Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (12. Zivilsenat) - 12 U 15/14

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. Dezember 2013 verkündete Einzelrichterurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. Dezember 2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 06. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt als Alleinerbin ihres im Verlaufe des Berufungsverfahrens verstorbenen Ehemanns W. S. (vormaliger Kläger, im Folgenden: Erblasser) die Beklagte auf Zahlung eines Nutzungsentgeltes nebst Verzugszinsen an die Erbengemeinschaft nach L. und R. S. bestehend aus ihr und Frau G. M. aus einem Sachenrechtsmoratorium nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB in Anspruch.

2

Der vormalige Kläger und seine Cousine G. M. waren Erben nach den am 28. Dezember 1979 und 28. März 1991 verstorbenen L. und R. S.. Zum Nachlass von L. und R. S. gehörte ein Grundstück, ehemals verzeichnet im Grundbuch von N. Blatt 492, Bestandsnummer 6, belegen in der früheren Gemarkung von N. Flur 2, Flurstück 1543/87 (alt). Die beiden Erblasser waren insoweit im Grundbuch von N. Blatt 492 als Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft eingetragen. Mit notariell beurkundeten Vertrag vom 18. Juli 1990, geändert und angepasst durch die vor dem Notar Dr. G. L. am 26. August 1991 zur Urkundenrollennummer 919/91 beurkundete Änderungsvereinbarung übertrugen die weiteren Miterben nach L. S. Frau G. M. den Erbanteil an dem Nachlass der vorverstorbenen Mutter des Erblassers L. S. . Mit dem durch den Notar H. H. zur Urkundenrollen-Nr. 88/1981 beurkundeten Erbauseinandersetzungs- und Übertragungsvertrag vom 11. November 1981, geändert durch notariell beurkundeten Vertrag vom 26. August 1991, übertrugen die Miterben nach dem Erblasser R. S. dessen Erbanteil an dem Nachlass seiner vorverstorbenen Mutter auf den vormaligen Kläger. Wegen der Erbenstellung nimmt der Senat auf den Erbschein des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Gelsenkirchen vom 28. März 1991 (Anlage K 11 - Anlagensonderband), den gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Gelsenkirchen vom 28. Dezember 1979 (Anlage K 10 - Anlagensonderband) und das vor dem Notar K. Mr. am 27. März 1975 beurkundete Testament des Erblassers R. S. (Anlage K 12 Anlagensonderband) Bezug. Im Hinblick auf die Erbanteilsübertragungen verweist der Senat auf den zur Urkundenrollennummer 2034/1990 am 18. Juli 1990 des Notars Dr. B. A. protokollierten Erbauseinandersetzungs- und Übertragungsvortrag, geändert durch Vertragsurkunde vom 26. August 1991 vor dem Notar Dr. G. L. zur Urkundenrollennummer 919/1991 (Anlage K 13 - Anlagensonderband) und dem vor dem Notar H. H. am 11. November 1981 zur Urkundenrollennummer 88/1981 beurkundeten Übertragungsvertrag (Anlage K 14 - Anlagensonderband), geändert durch die vor dem Notar Dr. G. L. zur Urkundenrollennummer 920/1991 beurkundete Erklärungen vom 26. August 1991.

3

Das streitbefangene Grundstück war Gegenstand verschiedener Grundbuchumschreibungen und vermögensrechtlichen Vorgänge:

4

Im Jahr 1974 wurde das Flurstück 1543/87 der Flur 2, Gemarkung N. aus dem Grundbuch von N. Blatt 492, Bestandsnummer 6 zunächst in dem Grundbuch von N. unter Bestandsblatt 54 fortgeschrieben, versehen mit der Bemerkung „zurückgeführt H.-N. “. Das Grundbuch von N. Blatt 492 wurde später im Zuge des Aufbaus eines Integrationsregisters als Grundbuch von N. Blatt 6 fortgeführt, indem das vormalige Bestandsblatt 6 des Blattes 492 des Grundbuches von N. umgewandelt wurde in Blatt 6 von N.. Mit Beginn der Planungsphase für den Ausbau von H.-N. im Jahre 1974 wurden Grundstücke aus den umliegenden Gemarkungen, unter anderem der Gemarkung N., über einen Veränderungsnachweis zusammen gefasst und im Wege einer sog. katastermäßigen Umflurung durch Sonderung und Flurstücksverschmelzungen neuen Fluren zugewiesen. Das Flurstück 1543/87 wurde im Ergebnis der Umflurung auf Teilen der Flur 26 Flurstück 3 der neuen Gemarkung H.-N., auf dem eine öffentliche Verkehrsfläche entstanden war, der Flur 26 Flurstück 4 Gemarkung H.-N., bebaut mit einer polytechnischen Oberschule (Block 841) und der Flur 26 Flurstück 102 Gemarkung H.-N., bebaut mit einem Wohnblock (Block 844), fortgeführt.

5

Unter dem 30. November 1981 erklärte der Rat der Stadt H. das Flurstück 1543/87 der Gemarkung N. mit einer Fläche von 7.948 qm zum Aufbaugebiet und ließ es unter Nr. 0833/3079 in das Register der Aufbaugebiete eintragen. Die Zustellung eines Inanspruchnahmebescheides unterblieb allerdings im Folgenden.

6

Die der Eintragung zum Kartenblatt Nr. 144404, Block 841, Sekundarschule, zugeordnete Grundstücksfläche, die dem seinerzeitigen Flurstück 4 der Flur 26 entsprach, und die der Eintragung zum Kartenblatt Nr. 144404, Gitterfeld 0634, entsprechende Teilfläche, die dem seinerzeitigen Flurstück 3 der Flur 26 zuzuweisen war, wurden in der neu errichteten Grundakte H.-N. Blatt 1 eingetragen, in der in Abteilung 1 verzeichnet war: „Eigentum des Volkes, Rechtsträger: Rat der Stadt H.-N.“ (Anlage K 7, Anlagensonderband).

7

Die dem Flurstück 102 der Flur 26, Block 844 zugewiesene Teilfläche war - ausweislich des Bestandsverzeichnisses des Grundbuches von H.-N. Blatt 2, Einlegebogen Nr. 4 - in dem neu errichteten Grundbuch von H.-N. Blatt 2 fortgeschrieben worden, dort war in Abteilung I gleichfalls „Eigentum des Volkes, Rechtsträger Stadt H.-N. “ verzeichnet.

8

Am 20. Februar 1990 schrieb der Liegenschaftsdienst der Bezirksverwaltungsbehörde H.-N. auf der Grundlage der Veränderungsnachweise 5/90 und 6/90 eine Grundstücksfläche von insgesamt 9.365 qm aus dem Grundbuch von H.-N. Blatt 1 betreffend das Flurstück 3 der Flur 26 - Gitterfeld 0634, Kartenblatt 144404 - ab und übertrug hieraus eine Teilfläche von 7.948 qm nach Blatt 54 des Grundbuches von H.-N., wobei im Bestandsblatt dieses Grundbuchblattes die alte Flurstücknummer 1543/87 (Kartenblatt 144404) der Gemarkung H.-N. ehemals Flur 2, angegeben und die Rechtsvorgänger des vormaligen Klägers und dessen Cousine M., nämlich L. und R. S. als Eigentümer eingetragen waren.

9

Bereits mit Schreiben vom 08. Juni 1990 meldete der Erblasser bei dem Rat der Stadt H. unter Angabe des Grundbuchblattes 492 Ansprüche der Erbengemeinschaft auf das Altflurstück 1543/87 an. Außerdem wandte er sich mit Schreiben vom 12. August 1990 an den Liegenschaftsdienst der Stadt H. . Mit weiteren Schreiben vom 24. September 1990 machte er erneut vermögensrechtliche Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Der Liegenschaftsdienst der Bezirksverwaltungsbehörde H. bestätigte dem vormaligen Kläger unter dem 23. Oktober 1990 die Umschreibung des Flurstücks 1543/87 vom Grundbuchblatt 492 auf Grundbuchblatt 54 und teilte ihm zugleich mit, dass eine für das Investitionsvorhaben komplexer Wohnungsbau H.-N. vorgesehene Inanspruchnahme des Flurstücks nach dem Aufbaugesetz seinerzeit unterblieben sei. Darauf hin wies der Erblasser mit Schreiben an den Liegenschaftsdienst vom 02. Januar 1991 darauf hin, dass das Enteignungsverfahren offensichtlich nicht zu Ende geführt worden sei und deshalb das Grundstück nach wie vor im Eigentum der Erbengemeinschaft stünde. Er bat zudem um Auskunft über die gegenwärtigen Nutzer des Grundstücks und erklärte die Bereitschaft der Erbengemeinschaft zur Verhandlung über einen Verkauf. Mit Schreiben vom 06. März 1991 antwortete das Kreisgericht H. - Grundbuchamt, dass der damalige Rat der Stadt H.-N. die vorgesehene Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz nicht vollzogen habe. Im Jahre 1991 wandten sich der Erblasser und Frau M. an das Rechtsamt der Stadt H. - Team zur Regelung offener Vermögensfragen - mit einem Antrag zur Regelung ihrer Grundstücksangelegenheit nach dem Vermögensgesetz. Gleichzeitig beantragten sie bei dem Grundbuchamt die Berichtigung des Grundbuches Blatt 54 in Ansehung der Rechtsnachfolge nach R. und L. S. . Am 30. Oktober 1993 nahm das Bezirksgericht H. Saalkreis - Grundbuchamt - die Grundbuchberichtigung vor und trug den vormaligen Kläger und Frau M. in das Grundbuch von H.-N. Blatt 54 als Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft ein.

10

Im Rahmen einer weiteren in den Jahren 1993/1994 vollzogenen katastermäßigen Umflurung wurden die ehemaligen Flurstücke 3, 4 und 102 der Flur 26 in die nach den Funktionsflächen für den Wohnungsblock, für die Straße und für die Schule neu gebildeten Flurstücke 23, 25 und 30 der Flur 2 der Gemarkung H.-N. umgewandelt. Das heutige Flurstück 30 der Flur 2 ist danach überwiegend mit einer Sekundarschule überbaut, ehemals Block 841; Flurstück 25 der Flur 2 ist Teil einer öffentlichen Verkehrsfläche, der heutige I. weg . Das katastermäßig neu verzeichnete Flurstück 23 ist überbaut mit einem Wohnblock, ehemals Block 844, I. weg 1 bis 4 (Anlage K 29, Anlagensonderband). Diese Flurstücke wurden auf neue Grundbuchblätter übertragen, die keine Hinweise auf abgeschriebene Teilflächen enthielten.

11

Mit Bescheid vom 10. Juli 1995 stellte der Oberfinanzpräsident der Oberfinanzdirektion Magdeburg auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 S. 6 VZOG fest, dass die Stadt H. - vorbehaltlich privater Rechte Dritter - Eigentümer der Flurstücke 26 und 30 der Flur 2 von H.-N. ist. Mit weiterem Vermögenszuordnungsbescheid vom 14. September 1998 wies der Oberfinanzpräsident der Oberfinanzdirektion Magdeburg das Flurstück 23 der Flur 2 (I. weg 1 bis 4) der Wohnungsbaugenossenschaft L. e.G.- vorbehaltlich der Rechte Dritter - zu Eigentum zu. Das Flurstück 25 der Flur 2 der Gemarkung H.-N. wurde auf Grund des Bescheides des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 14. Februar 2001 ebenfalls der Stadt H. als Eigentümerin zugeordnet.

12

Zwischenzeitlich hatte der Erblasser die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 29. November 1995 (K 33 Anlagensonderband) unter Bezugnahme auf §§ 16 Abs. 2, 15 Abs. 1 SachenRBerG auffordern lassen, binnen fünf Monaten zwischen einem Ankauf der von ihr genutzten Teilfläche des Altflurstücks 1543/87 oder der Bestellung eines der Nutzung entsprechenden Erbbaurechts zu wählen. Da die Beklagte auch innerhalb der mit Schreiben vom 04. Juni 1996 gesetzten Nachfrist nicht reagierte, machte die Erbengemeinschaft von ihrem Wahlrecht Gebrauch und traf mit Schreiben vom 30. August 1996 (Anlage K 35 - Anlagensonderband) auf der Grundlage des § 16 Abs. 3 SachenRBerG die Entscheidung zugunsten eines Verkaufs der Liegenschaft. Darauf hin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 17. September 1996 (Anlage K 36 - Anlagensonderband) den Stand ihrer Recherchen mit, nämlich dass das Altflurstück 1543/87 mit Veröffentlichung Ende Februar/Anfang März 1981 zum Aufbaugebiet gemäß DDR-Aufbaugesetz vom 06. Mai 1950 erklärt worden sei. Weiter heißt es in dem Schreiben auszugsweise wie folgt:

13

„Das Stadtbauamt des ehemaligen Rates der Stadt H. H.-N. führte das sog. Inanspruchnahmeverfahren durch, in dessen Ergebnis das Flurstück in Volkseigentum überführt worden ist.“
 und
 „In der Durchführung des Inanspruchnahmeverfahrens ist am Ende ein Fehler gemacht worden - nämlich das Grundbuch Ihres Mandanten ist nicht ordnungsgemäß berichtigt worden. Damit steht die Fläche in zwei verschiedenen Grundbüchern auf zwei unterschiedlichen Eigentümern. Das Flurstück 1543/87 existiert im heutigen Kataster nicht mehr.
Für die Stadt H. besteht kein Grund, die Fläche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu erwerben, da sie bereits Eigentümer bzw. Verfügungsberechtigte ist.

14

Das Rechtsamt der Stadt H. wies im Folgenden mit Bescheid vom 23. Juni 2008 den Antrag der Erbengemeinschaft zur Rückübertragung des Eigentums an dem unter Flur 2 Flurstück 23, verzeichnet im Grundbuchblatt 2107 von H. N., Flur 2 Flurstück 25, verzeichnet im Grundbuch von H.-N. Blatt 2155 und unter Flur 2 Flurstück 30, verzeichnet im Grundbuch von H.-N. Blatt 692 fortgeführten Grundstück ehemals Flur 2, Flurstück 1543/87 (historisches Flurstück) der Gemarkung N. unter Hinweis darauf zurück, dass eine wirksame Enteignung der Erbengemeinschaft bzw. deren Rechtsvorgänger durch die zuständigen Behörden der DDR unterblieben sei (Anlage K 8 Anlagensonderband).

15

Mit Schreiben vom 07. Juli 2008 (Anlage K 39, Anlagensonderband) wies die Erbengemeinschaft die Beklagte darauf hin, dass sie beabsichtigen würde, von ihrem Andienungsrecht nach § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 VerkehrsflächenbereinigungsG Gebrauch zu machen und ihr die genutzten Flächen zum Kauf anzubieten, da diese mangels einer wirksamen Inanspruchnahme zu DDR-Zeiten nach wie vor im Eigentum der Erbengemeinschaft stünden. Außerdem beantragten sie die Bewilligung der Grundbuchberichtigung. In diesem Schreiben heißt es weiter:

16

„Um im Vorfeld eine möglichst einvernehmliche Vertragsgestaltung zu erzielen, verzichten wir zunächst auf die Abgabe eines notariell beurkundeten Kaufangebotes und die damit verbundene Möglichkeit zur Geltendmachung von Nutzungsentgelt.“

17

Am 10. Juli 2008 besprach der Verfahrensbevollmächtigte der Erbengemeinschaft die Sachlage erneut fernmündlich mit der zuständigen Sachbearbeiterin des Liegenschaftsamtes der Beklagten (Anlage K 49, Band I Blatt 107 d. A.). Diese signalisierte in ihrem Antwortschreiben vom 08. September 2008 zunächst Bereitschaft zum Ankauf der Flächen durch die Beklagte (Anlage K 40 - Anlagensonderband). Nachdem die Erbengemeinschaft mit Schreiben vom 12. Dezember 2008 ein Nutzungsentgelt in Höhe von 8 % des jetzigen Grundstückswertes nach § 9 Abs. 1 VerkehrsflächenBerG geltend machte, wies die Beklagte mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 sämtliche Ansprüche der Erbengemeinschaft (soweit diese auf eine Grundbuchberichtigung und Nutzungsentschädigung gerichtet waren) als unbegründet zurück (Anlage K 42, Anlagensonderband). Dieses Schreiben ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Erbengemeinschaft am 18. Dezember 2008 zugegangen. Mit weiteren Schreiben vom 17. Dezember 2008 nahm die Beklagte nochmals auf die vorherige Korrespondenz, insbesondere auf ihr Schreiben vom 15. Dezember 2008 Bezug. (Anlage K 48, Band I Blatt 106 d. A.)

18

Unter dem 09. April 2009 machte die Erbengemeinschaft bei dem Landgericht Halle (Geschäftsnummer 6 O 516/09 LG Halle) eine Grundbuchberichtigungsklage anhängig. Das Landgericht gab der Klage statt. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung hatte Erfolg. Auf die Revision der Erbengemeinschaft hat der Bundesgerichtshof mit dem am 09. März 2012 verkündeten Urteil (Geschäftsnummer V ZR 61/11, MDR 2012, 961) das klageabweisende Berufungsurteil vom 18. Februar 2011 abgeändert und die Beklagte zur Bewilligung der Grundbuchberichtigung verurteilt.

19

Am 28. März 2012 beantragte die Erbengemeinschaft die Durchführung eines notariellen Vermittlungsverfahrens nach §§ 87 ff SachenRBerG gegen die Beklagte und den ebenfalls beteiligten Bauverein bei dem Notar Prof. Dr. Z.. Der Bauverein erwarb mit notariellem Vertrag vom 26. April 2012 die von ihm genutzte und mit einem Wohnblock bebaute Teilfläche des Altflurstücks 1543/87. Mit der Beklagten schloss die Erbengemeinschaft am 03. Juli 2012 ebenfalls einen Grundstückskaufvertrag über die von dieser genutzten Grundflächen. Eine Einigung über die Zahlung eines Nutzungsentgeltes kam zwischen den Parteien nicht zustande.

20

Die Erbengemeinschaft berechnete sodann ihre Nutzungsentschädigungsansprüche ab 01. Januar 1995 bis 30. Juni 2012 entsprechend dem nach dem SachenrechtsbereinigungsG zu zahlenden Erbbauzins und forderte die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 16. Mai 2012 zum Ausgleich auf. Da eine Zahlung ausblieb, beantragte der vormalige Kläger am 11. Juni 2012 den Erlass eines Mahnbescheides über das nunmehr bis zum 31. Dezember 2001 entstandene Nutzungsentgelt in Höhe von 55.771,80 Euro und die hieraus ab 01. April 1995 bis zum 31. Mai 2012 entstandenen Verzugszinsen in Höhe von 49.357,08 Euro, der der Beklagten am 28. Juni 2012 zugestellt wurde.

21

Der damalige Kläger hat die Ansicht vertreten, dass er für die Erbengemeinschaft nach L. und R. S. einen Anspruch auf Nutzungsentgelt für den Zeitraum ab 01. Januar 1995 bis 31. Dezember 2001 aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB in Verbindung mit § 242 BGB geltend machen könne. Da das hier in Rede sehende Altflurstück 1543/87 im Rahmen eines komplexen Wohnungsbaus bebaut worden sei, finde das Sachenrechtsbereinigungsgesetz Anwendung. Die Erbengemeinschaft habe die Eröffnung eines notariellen Vermittlungsverfahrens zwar erst nach Verkündung des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 09. März 2012 über ihre Grundbuchberichtigungsklage am 28. März 2012 beantragt. Dem Antrag müsse allerdings Rückwirkung auf den 01. Januar 1995 beigemessen werden mit der Folge, dass sie ein Nutzungsentgelt schon ab diesem Zeitpunkt verlangen könne, denn der Beklagten sei es nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine verspätete Antragstellung zu berufen. Die Beklagte habe die Verzögerung der Sachenrechtsbereinigung nämlich aufgrund rechtsmissbräuchlichen Verhaltens letztlich selbst zu verantworten. Der Rechtsmissbrauchseinwand führe hier dazu, dass der fehlende Antrag für die Zeit vor dem 28. März 2012 gewissermaßen substituiert werde. Denn anerkannt sei, dass ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ein Recht ausnahmsweise auch erst zum Entstehen bringen könne, der unzulässigen Rechtsausübung sei mithin insoweit eine anspruchsbegründende Funktion beizumessen, was auf den Rechtsgedanken zurückginge, dass niemand aus einem treuwidrigen Handeln einen Vorteil ziehen dürfe. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben könne nämlich insbesondere auch darin liegen, dass der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von der Geltendmachung eines Rechtes abhalte und dadurch eine günstigere Rechtsposition der Gegenseite verhindere. Die Beklagte habe eine der Erbengemeinschaft günstige Rechtsposition in unredlicher Weise dadurch vereitelt, dass sie amtspflichtwidrig versäumt habe, ein komplexes Bodenneuordnungsverfahren von Amts wegen einzuleiten. Die Beklagte sei nach § 1 Nr. 4 BoSoG verpflichtet gewesen, eine Neuordnung der Rechtsverhältnisse bezogen auf das Altflurstück 1543/87 herbeizuführen und hierfür einen mit Sonderungsbescheid festgestellten Sonderungsplan zu erwirken. Aufgrund der Art der Bebauung mit einer Schule und einer öffentlich gewidmeten Straße habe es auch gerade im öffentlichen Interesse gelegen, eine Klärung der Ausübungsbefugnisse in Bezug auf die von dem Bauverein und der Stadt genutzten Teilflächen zu veranlassen, zumal ein Bodenneuordnungsverfahren die erforderliche Sachenrechtsbereinigung beschleunigt und vereinfacht hätte. Die Aufgabe der Bodenneuordnung habe gemäß § 10 BoSoG der Beklagten oblegen, die es letztlich zu vertreten habe, dass ein komplexes Bodenneuordnungsverfahren nicht eingeleitet worden sei, obwohl dem Stadtvermessungsamt die erforderlichen Informationen bereits seit dem 01. Januar 1995 vorgelegen hätten. Sowohl das Vermögensamt als auch das Liegenschaftsamt hätten die erforderlichen Erkenntnisse über die das Altflurstück 1543/87 betreffende Sach- und Rechtslage an die Sondierungsbehörde weiter leiten müssen. Soweit der gebotene Informationsaustausch hingegen unterblieben sei, beruhe dies auf einem Organisationsverschulden im Geschäftsbereich der Beklagten. Die Einleitung einer komplexen Bodenneuordnung hätte aber ebenfalls einen Nutzungsentgeltanspruch nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB zum Entstehen gebracht.

22

Die Beklagte treffe überdies der Vorwurf, dass sie die Einleitung einer Sachenrechtsbereinigung verschleppt habe. Denn das Verhalten der Beklagten sei von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen, das nicht in ihrem Eigentum stehende Grundstück wider besseres Wissen zu vereinnahmen und nicht herausgeben zu müssen. Durch die am 10. Juli 1995 und 14. Februar 2001 ergangenen Vermögenszuordnungsbescheide des Oberfinanzpräsidenten sei die Beklagte als Eigentümerin der neu gebildeten Flurstücke im Grundbuch eingetragen worden. Diese Vermögenszuordnung sei indessen rechtswidrig gewesen, weil sie die Teilflächen betroffen habe, die im Eigentum der Erbengemeinschaft gestanden hätten. Die Neuvermessung und anschließende Vermögenszuordnung der Flurstücke habe der Erbengemeinschaft die Durchsetzung ihrer Rechtsposition ganz massiv erschwert. Die Beklagte habe sich auch dadurch treuwidrig verhalten, dass sie die Erbengemeinschaft in dem Schreiben vom 17. September 1996 über die Durchführung eines sog. Inanspruchnahmeverfahrens getäuscht und insoweit durch das Vorspiegeln falscher Tatsachen von der weiteren Rechtsverfolgung abgehalten habe. Denn sie habe mit dem Schreiben vom 17. September 1996 einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Ende 2008 habe sich die Beklagte erneut geweigert, mit der Erbengemeinschaft über einen Ankauf des Altflurstücks ernsthaft zu verhandeln. Der Beklagten sei schließlich auch anzulasten, dass sie das 18 Jahre andauernde Verfahren nach dem VermögensG verzögert und damit gegen das gesetzliche Beschleunigungsgebot verstoßen habe. Die Erbengemeinschaft habe dagegen nicht ihrerseits dadurch gegen ein schutzwürdiges öffentliches Interesse der Beklagten verstoßen, dass sie die Einleitung eines notariellen Vermittlungsverfahrens zunächst unterlassen habe. Denn der Notar hätte das Vermittlungsverfahren voraussichtlich ohnehin aufgrund der unklaren Eigentumslage aussetzen müssen. Selbst wenn eine Herleitung des Nutzungsentgeltanspruchs über § 242 BGB nicht in Betracht komme, müsse ein Anspruch hier jedoch zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Beschränkung des Eigentumsrechts der Erbengemeinschaft aus einer verfassungskonformen Auslegung des Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB folgen. Die Vorschrift sei über ihren Wortlaut hinaus verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ein Nutzungsentgelt rückwirkend ab dem 01. Januar 1995 beansprucht werden könne, wenn der Grundstückseigentümer das notarielle Vermittlungsverfahren - wie hier - zumindest zu einem späteren Zeitpunkt beantragt habe und die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück bis dahin ungeklärt geblieben seien. Zu beachten sei nämlich, dass das BVerfG das gesetzliche Besitzrecht nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 1 EGBGB aufgrund des Sachenrechtsmoratoriums nur dann als mit Art. 14 GG vereinbar angesehen habe, wenn dem Grundstückseigentümer auch ein Anspruch auf ein Nutzungsentgelt zugebilligt werde, wobei es den Nutzungsentschädigungsanspruch nicht an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft habe. Dies sei im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung der Anspruchsnorm ebenso zu berücksichtigen wie deren weiterer Gesetzeszweck, nämlich der Vermeidung einer Verzögerung der Sachenrechtsbereinigung durch den Nutzer, was aber aus verfassungsrechtlichen Gründen für eine Rückwirkung einer späteren Antragstellung in einem notariellen Vermittlungsverfahren spreche. Da eine am Gesetzeswortlaut des Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB verhaftende Auslegung somit zur Erreichung des gesetzgeberischen Zweckes weder geeignet noch erforderlich sei und die Lasten anderenfalls zudem nicht ausgewogen zwischen Grundstückseigentümer und Nutzer verteilt würden, bedürfe es einer Gesetzeskorrektur im Wege einer verfassungskonformen Auslegung. Ein Antrag als weitere verhaltens- und konkret verfahrensbezogene Anspruchsvoraussetzung stelle dagegen eine unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar.

23

Der Durchsetzbarkeit des Nutzungsentgeltanspruchs stünde schließlich hier auch nicht die von Beklagtenseite erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Der Anspruch unterliege ab dem 01. Januar 2002 der Regelverjährungsfrist des § 195 BGB (Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB), die hier gemäß § 199 Abs. 1 BGB allerdings erst zum 01. Januar 2013 zu laufen begonnen habe. Denn erst mit Verkündung des Revisionsurteils des Bundesgerichtshofes vom 09. März 2012 sei der Erbengemeinschaft bekannt gewesen, dass sie trotz der faktisch und grundbuchmäßigen zu DDR-Zeiten vollzogenen Überführung in Volkseigentum und der Heilungsvorschrift des Art. 237 § 1 Abs. 2 EGBGB Eigentümer des Grundstücks geblieben sei. Die Regelung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfasse auch die Rechtsunkenntnis bei unübersichtlicher oder zweifelhafter Rechtslage mit der Folge, dass der Verjährungsbeginn bis zur objektiven Klärung der Rechtslage hinausgeschoben werde. Aber auch die kenntnisunabhängige zehnjährige Maximalfrist des § 199 Abs. 4 BGB sei hier vor Beantragung des Mahnbescheides am 11. Juni 2012 noch nicht abgelaufen gewesen. Denn der Ablauf der Verjährungshöchstfrist sei hier gemäß § 203 S. 1 BGB für jedenfalls 169 Tage - nämlich vom 07. Juli 2008 bis zum 22. Dezember 2008 - wegen schwebender Verhandlungen gehemmt gewesen.

24

Darüber hinaus seien Verzugszinsen auch unter Verzugsgesichtspunkten begründet, da die Beklagte nach § 44 Abs. 1 SachenRBerG mit der Zahlung der Nutzungsentgelte auch ohne Mahnung in Verzug geraten sei.

25

Der vormalige Kläger hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, ein Nutzungsentgelt für den Zeitraum vom 01. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2001 in Höhe von 55.771,80 Euro nebst Verzugszinsen für den Zeitraum bis zum 31. Mai 2012 in Höhe von 49.357,08 Euro sowie weitere Verzugszinsen für den Zeitraum ab 01. Juni 2012 in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz aus 105.128,88 Euro an ihn und Frau G. M., S. Straße 30, T. in Erbengemeinschaft zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Erbengemeinschaft ihren Anspruch auf ein Nutzungsentgelt nicht auf Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB stützen könne, weil deren anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Auch über den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB könne die Erbengemeinschaft einen Zahlungsanspruch für den Zeitraum vor Beantragung eines notariellen Vermittlungsverfahrens nicht begründen, denn die gegen sie erhobene Vorwürfe amtspflichtwidrigen und treuwidrigen Verhaltens seien allesamt ungerechtfertigt. So sei es unzutreffend, dass sie es amtspflichtwidrig unterlassen habe, ein komplexes Bodenneuordnungsverfahren einzuleiten, denn der Gesetzesanwendungsbereich des § 1 BoSoG sei hier schon nicht eröffnet. Seit der Flurneuordnung in den 1980-er Jahren habe es kein unvermessenes Grundeigentum mehr gegeben. Im Übrigen könne ihr aber auch nicht ein Organisationsverschulden angelastet werden. Im Hinblick darauf, dass an den Liegenschaften zu DDR-Zeiten Eigentum des Volkes begründet und sie als Rechtsträgerin im Grundbuch eingetragen worden sei und ihr das Eigentum hieran später im Rahmen der Vermögenszuordnung überdies zugewiesen worden sei, habe für sie überhaupt keine Veranlassung bestanden, ein Bodensonderungsverfahren durchzuführen. Nicht zutreffend sei überdies, dass sie die Sachenrechtsbereinigung gezielt verschleppt habe. Das Verfahren im Rahmen der Vermögenszuordnung sei ordnungsgemäß entsprechend dem Gesetz verlaufen. Im übrigen sei die Vermögenszuordnung unbeschadet privater Rechte Dritter erfolgt, so dass es der Erbengemeinschaft unbenommen geblieben sei, ihre Rechte ungeachtet des Vermögenszuordnungsbescheides auszuüben, zumal dem Erblasser spätestens im Jahr 1995 bekannt gewesen sei, dass eine Doppelbuchung des streitbefangenen Grundstücks im Grundbuch sowohl zugunsten der aus dem vormaligen Kläger und Frau M. bestehenden Erbengemeinschaft als auch zugunsten der Beklagten vorgelegen habe. Sie habe keineswegs Verhandlungen über eine Sachenrechtsbereinigung in rechtsmissbräuchlicher Weise vereitelt. In diesem Zusammenhang hat sie bestritten, dass die damalige Amtsleiterin des Liegenschaftsamtes bei Abfassen des Schreibens vom 17. September 1996 eine arglistige Täuschung begangen habe, diese habe vielmehr lediglich ihre Rechtsansicht zur Rechtslage wiedergegeben. Keineswegs habe sie mit dem Schreiben einen Vertrauenstatbestand begründet und den Anschein erweckt, dass die Erbengemeinschaft nicht mehr Eigentümer des streitbefangenen Altflurstückes sein könne. In dem Schreiben vom 17. September 1996 habe die Beklagte etwaige Ansprüche der Erbengemeinschaft zurückgewiesen, was aber keineswegs vertrauensbegründend habe wirken können. Ein im Sinne des § 242 BGB rechtsmissbräuchliches Verhalten könne hierin jedenfalls nicht erblickt werden. Auch den gegen sie erhobenen Vorwurf einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das Beschleunigungsgebot hat die Beklagte zurückgewiesen. Die Beklagte habe das Verfahren nach dem Vermögensgesetz keineswegs bewusst verzögert bzw. behindert. Umgekehrt sei die Erbengemeinschaft durch die Beklagte zu keiner Zeit an der Beantragung eines notariellen Vermittlungsverfahrens gehindert gewesen. Eine solche aktive Mitwirkung an dem rechtlich hierfür vorgesehenen Verfahren zur Bereinigung der dinglichen Rechtslage werde dem Eigentümer aber von Gesetzes wegen gerade abverlangt. Für eine einschränkende Korrektur der tatbestandlichen Voraussetzungen des Nutzungsentgeltanspruchs nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB im Wege einer verfassungskonformen Auslegung sei hingegen kein Raum, zumal hier lediglich eine einfache Antragstellung erforderlich gewesen wäre, um den Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgeltes zum Entstehen zu bringen. Diese Mitwirkung sei der Erbengemeinschaft aber in jedem Fall zumutbar gewesen. Die von der Klägerseite favorisierte verfassungskonforme Auslegung sprenge dagegen die durch den klaren und unmissverständlichen Wortlaut der Norm und den Gesetzeszweck gezogenen Auslegungsgrenzen. Ein Normverständnis, das im Widerspruch zum eindeutig geäußerten Willen des Gesetzgebers stünde, lasse sich vielmehr auch nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung begründen. Überdies hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und insoweit vorgetragen, dass die dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB bereits zum 01. Januar 2003 zu laufen begonnen habe. Denn der Erbengemeinschaft sei bereits im Jahre 1990 bekannt gewesen, dass ein Inanspruchnahmebescheid, der für eine wirksame Enteignung konstitutiv gewesen wäre, zu DDR-Zeiten nicht ergangen sei. Dies gehe aus dem Schreiben des Erblassers vom 02. Januar 1991 an die Bezirksverwaltungsstelle H. hervor. Zumindest aber habe sich die Erbengemeinschaft spätestens mit Schreiben vom 12. Dezember 2008 sogar geradezu „gezwungen“ gesehen, eine Nutzungsentschädigung gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Eine rechtzeitige Klageerhebung sei der Erbengemeinschaft in jedem Fall zumutbar gewesen. Im Hinblick auf die kenntnisunabhängige maximale Verjährungsfrist von zehn Jahren nach § 199 Abs. 4 BGB (Ultimo-Regel) hat sie die Meinung vertreten, dass diese schon aus Rechtsgründen keiner Hemmung durch die Aufnahme von Verhandlungen nach § 203 BGB unterliegen könne. Darüber hinaus hätten ernsthafte Verhandlungen keineswegs bereits durch das Schreiben vom 07. Juli 2008 ausgelöst werden können. Frühestens ab dem 08. September 2008 könne vielmehr von einem nachhaltigen Meinungsaustausch und einer wechselseitigen Erörterung der Sache ausgegangen werden. Sie hat überdies einen Anspruch der Erbengemeinschaft auf Erstattung von Verzugszinsen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach in Abrede genommen und ist insoweit der Ansicht gewesen, dass eine Bestimmung der Leistungszeit für die Zahlung des Nutzungsentgeltes entsprechend § 44 SachenRBerG hier nicht in Betracht komme, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 SachenRBerG nicht vorgelegen hätten. Außerdem verstoße der Kläger mit seiner Zinsberechnung gegen das Zinseszinsverbot aus § 289 BGB.

30

Das Landgericht hat mit dem am 19. Dezember 2013 verkündeten Einzelrichterurteil der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Erblasser ein Nutzungsentgelt für den Zeitraum 01. Oktober 1996 bis 31. Dezember 2001 in Höhe von 41.954,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juni 2012 zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass der vormalige Kläger in Prozessstandschaft für die aus ihm und Frau M. bestehende Erbengemeinschaft einen Nutzungsentgeltanspruch aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB in Verbindung mit § 242 BGB geltend machen könne. Zwar habe die Erbengemeinschaft erst im Jahr 2012 einen Antrag auf Durchführung eines notariellen Vermittlungsverfahrens gestellt. Soweit für den streitbefangenen Zeitraum deshalb eine Anspruchsvoraussetzung nicht vorgelegen habe, sei dies jedoch unerheblich. Für eine verfassungskonforme Auslegung der Norm hat das Landgericht allerdings aufgrund deren eindeutigen und unmissverständlichen Wortlautes und des Gesetzeszweckes kein Raum gesehen. Der Anspruch sei jedoch für die Zeit ab Zugang des Schreibens vom 17. September 1996 aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB unter Heranziehung des § 242 BGB begründet. Denn der Einwand der Beklagten, die Erbengemeinschaft habe das notarielle Vermittlungsverfahren nicht beantragt und ihr stünde deshalb ein Nutzungsentgeltanspruch nicht zu, sei rechtsmissbräuchlich. Durch das Schreiben vom 17. September 1996 in Verbindung mit dem vorangegangenen und späteren Verhalten der Beklagten habe diese ein Vertrauenstatbestand des Inhalts gesetzt, dass der Erbengemeinschaft irgendwelche Rechte aus der Eigentümerstellung gegenüber der Beklagten nicht mehr zustehen könnten. Dass die Entscheidung über die Rückübertragung nach dem VermG erst nach weiteren 12 Jahre ergangen sei, habe die Erbengemeinschaft seinerzeit nicht erahnen können. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes wäre die Einleitung eines notariellen Vermittlungsverfahrens aber reine Makulatur gewesen, denn die Beklagte hätte dem Antrag sogleich widersprochen mit der Folge, dass dieses nicht weiter geführt worden wäre. Allerdings stünde der Erbengemeinschaft keine Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 01. Januar 1995 bis zum Zugang des Schreibens vom 17. September 1996 zu. Denn bis dahin sei die Erbengemeinschaft von einer eigenen Eigentümerstellung ausgegangen. Es sei daher nicht verständlich, warum die Erbengemeinschaft nicht schon damals ein notarielles Vermittlungsverfahren eingeleitet und Nutzungsentgelt beansprucht habe. Der Anspruch der Erbengemeinschaft sei auch nicht etwa verjährt. Ab dem 01. Januar 2002 habe die dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB n.F. Anwendung finden müssen (Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB), die gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Anspruchsentstehung und Kenntniserlangung bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen in Gang gesetzt werde. Die Tatsache, dass die Erbengemeinschaft ihre Grundbuchberichtigungsklage bis in die Revisionsinstanz zum Bundesgerichtshof habe verfolgen müssen, belege dabei anschaulich, dass erst mit dem Revisionsurteil die Rechtslage eindeutig geklärt gewesen sei. In Fällen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage werde der Beginn der Verjährungsfrist aber ausnahmsweise wegen der Rechtsunkenntnis des Gläubigers hinausgeschoben und beginne dementsprechend erst mit deren höchstrichterlichen Klärung zu laufen. Aber auch die kenntnisunabhängige maximale Verjährungsfrist von 10 Jahren nach § 199 Abs. 4 BGB, die hier am 01. Januar 2002 in Gang gesetzt worden sei, sei im Zeitpunkt der Einreichung des Mahnbescheidsantrages noch nicht abgelaufen gewesen. Denn der Lauf der Verjährungsfrist sei durch Aufnahme von Verhandlungen nach § 203 BGB zumindest bis zum Zugang des ablehnenden Schreibens der Beklagten vom 15. Dezember 2008 gehemmt gewesen. Mit diesem Schreiben habe die Beklagte aber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie für eine Grundbuchberichtigung keine Grundlage sehe. Unter Berücksichtigung eines Hemmungszeitraums von 163 Tagen, sei die Verjährungsfrist am 11. Juni 2012 abgelaufen und durch den an diesem Tage bei dem zentralen Mahngericht eingehenden Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides wiederum rechtzeitig nach §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, 167 ZPO gehemmt worden. Der vormalige Kläger habe die Höhe seines Entgeltanspruches zutreffend und unbeanstandet nach dem Erbbauzinssatz entsprechend § 43 SachenRBerG berechnet. Allerdings stünde der Erbengemeinschaft kein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ab dem 01. Januar 1995 zu. Denn die Beklagte sei mit der Zahlung des Nutzungsentgeltes nicht in Schuldnerverzug geraten. Voraussetzung für die Bestimmung der Leistungszeit nach dem Kalender nach § 44 Abs. 1 SachenRBerG sei nämlich die Anhängigkeit eines notariellen Vermittlungsverfahrens, was die Erbengemeinschaft hier jedoch erst im Jahr 2012 eingeleitet habe.

31

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, mit denen sie ihre erstinstanzlichen Anträge, soweit diesen nicht entsprochen worden ist, weiter verfolgen.

32

Der vormalige Kläger ist im Verlaufe des Berufungsverfahrens verstorben und der Rechtsstreit auf Antrag des Klägervertreters mit Beschluss vom 24. März 2014 gemäß §§ 246 Abs. 1, 248 ZPO einstweilen ausgesetzt worden. Mit Schriftsatz vom 12. September 2014 hat die Beklagte nach §§ 246 Abs. 2, 239 Abs. 2 ZPO beantragt, die Erben nach dem verstorbenen W. S. zur Aufnahme des Rechtsstreits und zugleich zur Verhandlung zu laden. Darauf hat die Ehefrau als Erbin mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2014 die Aufnahme des ausgesetzten Berufungsverfahrens erklärt und durch Vorlage des Erbscheins des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Gladbeck vom 29. Dezember 2014 ihre Alleinerbenstellung belegt.

33

Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung, dass das Landgericht verfahrenswidrig über den auf Leistung an die Erbengemeinschaft gerichteten Klageantrag des Erblassers hinausgegangen sei und das begehrte Nutzungsentgelt allein dem vormaligen Kläger zugesprochen habe. In der Sache ist sie der Ansicht, dass das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB nicht über § 242 BGB geheilt werden könne. Insbesondere könne der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht auf das Schreiben vom 17. September 1996 gestützt werden. Aus dem Umstand, dass die Parteien seinerzeit unterschiedliche Rechtsstandpunkte zur Eigentumslage vertreten hätten, könne nicht auf ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten geschlossen werden. Soweit das Landgericht einen Antrag auf Durchführung des notariellen Vermittlungsverfahrens unter diesen Voraussetzungen für reine Makulatur gehalten habe, sei dies nicht nachvollziehbar. Denn nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut des Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8 EGBGB habe bereits der bloße Antrag einen Nutzungsentgeltanspruch zum Entstehen bringen können und zwar unabhängig von dem Fortgang des Verfahrens. Die Beklagte hält darüber hinaus ihre Einrede der Verjährung aufrecht und trägt insoweit vor, dass das Landgericht zu Unrecht den Verjährungsbeginn wegen einer unübersichtlichen und verwickelten Rechtslage bis zur Verkündung des Revisionsurteils des Bundesgerichtshofes hinausgeschoben habe. Der Erbengemeinschaft sei es jedenfalls nicht unzumutbar gewesen, die streitbefangenen Nutzungsentschädigungsansprüche schon weit früher in verjährungshemmender Weise geltend zu machen. Denn es sei davon auszugehen, dass der vormalige Kläger den Sachverhalt und die Rechtslage schon im Jahre 1996 vollständig und zutreffend erfasst habe, wie der von ihm geführte anwaltliche Schriftverkehr belege. Jedenfalls aber beweise der zeitliche Zusammenhang zwischen dem vermögensrechtlichen Bescheid vom 23. Juni 2008 und dem Schreiben der Erbengemeinschaft vom 07. Juli 2008, dass diese sich ihrer Rechtsposition durchaus bewusst gewesen sei. Demzufolge habe die kurze Verjährungsfrist spätestens am 31. Dezember 2008 zu laufen begonnen und mithin am 31. Dezember 2011 geendet. Selbst wenn man auf die am 01. Januar 2002 in Gang gesetzte Zehn-Jahres-Frist des § 199 Abs. 4 BGB abstellen wollte, sei zwischenzeitlich Verjährung eingetreten. Denn das Landgericht habe bei Bemessung des Hemmungszeitraumes übersehen, dass das den Meinungsaustausch einleitende Schreiben vom 07. Juli 2008 der Beklagten zunächst habe zugehen müssen. Zähle man den 10. Juli und 18. Dezember 2008 als Hemmungszeitraum jeweils mit, so würde dies insgesamt 162 Tage ergeben, währenddessen der Lauf der Verjährung gehemmt gewesen sei. Der 162. Tag sei der 10. Juni 2012 gewesen, der Mahnbescheidsantrag sei indessen erst am 11. Juni 2012 bei dem Mahngericht eingegangen.

34

Die Beklagte beantragt,

35

1. das am 19. Dezember 2013 verkündete Einzelrichterurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle abzuändern und die Klage abzuweisen.

36

2. Die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

37

Die Klägerin beantragt,

38

1. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

39

2. das Einzelrichterurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 19. Dezember 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach W. S. und Frau G. M., S. Straße 30, T., in Erbengemeinschaft ein Nutzungsentgelt für den Zeitraum vom 01. Oktober 1996 bis 31. Dezember 2001 in Höhe von 41.954,85 Euro und Verzugszinsen auf 1.991,85 Euro Nutzungsentgelt beginnend ab 01. Oktober 1996 und auf jeweils weitere 1.991,85 Euro Nutzungsentgelt beginnend vierteljährlich nach dem 01. Oktober 1996 bis 31. Oktober 2001 jeweils in Höhe von 4 % bis zum 30. April 2000 und 5-Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 01. Mai 2000 zu zahlen.

40

Sie macht geltend, dass das Landgericht zu Unrecht ihren Anspruch auf Erstattung von Verzugszinsen ab 01. Oktober 1996 zurückgewiesen habe. Die Beklagte sei mit der Zahlung der jeweils vierteljährlich fällig werdenden Nutzungsentgelte vielmehr nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verzug geraten. Die Leistungszeit sei hier nach dem Kalender bestimmt gewesen, so dass eine gesonderte verzugsbegründende Mahnung entbehrlich gewesen sei. Denn durch den Verweis auf den nach dem SachenrechtsBerG zu zahlenden Erbbauzins in Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB finde auch die Vorschrift des § 44 Abs. 1 SachenRBerG auf die Nutzungsentgelte Anwendung. Danach aber habe die Zahlung jeweils vierteljährlich zu erfolgen. Dem Verzugszinsanspruch könne auch nicht entgegen gehalten werden, dass die Erbengemeinschaft einen Antrag für die Durchführung des notariellen Vermittlungsverfahrens nicht gestellt habe. Denn wie bereits in erster Instanz ausgeführt, sei dieser Einwand wegen widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB und daher unbeachtlich. Die Beklagte habe sich auch nicht nach § 286 Abs. 4 BGB zu exkulpieren vermocht. Auf eine unklare Eigentumslage könne sie sich jedenfalls nicht berufen, weil sie diese erst durch ihr eigenes rechtswidriges Verhalten herbeigeführt habe, indem sie das Eigentum der Erbengemeinschaft in Zweifel gezogen habe. Zur Höhe des Verzugszinsanspruchs hat die Klägerin vorgetragen, dass die Beklagte vierteljährlich ein Nutzungsentgelt von 1.991,85 Euro zu zahlen habe. Diese Beträge seien mit einem Verzugszins in Höhe von 4 % jährlich bis zum 30. April 2000 und in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01. Mai 2000 zu verzinsen gewesen.

41

Wegen des weitergehenden Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

42

Den nach dem Tod des vormaligen Klägers auf Antrag dessen Prozessbevollmächtigten durch Beschluss des Senates vom 24. März 2014 nach § 246 Abs. 1 ZPO ausgesetzten Berufungsrechtsstreit hat die Klägerin als Erbin ihres Ehemannes mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2014, konkretisiert und ergänzt durch schriftsätzliche Erklärung vom 20. November 2014 gemäß § 250 ZPO aufgenommen, so dass dem Verfahren Fortgang gewährt und zur Hauptsache verhandelt werden konnte (vgl. Jaspersen in Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Bearbeitung 15. September 2014, Rdn. 46 zu § 239 ZPO; Stadler in Musielak, ZPO, 11. Aufl., Rdn. 13 zu § 239 ZPO; Gehrlein in Münchener Kommentar, ZPO, 6. Aufl., Rdn. 43 zu § 239 ZPO).

43

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Denn das angefochtene Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 546, 513 ZPO), und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine davon abweichende Entscheidung (§ 513 ZPO). Die Berufung der Klägerin hat hingegen keinen Erfolg

44

1.) Die Beklagte rügt zu Recht, dass das Landgericht mit seinem Urteilsausspruch über den Klageantrag hinausgegangen ist und damit gegen die Bindungsvorgaben des § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen hat.

45

Während der damalige Kläger erstinstanzlich nach Maßgabe des § 2039 BGB beantragt hatte, ein Nutzungsentgelt an die Erbengemeinschaft zu zahlen, bestehend aus ihm und seiner Cousine G. M., hat das Landgericht ihm das Nutzungsentgelt unmittelbar zugesprochen und damit die Antragsbindung nach § 308 ZPO verkannt.

46

2. Auch in der Sache kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Denn der Erbengemeinschaft hat ein Nutzungsentgeltanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zugestanden.

47

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht - unbeschadet des Umstandes, dass die mit einer Schule und einer öffentlichen Straße überbaute Teilfläche des Altflurstücks 1543/87 für öffentliche Zwecke (Verkehrszwecke) genutzt wird - den Anspruch der Erbengemeinschaft auf Nutzungsersatz allerdings nicht auf das eigenständige Moratorium für Verkehrsflächen nach Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB gestützt, sondern insoweit die Regelung aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB zugrunde gelegt. Diese war in das Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21. September 1994 auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages als befristete „Notordnung“ eingefügt worden, weil die Rechtsverhältnisse an zu öffentlichen Zwecken genutzten Privatgrundstücken grundsätzlich nicht der Sachenrechtsbereinigung unterliegen (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SachenRBerG). Damit endete der durch Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 1 EGBGB für die Träger der öffentlichen Verwaltung bewirkte Rechtsschutz grundsätzlich mit Ablauf des 31. Dezember 1994. Zur Aufrechterhaltung eines privatrechtlichen Rechts zum Besitz bis zum Erlass eines Gesetzes zur Bereinigung der betroffenen Rechtsverhältnisse bedurfte es daher eines besonderen Moratoriumstatbestandes, der durch das Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz vom 26. Oktober 2001 getroffen wurde. Die zivilrechtliche Bereinigung der Inanspruchnahme von Grundstücken in der ehemaligen DDR zu öffentlichen Zwecken erfolgt dabei grundsätzlich nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz (Art. 1 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes vom 26. Oktober 2001; z. B. BGH VIZ 2002, 580).

48

Anders verhält es sich jedoch, soweit Grundstücke - wie hier - im Rahmen eines komplexen Wohnungsbaus ohne eine Überführung in Volkseigentum bebaut worden sind. Die Ordnung der Eigentumsverhältnisse an den im Rahmen dieser Maßnahmen bebauten Grundstücken erfolgt insoweit (auch soweit die Bebauung öffentlichen Zwecken diente) nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 SachenrechtsBerG) bzw. nach dem das Sachenrechtsbereinigungsgesetz ergänzenden Bodensonderungsgesetz (§ 20 Abs. 3 SachenRBerG). Damit beruht das Recht der Träger der öffentlichen Verwaltung zum Besitz der im Rahmen eines komplexen Wohnungsbaus in Anspruch genommener Grundstücke seit dem 01. Januar 1995 auf dem Anspruch auf Erwerb des Eigentums nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 3 EGBGB). Der Entschädigungsanspruch der Eigentümer wegen der Vorenthaltung ihres Besitzes folgt in diesem Fall nicht aus dem ergänzenden Moratoriumstatbestand von Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB, sondern aus der allgemeinen Regelung des Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB. Die dem Moratoriumsbesitz aus Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB korrespondierende Entschädigungsgrundsätze finden keine Anwendung (z. B. BGH VIZ 2002, 580; BGH NZM 2003, 572). Dies wird auch durch das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz bestätigt. Denn § 13 Abs. 2 VerkFlBerG ordnet in diesen Fällen den Vorrang des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes ausdrücklich an. Die Rechtsverhältnisse an diesen für einen komplexen Wohnungsbau vorgesehenen Grundstücke sind bewusst einer endgültigen Regelung im Wege der Sachenrechtsbereinigung bzw. Bodensonderung zugeführt worden, um die Bereinigung der rechtlichen Zuordnung aller Grundstücke, die im Rahmen einer Maßnahme des komplexen Wohnungsbaus in Anspruch genommen worden sind, nach einheitlichen Grundsätzen zu gewährleisten (Regierungsentwurf zum SachenRÄndG, BT-Drucks. 12/5992, S. 66; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucksache 12/7425, S. 60 ff zitiert bei BGH VIZ 2002, 580).

49

b) Einen Entgeltanspruch kann die Klägerin für den in der Berufung noch streitbefangenen Nutzungszeitraum vom 01. Oktober 1996 bis zum 31. Dezember 2001 allerdings auch nicht aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB herleiten. Deren Ehemann und dessen Cousine G. M. waren zwar als eingetragene Grundstückseigentümer im Sinne des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes Berechtigte und insoweit grundsätzlich auch aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB anspruchsberechtigt.

50

Die Entgeltpflichtigkeit nach Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8 EGBGB knüpft allerdings nicht allein an das Bestehen eines Sachenrechtsmoratoriums mit dem Ziel der Überleitung in die Sachenrechtsbereinigung an. Der Anspruch setzt vielmehr die Einleitung bestimmter und abschließend benannter Verfahren zur Bereinigung der Eigentumsverhältnisse und die Mitwirkung des Eigentümers hieran voraus. Die Regelung sieht eine Entgeltpflicht ausdrücklich nur für die Dauer der in Abs. 1 S. 8 enumerierter Verfahren vor (z. B. BGH NZM 2006, 190; BGH NZM 2003, 572; OLG Naumburg VIZ 1999, 674; Staudinger/Rauscher, Bearbeitung 2003, Rdn. 101 zu Art. 233 § 2 a Abs. 1 EGBGB). Der Nutzer soll nur dann eine Entschädigung in Höhe des im SachenrechtsBerG bestimmten Erbbauzinses zahlen müssen, wenn ein Verfahren zur Bodenneuordnung nach dem BodensonderungsG eingeleitet wird, er ein notarielles Vermittlungsverfahren nach den §§ 87 bis 102 SachenRBerG oder ein Bodenordnungsverfahren nach dem achten Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes beantragt oder sich in den Verfahren auf eine Verhandlung zur Begründung dinglicher Rechte oder eine Übereignung eingelassen hat. Schlichte Verhandlungen außerhalb eines der genannten förmlichen Bereinigungsverfahren führen hingegen nicht zu einer Entgeltlichkeit der Nutzung (z. B. OLG Naumburg VIZ 1999, 674). Nur der im Rahmen der vorgegebenen Verfahren auf die Rechtsänderung hinwirkende Grundstückseigentümer soll auch ein Entgelt verlangen können. An diesem Regelungsziel ist der Tatbestand des Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB orientiert (z. B. BGH NZM 2003, 572; BGH NZMN 2006, 190; OLG Naumburg VIZ 1999, 674; OLG Brandenburg OLGR Brandenburg 1999, 229; Staudinger/Rauscher, Bearbeitung 2003, Rdn.101 zu Art. 233 § 2 a EGBGB). Dies ist auch folgerichtig. Denn der Eigentümer hat es über § 16 Abs. 3 SachenRBerG in der Hand, eine Bereinigung zu erzwingen. Auch nach Schaffung einer Entgeltregelung für die Zeit bis zum 31. März 1995 in Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 4 EGBGB verbindet der Gesetzgeber mit der Untätigkeit des Eigentümers die Unentgeltlichkeit der Nutzung von dem frühsten Zeitpunkt an, zu dem der Eigentümer auch gegen den Willen des Nutzers eine Klärung herbeiführen kann. Dies lässt jedes Abwarten aus Sicht des Grundstückseigentümers unwirtschaftlich erscheinen (z. B. Staudinger/Rauscher, Bearbeitung 2003, Rdn. 101 zu Art. 233 § 2 a EGBGB). Die aktive Mitwirkung des Grundstückseigentümers ist mithin Tatbestandsmerkmal für eine Entgeltzahlungsverpflichtung, die unmittelbar mit Einleitung des Verfahrens, also mit Eingang des Antrages des Eigentümers nach § 87 Abs. 1, Abs. 2 SachenRBerG bei dem nach § 88 SachenRBerG zuständigen Notar, beginnt (vgl. Staudinger/Rauscher, Bearbeitung 2003, Rdn. 103 zu Art. 233 § 2 a EGBGB).

51

Der ehemalige Kläger hat die Durchführung eines notariellen Vermittlungsverfahrens aber erstmals mit anwaltlichen Schreiben vom 28. März 2012 bei dem Notar Prof. Dr. M. Z. beantragt. Erst von diesem Zeitpunkt an konnte die Erbengemeinschaft ein Nutzungsentgelt verlangen. Denn zuvor hatte der Kläger bzw. die Erbengemeinschaft weder eigene Antragsrechte wahrgenommen, noch sich in einem laufenden Bereinigungsverfahren zur Sache eingelassen. Verhandlungen der Beteiligten außerhalb der in Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB benannten Verfahren sind dagegen nicht geeignet, einen Nutzungsentgeltanspruch zu begründen (z. B. OLG Naumburg VIZ 1999, 674).

52

Die Antragstellung im Jahr 2012 wirkt auch nicht auf den hier streitbefangenen Nutzungszeitraum Oktober 1996 bis 31. Dezember 2001 zurück.

53

c) Eine analoge Anwendung der Anspruchsnorm des Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB auf Sachverhalte, bei denen die Parteien außerhalb eines laufenden Verfahrens Verhandlungen führen, ist nicht veranlasst, da es insoweit bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (z. B. OLG Naumburg a. a. O.). Dem Schutzweck der Norm entspricht es vielmehr sicher zu stellen, dass der Eigentümer zu einer Mitwirkung an der tatsächlichen Bereinigung der Eigentumsverhältnisse im Rahmen eines förmlichen Verfahrens angehalten wird. Dass der Gesetzgeber den Fall der Verhandlungen der Parteien außerhalb eines bezeichneten Verfahrens übersehen haben könnte, ist dagegen nicht ersichtlich.

54

d) Ein Entgeltanspruch lässt sich der Regelung auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung entnehmen. Für eine verfassungskonforme Auslegung des Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB dahingehend, dass ein später gestellter Antrag auf Durchführung eines notariellen Vermittlungsverfahrens nach §§ 87 ff SachenRBerG auf einen früheren Nutzungszeitraum zurückwirken kann, ist nach Ansicht des Senats kein Raum.

55

Eine verfassungskonforme Auslegung einer Norm ist dann geboten, wenn unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck des Gesetzes mehrere Deutungen möglich sind, von denen nicht alle, aber zumindest eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt. Durch den Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und den Gesetzeszweck werden der verfassungskonformen Auslegung allerdings wiederum Grenzen gezogen. Ein Normverständnis, das in Widerspruch zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers treten würde, kann auch im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht begründet werden (z. B. BVerfGE 98, 17; BVerfG BauR 2009, 1424 m. w. N.). Eine verfassungskonforme Auslegung darf den normativen Gehalt der auszulegenden Vorschrift nicht grundlegend neu bestimmen, das gesetzgeberische Ziel darf in einem wesentlichen Punkt mithin nicht verfehlt oder verfälscht werden (BVerfG BauR 2009, 1424 m. w. N.).

56

Danach aber muss eine verfassungskonforme Auslegung hier ausscheiden.

57

Der eindeutige Wortlaut der hier einschlägigen Vorschrift und der erkennbar dahinter stehende Wille des Gesetzgebers, dass nur der Grundstückseigentümer ein Entgelt soll verlangen können, der an einer Bereinigung durch Begründung dinglicher Rechte oder durch Verkauf aktiv mitwirkt, halten einen interpretatorischen Spielraum insoweit nicht offen (z. B. OLG Naumburg VIZ 1999, 674). Dem Gesetzeswortlaut lässt sich unmissverständlich entnehmen, dass der Eigentümer eines vom Moratorium betroffenen Grundstücks einen gesetzlichen Anspruch auf ein Nutzungsentgelt nur für die Dauer des eingeleiteten Bereinigungsverfahrens erhalten soll, sofern er sich an dem Verfahren aktiv beteiligt. Dies entspricht auch der ratio legis der Vorschrift, die auf eine zielgerichtete Mitwirkung des Eigentümers an der Einleitung und dem Fortgang des Verfahrens unabhängig von dessen Ausgang abzielt (z. B. BGH NZM 2006, 190). Sie eröffnet dem Grundstückseigentümer von Gesetzes wegen die Möglichkeit, aus seinem Grundstück Nutzen zu ziehen (z. B. BGH NZM 2003, 572). Er soll über den Nutzungsentschädigungsanspruch motiviert werden, eigene Anträge zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse zu stellen (z. B. OLG Naumburg VIZ 1999, 674). Die Pflicht zur Zahlung des Entgelts soll andererseits auch dem Nutzer einen Anreiz geben, auch seinerseits auf eine beschleunigte Durchführung der Sachenrechtsbereinigung zu drängen und damit den Zeitraum in dem er das Entgelt zu zahlen hat, zu begrenzen (z. B. BGH NZM 2006, 190).

58

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08. April 1998 (BVerfGE 98, 17 ff) verweist und die Ansicht vertritt, dass ein Anspruch auf das Nutzungsentgelt an keine zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzungen geknüpft werden müsse, weil das gesetzliche Besitzrecht nach Art. 2 a Abs. 1 S. 1 EGBGB (sog. Sachenrechtsmoratorium) nur dann eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentümers im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG darstelle, wenn dem Grundstückseigentümer zugleich ein Anspruch auf ein Nutzungsentgelt zugebilligt werde, überzeugt diese Argumentation nicht. Wie die Beklagte in ihrer Klageerwiderung zu Recht eingewandt hat, ist der Regelungssachverhalt des Streitfalls nicht vergleichbar. Das BVerfG hat in der in Bezug genommenen Entscheidung Art. 233 § 2 a Abs. 8 S. 1 EGBGB in der Fassung des Sachenrechtsänderungsgesetzes vom 21. September 1994 deshalb für mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unvereinbar erklärt, weil diese Regelung für den Zeitraum vom 22. Juli 1992 bis zum Ablauf des 31. Dezember 1994 einen gesetzlichen Anspruch des Grundstückseigentümers auf Nutzungsentgelt gegen den Besitzberechtigten überhaupt nicht vorgesehen hat. Es bestand für den Grundstückseigentümer hinsichtlich des insoweit streitigen Zeitraums vom 22. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 mithin keine Möglichkeit, ohne Vereinbarung mit dem Nutzer zu einem Entgelt zu gelangen. Die Regelung in Art 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB eröffnet dem Eigentümer dagegen von Gesetzes wegen die Möglichkeit, aus seinem Grundstück unter den benannten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen Nutzen zu ziehen (z. B. BGH NZM 2003, 572; OLG Naumburg VIZ 1999, 674). Während die für verfassungswidrig erklärte Bestimmung den Ausschluss von Nutzungsentschädigungsansprüchen zum Gegenstand hatte, geht es hier um einen Tatbestand, der dem Grundstückseigentümer gerade einen Entgeltanspruch gewährt.

59

Dass Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB den Nutzungsentgeltanspruch an die aktive Mitwirkung des Grundstückseigentümers in einem formellen Bereinigungsverfahren als tatbestandliche Anspruchsvoraussetzung knüpft, ist auch nicht unverhältnismäßig. Maßgeblich ist das gesetzgeberische Ziel, die Eigentumsverhältnisse an Grundstücken und Gebäuden alsbald zu bereinigen. Zur Erreichung dieses billigenswerten Ziels wird der Anspruch des Grundstückseigentümers auf eine Verzinsung der Bodennutzung von dessen aktiver Beteiligung an den vom Gesetzgeber hierzu bereit gestellten Verfahren abhängig gemacht. Der Grundstückseigentümer wird hierdurch nicht unangemessen belastet. Denn er hat es jeder Zeit selbst in der Hand, durch einen eigenen Antrag die Entgeltzahlungsverpflichtung auszulösen, zumal sich die Vorschrift auch gerade an ihn richtet. Über den Nutzungsentgeltanspruch soll nämlich gerade erreicht werden, dass der Eigentümer die Bereinigung der Rechtsverhältnisse vorantreibt und ein entsprechendes Verfahren einleitet bzw. aktiv fördert. Tut er dies nicht, kann er sich nicht darauf berufen, dass der Nutzer seinerseits untätig geblieben sei. Denn die Untätigkeit des Nutzers hindert den Eigentümer seinerseits nicht, einen eigenen Antrag frühzeitig anzubringen. Der Antrag des Nutzers sollte bei einem auf die Bereinigung der Rechtsverhältnisse bedachten Eigentümer sogar in der Regel überflüssig sein (z. B. OLG Naumburg VIZ 1999, 674).

60

Auch das Bundesverfassungsgericht hat in der von Klägerseite in Bezug genommenen Entscheidung vom 08. April 1998 in einem anderen Zusammenhang zur Verfassungsmäßigkeit der Moratoriumslösung von 1992 ausgeführt, dass dem Grundstückseigentümer im Hinblick auf die Überführung der im Zeitpunkt des Beitritts vorhandenen Rechts- und Besitzverhältnisse in das Sachenrechtssystem des Bürgerlichen Gesetzbuches gewisse Beschränkungen durchaus zuzumuten gewesen sind. Denn durch die Wiedervereinigung sind sie überhaupt erst in die Lage versetzt worden, Ansprüche in Bezug auf die ihnen gehörenden Grundstücke durchzusetzen. Der Gesetzgeber durfte deshalb das Interesse der Grundstückseigentümer an einer Verwendung ihrer Grundstücke für eine Übergangszeit hinter den Belangen der Grundstücksnutzer zurückstellen. Auch dieser Gesichtspunkt muss daher bei Auslegung des Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8 EGBGB berücksichtigt werden.

61

Die Klägerin kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass die frühzeitige Beantragung eines notariellen Vermittlungsverfahrens ihr bzw. ihrem verstorbenen Ehemann deshalb nicht zumutbar gewesen sei, weil sie im Ergebnis „Makulatur“ gewesen wäre, da der Notar das Verfahren ohnehin nach § 94 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SachenRBerG aussetzen musste, sobald die Beklagte die Anspruchsberechtigung der Erbengemeinschaft in Abrede genommen hätte. Denn eine Aussetzung des notariellen Vermittlungsverfahrens hätte die Entstehung des Entgeltanspruchs gänzlich unberührt gelassen. Dafür wäre ausreichend gewesen, dass der Eigentümer durch aktive Mitwirkung in einem rechtlich hierfür vorgesehenen Verfahren (ungeachtet des Ausgangs) zur Bereinigung der dinglichen Lage beigetragen hat (z. B. BGH NZM 2003, 572).

62

e) Entgegen der Ansicht des Landgerichts lässt sich der Entgeltanspruch schließlich auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben über § 242 BGB herleiten.

63

aa) Insoweit bestehen bereits Bedenken, ob das Fehlen einer tatbestandlichen Voraussetzung einer gesetzlichen Anspruchsnorm über den Rechtsmissbrauchseinwand nach Maßgabe des § 242 BGB überhaupt ersetzt werden kann, da den Grundsätzen der unzulässigen Rechtsausübung damit faktisch eine anspruchsbegründende Korrekturfunktion beigemessen würde. Die Generalklausel des § 242 BGB begründet lediglich das allgemeine Gebot redlichen Verhaltens. Es kann, je nach seinen unterschiedlichen Anwendungsbereichen, dabei rechtskonkretisierend, rechtsbegründend, rechtsbestärkend oder rechtsbeschränkend wirken (z. B. Pfeiffer in jurisPK-BGB, Rdn. 1 zu § 242 BGB). Die zentrale Rechtsfolge der Lehre von der unzulässigen Rechtsausübung besteht allerdings grundsätzlich darin, die Verwirklichung eines subjektiven Rechts oder einer günstigen Rechtsposition auf Dauer oder zeitweilig zu verhindern bzw. deren rechtliche Berücksichtigung zu versagen (z. B. Roth/Schubert in Münchener Kommentar, Rdn. 198 zu § 242 BGB). Allgemeine Billigkeitsgesichtspunkte können im Rahmen des § 242 BGB zwar dazu führen, Ansprüche zu mindern oder gar zu versagen; sie können jedoch im Allgemeinen nicht Ansprüche begründen, die nach Gesetz oder Vertrag nicht vorgesehen sind (z. B. BGH NJW 1981, 1779). Ob ein an sich fehlendes Tatbestandsmerkmal einer gesetzlichen Anspruchsnorm über § 242 BGB substituiert und dadurch ein eigentlich nicht bestehendes Recht zuerkannt werden kann, ist danach zumindest zweifelhaft. In der Rechtsliteratur wird eine anspruchsbegründende Funktion des § 242 BGB allerdings in Ausnahmefällen im Ergebnis einer Abwägung der beiderseitigen Interessenlage anerkannt, was unter Umständen zur Folge haben kann, dass ein fehlendes Tatbestandsmerkmal ersetzt wird (z. B. Roth/Schubert in Münchener Kommentar, Rdn. 198/199 zu § 242 BGB; Olzen/Looschelder in Staudinger, Bearbeitung 2015, Rdn. 245 zu § 242 BGB). Insoweit wird der Rechtsgedanke aus §§ 162, 815 BGB nutzbar gemacht, wonach niemand aus einem treuwidrigen, rechtsmissbräuchlichen Verhalten für sich Vorteile herleiten darf. Denn der Vorwurf des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens kann auch daran anknüpfen, dass eine günstige Rechtsposition der Gegenpartei verhindert wurde. Der treuwidrig Handelnde muss sich in diesem Fall so behandeln lassen, als sei das Recht entstanden, gleich ob das treuwidrige Verhalten den Erwerb eines Rechts oder nur seine tatsächliche Ausübung verhindert hat (vgl. Olzen/Looschelder in Staudinger, Bearbeitung 2015, Rdn. 245, zu § 242 BGB). Die Regelung des § 242 BGB darf allerdings nicht dazu verwendet werden, Entscheidungen des Gesetzgebers in ihr Gegenteil zu verkehren oder sonst auszuhebeln.

64

bb) Selbst wenn der Senat den Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB nach diesen Maßstäben hier für anwendbar halten sollte, kann die Klägerin eine Nutzungsentschädigung für den streitbefangenen Zeitraum gleichwohl hieraus nicht herleiten. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung in Gestalt einer treuwidrigen Vereitelung einer Anspruchsentstehung ab 01. Oktober 1996 lassen sich hier nicht feststellen. Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen tragen den Vorwurf des Rechtsmissbrauches aus § 242 BGB nicht. Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass die Beklagte die Erbengemeinschaft von der Einleitung eines notariellen Vermittlungsverfahrens nach §§ 87 ff SachenRBerG in unredlicher Weise abgehalten bzw. sich ihr sonstiges Verhalten als grob widersprüchlich und irreführend erwiesen hätte.

65

(1) Die Tatsache, dass die Beklagte ein komplexes Bodenneuordnungsverfahren im Sinne des § 1 Nr. 4 BoSoG nicht von Amts wegen nach § 6 Abs. 1 S. 3 BoSoG eingeleitet hat, begründet einen solchen Vorwurf nicht. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob der Gesetzesanwendungsbereich des Bodensonderungsgesetzes nach § 1 Nr. 4 BoSoG überhaupt eröffnet ist und die Beklagte im Hinblick auf die sowohl von ihr als auch von dem Bauverein ausgeübten, unvermessenen Nutzungsrechte (§ 3 BoSoG) ein Sonderungsverfahren nach § 6 Abs. 1 BoSoG von Amts wegen hätte einleiten müssen. Richtig ist lediglich, dass das komplexe Bodenneuordnungsverfahren zur Beschleunigung und Vereinfachung der im öffentlichen Interesse stehenden Sachenrechtsbereinigung beigetragen hätte, zumal zu beachten war, dass das Altflurstück 1543/87 nicht allein durch die Beklagte, sondern eine Teilfläche hiervon auch durch die Wohnungsbaugenossenschaft L. e.G. - dem heutigen Bauverein - genutzt wurde.

66

Zwar kann das Verfahren der komplexen Bodenneuordnung (§ 1 Nr. 4 BoSoG) nur von Amts wegen eingeleitet werden (§ 6 Abs. 1 S. 2 BoSoG). Dies schließt aber einen Antrag des Grundstückseigentümers auf Einleitung eines notariellen Vermittlungsverfahrens nach den §§ 87 ff SachenRBerG keineswegs aus. Das Bereinigungsverfahren ist für den komplexen Wohnungs- und Siedlungsbau vielmehr nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 2. HS SachenRBerG eigens vorbehalten. Zwar wird der Grundstückseigentümer, der das Wahlrecht nach § 16 SachenRBerG auf sich überleiten muss (was die Erbengemeinschaft hier auch veranlasst hat) regelmäßig nicht in der Lage sein, den Nutzern vermessene Flurstücke zum Ankauf und zur Bestellung eines Erbbaurechts anzubieten. Dies steht der Wirksamkeit des Vermittlungsantrags im Sinne des Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 8 EGBGB aber nicht entgegen. Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz verweist die Beteiligten vielmehr ausdrücklich auf die Einigung über den Verlauf der Nutzungsrechtsgrenzen (§ 85 Abs. 2 SachenRBerG), die zu vermitteln Aufgabe des Notars ist. Scheitert dies, bleibt die Möglichkeit, im Rahmen des Bereinigungsverfahrens (ohne hoheitliche Zuweisung des Eigentums,) die Bestimmung der Teilflächen, die Gegenstand des künftigen Bereinigungsvertrags sind, nach den Vorschriften des Bodensonderungsgesetzes vornehmen zu lassen (§ 85 Abs. 1 SachenRBerG, § 4 BoSoG; vgl. Schmidt-Räntsch/Marx in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, Rdn. 3 f. § 4 BoSoG). Dass das notarielle Vermittlungsverfahren, je nach den Zwecken der Bodensonderung, bis zur Bestimmung der Grundstücksgrenzen durch Sonderungsbescheid auszusetzen (§ 94 Abs. 2 Nr. 1 SachenRBerG) oder, wenn das Sonderungsverfahren auch die dinglichen Erklärungen ersetzen soll, endgültig einzustellen ist (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG), lässt den Entgeltsanspruch des Grundstückseigentümers dagegen unberührt, sofern dieser nur durch aktive Mitwirkung in einem rechtlich vorgesehenen Verfahren zur Bereinigung der dinglichen Lage beigetragen hat. Auf den Ausgang des Verfahrens kommt es hingegen nicht an. Bei komplexer Überbauung ist die Einleitung des Bodensonderungsverfahrens mithin nur eine zusätzliche Alternative zur Antragstellung nach § 87 SachenRBerG (z. B. BGH NZM 2003, 572; Staudinger/Rauscher, Bearbeitung 2003, Rdn. 103 zu Art. 233 § 2 a EGBGB).

67

(2) Auch soweit die Klägerin geltend macht, dass die Beklagte der Vorwurf treffe, dass sie das Sachenrechtsbereinigungsverfahren treuwidrig verzögert bzw. verschleppt habe, ist ihr Vorbringen nicht begründet.

68

Soweit sie in diesem Zusammenhang behauptet hat, das Verhalten der Beklagten sei von Anfang an darauf gerichtet gewesen, das im Eigentum der Erbengemeinschaft stehende Grundstück wider besseren Wissens nicht an diese herausgeben zu müssen, sondern für sich zu vereinnahmen, hat sie dies schon nicht mit ausreichenden Tatsachen unterlegt. Dass der Beklagten die streitbefangenen Flurstücke im Rahmen der Vermögenszuordnung durch die am 10. Juli 1995 und 14. Februar 2001 ergangenen Bescheide des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Magdeburg zugewiesen worden sind, rechtfertigt erkennbar nicht den Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Vereitelung einer Anspruchsdurchsetzung durch die Erbengemeinschaft. Denn die Vermögenszuordnung erfolgte ohnehin unbeschadet privater Rechte Dritter (§ 2 Abs. 1 S. 5 VZOG) und ließ die Rechtsposition der Erbengemeinschaft dementsprechend unberührt. Auch im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass das Vermögenszuordnungsverfahren nicht verfahrensgemäß betrieben worden ist und die Beklagte hierdurch gezielt die Anspruchsposition der Erbengemeinschaft unterlaufen hätte.

69

Einen Rechtsmissbrauchseinwand kann die Klägerin schließlich auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte Verhandlungen über eine Sachenrechtsbereinigung treuwidrig abgewehrt habe, indem der Erbengemeinschaft mit Schreiben vom 17. September 1996 (Anlage K 36, Anlagensonderband) eine förmliche Inanspruchnahme des Grundstücks vorgetäuscht worden sei. Soweit sie vorträgt, das Liegenschaftsamt der Beklagten habe ihren verstorbenen Ehemann unter Vorspiegeln falscher Tatsachen von der weiteren Rechtsverfolgung abzuhalten versucht, weil in diesem Schreiben wahrheitswidrig behauptet worden sei, dass das Stadtbauamt des ehemaligen Rates der Stadt H.-N. das sog. Inanspruchnahmeverfahren durchgeführt habe, in dessen Ergebnis das Flurstück in Volkseigentum überführt worden sei, trägt dies den Vorwurf eines unlauteren Vorgehens in Anspruchsvereitelungsabsicht nicht. Es ist allerdings unstreitig, dass ein Inanspruchnahmebescheid über das Altflurstück 1574/87 seinerzeit nicht ergangen war; die katastermäßige Umflurung und Buchung im Bestandsblatt als Volkseigentum stellte vielmehr keine formell ordnungsgemäße Überführung in Volkseigentum dar. Auch wenn die in dem Schreiben vom 17. September 1996 enthaltenen Ausführungen zu dem Inanspruchnahmeverfahren unzutreffend gewesen sein mögen, vermag dies aber noch nicht eine Korrektur des gesetzlichen Tatbestandes aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung zu begründen mit der Folge, dass ein Nutzungsentgeltanspruch auch ohne vorherige Beantragung eines notariellen Vermittlungsverfahrens entstehen könnte. Denn es ist schon nicht zu erkennen, dass die beanstandete Aussage der Amtsleiterin des Liegenschaftsamtes einen Vertrauenstatbestand begründet hätte, der die Erbengemeinschaft von der Durchsetzung ihrer Rechtsposition ernsthaft abhalten konnte. In dem Schreiben vom 17. September 1996 wurde lediglich der Rechtsstandpunkt der beklagten Stadt dargelegt, nämlich dass sie sich zu einem Ankauf der streitbefangenen Grundflächen nach dem SachenRBerG deshalb nicht verpflichtet sehe, weil sie bereits als Eigentümerin der Flurstücke im Grundbuch eingetragen sei und insoweit eine Doppelbuchung in zwei Grundbüchern vorliege. Dementsprechend hat sie einen etwaigen Anspruch der Erbengemeinschaft unter Bezugnahme auf die eigene grundbuchrechtlich dokumentierte vermeintliche Eigentümerstellung abgelehnt und die Erbengemeinschaft darauf verwiesen, den Ausgang des Restitutionsverfahrens abzuwarten. Dies mag sich als unzutreffend heraus gestellt haben, stellt aber als solches noch keine unzulässige Rechtsausübung dar, zumal für die Rechtsposition der Beklagten spricht, dass seinerzeit durchaus auch faktische Vorgänge wie die Buchung eines Grundstücks als Volkseigentum „als sonstige Überführung“ in Betracht gekommen sind, sofern dem ein staatlicher Wille und nicht ein Versehen zugrunde lag (z. B. BGH MDR 2012, 961). Hierauf hat sich die Beklagte auch im Folgenden auch berufen. Es liegt zudem in der Natur der Sache, dass in einer strittigen Rechtsangelegenheit widerstreitende Rechtsansichten vertreten werden. Insofern ist aber keineswegs ungewöhnlich und jedenfalls nicht treuwidrig, dass die Parteien, die beide für sich eine Eintragung als Grundstückseigentümer im Grundbuch in Anspruch nehmen konnten und sich deshalb wechselseitig des Eigentums an der Liegenschaft berühmen, gegensätzliche Rechtsstandpunkte eingenommen haben. Der Beklagten war es jedenfalls nicht verwehrt, sich gegenüber dem Anspruchsbegehren der Erbengemeinschaft angemessen mit rechtlichen Mitteln zu verteidigen und ihrer eigenen Grundbuchposition Ausdruck zu verleihen. Insoweit blieb es ihr sogar unbenommen, von Erklärungen, die sie im Laufe des Verfahrens gegenüber der Erbengemeinschaft abgegeben hat, wiederum abzurücken (z. B. BGH NJW 1997, 3377/ 3380). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte auf die Willensentschließung der Erbengemeinschaft durch eine arglistige Täuschung mit unlauteren Mitteln eingewirkt habe, liegen jedenfalls nicht vor.

70

Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang mit Bezug auf das Schreiben vom 17. September 1996 ausführt, der Rechtsmissbrauchseinwand sei hier nach den Grundsätzen des widersprüchlichen Verhaltens begründet, folgt der Senat auch dieser Ansicht nicht. Nicht schon jeder Widerspruch zwischen Erklärungen des in Anspruch genommenen Nutzers und seinem Verhalten im Verfahren bedeutet ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben und ist deshalb als unzulässige Rechtsausübung zu werten. Widersprüchliches Verhalten ist nach ständiger Rechtsprechung vielmehr nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn dadurch für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (z. B. BGHZ 32, 273, 279; BGH NJW 1985, 2589, 2590; BGH NJW 1986, 2104, 2107; BGH NJW 1997, 3377) oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (z. B. BGHZ 94, 344, 354; BGH NJW 1992, 834; BGH NJW 1997, 3377). An beiden Voraussetzungen fehlt es hier. Dabei wird nicht verkannt, dass eine Rechtsausübung, selbst wenn sie an sich nicht zu missbilligen wäre, gleichwohl dann unzulässig sein kann, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist, und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (z. B. BGH NJW 2009, 1343; Münchener Kommentar/Roth, Rdn. 255 zu § 242 BGB). Es ist hier aber weder dargetan noch ersichtlich, zu welchem früheren Verhalten sich die Beklagte im Streitfall in unlauterer Weise in Widerspruch gesetzt haben soll. Besondere Umstände, die die Rechtsausübung der Beklagten hier ausnahmsweise als widersprüchlich und damit treuwidrig erscheinen ließen, hat die Klägerin schon nicht schlüssig dargetan. Auch das Landgericht hat seinen diesbezüglichen Argumentationsansatz in dem angefochtenen Urteil hierzu nicht weiter vertieft. Jedenfalls kann für die Beurteilung der Frage nicht darauf abgestellt werden, wie die Erbengemeinschaft die Rechtslage seinerzeit einschätzte.

71

Dass eine förmliche Inanspruchnahme des Grundstücks durch die staatlichen Stellen zu DDR-Zeiten ausgeblieben war und damit eine formell ordnungsgemäße Überführung in Volkseigentum nicht stattgefunden hatte, war der Erbengemeinschaft im Übrigen auch schon weit früher bekannt. So hatte die Bezirksverwaltungsbehörde H. die Erbengemeinschaft bereits mit Schreiben vom 23. Oktober 1990 (Anlage K 22) darüber informiert, dass es die zuständigen staatlichen Stellen der DDR versäumt hätten, nach der Aufbaugebietserklärung die weiteren Verfahrensschritte zu beschreiten. Dass der vormalige Kläger selbst nicht von einer ordnungsgemäßen Überführung des Grundstücks in Volkseigentum ausgegangen ist, belegt überdies sein Antwortschreiben an die Bezirksverwaltungsbehörde vom 02. Januar 1991 (Anlage K 23, Anlagensonderband). Mit Schreiben vom 06. März 1991 hatte das Kreisgericht - Grundbuchamt - H. der Erbengemeinschaft zudem erneut die Eigentumssituation und Grundbuchlage dargelegt und diese aufgefordert, für eine Grundbuchberichtigung Sorge zu tragen. (Anlage K 24, Anlagensonderband). Die Erbengemeinschaft hat daraufhin die empfohlene Grundbuchberichtigung beantragt und ist unter dem 30. Oktober 1993 ins Grundbuch eingetragen worden. Dass die Beklagte mit dem Schreiben vom 17. September 1996 die Geltendmachung der Eigentümerrechte der Erbengemeinschaft, insbesondere die zeitnahe Einleitung eines notariellen Vermittlungsverfahrens gezielt vereitelt habe, kann der Senat im Hinblick darauf nach alledem aber letztlich nicht feststellen.

72

(3) Die Klägerin hat schließlich auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür dargetan, dass die Beklagte das von der Erbengemeinschaft eingeleitete Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz nachhaltig verzögert und ihre Anspruchsdurchsetzung damit gezielt behindert habe. Es kann zwar keinen Zweifeln begegnen, dass eine Verfahrensdauer von nahezu 18 Jahren unangemessen lang ist. Eine der Beklagten zurechenbare Verfahrensverschleppung mit dem Ziel der Vereitelung der Geltendmachung berechtigter Nutzungsentschädigungsansprüchen der Erbengemeinschaft kann aus diesem Umstand jedoch nicht hergeleitet werden. Die Klägerin behauptet zwar pauschal, dass die Beklagte den Verfahrensausgang so weit hinausgezögert habe, um sich selbst die unentgeltliche Nutzung des Grundstücks zu ermöglichen. Diese Behauptung hat die Klägerin indessen nicht mit konkreten Tatsachen unterlegt und unter geeigneten Beweis gestellt. Sie trägt schon nicht vor, auf welche Weise und mit welchen prozessualen Mitteln die Beklagte auf den Verfahrensgang Einfluss genommen haben soll, um eine Entscheidung zu verzögern. Sie hat darüber hinaus versäumt darzulegen, welche prozessualen Maßnahmen die Erbengemeinschaft ergriffen hat, um einer Verfahrensverschleppung der Beklagten ihrerseits entgegen zu wirken und den Verfahrensgang vergeblich zu fördern.

73

Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, kann sich die Erbengemeinschaft schließlich auch nicht darauf berufen, dass die Beantragung eines notariellen Vermittlungsverfahrens während des laufenden Verfahrens nach dem VermG „Makulatur“ gewesen wäre, weil der beauftragte Notar sich in diesem Fall zur Aussetzung des Vermittlungsverfahrens nach § 94 SachenRBerG veranlasst gesehen hätte. Denn dies wäre für die Entstehung des Nutzungsentgeltanspruches des Grundstückseigentümers aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB völlig unerheblich (vgl. BGH NZM 2003, 572).

74

Die von der Klägerin vorgetragenen Umstände reichen nach alledem weder für sich noch in der Gesamtschau aus, um das Fehlen eines Antrages für die Einleitung des notariellen Vermittlungsverfahrens nach §§ 87 ff SachenRBerG als anspruchsbegründendes Merkmal des Nutzungsentgeltanspruchs aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB zu ersetzen bzw. dem späteren Antrag der Erbengemeinschaft aus dem Jahre 2012 eine rückwirkende Kraft zu verleihen und diesen auf den 01. Oktober 1996 zurückzubeziehen.

75

f) Schließlich steht der Klägerin weder ein gesetzlicher Nutzungsersatzanspruch, noch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen zu.

76

aa) Ein Anspruch auf Nutzungsersatz nach §§ 987 ff BGB setzt eine Vindikationslage nach § 985 BGB voraus. Eine solche bestand in dem hier streitbefangenen Zeitraum jedoch ersichtlich nicht. Denn die Beklagte war hier jedenfalls aufgrund des Sachenrechtsmoratoriums nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 1 EGBGB zum Besitz berechtigt. Denn Art. 233 § 2 a Abs. 1 EGBGB begründet ein gesetzliches Besitzrecht.

77

bb) Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus einer Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall BGB kommt gleichfalls nicht in Betracht, da nach der Wertung des Art. 233 § 2 a Abs. 3 S. 1 EGBGB für die Geltendmachung gesetzlicher Nutzungsersatzansprüche aus § 812 BGB kein Raum ist. Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB stellt vielmehr eine abschließende materielle Regelung zum Nutzungsersatz dar, die alle Moratoriumsfälle erfasst (z. B. Staudinger/Rauscher, Bearbeitung 2003, Rdn. 86 zu Art. 233 § 2a EGBGB).

78

Danach scheidet bereits dem Grunde nach ein Nutzungsentgeltanspruch aus, so dass es auf die zwischen den Parteien des weiteren streitige Frage, ob der Durchsetzbarkeit des Anspruchs die von Beklagtenseite erhobene Einrede der Verjährung aus § 214 BGB entgegen steht, nicht mehr ankommt.

79

3. Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache dagegen ohne Erfolg.

80

Den Erben nach R. und L. S. steht der geltend gemachte Zinsanspruch nicht unter Verzugsgesichtspunkten nach §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 2039 BGB (bzw. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 284, 285 BGB a.F.) in Verbindung mit § 44 Abs. 1 SachenRBerG zu.

81

Der Senat kann die zwischen den Parteien streitige Frage im Ergebnis dahin gestellt sein lassen, ob die Beklagte auch ohne Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verzug geraten sein könnte, weil für die Zahlung des Nutzungsentgeltes eine Leistungszeit nach dem Kalender in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 1 SachenRBerG bestimmt war. Denn ein Nutzungsentgeltanspruch nach Maßgabe des Art. 233 § 2 a Abs. 1 S. 8 EGBGB ist hier bereits nicht begründet. Soweit es aber schon an einer Hauptforderung dem Grunde nach fehlt, kann auch ein Schuldnerverzug hierzu nicht eintreten. Eine Verzinsung des Hauptanspruchs scheidet danach aus.

82

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

83

Die Revision ist nicht zuzulassen, da der Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden kann, zu der höchstrichterliche Rechtsprechung bislang noch nicht vorliegt (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Es liegt insbesondere kein zulassungsrelevanter Divergenzfall vor. Der Senat ist nicht in einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage von der obergerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, sondern hat sich bei der Prüfung eines Nutzungsentgeltanspruchs aus Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8 EGBGB vielmehr im Rahmen der hierzu ergangenen Rechtsprechung bewegt.


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