberufung zulässig, weil die Klägerin die Klage mit der Berufungserwiderung erweitert hat und diese innerhalb der verlängerten Berufungserwiderungsfrist eingegangen ist (§ 524 Abs. 2 ZPO).

b)

150

Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.

151

Zwar ist die Verjährung insoweit nicht durch die Erhebung der Klage vom 23.01.2013 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gehemmt worden. Der Umfang der Hemmung wird nämlich grundsätzlich durch den Streitgegenstand bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2005 - VIII ZR 93/04). Die Geltendmachung der Ansprüche im Rahmen der Berufungserwiderung vom 13.10.2015 hat die Verjährung aber noch innerhalb der Frist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB gehemmt.

152

Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Danach wären die Ansprüche der M. S. GmbH verjährt, wenn diese bereits im Jahr 2011 Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der vorgenannten Umstände hatte.

153

Die hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten haben hierzu nur vorgetragen, die Klägerin und die M. S. GmbH hätten seit August 2010 Kenntnis davon, dass Packungen, die in der beanstandeten Form umetiketiert worden seien, in Deutschland vertrieben worden seien. Dennoch hätten weder die Klägerin noch die M. S. GmbH diesbezügliche Schritte unternommen.

154

Aus diesem Vortrag folgt, worauf die Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind, jedenfalls keine positive Kenntnis der Person des Schuldners. Dem Vortrag lässt sich auch keine grobe Fahrlässigkeit der M. S. GmbH entnehmen. Es fehlt insbesondere an Vortrag dazu, welche möglichen Schritte diese schon zum damaligen Zeitpunkt hätte ergreifen können, um Klarheit über den Schuldner erlangen zu können. Wie sich aus der Anlage K11 ergibt, ist die Klägerin durch die Polizeiinspektion C./W. erst am 26.01.2012 um Auskunft gebeten und so in die Ermittlungen einbezogen worden, woraufhin sie Strafantrag gestellt hat. Die Informationen der Klägerin beruhen auf den Zeugenaussagen K7 - K9 aus Februar und März 2012.

c)

155

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte zu 1. aus §§ 687, 678 BGB

aa)

156

Durch das Inverkehrbringen der Arzneimittelpackungen in der Bundesrepublik Deutschland unter Verwendung von der M. S. GmbH zuzuordnenden PZN hat die Beklagte zu 1. den Tatbestand einer angemaßten Eigengeschäftsführung gemäß § 687 Abs. 2 BGB erfüllt. Behandelt jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er weiß, dass er hierzu nicht berechtigt ist, so kann der Geschäftsherr gemäß § 687 Abs. 2 BGB die sich aus den §§ 677, 678, 681, 682 BGB ergebenden Ansprüche geltend machen. Aus § 678 BGB folgt die Pflicht zum Ersatz des aus der Geschäftsführung entstehenden Schadens.

157

Der Begriff der Geschäftsbesorgung ist weit auszulegen. Er erfasst alle Handlungen rechtlicher oder tatsächlicher, wirtschaftlicher oder nicht wirtschaftlicher Art, die für einen anderen erledigt werden können. Damit ist die Geschäftsbesorgung nicht auf rechtsgeschäftliches Handeln beschränkt, sondern erfasst auch rein tatsächliches (vgl. statt vieler: Gregor in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 677 BGB mit weiteren Nachweisen). Um ein fremdes Geschäft handelt es sich, wenn der Geschäftsführer in eine fremde Rechtsposition eingreift (Gregor, in: jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 687 Rn. 29; MüKoBGB/Seiler, 8. Aufl., § 687 Rn. 29). Dies ist insbesondere bei Eingriffen in absolute Rechte oder in schuldrechtlich begründete Interessenbereiche der Fall (BGH, Urteil vom 12.06.1989 - II ZR 334/87, juris-Rn. 27; Gregor, a.a.O.). Bei letzteren ist jedoch erforderlich, dass das Rechtsgeschäft äußerlich als fremdes in Erscheinung tritt (BGH, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist diese Voraussetzung aber schon dann erfüllt, wenn die von dem Eingriff betroffene Rechtsposition durch eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen dem Berechtigten und einem Dritten begründet wurde (BGH, a.a.O.). Es ist somit nicht erforderlich, dass die Geschäftsbesorgung für außenstehende Dritte als fremd in Erscheinung tritt. Es genügt vielmehr, dass sich das Geschäft für diejenigen äußerlich als fremd darstellt, die mit den konkreten Vereinbarungen vertraut sind.

158

Nach diesen Grundsätzen stellt das Inverkehrbringen der Arzneimittelpackungen in der Bundesrepublik Deutschland unter Verwendung von der M. S. GmbH zuzuordnenden PZN eine objektiv fremde Geschäftsbesorgung im Sinne des § 687 BGB dar.

159

Gemäß § 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V ist der pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten, welche diese nach § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V den Krankenkassen für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel zu gewähren haben. Um die Erstattung durch den pharmazeutischen Unternehmer sicherzustellen, hat dieser gemäß § 131 Abs. 5 SGB V das Arzneimittelkennzeichen (PZN) im Sinne von § 300 Abs. 1 Nr. 1 SGB V auf der Verpackung anzugeben.

160

Pharmazeutischer Unternehmer ist gemäß § 4 Abs. 18 AMG der Inhaber der Zulassung des Arzneimittels (Satz 1), daneben aber auch, wer Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in Verkehr bringt (Satz 2). Unter einem „Inverkehrbringen“ ist unter anderem die Abgabe an andere zu verstehen (vgl. § 4 Abs. 17 AMG), womit die Abgabe im Geltungsbereich des AMG, also in der Bundesrepublik Deutschland gemeint ist, was sich auch der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 AMG entnehmen lässt. Indem die Beklagte zu 1 die streitgegenständlichen Arzneimittel unstreitig an die in Deutschland ansässige H. P. GmbH geliefert hat, hat sie sie in Deutschland in Verkehr gebracht.

161

Dies geschah zwar nicht unter ihrem Namen, es sei denn, man lässt dafür genügen, dass die Beklagte zu 1 ihre Firma auf der Rechnung oder den Lieferscheinen angegeben hat (vgl. dazu Rehmann, AMG, 4. Aufl., § 4 Rn. 20). Mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und die von ihr vorgenommene Neuetikettierung, durch welche die Beklagte zu 1 in die Markenrechte der Klägerin bzw. ihrer Konzernunternehmen eingegriffen hat, hätte die Beklagte zu 1 aber nicht nur die Klägerin vorab informieren, sondern auch auf der Verpackung klar angeben müssen, von wem der neue Aufkleber auf der Ware angebracht worden ist und wer deren Hersteller ist (vgl. EuGH, Urteil vom 26.04.2007 - C-348/04, GRUR 2007, 586). Daneben folgt ihre Verpflichtung zur Angabe ihres Namens auch aus § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 AMG, weil sie die Arzneimittel im Geltungsbereich des AMG in den Verkehr gebracht hat. Hätte sich die Beklagte zu 1 in diesem Sinne regelgerecht verhalten, wäre sie jedenfalls dadurch zum pharmazeutischen Unternehmer geworden, weil sie dann die eingeführten Arzneimittel aufgrund des von ihr anzubringenden Hinweises unter ihrem Namen in Verkehr gebracht hätte (vgl. a. dazu Rehmann, a. a. O.).

162

Diese Konkurrenzsituation, in welcher zwei pharmazeutische Unternehmer und zwei PZN in Betracht kommen, nämlich die der M. S. GmbH und eine von der Beklagten zu 1 zu beantragende, ist in der Weise aufzulösen, dass die Beklagte von ihrer eigenen PZN hätte Gebrauch machen müssen.

163

Dies ergibt sich bereits aus Sinn und Zweck des § 130 a Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB V. Der Hersteller bzw. pharmazeutische Unternehmer legt für den deutschen Markt den sogenannten Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) fest; dabei ist er in der Preisbildung grundsätzlich frei. Aus dem ApU ergibt sich sodann zuzüglich Großhandels- und Apothekenzuschlag einschließlich Mehrwertsteuer der Apothekenverkaufspreis (AVP). Dabei kann auch der Parallelimporteur oder Parallelvertriebler als pharmazeutischer Unternehmer einen ApU festsetzen (vgl. BGH, Vorlagebeschluss vom 09.09.2010 - I ZR 72/08, GRUR 2010,1130 Rdnr. 27- Sparen Sie beim Medikamentenkauf; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 20.08.2012 - GmS-OGB 1/10, GRUR 2013, 417 Rdnr. 14 - EU-Versandapotheken). Aus dem Zusammenspiel von § 130a Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB V folgt, dass der Rabatt von demjenigen Unternehmer getragen werden soll, der den ApU für den deutschen Markt festlegt und beim Verkauf an deutsche Großhändler vereinnahmt. Demgemäß hätte die Beklagte zu 1 auf den von der H. P. GmbH geforderten Preis den Rabatt nach § 130 a Abs. 1 Satz 1 SGB V entrichten müssen.

164

Letztlich ergibt sich dies auch aus dem gemäß § 131 Abs. 5 S. 2 SGB V geschlossenen Rahmenvertrag (Anlage BE 5). Denn Anlage 2 des Vertrags benennt die Preis- und Produktinformationen zur PZN, u.a. gemäß Ziffer 7.15 und 7.16 ggf. das „Kennzeichen Importiertes Arzneimittel“ und zusätzlich die „PZN des Originals bei Importarzneimitteln“.

165

Die Vergabe der PZN zu einem bestimmten pharmazeutischen Unternehmen begründet einen den oben genannten Rechtspositionen vergleichbaren Zuweisungsgehalt der PZN. Die Zuordnung der PZN dient allein dazu, zweifelsfrei den für die Zahlung der „Herstellerrabattes“ verantwortlichen pharmazeutischen Unternehmer festzustellen. Die pharmazeutischen Unternehmen sind nach § 131 Abs. 5 SGB V zur Angabe der PZN verpflichtet, um eine ordnungsgemäße Abrechnung zwischen Apotheken, pharmazeutischen Unternehmen und den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. Mit dieser den pharmazeutischen Unternehmer treffenden subjektiv-öffentlichen Pflicht korrespondiert sein Recht, die ihm zugewiesene PZN ausschließlich zu verwenden (im Ergebnis ebenso: Dietel/Hußmann, Abrechnung importierter zentral zugelassener Arzneimittel - unter welcher PZN? PharmR 2016, 619, 620).

166

Indem die Beklagte zu 1 Arzneimittelpackungen in der Bundesrepublik Deutschland unter Verwendung von der M. S. GmbH zuzuordnenden PZN in Verkehr gebracht hat, hat sie in den durch die eindeutige Zuordnung der PZN zu einem bestimmten pharmazeutischen Unternehmer vermittelten Zuweisungsgehalt dieses Unterscheidungskennzeichen eingegriffen. Dies erfolgte gegen den offensichtlichen Willen der M. S. GmbH. Die Beklagte zu 1 wusste auch, dass es sich bei ihrem Tätigwerden um ein fremdes Geschäft handelte.

167

Die Verwendung gerade dieser PZN war für die Einfuhr der Arzneimittel in die Bundesrepublik Deutschland nicht erforderlich. Der Importeur eines Arzneimittels kann vielmehr für das importierte Arzneimittel eine eigene PZN bei der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten - IFA GmbH beantragen, unter der das importierte Arzneimittel dann bestellt und auch zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden kann (Dietel/Hußmann, a.a.O., S. 620). Ausweislich der Richtlinien der IFA GmbH für die Neuaufnahme zulassungs- oder registrierungspflichtiger Arzneimittel ist die Erteilung einer PZN für zentral zugelassene Arzneimittel im Parallelvertrieb möglich (Dietel/Hußmann, a.a.O., S. 620). Die Beantragung einer eigenen PZN für das Arzneimittel begründet dann die Stellung des Importeurs als pharmazeutischer Unternehmer für das Arzneimittel und löst die Verpflichtung zur Zahlung des Herstellerrabattes aus (Dietel/Hußmann, a.a.O., S. 621).

168

Die Beklagte zu 1 war auch nicht aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zum Parallelimport dazu berechtigt, die der M. S. GmbH zuzuordnenden PZN zu verwenden. Es ist zwar zutreffend, dass der Importeur eines Arzneimittels nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich berechtigt ist, diejenigen Änderungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Arzneimittel im Einfuhrstaat in den Verkehr bringen zu können (vgl. Ströbele/Hacker, 11. Aufl., § 24 Rn. 80). Die Geltendmachung der Rechte aus der Marke verstößt dann gegen Art 36 S. 2 AEUV (vgl. Ströbele/Hacker, a.a.O.). Aus der markenrechtlichen Zulässigkeit der Anbringung einer PZN auf der Arzneimittelpackung folgt aber noch keine Befugnis der Beklagten zu 1, die ausschließlich der M. S. GmbH zugewiesenen PZN zu verwenden. Bei dieser Frage handelt es sich nämlich - worauf die Beklagte zu 1 auch selbst wiederholt hinweist - nicht um eine markenrechtliche Problemstellung.

169

Die Beklagte zu 1 ist auch nicht unabhängig von den markenrechtlichen Fragestellungen aufgrund des Grundsatzes des freien Warenverkehrs zur Verwendung der der M. S. GmbH zugewiesenen PZN berechtigt.

170

Dies kollidiert nicht mit dem Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit. Dieser gebietet es nämlich nicht, den Importeur von Arzneimitteln von den nach dem nationalen Recht vorgesehenen „Herstellerrabatten“ freizuhalten.

171

Die Arzneimittelpreisvorschriften des deutschen Rechts begründen keinen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit im Sinne des Art. 34 AEUV (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012 - GmS-OGB 1/10 -, BGHZ 194, 354 - 369, Rn. 39). Sie sind, auch wenn sie auf den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach Deutschland anwendbar sind, keine Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne dieser Bestimmung (GmS-OGB, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 1974 - 8/74, Slg. 1974, 837 Rn. 5 - Dassonville; Urteil vom 26. April 2012 - C-456/10, JZ 2012, 740 Rn. 32 - ANETT). Dagegen begründet es keine solche Behinderung, wenn Vorschriften der Mitgliedstaaten, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten angewandt werden, solange diese Vorschriften für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gelten und den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. In einem solchen Fall sind die fraglichen Bestimmungen nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als dies für inländische Erzeugnisse geschieht (vgl. EuGH, Urteil vom 24. November 1993 - C-267 und 268/91, Slg. 1993, I-6097 = NJW 1994, 121 Rn. 16 f. - Keck und Mithouard). Nach diesen Maßstäben sind die deutschen Vorschriften über den einheitlichen Apothekenabgabepreis lediglich Verkaufsmodalitäten im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Sie regeln nicht auf Waren bezogene Merkmale, sondern Umstände des Vertriebs (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2009 - C-531/07, Slg. 2009, I-3717 = GRUR 2009, 792 Rn. 20 - Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft/LIBRO). Sie gelten für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen, die Arzneimittel im Sinne des § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG im Inland abgeben (GmS-OGB, a.a.O., Rn. 41). Die vorstehenden Ausführungen lassen sich auf den nach nationalem Recht gemäß § 130a Abs. 1 SGB V anfallenden „Herstellerrabatt“ übertragen. Dieser berührt inländische Erzeugnisse und Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise. Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 34 AEUV gebietet es deshalb nicht, Importeure von Arzneimitteln von „Herstellerrabatten“ freizuhalten.

172

Die Verpflichtung des Parallelimporteurs zur Entrichtung des „Herstellerrabattes“ steht auch mit der Zielrichtung des § 130a Abs. 1 SBG V in Einklang. Hintergrund für sämtliche Arzneimittelrabatte ist der Versuch, die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zu senken. In der Begründung zum Gesetzesentwurf des Beitragssicherungsgesetzes (BSSichG) heißt es hierzu:

173

„Die Krankenkassen erhalten den Herstellerrabatt zusätzlich zu dem Abschlag der Apotheken nach § 130 und den Großhandelsabschlag nach Art. 12. Die Regelung führt zur Einsparung von ca. 420 Mio Euro pro Jahr. In dem entsprechenden Umfang werden pharmazeutische Unternehmen belastet“ (BT-Drucks. 15/28, S. 16).

174

Die Pharmazeutischen Unternehmer werden also zur Rabattzahlung herangezogen, um die Kostenbelastung der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung zu dämpfen. Anknüpfungspunkt für die Rabatte ist daher die Abgabe von Arzneimitteln im Geltungsbereich der Preisvorschriften des AMG. Dies folgt aus § 130a Abs. 1 S. 5 SGB V. Gemäß § 130a Abs. 1 S. 5 SGB V gilt die Rabattpflicht des § 130a Abs. 1 S. 1 SGB V für Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz [….] bestimmt sind. Arzneimittel, die im Ausland in den Verkehr gebracht und dort abgegeben werden, unterliegen somit nicht der Rabattpflicht. Die im Ausland in den Verkehr gebrachten Arzneimittel müssen deshalb auch nicht mit einer PZN versehen sein. Die Rabattpflicht entsteht erst, wenn die Arzneimittel in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht und dort - d.h. im Geltungsbereich des AMG - abgegeben werden. Erst durch die Einfuhr in die Bundesrepublik Deutschland entsteht auch die Pflicht zur Angabe der PZN auf der Arzneimittelpackung gemäß § 130a Abs. 5 SGB V.

175

Nach diesen Maßgaben steht es auch mit dem Regelungszweck des § 130a SGB V in Einklang, denjenigen mit dem „Herstellerrabatt“ zu belasten, der die Arzneimittel jeweils für den Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt hat. Dies ist in der vorliegenden Konstellation der Parallelimporteur.

176

Den vorstehenden Ausführungen steht nicht entgegen, dass der Parallelimporteur nicht mit dem „Herstellerrabatt“ belastet würde, wenn der Hersteller das Arzneimittel mit vollständiger Kennzeichnung - also auch mit PZN - im europäischen Ausland in den Verkehr gebracht hätte. In diesem Fall hat der Hersteller deutlich gemacht, dass es ihm gerade nicht darauf ankommt, ob sein Arzneimittel auch (wieder) in der Bundesrepublik Deutschland in den Handel kommt und damit auch zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet wird (so auch Dietel/Hußmann, a.a.O., S. 620).

177

Der nach alledem bestehende Anspruch aus §§ 687 Abs. 2, 678 BGB richtet sich nur gegen die Beklagte zu 1. als unberechtigte Geschäftsführerin. Das Verhalten des Beklagten zu 2. wird der Beklagten zu 1. zugerechnet. Ein eigenständiger Anspruch aus §§ 687 Abs. 2, 678 BGB gegen den Beklagten zu 2. persönlich folgt hieraus aber nicht und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

bb)

178

Der Anspruch aus §§ 687 Abs. 2, 678 BGB besteht zumindest in Höhe des mit der Teilklage geltend gemachten Betrags in Höhe von 77.922,77 €.

179

Die Klägerin hat den auf die vorliegende Teilklage entfallenden Teil der Gesamtschadensersatzforderung konkret bezeichnet. Danach macht die Klägerin ausdrücklich jeweils 63,109 % des Schadens für jedes einzelne Präparat geltend (S. 5 des Schriftsatzes vom 02.10.2014, Bl. 274 d.A.). Bei der aufgrund der unberechtigten Verwendung der PZN geltend gemachten Schadensersatzforderung handelt es sich jedoch um einen einheitlichen Streitgegenstand. Da die Grundlage des Schadensersatzanspruchs nicht die Verletzung von Schutzrechten ist, sind die oben dargestellten Grundsätze der „TÜV-Rechtsprechung“ des BGH nicht übertragbar. Die Klageforderung kann deshalb ohne Verstoß gegen § 308 ZPO abweichend auf die Präparate verteilt werden. Es handelt sich im Einzelnen nur um unselbstständige Rechnungsposten bei der Schadensberechnung.

180

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagten im Zeitraum April 2010 bis August 2011 584 Packungen Rebif und 87 Packungen Gonal-F mit der M. S. GmbH zuzuordnenden PZN in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht haben. Es ist weiter unstreitig, dass diese Arzneimittelpackungen von der H. P. GmbH an vier Pharmagroßhändler ausgeliefert wurden.

181

Ausgehend von der Prämisse, dass diese Arzneimittelpackungen sämtlich von Apotheken zu Lasten der Krankenversicherungen abgegeben wurden, die hieraus folgenden Rabatte der M. S. GmbH vollständig in Rechnung gestellt und von dieser bezahlt wurden, würde sich aufgrund der gesetzlichen „Herstellerrabatte“ gemäß § 130a Abs. 1 S. 1 SGB V ausgehend von den unstreitigen Abgabepreisen und einer Rabatthöhe von 16 % ein Gesamtschaden in Höhe von 123.708,58 Euro ergeben. Dieser Betrag beruht auf folgender Berechnung:

182

Produkt

ApU     

Rabatt: 16 %

Stückzahl

Schaden

Rebif 22 Inj.

1.129,00 €

180,64 €

151     

27.276,64 €

Rebif 22 Patr.

1.160,00 €

185,60 €

136     

25.241,60 €

Rebif 44 Inj.

1.396,00 €

223,36 €

140     

31.270,40 €

Rebif 44 Patr.

1.427,00 €

228,32 €

157     

35.846,24 €

Zwischensumme Rebif

119.634,88 €

Gonal-F 300 IE

138,76 €

22,20 €

17    

377,40 €

Gonal-F 450 IE

208,13 €

33,30 €

29    

965,70 €

Gonal-F 900 IE

416,26 €

66,60 €

41    

2.730,60 €

Zwischensumme Gonal-F

4.073,70 €

Summe 

123.708,58 €

183

Der geminderte Beweismaßstab gemäß § 287 ZPO lässt im vorliegenden Fall die Feststellung zu, dass der Klägerin mindestens ein Schaden in Höhe des mit der Teilklage geltend gemachten Betrags von 77.922,77 Euro entstanden ist. Hierfür kommt es nicht auf die Frage an, ob der Klägerin darüber hinaus ein weitergehender Schaden aufgrund zusätzlich geschlossener Rabattverträge für das Arzneimittel Rebif entstanden ist.

184

Maßstab für die Feststellung der Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens ist § 287 ZPO. Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (§ 287 Abs. 1 ZPO).

185

Nach dem Maßstab des § 287 ZPO genügt für die Überzeugungsbildung des Gerichts bereits eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 23.11.2006 -  IX ZR 21/03, juris-Rn. 21). Das wirkt sich auch auf die Darlegungslast des Geschädigten aus. Es genügt, dass er Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichend greifbare Anhaltspunkte bieten (vgl. BGH, a.a.O.).

(1)

186

Es besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der M. S. GmbH aufgrund der Verwendung ihrer PZN durch die Beklagten ein Schaden in Höhe von mindestens 77.922,77 Euro entstanden ist. Ein Schaden in dieser Höhe ergibt sich bereits aus der Rabattpflicht für die Arzneimittelpackungen des Präparats Rebif ausschließlich gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse, selbst wenn man davon ausginge, dass lediglich bei 80 % dieser Arzneimittelpackungen eine Rabattpflicht ausgelöst worden ist.

187

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass 86 % der Patienten gesetzlich krankenversichert sind. Diese Quote kann deshalb auch der Abgabe des Arzneimittels Rebif zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde gelegt werden. Hieraus folgt folgende Berechnung:

188

Produkt

ApU     

Rabatt: 16 %

Stück-zahl

86 % gesetzlich versicherte

hiervon 80 %

Schaden

Rebif 22 Inj.

1.129,00 €

180,64 €

151     

130     

104     

18.786,56 €

Rebif 22 Patr.

1.160,00 €

185,60 €

136     

117     

93    

17.260,80 €

Rebif 44 Inj.

1.396,00 €

223,36 €

140     

120     

96    

21.442,56 €

Rebif 44 Patr.

1.427,00 €

228,32 €

157     

135     

108     

24.658,56 €

Summe 

                 

82.148,48 €

189

Es ist mindestens überwiegend wahrscheinlich, dass mindestens 80 % der von den Beklagten mit der PZN der M. S. GmbH auf den Markt gebrachten Arzneimittelpackungen an Apotheken ausgeliefert und dort zu Lasten der Krankenkassen abgegeben wurden. Es entspricht - wie das Landgericht Braunschweig bereits zutreffend ausgeführt hat - dem normalen Verlauf der Dinge, dass die Arzneimittel von den Pharmagroßhändlern an Apotheken ausgeliefert werden. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob - wie das Landgericht angenommen hat - ein Anscheinsbeweis für diesen Geschehensablauf besteht. Im Rahmen der Schadensschätzung des § 287 ZPO genügt nämlich, dass dieser Ablauf überwiegend wahrscheinlich ist.

190

Dabei ist zunächst gemäß § 529 Abs. 1 S. 1 ZPO die Feststellung des Landgerichts zugrunde zu legen, dass die streitgegenständlichen Packungen nicht an die M. S. GmbH retourniert worden sind. Die Berufung zeigt keine durchgreifenden Einwendungen gegen diese Tatsachenfeststellung auf.

191

Es ist auch mindestens sehr unwahrscheinlich, dass die Arzneimittelpackungen, die von den Beklagten extra durch das Anbringen der PZN und den Hinweis auf die gentechnologisch gewonnenen Bestandteile für den deutschen Markt verkehrsfähig gemacht und reimportiert wurden, von den Pharmagroßhändlern sodann wieder exportiert worden sind. Die Beklagten tragen auch keine Umstände vor, die diesen Geschehensablauf als nicht ganz unwahrscheinlich erscheinen lassen würden. Sie beschränken sich vielmehr darauf, den Vortrag der Klägerin, die Preise für das Arzneimittel Rebif seien in sämtlichen Ländern der EU niedriger als in Deutschland, pauschal zu bestreiten.

192

Der Klägerin ist der Beweis dieser Behauptung gelungen. Die Zeugin R. hat vor dem Senat glaubhaft bekundet, hinsichtlich des Abgabepreises (ApU) im Preisgefüge der europäischen Länder handele es sich bei Deutschland um ein Hochpreisland, das auch als Referenzland fungiere. Generell lasse sich sagen, dass die Preise in den übrigen europäischen Ländern niedriger lägen als in Deutschland. Nur in einem Fall könne sie sich erinnern, dass ein Medikament in Großbritannien teurer gewesen sei als in Deutschland. Dies sei nicht Rebif oder Gonal-f gewesen.

193

Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft, sie selbst glaubwürdig. Die Zeugin hat keine Motivation für eine Begünstigung der Klägerin. Sie ist nicht mehr für die Klägerin tätig. Sie befindet sich in der Ruhephase ihrer Altersteilzeit. Die Zeugin hat deshalb weder im Fall einer für die Klägerin ungünstigen Aussage Repressionen oder sonstige Nachteile zu befürchten noch kann sie sich von einer der Klägerin günstigen Aussage irgendwelche Vorteile erhoffen. Die Zeugin war auch ersichtlich um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht. Sie hat - nachvollziehbare - Erinnerungslücken offen eingeräumt, z.B. den Umstand, dass sie sich nicht mehr erinnern könne, ob ihr Tabellen zum internationalen Preisgefüge der Arzneimittel vorgelegen hätten und welche konkreten Rabattquoten bei dem Arzneimittel Gonal-f vorlagen. Sie hat ferner auch solche Tatsachen offenbart, die - für sie erkennbar - geeignet sein konnten, den Beweiswert ihrer Aussage zumindest zu reduzieren. Dies betrifft insbesondere die Tatsache, dass die Zeugin bei der Frage nach dem Preisgefüge der europäischen Länder ungefragt den Umstand offenbart hat, dass sie für Deutschland zuständig gewesen sei und in ihrem Geschäftsbereich deshalb keine Vergleichstabellen üblich gewesen seien.

194

Letzteres, nämlich der Umstand, dass sich das Tätigkeitsfeld der Zeugin nicht auf den Export von Arzneimitteln erstreckte, steht der Überzeugung des Senats von der Richtigkeit der Aussage der Zeugin in Bezug auf das europäische Preisgefüge nicht entgegen. Die Zeugin hat nachvollziehbar geschildert, dass es sich bei dem Preisgefüge um allgemeines Wissen handelte, dass aufgrund von Gesprächen mit Kollegen bekannt war. Der Umstand, dass es sich bei dem Wissen um die Spitzenstellung Deutschlands im europäischen Preisgefüge der Arzneimittel bei den Mitarbeitern eines Pharmaunternehmens gewissermaßen um „Allgemeingut“ handelt, ist plausibel und nachvollziehbar. Hinzu kommt noch, dass die Zeugin nach ihrer auch insoweit glaubhaften Schilderung in einem Gremium mitgearbeitet hat, das sich mit den Aspekten des Parallelimports befasst hat. Auch vor diesem Hintergrund ist es plausibel, dass die Zeugin Kenntnisse über die Position Deutschlands im internationalen Preisgefüge hatte.

195

Selbst wenn man - abweichend von der vorstehenden Würdigung - den der Klägerin obliegenden Beweis nur insofern als geführt ansehen würde, dass Deutschland in Bezug auf Arzneimittel ein „Hochpreisland“ ist, nicht aber im Hinblick auf den weitergehenden Vortrag, die Preise für das Arzneimittel Rebif seien in sämtlichen Ländern der EU niedriger als in Deutschland, würde dies nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen. Auch dann wäre es in hohem Maße wahrscheinlich, dass der ganz überwiegende Teil der Arzneimittel, die extra durch das Anbringen der PZN und den Hinweis auf die gentechnologisch gewonnenen Bestandteile für den deutschen Markt verkehrsfähig gemacht und nach Deutschland als Hochpreisland reimportiert wurden, auch in Deutschland abgegeben und nicht erneut exportiert wurden.

196

Auch die von den Beklagten aufgezeigte Möglichkeit, dass die Arzneimittel an Krankenhausapotheken abgegeben worden sein könnten, greift nicht durch. Die Klägerin hat auch den Nachweis ihrer Behauptung geführt, dass Krankenhausapotheken die Möglichkeit haben, die Arzneimittel Rebif und Gonal-F unmittelbar bei der M. S. GmbH zu beziehen und die Preise deutlich unter 50 % der Abgabepreise liegen, die bei der Abgabe an den Großhandel entrichtet würden. Dies hat die Zeugin R. ebenfalls glaubhaft bekundet. Üblich seien Preisreduzierungen von mehr als 50 %, teilweise gingen die Rabatte auch bis in den Bereich von 70 % bis 80 %. Dies betreffe sämtliche Arzneimittel, also auch Rebif und Gonal-f.

197

In Bezug auf die allgemeine Glaubwürdigkeit der Zeugin und die allgemeine Glaubhaftigkeit ihrer Aussage kann zunächst auf die Ausführungen oben verwiesen werden. Es spricht vor diesem Hintergrund nichts für eine bewusst unrichtige Aussage der Zeugin. Es bestehen auch keinerlei Zweifel an der Wahrnehmungsmöglichkeit der Zeugin. Dieser waren die Preisgestaltungen gegenüber Krankenhausapotheken aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Klägerin unmittelbar bekannt. Sonstige Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin geben könnten, bestehen nicht.

198

Die Möglichkeit der Beschädigung bzw. Vernichtung einzelner Arzneimittelpackungen stellt die oben dargestellte überwiegende Wahrscheinlichkeit ebenfalls nicht in Frage. Auch wenn einzelne Packungen aufgrund von Beschädigung oder Vernichtung nicht zu Lasten der Krankenkassen abgegeben worden sein sollten, ändert dies nichts daran, dass überwiegend wahrscheinlich ist, dass mindestens 80 % der von den Beklagten mit PZN der M. S. GmbH versehenen Arzneimittel von Apotheken zu Lasten der Krankenkassen abgegeben wurden.

199

Der vorstehenden Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO steht nicht entgegen, dass die Klägerin - wie die Beklagten meinen - mit Hilfe von Drittauskünften in der Lage sein könnte, für jede einzelne Arzneimittelpackung den Nachweis der Abgabe zu Lasten der Krankenkassen zu führen und somit das Entstehen der Rabattpflicht nachzuweisen. Die Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO setzt nicht voraus, dass der Vollbeweis des Schadens unmöglich ist. Sie dient lediglich dazu, den Geschädigten von den Schwierigkeiten des Vollbeweises zu entlasten.

200

Soweit die Beklagten darüber hinaus der Auffassung sind, es obliege der Klägerin, zu den Rabattquoten der vergangenen Jahre vorzutragen, greift auch dies nicht durch. Zwar wird die Auffassung vertreten, das Gericht dürfe sich nicht mit einer groben Schätzung begnügen, wo eine genaue Schätzung möglich ist (Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 14. Aufl., § 287 Rn. 9). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es geht hier um die Frage, ob der Geschädigte gehalten ist, zu weiteren Anknüpfungstatsachen für eine Schätzung vorzutragen und diese ggf. unter Beweis zu stellen, wenn die bereits vorhandenen unstreitigen oder bewiesenen Anknüpfungstatsachen für die Überzeugungsbildung des Senats ausreichen. In einem solchen Fall bedarf es keiner weiteren Anknüpfungstatsachen. Zudem ist die Aussagekraft der Rabattquoten begrenzt, weil es zwischen der Auslieferung des Arzneimittels und der Abgabe in der Apotheke wegen der Lagerdauer im Großhandel zu einer zeitlichen Verschiebung kommt.

201

Bereits aus der Rabattpflicht für die Arzneimittelpackungen des Präparats Rebif ausschließlich gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse ergibt sich somit der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 77.922,77 Euro.

(2)

202

Die M. S. GmbH hat die ihr in Rechnung gestellten Rabattforderungen auch erfüllt. Die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts sind gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legen. Die Berufungsbegründung zeigt keine Gesichtspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen könnten.

203

Solche folgen insbesondere nicht aus den von den Beklagten gerügten „Diskrepanzen zwischen den Abrechnungsunterlagen der Klägerin und den Überweisungsnachweisen“. Die Klägerin hat die vermeintlichen Diskrepanzen auf S. 3 ff. des Schriftsatzes vom 06.03.2015 nachvollziehbar erläutert. Die vermeintlichen Diskrepanzen ergeben sich nur rechnerisch, weil die in dem Abrechnungssystem mit „HSN“ (= Herstellernachbelastung) bezeichneten Nachforderungen im Abrechnungssystem in die Originalforderung „HST“ (Herstellerrabatt) eingerechnet und insgesamt beglichen werden. Falls ein Abrechnungszentrum für einen Monat eine Nachforderung gestellt hat, ist in der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung mit anderen Worten der Betrag einmal in der Monatsforderung enthalten und wird zusätzlich als Nachforderung ausgewiesen. Die Nachforderung ist lediglich aus buchhalterischen Gründen im System doppelt ausgewiesen. Dies hat auch der Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2015 bestätigt.

204

Die Richtigkeit dieser Darstellung ergibt sich auch aus der vorgelegten Bestätigung des Abrechnungszentrums D., wonach die Klägerin sämtliche Herstellerrabattforderungen erfüllt hat (Anlage K 66).

(3)

205

Dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch steht nicht entgegen, dass die M. S. GmbH die Rabattzahlungen nach Auffassung der Beklagten von den Krankenkassen zurückfordern könne.

206

Es fehlt schon an einem entsprechenden Rückzahlungsanspruch der Klägerin bzw. der M. S. GmbH.

207

Die Beklagten haben dadurch, dass sie Arzneimittel mit der M. S. GmbH zuzuordnenden PZN in den Verkehr gebracht haben, deren Verpflichtung zur Zahlung des „Herstellerrabattes“ als örtliche Vertreterin der Zulassungsinhaberin i.S.d. § 9 Abs. 2 S. 2 AMG begründet.

208

Die Rabattpflicht gilt für sämtliche Arzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz bestimmt sind (s.o.). Entscheidend ist somit, dass diese letztlich (ggf. auch nach einem Reimport) im Geltungsbereich des AMG abgegeben werden. Die Abgabe im Inland löst somit die Rabattpflicht des pharmazeutischen Unternehmers aus. Dies ist gemäß § 4 Nr. 18 S. 1 AMG (auch) die M. S. GmbH als örtliche Vertreterin der Zulassungsinhaberin. Darauf, ob die M. S. GmbH darüber hinaus auch die Arzneimittel unter ihrem Namen im Geltungsbereich des AMG in den Verkehr gebracht hat, kommt es danach für die Rabattpflicht nicht an.

209

Die Klägerin bzw. die M. S. GmbH kann die geleisteten Rabattzahlungen deshalb auch nicht zurückfordern.

210

Unabhängig davon würde das Bestehen eines Anspruches gegen Dritte - wie sich aus dem § 255 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken ergibt - den Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger auch nicht entfallen lassen. Der Schädiger hat insoweit lediglich einen Anspruch auf Abtretung des Anspruchs gemäß § 255 BGB analog.

211

Zudem könnte die Klägerin (sofern eine konkrete Zuordnung der jeweiligen Arzneimittelpackungen überhaupt möglich sein sollte) die Rückforderung nur mit erheblichem Aufwand realisieren. Dies folgt schon daraus, dass sich die Klägerin hierfür mit zahlreichen Krankenkassen auseinandersetzen müsste. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass zum 01.01.2011 159 gesetzliche und 43 private Krankenkassen existierten. Die Nichtgeltendmachung von Rückforderungs-ansprüchen begründet vor diesem Hintergrund auch kein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB.

(4)

212

Dem Schadensersatzanspruch der M. S. GmbH steht auch nicht der mit der Klägerin abgeschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag entgegen. Diese gesellschaftsrechtliche Verbindung ändert nichts daran, dass der Schaden zunächst bei der eigenständigen juristischen Person der M. S. GmbH entstanden und diese somit auch Berechtigte des Schadensersatzanspruchs ist.

213

Auch wenn man abweichend hiervon davon ausgehen würde, dass aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags der Schaden (nur) bei der Klägerin eingetreten ist, würde dies nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Es läge dann ein Fall der zufälligen Schadensverlagerung vor, so dass die M. S. GmbH den danach bei der Klägerin entstandenen Schaden nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation geltend machen könnte (vgl. Palandt/Grüneberg, 76. Aufl., Vorb v § 249, Rn. 105) bzw. die Klägerin hierzu nach Abtretung des Schadensersatzanspruchs selbst befugt wäre.

(5)

214

Auf den Schadensersatzanspruch der M. S. GmbH sind die an die Klägerin aufgrund des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 22.08.2013, 327 O 688/12, geleisteten Schadensersatzzahlungen nicht anzurechnen.

215

Gegenstand jenes Rechtsstreits war der Verletzergewinn der H.-P. GmbH aufgrund der Verletzung der Marken der Klägerin. Gegenstand des hiesigen Anspruchs ist der der M. S. GmbH wegen der unberechtigten Verwendung ihr zuzuordnender PZN entstandene Schaden, der lediglich aufgrund einer Abtretung von der Klägerin geltend gemacht wird. Es handelt sich hierbei nicht um einen markenrechtlichen Anspruch. Es sind auch sowohl Schuldner als auch Gläubiger der beiden Ansprüche verschieden. Es fehlt somit jede Grundlage für eine Anrechnung der Zahlungen der H. P. GmbH.

(6)

216

Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht erst seit dem 23.10.2015. Die mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Ansprüche aus abgetretenem Recht sind erst mit Zustellung des Schriftsatzes vom 13. Oktober 2015 rechtshängig geworden, § 291 BGB. Die Zustellung dieses Schriftsatzes erfolgte am 22.10.2015, so dass der Anspruch analog § 187 BGB ab dem 23.10.2015 zu verzinsen ist. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte zu 1. in Bezug auf die abgetretenen Ansprüche der M. S. GmbH noch nicht im Verzug.

d)

217

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten aus abgetretenem Recht der M. S. GmbH aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB.

218

Der hierauf gerichtete neue Vortrag der Klägerin in der Berufungserwiderung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vertriebsunternehmens hätten aufgrund eines Irrtums über die Person des „Inverkehrbringers“ die Rabattzahlungen geleistet, ist gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigungsfähig. Die Beklagten haben diesen Vortrag mit der Begründung bestritten, es sei wahrscheinlicher, dass sich die Mitarbeiter der M. S. GmbH hierüber keine Gedanken gemacht hätten. Gründe zur Zulassung  dieses für die Berufung als solche nicht erheblichen Vortrags (vgl. § 533 Nr. 2 ZPO) liegen nicht vor.

219

Darüber hinaus fehlt es bereits an einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung, weil die M. S. GmbH unter den gegebenen Umständen verpflichtet war, den „Herstellerrabatt“ zu entrichten. Auf einen Irrtum über die Person des „erstmaligen Inverkehrbringers in Deutschland“ kam es danach nicht an.

220

Das „erstmalige Inverkehrbringen in Deutschland“ genügt als solches nicht, um die Pflicht zur Zahlung des „Herstellerrabattes“ auszulösen. Pharmazeutischer Unternehmer und damit Schuldner des Herstellerrabattes ist nämlich gemäß der Legaldefinition des § 4 Abs. 18 S. 2 AMG nur, wer Arzneimittel unter seinem Namen in den Verkehr bringt. Zwar wäre dies bei rechtmäßigem Verhalten der Beklagten zu 1 diese selbst gewesen, da sie eine eigene PZN hätte verwenden müssen (s.o.). Sie wäre dadurch pharmazeutische Unternehmerin und und somit Schuldnerin des „Herstellerrabattes“ geworden.

221

Indem sie dies unterlassen hat, hat sie aber eine Zahlungspflicht der M. S. GmbH ausgelöst (s.o.).

222

Die Rabattzahlungen sind somit aufgrund einer tatsächlich bestehenden Verpflichtung der M. S. GmbH und nicht aufgrund eines Irrtums über den Inverkehrbringer der Arzneimittel in Deutschland geleistet worden. Es fehlt somit an einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung.

e)

223

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus § 826 BGB aus abgetretenem Recht der M. S. GmbH gegen die Beklagten.

224

Die Haftung aus § 826 BGB setzt eine sittenwidrige Schadenszufügung voraus. Objektiv sittenwidrig ist nach der Rechtsprechung eine Handlung, die nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (BGH, Urteil vom 20.11.2012 - VI ZR 268/11 m.w.N.). Dass das Verhalten gegen vertragliche Pflichten oder das Gesetz verstößt, unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft, genügt nicht. Hinzutreten muss eine nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann (BGH, a.a.O. m.w.N.).

225

Nach diesen Maßgaben ist die Schwelle einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nicht erreicht.

226

Allein die Verwendung der der M. S. GmbH zuzuordnenden PZN und der damit verbundene Eingriff in deren Rechtsposition rechtfertigt danach für sich genommen nicht den Vorwurf einer besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens. Die aus dem Handeln des Beklagten zu 2. zutage tretende Gesinnung gibt zwar Anhaltspunkte für eine solche Verwerflichkeit. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass bei der Beklagten zu 1 der Umgang mit den umetikettierten Arzneimitteln durch Arbeitsanweisung genau geregelt gewesen sei, um bei Inspektionen der Gewerbeaufsicht und bei bestimmten kritischen Kunden keinen Verdacht zu erregen. Es habe vor allem detaillierte Vorgaben gegeben, wie vor Inspektionen der Gewerbeaufsicht belastende Dokumente und umetikettierte Ware beiseite geschafft werden sollten (Bl. 12 d.A.).

227

Demgegenüber ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Rechtslage in Bezug auf die Frage, ob ein Parallelimporteur im Falle des Fehlens einer PZN berechtigt ist, die einem pharmazeutischen Unternehmer zuzuordnende PZN ohne dessen Einwilligung auf den Arzneimitteln anzubringen, bislang weitgehend ungeklärt ist. Ausführliche Literatur oder Rechtsprechung zu der Fragestellung ist nicht ersichtlich.

228

Genügt aber schon ein vorsätzlicher Gesetzesverstoß für sich genommen nicht, um das Unwerturteil einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung zu tragen, so muss dies erst recht gelten, wenn ein Schädiger eine unklare Rechtslage zu seinen Gunsten auslegt und versucht, hieraus Gewinn zu erzielen. Diese Bewertung ändert sich auch nicht dadurch, dass die Beklagten - unabhängig von der Bewertung der unklaren Rechtslage - Vorkehrungen getroffen haben, damit das Ausnutzen der unklaren Rechtslage möglichst schon unentdeckt bleibt.

229

Das Verhalten des Beklagten zu 2 ist deshalb nicht als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu bewerten.

5.

230

Die von den Beklagten zunächst in zulässiger Weise widerklagend erhobene negative Feststellungsklage ist zwischenzeitlich unzulässig geworden.

231

Die Klägerin hat beim Landgericht Braunschweig mit Klageschrift vom 21.09.2015 Zahlungsklage wegen des weiteren Schadens in Höhe von 45.550,02 Euro gegen die Beklagten erhoben. Die Klägerin hat in jenem Verfahren auf das Recht zur Klagerücknahme verzichtet. Damit ist das rechtliche Interesse an der von den Beklagten begehrten Feststellung entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 15.07.2010 - Az. I ZR 168/09).

232

Die mit Schriftsatz vom 20.04.2018 erklärte Änderung der Widerklage ist unzulässig. Die Beklagten haben in die Klageänderung nicht eingewilligt. Die Änderung ist auch nicht sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO). Auch die geänderte Widerklage ist nämlich unzulässig, so dass über sie nicht sachlich zu entscheiden ist. Die geänderte Widerklage kann deshalb nicht dazu führen, dass der sachliche Streit zwischen den Parteien weitergehend ausgeräumt werden kann. Bei Unzulässigkeit der geänderten (Wider-)klage liegt vor diesem Hintergrund keine Sachdienlichkeit vor (vgl. Roth, in: Stein/Jonas, 23. Aufl., § 263 Rn. 26; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, 5. Aufl., § 263 Rn. 36; Zöller/Greger, § 263 Rn. 13; zum inhaltsgleichen § 91 VwGO: BVerwG, Urteil vom 03. Juli 1987 - 4 C 12/84 -, NJW 1988, 1228). Etwas anderes gilt nur dann, wenn trotz der Unzulässigkeit der geänderten (Wider-)klage der Streitstoff endgültig beseitigt werden kann (für diesen Sonderfall: vgl. die in der Kommentarliteratur häufig fälschlich als abweichende Auffassung bezeichnete Entscheidung: BGH, Urteil vom 01.03.2002 - RiZ (R) 1/01, NJW-RR 2002, 929, 930; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, 4. Aufl., § 263 Rn. 68).

233

Die Einwilligung bzw. Sachdienlichkeit ist auch nicht gemäß § 264 Nr. 2 ZPO entbehrlich. Die geänderte Widerklage ist auf eine Zwischenfeststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO gerichtet. Eine solche stellt nicht lediglich ein minus, sondern ein aliud zu einer negativen Feststellungsklage dar. Dies folgt bereits aus dem unterschiedlichen Rechtskraftumfang der jeweiligen Feststellungsklagen, die bei der Zwischenfeststellungsklage zum Teil über die negative Feststellungsklage hinausgeht.

234

Die hilfsweise unter der innerprozessualen Bedingung, dass eine Änderung der Widerklage als unzulässig erachtet wird, erhobene weitere Widerklage ist ebenfalls unzulässig. § 256 Abs. 2 ZPO eröffnet die Möglichkeit der Zwischenfeststellungs-klage für im Laufe des Rechtsstreits streitig gewordene Rechtsverhältnisse, von deren Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt. Das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses muss für die Entscheidung der Hauptklage somit vorgreiflich sein (allgemeine Meinung, vgl. statt vieler: Zöller/Greger, 32. Aufl., § 256 Rn. 25). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die Rechtsverhältnisse, deren Feststellung die Beklagten begehren, betreffen keine Vorfrage der Entscheidung des Rechtsstreits, sondern die Entscheidung selbst. Das Bestehen bzw. Nichtbestehen markenrechtlicher Ansprüche auf Schadensersatz wegen Zahlungen von Herstellerabschlägen bzw. Rabatten gemäß § 130a SGB V und/oder § 1 AMRabG der Klägerin gegen die Beklagten ist unmittelbarer Gegenstand der tenorierten Entscheidung. Die Entscheidung hängt mit anderen Worten nicht von diesem Rechtsverhältnis ab, sondern das zur Feststellung gestellte Rechtsverhältnis ist selbst Gegenstand der Entscheidung, weil die Schadensersatzklage, soweit sie auf eine Markenrechtsverletzung gestützt wird, abgewiesen wird. Es fehlt in einem solchen Fall an einem vorgreiflichen Rechtsverhältnis, denn dafür kommen keine Rechtsverhältnisse in Betracht, über die schon im Hauptverfahren mitentschieden wird. Soweit die Rechtskraft der Klageabweisung auf den geltend gemachten Betrag beschränkt ist, hängt die Entscheidung nicht davon ab, ob ein Schadensersatzanspruch , gestützt auf Markenrechte, für einen überschießenden Betrag besteht.

6.

235

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 97 Abs. 1, 2 ZPO.

236

In Bezug auf die Gegenstände des ersten Rechtszugs hat die Klägerin im wirtschaftlichen Ergebnis gegenüber der Beklagten zu 1. voll obsiegt. Dies betrifft den Zahlungsantrag in Höhe von 77.922,77 Euro, die Abmahnkosten in Höhe von 2.925,60 Euro, den Auskunftsanspruch in Höhe von 20.000,00 Euro und den Antrag auf Schadensersatzfeststellung in Höhe von weiteren 20.000,00 Euro. Zu berücksichtigen ist daneben jedoch das Teilunterliegen wegen der Teilrücknahme des Auskunftsanspruchs/Schadensersatzfeststellungsantrags bzgl. der weiteren Marken „Merck“, die unstreitig nicht auf den Verpackungen angebracht waren. Diesen Anteil bewertet der Senat mit 10 % des Auskunfts- und Schadensfeststellungsanspruchs. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Hinblick auf den Zahlungsanspruch nur mit ihrem Hilfsantrag aus abgetretenem Recht der M. S. GmbH obsiegt hat. Mit ihren vorrangig geltend gemachten Markenrechten aus eigenem Recht sowie - in Bezug auf das Arzneimittel Gonal-F - aus abgetretenem Recht der A. T. S.A. war die Klägerin hingegen unterlegen. Zwar sind diese Ansprüche auf das identische wirtschaftliche Interesse gerichtet. Der Schaden kann nämlich nur entweder bei der M. S. GmbH oder bei der Klägerin entstanden sein, so dass die Klägerin den Betrag - unabhängig davon, ob sie ihre Ansprüche auf eigene Rechtspositionen oder abgetretene Rechte stützt, insgesamt nur einmal verlangen kann. Der Hilfsantrag bzw. die Hilfsanträge wirken sich vor diesem Hintergrund auch gemäß § 45 Abs. 1 S. 2, 3 GKG nicht auf den Streitwert aus. Gleichwohl ist der Umstand, dass die Klägerin insoweit unterlegen war, im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Der Senat bemisst dieses Teilunterliegen mit 20 % des Zahlungsantrags.

237

Es kommt hingegen nicht darauf an, dass die Klägerin mit dem Zahlungsantrag nur aufgrund des erstmals im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrags erfolgreich war. Gemäß § 97 Abs. 2 ZPO sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen im Stande war. Der Umstand, dass der Hilfsantrag erst im Berufungsverfahren gestellt wurde, kann sich danach nur auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auswirken.

238

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich in Bezug auf die Gegenstände erster Instanz eine Obsiegens/Unterliegensquote der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1. von 86 % zu 14 %.

239

Diese Quote errechnet sich wie folgt:

240

77.922,77 Euro + 2.925,60 Euro + 20.000 Euro + 20.000 Euro = 120.848, 37 Euro im Verhältnis zu 140.432,92 Euro (Streitwert erster Instanz in Höhe von 120.848,37 Euro zzgl. fiktive Streitwerterhöhung aufgrund des Teilunterliegens wegen der Marken „Merck“ in Höhe weiterer 4.000,00 Euro [10 % des Auskunfts- und Schadensfeststellungsanspruchs] sowie weitere fiktive Erhöhung in Höhe von 15.584,55 Euro [20 % des Zahlungsanspruchs]).

241

Gegenüber dem Beklagten zu 2. ergibt sich hinsichtlich der Gegenstände erster Instanz eine Obsiegensquote der Klägerin von 31 % zu 69 %. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten zu 2. in Bezug auf die Abmahnkosten, den Auskunftsanspruch und den Schadensersatzfeststellungsanspruch obsiegt. Mit dem Zahlungsantrag war die Klägerin unterlegen. Daneben ist auch gegenüber dem Beklagten zu 2. das Teilunterliegen hinsichtlich der weiteren Marken „Merck“ sowie das Teilunterliegen hinsichtlich der vorrangig geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich folgende Berechnung (2.925,60 Euro + 20.000,00 Euro + 20.000,00 Euro im Verhältnis zu 140.432,92 Euro (Streitwert erster Instanz in Höhe von 120.848,37 Euro zzgl. fiktive Streitwerterhöhung aufgrund des Teilunterliegens in Höhe weiterer 4.000,00 Euro [10 % des Auskunfts- und Schadensfeststellungsanspruchs] sowie weitere fiktive Erhöhung in Höhe von 15.584,55 Euro [20 % des Zahlungsanspruchs]).

242

Aufgrund des unterschiedlichen Obsiegens und Unterliegens der beiden Beklagten als Streitgenossen ist die Kostenentscheidung nach der sog. Baumbachschen-Formel zu ermitteln (vgl. hierzu Zöller/Herget, 32. Aufl., § 100 Rn. 6f.; eingehend hierzu Anders/Gehle, Antrag und Entscheidung im Zivilprozess, 3. Aufl., Rn. 251 ff. mit zahlreichen Beispielen). Nach diesen Grundsätzen sind die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Klägerin den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 31 % und der Beklagten zu 1. zu weiteren 28 % aufzuerlegen; die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Beklagten zu 1) zu 14 % und die außergerichtlichen Kosten erster Instanz des Beklagten zu 2) zu 69 %.

243

In Bezug auf die Kosten der zweiten Instanz wirkt sich zunächst nicht aus, dass die Klägerin hinsichtlich des Zahlungsantrags nur aufgrund des erstmals im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrags obsiegt hat. Zwar fällt es grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 97 Abs. 2 ZPO, wenn der Kläger erst auf der Grundlage des in zweiter Instanz gestellten Hilfsantrages obsiegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 05. Februar 1993 - V ZR 62/91 -, BGHZ 121, 248-256 ; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 20. Mai 2008 - 8 U 136/07 - 38 -, juris). § 97 Abs. 2 ZPO gilt grundsätzlich auch im Verhältnis zum in 2. Instanz obsiegenden Berufungsbeklagten (Zöller/Herget, 32. Aufl., § 97 Rn. 14; Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, 4. Aufl., § 97 Rn. 8 ff.; Muthorst, in: Stein/Jonas, 23. Aufl., § 97 Rn. 12). Dem erstinstanzlichen Sieger kann aber nur dann ein Vorwurf gemacht werden, wenn sein Verhalten mit seiner Prozessförderungspflicht unvereinbar war (Zöller/Herget, a.a.O; Smid/Hartmann, a.a.O.; Muthorst, a.a.O.). Dies ist hier nicht der Fall. Aufgrund der von dem Landgericht kommunizierten Bewertung der Rechtslage konnte die Klägerin darauf vertrauen, schon mit ihren markenrechtlichen Ansprüchen durchzudringen. Es bestand vor diesem Hintergrund kein Anlass zur Erhebung des Hilfsantrags. Jedenfalls war es nicht mit der Prozessförderungspflicht der Klägerin unvereinbar, den Hilfsantrag nicht bereits in erster Instanz gestellt zu haben.

244

Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 97 Abs. 2 ZPO. § 97 Abs. 2 ZPO gibt die Möglichkeit, demjenigen, der durch sein Verhalten ein überflüssiges Rechtsmittel veranlasst hat, die Kosten desselben ganz oder teilweise aufzuerlegen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. Februar 1989 - 9 U 205/88 -, juris). So liegt der Fall in der vorliegenden Konstellation aber gerade nicht. Hätte die Klägerin ihre Forderung bereits im ersten Rechtszug hilfsweise auf Ansprüche aus abgetretenem Recht der M. S. GmbH gestützt, hätte sie - nach der von dem Landgericht vertretenen Rechtsauffassung - bereits mit ihrem Hauptantrag obsiegt. Der Hilfsantrag wäre folglich in erster Instanz nicht behandelt worden. Die Beklagten hätten in dieser Konstellation in gleicher Weise Rechtsmittel eingelegt (und einlegen müssen).

245

Hinsichtlich des Zahlungsantrags trägt die Klägerin somit nur gegenüber dem Beklagten zu 2. die Kosten. Gegenüber der Beklagten zu 1. fallen dieser die Kosten zur Last. Hinsichtlich des verbliebenen Auskunftsanspruchs (Streitwert: 3.000,00 Euro) sowie hinsichtlich der Widerklagen (Streitwert 45.550,52 Euro) hat die Klägerin gegenüber beiden Beklagten obsiegt. Da die Widerklagen auf das identische rechtliche und wirtschaftliche Interesse gerichtet sind, ist eine Berücksichtigung bei der Kostenentscheidung in Form einer Erhöhung des hypothetischen Streitwerts nicht geboten.

246

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt im Hinblick auf das wirtschaftliche Ergebnis eine Obsiegensquote der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. in Höhe von 100 %. Wie bei den Kosten des ersten Rechtszugs ist aber der Umstand zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Hinblick auf ihre vorrangig geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche unterlegen war. Der Senat bemisst dieses Teilunterliegen wie für den ersten Rechtszug mit 20 % des Zahlungsantrags. Hieraus folgt gegenüber der Beklagten zu 1. eine Obsiegensquote in Höhe von 89 %. Diese Quote errechnet sich wie folgt:

247

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten zu 1. im Umfang des gesamten Streitwerts zweiter Instanz in Höhe von 126.398,89 Euro obsiegt. Dieser Betrag ist zu dem Gesamtstreitwert zweiter Instanz (126.398,89 Euro) zzgl. der fiktiven Streitwerterhöhung von 20 % des Zahlungsanspruchs wegen des Teilunterliegens im Hinblick auf die markenrechtlichen Ansprüche der Klägerin (15.584,55 Euro), insgesamt also 141.983,44 Euro, ins Verhältnis zu setzen.

248

Gegenüber dem Beklagten zu 2. beträgt die Obsiegensquote der Klägerin 34 %. Diese Quote ergibt sich aus folgender Berechnung. Die Klägerin hat im Umfang der Widerklagen (Streitwert 45.550,52 Euro) zzgl. des verbliebenen Auskunftsanspruchs obsiegt. Der hieraus folgende Betrag von 48.550,52 Euro ist wiederum um den wegen des Teilunterliegens im Hinblick auf die markenrechtlichen Ansprüche fiktiv erhöhten Streitwert in Höhe von 141.983,44 Euro ins Verhältnis zu setzen.

249

Aufgrund des unterschiedlichen Obsiegens und Unterliegens der beiden Beklagten als Streitgenossen ist die Kostenentscheidung auch für den zweiten Rechtszug nach der sog. Baumbachschen-Formel zu ermitteln. Nach diesen Grundsätzen sind die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Klägerin den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 34  % und der Beklagten zu 1. zu weiteren 27 % aufzuerlegen; die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Beklagten zu 1. zu 11 % und die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz des Beklagten zu 2. zu 66 %.

7.

250

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

8.

251

In Bezug auf die Haftung der Beklagte zu 1. dem Grunde nach aus abgetretenen Ansprüchen der M. S. GmbH ist die Revision zuzulassen.

252

Die Zulassung der Revision kann wirksam auf einen rechtlich und tatsächlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, über den zulässigerweise durch Teil- oder Grundurteil hätte entschieden werden können (BGH, Urteil vom 25. 3. 1980 - VI ZR 61/79, NJW 1980, 1579). Eine Beschränkung ist daher etwa zulässig auf einen von mehreren selbständigen Ansprüchen (BGH, Urteil vom 14. 4. 2010 - VIII ZR 123/09, NJW 2010, 2122), auf einen abtrennbaren Teil des prozessualen Anspruchs (BGH, Urteil vom 24-05-1995 - XII ZR 172/94, NJW 1995, 2034), auf eine der Prozessparteien (BGH, Urteil vom 5. 11. 2003 - VIII ZR 320/02, NJW-RR 2004, 426) sowie auf den Grund oder den Betrag des Anspruchs (BGH, Urteil vom 14. 4. 2010 - VIII ZR 123/09, NJW 2010, 2122). Eine Beschränkung auf einzelne rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte ist hingegen unwirksam (BGH, Urteil vom 03.06.1987 - IV a ZR 292/85, NJW 1987, 2586).

253

Nach diesen Maßgaben ist die Zulassung der Revision auf die Haftung der Beklagten zu 1. dem Grunde nach aus abgetretenen Ansprüchen der M. S. GmbH zu beschränken. Nur insoweit liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vor.

254

Die Frage, wie die Konkurrenzsituation zweier pharmazeutischer Unternehmer im Fall des Parallelimports im Hinblick auf die Entstehung der Rabattpflicht gemäß § 130a Abs. 1 SGB V aufzulösen ist und ob der Parallelimporteur in diesem Zusammenhang berechtigt ist, die Pharmazentralnummer eines anderen pharmazeutischen Unternehmers zu verwenden, wird in der Literatur nur ganz vereinzelt diskutiert. Rechtsprechung zu dieser Fragestellung existiert bislang - soweit ersichtlich - nicht. Diese Frage hat grundsätzliche Bedeutung. Eine solche ist anzunehmen, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (st. Rspr., vgl. etwa: BGH, Beschluss vom 4. 7. 2002 - V ZR 75/02, NJW 2002, 2957; Beschluss vom 8. 4. 2003 - XI ZR 193/02, NJW 2003, 2319).

255

Die hier zu entscheidenden Rechtsfragen betreffen sämtliche Fälle, in denen Parallelimporteure Arzneimittel nach Deutschland (re-)importieren. Von dieser Fragestellung ist deshalb eine unbestimmte Vielzahl von Fällen betroffen.

9.

256

Der Schriftsatz vom 03.05.2018 hat keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geboten, §§ 156, 296 a ZPO. Gleiches gilt für den Schriftsatz vom 14.05.2018.

 


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