Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 30 U 149/19
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 12.08.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1) als Verkäuferin auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Kraftfahrzeug und die Beklagte zu 2) als Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz in Anspruch.
4Am 19.12.2013 bestellte der Kläger bei der Beklagten zu 1) ein Neufahrzeug der Marke A 2.0 TDI zum Preis von 42.700,74 €. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 05.06.2014 übergeben. Am selben Tage erteilte ihm die Beklagte zu 1) eine Rechnung – unter Abzug gewährter Nachlässe – über 35.571,50 €, die vom Kläger sodann gezahlt wurden.
5Die Beklagte zu 2) ist Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors des Typs EA 189.
6Im Jahr 2017 wurde dem Kläger anlässlich einer Inspektion die Durchführung eines Softwareupdates zur Verbesserung der NOx-Emissionen angeboten. Der Kläger lehnte das Aufspielen des Updates ab und wandte sich an die Beklagte zu 2), um Informationen zu dem Update einzuholen. Die Beklagte zu 2) teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23.01.2018 mit, dass sein Fahrzeug nicht von der Abgasproblematik betroffen sei. Das Angebot, ein Softwareupdate aufzuspielen, sei vielmehr auf freiwilliger Basis erfolgt, um die Emissionswerte des Fahrzeugs zu verbessern (Anl. K3).
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.12.2018 beanstandete der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1), dass das Fahrzeug entgegen der ihm erteilten Auskunft von der Abgasproblematik bei Dieselmotoren des Typs EA 189 betroffen sei, und forderte sie zur Mangelbeseitigung bis zum 17.12.2018 auf (Anl. K4). Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 14.12.2018 erklärte er gegenüber der Beklagten zu 1) den Rücktritt vom Kaufvertrag sowie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (Anl. K6)
8Der Kläger hat behauptet, der in seinem Fahrzeug verbaute Dieselmotor enthalte eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne einer zwischen normalem Fahrbetrieb und Prüfstandbetrieb unterscheidenden Abschaltautomatik (sog. Umschaltlogik). Die Durchführung des angebotenen Softwareupdates sei ihm nicht zumutbar, da nach dessen Aufspielen mit einem erhöhten Verschleiß und Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs zu rechnen sei. Darüber hinaus stelle, so hat der Kläger, nachdem sich die Beklagten mehrfach zur angeblichen Ordnungsgemäßheit des bis dahin gar nicht angeführten sog. Thermofensters geäußert hatten, gemeint, auch das in dem Fahrzeug unstreitig zum Einsatz kommende sog. Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung dar.
9Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der mit der Beklagten zu 1) geschlossene Kaufvertrag infolge Anfechtung unwirksam und infolge Vertragsrücktritts rückabzuwickeln sei. Die Beklagte zu 1) habe daher den gezahlten Rechnungsbetrag von 35.571,50 € unter Abzug einer von ihr noch darzulegenden Nutzungsentschädigung und zzgl. Zinsen in gesetzlicher Höhe zurück zu gewähren. Ferner befinde sie sich mit der Fahrzeugrücknahme in Verzug. Die Beklagte zu 2) sei als Fahrzeugherstellerin zum Schadenersatz für weitere und zukünftig zu erwartende Schäden aus der nach Ansicht des Klägers von ihr am Fahrzeug vorgenommenen unzulässigen Abgasmanipulationen verpflichtet. Von beiden Beklagten seien schließlich außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.590,91 € zu erstatten.
10Der Kläger hat beantragt,
111.) die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 35.571,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw A mit der Fahrzeug-Ident.-Nr. 000, abzüglich einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Pkw,
122.) festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz für Schäden zu zahlen, die aus der Manipulation des im Klageantrag zu Ziff. 1 genannten Pkw durch die Beklagte zu 2) resultieren,
133.) festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag zu Ziff. 1 genannten Pkw im Annahmeverzug befindet,
144.) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die entstandenen vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.590,91 € zu erstatten.
15Die Beklagten haben beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie haben die Verwendung einer sog. Umschaltlogik in Abrede gestellt. Denn es handele sich vorliegend um ein als Nutzfahrzeug zugelassenes Fahrzeug. Bei solchen kämen andere, nämlich höhere Emissionsgrenzwerte zur Anwendung als bei Pkw mit Dieselmotoren. Der Einbau einer zwischen normalem Fahrbetrieb und Prüfstandbetrieb unterscheidenden Abschaltautomatik sei deshalb nicht erforderlich gewesen und sei auch nicht erfolgt, auch wenn auch dieses (Nutz-) Fahrzeug über den Motor EA 189 verfüge. Das in Rede stehende Softwareupdate sei auf freiwilliger Basis nach Genehmigung durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeboten worden. Es handele sich bereits um eine ganz andere Servicemaßnahme namens „23U5“ zur Ausweitung des Thermofensters, nicht um das im Rahmen der sog. Abschaltautomatik diskutierte Software-Update „23R7“.
18Das in dem Fahrzeug zum Einsatz kommende Thermofenster stelle, so haben die Beklagten gemeint, keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Dieses sei vielmehr aus Gründen des Motorschutzes und zum sicheren Betrieb des Fahrzeugs erforderlich und daher jedenfalls gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO (EG) 715/2007 zulässig.
19Die Beklagte zu 1) hat die Einrede der Verjährung erhoben.
20Das Landgericht hat die Klage mit dem am 12.08.2019 verkündeten Urteil abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages gegen die Beklagte zu 1) nicht bestehe, weil schon ein Mangel vom Kläger nicht substantiiert vorgetragen worden sei. Anders als bei anderen Fahrzeugen dieses Typs sei unstreitig ein Rückruf seitens des KBA nicht erfolgt, so dass keine entsprechenden Rückschlüsse auf das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung gezogen werden könnten. Die Beklagte zu 1) habe eine solche substantiiert bestritten. Der beweisbelastete Kläger habe seinerseits nicht substantiiert vorgetragen, dass eine Abschalteinrichtung dennoch vorhanden sei. Soweit er ausführe, das Fahrzeug werde als Pkw besteuert, sage diese Einordnung nichts über die Zulassung als Nutzfahrzeug und die insoweit geltenden Emissionsgrenzwerte aus.
21Es fehle zudem an einer wirksamen Fristsetzung zur Nachfüllung. Zwar habe der Kläger die Beklagte zu 1) zur Nacherfüllung aufgefordert, gleichzeitig aber die Durchführung des Softwareupdates verweigert und damit eine Nacherfüllung unmöglich gemacht. Die Entbehrlichkeit der Fristsetzung habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt.
22Der Vertragsrücktritt sei zudem gemäß §§ 438 Abs. 1, Abs. 4, 218 Abs. 1 BGB unwirksam, weil die Beklagte zu 1) die Einrede der Verjährung zu Recht erhoben habe. Kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche seien zwei Jahre nach Auslieferung des Fahrzeugs verjährt gewesen, also bereits am 05.06.2016. Ein Neubeginn der Verjährung liege nicht vor, da die Beklagte zu 1) den Nachbesserungsanspruch des Klägers nicht etwa anerkannt habe. Denn bei dem angebotenen Softwareupdate habe es sich lediglich um eine freiwillige Serviceleistung gehandelt. Es sei auch nicht ersichtlich, dass nach § 438 Abs. 3 BGB vorliegend die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren Anwendung finde. Denn ein arglistiges Verschweigen durch die Beklagte zu 1) liege nicht vor. Eine Zurechnung des Wissens der Beklagten zu 2) als Fahrzeugherstellerin sei abzulehnen.
23Ebenso wenig ergebe sich ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus Bereicherungsrecht. Es fehle insoweit an einer wirksamen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Eine solche habe seitens der Beklagten zu 1) nicht vorgelegen; eine Zurechnung des Wissens der Beklagten zu 2) komme nicht in Betracht.
24Gegen die Beklagte zu 2) stehe dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zu. Hinsichtlich eines Anspruchs gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB fehle es an Vortrag zu einem betrügerischen Handeln der Beklagten zu 2) gegenüber dem Kläger. Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 27 Abs. 1 EG-FGV schieden ebenfalls aus. Dass die sog. Übereinstimmungsbescheinigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs ungültig sei, habe der Kläger nicht nachgewiesen. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass deren eventuelle materielle Unrichtigkeit für seine Kaufentscheidung eine Rolle gespielt habe.
25Auch ein Anspruch aus § 826 BGB sei zu verneinen. Es fehle an der Darlegung eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten zu 2). Zudem sei der Schutzzweck der Norm nicht betroffen. Die Emissionsvorschriften dienten nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen des einzelnen Fahrzeugkäufers, sondern gesamtgesellschaftlichen Interessen.
26Schließlich seien auch die Voraussetzungen von § 311 Abs. 3 BGB nicht gegeben. Dass die Beklagte zu 2) beim Kaufvertragsschluss zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflusst habe, sei weder vorgetragen noch ersichtlich.
27Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge vollumfänglich weiterverfolgt.
28Zur Begründung seines Rechtsmittels führt der Kläger aus:
29Unzutreffend sei das Landgericht davon ausgegangen, bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handele es sich um ein Nutzfahrzeug. Selbst wenn dies der Fall sei, so sei zu beachten, dass ein Motor des Typs EA 189 verbaut worden sei. Dass hier nunmehr eine andere Software zum Einsatz gekommen sein soll als bei anderen Fahrzeugen mit Motoren dieses Typs, sei nicht ersichtlich. Dass es vorliegend noch zu keinem Rückruf des KBA gekommen sei, sei unschädlich, weil einem solchen mit dem angebotenen Softwareupdate habe zuvorgekommen werden sollen.
30Fahrzeuge mit EA 189-Motoren seien überdies auch nach Aufspielen des Softwareupdates noch mangelhaft. Denn das Update habe u.a. einen erhöhten Verschleiß des Motors zur Folge. Eine Frist zur Nacherfüllung sei daher entbehrlich gewesen. Auf die Einrede der Verjährung könne sich die Beklagte zu 1) nicht berufen, weil zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses auch ihr längst bekannt gewesen sei, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Software zur Schadstoffoptimierung zur Anwendung komme.
31Jedenfalls habe das Landgericht, so meint der Kläger, ein Sachverständigengutachten zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung einholen müssen.
32Auch ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) aus § 826 BGB sei fälschlich unter Berufung auf die fehlende Verwerflichkeit und den nicht betroffenen Schutzzweck der Norm abgelehnt worden. Insbesondere hinsichtlich der Anwendung eines Thermofensters habe das Landgericht jegliche Tatsachenfeststellung unterlassen und den Sachvortrag des Klägers nicht berücksichtigt. Das hier vorliegende Thermofenster sei als illegale Abschalteinrichtung im Sinne der Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 zu qualifizieren. Bei Außentemperaturen unter 15 °C werde die Rückführungsrate des ausgestoßenen Abgases in den Brennraum stark reduziert, angeblich, um Schäden am AGR-Ventil sowie AGR-Kühler, der Drallkappe und weiteren abgasführenden Bauteilen zu verhindern. Nach dem angeblich freiwilligen Softwareupdate sei das Thermofenster sogar ausgeweitet worden. Eine wirksame Abgasrückführung erfolge somit tatsächlich nur während drei Monaten im Jahr.
33Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils
341.) die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 35.571,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw A mit der Fahrzeug-Ident.-Nr. 000, abzüglich einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Pkw,
352.) festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz für Schäden zu zahlen, die aus der Manipulation des im Klageantrag zu Ziff. 1 genannten Pkw durch die Beklagte zu 2) resultieren,
363.) festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag zu Ziff. 1 genannten Pkw im Annahmeverzug befindet,
374.) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die entstandenen vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.590,91 € zu erstatten.
38Die Beklagten beantragen,
39die Berufung zurückzuweisen.
40Die Beklagte zu 1) hält an ihrer Verjährungseinrede fest. Im Übrigen sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um ein Nutzfahrzeug handele, das nicht mit einer Software ausgerüstet sei, die Stickoxide im Prüfstandlauf optimiere. Das Fahrzeug sei gerade deshalb von einer Rückrufaktion des KBA nicht erfasst.
41Die Beklagte zu 2) führt aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um einen A der 2. Baugeneration (Gen. 2), 2.0 TDI 103 kW mit N1 (Nutzfahrzeug-) Klassifizierung handele. Das KBA habe an diesem Fahrzeugtyp keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. Dementsprechend sei auch kein Rückrufbescheid des KBA ergangen. Der Kläger verkenne, dass die Beklagte zu 2) die Motorsteuerung des EA 189-Motors unterschiedlich ausgestaltet habe. So sei zwar die erste Generation des A vom Rückruf des KBA erfasst worden, nicht aber die zweite Generation dieses Fahrzeugtyps. Eine Täuschung über eine prüfstandoptimierende Umschaltlogik bei dem hier verbauten EA 189-Motor scheide daher aus. Aus diesem Grunde fehle es auch an einem etwaigen sittenwidrigen Verhalten.
42Die freiwillige Servicemaßnahme „23U5“ zur Ausweitung des Thermofensters stehe in keinem Zusammenhang mit einer prüfstandoptimierenden Umschaltlogik. Sie diene vielmehr einer freiwilligen weiteren Reduktion von NOx-Emissionen und dem Umweltschutz. Die Servicemaßnahme sei dem KBA vorgestellt und von diesem freigegeben worden. Das Softwareupdate habe auch keine negativen Auswirkungen u.a. auf den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs.
43Der Vortrag des Klägers zur Verwendung eines Thermofensters sei, so meint die Beklagte zu 2), weitgehend spekulativ. Warum das in dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz kommende Thermofenster unzulässig sein sollte, habe der Kläger nicht substantiiert vorgetragen; seine Beweisanträge enthielten unzulässige Ausforschungsanträge. Das Thermofenster sei gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. a) Alt. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 zulässig.
44Im Übrigen sei dem Kläger kein Schaden entstanden. Weder drohe die Stilllegung des Fahrzeugs, noch habe das Fahrzeug einen Wertverlust erlitten.
45Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien nimmt der Senat Bezug auf die zwischen ihnen in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene landgerichtliche Entscheidung nebst Sitzungsprotokoll vom 17.06.2019 (Bl. 221 ff., 166 ff. d.A.).
46Der Senat hat Beweis darüber erhoben, ob der Motor des streitbefangenen Fahrzeugs über eine sog. Umschaltlogik verfügt, gemäß Beschluss vom 22.07.2020 (Bl. 639 f. d.A.) durch Einholung einer schriftlichen Auskunft des KBA vom 22.09.2020, auf deren Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (Bl. 660 f. d.A.).
47Ferner nimmt der Senat Bezug auf seinen Beschluss vom 20.01.2020 (Bl. 741 ff. d.A.), mit dem den Parteien Hinweise zur Darlegungs-/Beweislage und zur Rechtslage erteilt worden sind, sowie schließlich auf seine Sitzungsprotokolle vom 22.07.2020 (Bl. 636 f. d.A.) und vom 22.10.2021 (Bl. 898 f. d.A.).
48II.
49Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger stehen die gegen die Beklagten verfolgten Ansprüche nicht zu.
501.
51Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) auf Rückgewähr des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges und Zahlung einer Nutzungsentschädigung ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
52a.
53Dem Kläger steht ein solcher nicht aus den bereicherungsrechtlichen Vorschiften der §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte zu 1) zu.
54Die Beklagte zu 1) hat den Kaufpreis nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Dieser lag vielmehr in dem wirksamen Kaufvertrag der Parteien.
55aa.
56Der Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§§ 134 BGB, 27 Abs. 1 EG-FGV) unwirksam. Denn selbst ein Verstoß beim Verkauf des streitbefangenen Fahrzeugs an den Kläger gegen § 27 EG-FGV führt nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrages gemäß § 134 BGB. Insoweit hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest (Urt. v. 08.01.2020 – 30 U 31/19 –, juris Rn. 68 ff.; Urt. v. 01.04.2020 – 30 U 33/19 –, juris Rn. 59 ff.).
57bb.
58Auch ist der Vertrag nicht aufgrund Anfechtung des Klägers unwirksam. Denn der Anfechtungsgrund einer arglistigen Täuschung (§ 123 BGB), den der Kläger für sich in Anspruch nimmt, besteht nicht.
59Tragfähige Anhaltspunkte für ein eigenes arglistiges Verhalten der Beklagten zu 1) im Zusammenhang mit der implementierten Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs lassen sich schon dem Sachvortrag des Klägers nicht entnehmen und sind auch im Übrigen nicht zu erkennen.
60Die Beklagte zu 1) muss sich nicht etwa eine etwaige Arglist der Beklagten zu 2) als Fahrzeugherstellerin zurechnen lassen.
61Insoweit kommt eine Zurechnung nach § 278 S. 1 BGB nicht in Betracht, da der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers im Rahmen seiner kaufrechtlichen Pflichten ist. Ebenso wenig ist der Hersteller bei Abschluss des Kaufvertrages mit dem Kunden als „Nicht-Dritter“ im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB anzusehen (BGH, Beschl. v. 09.06.2020 – VIII ZR 315/19 –, NJW 2020, 3312 Rn. 17 f.; ferner: Senat, Urt. v. 08.01.2020, a.a.O., Rn. 58; Urt. v. 01.04.2020, Rn. 67).
62Die Zurechnung eines bei der Beklagten zu 2) etwa vorhandenen (arglistigen) Wissens gemäß § 166 Abs. 1 BGB scheidet aus. Die für juristische Personen entwickelten Grundsätze führen hier nicht zu einer Wissenszurechnung. Die dahingehende Rechtsprechung betrifft die Zurechnung des Wissens von Organvertretern im Verhältnis zu juristischen Personen. Letztere müssen sich das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organe zurechnen lassen, selbst wenn das „wissende“ Organmitglied an dem betreffenden Rechtsgeschäft nicht selbst mitgewirkt bzw. nichts davon gewusst hat (BGH, Urt. v. 17.05.1995 – VIII ZR 70/94 –, juris Rn. 15 m.w.N.).
63Die Herstellerin des Fahrzeugs, die Beklagte zu 2), und die Beklagte zu 1) stehen sich jedoch als juristisch selbstständige Personen gegenüber. Die Beklagte zu 1) ist auch nicht als Handelsvertreterin der Beklagten zu 2) anzusehen.
64Über eine analoge Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB kann eine Wissenszurechnung ebenfalls nicht begründet werden. Denn die Beklagte zu 1) hat den Kaufvertrag im eigenen Namen und für eigene Rechnung abgeschlossen. Sie hatte keine „vertreterähnliche“ Position und war auch nicht „Verhandlungsbevollmächtigte“ der Beklagten zu 2); eine Situation, die mit einer Stellvertretung vergleichbar wäre, lag nicht vor (vgl. dazu: Senat, Urt. v. 08.01.2020, a.a.O., Rn. 56 f.; Urt. v. 01.04.2020, Rn. 65 f.).
65b.
66Seinen Klageanspruch gegen die Beklagte zu 1) kann der Kläger nicht mit Erfolg auf die §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1, 433, 323, 346 BGB stützen. Es kann insoweit dahinstehen, ob die gewährleistungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Vertrag im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Klägers vorlagen. Denn der Vertragsrücktritt ist jedenfalls gemäß den §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4 S. 1, 218 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil ein etwaiger Nacherfüllungsanspruch des Klägers (§ 439 BGB) bei Rücktrittserklärung bereits verjährt war und die Beklagte zu 1) im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 10.04.2019 (Bl. 54 d.A.) die Einrede der Verjährung erhoben hat.
67aa.
68Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde am 05.06.2014 an den Kläger ausgeliefert. Damit begann die zweijährige Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche gemäß §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB ab dem Folgetag (§ 187 Abs. 1 BGB) zu laufen. Sie endete gemäß §§ 188 Abs. 2 Alt. 1, 187 Abs. 1 BGB daher grundsätzlich mit Ablauf des 05.06.2016. Da es sich bei dem 05.06.2016 um einen Sonntag handelte, lief die Frist entsprechend § 193 BGB am darauffolgenden Montag, dem 06.06.2016 ab. Der Kläger forderte die Beklagte zu 1) erstmals mit Anwaltsschreiben vom 05.12.2018 zur Mangelbeseitigung; den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte er erst mit Anwaltsschreiben vom 14.12.2018 gegenüber der Beklagten zu 1).
69bb.
70Weder ein zum Neubeginn der Verjährungsfrist führendes Anerkenntnis (§ 212 BGB) noch ein Hemmungstatbestand (§§ 203 ff. BGB) ist im vorliegenden Fall gegeben.
71Das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 30.07.2019, mit dem eine „kostenlose Produktoptimierung“ (Aufspielen eines Softwareupdates) angeboten worden ist (Anl. K12, Bl. 215), hat nicht mehr zu einem Neubeginn der Verjährung im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB führen können. Denn der Neubeginn einer zu diesem Zeitpunkt, wie ausgeführt, bereits abgelaufenen Verjährungsfrist ist nicht mehr möglich (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2014 – XI ZR 265/13 –, NJW 2015, 351 Rn. 40 m.w.N.).
72Aber auch im Übrigen ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) mit dem angebotenen Softwareupdate oder auf andere Weise – vor Ablauf der Verjährungsfrist – ein Anerkenntnis abgeben wollte. Vielmehr hat sie durchgehend die vom Kläger beanstandete Abgassteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs und darauf zu stützende kaufrechtliche Gewährleistungsrechte in Abrede gestellt. Bei verständiger Würdigung konnte der Kläger dem Verhalten der Beklagten zu 1) ein Anerkenntnis, wie auch etwa die Bereitschaft zu Verhandlungen über solche Rechte (§ 203 S. 1 BGB), deshalb nicht beimessen.
73cc.
74Der Geltung der zweijährigen Verjährungsfrist steht nicht die Regelung des § 438 Abs. 3 S. 1 BGB entgegen, nach der im Fall des arglistigen Verschweigens eines Mangels die Regelverjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB gilt.
75Es ist nicht festbestellbar, dass die Beklagte zu 1) dem Kläger einen in der beanstandeten Abgassteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs etwa zu sehenden Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB arglistig verschwiegen hätte. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, die Beklagte zu 1) selbst bzw. ihre Organe hätten Kenntnis von einer etwaigen unzulässigen Abgasmanipulation gehabt bzw. diese für möglich gehalten, lassen sich dem Sachvortrag des Klägers nicht entnehmen und sind auch im Übrigen nicht erkennbar.
76Aus den bereits genannten Gründen kommt die Zurechnung eines etwaigen (arglistigen) Verhaltens der Beklagten zu 2) nach § 278 S. 1 BGB nicht in Betracht und kann auch die Zurechnung eines bei der Beklagten zu 2) etwa vorhandenen (arglistigen) Wissens weder gemäß § 166 Abs. 1 BGB noch über eine analoge Anwendung dieser Vorschrift begründet werden.
77dd.
78Es ist der Beklagten zu 1) nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.
79Zwar kann im Einzelfall eine Rechtsausübung unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und Interessen der Gegenseite im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig erscheinen. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Es ist nicht als treuwidrig zu bewerten, wenn in der vorliegenden im Vertragsrecht üblichen Konstellation und bei der in § 438 BGB angelegten Risikoverteilung letztlich der Käufer und nicht der ebenfalls gutgläubige Verkäufer das Risiko der etwaigen Mangelhaftigkeit trägt. Die Beklagte hat beim Kläger zudem im Hinblick auf den Lauf der Verjährung keinen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen (vgl. dazu: Senat, Urt. v. 08.01.2020, a.a.O., Rn. 66 m.w.N.).
80c.
81Schließlich kann der Kläger sich auch nicht mit Erfolg auf einen vertraglichen Schadensersatzanspruch oder einen solchen aus unerlaubter Handlung gegen die Beklagte zu 1) stützen. Denn insoweit fehlt es an dem erforderlichen Vertretenmüssen der Beklagten zu 1). Nicht ersichtlich ist, dass ihr im Zusammenhang mit der beanstandeten Motorsteuerungssoftware ein eigenes Verschulden vorzuwerfen sein könnte. Sie muss sich, wie ausgeführt, ein etwaiges Verschulden oder Wissen der Beklagten zu 2) nicht zurechnen lassen.
822.
83Der mit der Berufung weiterverfolgte Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 2) ist gleichfalls nicht begründet.
84Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadensersatz im Zusammenhang mit der von ihm beanstandeten Motorsteuerungssoftware – Thermofenster und Umschaltlogik – gegen die Beklagte zu 2) zu.
85a.
86Ein Anspruch auf Ersatz von (weiteren) Schäden im Zusammenhang mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs folgt nicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB.
87Die sog. Sachwalterhaftung nach diesen Vorschriften bezeichnet die Eigenhaftung von Personen, die im Rahmen von Verhandlungen anderer Personen über wirtschaftlich bedeutsame Geschäfte auf der Seite einer der Parteien in besonderem Maße Vertrauen für sich persönlich in Anspruch nehmen und dadurch dem anderen Teil eine zusätzliche persönliche Gewähr für das Zustandekommen und die Erfüllung des Vertrags bieten. Voraussetzung ist, dass der Dritte an den Vertragsverhandlungen als Vertreter, Vermittler oder sog. Sachwalter einer Partei beteiligt ist (vgl. BGH NJW 1997, 1233 Rn. 8; OLG München, Urt. v. 05.02.2020 – 3 U 6342/19 –, juris Rn. 20). Daran fehlt es vorliegend, weil die Beklagte zu 2) an den Vertragsverhandlungen des Klägers mit der Beklagten zu 1) nicht teilgenommen hat.
88Eine Haftung nach den Grundsätzen des Rechtsinstituts der Prospekthaftung scheidet aus Rechtsgründen aus. Denn die für den Erwerb von Kapitalanlagen entwickelte Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit von Werbeschriften ("Prospekten") lässt sich nach der dort regelmäßig gegebenen Interessenlage auf den Kauf eines Pkw nicht übertragen. Grundlage der Prospekthaftung ist, dass für den interessierten Anleger der Emissionsprospekt oftmals die einzige Informationsquelle darstellt. Der Prospekt muss daher alle Angaben enthalten, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind. Nur wenn diese Angaben vollständig und richtig sind, hat der Interessent die Möglichkeit, seine Entscheidung frei von Fehlvorstellungen zu treffen. Andere Informationsquellen sind ihm regelmäßig nicht zugänglich (BGH NJW 1990, 2461 Rn. 14 m.w.N.). Der interessierte Käufer eines Pkw hat indes in einem mit Kapitalanlagegeschäften nicht vergleichbaren weiteren Umfang die Möglichkeit, über entsprechende Veröffentlichungen unabhängiger Publikationen im Internet oder in der herkömmlichen Presse sich aus dritten Quellen ausführlich zu informieren (vgl. OLG München, a.a.O., Rn. 21).
89b.
90Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2) ein Schadensersatzanspruch auch nicht gemäß § 826, § 31 BGB analog zu.
91aa.
92Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt einer zwischen normalem Fahrbetrieb und Prüfstandbetrieb unterscheidenden Abschaltautomatik (sog. Umschaltlogik) implementiert ist. Greifbare Umstände, auf die der Kläger seinen dahingehenden Verdacht (weiterhin) gründet, sind nicht dargetan.
93Zum Vorhandensein der von ihm behaupteten Emissionssteuerung kann sich der Kläger zwar dem Grunde nach auf vermutete Tatsachen stützen. Denn mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Beklagten hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung kann eine Partei selbst keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben (vgl. BGH, Beschl. v. 28.01.2020 – VIII ZR 57/19 –, NJW 2020, 1740 Rn. 8; Beschl. v. 26.03.2019 – VI ZR 163/17 –, MDR 2019, 825 Rn. 13). Von ihr kann deshalb nicht verlangt werden, im Einzelnen darzulegen, weshalb sie von dem Vorhandensein einer oder mehrerer Abschalteinrichtungen ausgeht und wie diese konkret funktionieren. Von ihr ist allerdings zu fordern, dass sie greifbare Umstände anführt, auf die sie den Verdacht gründet, ihr Fahrzeug weise eine oder mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen auf (BGH, Beschl. v. 28.01.2020, a.a.O., Rn. 10).
94Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Kläger sich zwar zunächst auf greifbare Anhaltspunkte dafür stützen können, dass in seinem Fahrzeug ein Dieselmotor des Typs EA 189 der Beklagten zu 2) verbaut ist, der von der sog. Abgasproblematik im Allgemeinen betroffen ist. Denn grundsätzlich ist – unstreitig – eine Vielzahl von in unterschiedlichen Fahrzeugmodellen verbauten Motoren der Beklagten zu 2) des Typs EA 189 mit einer unzulässigen „Umschaltlogik“ versehen und trifft dies – ebenfalls unstreitig – jedenfalls auch auf einen Teil der Fahrzeuge des Typs A zu. Zudem ist gleichfalls unbestritten (auch) der Kläger aufgefordert worden, im Hinblick auf die Abgase des Fahrzeugs ein Softwareupdate aufspielen zu lassen.
95Im Anschluss an die amtliche Auskunft des KBA vom 22.09.2020 (Bl. 660 f. d.A.) sind konkrete Umstände, auf die sich ein fortbestehender Verdacht stützen lässt, aber nicht mehr gegeben.
96Die amtliche Auskunft betrifft den im Fahrzeug des Klägers verbauten Motor mit dem Motorkennbuchstaben X (EA 189 2. Generation 103 KW). Die softwaremäßige Untersuchung eines entsprechenden Fahrzeugtyps hat nach den Angaben des KBA zu dem Ergebnis geführt, dass werkseitig in der Motorsteuerungsgerät-Software keine „Umschaltlogik“ verwendet werde, welche den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem Ausstoß im normalen Fahrzeugbetrieb reduziere. Das KBA bestätigt insoweit weiterhin den Vortrag der Beklagten zu 2), bei dem angebotenen Softwareupdate handle es sich um eine freiwillige Serviceaktion mit dem Code „23U5“. Auch handle es sich bei dem Fahrzeugtyp um ein Nutzfahrzeug der EG-Fahrzeugklasse N1G (Geländefahrzeug zur Güterbeförderung).
97Vor dem Hintergrund dieser Angaben des KBA hat es nunmehr weiteren Vortrags des Klägers dazu bedurft, aus welchen Gründen gerade in seinem Fahrzeug dennoch eine sog. Umschaltlogik implementiert sein soll. Denn die zuvor angeführten greifbaren Anhaltspunkte dafür waren mit dieser Auskunft ausgeräumt. Hierfür genügt jedoch nicht das vom Kläger mit Schriftsatz vom 21.10.2020 (Bl. 678 ff. d.A.) geäußerte allgemeine Misstrauen gegen das KBA als Zulassungsbehörde. Der Senat erachtet die Auskunft des KBA vielmehr als in jeder Hinsicht glaubhaft. Es liegen schon keine Anhaltspunkte vor, dass und weshalb diese Bundesbehörde zugunsten der Beklagten zu 2) unrichtige Auskünfte erteilen sollte. Dies gilt umso mehr, als diese Behörde unstreitig in nicht geringer Zahl einen Rückruf für Fahrzeuge der Beklagten zu 2) angeordnet und deren Abgasregelungen als unzulässig beanstandet hat. Demgegenüber vermag der Kläger auch nicht mit Erfolg auf das Schreiben aus Februar 2019 (Anl. K4, Bl. 685 d.A.) zu verweisen. Zwar ist zutreffend, dass dort oben links das KBA mit Anschrift aufgeführt ist. Verfasser des Schreibens ist jedoch nicht das KBA, sondern die Beklagte zu 2), wie sich zum Einen aus dem Vorhandenen des Firmenlogo rechts nebst weiteren sie betreffenden Angaben, zum anderen aber insbesondere daraus ergibt, dass die beiden Personen, die das Schreiben unterzeichnet haben, auch nach den Angaben des Klägervertreters in der letzten mündlichen Verhandlung bei der Beklagten zu 2) angestellt und für diese tätig gewesen sind. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich aus der Auskunft des KBA auch hinreichend deutlich, dass die von ihm angeführte Untersuchung vor Aufspielen des Softwareupdates „23U5“ erfolgt ist. Denn das KBA führt auch aus, dass es sich hierbei um eine freiwillige Maßnahme der Beklagten zu 2) handele, die wiederum nur durchgeführt werde, wenn bei der (somit zwingend vorherigen) amtlichen Untersuchung keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden sei.
98bb.
99Das in dem Fahrzeug unstreitig zum Einsatz kommende sog. Thermofenster (temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems) begründet eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) nach den vorgenannten Vorschiften im hier vorliegenden Fall ebenso nicht.
100Es entspricht mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass allein das Vorhandensein eines Thermofensters in einem Kraftfahrzeugmotor den Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826 BGB nicht zu rechtfertigen vermag (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19 –, NJW 2021, 921, Rn. 16 ff.; Beschl. v. 09.03.2021 – VI ZR 889/20 –, NJW 2021, 1814 Rn. 25 ff.; Urt. v. 13.07.2021 – VI ZR 128/20 –, WM 2021, 1609 Rn. 13 ff.). Denn bei dem Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems, das – hiervon geht auch der Kläger ersichtlich aus – nicht danach unterscheidet, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet, fehlt es an einem arglistigen Vorgehen des beklagten Automobilherstellers, das die Qualifikation seines Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde. In solchen Fällen bedarf es des Hinzutretens weiterer Umstände, die das Verhalten der für ihn handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen, wie etwa, dass sie bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Urt. v. 13.07.2021, a.a.O., Rn. 13).
101Dieser Rechtsprechung, die auch der bereits zuvor vertretenen Rechtsauffassung des Senats entspricht (vgl. Urt. v. 02.09.2020 – 30 U 192/19 –, juris Rn. 66 ff.), schließt sich der Senat an. Thermofenster sind gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 2 a) VO 2007/715/EG nicht grundsätzlich verboten, sondern für bestimmte Fälle vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen. Angesichts dessen vermag der Umstand ihres Vorhandenseins allein selbst dann, wenn es vorliegend als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a) VO 2007/715/EG zu qualifizieren sein sollte, ein verwerfliches Handeln eines Automobilherstellers und somit im vorliegenden Fall der Beklagten zu 2) nicht zu begründen.
102Darüber hinausgehende Umstände, aufgrund derer vorliegend eine Verwerflichkeit im Sinne des § 826 BGB ausnahmsweise anzunehmen sein könnte, hat der Kläger nicht dargetan. Soweit er mit Schriftsatz vom 05.03.2021 (Bl. 777 ff. d.A.) darauf abstellt, die Beklagte zu 2) habe im Typengenehmigungsverfahren unrichtige Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht, können sich hieraus zwar gegebenenfalls Anhaltspunkte für ein Bewusstsein der für die Beklagte zu 2) handelnden Personen ergeben, eine – unterstellte – unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden (vgl. BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19 –, NJW 2021, 921 Rn. 22 ff.). Greifbare Anhaltspunkte für einen dahingehenden Verdacht hat der Kläger jedoch nicht dargetan. Vielmehr stellt sich sein Vorbringen ersichtlich als bloße Vermutung ohne tragfähige Tatsachengrundlage dar, so dass sie prozessual unbeachtlich ist. Demgemäß geht sein Antrag auf Einholung einer weiteren amtlichen Auskunft des KBA ausdrücklich dahin, den Inhalt der Angaben im Typengenehmigungsverfahren erst „in Erfahrung zu bringen“ (Bl. 786 d.A.). Das liefe indes auf eine nicht veranlasste unzulässige Ausforschung hinaus.
103Eine andere Beurteilung ist schließlich nicht deshalb gerechtfertigt, weil das vorgegebene Temperaturfenster, so der Kläger, aufgrund der vorherrschenden Temperaturen zu einer reduzierten Schadstoffemission faktisch nur in einem engen zeitlichen Rahmen von etwa drei Monaten im Jahr führe. Anhaltspunkte für ein arglistiges Vorgehen sowie Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild der Beklagten zu 2) bzw. der für sie handelnden Personen können diesem Umstand allein nicht entnommen werden. Denn unstreitig unterscheidet die Steuerungssoftware als solche insoweit gerade nicht danach, ob sich das Fahrzeug im Prüfstandbetrieb oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Es handelt sich deshalb nicht um eine prüfstandbezogene Steuerungssoftware, die feststellbar bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden.
104c.
105Schadensersatz kann der Kläger nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Verletzung eines Schutzgesetzes von der Beklagten zu 2) verlangen.
106aa.
107Ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV scheitert bereits daran, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, das vom Kläger für sich in Anspruch genommene Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich des § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV liegt (Urt. v. 25.05.2020 – VI 252/19 –, NJW 2020, 1962 Rn. 76). Auch soweit die Übereinstimmungsbescheinigung eine Erklärung des Fahrzeugherstellers darstellt, in der dem Fahrzeugkäufer versichert wird, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmt, wird nicht etwa das hier geltend gemachte Interesse an einem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20 –, NJW 2020, 2798 Rn. 11; Beschl. v. 09.03.2021 – VI ZR 889/20 –, NJW 2021, 1814 Rn. 10 ).
108Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht im Aufgabenbereich des Art. 5 VO 715/2007/EG (Urt. v. 30.07.2020, a.a.O. Rn. 12 ff.).
109Im Übrigen fehlt es aus den dargelegten Gründen an einem vorsätzlichen Verstoß der Beklagten zu 2) gegen §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 VO 715/2007/EG und damit auch an einem tatbestandlichen vorsätzlichen schädigenden Verhalten der Beklagten zu 2).
110bb.
111Aus den vorgenannten Gründen ergibt sich ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB, § 263 Abs. 1 StGB.
112Insoweit liegen ein Täuschungsverhalten und auch ein Schädigungsvorsatz der Beklagten zu 2) hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Wirkungsweise der Motorsteuerung nicht vor.
113d.
114Dem Kläger steht schließlich ein Schadensersatzanspruch nicht aus § 831 BGB gegen die Beklagte zu 2) zu. Denn insoweit fehlt es aus den dargelegten Gründen an einem den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung verwirklichenden Verhalten eines Verrichtungsgehilfen, für welches die Beklagte zu 2) einzustehen hätte.
1153.
116Die Berufung hat hiernach auch hinsichtlich der Anträge zu 3.) und zu 4.) in der Sache keinen Erfolg.
117Die Beklagte zu 1) ist aus den vorgenannten Gründen nicht in Verzug mit der Annahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs geraten. Beide Beklagten haben dem Kläger angefallene außergerichtliche Rechtsanwaltskosten weder aus Schuldnerverzug noch nach materiell-rechtlichem Schadensersatzrecht zu erstatten.
118III.
119Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
120IV.
121Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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