Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 13 U 86/18

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 30. Mai 2018 unter Zurückweisung seines Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger 17.412,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. September 2017 sowie weitere 226,10 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Februar 2019 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage gegen beide Beklagte abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Kläger 62 % der Gerichtskosten sowie 44 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und sämtliche außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 tragen; die Beklagte zu 1 hat 38 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten zu 1 bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird für die Beklagte zu 1 zugelassen.


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inks">Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 263, 27 StGB scheide aus, weil die Beklagte zu 1 keine Hilfe zu Erklärungen gegenüber dem Kläger geleistet habe, die bei diesem zu einem Irrtum geführt hätten. Es fehle an einer Haupttat zum Nachteil des Klägers. Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 2, die allein gegenüber dem Kläger aufgetreten sei, vorsätzlich getäuscht habe.

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class="absatzLinks">1) Der Antrag 1 gegen die Beklagte zu 1 auf Zahlung von Schadensersatz ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 einen Anspruch auf Zahlung von 17.412,61 € aus §§ 826, 31 BGB, weil die Beklagte zu 1 den in dem vom Kläger geleasten Fahrzeug verbauten Motor vorsätzlich zusammen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Verkehr gebracht und dabei billigend in Kauf genommen hat, dass der Kläger deshalb einen Leasingvertrag abgeschlossen hat, den er in Kenntnis der Abschalteinrichtung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Typgenehmigung des Fahrzeugs so nicht abgeschlossen hätte.

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nks">g) Der Schadensersatzanspruch scheitert – entgegen der von den Oberlandesgerichten Braunschweig (Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17, juris Rn. 186 ff.) und München (Beschluss vom 9. Mai 2019 – 32 U 1304/19, juris Rn. 9) vertretenen Auffassung – nicht aufgrund des Schutzzwecks des § 826 BGB (OLG Oldenburg, Urteil vom 21. Oktober 2019 – 13 U 73/19, BeckRS 2019, 25843 Rn. 13; OLG München, Urteil vom 15. Oktober 2019 – 24 U 797/19, BeckRS 2019, 25424 Rn. 52 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. September 2019 – 17 U 45/19, juris Rn. 24 ff.; Senatsurteil vom 10. September 2019 – 13 U 149/18, juris Rn. 81 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 juris Rn. 39 f., OLG Köln, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 18 U 70/19, juris Rn. 39 ff.).

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ss="absatzLinks">Greifbare Anhaltspunkte dafür, warum der Wert der Nutzung lediglich mit den vom Kläger angegebenen 5.000,00 € (oder den zunächst von ihm angenommenen 6.000,00 €) anzusetzen sein sollte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

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="absatzLinks">Der Kläger macht als Auswirkungen des Updates insbesondere ein schlechteres Beschleunigungsverhalten, einen erhöhten Stickoxidausstoß, einen erhöhten CO2-Ausstoß, einen teilweise unrunden Lauf, die Gefahr des Abregelns und einen erhöhten Verbrauch an AdBlue sowie einen um mehr als 10 % erhöhten Kraftstoffverbrauch geltend.

151 152 "absatzRechts">153 154 155 156 <span class="absatzRechts">157
158 159 160 161 ss="absatzRechts">162 163 164 165 166 167 168 class="absatzLinks">Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht hat die Tätigkeit des ihn beratenden Rechtsanwalts jedoch keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG ausgelöst, sondern lediglich eine Beratungsgebühr gemäß § 34 Abs. 1 RVG. Eine Geschäftsgebühr h28;tte vorausgesetzt, dass sein Rechtsanwalt nach außen – gegenüber der Beklagten zu 1 – aufgetreten wäre, was der Kläger jedoch selbst übernommen hat. Denn die Geschäftsgebühr ist in dem die außergerichtliche Vertretung des Mandanten betreffenden Abschnitt des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt. Eine Vertretung kommt begrifflich nur gegenüber Dritten in Betracht. Deshalb setzt das Betreiben eines Geschäfts, das eine Geschäftsgebühr auslöst, einen Auftrag des Mandanten voraus, der auf eine Tätigkeit des Rechtsanwalts nach außen gerichtet ist. Fehlt es an ihr und soll der Rechtsanwalt ausschließlich nach innen gegenüber dem Mandanten tätig werden, liegt eine Beratung im Sinne von § 34 RVG vor (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – IX ZR 115/17, juris Rn. 9 mwN). So liegt es hier.

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bsatzLinks">Die Berufung gegen die Beklagte zu 2 hat keinen Erfolg.p> 174

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ss="absatzLinks">(1) Der Antrag 3 war demnach zun&#228;chst jedenfalls begründet, soweit der Kläger die Vorlage von Dokumenten betreffend den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, den Vertragspartner, die (wechselseitigen) Vertragsbedingungen und den Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs begehrt hat. Denn nur mit diesen Informationen hätte der Kläger in einem Prozess gegen den Lieferanten zum Rücktrittsgegner und dem Inhalt des Kaufvertrages vortragen sowie den Beginn der Gewährleistungsfristen ermitteln können.

181 182 183 184 ass="absatzRechts">185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195

class="absatzLinks">(1) Der Kläger stützt die von ihm angenommene Erledigung auch auf das Ende der Vertragslaufzeit und die Rückgabe des Fahrzeugs. Er hat zusammen mit seiner Erledigungserklärung im Schriftsatz vom 12. Januar 2018 (Seite 38, GA 125) zwar nur auf den Ablauf der Verjährungsfrist als erledigendes Ereignis abgestellt. Er hat die – unstreitige – Rückgabe des Wagens aber zugleich mitgeteilt (Seite 2, GA 89) und sich hierauf im nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingegangenem Schriftsatz vom 9. Mai 2018 (GA 194) auch ausdrücklich berufen, was er in der Berufungsinstanz wiederholt hat. Hierin ist eine Klageänderung (§ 263 Abs. 1 ZPO) durch eine nachträgliche Klagehäufung (§ 260 ZPO) zu sehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 – III ZR 93/83, juris Rn. 20).

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"absatzLinks">Es kann dahinstehen, ob dieser Streitgegenstand bereits erstinstanzlich wirksam in den Prozess eingeführt worden war, weil sich der Kläger hierauf stillschweigend bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung (mit Schriftsatz vom 12. Januar 2018) berufen hat oder ob erst in der ausdrücklichen Berufung auf diesen Lebenssachverhalt mit nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingegangenem Schriftsatz vom 9. Mai 2018 eine Klagehäufung zu sehen ist, die eine Wiedereröffnung der Verhandlung in erster Instanz erforderlich gemacht hätte. Denn der Antrag wurde jedenfalls in der Berufungsinstanz mündlich verhandelt und konnte gemäß § 533 ZPO auch in der Berufungsinstanz noch zulässig gestellt werden. Die Klageänderung stützt sich auf einen unstreitigen und damit gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigendem Umstand und ist zudem sachdienlich, weil sie eine umfassende Erledigung des Streitstoffes erwarten lässt. Die Beklagte zu 2 hat der Klageänderung auch nicht widersprochen.

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class="absatzLinks">(a) Die Beklagte zu 2 hat in Ziffer 10 ihrer ALB ihre mietrechtliche Gewährleistung – leasingtypisch – durch eine Abtretung ihrer kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer des Fahrzeugs ersetzt. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (st. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 13. November 2013 – VIII ZR 257/12, juris Rn. 13 mwN) hat sie den Kläger damit durch vorbehaltlose, unbedingte und endgültige Übertragung der Gewährleistungsrechte in die Lage versetzt, Sachmängelansprüche nach kaufrechtlichem Vorbild unmittelbar gegenüber dem Verkäufer geltend zu machen.

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="absatzLinks">Eine entsprechende Rückabtretung sieht Ziffer 10.1 ALB jedoch nur für die – hier nicht vorliegenden – F&#228;lle einer Vertragskündigung aus wichtigem Grund (vgl. Ziffer 14 ALB) und der einvernehmlichen vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages vor, nicht jedoch für eine Beendigung des Leasingvertrages gemäß Ziffer 3.1 ALB mit Erreichen der Vertragslaufzeit.

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atzLinks">^6;) Das Ende der Gebrauchsüberlassungspflicht aus dem Leasingvertrag allein hat – ohne abweichende Vereinbarungen oder weitere (ggf. konkludente) Erklärungen der Parteien – ebenfalls grundsätzlich keine Auswirkungen auf die leasingtypische Abtretung von Gewährleistungsechten. Denn diese ist abstrakt vom zugrundeliegenden Leasingvertrag als Verpflichtungsgeschäft zu beurteilen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 11. September 2014 – 4 U 179/13, juris Rn. 60 mwN) und hängt nicht vom unveränderten Fortbestand des Leasingvertrages ab, weshalb sie beispielsweise auch eine außerordentliche Kündigung überdauern kann (BGH, Urteil vom 13. November 2013 – VIII ZR 257/12, juris Rn. 24; siehe auch BGH, Urteil vom 13. März 1991 – VIII ZR 34/90, juris Rn. 31; vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 11. September 2014 – 4 U 179/13, juris Rn. 60), obwohl mit dem Ende der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung ein Bedürfnis für die Freizeichnung des Leasinggebers von der mietrechtlichen Gewährleistung grundsätzlich nicht mehr besteht.

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ass="absatzLinks">(bb) Auch die dem Kläger eingeräumte Möglichkeit zur Geltendmachung des sich aus einem Rücktritt vom Kaufvertrag ergebenden Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises (Einziehungsermächtigung und gewillkürte Prozessstandschaft, vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 1992 – VIII ZR 188/91, juris Rn. 27 sowie vom 13. November 2013 – VIII ZR 257/12, juris Rn. 12 und 28) ist nicht mit dem Ende der Vertragslaufzeit oder der Rückgabe des Wagens entfallen, so dass er nunmehr daran gehindert wäre, die Rücktrittsfolgen mit der erforderlichen Bindungswirkung für die (bestreitende) Beklagte 2 gerichtlich klären zu lassen. Die Ermächtigung und die Prozessführungsbefugnis sind vorliegend weder durch die Vertragsdauer auflösend bedingt, noch ist ein konkludenter Widerruf durch die Beklagte zu 2 nach den Umständen des Einzelfalles feststellbar.

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lass="absatzLinks">α) Der Leasingvertrag regelt das Schicksal der Erm&#228;chtigung und der Prozessführungsbefugnis am Ende der Vertragslaufzeit nicht ausdrücklich. Vielmehr erfasst die für eine Wirksamkeit der Haftungsfreizeichnung des Leasinggebers erforderliche vorbehaltlose, unbedingte und endgültige Übertragung der Gewährleistungsrechte (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2013 – VIII ZR 257/12, juris Rn. 13) nicht nur die Abtretung, sondern die Einziehungsermächtigung verbunden mit der Prozessführungsbefugnis gleichermaßen. Dementsprechend findet sich in den Allgemeinen Leasingbedingungen – wie auch für die abgetretenen Gewährleistungsrechte – kein Hinweis auf ein Ende dieser Befugnis mit Erreichen der Vertragslaufzeit, sondern lediglich für den Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung (ohne dass es darauf ankäme, dass sich dies angesichts des auf eine Abtretung bezogenen Wortlauts auch nur im Wege der Auslegung ergibt). Bereits dies spricht für einen vertraglich vorausgesetzten Gleichlauf der Abtretung und der Ermächtigung nebst Prozessführungsbefugnis.

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