Urteil vom Landgericht Freiburg - 2 O 313/04

Tenor

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 600,00 EUR abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 3070 EUR.

Tatbestand

 
Der Kläger macht mit der Vollstreckungsabwehrklage die Unzulässigkeit der vom Beklagten betriebenen Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Freiburg vom 18.05.2004 (2 O 187/03) geltend.
Im Vorprozess hatte der Kläger den Beklagten aus Darlehen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.01.2003 kostenpflichtig als unzulässig mangels örtlicher Zuständigkeit abgewiesen (2 0 187/03).
Aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts vom 18.05.2004 schuldet der Kläger dem Beklagten 3.070,58 EUR nebst Zinsen. Der Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß und hat mittlerweile ein Konto des Klägers gepfändet, wobei der gepfändete Betrag jedoch noch nicht an den Beklagten überwiesen wurde. Die Zwangsvollstreckung wurde mit Beschluss vom 17.09.2004 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.300,00 EUR vorläufig eingestellt.
Der Kläger rechnet gegen die Forderung des Beklagten aus dem Kostenerstattungsanspruch mit seiner im Vorprozeß geltend gemachten Forderung auf. Er ist der Ansicht, dadurch sei die im Kostenfestsetzungsbeschluß titulierte Forderung erloschen.
Er beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Freiburg vom 18.05.2004 wird für unzulässig erklärt.
Der Beklagte beantragt,
die Vollstreckungsabwehrklage wird abgewiesen.
Er meint, dem Kläger sei die Aufrechnung gegen die Forderung aus dem Kostenerstattungsanspruch verwehrt.
10 
Wegen des Vortrages im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
11 
Die Klage ist unzulässig.
12 
Zwar ist nach §§ 767 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 2 795 ZPO das angerufene Gericht für die erhobene Vollstreckungsabwehrklage örtlich und sachlich ausschließlich zuständig. Gleichwohl ist die Klage unzulässig.
13 
Die Klage ist unzulässig, weil der Kläger Verfahrensmissbrauch betreibt.
14 
So hat der EuGH in einem vergleichbaren Fall entschieden (EuGH, Urt. v. 04.07.1985 NJW 1985, 2892).
15 
Auch dort war die Klage in der Vorinstanz mangels örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen worden. Mit der als unzulässig abgewiesenen Forderung rechnete der Kläger gegen die im Kostenfeststellungsbeschluß titulierte Kostenforderung des Beklagten auf und erhob mit eben dieser Begründung Vollstreckungsabwehrklage vor demselben Gericht. Dieses sah sich wiederum als nicht zuständig an. Auf den Vorlagebeschluß des in der Folge mit dem Fall befassten BGH (Beschl. v. 09.07.1984 WM 1984, 1342) sah der EuGH die Zuständigkeit zwar formal als gegeben an - Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ gilt auch für Vollstreckungsabwehrklagen -, er bezeichnete das Verhalten des Klägers aber als einen offenkundigen Verfahrensmissbrauch.
16 
Dieser Ansicht ist zuzustimmen.
17 
Der Kläger unterbreitet dem Gericht, das seine Forderung zuvor als unzulässig abgewiesen hat, genau die gleiche Forderung nochmals zur Sachentscheidung, nur dieses Mal in Gestalt der Vollstreckungsabwehrklage. Er will damit den Schutzzweck der Zuständigkeitsvorschriften umgehen und die Kostenentscheidung des Vorprozesses wirtschaftlich ins Gegenteil verkehren. Gäbe man einem solchen Ansinnen nach, so könnte folgendes absurde Ergebnis entstehen:
18 
Der Beklagte obsiegt im Prozeß über die Hauptsache, weil die Klage nicht zulässig war. Gleichwohl muß er die Kosten dieser unzulässigen Klage tragen, wenn das Gericht auf dem Umweg über die Vollstreckungsabwehrklage nun doch in die Sachprüfung eintritt und der Beklagte hier verliert. Was ist dann mit dem Schutzzweck der Zuständigkeitsregeln? Wie lässt sich dann noch vermitteln, daß das Gericht zwar in punkto Nebenentscheidung in die Sachprüfung eintritt, in der Hauptsache aber nicht?
19 
All dies kann nicht sein und deshalb gibt es tatsächlich nur die Lösung, die der EuGH vertritt, nämlich eine solche Vollstreckungsabwehrklage als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig zu bewerten.
20 
Die vorliegende Fallkonstellation soll noch von zwei Fallgruppen abgegrenzt werden, um zu verdeutlichen, daß die Klage unzulässig und nicht unbegründet ist.
21 
In den Fällen des § 767 Abs. 2 ZPO ist anerkannt (Zöller ZPO 25. Aufl. § 767 Rdnr. 8+11), daß die Vollstreckungsabwehrklage unbegründet - nicht unzulässig - ist, wenn der Kläger mit der Klage an den Voraussetzungen des § 767 Abs. 2 ZPO scheitert (Zur Klarstellung : § 767 Abs. 2 ZPO ist trotz der umfassenden Verweisung in den §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 2 auf die §§ 724 bis 793 ZPO, mithin auch auf § 767 ZPO, auf Vollstreckungsabwehrklagen gegen Kostenfeststellungsbeschlüsse selbstverständlich nicht anwendbar, weil die Bestimmung die materielle Rechtskraft schützt, deren der Kostenfeststellungsbeschluß nicht fähig ist). In jenen Fällen entbrennt häufig ein im Vorprozeß nicht geführter Streit über, die Gegenforderung als solche und insbesondere darüber, ob der Kläger diese Gegenforderung mit Blick auf § 767 Abs. 2 ZPO nicht schon im Vorprozeß hätte geltend machen müssen. Hier sind tatsächliche Fragen zu klären, wobei manche Fallkonstellationen (man nehme nur die Fälle der Gestaltungsrechte; Zöller a.a.O. Rdnr. 14) höchst kontrovers und mit beiderseits guten Argumenten diskutiert werden.
22 
Daß sich das angerufene Gericht mit all diesen Fragen inhaltlich zu befassen hat, ist selbstverständlich und deshalb ist und bleibt eine Vollstreckungsabwehrklage zulässig, auch wenn der Kläger letztlich an § 767 Abs. 2 ZPO scheitert.
23 
Ganz anders liegt der vorliegende Fall. Der Kläger nimmt ohne zusätzliche rechtliche oder tatsächliche Argumente einfach einen zweiten Anlauf bei dem Gericht, das ihn bei gleichem Sachverhalt schon einmal abgewiesen hat. Das kann nicht zulässig sein.
24 
Eine zweite Fallgruppe sind die Fälle der Aufrechnungen mit Forderungen, für die das angerufene Gericht von Haus aus nicht zuständig ist. Über solche Forderungen hat das Gericht auch dann zu entscheiden, wenn es im Falle deren klagweiser Geltendmachung nicht zuständig wäre; eine Entscheidung in der Sache - wobei diese Entscheidung rechtskraftfähig ist, § 322 Abs. 2 ZPO - ist selbst dann geboten, wenn eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit im Falle der klageweisen Geltendmachung der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung gegeben wäre (Zöller, ZPO 25. Aufl. § 145 Rdnr. 19). Für die Sachentscheidung im Aufrechnungsfalle trotz eigentlich fehlender Zuständigkeit spricht die Prozessökonomie. Der Beklagte soll nicht gezwungen werden, einen oder mehrere weitere Prozesse anstrengen zu müssen, um wirtschaftlichen Forderungsausgleich zu erhalten.
25 
Dieser Gesichtspunkt hilft dem hiesigen Kläger nicht, denn ihm wurde schon in der ersten Entscheidung gesagt, daß er einen zweiten Prozeß benötigt, um zur sachlichen Prüfung seines Anspruchs vorzudringen, wobei mit diesem zweiten Prozeß natürlich der Prozeß vor dem für die Hauptsache zuständigen Gericht gemeint ist, nicht aber ein zweiter Versuch vor dem bereits bekannten Gericht in Form der Vollstreckungsabwehrklage.
26 
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe

 
11 
Die Klage ist unzulässig.
12 
Zwar ist nach §§ 767 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 2 795 ZPO das angerufene Gericht für die erhobene Vollstreckungsabwehrklage örtlich und sachlich ausschließlich zuständig. Gleichwohl ist die Klage unzulässig.
13 
Die Klage ist unzulässig, weil der Kläger Verfahrensmissbrauch betreibt.
14 
So hat der EuGH in einem vergleichbaren Fall entschieden (EuGH, Urt. v. 04.07.1985 NJW 1985, 2892).
15 
Auch dort war die Klage in der Vorinstanz mangels örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen worden. Mit der als unzulässig abgewiesenen Forderung rechnete der Kläger gegen die im Kostenfeststellungsbeschluß titulierte Kostenforderung des Beklagten auf und erhob mit eben dieser Begründung Vollstreckungsabwehrklage vor demselben Gericht. Dieses sah sich wiederum als nicht zuständig an. Auf den Vorlagebeschluß des in der Folge mit dem Fall befassten BGH (Beschl. v. 09.07.1984 WM 1984, 1342) sah der EuGH die Zuständigkeit zwar formal als gegeben an - Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ gilt auch für Vollstreckungsabwehrklagen -, er bezeichnete das Verhalten des Klägers aber als einen offenkundigen Verfahrensmissbrauch.
16 
Dieser Ansicht ist zuzustimmen.
17 
Der Kläger unterbreitet dem Gericht, das seine Forderung zuvor als unzulässig abgewiesen hat, genau die gleiche Forderung nochmals zur Sachentscheidung, nur dieses Mal in Gestalt der Vollstreckungsabwehrklage. Er will damit den Schutzzweck der Zuständigkeitsvorschriften umgehen und die Kostenentscheidung des Vorprozesses wirtschaftlich ins Gegenteil verkehren. Gäbe man einem solchen Ansinnen nach, so könnte folgendes absurde Ergebnis entstehen:
18 
Der Beklagte obsiegt im Prozeß über die Hauptsache, weil die Klage nicht zulässig war. Gleichwohl muß er die Kosten dieser unzulässigen Klage tragen, wenn das Gericht auf dem Umweg über die Vollstreckungsabwehrklage nun doch in die Sachprüfung eintritt und der Beklagte hier verliert. Was ist dann mit dem Schutzzweck der Zuständigkeitsregeln? Wie lässt sich dann noch vermitteln, daß das Gericht zwar in punkto Nebenentscheidung in die Sachprüfung eintritt, in der Hauptsache aber nicht?
19 
All dies kann nicht sein und deshalb gibt es tatsächlich nur die Lösung, die der EuGH vertritt, nämlich eine solche Vollstreckungsabwehrklage als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig zu bewerten.
20 
Die vorliegende Fallkonstellation soll noch von zwei Fallgruppen abgegrenzt werden, um zu verdeutlichen, daß die Klage unzulässig und nicht unbegründet ist.
21 
In den Fällen des § 767 Abs. 2 ZPO ist anerkannt (Zöller ZPO 25. Aufl. § 767 Rdnr. 8+11), daß die Vollstreckungsabwehrklage unbegründet - nicht unzulässig - ist, wenn der Kläger mit der Klage an den Voraussetzungen des § 767 Abs. 2 ZPO scheitert (Zur Klarstellung : § 767 Abs. 2 ZPO ist trotz der umfassenden Verweisung in den §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 2 auf die §§ 724 bis 793 ZPO, mithin auch auf § 767 ZPO, auf Vollstreckungsabwehrklagen gegen Kostenfeststellungsbeschlüsse selbstverständlich nicht anwendbar, weil die Bestimmung die materielle Rechtskraft schützt, deren der Kostenfeststellungsbeschluß nicht fähig ist). In jenen Fällen entbrennt häufig ein im Vorprozeß nicht geführter Streit über, die Gegenforderung als solche und insbesondere darüber, ob der Kläger diese Gegenforderung mit Blick auf § 767 Abs. 2 ZPO nicht schon im Vorprozeß hätte geltend machen müssen. Hier sind tatsächliche Fragen zu klären, wobei manche Fallkonstellationen (man nehme nur die Fälle der Gestaltungsrechte; Zöller a.a.O. Rdnr. 14) höchst kontrovers und mit beiderseits guten Argumenten diskutiert werden.
22 
Daß sich das angerufene Gericht mit all diesen Fragen inhaltlich zu befassen hat, ist selbstverständlich und deshalb ist und bleibt eine Vollstreckungsabwehrklage zulässig, auch wenn der Kläger letztlich an § 767 Abs. 2 ZPO scheitert.
23 
Ganz anders liegt der vorliegende Fall. Der Kläger nimmt ohne zusätzliche rechtliche oder tatsächliche Argumente einfach einen zweiten Anlauf bei dem Gericht, das ihn bei gleichem Sachverhalt schon einmal abgewiesen hat. Das kann nicht zulässig sein.
24 
Eine zweite Fallgruppe sind die Fälle der Aufrechnungen mit Forderungen, für die das angerufene Gericht von Haus aus nicht zuständig ist. Über solche Forderungen hat das Gericht auch dann zu entscheiden, wenn es im Falle deren klagweiser Geltendmachung nicht zuständig wäre; eine Entscheidung in der Sache - wobei diese Entscheidung rechtskraftfähig ist, § 322 Abs. 2 ZPO - ist selbst dann geboten, wenn eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit im Falle der klageweisen Geltendmachung der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung gegeben wäre (Zöller, ZPO 25. Aufl. § 145 Rdnr. 19). Für die Sachentscheidung im Aufrechnungsfalle trotz eigentlich fehlender Zuständigkeit spricht die Prozessökonomie. Der Beklagte soll nicht gezwungen werden, einen oder mehrere weitere Prozesse anstrengen zu müssen, um wirtschaftlichen Forderungsausgleich zu erhalten.
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Dieser Gesichtspunkt hilft dem hiesigen Kläger nicht, denn ihm wurde schon in der ersten Entscheidung gesagt, daß er einen zweiten Prozeß benötigt, um zur sachlichen Prüfung seines Anspruchs vorzudringen, wobei mit diesem zweiten Prozeß natürlich der Prozeß vor dem für die Hauptsache zuständigen Gericht gemeint ist, nicht aber ein zweiter Versuch vor dem bereits bekannten Gericht in Form der Vollstreckungsabwehrklage.
26 
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

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